Rede von
Dr.
Walter
Menzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir uns heute im Bundestag über die so dringend notwendig gewordene Erhöhung der Beamtengehälter und der Versorgungsbezüge unterhalten, dann ist das weiter nichts als eine Folge der vielen nachteiligen Auswirkungen -der so unglückseligen Wirtschaftspolitik
und der noch schlechteren Preisentwicklung in unserem Lande. Die Debatten am 10. April über das Wirtschaftsprogramm der Regierung und in der vorigen Woche über den Haushaltsplan des Herrn Bundesfinanzministers haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, in welche Situation die Lohnempfänger gedrängt worden sind. Die Masse der Beamten, vor allem der Polizeibeamten, Lehrer, Eisenbahner, 'Postbeamten usw. liegt mit ihrem
Nominalgehalt von 1927 heute 40 % unter der Lebenshaltung von 1927.
Der DGB fordert in einer Entschließung, die bisherigen Teuerungszulagen aufrechtzuerhalten, sie jedoch in eine neue Besoldungstabelle einzubauen und die Gehaltssätze dann allgemein um einen ausreichenden Prozentsatz zu erhöhen. Dieser Vorschlag ging darauf hinaus, für die niedrigsten Gruppen das Existenzminimum zu schaffen und für die mittleren und höheren Beamten eine angemessene Zulage zu bewilligen . Wir halten diese Vorschläge des DGB für richtig. Der Antrag des Zentrums schematisiert die Teuerungszulagen zu sehr. Wir werden ihn daher dem Ausschuß überweisen, damit die Teuerungszulagen nach sozial vernünftigen Gesichtspunkten aufgebaut werden. Aus Zeitungsnachrichten ersehe ich, daß der Herr Bundesinnenminister einer Delegation der Gewerkschaften erklärt hat, er werde sich dafür einsetzen, die Teuerungszulage höher als 15 % zu bemessen.
Wenn mir hier ein Zuruf gemacht wurde, daß unser Vorschlag die Einkommensvernältnisse zu sehr schematisiere und nivelliere, so darf ich darauf hinweisen, daß bei der damaligen Steuerreform die höheren Beamten einen viel höheren Steuervorteil als die unteren erhalten haben. Während sich bei den unteren und zum Teil bei den mittleren Beamten die Steuersenkung auf monatlich 3 bis 4 DM belief, gleichzeitig aber die Verteuerung der notwendigsten Lebensmittel ihnen monatlich eine Vermehrung der Ausgaben von 7 bis 10 DM brachte, ist bei den Beamten der höheren Stufen immerhin eine viel größere Steuersenkung, bis zu 50 und 60 DM monatlich eingetreten
Wohin der Weg der bisherigen Beamtenbesoldungspolitik führt, beweist das Urteil, das Herr Kollege Pannenbecker erwähnt hat. Es handelt sich um ein Urteil der Strafkammer des Landgerichts Wuppertal vom 20. Februar dieses Jahres. Mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten möchte ich den tragenden Satz dieses Urteils verlesen:
Diese besondere Treuepflicht
— heißt es in dem Urteil —
des Beamten besteht nicht zuletzt auch deshalb, weil der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, daß der Staat in der gesetzlichen Ausgestaltung dieses Treueverhältnisses seinerseits eine besondere Fürsorge walten zu lassen habe.
Das Urteil stellt dann fest, daß der Staat diese Fürsorge habe vermissen lassen. Nun, meine Damen und Herren, man mag dieses Urteil schelten. Man mag sagen, daß trotzdem der Beamte von einer korrekten Dienstführung und von seiner Treuepflicht nicht entbunden werde. Aber wir sollten uns doch klarmachen, welche Folgen es für den Staat haben kann, wenn die besten und qualifiziertesten Kräfte in zunehmendem Maße in die Wirtschaft abwandern. Der Herr Bundesfinanzminister hat neulich erklärt, die Steuerhinterziehungen beliefen sich auf rund 3 Milliarden DM jährlich. Nun, ich glaube, das ist nicht zuletzt auch darauf zurückzuführen, daß die tüchtigsten Finanzamtsbeamten wegen ihrer schlechten Bezahlung in die freie Wirtschaft abwandern und dort das verwerten, was sie sich auf Grund einer guten Ausbildung in der Finanzverwaltung an Wissen angeeignet haben. Wenn wir daher nicht zu einer allgemeinen Auslese der Mittelmäßigkeit kommen wollen, müssen wir dieser Besoldungspolitik rechtzeitig Einhalt tun:
Man hat in der Öffentlichkeit leider auch zu schnell vergessen, unter welch widrigen Umständen die Beamten nach 1945 bis kurz nach der Währungsreform haben arbeiten müssen.
Es stellte schon hohe Anforderungen an das Treuegefühl des Beamten, wenn er unter diesen Umständen damals bei der Arbeit blieb.
Die öffentliche Debatte über die Erhöhung der Beamtengehälter hat auch bei den Pensionären berechtigte Hoffnungen erweckt. Wir sollten nicht verkennen, daß der Kostenanstieg für die Gebrauchsgüter des täglichen Lebens den pensionierten Beamten genau so schwer und hart trifft wie den arbeitenden Menschen. Schließlich ist der Beamte, wenn er im Alter Krankheit und Siechtum zum Opfer fällt, gezwungen, Arzt und Krankenhaus zu den hohen Sätzen, die außerhalb der Krankenkassensätze zu zahlen sind, selbst zu übernehmen.
Wenn auch die Not bei allen Beamtenschichten gleich groß ist und wir auf die Sicherung des Existenzminimums bei allen Beamten Wert legen, so werden wir um eine abgestufte Teuerungszulage nicht herumkommen.
Wenn wir versuchen wollen, das Nachhinken der Gehälter und der Bezüge der Versorgungsempfänger einigermaßen auszugleichen, so rühren wir damit an ein Problem, das über den Antrag des Zentrums hinausgeht. Zunächst einmal liegen die Schwierigkeiten für die Beamten in der viel vertretenen Meinung, sie seien lästige Organe einer noch lästigeren Bürokratie. Aber man verkennt dabei, daß die Organe der öffentlichen Hand im modernen demokratischen Staat lebenswichtigste Aufgaben zu erfüllen haben und daß von ihrem richtigen Funktionieren der Bestand dieser Bundesrepublik sehr wesentlich abhängen wird. Ein Abrutschen in ein soziales Elend würde den Staat letzten Endes viel mehr kosten, als es diese geringfügige Teuerungszulage ausmacht.
Aber den Beamten sei von dieser Stelle aus auch einmal gesagt, daß sie sich dieses Nachhinken zum Teil selbst zuzuschreiben haben, weil sie sich zu spät und nicht richtig gewerkschaftlich organisiert haben. Hier knüpfe ich an das an, was der Herr Bundestagspräsident am Schluß der letzten Sitzung aus einer Verlautbarung der Zeitung des Deutschen Beamtenbundes verlesen hat. Ich meine die unerhörten Angriffe dieser Zeitung gegen den Bundestag und seine Abgeordneten. Oberstes Gesetz für einen Beamten und gerade für ihn sollten doch Wahrheit, Aufrichtigkeit und Achtung vor den Einrichtungen dieser Republik sein.
Es ist tief beschämend, daß der Beamtenbund, der mit den Gewerkschaften nichts zu tun hat, auf ein solches Niveau absinken konnte. Man sollte sich diese Leute — und das möchte ich dem Herrn Bundesinnenminister empfehlen —, die zu diesen Verunglimpfungen schritten, einmal genauer ansehen, und ihre Vorgesetzten sollten einmal ernstlich prüfen, ob diese Attacke gegen die Einrichtungen des Staates nicht einer bewußten Unterhöhlung der Demokratie dienen sollte.
Hinzu kommt die sehr unglückliche Zersplitterung der Beamtenvereinigungen, die vielfach nur auf einem gewissen Beamtendünkel beruht, den wir endlich überwunden haben sollten. Im übrigen würde eine stärkere Anerkennung gewerkschaftlicher Zusammengehörigkeit, würde mehr Einsicht, daß der Kampf einheitlich geführt werden muß, wahrscheinlich viel mehr helfen als lange Debatten im Bundestag.