Rede von
Friedrich
Maier
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nicht unvernünftig, will uns scheinen, wäre es auch, wenn durch eine stärkere wirtschaftliche Verflechtung eine Verkehrspolitik ermöglicht würde, die in einzelnen Gebieten längst fällige Erschließungen Wirklichkeit werden ließe und manche augenblicklich noch beklagten Verkehrshindernisse im Nordsüd- und Westostverkehr beseitigen würde. Vernünftig wäre auch, wenn bei der Finanzstärke der württembergbadischen Wirtschaft, anstatt 129 Millionen im Wege des Finanzausgleichs an andere Länder geben zu müssen, diese Summe in einem inneren Finanzausgleich allen Teilen zugute käme. Daß in einem größeren Land auch die Verteilung der dem Südwesten zugedachten Heimatvertriebenen leichter zu regeln und in einer prosperierenden Wirtschaft die Schaffung neuer Arbeitsplätze mit geringerem Einsatz geldlicher Mittel möglich ist, wird niemand bestreiten können. Daß endlich das vereinigte Gebiet auch politisch an Gewicht gewinnt, dürfte je- dem klar sein, der die ganze Frage nicht unter dem Aspekt parteiegoistischer Zielsetzungen beurteilt.
Von der Vernunft geleitet dürfte auch die bei der Volksbefragung in Nordbaden festgestellte Wählermehrheit gewesen sein, als sie ihr Votum auf Grund einer fünfjährigen Erfahrung im Zusammenleben mit den Nordwürttembergern abgegeben hat. Es ist doch eine feststehende Tatsache, daß Stuttgart den Nordbadenern mit der Zubilligung einer eigenen Landesverwaltung mehr Rechte als dem schwäbischen Landesteil zugestanden hat. Fest steht ebenso, daß aus der größeren Steuerkraft Nordwürttembergs Nordbaden für den Wohnungsbau, für den Wiederaufbau des Mannheimer Hafens, zur Deckung seines Defizits große Mittel zugeflossen sind, die es aus eigener Kraft nicht hätte schaffen können. Daß es andererseits in Südbaden, insbesondere seit dem Wegfall der an den Bund übergegangenen Tabaksteuern und Zölle, schwerhielt, Mittel für ähnliche Zwecke auch nur in geringerem Umfang freizumachen, ist eine ebenso unumstößliche Tatsache. Daß außerdem die Zahlungsfähigkeit der badischen Landeshauptkasse bis in den März dieses Jahres hinein nur mittels äußerster Anspannung der Kassenkredite aufrechtzuerhalten gewesen ist, wird Ihnen der badische Finanzminister auf Anfrage bestätigen müssen.
Zusammenfassend darf man wohl sagen, daß es nicht unvernünftig ist, wenn man einen Notstand, der sich in beiden südlichen Ländern abzeichnet, dadurch beseitigt, daß man diese beiden Länder mit "einem finanz- und wirtschaftskräftigerem Partner zusammenschließt.
Weniger vernünftig hingegen scheint uns Südweststaat -Anhängern Südbadens die von Herrn Staatspräsidenten Wohleb betriebene Isolierungspolitik gewesen zu sein. Ist es ihm doch binnen zweieinhalb Jahren gelungen, den ihm freunlich gesonnenen Nachbarn Südwürttemberg aus seiner Vermittlerrolle herauszudrängen, so daß die südbadische Regierung nun in den Tagen der Entscheidung allein steht. Eine aus der Emotion heraus geführte und von Eigenwillen bestimmte Politik kann, wenn sie von einer entsprechenden Propaganda unterstützt wird, zu Augenblickserfolgen führen. Sie wird aber auf die Dauer gesehen einer sachlich vernünftigen Argumentation weichen müssen.
Dieser Eigenwille ist der Antriebsmotor der von Herrn Staatspräsidenten Wohleb in der Frage des Länderzusammenschlusses geübten Politik bis auf den heutigen Tag geblieben. Ausdruck dieses Eigenwillens waren die Schlußworte des badischen Staatspräsidenten anläßlich der zweiten Beratung des Neugliederungsgesetzes, als er in das Plenum rief: „Wir kapitulieren nicht!" Eigenwillig schloß
er schon seine erste Südweststaatrede vor dem Landesausschuß der südbadischen CDU im August 1948 mit den Worten: „Ich will Badener bleiben!" In dieser Konferenz, in der es galt, eine Minderheit von Anhängern des Südweststaats bei der Stange zu halten, hat die südbadische CDU beschlossen, in der Frage des Südweststaats neutral zu bleiben. In einer Erklärung hatte es die Parteileitung den Mitgliedern überlassen, sich in Wort, Schrift und Abstimmung für oder gegen den Südweststaat zu entscheiden. Dieser Beschluß war für Herrn Staatspräsidenten Wohleb ein Freibrief für die Entfaltung einer nicht zu überbietenden Propaganda gegen den Südweststaat, die er nunmehr unter dem abgewandelten Motto führte. „W i r wollen Badener bleiben!" In seinem Eifer vergaß er sogar einen Auftrag seines Landtags, der in einer Entschließung vom 24. September 1948 mit allen Stimmen bei zwei Enthaltungen verlangte, daß die Verhandlungen der drei Regierungschefs mit dem Ziel der Schaffung des Südweststaats auf der Grundlage des Karlsruher Staatsvertragsentwurfs fortgesetzt werden sollten. In diesem Vertragsentwurf waren dank dem Entgegenkommen der Regierungen von Württemberg-Baden und Württemberg -Hohenzollern die vom Lande Baden gestellten Forderungen weitestgehend berücksichtigt worden. In einer am 15. und 16. September 1948 in Bühl tagenden Konferenz waren die drei Länderchefs auch zu einer Verständigung über die Abstimmungsmodalitäten gelangt, und nach einer weiteren Zusammenkunft in Bebenhausen konnte man der Meinung sein, daß einer Lösung des Südweststaatproblems nichts mehr im Wege stehe. Aber man hatte die Rechnung ohne den Herrn Staatspräsidenten Wohleb gemacht. Nach wie vor führte er seinen Propagandafeldzug gegen den Südweststaat weiter. Er be- nützte jeden Staatsakt — es gab deren in Südbaden eine große Zahl, anläßlich der Wiederverleihung von Stadtrechten, bei Vereinsjubiläen oder Schulhauseinweihungen —, um sich in seinen Festansprachen gegen den Südweststaat und für Altbaden einzusetzen. Dabei hatten die Südweststaatanhänger keine Möglichkeit, . gegen die häufig scharfen Formulierungen oder ungerechtfertigt erhobenen Vorwürfe in seinen Reden Stellung zu nehmen. Da der Herr Staatspräsident den staatlichen Propagandaapparat beherrschte und auch den Rundfunk häufiger benützen konnte als seine Widersacher,
— jawohl, es ist so! —, war es ihm gelungen, das badische Wählervolk, besonders auf dem Lande einseitig in Richtung auf die Gegnerschaft zum Südweststaat zu beeinflussen.
Mit der Zeit ist es Herrn Wohleb auch gelungen, die Neutralitätserklärung des Landesparteiausschusses vom August 1948 unwirksam zu machen. Denn seit dem Wahlkampf zum Bundestag ist die Südweststaatfrage mehr und mehr zur Parteifrage geworden.
Die immer lauter werdenden Drohungen gewisser Altbadener Kreise, die badische CDU durch Gründung einer neuen Partei zu sprengen, haben auch die seither in der Ländervereinigungsfrage neutrale Parteileitung immer stärker an die Seite der Altbadener gedrängt. Vor der Volksbefragung im vergangenen Jahre ist es diesen Kreisen sogar gelungen, den Herrn Erzbischof, wenn auch nicht zu einer amtlichen Stellungnahme des Episkopats, so
doch zu einer persönlichen Erklärung für die altbadische Lösung zu veranlassen.
Diese Erklärung des Herrn Erzbischofs, die mit dem Herrn Staatspräsidenten Dr. Gebhard Müller auch viele badische Diözesanen bedauerten, hat mit zu der Mehrheitsentscheidung gegen den Südweststaat beigetragen.
Daß man auch versuchte, auf den Herrn Bundeskanzler einzuwirken, erhellt schon aus der Tatsache, daß zu dem Zeitpunkt, als der Bundestag in der Südweststaatfrage wieder initiativ wurde, regierungsoffiziöse Presseverlautbarungen davon sprachen, die Regelung der Ländervereinigung nach Art. na des Grundgesetzes solle auf einen späteren Zeitpunkt vertagt werden. Um auch die Haltung des Bundesrats zu beeinflussen, erschienen geschickt lancierte Artikel über die Ablehnung des Südweststaates durch Hamburg und Bremen wegen seiner präjudiziellen Bedeutung für innergebietliche Neuordnungsbestrebungen anderer Länder. Erfreulicherweise sind, wie schon der Herr Berichterstatter in der zweiten Lesung betonte, die erhobenen Behauptungen durch eindeutige Erklärungen des Herrn Bundesministers des Innern vor dem Ausschuß für innergebietliche Neuordnung widerlegt worden.
Der uns heute zur dritter Lesung vorliegende Entwurf entspricht im wesentlichen dem von den Abgeordneten Kiesinger, Gengler und Genossen eingebrachten Initiativantrag und ist, wie in der zweiten Lesung berichtet wurde, dem Hohen Hause zur Annahme empfohlen worden. In der Aussprache der zweiten Beratung ist von den Vertretern der Minderheit immer wieder der Vorwurf der Majorisierung Südbadens erhoben worden. Wenn solche Behauptungen auch nicht dadurch wahrer werden, daß sie immer wiederholt werden, so sei den vermeintlich Vergewaltigten doch zu ihrem Trost gesagt: Wenn erst der durch alliierten Beschluß noch suspendierte Art. 29 des Grundgesetzes in Kraft gesetzt sein wird — wir hoffen, daß es bald geschieht —, besteht ja eine gesetzliche Möglichkeit, sich auf Grund dieses Artikels innergebietlich neu zu orientieren.
Eine zweite in der Auseinandersetzung wichtige Frage war die Regelung der Abstimmungsberechtigung. Die Minderheit versuchte, wie es auch die heutigen Anträge wieder zeigen, dem Geburtsprinzip zum Durchbruch zu verhelfen. Ganz abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, die seiner Durchführung entgegenstehen, können wir auch aus anderen Gründen der Auffassung der Minderheit nicht beitreten. Wir haben immer den Stand punkt vertreten, daß man die proklamierte Gleichberechtigung der Heimatvertriebenen wo irgend möglich auch praktizieren müsse. Soll der Heimatvertriebene, der sich in einem der Länder des Südwestens niedergelassen hat, soll der Evakuierte mit seiner neuen Heimat verwurzelt werden, dann muß man ihm auch das Recht geben, über die Gestaltung der Zukunft dieser neuen Heimat mitzubestimmen. Je mehr man ihm Gelegenheit zur Mitentscheidung gibt, desto rascher wird in ihm ein echtes Heimatgefühl wach werden. Aus diesem Grunde bejahen wir im Gegensatz zur Minderheit die Abstimmungsberechtigung aller nach den landesgesetzlichen Bestimmungen Wahlberechtigten, die ein Vierteljahr ihren ständigen Wohsitz im Abstimmungsgebiet haben.
Mein Parteifreund Professor Schmid hat schon in der zweiten Lesung unseren Standpunkt zur Einteilung der Wahlbezirke und zur Frage der Auswertung der Stimmen dargelegt. Er hat in seinen Rechtsausführungen auch zur Frage der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzentwurfs Stellung genommen und sich der Mehrheitsauffassung des Rechtsausschusses angeschlossen. Damit erübrigt es sich, heute noch einmal auf einzelne Teile des Gesetzentwurfes einzugehen.
Ich möchte aber meine Ausführungen nicht abschließen, ohne noch mit einigen Sätzen zu der Rundfunkansprache des Herrn Staatspräsidenten Wohleb vom 12. März 1951 Stellung genommen zu haben. Der Regierungschef des Landes Baden ist in seinen Ausführungen über das Ergebnis der Abschlußberatungen auf die Vorgeschichte des Südweststaates nicht eingegangen; sonst hätte er seinen Hörern sagen müssen, daß die in Art. 118 Satz 1 des Grundgesetzes vorgesehene vertragliche Regelung des Länderzusammenschlusses allein an seinem Widerstand gescheitert ist. Er hätte weiter mitteilen müssen, daß sein Ministerkollege aus dem Nachbarland Württemberg - Hohenzollern, Herr Staatspräsident Dr. Gebhard Müller, mit beispielloser Geduld während zweier Jahre bemüht gewesen ist, eine Verständigung unter den Verhandlungspartnern herbeizuführen. Er hätte auch zugeben müssen, daß eine gleiche Bereitschaft zur Verständigung seinerseits fehlte. Anstatt auch dieser Rundfunkrede die alte Devise voranzustellen: „Ich will Badener bleiben" und daraus die nach seinem seitherigen Verhalten einzig mögliche Schlußfolgerung zu ziehen: „Deshalb lehne ich alles ab, was den Südweststaat herbeiführen könnte", erhob der badische Regierungschef gegen die Bundestagsausschußmehrheit und die beteiligten Regierungen den unqualifizierten Vorwurf — ich zitiere jetzt wörtlich —, „einen Rechtsbruch zur Grundlage des Südweststaates zu machen".
In seinen weiteren Ausführungen bezeichnete der Chef der badischen Regierung die Volksabstimmung über den Südweststaat als eine scheindemokratische Akklamation
nach dem Muster vergangener Auch-Abstimmungen,
wohl ein Hinweis auf in der Nazizeit geübte Methoden. Er kennzeichnete die Abstimmung als undemokratisch und verfassungswidrig; denn er sagte, sie umkleide den Abstimmungsvorgang nur mit einer demokratischen Fassade und hätte dazu noch eine Vergeudung von Steuergeldern zur Folge.
In weiteren Ausführungen zur staatsrechtlichen Seite des Problems wird gegenüber den Befürwortern des Südweststaates der Vorwurf erhoben, sie würden eine die nationalen Interessen verletzende Handlung begehen. Nach Auffassung des Herrn Staatspräsidenten Wohleb würde es nach Annahme des Gesetzes für die Bundesrepublik nicht mehr möglich sein, andere durch die Siegermächte getroffenen Gebietsregelungen grundsätzlich abzulehnen. Sollte dabei etwa auf die Saar und die Oder-Neiße-Linie abgezielt sein? Er unterstellte den Bejahern des Südweststaates die Tendenz, über den Südweststaat zum zentralen Massenstaat. zu gelangen.
Schließlich knüpfte der badische Regierungschef an eine Entschließung des sozialdemokratischen Bezirksparteitages der Pfalz, die die von der Besatzungsmacht gezogenen Landesgrenzen ablehnte, die Folgerung, daß sich bei der Sozialdemokratie die Auffassung nach dem beabsichtigten Zweck richte. Für die den Südweststaat Bejahenden sei die gefährliche Nazitendenz richtungweisend, die schon einmal das deutsche Vaterland zugrunde gerichtet habe: Recht sei, was dem Südweststaat nütze, Unrecht aber, was ihn verhindern könne.
Unter Hinweis auf die dem südbadischen Volk zugefügte Vergewaltigung durch Majorisierung kündigte der Herr Staatspräsident die Anrufung des Bundesverfassungsgerichts an, das letztinstanzlich entscheiden solle, ob Recht Recht bleiben solle.
Wenn sich der Chef einer deutschen Landesregierung zu solchen Entgleisungen in einer Rundfunkrede hinreißen läßt
— das sind Entgleisungen, Herr Hilbert —,
kämpft er in schwacher Position, und dann muß es um die Stärke seiner Gegenargumente zur Sache schlecht bestellt sein.
Und wenn nun die Gefolgsleute des Herrn Staatspräsidenten Wohleb, zu denen Sie gehören, Herr Hilbert,
mit der Drohung einer Parteispaltung auf Regierung und Regierungsparteien einen Druck ausüben wollen
— im gewöhnlichen Leben nennt man so was Erpressung —,
um ein von der Mehrheit des Hohen Hauses in zweiter Lesung beschlossenes Gesetz noch zu Fall zu bringen, so kennzeichnet ein solches Vorgehen einen Geist, der nur in der Eigenwilligkeit und im Parteiegoismus seine Wurzeln hat.
In diesem Falle wird also das Parteiinteresse über das Volkswohl gestellt.
Das Urteil über eine solche Politik überlassen wir dem Hohen Hause und bei der Volksabstimmung der badischen Wählerschaft.
Für meine Freunde darf ich erklären, daß wir der Gesetzesvorlage in der jetzigen Fassung zustimmen werden.