Rede von
Richard
Freudenberg
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Wir haben uns in der letzten Woche bei der zweiten Lesung noch einmal grundsätzlich die Standpunkte gegenseitig vorgetragen, die uns bei der Behandlung des Gesetzentwurfes beschäftigen. Ich glaube, es hat sehr wenig Zweck, diese Dinge heute noch einmal grundsätzlich anzuschneiden. Gerade die Ausführungen von Herrn Kollegen Merkatz haben mir bewiesen, daß es sehr schwer ist, jemanden von seiner vorgefaßten Meinung abzubringen. Ich glaube aber, Ihnen doch das eine sagen zu müssen, Herr Kollege Merkatz: daß Sie die Dinge bei uns da unten nicht kennen; denn sonst könnten Sie nicht mit der Hartnäckigkeit, die Ihnen und Ihren Nachbarn so' eigen ist, immer wieder behaupten, daß das badische Volk in seiner Gesamtheit das Ziel will, von dem Sie sprechen. Wir haben uns in Nordbaden schon zweimal dafür entschieden, mit Württemberg zusammenzugehen, und wir sehen durchaus nicht ein, daß wir uns nun von Südbaden her in irgendeine Zwangslage hineinmanövrieren lassen sollen, die mit dem Willen des nordbadischen „Volksteils" einfach nicht übereinstimmt.
Herr Kollege Kopf, Sie haben sich darauf berufen, daß sich die Städte in Württemberg und Baden in einer Erklärung nicht ganz klar für den Südweststaat ausgesprochen hätten. Mir liegt eine Erklärung des württembergisch -badischen Städteverbandes vom 4. September 1950 vor, in der in der Ziffer 6 zusammengefaßt ist:
Die nunmehr fünf Jahre währende Zusammenarbeit zwischen württembergischen und badischen Städten hat ergeben, daß dieses gemeinschaftliche Wirken in jeder Beziehung ersprießlich war und nie zu irgendwelchen Benachteiligungen der einen oder der anderen Gruppe von Gemeinden geführt hat.
Was bei den Städten möglich ist, sollte bei den Ländern nicht unmöglich sein.
Es ist also nicht richtig, daß man überall in ganz Baden auf dem Standpunkt steht, das Zusammenarbeiten mit Württemberg sei unmöglich. Das hat ja auch die Volksbefragung vom 24. September des vergangenen Jahres ergeben, bei der sich gerade die Grenzbezirke für die Zusammenarbeit mit Württemberg ausgesprochen haben.
Mit starker Mehrheit hat sich der Bundestag bei der, zweiten Lesung für den Gesetzentwurf in der vom Ausschuß erarbeiteten Form entschieden. Ich kann nur hoffen, daß es auch in der dritten Lesung bei dieser Entscheidung bleibt. Daß Herr Wohleb nicht kapitulieren wird, hat er uns gesagt. Aber, Herr Wohleb, ich weiß nicht, ob Sie mit Ihrer unverdrossenen Hartnäckigkeit unserem badischen Volk wirklich einen Gefallen erwiesen haben und erweisen.
Ich glaube, daß Sie sich heute in einer ganz stillen
Stunde doch fragen müssen: Wäre es nicht klüger
gewesen, das - vor zwei Jahren getroffene Karlsruher Abkommen Wirklichkeit werden zu lassen?
Man hat im badischen Volk manchmal durchaus den Eindruck, als ob Sie, Herr Wohleb, zum Teil der Gefangene Ihrer Bürokratie seien. Man hat manchmal durchaus den Eindruck, daß der ganze
Streit im letzten Ende darum geht, daß die Bürokratie uns ihren Willen aufzwingen will.
Meine Damen und Herren, wir allerdings stehen auf dem Standpunkt, daß die Zeiten vorbei sind, in denen sich die Bürokratie den Willen des Volkes nach ihrem Geschmack formen kann, und daß jetzt die Zeiten gekommen sind, in denen das Volk seinen Willen sehr klar aussprechen soll und aussprechen muß.
Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte kann eine Bevölkerung von sich aus die Entscheidung darüber treffen, wie es seine innere Verwaltung gestaltet haben will. Früher waren es andere Kräfte, die diese Aufgabe gelöst haben. Wir sollten uns nicht immer wieder durch den Zwang oder die Taktik einer Bürokratie, die mit allen juristischen und sonstigen Finessen die Verhandlungen der letzten zwei Jahre erschwert, in die Länge gezogen und damit unserer badischen Heimat Schaden zugefügt hat, hin- und herzerren lassen.
In der ersten und zweiten, aber auch in der dritten Lesung ist uns immer wieder vorgehalten worden, das „badische Volk" solle majorisiert werden. Nein, meine Damen und Herren, das ist nicht richtig. Aber wenn ich den Antrag lese, der heute von einem Teil der CDU-Abgeordneten eingebracht worden ist, so muß ich gerade als Badener doch einmal ganz deutlich aussprechen, daß es mir jetzt langsam so zu sein scheint, als ob den in Württemberg Wohnenden der Wille einer Minderheit, nämlich derer, die in Baden wohnen, aufgezwungen werden soll.
Ich darf als Badener noch betonen, daß die überspitzte Herausstellung badischer Gefühle und badischer Eigenstaatlichkeit nicht dem Willen der Mehrheit der in Baden wohnenden Bevölkerung entspricht. Wenn es eine badische Tradition gibt, so ist es in erster Linie die, niemals eng badisch orientiert gewesen zu sein, gelebt und gehandelt zu haben, sondern in allen Zeiten die engen badischen Landesinteressen denen Gesamtdeutschlands untergeordnet zu haben.
Eine badische Irredenta, die sich nun gar zu einer Kampforganisation, einer Baden-Partei nach dem Willen des Herrn Josef Wirth übersteigern soll,
eine derartige badische Politik ist nicht badische Tradition, sondern ist höchstens eine Tradition der letzten drei oder vier Jahre, über die die badische Geschichte hoffentlich eines Tages mit Schamröte hinweggehen wird.
Unsere Bevölkerung will endlich mit dieser lästigen Frage in Ruhe gelassen werden.
Gerade die jüngere Generation hat kein Verständnis dafür, daß mit Reminiszenzen Politik getrieben wird.
Aber nicht nur die junge Generation, Herr Wohleb,
sondern auch sehr viele alte und erfahrene Leute
vertreten diesen Standpunkt, Leute, von denen Sie
ganz genau wissen, daß sie, solange es ein Großherzogtum Baden gegeben hat, sehr gute Badener gewesen sind. Mit Recht hat einmal einer der führenden Landwirte Nordbadens gesagt: „Ja, Herr Wohleb, ich bin ein sehr guter Badener, aber eines dürfen Sie nicht vergessen: Sie sind eben nicht ganz mehr der Großherzog!"
Herr Wohleb, Sie haben mit Ihrer Politik der letzten drei Jahre eine unnötige politische Unruhe in unser Land getragen.
Weite Kreise wissen allerdings, wie ich vorhin schon sagte, daß Sie zum Teil der Getriebene Ihrer Bürokratie gewesen sind. Ich frage Sie, ob wir, die wir für den Südweststaat sind, irgendwie schlechtere Badener sind als Sie, die Sie glauben, man müsse das Rad der Geschichte zurückdrehen.
Nun darf ich aber zum Schluß noch folgendes sagen: Wir, die wir für den Südweststaat sind, sehen in der Zusammenfassung der drei Länderverwaltungen zu einer Verwaltung eine wirkliche Verwaltungsvereinfachung. Wer aus diesem Hause hat nicht in den vergangenen Jahren bei Wahlreden oder sonstwie dem deutschen Volke immer wieder gesagt, daß man nun wirklich einmal anfangen müsse, die Verwaltung zu vereinfachen! Meine Damen und Herren, es geht bei uns da unten sehr vielen nicht in den Kopf, daß eine Arbeit, die von einem geleistet werden kann, von dreien oder zweien geleistet werden muß.
Wenn man mit einer Verwaltungsvereinfachung wirklich ernst machen will, darf man dabei nicht nur von unten anfangen, sondern dann muß man den Mut haben, auch oben einmal Verwaltungen zusammenzulegen.
Das Volk weiß doch viel zu genau, daß sehr viele Behörden davon leben, daß eine Behörde die andere beschäftigt,
und das Volk weiß viel zu genau, daß die überflüssigen Behörden nicht bloß sich selbst beschäftigen, sondern daß sie noch mit dem Leerlauf von Verwaltung die armen Opfer, die Bürger, mit ihren Verwaltungskünsten unnötig beschäftgen.
Deswegen, meine Damen und Herren, kann ich Sie nur bitten, den Beschlüssen, die in der zweiten Lesung in diesem Hohen Hause gefaßt worden sind, Ihre Zustimmung zu geben. Wir sind überzeugt, daß auch in einem südwestdeutschen Staat der badische Einfluß nicht verloren gehen wird; denn die Badener sind Manns genug — wenigstens die, die wir Badener nennen, die die wirkliche badische Tradition kennen —, sich selbst gegen die Württemberger zu behaupten.