Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es hieße meines Erachtens Eulen nach Athen tragen, wenn man hier noch länger darüber sprechen wollte, daß angesichts der jetzigen Besoldungsregelung in weitesten Schichten der Beamtenschaft ein große Notlage vorhanden ist. Ich habe eine vom Beamtensekretariat des Deutschen Gewerkschaftsbundes herausgegebene Zusammenstellung des jährlichen Nominal- und Realeinkommens der einzelnen Beamtenkategorien im Verhältnis zum Jahre 1913 vor mir liegen. Aus dieser Übersicht ergibt sich, daß die Beamten des einfachen Dienstes heute 87 % des Realeinkommens von 1913 haben, die des mittleren Dienstes 73 % des Realeinkommens von 1913, die des gehobenen Dienstes 56 % des Realeinkommens von 1913 und die des höheren Dienstes nur 51 % des Realeinkommens von 1913, während nach dieser Übersicht das Realeinkommen der männlichen Industriearbeiter bei 113 % des Einkommens von 1913 liegt. Das letztere ist eine Tatsache, die für uns alle selbstverständlich nur sehr erfreulich sein kann. Aber diese Relation des öffentlichen Sektors zu dem Sektor der privaten Wirtschaft ist nicht mehr länger tragbar. Hier muß etwas Entscheidendes geschehen.
Nun liegt uns im Augenblick der Regierungsentwurf über die vorgesehene Neuregelung der Beamtenbesoldung und das endgültige Ausmaß der Zulagen noch nicht vor, so daß wir dazu im einzelnen noch nicht Stellung nehmen können. Wir möchten aber schon jetzt den soeben betonten Grundgedanken herausstellen, daß der Treuepflicht des Beamten die Treuepflicht des Staates entspricht, die es dem Staat zur Aufgabe macht, einen angemessenen Lebensstandard des Beamten je nach dem Maß seiner Verantwortung sicherzustellen. Wenn und solange der Staat diese seine Treuepflicht nicht erfüllt, kann allerdings nicht davon die Rede sein, daß etwa der Beamte berechtigt wäre, nun seine Treuepflicht zu verletzen. Es kann und darf niemals im Ernst etwa die Forderung gestellt werden, daß der Beamte zur Durchsetzung wirtschaftlicher Forderungen in den Streik tritt. Mit einer solchen Forderung oder einem solchen Verhalten würden die Berufsbeamten selber die Axt an die Grundlagen des Berufsbeamtentums legen. Man kann nur sagen: wenn Berufsbeamte so etwas tun, wissen sie offenbar nicht, was sie tun. Ich freue mich, von diesem Pult in diesem Hause jetzt im Bundestag wiederholen zu können, was ich unter sehr lebhafter Zustimmung einer großen Zahl von hier im Saale anwesenden Beamten am vergangenen Samstag gesagt habe: Der deutsche Berufsbeamte hungert eher, als daß er streikt. Dieser Satz muß als eine Grundauffassung des deutschen Berufsbeamtentums gerade im Zusammenhang mit dem vorliegenden Antrag in unser Land hinausgerufen werden, damit nicht irgendwo Mißverständnisse über das hohe Ethos entstehen, von dem unser Berufsbeamtentum nach wie vor bis zum letzten erfüllt ist. Dieses Ethos muß zur Folge haben, daß der Staat nicht auf dieses hohe Ethos hin sündigt und denkt, er könne tun, was er will. Gerade dieses hohe Ethos verpflichtet vielmehr den Staat in besonderem Maße, alles zu leisten, was er unter den gegebenen Verhältnissen zur Sicherung eines angemessenen Lebensstandards tun kann. Das scheint mir eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Meine Damen und Herren! Im übrigen ist eine angemessene Regelung der Besoldung der Beamten auch aus dem Grunde erforderlich, weil wir bei Aufrechterhaltung des jetzigen Zustandes auf längere Sicht ein ganz gefährliches Absinken des Niveaus des Berufsbeamtentums, nicht nur wirtschaftlich, sondern fachlich und leistungsmäßig, zu befürchten hätten. Denn wenn die Dinge so liegen, daß jeder in der freien Wirtschaft oder in freien Berufen etwa 50 °/o mehr oder das Doppelte von dem verdienen kann, was er — neben seinem Pensionsanspruch, gewiß! -- als Beamter verdienen kann, dann kann der Staat keine Entwicklung mehr ver-
hindern, die die besten Kräfte aus allen Schichten der Beamtenschaft in andere Berufe abwandern läßt. Und, meine Damen und Herren, dann wird auch denjenigen ein Nachteil zugefügt, die vielleicht immer dagegen auftreten, daß man die Beamten gut oder, wie man sagt, allzugut behandelt. Denn das ganze Volk hat das höchste Interesse daran, daß das Niveau, besonders das fachliche Leistungsniveau unserer Berufsbeamtenschaft erstklassig ist, weil mit diesem erstklassigen Niveau Erstklassiges für die Allgemeinheit geleistet werden kann.
Meine Damen und Herren, ich darf mich im Augenblick auf diese kurzen Bemerkungen beschränken. Ich hätte gern zur Pensionsregelung und zu der Frage der Gestaltung der Kinderzulagen auch noch einiges gesagt. Aber die Redezeit läuft ab, und ich will die Dinge im Ausschuß dann im einzelnen behandeln. Ich möchte hier nur folgenden Gedanken herausstellen: Es liegt mir nicht daran, daß grundsätzlich die Kinderzulagen im Sektor der Beamten, realeinkommensmäßig gesehen, erhöht werden. Mir liegt nur daran, daß jetzt, wo zweifellos nicht eine völlig ausreichende Anpassung der Beamtenbezüge an die Teuerung möglich ist, von den Beträgen, die zur Auffüllung beschafft werden können, ein gewisser Teilbetrag vorweggenommen wird, um ihn demjenigen Sektor zuzuteilen, in dem er am allernotwendigsten ist, nämlich da, wo eine größere Anzahl von Kindern zu unterhalten ist und wo sich das Einkommen des Haushaltsvorstandes durch soundso viel Teilnehmer dividiert, wo also die Notlage, die zu beheben ist, vielfach größer ist. Wie gesagt, dies soll lediglich eine Übergangsmaßnahme bis zu dem Zeitpunkt sein, wo die gesamten Gehälter einigermaßen an- gemessen gestaltet werden können.
Abschließend darf ich den Antrag stellen, den Antr g der Zentrumsfraktion federführend an den Ausschuß für Beamtenrecht unter Beteiligung des Haushaltsausschusses zu überweisen. Ich glaube nicht, daß die Federführung des Haushaltsausschusses gerechtfertigt wäre, da es sich in erster Linie um eine Fachfrage des Berufsbeamtenrechts handelt und da wir wohl auch dann, wenn wir z. B. bei der Kriegsopferfürsorge Erhöhungs- oder Zulageanträge zu behandeln haben, solche Anträge dem Ausschuß für Kriegsopfer- und Kriegsgefangenenfragen und nicht dem Haushaltsausschuß federführend überweisen. Also nochmals Antrag: Überweisung an den Beamtenrechtsausschuß unter Beteiligung des Haushaltsausschusses.