Protokoll:
18140

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 18

  • date_rangeSitzungsnummer: 140

  • date_rangeDatum: 26. November 2015

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 20:23 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 18/140 Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 140. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. November 2015 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abgeord- neten Heinz-Joachim Barchmann und Alois Karl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13711 A Wahl von Herrn Michael Reiffenstuel und Herrn Ansgar Hollah als Mitglieder des Stif- tungsrates der „Stiftung Flucht, Vertrei- bung, Versöhnung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13711 A Erweiterung und Abwicklung der Tagesord- nung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13711 B Nachträgliche Ausschussüberweisungen . . . . 13711 D Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksachen 18/5500, 18/5502 . . . . . . . 13712 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Fi- nanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13712 B I .13 Einzelplan 09 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Drucksachen 18/6109, 18/6124 . . . . . . . 13712 B Dr . Diether Dehm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 13712 B Thomas Jurk (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13713 B Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13714 D Andreas Mattfeldt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 13716 A Hubertus Heil (Peine) (SPD) . . . . . . . . . . . . . 13718 C Michael Schlecht (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 13720 A Dr . Michael Fuchs (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 13721 C Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13723 D Sigmar Gabriel, Bundesminister BMWi . . . . . 13725 A Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13727 B Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13728 A Eva Bulling-Schröter (DIE LINKE) . . . . . . . . 13731 A Barbara Lanzinger (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 13732 B Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13734 A Peter Stein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13734 D Bernd Westphal (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13736 B Mark Hauptmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 13736 D Jan Metzler (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13738 C I .14 Einzelplan 15 Bundesministerium für Gesundheit Drucksachen 18/6114, 18/6124 . . . . . . . 13740 B Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 13740 B Hermann Gröhe, Bundesminister BMG . . . . . 13741 C Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13743 D Petra Hinz (Essen) (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 13745 A Dr . Georg Nüßlein (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 13747 A Harald Weinberg (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . 13748 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015II Burkhard Blienert (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13750 B Maria Klein-Schmeink (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13752 A Michael Hennrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 13753 B Dr . Edgar Franke (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13755 B Dietrich Monstadt (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . 13757 A Tagesordnungspunkt III: a) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Bericht der Bundesregierung über den Stand von Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit und über das Unfall- und Berufskrankheiten- geschehen in der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 2013 Drucksache 18/3474 . . . . . . . . . . . . . . . 13758 D b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Sechster Erfahrungsbericht der Bundesregierung über die Durchfüh- rung des Stammzellgesetzes Drucksache 18/4900 . . . . . . . . . . . . . . . 13759 A c) Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschät- zung gemäß § 56a der Geschäftsordnung: Technikfolgenabschätzung (TA): Mo- derne Stromnetze als Schlüsselelement einer nachhaltigen Stromversorgung Drucksache 18/5948 . . . . . . . . . . . . . . . 13759 A Zusatztagesordnungspunkt 1: a) Antrag der Abgeordneten Dr . Frith- jof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg), Omid Nouripour, weiterer Abgeordne- ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Interministerielle Zusam- menarbeit bei der Bewältigung der Fluchtkrise in Drittstaaten verbessern Drucksache 18/6772 . . . . . . . . . . . . . . . 13759 B b) Antrag der Abgeordneten Sylvia Kot- ting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von Wissenschaft und Technik keine Inbetriebnahme von Schacht Konrad Drucksache 18/6773 . . . . . . . . . . . . . . . 13759 B Tagesordnungspunkt IV: a)–f) Beratung der Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelüber- sichten 249, 250, 251, 252, 253 und 254 zu Petitionen Drucksachen 18/6656, 18/6657, 18/6658, 18/6659, 18/6660, 18/6661 . . . . . . . . . . 13759 C Tagesordnungspunkt I: (Fortsetzung) a) Zweite Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haus- haltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016) Drucksachen 18/5500, 18/5502 . . . . . . . 13712 A b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrich- tung durch die Bundesregierung: Fi- nanzplan des Bundes 2015 bis 2019 Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13712 B I .15 Einzelplan 11 Bundesministerium für Arbeit und So- ziales Drucksachen 18/6111, 18/6124 . . . . . . . 13760 A Dr . Gesine Lötzsch (DIE LINKE) . . . . . . . . . 13760 B Andrea Nahles, Bundesministerin BMAS . . . 13761 B Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13763 B Axel E . Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13764 D Ewald Schurer (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13766 D Klaus Ernst (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . . . . 13768 A Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU) . . . . . . . . 13769 C Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13771 D Katja Mast (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13772 D Stephan Stracke (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 13774 A Daniela Kolbe (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13775 C Mark Helfrich (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 13776 B Dr . Martin Rosemann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . 13778 B I .16 Einzelplan 17 Bundesministerium für Familie, Seni- oren, Frauen und Jugend Drucksachen 18/6124, 18/6125 . . . . . . . 13779 B Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 13779 B Manuela Schwesig, Bundesministerin BMFSFJ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13780 D Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13782 C Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 13783 D Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13785 A Michael Leutert (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 13785 C Alois Rainer (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 13785 D Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 III Dr . Carola Reimann (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . 13786 A Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 13787 A Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU) . . . . 13788 C Beate Walter-Rosenheimer (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13790 C Ulrike Gottschalck (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . 13791 D Jörn Wunderlich (DIE LINKE) . . . . . . . . . . 13792 D Marcus Weinberg (Hamburg) (CDU/CSU) . . . 13793 D Sönke Rix (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13796 B Sylvia Pantel (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . 13797 B I .17 Einzelplan 10 Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Drucksachen 18/6110, 18/6124 . . . . . . . 13799 C Heidrun Bluhm (DIE LINKE) . . . . . . . . . . . . 13799 D Cajus Caesar (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . . . . 13801 B Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13803 B Ulrich Freese (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13804 D Christian Schmidt, Bundesminister BMEL . . . 13805 D Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13807 D Dr . Kirsten Tackmann (DIE LINKE) . . . . . . . 13808 C Dr . Wilhelm Priesmeier (SPD) . . . . . . . . . . . . 13809 D Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13811 B Ingrid Pahlmann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . . 13812 D Dr . Karin Thissen (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . 13814 C Gitta Connemann (CDU/CSU) . . . . . . . . . . . . 13815 D Harald Ebner (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13817 B Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13818 B Ursula Schulte (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13819 A Rita Hagl-Kehl (SPD) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13820 A Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13821 B Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . . 13823 A (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13711 140. Sitzung Berlin, Donnerstag, den 26. November 2015 Beginn: 9 .01 Uhr
  • folderAnlagen
    Rita Hagl-Kehl (A) (C) (B) (D) Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 13823 Anlage zum Stenografischen Bericht Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Albsteiger, Katrin CDU/CSU 26 .11 .2015 Dörner, Katja BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .11 .2015 Ehrmann, Siegmund SPD 26 .11 .2015 Ernstberger, Petra SPD 26 .11 .2015 Hartmann, Sebastian SPD 26 .11 .2015 Heiderich, Helmut CDU/CSU 26 .11 .2015 Irlstorfer, Erich CDU/CSU 26 .11 .2015 Kekeritz, Uwe BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .11 .2015 Kindler, Sven-Christian BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .11 .2015 Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Lagosky, Uwe CDU/CSU 26 .11 .2015 Launert, Dr . Silke CDU/CSU 26 .11 .2015 Pronold, Florian SPD 26 .11 .2015 Scharfenberg, Elisabeth BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 26 .11 .2015 Schnieder, Patrick CDU/CSU 26 .11 .2015 Spinrath, Norbert SPD 26 .11 .2015 Strässer, Christoph SPD 26 .11 .2015 Veit, Rüdiger SPD 26 .11 .2015 Warken, Nina CDU/CSU 26 .11 .2015 Wicklein, Andrea SPD 26 .11 .2015 Deutscher Bundestag – 18 . Wahlperiode – 140 . Sitzung . Berlin, Donnerstag, den 26 . November 2015 Satz: Satzweiss.com Print, Web, Software GmbH, Mainzer Straße 116, 66121 Saarbrücken, www.satzweiss.com Druck: Printsystem GmbH, Schafwäsche 1-3, 71296 Heimsheim, www.printsystem.de Vertrieb: Bundesanzeiger Verlag GmbH, Postfach 10 05 34, 50445 Köln, Telefon (02 21) 97 66 83 40, Fax (02 21) 97 66 83 44, www.betrifft-gesetze.de 140. Sitzung Inhaltsverzeichnis EPL 09 Wirtschaft und Energie EPL 15 Gesundheit TOP III Überweisungen im vereinfachten Verfahren TOP IV Abschließende Beratungen ohne Aussprache EPL 11 Arbeit und Soziales EPL 17 Familie, Senioren, Frauen und Jugend EPL 10 Ernährung und Landwirtschaft Anlage
Gesamtes Protokol
Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814000000

Nehmen Sie bitte Platz . Die Sitzung ist eröffnet .

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
begrüße Sie alle herzlich und teile zu Beginn unserer
heutigen Sitzung mit, dass die Kollegen Heinz-Joachim
Barchmann und Alois Karl jeweils ihren 65 . Geburts-
tag gefeiert haben . Dazu möchte ich noch einmal im Na-
men des gesamten Hauses herzlich gratulieren .


(Beifall)


Dann müssen wir noch eine Wahl von zwei Mitgliedern
des Stiftungsrates der Stiftung Flucht, Vertreibung,
Versöhnung durchführen . Auf Vorschlag der Beauftragten
der Bundesregierung für Kultur und Medien sollen als Ver-
treter des Auswärtigen Amtes Herr Michael Reiffenstuel
als Nachfolger für den ausgeschiedenen Herrn Andreas
Meitzner und als Vertreter der Beauftragten der Bundesre-
gierung für Kultur und Medien Herr Ansgar Hollah für
den ausgeschiedenen Herrn Dr . Michael Roik als stellver-
tretende Mitglieder des Stiftungsrates gewählt werden .
Können Sie dem zustimmen? – Das sieht so aus . Dann ha-
ben wir das damit so beschlossen und die beiden Herren
als stellvertretende Mitglieder des Stiftungsrates gewählt .

Es gibt eine interfraktionelle Vereinbarung, die Ta-
gesordnung um die in der Zusatzpunktliste aufgeführten
Punkte zu erweitern:

ZP 1 Weitere Überweisungen im vereinfachten Ver-
fahren


(Ergänzung zu TOP III)


a) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . Frithjof Schmidt, Claudia Roth (Augsburg),
Omid Nouripour, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Interministerielle Zusammenarbeit bei der
Bewältigung der Fluchtkrise in Drittstaaten
verbessern

Drucksache 18/6772
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss

Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sylvia
Kotting-Uhl, Annalena Baerbock, Bärbel Höhn,
weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜND-
NIS 90/DIE GRÜNEN

Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von Wis-
senschaft und Technik keine Inbetriebnahme
von Schacht Konrad
Drucksache 18/6773
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit

Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll, so-
weit erforderlich, abgewichen werden .

Schließlich mache ich noch auf zwei nachträgliche
Ausschussüberweisungen im Anhang zur Zusatzpunkt-
liste aufmerksam:

Der am 16 . Oktober 2015 (131 . Sitzung) überwiesene
nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Aus-
schuss für Gesundheit (14 . Ausschuss) zur Mitberatung
überwiesen werden:

Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Moder-

(Vergaberechtsmodernisierungsgesetz – VergRModG)

Drucksache 18/6281
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Innenausschuss
Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Arbeit und Soziales
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss gemäß § 96 der GO






(A) (C)



(B) (D)


Der am 12 . November 2015 (136 . Sitzung) überwiese-
ne nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Haushalts-
ausschuss (8 . Ausschuss) zur Mitberatung überwiesen
werden:

Beratung des Antrags der Abgeordneten
Dr . André Hahn, Frank Tempel, Ulla Jelpke, wei-
terer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE

Parlamentarische Kontrolle der nachrichten-
dienstlichen Tätigkeit des Bundes verbessern
Drucksache 18/6645
Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss

Ich frage Sie, ob es dazu Einwände gibt . – Das ist
nicht erkennbar . Dann sind diese Ergänzungen und Än-
derungen so beschlossen .

Wir setzen nun die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt I – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2016 (Haushaltsgesetz 2016)

Drucksachen 18/5500, 18/5502

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses (8 . Ausschuss) zu der Unter-
richtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2015 bis 2019
Drucksachen 18/5501, 18/5502, 18/6127

Ich rufe zunächst Tagesordnungspunkt I .13 auf:

Einzelplan 09
Bundesministerium für Wirtschaft und Ener-
gie

Drucksachen 18/6109, 18/6124
Berichterstatter sind die Abgeordneten Thomas Jurk,

Andreas Mattfeldt, Roland Claus und Anja Hajduk .

Zum Einzelplan 09 liegen zwei Änderungsanträge der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor .

Des Weiteren liegt ein Entschließungsantrag der
Fraktion Die Linke vor, über den wir morgen nach der
Schlussabstimmung abstimmen werden .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 125 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem
Kollegen Diether Dehm für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Jörg-Diether Dehm-Desoi (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814000100

Guten Morgen, Herr Präsident! Sehr verehrte Damen

und Herren! Auch dieser Wirtschaftsminister offeriert –
genauso wie schon Brüderle und Rösler – Exportüber-

schüsse als besonderen Ausdruck deutscher Tüchtigkeit .
Sicher, wir haben tolle Erfinder, sieht man einmal von
der Diesel-Gate-Software ab . Näheres dazu lässt sich
im Dieter-Hallervorden-Song „Oh je, Vau Weh“ finden.
Aber verdammt noch mal, wenn unsere Arbeiter so tüch-
tig sind, dann müssen wir doch mit den Gewerkschaften
für viel höhere Löhne kämpfen! Das predigte Helmut
Schmidt zeitlebens . Wo sich Produktivität verzehnfacht,
muss die Kaufkraft nachziehen . Sonst gerät die Volks-
wirtschaft in Rezession und Deflation. Das betrifft heute
den gesamten Euro-Raum .

In Wahrheit stagnierten in den letzten 15 Jahren die
Pro-Kopf-Reallöhne bei uns, während die Profite der
Großkapitalisten um 70 Prozent explodiert sind . Deut-
sches Lohndumping, Steuerdumping und Kaputtsparen
des Sozialstaats haben Exportprodukte und Arbeit so
billig gemacht, dass Südeuropa nur noch mit Krediten
überleben kann . Nur noch 50 Prozent der Beschäftigten
arbeiten hierzulande unter Bedingungen eines Flächen-
tarifvertrages . Die andere Hälfte der Beschäftigten hat
heute ein Einkommen, das 17 Prozent unter dem des Jah-
res 2000 liegt . 8,6 Prozent der Erwerbstätigen leben un-
terhalb der Armutsgrenze . Unter den Erwerbslosen sind
es sogar 69,3 Prozent, wesentlich mehr als in jedem an-
deren EU-Staat . Wohlgemerkt: Wir sind hier schlechter
als Griechenland, Spanien und Bulgarien .

Die KfW bilanziert: Bei den Realinvestitionen kürzen
Bundesregierung und Monopolkapitalisten gleicherma-
ßen . Sie investieren mindestens 25 Prozent zu wenig in
die Straßenerhaltung und die Infrastruktur . Die Kommu-
nen können dank Schuldenbremse nicht einmal die Hälfte
ihrer Hausaufgaben lösen . Laut DIW weist Deutschland
seit 1999 eine addierte Investitionslücke von 1 Billion
Euro auf . Der Trend der letzten 25 Jahre führt stracks in
die Finanzspekulation. Noch 1991 flossen 40 Prozent des
Kapitals in Maschinen und andere Güter der Realwirt-
schaft . Heute liegt der Wert bei unter 10 Prozent . Herr
Gabriel, haben Sie nicht einmal das Wort „Finanzhaie“
plakatiert, und wollten Sie diese nicht ausrotten? Heute
betreiben Sie eine ganze Finanzhaiaufzucht .


(Beifall bei der LINKEN)


Am 22 . Januar in Davos erlaubten Sie sich, Herr
Gabriel, TTIP-Kritiker als hysterisch zu beschimpfen .
Sie verzauberten die skeptische SPD-Basis mit dem Satz,
alles habe Recht und Ordnung . Dazu nur zwei Urteile:
Erstens . Am 17 . November entschied der Europäische
Gerichtshof, dass die öffentliche Hand die Vergabe von
Aufträgen von der Zahlung eines Mindestlohns abhän-
gig machen darf . CETA jedoch, das Gesellenstück für
TTIP, würde das alles außer Kraft setzen, schützt also
nicht einmal europäisches Recht . Es ist ein Leichtes für
US-Konzerne, in Kanada einen Briefkasten anzumelden
und dann in Europa Armutslöhne zu zahlen .

Zweitens . Anfang November wurde Ecuador vom
Schiedsgericht der Weltbank zur Zahlung von 1,1 Milli-
arden Dollar an den US-amerikanischen Ölkonzern Oxy
verurteilt . Zwar erkannte das Gericht an, Oxy habe ge-
gen ecuadorianisches Recht verstoßen, ging aber davon
aus, dass die Firma durch den Staat benachteiligt wurde .
Schöne neue Welt für Finanzhaie! Es ist diskriminierend,

Präsident Dr. Norbert Lammert






(A) (C)



(B) (D)


wenn mit TTIP und CETA Konzerne Staaten verklagen
dürfen, aber demokratisch gewählte Regierungen nie-
mals einen Konzern .


(Beifall bei der LINKEN)


Wenn Profitsicherung demokratische Entscheidungen
aushebelt, lieber Sigmar Gabriel, dann nannten wir das
doch gemeinsam in unserer „Sozialistischen Jugend
Deutschlands – Die Falken“ staatsmonopolistische Plan-
wirtschaft, du in Goslar, ich in Hessen . Waren wir alle
damals hysterisch?

In Hamburg hat der Senat die Umweltauflagen für das
Kohlekraftwerk Moorburg aufgeweicht aus Angst vor
einem Schiedsgericht . Die von der EU unterdrückte Bür-
gerinitiative gegen TTIP hat mittlerweile 3,4 Millionen
Unterstützer – alle Hysteriker? –, davon 1 900 deutsche
Mittelständler und Handwerker . Wer wie ich als Unter-
nehmer im Internet unterzeichnen möchte: www .kmu-
gegen-ttip .de .

Aber was der Konzernminister Gabriel heute vom
Mittelstand hält, zeigen folgende Zahlen: Sein Gesamt-
etat umfasst 7,5 Milliarden Euro; davon gehen 1,6 Mil-
liarden Euro an Konzerne, die Luft- und Raumfahrt
betreiben und nebenbei auch ein bisschen Rüstung, der
Mittelstand hingegen bekommt im Rahmen des Zentra-
len Innovationsprogramms Mittelstand, ZIM, gerade ein-
mal läppische 538,5 Millionen Euro .

Abschließend noch ein Wort zum Umgang mit uns
TTIP-Hysterikern . Sollten die Regierungschefs TTIP
doch noch nicht als gemischtes Abkommen verabschie-
den, sodass nationale Parlamente nicht darüber abstim-
men dürfen, werden wir Linke klagen . Den 250 000, die
am 10 . Oktober mit uns in Berlin demonstriert haben,
sage ich: Wir werden immer mehr, und wir werden wei-
ter kämpfen für fairen Handel . Um den Entwicklungshil-
feminister Gerd Müller zu zitieren, der sagte: für fairen
Handel statt Freihandel .

Ich danke für die Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814000200

Das Wort erhält der Kollege Thomas Jurk für die

SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Thomas Jurk (SPD):
Rede ID: ID1814000300

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten

Damen und Herren! Wir haben den Etat des Bundes-
ministeriums für Wirtschaft und Energie bei den Haus-
haltsberatungen an mehr als 70 Stellen verändert . Sie
haben das Glück, dass mir meine begrenzte Redezeit
nicht erlaubt, auf alle diese Änderungen einzugehen . Ich
beschränke mich auf einige wesentliche Ergebnisse der
Beratungen .

Für das kommende Jahr sind im Einzelplan 09 jetzt
Ausgaben von 7,622 Milliarden Euro vorgesehen,
94,8 Millionen Euro mehr als ursprünglich im Haus-
haltsentwurf geplant . Bei meiner Rede zur ersten Lesung

des Bundeshaushaltes hatte ich bereits angesprochen,
wo wir als Koalition aus meiner Sicht noch nachsteuern
müssen . Das haben wir tatsächlich auch getan .

So wurden die Mittelansätze für das Zentrale In-
novationsprogramm Mittelstand sowie bei der Indus-
triellen Gemeinschaftsforschung und im Programm
INNO-KOM-Ost um rund 7 Millionen Euro angehoben .
Damit kann die Förderung auf dem bisherigen bereits
hohen Niveau weiter fortgesetzt werden . Wir haben die
Mittel für den innovativen Schiffbau um 10 Millionen
Euro erhöht und gleichzeitig den Kofinanzierungsanteil
der Länder in diesem Programm von 50 Prozent auf ein
Drittel abgesenkt .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Andreas Mattfeldt [CDU/CSU])


– Der Beifall kommt völlig zu Recht;


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Aber schwach! – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Der hätte stärker sein können!)


denn damit stärken wir auch die maritime Wirtschaft in
Deutschland .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


– Jetzt ist es auch dort angekommen, schön .

Die Digitalisierung der Wirtschaft ist die zentrale wirt-
schaftspolitische Herausforderung für Deutschland . Des-
halb erhält die Förderinitiative des Bundeswirtschaftsmi-
nisteriums „Mittelstand 4 .0 – Digitale Produktions- und
Arbeitsprozesse“ 11 Millionen Euro mehr als im Haus-
haltsentwurf vorgesehen . Damit sollen im Jahr 2016 fünf
zusätzliche Kompetenzzentren für den Mittelstand einge-
richtet werden . Darüber hinaus werden die Mittel für die
Initiative „Industrie 4 .0“ um 1 Million Euro aufgestockt,
um die Entwicklung international anerkannter Normen
und Standards stärker fördern zu können .

Insgesamt stehen damit im kommenden Jahr für die
Digitalisierung der Wirtschaft im Einzelplan 09 knapp
100 Millionen Euro zur Verfügung, über 20 Millionen
Euro mehr als im Jahre 2015. Ich finde, das kann sich
durchaus sehen lassen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zentral ist ebenso die Förderung junger innovativer
Unternehmen . Deshalb heben wir 2016 das Zuschussvo-
lumen für Wagniskapitalinvestitionen im INVEST-Pro-
gramm um 10 Millionen Euro auf 30 Millionen Euro an .
Das ist eine Anhebung von immerhin 50 Prozent . Auch
mit diesem Ergebnis brauchen wir uns wahrlich nicht zu
verstecken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Über das Auslaufen des erfolgreichen Batteriespei-
cherprogramms für Photovoltaikanlagen gab es einige
Diskussionen . Das Programm ist bis zum 31 . Dezember
2015 befristet . Die ursprünglichen Ziele des Programms
sind erreicht, so sagt es die Evaluierung . Wir stehen vor
Änderungen im Strommarktdesign, in welchem auf die

Dr. Diether Dehm






(A) (C)



(B) (D)


verschiedenen Flexibilisierungsoptionen ein stärkeres
Augenmerk gelegt werden wird . Dies spricht dafür, dass
das Programm wie geplant ausläuft .

Es gibt aber auch andere Argumente . Erstens indus-
triepolitisch . Es handelt sich bei der PV-Branche um eine
Branche, die sich gerade wieder erholt . Da sind Markt-
anreize wichtig . Zweitens energiepolitisch . Im neuen
Strommarkt brauchen wir einen fairen Wettbewerb aller
Flexibilisierungsoptionen . Das schließt aber eine gezielte
systemdienliche Förderung von Batteriespeichern nicht
aus . Sie muss jedoch der Systemintegration der erneuer-
baren Energien dienen .

Vor diesem Hintergrund habe ich mit dem Wirtschafts-
ministerium über eine mögliche Förderung von Batterie-
speichern intensiv diskutiert . Als Ergebnis wird es vo-
raussichtlich ein neues, an die derzeitigen Anforderungen
für den Strommarkt angepasstes Programm geben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Vor dem Hintergrund der Diskussion zur CO2-Minde-
rung im Stromsektor – dort insbesondere bei der Braun-
kohle – mag man mir unterstellen, ich sei als Lausitzer
Bundestagsabgeordneter parteiisch . Vielleicht bin ich als
Lausitzer, Sachse und Ostdeutscher auch nur besonders
sensibel; denn aufgrund der wirtschafts- und arbeits-
marktpolitischen Bedeutung der Braunkohle für die be-
troffenen Regionen wird es in ihnen zu einem weiteren
Strukturwandel kommen .

Ich möchte darauf hinweisen, dass wir in meiner Re-
gion seit 1990 nichts anderes als permanenten Struktur-
wandel betreiben . Um diesen Wandel abzufedern und ein
deutliches Signal an die betroffenen Regionen zu senden,
unterstützt der Bund ab 2016 jährlich den Strukturwandel
mit mindestens 4 Millionen Euro aus Mitteln des Ener-
gie- und Klimafonds . Ziel ist es, abrupte Strukturbrüche
zu verhindern, industrielle Kerne zu sichern und die regi-
onale Wirtschaftsstruktur weiterzuentwickeln . Ich freue
mich, dass wir dieses Zeichen in dieser Zeit setzen kön-
nen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Ende meiner Rede möchte ich kurz noch auf ei-
nen Beschluss eingehen, der vordergründig nichts mit
Geld zu tun hat, aber umso wichtiger ist . Die Physika-
lisch-Technische Bundesanstalt und die Bundesanstalt
für Materialforschung und -prüfung unterhalten teilweise
weltweit einmalige wissenschaftlich-technische Infra-
strukturen wie Laboratorien und Reinräume . Um inter-
national konkurrenzfähig zu bleiben sowie mit aktuellen
technologischen Entwicklungen mitzuhalten, müssen
diese Infrastrukturen kontinuierlich und vor allem in
kürzester Zeit weiterentwickelt werden . Leider war dies
in der Vergangenheit aufgrund der komplizierten Bau-
planungs- und Genehmigungsverfahren nicht immer der
Fall .

Wir haben deshalb neue Haushaltsvermerke für die
entsprechenden Bautitel eingefügt . Damit soll sich die
Dauer von Bauvorhaben deutlich verkürzen . Dies liegt
nicht zuletzt auch im Interesse der deutschen Wirtschaft,

welche von diesen wissenschaftlich-technischen Infra-
strukturen profitiert.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Abschließend – das ist man von Haushältern schon
fast gewohnt – möchte ich mich an dieser Stelle bei
allen Mitberichterstattern sowie den Mitarbeiterinnen
und Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums,
insbesondere des Haushaltsreferats, und natürlich auch
unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Abge-
ordnetenbüros ganz herzlich für die erneut gute und ver-
trauensvolle Zusammenarbeit bedanken .

Ein Wort zum Schluss sei mir noch gestattet, damit
wir uns nicht nur selbst beweihräuchern . Ich danke allen
am Wirtschaftsprozess Beteiligten in Deutschland, Un-
ternehmerinnen und Unternehmern, Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern für ihre fleißige Arbeit, die uns die
Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zur Verfügung
stellen, die es ermöglichen, dass Deutschland auch in an-
gespannten Zeiten gut durch die Zeit kommt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814000400


Das Wort erhält nun die Kollegin Anja Hajduk für die
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814000500


Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-
ren! Mir bleiben nach den intensiven Haushaltsberatun-
gen mehr Fragen, als dass wir vom Wirtschaftsminister
eine klare Orientierung bekommen hätten, wo es denn
mit der Wirtschafts- und Energiepolitik unseres Landes
hingehen soll .

Erster Punkt: Investitionsoffensive . Herr Minister,
Herr Gabriel, Sie haben Anfang November am Tag der
Deutschen Industrie bemängelt: Schon seit zehn Jahren
ist die Investitionsquote viel zu niedrig .

Sie haben mit Herrn Fratzscher und anderen eine
Kommission eingesetzt, die für eine Investitionsoffensi-
ve Vorschläge erarbeiten soll . Und wo stehen wir im No-
vember 2015, Mitte der Legislaturperiode? Keine Um-
setzung . Sie haben versprochen: Diese Vorschläge aus
der Kommission wird die Politik nicht in die Schublade
stecken, sondern sie wird sie wirklich umsetzen . Aber
wir können davon nichts erkennen . Dabei wird dort zum
Beispiel eine Investitionsregel vorgeschlagen, die den
Werteverzehr des öffentlichen Vermögens schützt . Wir
schlagen das in diesen Haushaltsberatungen vor .

Ansonsten bleiben nur Fragen: Was ist mit der Stär-
kung von kommunalen Infrastrukturprojekten? Was sind
die Instrumente, Herr Gabriel, mit denen man es wirklich
schafft, eine Strategie zu entwickeln, durch die wir bei

Thomas Jurk






(A) (C)



(B) (D)


den öffentlichen Investitionen „Sanierung und Erhalt vor
Neubau“ zustande bringen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Verkehrshaushalt!)


Studien belegen, dass gerade in einer entwickelten Volks-
wirtschaft die bestehende Infrastruktur eine ausschlagge-
bende Wachstumsdeterminante ist . Sie kommen nicht zu
Potte, Herr Gabriel . Dabei sollte das im Zentrum Ihrer
Aufmerksamkeit stehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


Ich muss noch etwas ergänzen zum Thema Investiti-
onen in Ihrem Verantwortungsbereich, dem Wirtschafts-
ministerium, was den sogenannten EKF, den Energie-
und Klimafonds, angeht . Ich weiß gar nicht, ob Ihnen
das bewusst ist: In der Nacht der Bereinigungssitzung im
Rahmen der Haushaltsberatungen, morgens gegen 3 Uhr,
hat die Große Koalition beschlossen, die Verpflichtungs-
ermächtigungen in der gesamten Finanzplanperiode um
7 Prozent zu kürzen . Wissen Sie, was das für Ihren Haus-
halt bedeutet? 380 Millionen Euro weniger für Investiti-
onen in dieser Periode .

Nehmen wir einmal ein markantes Beispiel: Das
CO2-Gebäudesanierungsprogramm ist großartig auf-
gestockt worden, um 200 Millionen Euro . Darüber
haben wir uns sehr gefreut . Wenn wir auf das 1,9-Mil-
liarden-Euro-Gebäudesanierungsprogramm diese 7-Pro-
zent-Regel anwenden, dann stellen wir fest: Wir kürzen
im selben Atemzug um 135 Millionen Euro . Das ist eine
inkonsistente Politik .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sie können sich mit gehaltvollen Investitionen nicht
durchsetzen . Das ist ein Armutszeugnis . Hinzu kommen
fehlende steuerliche Maßnahmen für die Förderung von
Privatinvestitionen bei kleinen und mittleren Unterneh-
men; da sind Sie seit zwei Jahren völlig blank . Stattdes-
sen sollten Sie hier endlich einmal eine sehr überzeu-
gende Maßnahme wie steuerliche Anreize durchsetzen .
Doch auch das packen Sie nicht an .

Insofern bleibt eine zweite große Frage: Wo ist eigent-
lich der Industrieminister, der Sie, glaube ich, sein woll-
ten, der beherzt eine ökologische Orientierung unserer
Industrie voranbringt? Wir stehen jetzt vor Paris .


(Lachen bei der CDU/CSU)


– Wir stehen jetzt vor dem Pariser Gipfel, Entschuldi-
gung . Was ich gesagt habe, löst komische Assoziationen
aus . Ich möchte das korrigieren .


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Bei mir nicht!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814000600

Ich werde den Kollegen in der Nationalversammlung

unterrichten, sodass keine Missverständnisse entstehen,
Frau Hajduk .


(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)



Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814000700

Herr Präsident, vielen Dank .

Der Pariser Gipfel – das hat gestern auch die Kanzle-
rin betont – kann ein starkes Symbol sein und ein wich-
tiges Signal setzen . Wenn wir aber schauen: „Wo stehen
wir selber, Deutschland, mit dem Erreichen unserer Kli-
maschutzziele?“, dann kann ich Ihnen nur sagen, Herr
Gabriel: Sie schaffen es, eine Energiepolitik zu betreiben,
durch die wir die Klimaschutzziele gar nicht mehr errei-
chen können, und gleichzeitig fehlt eine soziale Ausrich-
tung Ihrer Energiepolitik . Wir haben es mit dem Faktum
zu tun, dass die mit der Energiewende verbundenen Ziele
nicht erreicht werden, und gleichzeitig wurde noch nie
so vielen Verbrauchern Strom und Gas abgedreht wie in
2015 . Das ist die traurige Bilanz . Das hat auch damit zu
tun, dass wir beim Netzausbau nicht vorankommen, dass
der Umfang der Abregelung der Einspeisung von Strom
aus Erneuerbaren so groß ist wie noch nie . Da müssten
Sie eigentlich viel stärker gegensteuern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was Sie in diesem Jahr zu verantworten haben, ist,
dass Sie eine Kohleabgabe nicht durchsetzen konnten,
sich aber eine Kohlereserve in einer Größenordnung von
1,6 Milliarden Euro eingefangen haben . Dabei ist der
Ausstieg aus der Kohleverstromung der Trend, den wir
international beobachten können . Ich kann Ihnen nur zu-
rufen:


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann ruf mal!)


Die Kanzlerin hat uns gestern in einer sehr eindringli-
chen Rede zu neuem Denken aufgefordert .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da haben wir geklatscht!)


Ich sage Ihnen: Kohleverstromung, das ist altes Denken .
Gerade in dem Zusammenhang von Klimaschutz und
Flüchtlingsbewegungen kann ich Ihnen nur sagen: Mehr
Mut auch in der Industriepolitik zu neuem Denken . Nur
dann entsteht eine insgesamt glaubwürdige Strategie für
die Industrienation Deutschland daraus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Letzter Punkt . Herr Gabriel, noch eine Frage . Sie ha-
ben jetzt einen Vorschlag gemacht – in einem Brief . Das
ist auch witzig: Der Vizekanzler schreibt zusammen mit
dem französischen Kollegen Macron einen Brief an die
Kanzlerin und den französischen Präsidenten: Wir schla-
gen vor einen gemeinsamen Fonds von 10 Milliarden
Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise .

Das Thema ist wichtig . Ich denke da auch an die
Anrainerstaaten rund um den regional so schrecklichen
Konflikt in Syrien. Da muss reagiert werden. Aber be-
antworten Sie mir bitte mal die Frage: Soll das jetzt hier

Anja Hajduk






(A) (C)



(B) (D)


unsere Haushaltsberatungen noch berühren? 10 Milliar-
den Euro sind kein Pappenstiel . Ist es nicht besser, die
etablierten Ebenen der EU mit ihren Mitteln und Wegen
zu nutzen?

Herr Minister, Sie sind Vizekanzler dieses Landes . Sie
können solche richtigen Fragen nicht mal so locker wie
mit einem offenen Ideenwettbewerb über die Medien be-
dienen . Das kann man nicht ernst nehmen . Sorgen Sie
dafür, dass Sie das hier heute in Ihrer Rede klären!

Schönen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814000800

Andreas Mattfeldt ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Andreas Mattfeldt (CDU):
Rede ID: ID1814000900

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mei-
ne vergangenen Reden zum Abschluss der Haushaltsbe-
ratungen zum Wirtschaftsministerium waren immer von
den wirtschaftlichen Rahmendaten geprägt . Fast schon
erfolgsverwöhnt konnten wir uns über eine langanhalten-
de, aber vor allen Dingen auch anständige wirtschaftliche
Entwicklung freuen, von der vor allem der Arbeitsmarkt
und infolgedessen auch die Haushalte von Bund, Län-
dern, aber auch Kommunen durch sprudelnde Steuerein-
nahmen profitierten. Dies gilt auch für das Haushalts-
jahr 2016 .

Meine Damen und Herren, diesem Land geht es nun-
mehr seit einigen Jahren sehr gut . Durch unsere wirt-
schaftliche Stärke haben wir uns große Aufgaben zu-
getraut . So haben wir beschlossen, eine Energiewende
einzuleiten, die in Art und Umfang für eine Volkswirt-
schaft unserer Größenordnung einmalig ist und die bei
Erfolg auch für andere Nationen beispielhaft sein kann .
Auch die Bewältigung der Verschuldungskrise im Eu-
ro-Raum wäre ohne die wirtschaftliche Stärke Deutsch-
lands, so bin ich sicher, nur schwerlich zu bewältigen
gewesen . Aber auch erhebliche Mehrausgaben für sozi-
ale Wohltaten wie zum Beispiel bei der Rente oder auch
die massive Entlastung der Kommunen konnte der Bund
scheinbar mühelos schultern .


(Ulrich Freese [SPD]: Leg mal eine neue Schallplatte auf!)


Mehrausgaben bei Infrastrukturprojekten wie zum Bei-
spiel für den immer noch nicht fertiggestellten Flugha-
fen in Berlin-Schönefeld kann dieses Land anscheinend
spielend verkraften . – Damit habe ich nur ganz wenige
ausgaberelevante Themen genannt .

Die größte Herausforderung – da müssen wir, glaube
ich, jetzt aufpassen, dass wir uns nicht verheben – steht
uns erst noch bevor . Das Thema der Bewältigung der
bisher größten Fluchtbewegung bestimmte deshalb nicht
nur diese Woche die Debatten, sondern auch die gesam-

ten Haushaltsberatungen . Die Flüchtlingsbewegung wird
ganz sicher unser politisches Handeln auch in den kom-
menden Jahren noch bestimmen . Dabei mag ich mir gar
nicht vorstellen, wie die Situation in Deutschland ausse-
hen würde, wenn wir die derzeitigen Flüchtlingszahlen
bei wirtschaftlicher Rezession, bei Haushaltsdefiziten,
bei hoher Arbeitslosigkeit bewältigen müssten . Schon
hieran sehen Sie, dass die Bewältigung des Flüchtlings-
stroms – neben allen sozialen Problemen – vor allem
auch ein großes Wirtschaftsthema ist .

Ja, Herr Vizekanzler, dieses Land ist stark . Bei unse-
rer demografischen Entwicklung kann dieses Land si-
cherlich auch Zuwanderung verkraften; nein, ich bin mir
sicher: Diese Zuwanderung ist sogar notwendig, um un-
sere großen sozialen Aufgaben auch in den kommenden
Jahrzehnten bewältigen zu können .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja mal eine Ansage!)


Was wir aber nicht bewältigen können, das ist die Ge-
schwindigkeit, und das ist die Anzahl der zu uns kom-
menden Menschen . Bei dieser Geschwindigkeit und bei
dieser Anzahl ist eine Integration in unser gesellschaftli-
ches System und in den Arbeitsmarkt nach meiner festen
Überzeugung nahezu unmöglich .

Herr Vizekanzler, ich bin seit über 25 Jahren an vor-
derster Front in der Politik aktiv, sowohl im kommunalen
Bereich wie auch auf bundespolitischer Ebene, 15 Jahre
davon hauptberuflich. Jede politische Herausforderung,
jedes Gesetz habe ich, ob es mir nun passte oder nicht,
vor allem auch als Bürgermeister, umgesetzt – ganz nach
dem Motto: Man jammert nicht; man löst das Problem .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Man ist demokratisch!)


Das erste Mal habe ich als politischer Entscheidungsträ-
ger in diesen Monaten den Eindruck, dass wir als Staats-
gewalt die Kontrolle in der Flüchtlingskrise verloren ha-
ben .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann abdanken!)


Wir haben die Kontrolle verloren, vielleicht auch, weil
wir uns nicht trauen, unpopuläre Dinge auszusprechen
und durchzusetzen, zum Beispiel, dass die Aufnahme-
kapazität von Flüchtlingen in diesem Land überschritten
sein dürfte


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist das jetzt die Gegenrede zu gestern, zu Merkel?)


und auch Rückweisungen kein Tabu mehr sein dürfen


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein! Auf keinen Fall! – Zurufe von der LINKEN)


– Sie dürfen sich gerne melden; ich bin gerne bereit, Zwi-
schenfragen zu beantworten; dann hören das auch alle –,
aber auch – da schaue ich auf die leider sehr spärlich be-
setzte Länderbank –, dass wir Rückführungen von nicht

Anja Hajduk






(A) (C)



(B) (D)


bleibeberechtigten Personen in nennenswerter Anzahl
derzeit einfach nicht umsetzen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind Sie eigentlich in der Opposition rechts von Frau Merkel? Oder sind Sie noch Regierungsfraktion? – Weitere Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kollegen aus den Ländern, das ist Ihre Aufgabe,
und ich fordere Sie eindringlich auf, Rückführungen
konsequent durchzuführen, damit wir auch zukünftig
den wirklich von Verfolgung bedrohten Menschen Hilfe
bieten können . Wir brauchen zwingend und dringend ein
solches Signal .

Meine Damen und Herren, wir dürfen unser Land
nicht überfordern . Gerade deshalb ist es wichtig, dass
wir bei der Aufstellung von Haushalten auch zukünftig
maßhalten . Leider habe ich den Eindruck, dass in nahe-
zu allen Ressorts die Flüchtlingskrise dazu genutzt wird,
um erheblichen Stellenaufwuchs und Mehrausgaben zu
begründen .


(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, das würde ich nicht sagen!)


Ich habe schon die Befürchtung, dass dauerhaft durch
ein solches Verhalten alle Dämme brechen und eine Poli-
tik der schwarzen Null im Haushaltsbereich aufgegeben
werden soll . Ich halte das für den absolut falschen Weg .

Als Berichterstatter für das Wirtschaftsministerium
möchte ich dazu beitragen, dass es uns gelingt, die wirt-
schaftlichen Rahmenbedingungen auch zukünftig positiv
auszugestalten, damit zum Beispiel gerade die wirtschaft-
lich wichtigste Säule und der Stabilitätsfaktor unserer
Volkswirtschaft, nämlich der Mittelstand, auch zukünftig
erfolgreich ist . Eine Eintrübung der wirtschaftlichen Lage
können wir in den kommenden Jahren weiß Gott nicht
mehr bewältigen . Deshalb kommt diesem Wirtschaftsetat
eine besondere, ja sogar außergewöhnliche Bedeutung
zu . Insgesamt umfasst der Haushalt von Minister Gabriel
im Jahr 2016 7,622 Milliarden Euro und erfährt damit
einen Aufwuchs in Höhe von über 95 Millionen Euro
gegenüber dem eingebrachten Regierungsentwurf . Ein
Großteil hiervon, nämlich über 40 Millionen Euro, fließt
sogar in das CO2-Gebäudesanierungsprogramm .

Ganz wichtig, meine Damen und Herren, war uns die
Ausweitung der Fördermittel für den Mittelstand . Hier
haben wir insgesamt 21 Millionen Euro mehr bereitge-
stellt, als vom Ministerium ursprünglich beantragt war .
Ich möchte gar nicht weiter darauf eingehen, wie wichtig
der Mittelstand für die Wirtschaftskraft unseres Landes
und für Arbeitsplätze ist . Das hören die jeden Tag . Sa-
gen darf ich aber, dass ich mich sehr gefreut habe, dass
ein Unternehmen aus meinem Wahlkreis durch unsere
Unterstützung einen sogenannten Tankreinigungsrobo-
ter – der Arbeitsname T-REX gefiel mir sehr gut – ent-
wickeln konnte . Dadurch konnten nicht nur Arbeitsplät-
ze in erheblichem Umfang geschaffen werden, sondern
dies hat dem Unternehmen sogar auch den Deutschen
Arbeitsschutzpreis 2015 eingebracht . Auch dies ist, wie
ich meine, ein schöner Nebeneffekt unserer Förderung;

denn gerade Arbeitsschutz wird auch heute noch zu we-
nig in den Blickpunkt gerückt und manches Mal leider
vernachlässigt .

Außerdem war es uns wichtig, die Gelder für die Un-
terstützung der Wirtschaft bei Auslandsmessen wieder
anzuheben . Hier wurde eine Kürzung in Höhe von circa
0,5 Millionen Euro zurückgenommen . Ich habe mich ge-
freut, dass dies auch mein Koalitionskollege und Mitbe-
richterstatter – lieber Thomas, herzlichen Dank dafür – so
gesehen hat . Wir konnten durch kluge Umschichtungen
sogar circa 2 Millionen Euro mehr für Auslandsmessen
bereitstellen . Gerade die Präsenz des Wirtschaftsminis-
teriums auf Messen im Ausland bietet für kleine und für
mittelständische Unternehmen die Möglichkeit, sich mit
sehr geringem Aufwand zu präsentieren und so Umsatz-
und Marktanteile weltweit zu sichern .

Als Norddeutscher habe ich mich gefreut, dass es uns
gelungen ist, die maritime Wirtschaft und die damit ver-
bundenen Chancen für die Schaffung und den Erhalt von
Arbeitsplätzen in den Blickpunkt zu rücken . Insgesamt
haben wir für den Schiffbau 10 Millionen Euro zusätz-
liche Fördermittel für technische Innovationen bereit-
gestellt . Ich bedaure sehr, dass mein Heimatland Nie-
dersachsen die maritime Wirtschaft nunmehr schon seit
einigen Jahren sehr stiefmütterlich behandelt, obwohl
gerade Niedersachsen von diesen Mitteln massiv profi-
tieren könnte .


(Thomas Oppermann [SPD]: Sie waren wohl schon lange nicht mehr da, oder? Das ist seit drei Jahren besser geworden!)


Leider hat sich Niedersachsen, gerade in den letzten drei
Jahren, geweigert, die notwendige Kofinanzierung der
Förderung mitzutragen,


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Was ist denn das hier für eine Rede heute?)


sodass niedersächsische Schiffbauunternehmen hiervon
nicht profitierten.


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wir sind heute nicht im Ortsrat!)


Ich hoffe sehr, da auch noch der Länderbeitrag von uns
Haushältern massiv gesenkt wurde und er ab nächstem
Jahr nur noch ein Drittel – vormals waren es 50 Pro-
zent – beträgt, dass sich Niedersachen seiner Verantwor-
tung bewusst wird und die Blockadehaltung aufgibt . Herr
Minister, vielleicht können auch Sie mit Ihren nieder-
sächsischen Verbindungen noch einmal vermitteln .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Thomas Jurk [SPD])


Eine weitere Branche, die ich für wichtig halte und
über die viele in unserem Land am liebsten gar nicht
sprechen, ist die Rüstungsindustrie . Dabei verkennt man,
dass auch hier inklusive der Zulieferbetriebe nahezu
350 000 Menschen Beschäftigung finden, die mit ihrem
Know-how auch die Verteidigungsfähigkeit unseres Lan-
des und der westlichen Wertegemeinschaft sichern .


(Zuruf des Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LINKE])


Andreas Mattfeldt






(A) (C)



(B) (D)


Herr Minister, ich glaube, wir sollten uns schnell darüber
unterhalten, ob wir mit der auch von Ihrer Seite verbal
unterstrichenen restriktiven Rüstungspolitik nicht über
das Ziel hinauslaufen .


(Zurufe von der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Hiermit meine ich keinesfalls die Diskussion um Pan-
zerlieferungen in problematische Regionen, sondern
erheblich unproblematischer gelagerte Fälle . Es kann
doch nicht sein, dass Mitarbeiter im Ministerium und im
BAFA mittlerweile so verunsichert sind, dass selbst der
Export von gepanzerten Limousinen für die UNO nur
schwerlich möglich ist


(Zurufe der Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LINKE] und Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


oder Genehmigungen für Sonargeräte zur Küstensiche-
rung in unproblematischen Ländern nur nach heftigster
Intervention von Parlamentariern erfolgen . Von viel zu
spät gelieferten schusssicheren Westen in die Ukraine
mag ich schon gar nicht mehr sprechen .

Im Ausland wird von der Konkurrenz schon mit dem
Label „german-free product“ geworben, sodass ich be-
fürchte, dass Arbeitsplätze massiv gefährdet sind und ins
Ausland verlagert werden . Ich jedenfalls halte das für ge-
fährlich, meine Damen und Herren .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Dann kriegen Sie noch mehr Flüchtlinge!)


Eine besondere Bedeutung für die deutsche Wirtschaft
hat natürlich auch die Luftfahrt . Hier haben wir vor kur-
zem erneut gute Nachrichten aus dem Hause Airbus ge-
hört . Die Chinesen haben 130 Flugzeuge vom Typ A320
und A330 bestellt . Aber gleichzeitig bekommt Airbus –
das haben wir auch gelesen – enorme Konkurrenz aus
China, das bekanntlich ein eigenes Mittelstreckenflug-
zeug entwickelt und demnächst in Serie bauen will .
Airbus hat damit weitere ernstzunehmende Konkurrenz
bekommen . Aber wir kennen das Unternehmen: Die wer-
den sich mit Sicherheit noch mehr ins Zeug legen; denn
Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft . Und ich bin
sicher, dass der Deutsche Bundestag dieses erfolgreiche
Unternehmen, an dem wir als Bundesrepublik Deutsch-
land nicht unerheblich beteiligt sind, auch zukünftig im
Rahmen der notwendigen Möglichkeiten unterstützen
wird .

Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede
möchte ich Danke sagen, Danke sagen Ihnen ganz per-
sönlich, Herr Minister,


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Da freut er sich!)


aber ganz besonders auch Ihrem Staatsekretär Rainer
Sontowski sowie dem gesamten Haushaltsreferat . Ich
danke auch den Kolleginnen und Kollegen Berichterstat-
ter für den Einzelplan 09 . Die Haushaltsberatungen ha-
ben trotz der Arbeitsintensivität Spaß gemacht, und das
liegt nicht zuletzt am guten Miteinander, das wir pflegen.

Ich bitte um Zustimmung zum Einzelplan, dem auch die
Opposition mit ruhigem Gewissen zustimmen könnte .

Danke schön .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Thomas Jurk [SPD] – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: „Könnte“!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814001000

Für die SPD-Fraktion erhält nun der Kollege Hubertus

Heil das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wenn noch einer sagt, man habe die Kontrolle verloren, dann flippe ich aus!)



Hubertus Heil (SPD):
Rede ID: ID1814001100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Normalerweise ist es in diesem Haus immer so, dass
in Haushaltsberatungen abwechselnd Vertreter der Re-
gierungsfraktionen und der Oppositionsfraktionen spre-
chen . Heute ist das einmal anders .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Das war doch so! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist gerade wichtig!)


Als ich die Rednerliste gesehen habe, dachte ich, ich
spreche nach einem Kollegen einer Regierungsfraktion,
nämlich nach Herrn Mattfeldt von der CDU/CSU-Bun-
destagsfraktion . Mit Verlaub, Herr Mattfeldt, Teile Ihrer
Rede waren eher eine Oppositionsrede .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Das war doch Opposition! – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: War doch eine Oppositionsrede! – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht unserer Opposition!)


Das sollten Sie mit Ihrer Parteivorsitzenden besprechen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg . Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Mattfeldt, ich meine das ganz ernst . Die Welt
scheint aus den Fugen geraten zu sein . Viele Menschen
machen sich Sorgen . Die wahnsinnigen Anschläge in Pa-
ris, in Bamako, in Beirut und an vielen anderen Orten
der Welt haben Furcht, haben Entsetzen verbreitet . Wir
haben heftige internationale Konflikte, ja, und – Sie ha-
ben es erwähnt – wir haben in Europa, vor allen Dingen
in Deutschland, eine riesige Fluchtbewegung zu bewälti-
gen . An dieser Stelle ist es wichtig, sich nicht klein-klein
mit Stimmungen auseinanderzusetzen, sondern Verant-
wortung zu übernehmen . Ohne Zweifel, wir müssen die
Flüchtlingsbewegung in den Griff bekommen und staat-
liche Handlungsfähigkeit zeigen . Als Abgeordneter einer
Regierungsfraktion darf man aber nicht staatlichen Kon-
trollverlust bejammern, sondern man muss seinen Bei-

Andreas Mattfeldt






(A) (C)



(B) (D)


trag dafür leisten, dass wir staatliche Kontrolle bekom-
men, Herr Mattfeldt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN und des Abg . Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE])


In einem sind wir uns dann wieder einig – da sind wir
doch Regierungspartner –: Wir müssen mit Realismus
diese Herausforderungen angehen; wir können es aber
auch mit Zuversicht tun; denn die ökonomische Stärke
unseres Landes versetzt uns in die Lage, auch mensch-
liche Stärke zu zeigen . Die ökonomische Stärke unseres
Landes verleiht uns politisches Gewicht in Europa und in
der Welt und überträgt uns die politische Verantwortung,
zu handeln .

Wir reden ja über den Haushalt des Bundeswirt-
schaftsministeriums . Stellen Sie sich einmal vor, wir
wären in einer anderen ökonomischen Lage mit diesen
Herausforderungen konfrontiert . Mir wäre dann wirklich
angst und bange . Aber wir haben ökonomische Stärke,
und diese ist an Kennziffern festzumachen: die nied-
rigste Arbeitslosigkeit seit der deutschen Einheit, ein
Wirtschaftswachstum – bei allen weltwirtschaftlichen
Erschütterungen – von immerhin 1,7 Prozent in diesem
Jahr und ein prognostiziertes Wachstum von 1,6 Prozent
im nächsten Jahr, also ein robustes Wirtschaftswachstum,
und ein Geschäftsklima in der deutschen Wirtschaft nach
dem ifo-Geschäftsklimaindex, das zeigt, dass die deut-
schen Unternehmen trotz all dieser Herausforderungen
zuversichtlich in die Zukunft schauen . Das, meine Da-
men und Herren, verleiht uns die Stärke, die zugegebe-
nermaßen großen Herausforderungen zu bewältigen .

Herr Mattfeldt, Sie haben erwähnt, wie lange Sie po-
litisch tätig sind . Auch ich bin seit 1998 Mitglied dieses
Hauses, seit 17 Jahren . Wir haben viele Krisen erlebt und
viele schwierige Zeiten zu bewältigen gehabt . Ich kann
mich an den Kosovo-Krieg erinnern, an 9/11, an innen-
politische Auseinandersetzungen um die Agenda 2010,
an Bankenkrisen, an vieles andere mehr . Ich gebe zu, die
Herausforderungen von heute sind andere, und sie sind
größer . Aber ich glaube, wenn der Satz „Wir schaffen
das“ keine reine Durchhalteparole sein soll, dann müs-
sen wir auch sagen, wie wir es schaffen . Das heißt, wir
müssen gerade angesichts der Herausforderungen unse-
ren Job tun,


(Michael Grosse-Brömer [CDU/CSU]: Asylpaket I! – Max Straubinger [CDU/CSU]: Asylpaket II müssten wir machen!)


damit wir die wirtschaftliche Stärke erhalten und wir das
menschlich anständig hinbekommen . Genau das tut diese
Bundesregierung, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich will das deutlich sagen; denn jenseits des Zerrbil-
des, das die Linke hier beschrieben hat, sind die wirt-
schaftliche Stärke, die Nachfrage und die Wettbewerbs-
fähigkeit etwas, was die wirtschaftliche Kraft in diesem
Land ausmacht . Das Wirtschaftswachstum, Herr Dehm,
wird eben nicht nur von einer starken und wettbewerbs-

fähigen Wirtschaft getragen – schauen Sie sich mal die
Statistiken genau an –, sondern auch von einer stabilen
und starken Nachfrage und Kaufkraft in diesem Land .
Nach Jahren ist die Lohn- und Gehaltsentwicklung end-
lich wieder positiv . Wir brauchen eben beides: Wettbe-
werbsfähigkeit und Exportstärke auf der einen Seite und
starke Binnennachfrage sowie Investitionen auf der an-
deren Seite, also starke Auswärtsspiele und starke Heim-
spiele . Das macht die deutsche Wirtschaft heutzutage
aus, und darauf können wir alle miteinander stolz sein,
meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das betrifft auch die Themen, die wir vor der Brust ha-
ben .

Erstens . Wir werden das Thema Digitalisierung be-
herzt angehen müssen, weil es die Wettbewerbsfähigkeit
dieses Landes berührt, weil es riesige Produktivitätsfort-
schritte verspricht, wenn wir uns auf diesen Weg machen .
Aber wer von Industrie 4 .0, wer von Wirtschaft 4 .0 re-
det, der darf zu Arbeit 4 .0 nicht schweigen . Die Stärkung
der Mitbestimmung wird ein entscheidender Faktor sein,
wenn es darum geht, beim Umstieg zur digitalen Produk-
tion in unseren Fabriken erfolgreich zu sein . Gegen Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter, gegen Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmer geht das nicht . Deshalb ist es gut, dass
dieser Bundeswirtschaftsminister auf die Partnerschaft
zwischen Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft
setzt . Dabei hat er unsere Unterstützung .


(Beifall bei der SPD)


Zweitens, meine Damen und Herren, ist das Thema
Energiepolitik hier angesprochen worden . Aufgrund der
Kürze der Redezeit werde ich das nicht vertiefen können,
aber so viel an die Adresse der Grünen: Wir setzen die
Energiewende so um, dass sie erfolgreich ist . Da sage ich
trotz all der Unkenrufe, die Sie hier vom Stapel lassen:
Der Ausbau der Erneuerbaren geht weiter . Wir wollen
aber dafür sorgen, dass er so weitergeht, dass er bezahl-
bar ist und auch Systemintegration stattfinden kann.


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir brauchen einen Systemwechsel! – Weiterer Zuruf der Abg . Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Deshalb machen wir Aufräumarbeiten an der Energie-
wende . Auch da hat der Bundeswirtschaftsminister unse-
re Unterstützung . Das ist kein leichtes Geschäft; aber es
ist wichtig, damit die Energiewende in diesem Land zum
Erfolg wird .

Ja, den Erneuerbaren gehört die Zukunft – Stück für
Stück . Aber wir müssen dafür sorgen, dass der Ausbau
effizient gestaltet wird, was die Kosten, die Planbarkeit
und die Systemintegration betrifft . Wir werden die Er-
neuerbaren, die inzwischen 33 Prozent des Bruttostrom-
verbrauchs in Deutschland ausmachen, konsequent an
den Markt heranführen . Wir werben um Ihre Unterstüt-

Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)


zung, damit wir die Energiewende schaffen und nicht ge-
gen die Wand setzen, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


All das, was wir vor der Brust haben, ob bei den großen
Herausforderungen unserer Zeit, bei der Digitalisierung,
bei der Frage, wie wir die Energiewende vom Kopf auf
die Füße stellen, damit eine sichere und saubere Energie-
versorgung für die Zukunft unseres Landes gewährleistet
werden kann, machen wir, weil es uns um eines geht: Wir
setzen auf eine aktive Wirtschaftspolitik . Sigmar Gabriel
betreibt eine aktive Wirtschaftspolitik, weil es uns darum
geht, die Zukunft unseres Landes zu sichern .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814001200

Das Wort erhält nun Kollege Michael Schlecht für die

Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814001300

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren!

Die deutsche Wirtschaft wird bis Ende 2015 Waren und
Dienstleistungen im Wert von voraussichtlich knapp
240 Milliarden Euro mehr ans Ausland verkauft haben,
als sie aus dem Ausland bezog .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Immer die gleiche Platte!)


Diese deutschen Exportüberschüsse summieren sich seit
dem Jahr 2000 bis zum Ende dieses Jahres auf mehr als
2 Billionen Euro .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)


Möglich ist das natürlich nur, weil Deutschland gleich-
zeitig diese 2 000 Milliarden Euro dem Ausland leiht .
Das Ausland verschuldet sich immer mehr bei uns . Wie
nachhaltig ist das? Gar nicht! Das ist überhaupt nicht
nachhaltig .

Diese Entwicklung drückt sich in einem gewalti-
gen Leistungsbilanzüberschuss aus, der dieses Jahr bei
8,5 Prozent liegen und damit 250 Milliarden Euro, da er
etwas höher als der Exportüberschuss ist, betragen wird .
Wie gesagt, möglich ist dies nur, weil das Ausland stän-
dig gezwungen wird, sich immer mehr zu verschulden .
Gleichzeitig haben wir eine Regierung, die immer wieder
verkündet, Verschuldung sei das Schlimmste der Welt .
Aber man nimmt billigend in Kauf, dass sich das Ausland
wegen der deutschen Exportüberschüsse ständig weiter
verschuldet .

Die Bundesregierung betreibt nicht nur eine Wirt-
schaftspolitik, die gegenüber dem Ausland unfair ist,
sondern bricht damit auch europäisches Recht . Der Leis-
tungsbilanzüberschuss darf nach den Regeln nämlich
nur 6 Prozent betragen . 8,5 Prozent beträgt er . Er beträgt

schon mehrere Jahre mehr als 6 Prozent . Da die Bundes-
regierung wahrscheinlich schon immer vorausgesehen
hat, dass sie diese Regeln brechen wird, hat sie in den
europäischen Regeln vorgesehen, dass diese Regelverlet-
zung nicht sanktioniert wird . So kann man europäisches
Recht auch mit Füßen treten. Ich finde, das ist ein Skan-
dal .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wenn Wirtschaftsminister Gabriel – wir kennen das
aus früheren Diskussionen – diese Exportüberschüsse
immer wieder hochhält, dann muss man ihm und den-
jenigen, die das auch tun – in den Zwischenrufen eben
klang das ja an –, deutlich sagen: Sie wollen, dass die
Schulden des Auslands dauerhaft weiter steigen, und Sie
nehmen dem Ausland jegliche Chance, sich irgendwann
einmal zu entschulden .

Wie kann man sich eigentlich einbilden, dass die
anderen Länder das auf Dauer so hinnehmen? Es ist in
Deutschland wohl wenig bekannt, aber es gibt in Italien,
Frankreich und anderen – gerade europäischen – Län-
dern immer wieder Diskussionen, ob man mit diesem
Deutschland, das sich so unfair verhält und quasi wirt-
schaftsimperialistische Züge aufweist,


(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


weiter Handel treiben sollte oder ob es nicht besser wäre,
aus einem Euro auszusteigen, in dem sich Deutschland –
das muss man schon so sagen – wie ein Fuchs im Hüh-
nerstall gebärdet .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Lassen Sie den Fuchs in Ruhe! – Manfred Grund [CDU/ CSU]: Herr Fuchs kommt gleich noch!)


Was wir brauchen, ist eine Umkehr in der Wirtschafts-
politik. Deutschland muss endlich auch Defizite im Au-
ßenhandel machen, um zum Abbau der Verschuldung des
Auslands und zur Beseitigung internationaler Ungleich-
gewichte beizutragen . Die Probleme hier sind ja vor al-
lem deshalb entstanden, weil die Binnennachfrage in den
letzten 15 Jahren zu sehr stranguliert worden ist und da-
mit die Importe viel schwächer angestiegen sind als die
Exporte .

Der eigentliche Kern des Problems ist eine desaströse
Lohnentwicklung, die endlich umgekehrt werden muss .


(Beifall bei der LINKEN)


Im Vergleich zum Jahr 2000 liegen die Reallöhne je
Beschäftigten heute kaum höher als damals . Das ist ein
Skandal in einem so reichen Land .


(Beifall bei der LINKEN)


Wären die Reallöhne in den letzten Jahren – wie mein
Vorredner ja betont hat – nicht ein bisschen gestiegen,
lägen sie heute deutlich unter der Marke des Jahres 2000 .
Der über die Jahre entstandene Verlust ist längst nicht
wettgemacht; deswegen muss dort eine Umkehr stattfin-
den .

Die Entwicklung der Tariflöhne ist dabei noch nicht
einmal das vorrangige Problem, obgleich den Gewerk-

Hubertus Heil (Peine)







(A) (C)



(B) (D)


schaften mit Leiharbeit, Befristung und Werkverträgen
dicke Knüppel zwischen die Beine geworfen wurden . In
der Folge waren viele Tarifabschlüsse auch nicht beson-
ders berauschend .

Nein, das eigentliche Problem ist, dass die Tarifbin-
dung durch die Politik der letzten 15 Jahre immer mehr
zerbröselt ist .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: So ist es!)


Heute arbeiten nur noch 50 Prozent der Beschäftigten un-
ter dem Schutz eines Flächentarifvertrages, und das in so
einem Land wie Deutschland: Das ist doch ein Skandal!


(Beifall bei der LINKEN)


Bei den übrigen Beschäftigten, die wie im Frühkapitalis-
mus arbeiten und jede Bedingung akzeptieren müssen,
die ihnen der Unternehmer diktiert, sind die Löhne in den
letzten 15 Jahren in den Keller gerauscht . Sie liegen pro
Kopf 17, 18 oder 19 Prozent niedriger als im Jahr 2000 .

Es ist doch ein Skandal, dass sich große Unternehmen
wie Amazon in diesem Land vor einem Tarifvertrag drü-
cken können .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Ja! Richtig!)


Was unternimmt diese Regierung eigentlich, um den für
einen Tarifvertrag streikenden Kolleginnen und Kollegen
zu helfen? Nichts! Auch das ist ein Skandal in diesem
Lande .


(Beifall bei der LINKEN)


Es kann doch nicht angehen, dass solche Unternehmen
schalten und walten und mit den Beschäftigten umgehen
können, wie sie wollen . Es gab sogar einen Kanzler, der
stolz darauf war, dass er eine Politik gemacht hat, die zu
solchen Niedriglöhnen in Deutschland führte. Ich finde,
das ist wirklich peinlich .

Die Lösung der Probleme, die diese Entwicklung mit
sich bringt, ist doch eigentlich ganz einfach: Wir brau-
chen eine Umkehr bei den Rahmenbedingungen am Ar-
beitsmarkt . Wir brauchen ein Verbot der Leiharbeit und
der sachgrundlosen Befristungen . Wir brauchen endlich
auch ein Vetorecht des Betriebsrates bei Werkverträgen
und auch bei Outsourcing-Strategien der Unternehmen .
Das wäre notwendig, um unser Land wieder voranzu-
bringen .


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: In welchem Land leben Sie denn eigentlich?)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814001400

Herr Kollege .


Michael Schlecht (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814001500

Einen Satz noch . – Die am Anfang genannten Außen-

handelsungleichgewichte sind nichts Technisches, nichts
Spielerisches, sondern sie sind eine Gefahr gerade auch
für eine friedliche internationale Zusammenarbeit . Wenn
ich mehr Zeit hätte, könnte ich noch ausführen, inwie-
weit dies negative Rahmenbedingungen setzt für vieles,

was uns derzeit in diesem Lande im Hinblick auf interna-
tionale kriegerische Auseinandersetzungen bedroht .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814001600

Michael Fuchs ist der nächste Redner für die CDU/

CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kontrolle oder nicht? – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Kontrollverlust!)



Dr. Michael Fuchs (CDU):
Rede ID: ID1814001700

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Lie-

be Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren!
Ich habe zunächst überlegt, ob ich auf die Rede des Kol-
legen Schlecht eingehen soll, aber mir ist dabei schlecht
geworden . Ich lasse es deswegen sein;


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Ha, ha! Sie sind der Fuchs im Hühnerstall! – Weiterer Zuruf von der LINKEN: Sehr originell!)


das hat nun wirklich keinen Sinn . Die Aussagen, die er da
von sich gegeben hat, mögen bei dem VEB DDR funk-
tioniert haben – wir haben das Resultat 1989 mit dem
Zusammenbruch der DDR erlebt –, hier in diesem Parla-
ment brauchen wir das Ganze nicht .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Er ist aus Baden-Württemberg, Herr Fuchs!)


– Er hat Gott sei Dank in Baden-Württemberg nichts zu
sagen, sonst würde es dem Land auch schlechtgehen .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Deutschland
geht es gut; die Kanzlerin hat es gestern betont . 43,2 Mil-
lionen Erwerbstätige, rund 30 Millionen, die sozialversi-
cherungspflichtig beschäftigt sind: Das ist eine Erfolgs-
story . Das können Sie nicht wegdiskutieren, was auch
immer Sie damit erreichen wollen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nur die Situation jetzt ist so, dass wir vor gewalti-
gen Herausforderungen stehen . Die Herausforderungen
entstehen durch die große Flüchtlingswelle, die wir be-
werkstelligen müssen . Wir sind gefordert, Lösungen zu
finden. Das heißt auch, dass wir darauf achten müssen,
dass es nicht dazu kommt, dass diesen Menschen keine
Perspektive in Deutschland eröffnet wird; denn wenn sie
keine Perspektive in Deutschland haben, meine Damen
und Herren, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, dann
werden wir eine Situation wie in den französischen Ban-
lieues erleben .

Es ist tragisch, was in Paris passiert ist . Es ist furcht-
bar, was dort passiert ist . Aber es waren junge Franzosen
und junge Belgier, die diese Anschläge verübt haben .
Man muss sich bitte überlegen, woher das kommt . Das
kommt daher, dass diese jungen Menschen in den Banli-

Michael Schlecht






(A) (C)



(B) (D)


eues, in den Vorstädten von Paris und Brüssel, keine Per-
spektive hatten . Sie haben auch keine Chancen gesehen,
dass sich ihre Situation ändert . Deswegen ist es unsere
Aufgabe, eine Wirtschaftspolitik zu machen, die Arbeits-
plätze schafft, so dafür zu sorgen, dass junge Menschen
in Deutschland eine Chance haben . Das ist unsere Aufga-
be; die sehe ich auch genau so .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Ich bin mir mit Hubertus Heil völlig einig, dass wir
jetzt darüber nachdenken müssen, wo Fehler liegen und
wie wir diese Fehler beheben können . Ich will bei der
Energiepolitik anfangen .

Ich bin gar nicht gegen den Ausbau der Erneuerbaren .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Doll!)


Nur muss er auch – das haben wir in dieser Koalition
beschlossen – berechenbar und planbar sein . Dazu gehört
für mich, dass wir unsere Zielvorgaben auch einhalten,
aber das tun wir in vielerlei Hinsicht nicht .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nein, Sie unterschreiten sie!)


Beim Onshore-Windausbau liegen wir round about
doppelt so hoch, wie wir es uns einmal vorgenommen
haben . Im letzten Jahr sind ungefähr 4,5 Gigawatt auf-
gestellt worden, geplant waren 2,5 Gigawatt . In diesem
Jahr werden es über 5 Gigawatt sein, geplant waren eben-
falls 2,5 Gigawatt . Das führt dazu, dass wir mittlerweile
16 Terawattstunden mehr an Strom haben, als wir geplant
hatten, und entsprechende Kosteneffekte dadurch ausge-
löst werden . Diese Kosteneffekte – auch diesbezüglich
bin ich mit Hubertus Heil völlig einig – müssen wir in
den Griff bekommen . Ein Großabnehmer zahlt 150 Euro
pro Megawattstunde . Ein Haushalt muss jetzt jährlich
rund 250 Euro EEG-Kosten – das waren 2010 noch
80 Euro – tragen und zahlt mittlerweile insgesamt über
1 000 Euro jährlich für den Strom .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer regiert denn hier seit zehn Jahren? – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist das Resultat Ihrer Politik!)


Das ist zu viel . Damit schöpfen wir Kaufkraft ab, die
dann für andere Bereiche nicht zur Verfügung steht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es darf auch, meine Damen und Herren, keinen Feld-
zug gegen die großen EVUs geben, wie ihn Grüne und
Linke gerne unternehmen; denn wir brauchen kapital-
starke Unternehmen, die das kapitalintensive System der
Stromversorgung in Deutschland garantieren und dafür
sorgen, dass wir nach wie vor Versorgungssicherheit ha-
ben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es ist nun einmal dummerweise so, dass wir das eine
oder andere Mal die berühmte Dunkelflaute haben, also
weder Wind- noch Sonnenenergie zur Verfügung stehen .
Wenn Sie mir das nicht glauben wollen, schauen Sie bitte
schlicht und ergreifend aus dem Fenster . Die Grünen wol-

len zwar erreichen, dass auch nachts die Sonne scheint,
bis jetzt sind sie damit aber relativ erfolglos . Deswegen
müssen wir Lösungen finden.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Also, Ihre Argumente haben ein Niveau, das einen wirklich erschüttert! Das ist wirklich erschütternd, was Sie hier erzählen! Das ist peinlich für dieses Haus!)


Eines will ich nicht: Ich will nicht, dass wir ab 2019
gezwungen sind, Atomstrom aus Tschechien und Kohle-
strom aus Polen zu importieren . Das würde nämlich die
Konsequenz sein . Das Bundeswirtschaftsministerium hat
uns schon darauf aufmerksam gemacht, Herr Minister,
dass das auf uns zukommen wird .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Herr, lass Hirn vom Himmel fallen!)


Meine Damen und Herren, so etwas in Kauf zu nehmen,
ist für mich auch nicht glaubwürdig .

Die großen Unternehmen haben immerhin 280 000 Be-
schäftigte, direkt und indirekt . Ich möchte, dass diese Be-
schäftigten eine Perspektive in Deutschland haben . Ich
möchte nicht, dass diese Arbeitsplätze durch Maßnah-
men, die wir hier ergreifen, gefährdet werden .

Ich möchte ein zweites Thema ansprechen . Es geht
um Werkverträge und Zeitarbeit . Ich bin sehr froh, dass
die Kanzlerin vorgestern bei der Jahrestagung der BDA
sehr deutlich gemacht hat, dass wir den Koalitionsvertrag
einhalten, aber in keiner Weise über diesen Koalitions-
vertrag hinausgehen . Das sollte das Bundesarbeitsminis-
terium bitte berücksichtigen und dafür sorgen, dass das,
was vereinbart wurde, genau so gemacht wird und dass
man nicht darüber hinausgeht .

Nach einem Entwurf, der in die Diskussion eingebracht
wurde, sollen selbstständige Betreiber einer Werkskan-
tine, IT-Servicekräfte oder Mitarbeiter von Wach- und
Sicherheitsdiensten rückwirkend – ich betone: rückwir-
kend – zu Arbeitnehmern des Betriebes bestimmt wer-
den können, ohne dass sie sich dagegen wehren können .
Weder der Arbeitgeber noch der Arbeitnehmer sollen die
Möglichkeit haben, zu sagen: Das wollen wir nicht . –
Das kann nicht sein . Diese Überbestimmung muss zu-
rückgeführt werden . Das ist im Koalitionsvertrag nicht
vereinbart worden . Ich bitte das Arbeitsministerium, den
Entwurf entsprechend zu verändern, bzw . das Bundes-
kanzleramt, ihn in dieser Fassung zurückzuweisen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Es kann auch nicht sein, dass bei Zeitarbeitsverträgen
alle Sachleistungen eingerechnet werden müssen und
diese dann in geldwerte Vorteile umgerechnet werden
sollen . Das ergibt eine Bürokratie, die überhaupt nicht
zu bewältigen ist; denn es gibt über 170 mögliche Sach-
leistungen .


(Zuruf von der LINKEN)


Die können wir nicht alle umrechnen . Das wollen wir
nicht haben .

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


Meine Damen und Herren, die Zeitarbeit und die
Werkverträge sind eine Brücke in den ersten Arbeits-
markt . 63 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren vor Ein-
tritt in die Zeitarbeit arbeitslos oder noch nie beschäftigt .
Aus diesem Arbeitskräftepool kommen die Zeitarbeit-
nehmer . Diese Brücke in den ersten Arbeitsmarkt dürfen
wir um Gottes willen nicht kaputtmachen . Im Gegenteil:
Angesichts der Flüchtlingsproblematik werden wir sie
jetzt dringend brauchen .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Quatsch!)


Meine Damen und Herren, ich bin immer gerecht .
Deshalb habe ich für jeden etwas mitgebracht, auch für
den Bundesjustizminister: Verehrter Herr Maas, ich freue
mich, dass Sie hier sind . Ich möchte Sie bitten, den mit-
telständischen Unternehmen ganz schnell zu helfen . Im
Handelsgesetzbuch muss etwas beim deutschen Bilanz-
recht passieren . Wir dürfen die Unternehmen nicht für
die ultralockere Geldpolitik der letzten Jahre büßen las-
sen . Sie wissen, was ich meine: Die drastisch gesunkenen
Marktzinsen haben dazu geführt, dass sich die Zinssitua-
tion verändert hat . Und bei niedrigeren Zinsen sind höhe-
re Rückstellungen notwendig .


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Ja, das ist logisch!)


Diese höheren Rückstellungen führen wiederum zu einer
Schwäche bei den Investitionen und wirken sich in der
Folge problematisch auf die Pensionen aus; denn viele
Unternehmen sagen, dass sie dann keine betrieblichen
Pensionen mehr zahlen können .

Wir könnten das relativ schnell heilen . Ich möchte Sie
bitten, darüber noch einmal nachzudenken: Wenn wir
statt des Bemessungszeitraums von sieben Jahren – das
ist jetzt ein bisschen technisch; aber es handelt sich eben
um ein technisches Problem, und das muss schnell gelöst
werden – einen Bemessungszeitraum von zwölf Jahren
ansetzen würden, dann, Herr Minister, hätten wir – da bin
ich ziemlich sicher – das Problem gelöst .


(Carsten Schneider [Erfurt] [SPD]: Nein, nein! Hätten wir nicht!)


Der Zwang hoher Rückstellungen wäre dann nicht gege-
ben . Ich denke, wir sollten gemeinsam noch einmal da-
rüber nachdenken .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Müssen Sie das nicht in der Koalition ausmachen?)


Last, but not least: Herr Kollege Schlecht, vom Au-
ßenhandel haben Sie nicht allzu viel Ahnung . Ich kann
nur eins sagen: Wenn wir nicht einen so erfolgreichen
Außenhandel hätten, dann wären rund ein Drittel der
Arbeitsplätze in Deutschland überhaupt nicht vorhanden
oder gefährdet . Deswegen sollten wir alles dafür tun,
dass er wächst .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu gehört, dass wir uns mit den Freihandelsabkom-
men beschäftigen . Für mich sind die Freihandelsabkom-
men der Schlüssel zu einem erfolgreichen Außenhandel .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Der Schlüssel zum Niedergang des Mittelstands!)


Das gilt auch für TTIP . Ich bitte Sie, darüber nachzuden-
ken .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Mittelstandsungeheuer!)


Denn alleine wenn ich höre, dass von gruseligen Um-
weltstandards in den USA die Rede ist, kann ich Ihnen
nur eins empfehlen: Rufen Sie doch einmal bei VW an;
die werden Ihnen dazu etwas sagen .


(Dr . Anton Hofreiter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Tipp könnten Sie mal Herrn Dobrindt geben! Der sollte mal bei VW anrufen!)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Außen-
handel ist für Deutschland eine große Chance; er muss
gestärkt werden . Ich würde mir wünschen, dass die Op-
position dabei mitmacht und mithilft .

Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Junge, Junge! So viel Unverstand!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814001800

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat nun die

Kollegin Kerstin Andreae das Wort .


Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814001900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Hajduk hat es gesagt: Die Expertenkommission
zum Thema Investitionsstau, die Fratzscher-Kommissi-
on, hat sich bis März 2015 mit dem Ziel befasst, die ver-
haltene Investitionstätigkeit in Deutschland zu stärken .
Wenn wir in den Haushalt schauen, sehen wir jedoch
überhaupt nichts von Stärkung . Vielmehr wird nur jeder
zehnte Euro dieses Haushalts überhaupt investiert, und
das bei steigenden Steuereinnahmen . Das ist ein echtes
Armutszeugnis . Mit Stärkung von Investitionstätigkeit
hat das nichts zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber es geht ja nicht nur um die öffentlichen Inves-
titionen, sondern auch um die privaten . Private Investi-
tionen anzukurbeln, heißt, vernünftige Wettbewerbspo-
litik zu machen . Ein kluger Wirtschaftsminister schützt
den Wettbewerb: damit die Großen nicht die Kleinen
schlucken, damit es faire Preise und faire Bedingungen
gibt und damit nicht Kungelei die Wirtschaftspolitik be-
stimmt, sondern der nüchterne Sachverstand .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Gabriel, als Sie die Kohleabgabe gestartet haben,
haben wir Sie verteidigt; die Kohleabgabe war richtig .
Bei einem Hinterzimmerdeal ist jetzt eine Braunkohle-

Dr. Michael Fuchs






(A) (C)



(B) (D)


subvention herausgekommen . Das ist doch irre! Die Alli-
anz steigt aus der Kohle aus, und diese Bundesregierung
subventioniert seit neuestem Braunkohle . Völlig falsche
Politik! Sie haben sich vor die Konzerninteressen span-
nen lassen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Harald Weinberg [DIE LINKE])


Die Telekom bekommt vermutlich den Zuschlag für
den Breitbandausbau mit Vectoring . Die Telekom arbei-
tet mit einer Technologie von gestern . Statt in Glasfaser
wird in alte Kupferleitungen investiert . Das ist doch kei-
ne vernünftige Industriepolitik! Es ist eine Sünde gegen
den Wettbewerb. Davon profitiert die Telekom. Das war
der Deal: Die Telekom verspricht, 1 Milliarde Euro in
den Breitbandausbau zu investieren, und bekommt qua-
si ein Exklusivrecht . Mittelständische Wettbewerber, die
zukunftsfähig auf Glasfaser setzen, kommen nicht zum
Zug . Das ist rückwärtsgewandt und wettbewerbsfeind-
lich .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es steht ein neues Thema auf der Agenda: die Fusion
von Edeka und Kaiser’s Tengelmann . Vermutlich werden
wir eine Ministererlaubnis dazu bekommen .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Warten Sie es mal ab! Sind Sie Hellseherin, oder was?)


Das ist offen, aber das Orakel geht in die Richtung . Ede-
ka ist schon heute der Marktführer . Mit den zusätzlichen
Supermärkten wäre Edeka uneinholbar für die anderen
Wettbewerber . Das schadet der Vielfalt und dem Wett-
bewerb .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das schadet den Verbraucherinnen, und das schadet vor
allem den Erzeugern und Landwirten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Und es nützt noch nicht einmal den Arbeitsplätzen .
Wieso ist denn die Phalanx der Gegner so groß? Bauern-
verband, Verbraucherzentrale, Verdi und auch wir Grü-
nen sind absolut gegen diese Fusion . Erteilen Sie diese
Ministererlaubnis nicht, Herr Gabriel!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber noch einmal zurück zur Fratzscher-Kommissi-
on . Von den vielen, auch guten Ideen ist herzlich wenig
umgesetzt . Aber eine wird vorbereitet: die Bundesfern-
straßen-GmbH . Mit öffentlich-privaten Partnerschaften
wollen Sie dem Investitionsstau auf der Straße zu Lei-
be rücken . Das ist keine gute Idee . Abgesehen von den
Kosten, die Sie zukünftigen Steuerzahlern vor die Füße
kippen, und abgesehen davon, dass Sie damit die Schul-
denbremse umgehen – das sind wahrlich wichtige Punk-
te –, will ich auf den Wettbewerb hinaus . Das Baugewer-
be läuft Sturm gegen Ihre Pläne . Warum? Weil nur noch
sehr große Baukonzerne und sehr große Finanzinvestoren
überhaupt in der Lage sind, diese Projekte zu stemmen .

Für den Mittelstand bleibt nichts übrig . Mit Wettbewerb
hat das nichts zu tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Ein Thema, das uns alle bewegt, ist die Integration der
Flüchtlinge . Die Wirtschaft steht in den Startlöchern . Je-
des vierte Unternehmen sucht Fachkräfte . Die Unterneh-
men sind bereit, Flüchtlinge auszubilden; wir haben das
beim Arbeitgebertag von Kramer, Grillo und Schweitzer
gehört . Ausbildung ist der Schlüssel zur schnellen Inte-
gration . Aber dafür braucht es Verlässlichkeit . Ein Bei-
spiel für Verlässlichkeit wäre, dass Sie endlich das Drei-
plus-zwei-Modell der Wirtschaft umsetzen . Jemand, der
hier ausgebildet wird, braucht eine verlässliche Aufent-
haltsperspektive für die Zeit der Ausbildung und für zwei
weitere Jahre, um Berufserfahrung zu sammeln . Wir un-
terstützen dieses Modell glasklar .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Aber in der Arbeitsmarktpolitik hat die Regierung die
Bedarfe waghalsig kleingeredet . Wenn man das, was im
Haushalt abgebildet ist, mit den Anforderungen, die heu-
te schon auf uns zukommen, vergleicht, wird deutlich,
dass Sie die Bedarfe hier kleinrechnen . Wir sagen: Geben
Sie weitere 3 Milliarden Euro – und die können wir ge-
genfinanzieren – für Integration, für Bildung und für den
Zugang von Flüchtlingen zum Arbeitsmarkt aus! Das ist
der Rückenwind, den die Unternehmen und die Gesell-
schaft brauchen, um Flüchtlinge zu integrieren .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister Gabriel, ich kann Sie nur eindringlich
bitten: Geben Sie Ihren Widerstand gegen die Abschaf-
fung der Vorrangprüfung auf! Die Vorrangprüfung ist
ohne praktischen Nutzen . Sie bindet wertvolle Kräfte
in der Verwaltung . Die Vorrangprüfung ist eine olle und
anachronistische Kamelle . Sie gehört endlich in die Mot-
tenkiste .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, suchen eine
Chance und eine Perspektive . Manche retten schlicht ihr
Leben und das Leben ihrer Familie . Heißen wir sie will-
kommen, und zwar auch in dem Wissen, dass sie eine
Chance für Deutschland, für unsere Gemeinschaft, für
unser kulturelles Zusammenleben und für unsere Weltof-
fenheit sind .

Deswegen sagen wir: Schmieden Sie ein Bündnis für
Integration: mit Unternehmen, Betriebsräten, Kirchen,
Weiterbildungseinrichtungen und freiwilligen Initiati-
ven . Jetzt ist die Zeit, diese Herausforderung, vor der wir
stehen, in eine Chance zu drehen, die unserem Land nut-
zen wird: als Wirtschaftsstandort, aber auch als Gesell-
schaft und im Hinblick auf unser gemeinsames Zusam-
menleben . Da gehört eine kluge und vorausschauende
Wirtschaftspolitik dazu . Nutzen Sie diese Chance – mit
Herz, mit Plan und mit Verstand!


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kerstin Andreae






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002000

Das Wort hat nun der Bundeswirtschaftsminister, Herr

Gabriel .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Recht
diskutieren wir in diesen Tagen im Rahmen der Haus-
haltsberatungen über die großen Herausforderungen, mit
denen wir aufgrund der großen Zahl von Menschen, die
Schutz und eine neue Heimat bei uns suchen, konfron-
tiert sind, und über die neuen Sicherheitsanforderungen,
die wir spätestens nach den Ereignissen in Frankreich
auch bei uns zu beraten haben .

All das fordert uns auch finanziell und wirtschaftlich
heraus; keine Frage . Es sind insgesamt 10 Milliarden
Euro, die der Bund 2015 und 2016 zur Bewältigung die-
ser Riesenherausforderungen aufbringt . Diese 10 Milli-
arden Euro sind im Bundeshaushalt bereitgestellt . Wir
erfüllen damit das Versprechen, unsere Länder und vor
allen Dingen die Kommunen bei der Flüchtlingsunter-
bringung finanziell zu entlasten. Gleichzeitig stellen wir
3 000 zusätzliche Stellen bei der Bundespolizei zur Ver-
fügung . Das sind nur zwei Beispiele, wofür diese 10 Mil-
liarden Euro verwendet werden .

Es gibt zwei Voraussetzungen, denen wir zu verdan-
ken haben, dass all das in so kurzer Zeit geht, dass es
nicht zu Verteilungskämpfen in Deutschland kommt und
dass es nicht dadurch finanziert ist, dass wir den einen
etwas wegnehmen, um es denen, die kommen, zu geben .

Die erste Voraussetzung ist eine wirklich gute wirt-
schaftliche Entwicklung mit sinkenden Arbeitslosenzah-
len und extrem hoher Beschäftigung . Mehr als 43 Millio-
nen Menschen finden Arbeit, die weit überwiegende Zahl
davon in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung –
anders als das Diether Dehm erklärt hat . Zu ihm kann ich
nur sagen: Der Tag, an dem du Helmut Schmidt zitierst,
musste ein Tag sein, an dem er nicht mehr da ist, um sich
zu wehren – der arme Kerl .


(Beifall bei der SPD – Zuruf des Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LINKE])


Es war falsch, zu behaupten, wir hätten eine sinkende
Lohnentwicklung . Wir haben nicht mehr Armutslöhne,
sondern bessere Tariflöhne. Das heißt, wir haben eine ex-
zellente wirtschaftliche Entwicklung, die Gott sei Dank
bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern endlich
wieder ankommt .

Die zweite Voraussetzung ist eine solide Finanzpoli-
tik . Man stelle sich vor, wir hätten auf die Ratschläge ge-
hört, die es seit geraumer Zeit gab, man müsse doch die
schwarze Null und den strukturell ausgeglichenen Haus-
halt nicht so früh erreichen; das sei doch nicht so wichtig .
Man könne doch vorher ein paar Programme auflegen. –
Man stelle sich vor, wir hätten uns darauf eingelassen . In
welchen Verteilungskonflikten wären wir jetzt, um diese
Herausforderung mit einem Volumen von 10 Milliarden
Euro zu finanzieren? Wir wären mitten in der Auseinan-

dersetzung in Deutschland, wem wir etwas wegnehmen
müssten, um die neuen Herausforderungen zu finanzie-
ren . Gott sei Dank haben wir das nicht gemacht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat keiner gefordert!)


– Klar haben Sie das gefordert .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was haben wir?)


– Natürlich gab es auch bei Ihnen Leute, die gesagt ha-
ben, man solle die schwarze Null nicht wie einen Fetisch
behandeln und vieles andere mehr . Diese Position gab es
übrigens auch in meiner Partei .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt bleiben Sie doch mal bei Ihrer alten Formulierung! Ansonsten kommen Sie durcheinander!)


– Frau Hajduk, bevor Sie mich durcheinanderbringen,
müssen Sie sich mehr als eine gelbe Jacke anziehen .


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das war aber reine Notwehr! Das war echt kleines Karo!)


– Wir haben doch sonst ein anständiges Verhältnis zuei-
nander .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was? – Thomas Oppermann [SPD]: Schwarze Null und gelbe Jacke!)


– Ich unterstelle damit nichts Politisches; das will ich
nicht gesagt haben .

In der Debatte über Flüchtlinge, die zu uns kommen,
höre ich leider von vielen Menschen einen Satz, den wir
vermeiden müssen: Für die macht ihr alles, für uns macht
ihr nichts .


(Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Genau!)


Es ist gefährlich, wenn sich dieser Satz in die Mitte der
Gesellschaft frisst . Deshalb ist es von so großer Wichtig-
keit, dass wir keine Verteilungskonflikte im Land auslö-
sen, sondern eine doppelte Integrationsaufgabe bewälti-
gen, nämlich die zu integrieren, die kommen, aber auch
die beieinanderzuhalten, die in unserem Land sind . Wir
dürfen nicht zulassen, dass der eine gegen den anderen
ausgespielt wird .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Andreae, man kann zwar ökonomische Argumen-
te anführen und sagen: Schafft die Vorrangprüfung ab .
Die Gewerkschaften sind aber dagegen, sie abzuschaf-
fen, weil dabei das politische Signal entstehen kann, dass






(A) (C)



(B) (D)


die, die kommen, denen vorgezogen werden, die schon
hier sind und langzeitarbeitslos sind .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das sieht die Arbeitsministerin aber anders!)


Der Grund, warum die Gewerkschaften Ihren Vorschlag
ablehnen, ist, dass sie solche politischen Spannungen gar
nicht erst symbolhaft entstehen lassen wollen .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist auch richtig!)


Das ist auch der Grund, warum ich den Gewerkschaften
in dieser Position folge, Frau Andreae .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Frau Andreae, das ist der gleiche Grund, warum wir
denkbaren ökonomischen Argumenten – diese gibt es
nicht bei Ihnen, aber bei anderen – nicht folgen, die da
besagen: Schafft den Mindestlohn für Flüchtlinge ab, da-
mit sie zum Beispiel über Praktika schneller beschäftigt
werden können . – Ökonomisch kann man das vielleicht
verstehen . Aber was bedeutet dieses Symbol? Die Ar-
men, die kommen, werden gegen die Armen, die hier im
Land sind, ausgespielt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb darf man dieser Forderung nicht nachgeben, und
wir werden das nicht tun . Am Gesetz gibt es keine Än-
derungen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Übrigens ist das auch der Grund, warum wir dafür
plädieren, jetzt keinen Flüchtlingswohnungsbau zu be-
treiben . Wir müssen vielmehr Wohnungsbau – vor allem
in den Ballungszentren – für alle Menschen betreiben,
die inzwischen Schwierigkeiten haben, eine bezahlbare
Wohnung zu finden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zu dem Versprechen „Wir schaffen das“ gehört auch
das Versprechen, dass wir in Deutschland niemanden da-
runter leiden lassen, dass wir eine neue Aufgabe über-
nehmen müssen . Zum „Wir schaffen das“ gehört auch,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Wir machen das!)


die Menschen hier zusammenzuhalten und ihnen zu zei-
gen, dass wir ihre Sorgen, Hoffnungen, Ideen, Wünsche
und berechtigten Ansprüche nicht vergessen .


(Beifall bei der SPD)


Deshalb ist es gut, dass wir in dem Haushalt, den wir
beschließen, keine Abstriche bei all dem machen, was
wir uns vorgenommen haben . Wir bauen weiter Kinder-
tagesstätten aus . Wir widmen uns der Verbesserung der
Situation in der Altenpflege und in der Krankenpflege.
Wir haben das kommunale Entlastungsprogramm . Frau

Hajduk, Sie und Ihre Kollegin haben gefragt: Was macht
ihr für Investitionen? 20 Milliarden Euro in einer Le-
gislaturperiode an kommunaler Entlastung – das gab es
noch nie in der Geschichte der Republik .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Hilfen für die Flüchtlinge sind dabei noch gar nicht
mit eingerechnet . Das ist das, was wir vorher schon be-
schlossen hatten .

Ich finde, es ist gut, dass wir daran nichts verändern.
Wir ändern nichts daran, dass wir 6 Milliarden Euro mehr
für Bildung, Forschung und Entwicklung ausgeben . Üb-
rigens ändern wir, Frau Hajduk, auch nichts daran, dass
wir in der Klima- und Energiepolitik für Energieeffizi-
enzmaßnahmen 5,8 Milliarden Euro bereitstellen . Es gab
jetzt eine Kürzung der Verpflichtungsermächtigung in
Höhe von 350 Millionen Euro . Ich gehe davon aus, dass
wir davon nicht betroffen sein werden .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sind Sie schlecht unterrichtet!)


– Lassen Sie mich den Satz zu Ende führen . – Wenn es so
wäre, würde das nur heißen, dass aus 5,8 Milliarden Euro
dann 5,5 Milliarden Euro werden und das Programm so-
zusagen ein bisschen länger laufen muss . Es werden also
5,5 Milliarden Euro oder 5,8 Milliarden Euro für Klima-
schutz und Energieeffizienz ausgegeben. Sie hätten doch
früher gejubelt, wenn es solch riesige Beträge für Ener-
gieeffizienz gegeben hätte. Die gibt es doch zum ersten
Mal in diesem Haushalt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir erhöhen die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ frü-
her, als wir gedacht haben . Wir haben mithilfe der Parla-
mentarier – ich nenne Herrn Jurk und Herrn Mattfeldt –
das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM,
ebenfalls auf dem vorgesehenen Niveau halten können .
40 Prozent dieser Mittel gehen nach Ostdeutschland, und
auch 80 Prozent der GRW-Mittel gehen nach Ostdeutsch-
land . An nichts von dem ändern wir irgendetwas . Gleich-
zeitig schultern wir eine Riesenaufgabe . Der Grund dafür
ist, dass wir eine so gute wirtschaftliche Entwicklung
und solide Finanzen haben .

Natürlich machen wir auch beim Thema Energie und
Klimaschutz weiter . Frau Andreae und Frau Hajduk, Sie
kritisieren hier gerade, da würde nicht so viel passieren .
In diesem Jahr haben die erneuerbaren Energien einen
Anteil von 33 Prozent am Strommarkt . Im letzten Jahr
hatten wir 27 Prozent . Die erneuerbaren Energien gewin-
nen .


(Hubertus Heil [Peine] [SPD]: So ist es!)


Sie haben in diesem Jahr den größten Anteil an der
Stromproduktion der Bundesrepublik Deutschland . Und
da kommen Sie und sagen, dass wir in der Energie- und
Klimapolitik nicht weitermachen .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn mit Photovoltaik und Biogas?)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


– Ich sage es Ihnen gerne zum zehnten oder elften Mal:
Beim Biogas – das haben wir übrigens mit allen Minis-
terpräsidenten, auch mit Ihrem, verabredet – gibt es eine
Verringerung, weil das die teuerste Art der erneuerbaren
Energien ist . Da wird der Ausbaukorridor etwas kleiner
sein . Bei Wind – darauf hat Herr Fuchs hingewiesen –
liegen wir wesentlich darüber, bei PV darunter . Aber wir
befinden uns im vorgesehenen Korridor.

Im Jahr 2025 wollen wir einen Anteil der erneuerba-
ren Energien von 40 bis 45 Prozent erreichen . Wir haben
jetzt schon einen Anteil von 33 Prozent . Und da sagen
Sie, dass wir in der Energie- und Klimapolitik nicht wei-
terkommen und dass wir vor Paris nichts zu bieten hät-
ten . Wo leben Sie denn eigentlich?


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Zuruf der Abg . Dr . Julia Verlinden [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Ich komme zu Ihrer wunderbaren Debatte über die
Klima- und Kohleabgabe . Wir legen 13 Prozent Braun-
kohlekapazitäten still . Es werden Kraftwerke stillgelegt .
Und Sie sagen uns, wir würden die Kohle weiter fördern .
Das kostet 230 Millionen Euro . Wissen Sie, warum? Weil
wir damit verhindern, dass die Leute – wie sagt man im
Ruhrgebiet? – ins Bergfreie fallen . Das ist Strukturpo-
litik . Wir legen Kapazitäten still, ohne die Leute den
nächsten Tag arbeitslos zu machen . Da wollen Sie nicht
mitmachen? Das verstehe ich überhaupt nicht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002100

Herr Minister, darf die Kollegin Hajduk eine Zwi-

schenfrage stellen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Selbstverständlich .


Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814002200

Herr Minister, zur Kohleabgabe bzw . zu der Lösung,

die Sie jetzt propagieren, will ich nur so viel sagen: Sie
haben zu Beginn der ganzen Debatte dieses Instrument
vorgeschlagen, und das haben Sie sicherlich aus Über-
zeugung getan . Sie wissen, dass wir auch gerade ener-
giepolitisch diese Art von Bereitstellung der Kohlekraft-
werke eigentlich nicht brauchen, und Sie sind gezwungen
worden, einen anderen Weg einzuschlagen .

Aber meine Frage richtet sich auf etwas anderes: Ist es
richtig bzw . soll es dabei bleiben, dass Sie das Batterie-
speicherprogramm in der Photovoltaik in Zukunft nicht
fortführen werden? Wir hatten schon einmal darüber ge-
sprochen . Ich habe es so verstanden, dass Sie noch ein-
mal darüber nachdenken wollten . Das Photovoltaik-Bat-
teriespeichersystem ist eine Innovation, die sich mehr
und mehr am Markt durchsetzt, aber dafür braucht es die
Fortführung des Programms in der Zukunft . Das wäre ein
weiterer Baustein, mit dem Sie beweisen könnten, dass
wir jetzt mit einer ökologischen Modernisierung an die
Industriepolitik herangehen . Oder halten Sie daran fest,
dieses Speicherprogramm endgültig auslaufen zu lassen?

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Frau Kollegin Hajduk, diese Frage hat vorhin der Kol-
lege Jurk in seiner Rede beantwortet, indem er es begrüßt
hat, dass das Batteriespeicherprogramm für Photovol-
taikanlagen fortgesetzt wird . Das habe ich jedenfalls so
verstanden .


(Thomas Jurk [SPD]: Richtig!)


Das hatten Sie, aber auch andere in den Fraktionen sich
gewünscht .


(Thomas Jurk [SPD]: War zwar mühsam mit dir, aber es ging!)


Deswegen haben wir dazu einen Vorschlag entwickelt .
Ihre Frage ist also in der Debatte vorhin von Herrn Jurk
bereits beantwortet worden .

Was den ersten Teil Ihrer Anmerkung angeht, will
ich nur darauf hinweisen, dass mich niemand gezwun-
gen hat, sondern dass wir in der Debatte über die Frage,
wie wir die Klimaschutzziele erreichen, mit der Sorge
der Beschäftigten konfrontiert wurden, dass sie in gro-
ßer Zahl arbeitslos werden . Das betrifft ganze Regionen,
zum Beispiel die Lausitz . Wir wollten mit dieser Sorge
nicht besserwisserisch umgehen, nach dem Motto „Eure
ganzen Sorgen sind unberechtigt“ .


(Thomas Jurk [SPD]: Genau!)


Denn wenn wir falsch liegen, zahlen sie den Preis dafür –
und nicht ich .

Deshalb haben wir uns ein zweites Modell überlegt,
nach dem 13 Prozent Braunkohlekapazitäten stillgelegt
werden . Das hatten wir in dem ersten Entwurf gar nicht
vor . Wir haben immer gesagt, dass das mehr kostet als
das erste Modell, nämlich 230 Millionen Euro . Aber das
ist doch kein zu hoher Preis . Setzen Sie das doch ein-
mal in Relation zu den 23 Milliarden Euro, die wir bereit
sind, jedes Jahr für die Finanzierung der Lernkurve bei
den Erneuerbaren aufzubringen! Wir halten 230 Millio-
nen Euro dagegen, die wir einsetzen, um die Leute nicht
ins Bergfreie fallen zu lassen. Ich finde, das ist eine an-
gemessene Güterabwägung . Wir haben die Leute nicht
alleine gelassen . Sie sind doch diejenigen, die arbeitslos
werden, wenn es schiefgeht, und ihre Mieten nicht mehr
zahlen können . Wir sitzen dann immer noch brav im Tro-
ckenen . Deswegen war es, glaube ich, anständig, auf sie
zu hören, statt weiter nach dem Motto „Mit dem Kopf
durch die Wand“ vorzugehen . Das wäre falsch gewesen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Abgesehen davon erinnere ich mich daran, dass auch
Sie schon einmal einen solchen Lernprozess bei einem
Kohlekraftwerk durchmachen mussten, allerdings aus
rechtlichen Gründen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das war eine rechtliche Frage!)


Bei all diesen großen Aufgaben zu verhindern, dass
es zu Verteilungskonflikten kommt, setzt voraus, dass

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


die wirtschaftliche Entwicklung weiter gut verläuft .
Dabei sind manche Hinweise der Opposition durchaus
berechtigt . Es ist völlig richtig: Wir müssen uns endlich
entscheiden, wie wir mit dem Thema Infrastrukturgesell-
schaft und den anderen Vorschlägen der Fratzscher-Kom-
mission umgehen . Es reicht nicht aus, sich auf den kom-
munalen Bereich zu beschränken . Sie haben völlig recht .

Aber es gibt noch andere Punkte, bei denen Sie uns,
finde ich, hätten ermahnen können. Und weil Sie es nicht
machen, mache ich es selber .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002300

Herr Minister, bevor Sie zu weiteren, spekulativen Er-

mahnungen kommen, würde der Kollege Krischer gerne
zwischendurch das Wort ergreifen, wenn er darf .

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Ja, natürlich .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002400

Bitte sehr .


Oliver Krischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814002500

Herzlichen Dank, Herr Minister, dass Sie meine Frage

zulassen . – Wenn Sie mit den Beschäftigten in der Braun-
kohle argumentieren, finde ich es ein bisschen unredlich,
dass Sie jetzt den Braunkohleunternehmen 1,6 Milliar-
den Euro zahlen,


(Dr . Michael Fuchs [CDU/CSU]: Das könnt ihr nicht hören!)


und zwar für die Stilllegung von Kohleblöcken, die sie
ohnehin vorgesehen haben . Das ist das exakte Gegenteil
von dem, was Sie vorher vertreten haben . Sie hatten vor-
her ein Modell, bei dem die Unternehmen zahlen sollten .
Jetzt die Beschäftigten vorzuschieben, finde ich nicht se-
riös .

Ich möchte aber zu diesem Thema eine andere Frage
stellen . Gestern hat ihre Kabinettskollegin Frau Umwelt-
ministerin Hendricks, die leider gerade den Saal verlassen
hat, den Vorschlag gemacht, noch in dieser Legislaturpe-
riode die Entscheidung zu treffen, in 20 bis 25 Jahren aus
der Braunkohle auszusteigen . Mich interessiert, ob das
auch die Position des Bundeswirtschaftsministers bzw .
der gesamten Bundesregierung ist und wenn ja – sofern
das in dieser Legislaturperiode stattfinden soll –, mit wel-
chen Instrumenten – reden wir dann über weitere Braun-
kohlesubventionen, also 1,6 Milliarden Euro mal x? –
das erreicht werden soll .

Ich finde es, ehrlich gesagt, nicht redlich, wenn die
Umweltministerin vor der Konferenz in Paris einen sol-
chen Vorschlag unterbreitet und damit möglicherweise
etwas ankündigt, was gar keine reale Entsprechung im
entscheidenden Teil der Bundesregierung, also bei Ihnen,
findet. Deshalb bitte ich Sie um eine klare Aussage, wie
das, was die Umweltministerin vorgeschlagen hat, ausge-
staltet werden soll .

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Wenn Sie mir gestatten, widerspreche ich erst einmal
Ihrer Behauptung, wir zahlten 1,6 Milliarden Euro Sub-
ventionen für Kraftwerke, die ohnehin stillgelegt hätten
werden sollen . Diese Kraftwerke haben auf dem Markt
so viel Geld verdient, dass das der Grund war, warum wir
trotz Klimaschutz so hohe CO2-Emissionen hatten . Ihre
Behauptung ist einfach falsch . Die Summe, die wir pro
Jahr aufwenden, beträgt 230 Millionen Euro . Im Übrigen
halte ich es für angemessen, mit Beschäftigten über die
Frage zu sprechen, ob Politik Auswirkungen auf ihre Ar-
beitsbedingungen hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das unterscheidet vielleicht doch einen Grünen von ei-
nem deutschen Sozialdemokraten; das mag sein .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Oh!)


Es macht doch nichts, wenn es Unterschiede gibt .


(Zuruf von der LINKEN)


– In Ihrer Fraktion will der eine Teil die Laufzeit der
Braunkohlekraftwerke verlängern, während der andere
Teil Anträge stellt, die einen schnellen Ausstieg aus der
Braunkohle zum Ziel haben . Da sind die Grünen konse-
quenter .

Nun zu Ihrer Frage, wie es mit der Braunkohle wei-
tergeht . Die Bundesregierung sorgt im Vorfeld der Kon-
ferenz von Paris dafür, dass wir unsere Ziele bis 2020
erreichen . Deswegen sind 5,8 Milliarden Euro im Klima-
und Energiefonds eingestellt . Wir sichern erst einmal,
dass wir zu den Staaten gehören, die ihre freiwilligen
Verpflichtungen einhalten, damit wir andere zu verbind-
lichen Verabredungen bewegen können . Hätten wir uns
übrigens nur an die verbindlichen Verabredungen gehal-
ten, müsste Deutschland bis 2020 nur 30 Prozent CO2
einsparen . Wir alle hier im Deutschen Bundestag haben
uns freiwillig für 40 Prozent entschieden . Das sichern
wir .

Selbstverständlich werden wir über die Frage nach-
denken, wie wir mit der Braunkohleverstromung als
einem der Hauptemittenten umgehen sollen, wenn die
Einsparziele bis 2040, 2050 oder 2060 immer größer
werden . Ein Zeitraum von 25 Jahren wird bei RWE ver-
mutlich große Beruhigung auslösen; denn wenn ich es
richtig in Erinnerung habe, reichen die Kapazitäten der
Braunkohletagebaureviere ohnehin nur für diesen Zeit-
raum . Ich weiß es allerdings nicht genau .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist länger!)


– Es mag sein, dass der Zeitraum länger ist .

Ich finde es aber angemessen, darüber zu reden, wie
Ersatzarbeitsplätze geschaffen werden sollen . In der
Lausitz zum Beispiel gab es vor der deutschen Einheit
100 000 Beschäftigte in der Energiewirtschaft . Davon
sind 90 000 wegrationalisiert . Übrigens ist ein großer

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Teil der positiven deutschen Klimaschutzbilanz dadurch
überhaupt erst ermöglicht worden .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


90 000 Menschen haben also mit ihrem Arbeitsplatz be-
zahlt . 10 000 sind noch da . Diese stellen die berechtigte
Frage: Wenn es zu einem weiteren Abbau der Braunkoh-
lekapazitäten kommen soll, wo sind die Ersatzarbeitsplät-
ze, und zwar nicht nur für uns, sondern auch für unsere
Kinder? – Vor diesem Hintergrund wäre es richtig, das zu
tun, was die IG BCE und auch der BDEW vorschlagen,
nämlich nun darüber zu reden, mit welcher mittel- und
langfristigen Perspektive wir Ersatzarbeitsplätze in die-
ser Region schaffen können .


(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ausstieg in 20 oder 25 Jahren – ja oder nein?)


– Sie möchten gerne, dass man mal eben so – so machen
Sie ja Klimapolitik – erklärt, an welchem Tag genau wir
das schaffen . Das Ergebnis hat unsere Umweltministerin
nicht vorweggenommen .


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Auch das ist nicht wahr . Sie sind in der Abteilung
Pinocchio ganz gut unterwegs . Das, was Sie sagen,
stimmt doch nicht .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Verstehen Sie, das ist die Art von Klimaschutzpolitik,
die uns in Schwierigkeiten gebracht hat . Ich gebe zu:
Daran waren alle beteiligt . Immer dann, wenn es gera-
de passt, wird ein Ziel gesetzt . Einmal sprechen wir von
Klimaschutz, ein anderes Mal von Beschäftigung oder
von Preisstabilität . Zusätzlich möchten wir natürlich die
Stadtwerke retten . Dann kommen wir einmal im Jahr zu-
sammen und stellen fest: Donnerwetter, die Ziele passen
irgendwie nicht zueinander .

Wir müssen damit aufhören . Wir müssen in der Tat –
da haben Sie recht – über die Frage der langfristigen
Beschäftigungssicherung und des Aufbaus von Beschäf-
tigung in den Bereichen der Kohlewirtschaft sprechen,
in denen wir mittel- und langfristig weniger Beschäftigte
haben werden . Das ist völlig richtig . Das wird übrigens,
Herr Krischer, Geld kosten . Sie sollten das dann aber
nicht – vielleicht sind es sogar dieselben Konzerne, die
die Arbeitsplätze schaffen – als milliardenschwere Hilfen
für Konzerne diffamieren, wie das Ihre Kollegin vorhin
gemacht hat . Dann ist das ein Beitrag zum Strukturwan-
del; den haben wir in diesem Fall übrigens beim Braun-
kohlekompromiss auch gemacht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich diskutiere gerne mit Ihnen, wie Sie wissen .

Die Spielräume der kommenden Jahre werden wir
nutzen müssen, um den guten Stand unserer Wirtschaft
zu erhalten; denn das, was mir am meisten Sorgen macht,
ist das Vertrauen darauf, dass die wirtschaftliche Ent-
wicklung eben einfach so bleibt . Ich vermute, dass die
Schwierigkeiten dann beginnen, wenn man glaubt, es
bleibe alles so . Ich glaube, wir werden darüber reden

müssen, wie wir einen höheren Anteil als 3 Prozent am
BIP für Ausgaben für Forschung und Entwicklung errei-
chen können . Wir sind zwar besser als der Rest Europas,
aber Südkorea hat sich 4,5 Prozent zum Ziel gesetzt . Ich
glaube, das ist das Ziel, das wir uns bis 2025 vornehmen
müssen .


(Beifall des Abg . Dr . Heinz Riesenhuber [CDU/CSU])


Wir werden darüber reden müssen, ob es wirklich so
bleiben kann, dass die Wertgrenze für die Abschreibung
geringfügiger Wirtschaftsgüter zuletzt vor 50 Jahren ver-
ändert worden ist . Da liegen die Rahmenbedingungen
für bessere Investitionen der Unternehmen . Natürlich
werden wir wieder über steuerliche Forschungsförde-
rung reden müssen und auch darüber, dass wir mit einem
Breitbandausbau von 50 Megabit pro Sekunde bis zum
Jahr 2018 ein gutes Ziel haben, aber bis zum Jahr 2025
garantiert Gigabitnetze brauchen . Übrigens ist Vectoring
dazu eine Übergangstechnologie, aber kein Ersatz für
Glasfaser . Also: Das, was wir vor allen Dingen machen
müssen, ist, darüber zu sprechen, wie wir Deutschlands
Wirtschaft bis 2025 wettbewerbsfähig halten . Wir dürfen
uns nicht damit zufrieden geben, wie die deutsche Wirt-
schaft derzeit aufgestellt ist .

Das Plädoyer, wir sollten endlich unsere Exportstärke
abbauen, halten Sie am besten in einer Betriebsversamm-
lung von Daimler, Volkswagen, Siemens oder Bosch .


(Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Volkswagen ist gut! – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Volkswagen macht das von selbst!)


– Ich werde auch die Beiträge von Ihnen zum Thema
Volkswagen gerne den Betriebsräten dort übermitteln .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Das können Sie gerne tun!)


– Wissen Sie, an der Seite von Arbeitnehmern zu stehen,
heißt, sich in Schwierigkeiten nicht über sie lustig zu ma-
chen . Das ist das, was dazu zu sagen ist .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU – Dr . Dietmar Bartsch [DIE LINKE]: Es ist das Management! – Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Es heißt: sich mit dem Management auseinanderzusetzen!)


Lassen Sie mich am Schluss meiner Rede noch eini-
ge Bemerkungen zu der Situation nach den Attentaten in
Frankreich machen . Der französische Journalist Nicolas
Hénin schrieb vor einigen Tagen – ich zitiere –: Die Bil-
der aus Deutschland von Menschen, die Flüchtlinge will-
kommen heißen, werden den IS besonders beunruhigen .
Zusammenhalt, Toleranz, das ist nicht, was die Terroris-
ten sehen wollen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Er fügte hinzu: Sie fürchten unsere Einheit und unsere
Toleranz mehr als unsere Luftangriffe .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Ich empfinde das als eine bemerkenswerte Aussage
von einem Mann, der unter menschenunwürdigen Um-
ständen einmal als Geisel vom IS festgehalten wurde,
von dem man alles vermuten könnte, was Rache angeht .
Ich finde, er bestärkt uns geradezu, dass sich nach Paris
eben nicht alles ändern darf, dass wir unsere Vorstellun-
gen von Zusammenleben, Menschlichkeit und Nächs-
tenliebe nicht aufgeben werden . Das ist ein Aufruf zum
Zusammenhalt und zur Solidarität .

Ich finde, weil wir von Frankreich gerade gebeten
werden, diese Solidarität auch praktisch werden zu las-
sen, dass wir das schuldig sind . Es sind die Franzosen ge-
wesen, zusammen mit anderen, die nach 1945 Deutsch-
land, das damalige Volk der Täter, nach Holocaust, nach
Vernichtungskrieg, nach Überfall, an den Tisch der zi-
vilisierten Völker Europas eingeladen haben. Ich finde,
das müssen mutige Politiker in Frankreich gewesen sein,
die das damals gemacht haben . Wir sind den Franzosen
etwas schuldig . Deswegen sage ich: Wir müssen ihnen
auch jetzt, in dieser Situation, zur Seite stehen . Für mich
gibt es dazu keine Alternative .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Natürlich wollen wir auch dafür Sorge tragen, dass
sich die Entwicklung bei den Flüchtlingen besser voll-
zieht als in den letzten Monaten . Wir wollen helfen,
ordnen und steuern . Vieles davon – das hat der Kollege
Kauder gestern zu Recht gesagt – ist auf den Weg ge-
bracht worden .

Herr Kollege Kauder, weil Sie das gestern angespro-
chen haben: Ich bin sicher, wir schaffen auch das zweite
Paket .


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Na, dann ran!)


– Sie haben doch gesagt, die Fraktionen würden helfen .

Jetzt habe ich eine Bitte an Sie . Zurzeit scheitert das
Ganze an der Frage, dass wir uns in einer Sache nicht
einig werden. Ich finde, das müssen wir schaffen, gera-
de vor Weihnachten . Ich kann nicht verstehen, warum
Ihre Fraktion, bislang jedenfalls, skeptisch ist, ob wir
Schwangeren, Minderjährigen unter 14 Jahren und Be-
hinderten eine bessere medizinische Versorgung geben
sollten . Das kann nicht sein .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Schwangere, Behinderte, Minderjährige und kranke
Kinder bekommen derzeit nur eine Notfallversorgung
und bei chronischen Erkrankungen keine dauerhafte
angemessene medizinische Versorgung . Ich bin sicher,
dass wir das angesichts von Kostenordnungen von 5 bis
6 Millionen Euro hinbekommen .


(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Es geht ja gar nicht um das Geld!)


Das kann doch nicht ein Bereich sein, bei dem wir zei-
gen, dass wir uns um Frauen, um werdende Mütter, um
Minderjährige und um Behinderte nicht kümmern wol-
len .

Meine Damen und Herren, die Flüchtlingsmigration
stellt ohne Zweifel unser Gemeinwesen vor eine unge-
heure Aufgabe . Deshalb ist es richtig, dass sich die Koa-
lition darauf verständigt hat, alles in der internationalen
Politik dafür zu tun, dass wir es auch wirklich schaffen
können .

Nicht die Zahl der Menschen, die kommen, ist das
Problem, sondern das Problem ist die Geschwindigkeit,
in der sie kommen. Ich finde, deswegen ist der Drei-
schritt richtig, nämlich sich um die Hilfe in den Nachbar-
regionen Syriens zu kümmern, die Außengrenze der Eu-
ropäischen Union zu sichern und dann aber auch bereit
zu sein, Kontingente an Flüchtlingen, und zwar in hoher
Zahl, ohne Schlepper und auf geordnetem Wege nach
Deutschland zu holen – nach meiner Vorstellung unter
der Überschrift: Frauen und Kinder zuerst und Vorrang
für Familien .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Das ist übrigens keine Obergrenze . Das wird nur
dann zu einer Obergrenze, wenn man das Asylrecht in
Deutschland abschaffen würde – nur dann . Das aller-
dings werden wir nicht tun .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Das ist so etwas wie eine kommunizierende Röhre: Je
weniger Menschen in Deutschland Asyl beantragen, des-
to höher müssen die Kontingente sein, die wir Ländern
wie der Türkei abnehmen, wenn wir sie bitten, bessere
Bedingungen für Flüchtlinge in ihrem Land sicherzustel-
len .

Ich glaube, dass das eine kluge Politik ist, bei der
wir darauf setzen, dass wir durch eine Zusammenarbeit
in Europa mit unseren Nachbarn dafür sorgen, dass die
Außengrenze sicher ist, dass Menschen weniger Flucht-
gründe haben, weil wir ihre Lebensbedingungen in ihren
Herkunftsregionen verbessern, und bei der wir gleich-
zeitig bereit sind, auch in Zukunft eine hohe Zahl von
Menschen, allerdings geordnet, nicht im Chaos und nicht
durch Menschenhandel, bei uns aufzunehmen .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002600

Herr Minister .

Sigmar Gabriel, Bundesminister für Wirtschaft und
Energie:

Letzte Bemerkung . – Am Ende wird dies alles nur
dann funktionieren, wenn wir uns trotz schlimmer Ent-
wicklungen – wie der zwischen Russland und der Tür-
kei – nicht davon abbringen lassen, dass militärische
Mittel allein nicht helfen werden, sondern dass wir auch
die Mittel der Diplomatie bei der Beendigung des Bür-
gerkriegs in Syrien brauchen . Deswegen gehören die bei-
den Dinge zusammen .

Flüchtlingspolitik ist nicht zu trennen von dem, was
wir in der Diplomatie mit all den Möglichkeiten tun, die
Frank-Walter Steinmeier mit seinen Kolleginnen und
Kollegen dafür nutzt, um die Fluchtursachen besser zu
bekämpfen. Ich finde, dann kann das Land auf das stolz

Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


sein, was es bereit ist zu leisten . Dies wird auch den Blick
der muslimischen Welt auf unser Land und auf Europa
verändern – und zwar zum Positiven .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002700

Ich habe eine geschäftsleitende Bemerkung: Ich wer-

de jetzt keine weiteren Kurzinterventionen oder Zwi-
schenfragen mehr zulassen . Wir sind schon deutlich über
dem zu Beginn der Debatte beschlossen Zeitrahmen .
Wir haben für die angemeldeten Redner jetzt noch eine
Redezeit von ungefähr 50 Minuten . Die ausführlichen
Antworten des Bundeswirtschaftsministers haben schon
dazu beigetragen, dass die verbleibende Redezeit für sei-
nen Kollegen Westphal eine stolze Minute betragen wird .


(Heiterkeit)


Das ist eine besonders steile Versuchsanordnung . Ich bit-
te also um Nachsicht, dass wir mit Blick auf das weitere
Programm des heutigen Tages da keinen weiteren Debat-
tenspielraum haben .

Nun erhält das Wort die Kollegin Eva Bulling- Schröter
für die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814002800

Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Ich gehe jetzt einmal davon aus, dass Sie die
Stellungnahmen Ihrer eigenen Experten lesen – letzte
Woche haben Sie sie ja schwarz auf weiß bekommen –:
Sie müssten Ihre Anstrengungen verdreifachen – jawohl,
verdreifachen –, falls wir das Ziel, den Treibhausgasaus-
stoß gegenüber 1990 um 40 Prozent zu reduzieren, noch
erreichen wollen . Das sagen nicht wir, die Linke, sondern
Experten der Bundesregierung in ihrer Stellungnahme
zum Vierten Monitoring-Bericht zur Energiewende . Die-
se Experten sind kluge Leute, und sie sind gewiss nicht
verdächtig, extreme Meinungen zu vertreten; vielmehr
sehen sie das zentrale Ziel der Bundesregierung, das na-
türlich auch unser Ziel ist, erheblich gefährdet .

Die Bundesrepublik Deutschland müsste nie dagewe-
sene Anstrengungen unternehmen, um das Klimaschutz-
ziel noch zu erreichen . – Ich habe sinngemäß zitiert . Der
aktuelle Bundeshaushalt im Bereich Energie und Klima
gibt darauf keine Antwort . Dabei ist fatal: Je länger wir
warten, desto teurer wird das Ganze . Das hat das Pots-
dam-Institut für Klimafolgenforschung schon vor einigen
Jahren erklärt; dies sagten etwa Nicholas Stern und eine
ganze Reihe anderer vor ihm . Die Folgen des Zauderns
sind grausam . Das trifft uns alle und die nachfolgenden
Generationen . Ich rede dabei noch nicht einmal von den
Folgen für die südlichen Länder .

Es ist jetzt und hier notwendig, dass die Bundesregie-
rung mit Vernunft und verantwortungsvollem Weitblick
handelt und wie eine Marathonläuferin auf der Zielge-
raden bis 2020 noch einmal alles gibt . Aber Wolfgang
Schäuble sieht nur die schwarze Null wie ein akkurater,

aber total engstirniger Buchhalter . Im Wirtschaftsminis-
terium diktieren, wenn es darauf ankommt, die Kohle-
stromkonzerne, wo es langgeht – auch wenn der Minister
das immer abstreitet –, so geschehen im Sommer die-
ses Jahres – wir wissen das –, als den Kohlekonzernen
10 Millionen Tonnen CO2-Einsparung erlassen wurde .
Das halten wir für wahltaktische und parteipolitische
Kleinkariertheit und Kurzsichtigkeit .


(Beifall bei der LINKEN)


Herr Staatssekretär Baake hat gestern wirklich etwas
losgelassen . Er sagte, es komme einem ökonomischen
Blutbad gleich, am Ziel festzuhalten, aufgrund der fossi-
len Überkapazitäten, die man dann schaffe, durch KWK
netto 25 Prozent des Stroms zu erzeugen . Das ist wirklich
der Hammer . Ich sage Ihnen: Das ist bereits angerichtet,
indem Sie die Klimaabgabe beerdigt haben, die überflüs-
sige fossile Überkapazitäten an der richtigen Stelle ver-
nichtet hätte . Dieser große Fehler wird Ihnen noch lange
nachhängen; denn er zeigt, auf wessen Seite diese Bun-
desregierung steht: auf der Seite der Kohleindustrie und
nicht auf der Seite des Klimas .

Jetzt reden wir über die Arbeitsplätze . Sie haben sich
damit gegen zukunftsfähige Arbeitsplätze entschieden .
Durch Ihre Kohlereserve haben Sie keine Arbeitsplätze
gerettet, die nicht durch einen klugen Kohleausstieg, wie
ihn die Linken fordern, auf das Beste sozial abgefedert
worden wären .


(Thomas Jurk [SPD]: So einfach ist das nicht! – Ulrich Freese [SPD]: Sie haben doch überhaupt keine Ahnung! Kommen Sie doch einmal in das Revier, und unterhalten Sie sich mit den Menschen!)


Jetzt reden wir über diese 230 Millionen Euro; Minis-
ter Gabriel hat dazu etwas gesagt . Dieses Geld bekom-
men ja die Konzerne; es fließt eben nicht in Strukturpro-
gramme . Wir hätten Strukturprogramme gefordert .


(Beifall bei der LINKEN)


Noch etwas . Das DIW hat ausgerechnet, dass die ur-
sprüngliche Klimaabgabe, für die wir alle waren – auch
die Grünen, bloß die CDU offensichtlich nicht –, nahezu
keine Arbeitsplätze gekostet hätte . Die Nettobeschäfti-
gung über ein gutes EEG ist weit besser als die durch die
Kohleindustrie .


(Ulrich Freese [SPD]: Auch da haben Sie keine Ahnung!)


Natürlich denke ich auch an die Kumpel; das ist doch
klar .

Wenn hier behauptet wird, wir würden VW-Arbeitneh-
mer lächerlich machen und uns darüber lustig machen,
dann ist das, finde ich, genauso eine Unverschämtheit.


(Beifall bei der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Was macht ihr denn sonst?)


Viele Kolleginnen und Kollegen von uns kommen aus
der Gewerkschaft .


(Ulli Nissen [SPD]: Ja und? Das merkt man aber leider nicht bei den Reden gegen VW!)


Bundesminister Sigmar Gabriel






(A) (C)



(B) (D)


Bevor ich in den Bundestag kam, war ich Betriebsrätin –
ich kann mich noch erinnern –, und ich habe eines ge-
lernt: Verhinderter Umweltschutz vernichtet Arbeitsplät-
ze . – Da ist das der Fall . Es geht uns um die Kolleginnen
und Kollegen und um die Arbeitsplätze . Die Frage, wer
schuld ist und wer das vor allem zu verantworten hat,
muss bitte auch gestellt werden dürfen .


(Beifall bei der LINKEN – Ulli Nissen [SPD]: Das sehen VW-Mitarbeiter sicher anders!)


All das, was ich jetzt gesagt habe, zeigt, auf welcher
Seite die Bundesregierung steht .


(Ulrich Freese [SPD]: Auf der richtigen Seite, auf der Seite der Arbeitnehmer!)


Jetzt noch zu Ihnen, Kollege Heil .


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814002900

Das muss aber dann in einem Satz gehen .


Eva-Maria Bulling-Schröter (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814003000

Der letzte Satz . – Sie haben gesagt, Sie wollten Auf-

räumarbeiten beim Erneuerbare-Energien-Gesetz . Sie
wollen offensichtlich bei der Bürgerenergie aufräumen,
und das lassen wir auf keinen Fall zu . Wir brauchen Bür-
gerenergie, wir brauchen Akzeptanz, und wir brauchen
einen anständigen Klimaschutz .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814003100

Barbara Lanzinger ist die nächste Rednerin für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Barbara Lanzinger (CSU):
Rede ID: ID1814003200

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kolle-

gen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich fasse es noch
einmal zusammen: Ja, Deutschland ist finanziell und
wirtschaftlich auf einem sehr guten Weg . Deutschlands
Wirtschaft wird trotz einer sinkenden Weltkonjunktur das
Jahr 2015 – ich sage das ganz bewusst – mit Schwung
beenden . Das zeigen nicht nur die Prognosen der Bun-
desregierung mit 1,8 Prozent Wachstum in diesem und
im nächsten Jahr . Auch die Einschätzung des Einkaufs-
manager-Index für Industrie und private Dienstleister
kommt zu dem Ergebnis, dass die deutsche Wirtschaft in
den nächsten Monaten weiter wachsen wird . Das unter-
streichen die aktuellen Auftragsbestände ganz deutlich,
die momentan auf dem höchsten Stand seit vier bis fünf
Jahren sind .

Dieser konjunkturelle Aufschwung spiegelt sich zu-
dem auf dem Arbeitsmarkt wider; der Bundesminister hat
es schon gesagt . Wir haben mit 43 Millionen Erwerbs-
tätigen Vollbeschäftigung – und nicht nur Vollbeschäf-
tigung, sondern auch den höchsten Beschäftigungsstand
seit über 20 Jahren . Damit steigen auch die Steuerein-
nahmen .

Jetzt möchte ich einige Anmerkungen zu den Bei-
trägen der Kollegen Schlecht und Dehm machen . Sie

können natürlich in jeder Rede, in jeder Debatte alles
schlechtreden . Ich habe wirklich ein Problem damit, auch
als Bürgerin dieses Landes, dass wir uns selber schlech-
ter darstellen . Sie machen das beständig .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Was? Das stimmt doch überhaupt nicht!)


Ich habe manchmal nicht den Eindruck, ob Sie wissen,
dass Sie hier in Deutschland leben, sondern ich habe
manchmal den Eindruck: Sie sprechen von anderen Län-
dern, wenn Sie von Jugendarbeitslosigkeit sprechen,
wenn Sie von Arbeitslosenzahlen sprechen und wenn Sie
von Schulden sprechen .


(Zuruf des Abg . Dr . Diether Dehm [DIE LINKE])


Sie müssen sich schon einmal überlegen, ob Sie nicht ei-
nem totalen Realitätsverlust erliegen . Sie schüren auch
Angst bei den Menschen, und das ist nicht zielführend in
einer Demokratie .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Jetzt sagen Sie doch, was Opposition in der Demokratie machen soll! – Zuruf des Abg . Klaus Ernst [DIE LINKE])


Ich wollte auch einen Ton dazu sagen . Ich stelle mir das
auch anders vor .

Die Kontrolle haben wir, glaube ich, nicht verloren;
das möchte ich schon ganz deutlich festhalten .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Das habt ihr vielleicht bei der CSU anders gelernt! Bei uns heißt Opposition immer noch Opposition!)


Ich würde mich freuen, wenn wir nicht immer von
„diesem Land“,


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Halten Sie das bitte niemandem vor!)


sondern von „unserem Land“ sprechen würden – ich bin
stolz, in diesem Land zu leben –; das hat auch etwas mit
Identifikation zu tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Warum geht es Deutschland gut? Ein Grund liegt si-
cherlich in der nachhaltigen Wirtschaftspolitik Deutsch-
lands . Wir werden nicht nur in Europa, sondern auch
international dafür bewundert, auch für unsere solide
Finanzpolitik und für die starke Wirtschaft . Dank der Po-
litik der Union ist Deutschland das Zugpferd Europas,
und das wollen wir auch so beibehalten . Das können
wir nicht, wenn wir gängeln und wenn wir diktieren und
wenn wir die Wirtschaft – so wie Sie es vorschlagen – fast
züchtigen . Damit kommen wir schlichtweg nicht weiter .

Es heißt aber nun, nicht haltzumachen und sich nicht
zurückzulehnen, sondern die positiven Effekte des Auf-
schwungs entsprechend aufrechtzuerhalten und weiter zu
fördern . Da sind wir natürlich auch als Politik gefordert,
um die entsprechenden Rahmenbedingungen zu schaf-
fen . Die Weichen müssen wir jetzt stellen und dürfen
nicht warten .

Eva Bulling-Schröter






(A) (C)



(B) (D)


Ein funktionierendes Wirtschaftssystem braucht
Investitionen und Innovationen als Treiber für das
Wirtschaftswachstum . Nur in einem investitions- und
innovationsfreundlichen Klima können sich unsere Un-
ternehmen auch weiterhin entwickeln . Es gilt hier, unsere
politischen Entscheidungen bedacht und sorgsam zu tref-
fen . Ich nenne ein paar Beispiele .

Das Herzstück ist unser Mittelstand . Unsere hervorra-
gend ausgebildeten Fachkräfte sind Motor für Jobs, sind
Motor für den konjunkturellen Aufschwung . Der Mittel-
stand wird, denke ich, ganz wesentlich zur Bewältigung
neuer Herausforderungen beitragen, auch zur Integration
von Flüchtlingen . Um unseren Mittelstand weiterhin zu
fördern, freut es mich natürlich, wenn ich die Zahlen im
Haushaltstitel des Bundesministeriums für Wirtschaft
und Energie sehe, die wir ganz nachhaltig aufgestockt
haben . Über 3 Milliarden Euro werden für Forschung,
Entwicklung und Innovationen bereitgestellt . 781 Mil-
lionen Euro davon sind Fördergelder für ZIM und für
EXIST . Mit den 17 Millionen Euro – das ist, denke ich,
ganz wichtig – im Rahmen des Titels „Fachkräftesiche-
rung für kleine und mittlere Unternehmen“ wollen wir
helfen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken . Denn
wenn wir durch den Zustrom von Flüchtlingen hoffent-
lich einen Teil des Fachkräftemangels abdecken können


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Machen Sie doch nicht alles schlecht! Mangel! Mangel! Wenn ich immer „Mangel“ höre!)


– ich habe ja gesagt: wir machen das –, wird das alleine
nicht ausreichen . Wir müssen hier schon mehr tun .


(Dr . Diether Dehm [DIE LINKE]: Wir müssen nicht immer über Mangel reden! Machen Sie doch nicht alles schlecht! Kassandra! Mangelrede!)


Wir müssen vor allem unsere bewährten Strukturen
wie unser fachspezifisches Ausbildungssystem – ich
nenne hier als Beispiel den Meisterbrief –, den regle-
mentierten Berufszugang für freie Berufe, Gebühren-
ordnungen wie die HOAI – dazu haben wir gemeinsam
Anträge gestellt und beschlossen – aufrechterhalten und
vehement unterstützen . Ich bitte das Bundeswirtschafts-
ministerium noch einmal ganz nachdrücklich, uns dabei
zu helfen, diese Qualitätsstandards, die wir haben und die
ein Garant für unseren wirtschaftlichen Erfolg sind, auch
auf europäischer Ebene und bei der Kommission zu ver-
teidigen . Ich halte das für sehr wichtig . Wir müssen die
Aufgabe annehmen, und wir haben die Pflicht, dies zu
bewahren und verstärkt dafür zu werben .

Ebenfalls wichtig für einen gut funktionierenden
Mittelstand und natürlich auch für eine gut funktionie-
rende Wirtschaft sind die Energiepolitik und die daraus
resultierenden Preise . Ich denke, wir müssen schon da-
rauf achten, dass dies nicht zu einer Belastung für unsere
Unternehmen wird und dass die internationale Wettbe-
werbsfähigkeit hier nicht gefährdet wird . Wir brauchen
im Energiebereich Konzepte, marktwirtschaftliche Kon-
zepte, Konzepte, die der Kleinteiligkeit und Dezentrali-
tät der Energiewende gerecht werden und die auch un-
terschiedliche Flexibilitätsoptionen beinhalten . Und wir
brauchen nicht nur Wind- und Sonnenenergie, sondern

wir brauchen auch KWK, Lastmanagement und allem
voran auch – das ist mein Thema, das ich nie vergesse –
Speicher . Ich freue mich, dass das Speicherprogramm
für die PV weitergeführt wird . Ich bitte Sie aber auch,
sehr geehrter Herr Bundesminister Gabriel, das Thema
Speicher nicht zu vergessen und es zum Beispiel beim
zukünftigen Strommarktdesign entsprechend zu ver-
ankern, weil ich der Meinung bin: Speicher sind weder
Erzeuger noch Letztverbraucher . Wir brauchen dies, um
unsere Flexibilität insgesamt zu bewahren . Die Energie-
wende ist ein Puzzle . Nur wenn alles ineinandergreift,
so wie Sie es vorhin gesagt haben, kann es letztendlich
auch funktionieren . Ich kann das nicht an irgendwelchen
Zahlen festmachen, sondern letztendlich nur daran, ob es
insgesamt stimmig ist .

Mittelstand stärken heißt auch, den Standortfaktor
Tourismus zu fördern . Es ist schon oft gesagt worden –
ich wiederhole es gern –: Der Deutschlandtourismus
ist ein Zugpferd für die deutsche und vor allem für die
mittelständische Wirtschaft . Ich freue mich, dass uns die
Anhebung der Mittel gelungen ist . Wir haben 500 Euro
mehr erreichen können .


(Thomas Jurk [SPD]: Das wäre ein bisschen wenig! 500 000!)


– 500 000 Euro mehr . Danke schön . 500 wären viel zu
wenig . Dann könnte ich das, was ich jetzt will, nicht for-
dern .

Wir sorgen hier für die Verstetigung . Die Gelder sollen
gezielt eingesetzt werden, nämlich dort, wo noch Poten-
ziale gehoben werden können; dort, wo Kulturtourismus
in den ländlichen Räumen gestartet wird . Wir haben ge-
meinsam mit dem Bundeswirtschaftsministerium – leider
ist Frau Gleicke heute nicht da – ein Projekt zur Förde-
rung des Kulturtourismus in ländlichen Räumen gestar-
tet . Wir müssen dieses Projekt nun mit Leben erfüllen .
Momentan sind drei Modellregionen vorgesehen .

Ich würde mir wünschen, dass wir eventuell überle-
gen, ob wir mit den nun angehobenen Mitteln nicht jedes
Bundesland fördern und in jedem Bundesland die Schät-
ze, die wir haben, heben könnten . Wir wären sehr froh
und glücklich, wenn wir dieses Projekt in diesem Sinne
erweitern könnten .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich
abschließend an alle appellieren, im Sinne der Sache zu
handeln und getreu dem Spruch: Die Wirtschaft ist ein
Gebiet, das am wenigsten Willkür verträgt .

Vielen herzlichen Dank fürs Zuhören .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1814003300


Der Kollege Dieter Janecek erhält jetzt das Wort für
die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .

Barbara Lanzinger






(A) (C)



(B) (D)



Dieter Janecek (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814003400

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr

Minister! Da Sie noch hier sind: Sie haben das Thema
Russland angesprochen . Ich würde Ihnen gerne dazu eine
Frage stellen . Zwei Wochen nach Ihrem Besuch war ich
auch bei Putin in Moskau . Die Frage ist: Ist es richtig,
dass Sie bei Putin im Kreml zugesagt haben, die Sankti-
onen schrittweise aufzuweichen? Ist es richtig, dass Sie
zugesagt haben, beim Thema North Stream 2 die euro-
päischen Interessen nicht zu vertreten? Das würde mich
interessieren, wenn wir in diesem Zusammenhang über
Wirtschaft und Russland reden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Jetzt geht er!)


Das Thema, das ich heute aufgreifen möchte – Herr
Kollege Mattfeldt hat es auf seine eigene Art und Weise
getan –, ist das Thema Wirtschaft und Zuwanderung . In
der Geschichte ist es so: In der ersten Hälfte des 20 . Jahr-
hunderts war Deutschland ein Antieinwanderungsland .
In der zweiten Hälfte des 20 . Jahrhunderts sind wir suk-
zessive ein Einwanderungsland geworden, haben es nur
nicht kommuniziert . Es hat lange gedauert – übrigens
bis zu Rot-Grün . Jetzt reden wir immer noch in solchen
Debatten – das ärgert mich persönlich schon – von de-
nen, die kommen, und denen, die hier sind . Aber was ist
die Realität? 20 Prozent der Gründerinnen und Gründer
sind Menschen mit Migrationshintergrund . Jeder achte
Selbstständige hat einen Migrationshintergrund . In den
Städten sind es bis zu 50 Prozent . Wir haben eine völlig
andere Realität, und es geht hier nicht um die, die kom-
men, und die, die hier sind; vielmehr sollte es um die
Gemeinsamkeit aller gehen, die uns nach vorne bringt .
Davon muss doch die Debatte handeln, wenn wir über
Zuwanderung im Zusammenhang mit Wirtschaft reden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Was die Frage der Syrerinnen und Syrer angeht, die
kommen . Wir wissen, dass bei türkischstämmigen Men-
schen die Gründungsquote, die Selbstständigenquote
sehr hoch ist . Also müssen wir auch hier die Instrumente
schaffen, um zu fördern, um Zugänge zu Kleinstkrediten
zu schaffen . Sie fallen unter den Radar . Wer gründen will
und einen Betrag von unter 25 000 Euro braucht, hat es
schwer, weil die Sparkassen es nicht schaffen, weil die
Gründungsinitiativen es nicht schaffen, weil es die Vor-
rangprüfung immer noch gibt und die Drei-plus-zwei-
Regelung nicht so greift, wie sie greifen sollte . Lassen
Sie uns dort anfangen! Das ist ein Chancenthema . Für
ein Land wie die Bundesrepublik Deutschland mit ihrer
demografischen Entwicklung und ihrem wirtschaftlichen
Potenzial ist es angezeigt, das als Chancenthema zu be-
greifen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Thema Energiewende diskutieren wir immer noch
sehr stark anhand des EEG . Es gab eine Reform 2014;
2016 kommt die nächste Anpassung . Wir haben unsere
Vorschläge gemacht . Sie dürfen nachher abstimmen über
die Frage der Batteriespeicher bei der Photovoltaik . An-

scheinend haben Sie das positiv aufgegriffen . Ich bin ge-
spannt, wie Sie sich verhalten werden .

Ich würde gerne eine Debatte über die nächste Stufe
der Energiewende führen: die Digitalisierung der Ener-
giewende . Wir haben das Smart-Meter-Rollout-Gesetz
vorliegen . Warum schaffen wir es nicht, kraftvoll darü-
ber zu reden, dass die Potenziale von Digitalisierung und
Energiewende zusammengeführt werden, eine Chance
darin zu sehen, die Verbrauchskennzahlen von großen
Betrieben, von mittelständischen Unternehmen erkennen
und steuern zu können, sodass wir erneuerbare Anlagen
besser aussteuern und mehr Wettbewerb schaffen kön-
nen? Das wäre ein großes Chancenthema . Das haben Sie
nicht aufgegriffen . Ich wünsche mir, dass Sie das kraft-
voll tun .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir über das Thema Wettbewerb reden, dann
müssen wir über das Internet reden . Wir können keine
wirtschaftspolitische Debatte führen und nicht über die
Rahmenbedingungen unseres Netzes reden . Auf bei-
den Seiten des Plenums – zugegeben: im Europäischen
Parlament; hier wäre es nicht viel anders gewesen – hat
jeweils eine einzige Person die Hand dafür gehoben,
die Netzneutralität in Europa zu erhalten – eine einzi-
ge . Wettbewerb heißt auch, dass die Rahmenbedingun-
gen stimmen müssen . Die stimmen nicht, wenn wir ein
Zweiklasseninternet schaffen . Das schaffen Sie . Deshalb
müssen wir kraftvoll dagegenhalten . Wir brauchen mehr
Wettbewerb . Wir brauchen in diesem Bereich mehr Re-
geln . Wir brauchen eine Regulierung, die stimmig ist und
die Digitalisierung als Chancenfeld begreift, genauso wie
es die Energiewende ist .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir das schaffen, dann bin ich auch frohen Mu-
tes, dass wir hier etwas Vernünftiges schaffen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814003500

Vielen Dank . – Als Nächster hat für die CDU/

CSU-Fraktion der Kollege Peter Stein das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Peter Stein (CDU):
Rede ID: ID1814003600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Liebe Kollegen! Trotz aller Krisen und europäischen
Unsicherheiten steht Deutschland sehr gut da; das gilt
insbesondere für unsere Wirtschaft . Vielen Ländern um
uns herum geht es da nicht so gut . Wir dürfen uns selbst
durchaus einmal die Frage stellen, warum das so ist . Das
kommt bei uns oft viel zu kurz . Wir nehmen vieles als
selbstverständlich hin, als etwas, das nicht neu zu schaf-
fen ist . Es geht uns deshalb so gut, weil wir stabile po-
litische Verhältnisse haben . Wir leben und praktizieren
eine freiheitliche und tolerante Demokratie, eine soziale
Marktwirtschaft . Wir haben einen starken Mittelstand
und ein hochqualifiziertes Handwerk. Wir sind innovativ






(A) (C)



(B) (D)


und investieren mit diesem neuen Haushalt so viel wie
noch nie in Forschung und Bildung .

Wir reden heute über den Haushalt des Ministeriums
für Wirtschaft und Energie . Lassen Sie mich hier einen
kleinen, vielleicht nicht so bekannten Bereich heraus-
greifen, der nicht vordergründig mit diesem Hause ver-
bandelt scheint, es aber im Wesentlichen ist . Das Stich-
wort lautet Energiepartnerschaften . Wir sind Weltspitze,
was Technologie und Energiewirtschaft angeht . Unsere
vielen kleinen, mittelständischen, aber auch großen Un-
ternehmen sind breit aufgestellt und gut vernetzt . Aber
es gibt Regionen, in denen wir noch viel präsenter sein
könnten . Unter anderem möchte ich die Maghreb-Region
und Subsahara-Afrika nennen . Traditionell sind dort eher
die Franzosen sehr aktiv . Sie sind dort sprachlich meist
klar im Vorteil und haben historisch bedingt einen beson-
deren Zugang zu den jeweiligen kulturellen Besonderhei-
ten . Jetzt werden absehbar – das ist heute schon mehrfach
angesprochen worden – viele deutsche Unternehmen
junge Menschen aus ebendiesen Herkunftsländern mit
speziellen sprachlichen und kulturellen Kenntnissen und
Hintergründen in ihren Reihen haben können . Ich sehe
da neue Möglichkeiten auf unsere Wirtschaft zukommen .
Ich möchte hier an alle appellieren, diese Chance, die die
Flüchtlingskrise eröffnet, beherzt zu ergreifen .

Lassen Sie mich insbesondere nach Nordafrika und
dort auf die aktuelle Energiewirtschaft schauen . Rainer
Baake, Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, und
der stellvertretende Energieminister Algeriens haben erst
in diesem Jahr, am 25 . Mai, in Berlin die erste Sitzung
des Steuerungskomitees der Deutsch-Algerischen Ener-
giepartnerschaft abgehalten . Die Energiepartnerschaft
zwischen Deutschland und Algerien wird den Rahmen
für einen sehr intensiven energiepolitischen Austausch
und eine verstärkte Kooperation im Energiesektor schaf-
fen . Algerien hat, wie man sich vorstellen kann, beste
Bedingungen für Solar- und Windenergie und ist ange-
sichts seiner ehrgeizigen Ziele beim Ausbau ein attrakti-
ver Partner für Deutschland . Das bringt Vorteile für beide
Länder .

Wir satteln dabei auf eine Reihe guter Erfahrungen
mit Energiepartnerschaften mit anderen Ländern auf .
So haben wir bereits seit 2012 eine Zusammenarbeit mit
Marokko im Energiebereich . Im Haushalt 2016 ist die-
ser Posten im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal
um 28 Prozent aufgewachsen . Das ist sehr zu begrüßen .
Ein Schwerpunkt dieser Partnerschaften ist es, auch die
Wirtschaft einzubinden . Die genaue Betrachtung des
Energiemixes, der Ausbau erneuerbarer Energien und die
Verbesserung der Energieeffizienz sind deutsche Kern-
kompetenzen geworden, die gerade in Nordafrika gefragt
sind .

Bisher wird beispielsweise Algeriens Energiebedarf
fast ausschließlich durch im Land geförderte fossile
Brennstoffe gedeckt . Erneuerbare Energien machen trotz
guter Potenziale bisher nur einen geringen Anteil an der
Energieerzeugung aus . Um den rasant steigenden Ener-
giebedarf in Algerien zu decken, plant die algerische
Regierung, bis 2030 neue Solar- und Windenergiekapa-
zitäten in Höhe von 22 Gigawatt aufzubauen . Das schafft
sie nicht alleine . Die Energiepartnerschaft zwischen

Deutschland und Algerien soll im Rahmen bilateraler
Arbeitsgruppen auf Regierungsebene unter Einbindung
der Wirtschaft umgesetzt werden und dient, wie gesagt,
beiden Seiten .

Marokko deckte bislang seinen Energiebedarf eben-
falls fast ausschließlich durch fossile Brennstoffe . Bis
2012 machten erneuerbare Energien trotz guter Potenzi-
ale nur einen Anteil von gut 5 Prozent des Primärener-
giebedarfs aus . Der Energiebedarf Marokkos steigt der-
weil jedes Jahr um 6 Prozent . Das Ziel Marokkos ist es
daher, bis 2020 42 Prozent der installierten Kapazitäten
aus Sonnen-, Wasser- und Windkraft zu erhalten . Das
ist noch ehrgeiziger als das, was wir uns als Ziel gesetzt
haben . Damit kann und sollte Marokko zum Pionier für
erneuerbare Energien in Nordafrika werden . Ich konnte
mir dort in der letzten Woche einen Green Energy Park,
ein Innovationszentrum, anschauen . Es ist wirklich sehr
beeindruckend, mit welcher Energieleistung, mit welcher
Geschwindigkeit daran dort gearbeitet wird . Deutschland
unterstützt das nicht nur mit der Energiepartnerschaft,
sondern auch mit der Deutschen Klima- und Technologie-
initiative, der DKTI . Partner wie das Deutsche Zentrum
für Luft- und Raumfahrt, die GIZ oder auch die KfW mit
der DEG sind intensiv eingebunden .

Da neben der installierten Leistung der Ausbau der
Stromnetze, die Energieeffizienz und die Energiefor-
schung Gegenstand dieser Kooperation sind, finden sich
hier auch bedeutende weitere Felder für die wirtschaftli-
che Kooperation und Chancen für deutsches Know-how
und Firmen . Deutschland hilft Marokko, Algerien und
Tunesien, dazu beizutragen, dass ein Markt für Strom aus
erneuerbaren Energien entstehen kann . Dort laufen Re-
ferenzprojekte in der Größenordnung von 2,5 Gigawatt;
davon entfallen aktuell über 500 Megawatt auf Marokko,
maßgeblich durch deutsche Energiepartner unterstützt .
Die Hälfte dieses Vorhabens ist bereits umgesetzt und
auch genauer definiert. Seit 2014 wird in diesen Anlagen
der erste Strom erzeugt . Der Solarpark Ouarzazate soll in
Kürze mit bis zu 560 Megawatt ans Netz gehen .

Die unter deutschem Vorsitz maßgeblich mitgestal-
tete Afrika-EU-Energiepartnerschaft ist die mit Abstand
am weitesten fortgeschrittene der acht im Jahre 2007
in Lissabon gegründeten thematischen Partnerschaften
zwischen der Afrikanischen und der Europäischen Uni-
on . Umso wichtiger ist es, dass das in möglichst vielen
Haushaltsansätzen verankert ist .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu gehören auch Aspekte wie berufliche Ausbil-
dung, Fachkräftemangel bei uns und auch die vielen jun-
gen Leute in Afrika . Wir haben heute einen der höchsten
Beschäftigungsstände der Geschichte und mit 400 000,
vielleicht 600 000 freien Jobs und 40 000 unbesetzten
Ausbildungsplätzen Potenzial zu bieten . Wir haben
derzeit die höchsten Einnahmen in der Sozialversiche-
rung . Wir haben die höchsten Steuereinnahmen und eine
Nullverschuldung im Haushalt . Dieser Erfolg gibt uns
Spielräume, die wir nun nutzen können, um den inter-
nationalen Herausforderungen gewachsen zu sein . We-
gen unserer herausgehobenen Rolle stehen wir besonders

Peter Stein






(A) (C)



(B) (D)


in der Verantwortung, unserer Wirtschaft die Chancen
aus der momentanen Situation aufzuzeigen und diesen
Prozess zu begleiten . Wir lernen gerade, dass uns vie-
les, was wir in den letzten Jahrzehnten an Regelwerken
aufgebaut haben, an einem flexiblen Agieren hemmt; die
Bundeskanzlerin hat das bereits thematisiert . Wir müs-
sen deutlich stärker entbürokratisieren und verkrustete
Prozessstrukturen aufbrechen . Ich bin überzeugt, dass
die positiven Effekte weit über die Flüchtlingsfrage, aber
auch die Fachkräftefrage hinaus zu spüren sein werden,
wenn wir hier entschlossen anpacken .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Junge, gut ausgebildete und motivierte Menschen sind
eine Riesenchance für jedes Land, bei uns besonders vor
dem Hintergrund der unbesetzten Lehrstellen . Zu wenige
der Migranten aus den letzten Jahren haben wir in den
Arbeitsmarkt integrieren können; zu viel ist zur Parallel-
welt geworden . Klar ist, dass die deutsche Sprache eine
wesentliche Voraussetzung für die Integration ist . Ja, es
wird großer Anstrengungen unserer Gesellschaft bedür-
fen, dies zu realisieren .

Ich möchte zum Schluss meiner Rede noch auf die
maritime Wirtschaft zu sprechen kommen und eine Lan-
ze für sie brechen . Rechnet man die Zulieferer hinzu,
umfasst diese Branche über 400 000 Arbeitsplätze . Ma-
ritime Technologien haben enormes Potenzial, und unser
Know-how aus Deutschland ist wie bei den erneuerbaren
Energien international mehr als gefragt . Der Kreuzfahrt-
tourismus ist bei uns im Norden eine Erfolgsgeschichte .
Stetige Investitionen in unsere Häfen sind eine unabding-
bare Grundlage unserer Exportwirtschaft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


90 Prozent des globalen Warenverkehrs gehen per Schiff .
Jede Investition in unsere Häfen, egal in welchem Haus-
haltsansatz verbucht, ist sehr gut angelegtes Geld .

Meine Damen und Herren, Wirtschaftspolitik gestaltet
die Zukunft wahrscheinlich stärker und nachhaltiger, als
dies in vielen anderen Feldern der Fall ist . Die Haushalts-
ansätze 2016 werden diesem Grundsatz gerecht .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814003700

Vielen Dank . – Nächster Redner für die SPD-Fraktion

ist der Kollege Bernd Westphal .


(Beifall bei der SPD)



Bernd Westphal (SPD):
Rede ID: ID1814003800

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Über den Einzelplan 09 mit einem Volumen
von rund 7,6 Milliarden Euro ist viel diskutiert worden .
Viele Argumente wurden ausgetauscht; ich möchte mich
auf wenige Argumente beschränken .

Insgesamt haben wir eine sehr gute wirtschaftliche Si-
tuation; das belegen die Kennzahlen des Arbeitsmarktes .
Auch die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen
sind gut . Die Debatte über den Haushalt ist immer eine
Sternstunde des Parlaments . Die wirtschaftspolitischen
Herausforderungen gehen einher mit der Digitalisie-
rung der Wirtschaft, der Stärkung des Industriestandorts
Deutschlands, aber auch mit Impulsen, um die Wert-
schöpfungsketten in Deutschland zu erhalten . Mit die-
sem Haushalt werden die Impulse klar gesetzt . Wir sind
damit unserer politischen Verantwortung gerecht gewor-
den, auch angesichts des komplexen Wandels im Bereich
Wirtschaft und Energie .

Unsere Wirtschafts- und Energiepolitik verzeichnet
Erfolge; der Wirtschaftsminister hat darauf hingewiesen .
Die SPD schafft damit nicht nur Arbeitsplätze, sondern
sorgt auch für gute Arbeit . Wir schaffen den Umbau in
der Energieversorgung und sorgen für eine Stärkung von
Innovationen in der Wirtschaft . Die SPD schafft damit
Zukunft .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814003900

Vielen Dank . – Das war relativ punktgenau die sicher-

lich kürzeste Rede des heutigen Tages .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Als Nächster hat das Wort der Kollege Mark Haupt-
mann, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Mark Hauptmann (CDU):
Rede ID: ID1814004000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kollegen! Viel-

leicht kann ich da weitermachen, wo Herr Westphal auf-
gehört hat, weil ihm die Zeit gefehlt hat . Ich möchte die
Punkte, die er richtigerweise angesprochen hat, noch et-
was vertiefen .

Es wurde heute in der Haushaltsdebatte bereits mehr-
fach gesagt: Deutschland geht es gut, und wir werden
den erfolgreichen Konsolidierungskurs der vergangenen
Jahre fortsetzen . Wolfgang Schäuble ist als Finanzminis-
ter etwas gelungen, was in den 40 Jahren zuvor keinem
Finanzminister in der Bundesrepublik Deutschland ge-
lungen ist, nämlich einen ausgeglichenen Haushalt vor-
zulegen, und das zum dritten Mal in Folge . Die schwarze
Null steht also auch 2016 . Daher gebührt dem Finanz-
ministerium, federführend dem Minister, aber auch der
Bundesregierung ein ganz besonderer Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich sage das als Kollege einer jüngeren Generation .

Zu den Grünen . Die Ausführungen von Frau Andreae
und Frau Hajduk haben mich etwas nachdenklich ge-
stimmt . Sie haben gesagt: Wir tun zu wenig im Bereich
Investitionen; darauf komme ich gleich zu sprechen .
Aber ist es nicht gerade im Sinne grüner Politik, Nach-

Peter Stein






(A) (C)



(B) (D)


haltigkeit nicht nur ökologisch, sondern auch finanzpoli-
tisch zu betrachten?


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, unbedingt!)


Eine nachhaltige Haushaltspolitik schickt die Rechnung
für die derzeitigen Investitionen eben nicht in Form von
Steuererhöhungen oder zusätzlichen Ausgaben in die Zu-
kunft .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir haben alles gegenfinanziert! Umschichtungen im Haushalt!)


Eine nachhaltige Haushaltspolitik kann beides: Sie kann
investieren und konsolidieren .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, dann machen Sie doch beides! Aber Sie machen jetzt nur das eine!)


Sie schickt verdammt noch mal keine Rechnung an unse-
re Kinder und Enkel .


(Kerstin Andreae [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das machen wir auch nicht!)


Das ist die Haushaltspolitik der Großen Koalition .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sie haben die Investitionen angesprochen . Die
schwarze Null steht im Haushaltsplan, und das trotz ei-
ner Erhöhung der Investitionen um 1,6 Milliarden Euro
auf 31,5 Milliarden Euro . Wir haben eine Investitions-
quote von 10 Prozent . Wir stellen Bundesmittel in Höhe
von 10 Milliarden Euro zur Bewältigung der Flücht-
lingsherausforderung zur Verfügung; die Hilfen für die
Kommunen habe ich noch gar nicht erwähnt . All das sind
Bausteine, die zeigen, dass wir investieren und konsoli-
dieren . Das sollte man auch einmal würdigen .

Deutschland geht es gut; das belegen auch interna-
tionale Studien . Die OECD geht von einem stärkeren
Wirtschaftswachstum im Jahr 2016 aus; es soll 1,9 Pro-
zent betragen . Das wird uns helfen, die Zahl der sozial-
versicherungspflichtig Beschäftigten auszubauen – rund
43,3 Millionen Menschen sind in der Bundesrepublik
Deutschland schon heute in einem sozialversicherungs-
pflichtigen Beschäftigungsverhältnis –, damit wir auch
im Bundeshaushalt 2017 die Investitionen weiter stei-
gern können . Unser Konsolidierungsziel werden wir aber
keinesfalls aufgeben .

Sehr geehrter Herr Minister Gabriel, Sie haben in
dieser Debatte zu Recht ein Thema angesprochen, das
uns alle sehr bewegt . Es geht um die Frage, wie wir es
schaffen können, dass die Flüchtlinge nicht nur eine He-
rausforderung für unsere Sozialkassen darstellen; denn
wir wollen, dass sie einen Beitrag zu unserem Wirt-
schaftssystem leisten . Wir wollen, dass sie in den Betrie-
ben Beschäftigung finden, damit sie Steuern zahlen und
letztendlich einen positiven Beitrag zur wirtschaftlichen
Entwicklung dieses Landes leisten . Sehr geehrter Herr
Minister, ich glaube, in diesem Zusammenhang sollten
wir die folgende Frage noch einmal aufwerfen: Ist es
richtig, beim Mindestlohn keine Ausnahme für Flüchtlin-
ge zu machen, auch nicht für sechs Monate? Ich halte es

für richtig, hier noch einmal genau hinzuschauen . Für die
Langzeitarbeitslosen haben wir eine solche Ausnahmere-
gelung . Viele Unternehmer, mit denen ich in der letzten
Woche gesprochen habe, sagen: Wir sind gerne bereit, in
unseren mittelständischen Betrieben Personen aus Syrien
oder anderen Ländern einzustellen; aber lasst uns bitte
schön nicht mit den ganzen Aufgaben, die wir dann zu
bewältigen haben, allein . – Die Sprache ist zu lehren, zu-
mindest fachspezifische Termini müssen gelehrt werden,
weil die Personen oft aus völlig anderen Arbeitsgebieten
kommen und nicht die notwendige Vorbildung mitbrin-
gen . Das heißt, wir müssen hier Ausnahmen schaffen .
Wir brauchen flexible Lösungen. Ich halte es für sinn-
voll, für Flüchtlinge analog zu unserer Regelung für die
Langzeitarbeitslosen eine Ausnahmeregelung vorzuse-
hen, und zwar für eine bestimmte Zeit, für sechs Mona-
te, damit wir die Flüchtlinge in unser Wirtschaftssystem
integrieren können .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Volkmar Vogel [Kleinsaara] [CDU/CSU]: Sechs Monate! Genau! Guter Vorschlag!)


Die Ausgaben des Wirtschaftsressorts steigen gemäß
dem Haushaltsplan für 2016 von 7,4 auf 7,5 Milliarden
Euro . Viele Mittel werden für Forschung, Entwicklung
und Innovationen bereitgestellt . Das ist eine richtige Ent-
scheidung, mit der wir den zentralen Herausforderungen
unserer wirtschaftlichen Lage entsprechen . Was sind das
für Herausforderungen? An dieser Stelle spreche ich
auch als Kollege aus den neuen Bundesländern zu Ihnen .
Wir müssen erstens die konsequente Förderung des wirt-
schaftlichen Aufholprozesses Ostdeutschlands


(Beifall des Abg . Peter Stein [CDU/CSU])


weiter verstetigen, zweitens den deutschen Gründergeist
unterstützen und drittens eine Energiewende mit Augen-
maß betreiben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie wissen alle, dass der wirtschaftliche Aufholpro-
zess der neuen Länder ins Stocken geraten ist . Ich glau-
be, diese Bilanz muss man ehrlicherweise ziehen . Das
heißt nicht, dass es in den neuen Ländern kein wirt-
schaftliches Wachstum gibt . Die neuen Länder wach-
sen ungefähr genauso schnell wie die alten Länder . Das
wiederum bedeutet aber, dass die Lücke, die zwischen
beiden Gebieten der Bundesrepublik noch besteht, nicht
geschlossen werden kann, es sei denn, wir legen weiter-
hin Bundesprogramme auf, mit denen der Aufholprozess
der neuen Länder erfolgreich vorangetrieben werden
kann . Das machen wir mit diesem Haushalt . In diesem
Zusammenhang bin ich Minister Gabriel und unserem
haushaltspolitischen Sprecher, dem Kollegen Mattfeldt,
sehr dankbar dafür, dass man es geschafft hat, bei den
ZIM-Mitteln keine Kürzung vorzunehmen, sondern auch
im Bundeshaushalt 2016 543 Millionen Euro dafür ein-
zustellen . 40 Prozent dieser Mittel gehen direkt in die
neuen Länder . Das hilft dem Aufholprozess der ostdeut-
schen Wirtschaft .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das zieht sich wie ein roter Faden durch den Haus-
haltsplan: Für das Programm INNO-KOM-Ost werden

Mark Hauptmann






(A) (C)



(B) (D)


65 Millionen Euro in den Haushalt eingestellt; auch hier
gibt es keine Mittelkürzung, trotz all der Herausforderun-
gen, die wir in dieser Debatte angesprochen haben .

Ich komme zum zweiten Punkt: Wie schaffen wir es,
die Gründer, die Start-ups besser zu unterstützen, damit
wir die wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigen
können? Gründer sind aus unserer Sicht Initiatoren und
Träger von Innovationen und tragen im Wesentlichen
dazu bei, dass Deutschland nicht nur heute ein wirt-
schaftlich starkes Land ist, sondern auch in der Zukunft .
Mit diesem Bundeshaushalt legen wir hier einen klaren
Schwerpunkt, indem wir sagen: Diese Gründer, diese
Start-ups wollen wir in Zukunft weiter fördern; deshalb
bauen wir die Förderung seitens des Bundes aus .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Um einige Programme zu nennen: EXIST mit 41,5 Mil-
lionen Euro, INVEST-Zuschuss für Wagniskapital mit
20 Millionen Euro, Business-Angels-Markt, innovative
Start-ups mit 4,25 Millionen Euro . Der Titel „Mittel-
stand 4 .0 – Digitale Produktions- und Arbeitsprozesse“
wird um 11 Millionen Euro auf rund 28 Millionen Euro
erhöht . – All das stärkt den Gründergeist in dieser Repu-
blik und sorgt letztendlich dafür, dass wir auch in Zu-
kunft ein erfolgreiches Land sind und ein für Start-ups
erfolgreiches Land werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Abschließend möchte ich etwas zur Energiewende
sagen, weil sie ebenfalls Bestandteil der heutigen De-
batte ist . Wir machen viel, was die verschiedenen Träger
der erneuerbaren Energien angeht; aber wir alle wissen,
dass wir im Bereich der Technologie zum Speichern von
Energie mehr machen müssen und hier noch eine gewisse
Kapazität haben, um die Energiewende zum Erfolg füh-
ren zu können . Hier ist es natürlich richtig, lieber Bun-
desminister Gabriel, dass Ihr Haus zusammen mit dem
Bundesministerium für Forschung für 270 Projekte, die
sich mit dem Speichern überschüssiger Energie befassen,
Mittel in Höhe von 200 Millionen Euro bereitstellt . Das
trägt dazu bei, dass die Energiewende in Zukunft gelin-
gen kann .

Ich komme zum Schluss und fasse zusammen: Die-
ser Bundeshaushalt, der Einzelplan 09, den wir heute
debattieren, trägt enorme Lasten, aber hier wird auch in-
vestiert und konsolidiert . Beides sind zwei Seiten einer
Medaille . Angela Merkel steuert dieses Schiff seit zehn
Jahren erfolgreich . Mit den Innovationen, die wir in die-
ser Woche beschließen, geben wir dem Wirtschaftsmotor
der Bundesrepublik Deutschland neuen Schub, damit es
auch in Zukunft heißt: Erfolgreich Kurs halten, um wei-
teres wirtschaftliches Wachstum in Deutschland zu gene-
rieren! Nur wenn wir wirtschaftliches Wachstum haben,
können wir alle Herausforderungen, die aktuell anstehen,
erfolgreich bewältigen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814004100

Vielen Dank . – Jan Metzler, CDU/CSU-Fraktion, ist

jetzt der letzte Redner zu diesem Einzelplan . Bitte schön,
Herr Kollege .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jan Metzler (CDU):
Rede ID: ID1814004200

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist schon
eine ehrenvolle Aufgabe, als letzter Redner in einer so
vielseitigen Debatte reden zu dürfen . Zweifelsohne hat
dies einen Nachteil, aber auch Vorteile . Der Nachteil
ist, dass jetzt schon vieles gesagt worden ist . Ich hoffe,
dass ich noch den einen oder anderen Aspekt hinzufügen
kann, ohne zu viel zu wiederholen . Aber einiges möchte
ich zum Abschluss auch noch einmal unterstreichen .

Ohne Frage, dieser aktuelle Haushalt wurde unter be-
sonderen Herausforderungen aufgestellt . Diese Heraus-
forderungen können wir aber deswegen so gut angehen –
das wurde in vielen Vorreden deutlich –, weil wir gut
aufgestellt sind . Das liegt nicht zuletzt und insbesondere
an der wirtschaftlichen Lage; sie ist robust und zukunfts-
fähig . Damit sie zukunftsfähig bleibt, ist es notwendig,
dass wir unsere Hausaufgaben machen . Deswegen – da
bin ich der Bundesregierung sehr dankbar – atmet dieser
Haushalt den Geist von Stabilität und Nachhaltigkeit . Ich
möchte diese Stabilität an drei Punkten festmachen .

Erstens: Stabilität durch nachhaltige Finanzpolitik .
Kollege Hauptmann hat dies, denke ich, eben schon
im Namen der jüngeren Generation unterstrichen . Er
hat klargemacht, dass der dritte Haushalt ohne Neuver-
schuldung nach 40 Jahren auch ein besonderes Zeichen
in punc to Generationengerechtigkeit ist . Ich möchte
das noch einmal unterstreichen . Ein besonderes Danke-
schön gilt hier unserem Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble . Dies sage ich jetzt stellvertretend an den Kol-
legen Spahn adressiert .

Zweitens: Stabilität durch richtige Anpassungen . Da,
wo es sinnvoll ist und unserem Land dient, scheuen wir
uns nicht davor, mehr Mittel in die Hand zu nehmen, so
zum Beispiel 1 Milliarde Euro mehr für die innere Si-
cherheit: für die Bundespolizei, für das BKA, für das
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und für das
THW .

Drittens – jetzt kommen die Wirtschaftspolitikerinnen
und Wirtschaftspolitiker ins Spiel –: Stabilität durch ver-
lässliche Wirtschaftspolitik . Der starke Arbeitsmarkt ist
Rückgrat und Gradmesser für das Wohlergehen unseres
Landes; das habe ich eingangs betont . Deshalb inves-
tieren wir an den entscheidenden Stellen, um weiteres
Wachstum und mehr Beschäftigung zu generieren . Wir
wollen gute Rahmenbedingungen schaffen und so die
Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig
unterstützen .

Das ist auch die grundlegende Idee bei der Bewertung
des vorgelegten Etats für Wirtschaft und Energie . Nicht
umsonst lauten zwei Überschriften: „Innovation, Tech-
nologie und Neue Mobilität“ und „Mittelstand: Gründen,
Wachsen, Investieren“ . Diese Kapitel machen mit rund

Mark Hauptmann






(A) (C)



(B) (D)


3,5 Milliarden Euro ungefähr die Hälfte des Gesamtetats
für Wirtschaft und Energie aus . Das sind übrigens einige
Millionen mehr als noch in diesem Jahr . Das schlägt sich
positiv auf beinahe alle Posten nieder . Ziel der aufge-
legten Instrumente ist es, die Leistungsfähigkeit unserer
Wirtschaft zu fördern und dabei die richtigen Anreize zu
setzen . Das nenne ich Stabilität durch verlässliche Wirt-
schaftspolitik .

Besonders bewährt hat sich in diesem Zusammen-
hang – auch das ist bereits betont worden – das Zentrale
Innovationsprogramm Mittelstand, ZIM, mit einem Vo-
lumen von mehr als einer halben Milliarde Euro . Einen
herzlichen Dank möchte ich in diesem Zusammenhang
an den Kollegen Mattfeldt und den Kollegen Jurk adres-
sieren, die sich erneut in besonderem Maße für dieses
Programm eingesetzt haben .


(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Danke!)


Mit dem Zentralen Innovationsprogramm Mittelstand
fördern wir Neuentwicklungen, besonders im Mittel-
stand . Dieser stellt das Rückgrat der stabilen wirtschaftli-
chen und konjunkturellen Situation dar . Deswegen: Gut,
dass wir hier drangeblieben sind, liebe Kolleginnen und
Kollegen! Das gilt übrigens auch für die Industriefor-
schung, die mit weiterhin mehr als 200 Millionen Euro
einzubeziehen ist .

Auf eines können wir ganz besonders stolz sein, auf
die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regiona-
len Wirtschaftsstruktur“ von Bund und Ländern . Da-
hinter verbirgt sich eine auf Nachhaltigkeit angelegte
Philosophie, nämlich keine Region in Deutschland zu-
rückzulassen . Wie gelingt das? Indem wir Potenziale in
strukturschwachen Regionen fördern, Standortnachteile
abbauen, Wettbewerbsfähigkeit herstellen und so neue
Arbeitsplätze schaffen oder vorhandene erhalten .

Da ich selbst Mitglied in dem zuständigen Unteraus-
schuss sein darf, liegt mir dieser Bereich besonders am
Herzen . Die gute Nachricht ist: Im Koalitionsvertrag hat
man sich auf eine Erhöhung der Mittel bis auf das För-
derniveau vorheriger Jahre geeinigt . Das wird mit diesem
Haushalt nun erreicht . Das ist ein exzellentes Zeichen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Thomas Jurk [SPD] Ab nächstem Jahr stehen für die regionale Wirtschaftsförderung also wieder 624 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Aufgrund der Kofinanzierung mit den Ländern sind es insgesamt sogar mehr als 1,2 Milliarden Euro . Vom Erfolg konnte sich der Unterausschuss kürzlich bei Unternehmensbesuchen überzeugen . Wir haben sehen können, was es letztlich heißt, das hier Beschlossene mit einem nachhaltigen Erfolg für ganze Regionen in die Praxis umzusetzen . Ich möchte an dieser Stelle ein Wort des Dankes an den gesamten Unterausschuss loswerden, in dem über alle Fraktionsgrenzen hinweg in wirklich konstruktiver Art und Weise zusammengearbeitet wird . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ein Wort zur Zukunft der regionalen Wirtschaftsförde-
rung möchte ich auch noch loswerden . Die Mittel stehen

zur Verfügung . Zukünftig geht es noch mehr als in der
Vergangenheit um deren Einsatz . Dabei ist in besonde-
rem Maße wichtig, dass wir die altindustriellen Regio-
nen und die strukturschwächeren ländlichen Regionen
in Deutschland insgesamt nicht vergessen . Ich möchte
hervorheben, dass es dazu im Unterausschuss keinerlei
anderslautende Meinung gab; das wird, denke ich, auch
so bleiben .

Ich möchte noch kurz auf ein anderes Thema einge-
hen – es ist eine Art Lieblingsthema, ganz allgemein,
aber auch eines der Opposition –, auf die angeblich feh-
lenden Investitionen . Ich sehe das ganz anders: Erstens .
Wir haben die Mittel im Etat für Wirtschaft und Ener-
gie erhöht . Zweitens . Wir haben die Mittel im Etat für
Bildung und Forschung erhöht . Im Etat für Bildung und
Forschung kommt es übrigens zu einer Verdopplung der
Mittel, wenn man das Jahr 2005 als Vergleichsgrundla-
ge nimmt . Parallel dazu stellen wir mehr Geld für innere
Sicherheit, Integrationsmaßnahmen, humanitäre Hilfe
und Krisenprävention zur Verfügung . „On top“ kommen
weitere 10 Milliarden Euro, die im Rahmen des Investiti-
onspaketes bereitgestellt werden . Das alles leisten wir in
einem ausgeglichenen Haushalt, ohne Neuverschuldung,
und das zum dritten Mal . – Wenn man das kleinreden
will, kann man das tun . Aber die Fakten sprechen eine
andere Sprache . Diese Regierung, diese Koalition hat
ihre Hausaufgaben gemacht und ein Zeichen der Stabi-
lität ausgesandt . Sie macht nachhaltige Wirtschafts- und
Finanzpolitik . Dieses Zeichen sollte von den Haushalts-
beratungen und von den Beratungen über diesen Einzel-
etat heute abschließend ausgesendet werden .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ganz nebenbei: Der Bund entlastet die Kommunen
in Milliardenhöhe – auch das ist mit einzubeziehen –,
und zwar in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro .
Auch das hat es bisher nicht gegeben .

Alles in allem denke ich, dass sich an diesem Punkt
für die Zukunft eines sagen lässt: Wir machen unsere
Hausaufgaben, und wir setzen Zeichen der Stabilität . Das
ist gerade in Zeiten, in denen die Wogen ein wenig höher
schlagen, das absolut richtige und ein wichtiges Signal .
Insofern blicke ich mit Zuversicht in die Zukunft . Auch
wenn ich der letzte Redner war, hoffe ich, dass ich noch
den einen oder anderen interessanten Punkt habe hinzu-
fügen können .

Ich bedanke mich recht herzlich für die Aufmerksam-
keit und wünsche weiterhin gute Beratungen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814004300

Vielen Dank . Zumindest waren Sie vorbildlich, was

die Redezeit angeht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich schließe damit
die Aussprache zum Einzelplan 09 . Wir kommen zur
Abstimmung über diesen Einzelplan . Hierzu liegen zwei
Änderungsanträge der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen
vor, über die wir zuerst abstimmen .

Jan Metzler






(A) (C)



(B) (D)


Änderungsantrag auf Drucksache 18/6800 . Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Oppositi-
onsfraktionen abgelehnt .

Änderungsantrag auf Drucksache 18/6801 . Wer
stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält
sich? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der
CDU/CSU- und SPD-Fraktion gegen die Stimmen von
Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der Fraktion Die
Linke abgelehnt .

Wir stimmen nun über den Einzelplan 09 in der Aus-
schussfassung ab . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 09 – Bun-
desministerium für Wirtschaft und Energie – ist mit den
Stimmen von CDU/CSU- und SPD-Fraktion gegen die
Stimmen der Fraktion Die Linke und der Fraktion Bünd-
nis 90/Die Grünen angenommen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, bevor wir zum
nächsten Einzelplan kommen, möchte ich bereits jetzt
darauf hinweisen, dass die Fraktionen der CDU/CSU
und SPD gebeten haben, die Sitzung nach der Beratung
des Einzelplans 17 für etwa eine Stunde für Fraktions-
sitzungen zu unterbrechen . Nach jetziger Zeitplanung
wäre das gegen 17 Uhr . Ich bitte Sie alle in diesem Zu-
sammenhang, nach Möglichkeit keine Zwischenfragen
zu stellen oder Kurzinterventionen vorzunehmen, außer
dann, wenn sie ganz dringend nötig sind, damit wir den
heutigen Zeitplan für die Beratungen in etwa einhalten
können . Das ist in unserem gemeinsamen Interesse .

Ich rufe den Tagesordnungspunkt I .14 auf:

Einzelplan 15

Bundesministerium für Gesundheit

Drucksachen 18/6114, 18/6124

Die Berichterstattung liegt bei den Abgeordneten Pe-
tra Hinz (Essen), Helmut Heiderich, Dr . Gesine Lötzsch
und Ekin Deligöz .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich höre hierzu
keinen Widerspruch . Dann ist so beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat die Kollegin
Dr . Gesine Lötzsch, Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814004400

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehr-

ten Damen und Herren! Der Etat des Ministeriums für
Gesundheit macht nur 4,7 Prozent des Bundeshaushal-
tes aus . Aber, meine Damen und Herren, es gibt keinen
Grund, ihn zu unterschätzen;


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Er ist ja auch sehr wichtig!)


denn die jährlichen Gesundheitsausgaben in Deutschland
sind ungefähr so hoch wie der gesamte Bundeshaushalt .
Parlament und Gesundheitsministerium können mit Ge-
setzen und Verordnungen massiven Einfluss auf Ausga-

ben und Einnahmen nehmen. Diesen Einfluss müssen wir
besser nutzen .


(Beifall bei der LINKEN sowie der Abg . Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Für mich gibt es für die Bewertung eines Haushalts
drei Kriterien: Er muss sozial, gerecht und finanzierbar
sein . Vorab die positive Nachricht: Dieser Haushalt ist
finanzierbar. Aber er ist weder sozial noch gerecht. Ein
wichtiger Schritt wäre, die Aufhebung der paritätischen
Finanzierung der Krankenkassenbeiträge nicht länger
hinzunehmen . Hier muss wieder Gerechtigkeit her .


(Beifall bei der LINKEN)


Kollege Lauterbach von der SPD, Sie hatten kürzlich
kritisiert, dass die Arbeitnehmer bei steigenden Zusatz-
beiträgen überproportional stark belastet werden . Sie
sagten in der Debatte, das sei nicht durchzuhalten und
nicht gerecht . Nach der Sommerpause – so Kollege
Lauterbach – wolle man in der Koalition darüber spre-
chen, wie die Arbeitgeber stärker an den Kosten der
Krankenversicherung beteiligt werden könnten . Ich stel-
le fest: Der Sommer ist vorbei . Aber wo sind die Ergeb-
nisse? Die paritätische Finanzierung ist immer noch nicht
wiederhergestellt . Wir müssen endlich die Gerechtigkeit
wiederherstellen .


(Beifall bei der LINKEN)


Die beste Lösung wäre natürlich, endlich eine Bürger-
versicherung einzuführen . Nötig und logisch wäre es,
alle Einkommensarten – also nicht nur Löhne und Ren-
ten, sondern auch Kapitaleinkünfte – beitragspflichtig zu
machen . So könnten wir endlich eine solidarische Bür-
gerversicherung finanzieren. Das wäre das Gebot der
Stunde .


(Beifall bei der LINKEN)


Aber nicht nur die Einnahmen werden nicht gerecht
und sozial erhoben, auch bei den Ausgaben geht es nicht
gerecht zu. Ich finde, das kann man am Beispiel des Um-
gangs mit den Hebammen besonders deutlich erkennen .
Auch wenn das schon oft besprochen wurde, muss ich das
wieder aufgreifen; denn das Problem ist nicht gelöst . Die
Hebammen müssen immer noch die immens gestiegenen
Haftpflichtprämien alleine zahlen. Der Spitzenverband
der gesetzlichen Krankenkassen fordert einen Ausschluss
von Hausgeburten aus der Erstattungspflicht, wenn der
errechnete Geburtstermin nicht eingehalten wird . Und
wie die Natur so ist: Man kann nicht alles genau berech-
nen . Das wissen ja viele von uns aus Erfahrung, meine
Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Das bedeutet für Frauen, dass eine Hausgeburt zu ei-
ner sogenannten IGeL-Leistung werden kann, die privat
bezahlt werden muss . Das nenne ich Zweiklassenmedi-
zin. Und ich finde, Zweiklassenmedizin darf es in diesem
Land nicht geben .


(Beifall bei der LINKEN)


Leider gibt es auch eine Zweiklassenpflege. Auch da
muss es Veränderungen geben . Eine Untersuchung der
Universität Witten/Herdecke hat ergeben: In deutschen

Vizepräsidentin Ulla Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Pflegeheimen muss eine Pflegekraft nachts im Schnitt
52 Menschen betreuen . Damit stünden für einen Heim-
bewohner pro Nacht gerade einmal zwölf Minuten zur
Verfügung . In manchen Heimen ist der Versorgungs-
schlüssel sogar weit schlechter als der ermittelte Durch-
schnittswert . So geben 8,7 Prozent der Befragten an,
nachts sogar für mehr als 100 Heimbewohner zuständig
zu sein . In manchen Fällen müssen sie sogar mehrere
Häuser betreuen .

Herr Gröhe, Sie sind der zuständige Minister . Diese
Zustände müssen endlich per Gesetz geändert werden .
Die gesetzliche Personalbemessung soll erst 2020 einge-
führt werden . Das bedeutet fünf weitere Jahre Arbeits-
stress und Pflegenotstand. Ich finde, das muss verhindert
werden . Hier müssen wir schnell gemeinsam gesetzlich
tätig werden .


(Beifall bei der LINKEN – Tino Sorge [CDU/ CSU]: Das Pflegestärkungsgesetz haben Sie schon mitbekommen?)


Natürlich kommt häufig der Einwurf, mehr Personal
in Krankenhäusern und Pflegeheimen würde zu höheren
Beiträgen führen . Das sehe ich nicht so . Die OECD hat
uns in einer Studie vorgehalten, dass in Deutschland die
hohen Gesundheitskosten und der Gesundheitszustand
der Bevölkerung in keinem guten Verhältnis zueinander
stehen. Ich finde, wir müssen das viele Geld viel besser
einsetzen .


(Beifall bei der LINKEN)


Zum Beispiel wurden in deutschen Krankenhäusern im
Jahr 2014 knapp 2 Millionen Menschen ambulant ope-
riert . Damit hat sich die Zahl dieser Operationen seit 2002
verdreifacht . Der Gesundheitszustand unserer Bevölke-
rung hat sich in zwölf Jahren doch nicht so dramatisch
verschlechtert . Und auch in Ländern wie zum Beispiel
Japan, die eine ähnliche demografische Entwicklung wie
wir erleben, gibt es keine vergleichbare Explosion bei der
Anzahl dieser Operationen .

Meine Damen und Herren, das Problem ist die Fehl-
steuerung der Krankenhäuser . Und die geht von der Bun-
desregierung aus . Krankenhäuser sind nun einmal keine
Fabriken . Es muss in erster Linie um die Gesundheit der
Menschen gehen . Und da kann ich Minister Gabriel in
Bezug auf das, was er in seiner vorhin gehaltenen Rede
gesagt hat, völlig Recht geben: Zu diesen Menschen
gehören auch die Flüchtlinge . Herr Gabriel, ich forde-
re Sie auf: Geben Sie nicht nur öffentlich den Raufbold,
sondern setzen Sie richtige Dinge auch in der Koalition
durch . Dann können wir Sie auch unterstützen .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, unser Gesundheitssystem
ist finanzierbar. Es muss endlich sozial und gerecht wer-
den . Herr Gröhe, es gibt eine Menge zu tun . Wir müssen
es endlich anpacken .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814004500

Vielen Dank . – Nächster Redner ist Bundesminister

Hermann Gröhe für die Bundesregierung .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Hermann Gröhe (CDU):
Rede ID: ID1814004600

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Ich beginne mit dem Dank an die Hauptberichterstatterin
sowie an die Berichterstatter für gute und konstruktive
Beratungen im Haushaltsausschuss, erlaube mir aber die
Bemerkung an Sie, Frau Dr . Lötzsch: Ihre Beschreibung
unseres Gesundheitssystems hatte mit der Realität nicht
viel zu tun, und die Menschen in diesem Land wissen
das .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Sie wissen, dass wie in nur ganz wenigen Ländern der
Welt in unserem Land die Menschen komplexe, hoch-
aufwändige Behandlungen bekommen, wenn sie sie
brauchen, unabhängig von ihrem Einkommen . Das gibt
es nur in ganz wenigen Ländern der Welt . Ihre Beschrei-
bung einer angeblichen totalen Ungerechtigkeit hat mit
der Realität nichts zu tun, und das wissen die Menschen
in diesem Land .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will nicht
nur den Haushältern, sondern auch den Gesundheitspoli-
tikern der Koalition und der Fraktionen insgesamt dan-
ken . In den letzten Monaten haben wir zahlreiche um-
fangreiche Gesetzesvorhaben abgeschlossen . Ich nenne
das Pflegestärkungsgesetz, die Krankenhausreform, das
Versorgungsstärkungsgesetz, das Hospiz- und Palliativ-
gesetz und das Präventionsgesetz . Wir stehen auch kurz
vor der Verabschiedung des E-Health-Gesetzes . Dahinter
steckt viel Arbeit, für die ich den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern meines Hauses, aber auch den beteiligten
Parlamentarierinnen und Parlamentariern aller Fraktio-
nen danke . Wir haben viel miteinander geschafft .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


All diesen Projekten ist gemeinsam: Sie verbessern
die Qualität der Versorgung in unserem Land, und sie
entwickeln die Strukturen weiter im Hinblick auf die He-
rausforderungen der demografischen Entwicklung. Gera-
de ältere, chronisch oder mehrfach Erkrankte sind darauf
angewiesen, dass das Zusammenwirken der unterschied-
lichsten Gesundheitsberufe, von Ärztinnen und Ärzten
der unterschiedlichen Fachdisziplinen, von ambulant bis
stationär, bestmöglich funktioniert . Eine stärkere Vernet-
zung bei allen Leistungserbringern durchzusetzen: Das
ist deswegen heute angezeigt .

Deshalb stärken wir im Versorgungsstärkungsgesetz
Praxisnetzwerke und die sektorübergreifende Zusam-
menarbeit . Deswegen stärken wir im Hospiz- und Pal-
liativgesetz die Zusammenarbeit zwischen Palliativme-
dizin und Altenpflege. Deshalb befördern wir mit der
Krankenhausreform eine kluge Arbeitsteilung zwischen
unterschiedlichen Kliniken, und deswegen fördern wir
die Telemedizin als ein wichtiges Instrument zur besse-

Dr. Gesine Lötzsch






(A) (C)



(B) (D)


ren Koordination der Leistungsanbieter im Gesundheits-
wesen .

Es geht darum, Brücken statt Mauern zu bauen . Ich
weiß, dass das mitunter Ängste auslöst . Die jüngste Po-
lemik gegen die gesetzgeberische Vorgabe der engeren
Zusammenarbeit der Notfallambulanzen in den Kran-
kenhäusern mit den Notfallpraxen der niedergelassenen
Ärztinnen und Ärzte zeigt das . Ich weise diese Polemik
ausdrücklich zurück . Uns geht es um ein faires Miteinan-
der . Im Mittelpunkt muss aber das Wohl der Patientinnen
und Patienten und nicht der Kampf um Vergütungsanteile
stehen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir wissen, dass es Verbesserungen nicht zum Nullta-
rif gibt . Deswegen ist nicht zuletzt der Kraftakt, mit dem
wir die Pflege in unserem Land verbessern, mit einer
Beitragssatzanhebung von insgesamt 0,5 Prozentpunk-
ten, paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern auf-
zubringen, verbunden . Wir wissen aus allen Umfragen,
dass die Bevölkerung in diesem Land die Verbesserun-
gen für notwendig hält und die dafür erforderliche Bei-
tragssatzerhöhung akzeptiert . Dies ist ein starkes Zeichen
der Solidarität in unserer Gesellschaft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen, meine Herren, wir gehen den Weg
entschlossen voran . Kollegin Schwesig und ich arbeiten
unter Hochdruck am Pflegeberufsgesetz, also an der Mo-
dernisierung der Ausbildung in der Pflege. Mit dem Pfle-
gestärkungsgesetz III werden wir die Zusammenarbeit
zwischen kommunaler Altenhilfe und den Leistungen der
Pflegeversicherung verbessern.

Karl-Josef Laumann treibt die Verbesserungen beim
Pflege-TÜV wie auch bei der Entbürokratisierung in der
Pflegedokumentation voran. Herzlichen Dank für diese
Arbeit!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages
in der gesetzlichen Krankenversicherung um 0,2 Pro-
zentpunkte hat zu öffentlichen Diskussionen geführt . Das
ist so . Aber ich erlaube mir den Hinweis: Wir reden über
eine Erhöhung, die bei einem Bruttoeinkommen von
3 000 Euro im Monat 6 Euro im Monat ausmacht . Eine
halbe Kinokarte für die Beteiligung an Spitzenmedizin!


(Widerspruch bei der LINKEN)


Für Alarmismus ist da wahrlich kein Raum .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Übrigen weise ich darauf hin, dass es erhebliche
Unterschiede in den Beiträgen einzelner Kassen gibt und
die gesetzliche Krankenversicherung und der Gesund-
heitsfonds noch immer über Reserven von deutlich über
20 Milliarden Euro verfügen .

Schließlich bestreitet niemand, dass die Schritte, die
wir gegangen sind – mehr Pflege in den Krankenhaussta-
tionen, bessere Stärkung der Hospiz- und Palliativmedi-

zin und Verbesserungen bei der Hygiene in den Kranken-
häusern –, erstens sinnvoll und zweitens im Interesse der
Versicherten in unserem Land sind .

Bei den Leistungsverbesserungen haben wir aber ne-
ben der Lebensqualität der einzelne Patientin und des
einzelnen Patienten immer die nachhaltige Finanzierbar-
keit unseres solidarischen Gesundheitswesens im Blick .
Deswegen sind beispielsweise Schritte wie ein klares
Bekenntnis „Reha vor Pflege“, eine bessere sektoren-
übergreifende Zusammenarbeit und eine Krankenhaus-
reform, die auf intelligente Arbeitsteilung setzt, immer
sowohl eine Verbesserung für die betroffenen Patientin-
nen und Patienten als auch eine Stärkung der Wirtschaft-
lichkeit unseres solidarischen Gesundheitswesens .

Das gilt in besonderer Weise für das Präventionsge-
setz, das am 1 . Januar nächsten Jahres in Kraft treten
wird . Auch hier geht es darum, Lebensqualität zu sichern
bzw . zu gewinnen, indem lebensstilbedingte Erkrankun-
gen vermieden werden . Aber damit werden Kosten ver-
meidbarer Behandlungen auch nicht anfallen . Nehmen
wir als Beispiel die Volkskrankheit Diabetes mellitus .
6,7 Millionen Menschen in unserem Land leiden an die-
ser Krankheit, verbunden mit Risiken wie Herzerkran-
kung, Schlaganfall, Erblindung und Amputation . Hier
geht es auch um milliardenschwere Behandlungskosten .
Wenn es uns gelingt, durch starke präventive Angebote
und rechtzeitiges Erkennen und Behandeln hier entge-
genzuwirken, dann bedeutet das nicht nur, dass wir – da-
rum muss es zuallererst gehen – den betroffenen Men-
schen unendlich viel Leid ersparen . Vielmehr können wir
dann auch die Mittel zur Deckung unnötiger Milliarden-
kosten sparen . Deshalb ist es richtig, dass wir neben den
Maßnahmen des Präventionsgesetzes zur Gesundheits-
förderung in allen Lebensbereichen – von der Kita bis
hin zur Altenpflege – erstmalig 3 Millionen Euro in den
Einzelplan 15 zur Bekämpfung des Diabetes mellitus
eingestellt haben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Prävention, Hilfe, Repression – das ist der Dreiklang
unserer Politik im Bereich der Drogen . Ich danke aus-
drücklich der Drogenbeauftragten der Bundesregierung,
Marlene Mortler, für ihre engagierte Arbeit . Legale
wie illegale Suchtmittel fordern uns weiter in besonde-
rer Weise heraus . Frau Mortler stößt hier Wichtiges an .
Herzlichen Dank für diese Arbeit!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden hier alsbald weitere gesetzliche Regelungen
vornehmen . Ich nenne als Beispiel eine Stoffgruppen-
regelung, mit der wir endlich ein rechtssicheres Verbot
neuer psychoaktiver Stoffe – häufig völlig verharmlo-
send Designerdrogen genannt – auf den Weg bringen . Ich
nenne als weiteres Beispiel die gesetzliche Regelung des
Zugangs von Kranken zu Cannabis als Medizin in den
Fällen, in denen das die angezeigte Therapie ist .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Bundesminister Hermann Gröhe






(A) (C)



(B) (D)


All dies werden wir in Kürze im Rahmen des gesetzgebe-
rischen Handelns auf den Weg bringen .

Doch nicht allein umfangreiche Gesetzgebung hat uns
alle miteinander in den zurückliegenden Monaten ge-
fordert . Ich erinnere an die Situation vor einem Jahr, als
wir ebenfalls über den Haushalt berieten und uns alle die
katastrophale Entwicklung in Westafrika, der Ausbruch
von Ebola, in Atem hielt . In diesen Tagen zeigen einzelne
neue Infektionsfälle in Liberia, dass der Kampf noch im-
mer nicht vollends gewonnen ist, dass die letzten Meter
eines Weges offenkundig die härtesten und anstrengend-
sten sind, auch wenn in der Zwischenzeit viel erreicht
werden konnte . Trotzdem ist es richtig und wichtig, dass
die Bundesregierung international den Prozess voran-
treibt und darauf drängt, dass Lehren aus dieser Katast-
rophe gezogen werden: Warum wurde sie anfangs unter-
schätzt? Warum lief die internationale Hilfe zu zögerlich
an? Es ist gut und wichtig, dass wir dies aufbereiten;
denn wir müssen auf zukünftige Gefahren dieser Art bes-
ser vorbereitet sein .

Ich freue mich darüber, dass wir die G-7-Präsident-
schaft Deutschlands genutzt haben – ich danke dafür aus-
drücklich der Bundeskanzlerin, aber auch den Kollegen
Müller und Schmidt sowie der Kollegin Wanka; das ist
uns gemeinsam gelungen –, globale Gesundheitspolitik
zu einem Markenzeichen der Politik unseres Landes zu
machen . Das ist Teil unserer Verantwortung, schützt aber
auch die eigene Bevölkerung . In diesem Zusammenhang
freue ich mich, dass wir uns mit dem Bundesministeri-
um für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
lung darauf verständigt haben, dass aus den zusätzlich
zur Verfügung gestellten Mitteln im Bereich der Ent-
wicklungszusammenarbeit 10 Millionen Euro durch das
Bundesgesundheitsministerium bewirtschaftet werden,
um damit die Beschlüsse des G-7-Gipfels im Bereich des
globalen Gesundheitsschutzes und der freiwilligen Leis-
tungen für die Weltgesundheitsorganisation zu finanzie-
ren .

In diesen Tagen fordert uns die Versorgung der Men-
schen, die zu uns fliehen, in besonderer Weise heraus.
Das ist nicht nur humanitär geboten, sondern es dient
auch dem Schutz der Bevölkerung insgesamt . Auch
wenn die Bundesländer die Leistungen nach dem Asyl-
bewerberleistungsgesetz umsetzen, so will ich doch
festhalten, dass die entsprechenden gesetzlichen Rege-
lungen, beispielsweise ausdrücklich im Asylbewerber-
leistungsgesetz genannt, selbstverständlich die erforder-
lichen Leistungen bei der Betreuung von Schwangeren
vorschreiben .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch wenn die Zuständigkeiten so sind wie beschrie-
ben, ist es selbstverständlich auch eine Aufgabe meines
Hauses und der angeschlossenen Bundesbehörden, dass
wir bestmöglich diejenigen, die vor Ort Verantwortung
tragen, in ihrer Arbeit unterstützen . So hat beispielswei-
se das Robert-Koch-Institut ein Impfkonzept entwickelt
und Handreichungen für den Umgang mit spezifisch
erkrankten Flüchtlingen erarbeitet . Es gibt ein standar-
disiertes Konzept für Erstuntersuchungen, und es gibt

Impfaufklärungsmaterialien inzwischen in 20 Fremd-
sprachen . Es gibt also umfassende Informationen für die
Menschen, die zu uns kommen, damit sie in ihrer Hei-
matsprache beispielsweise über notwendige Impfungen
informiert werden .

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
stellt in sechs Sprachen Materialien über verschiede-
ne Infektionskrankheiten zur Verfügung, und das Paul-
Ehrlich-Institut und das Bundesinstitut für Arzneimittel
und Medizinprodukte stellen den Ländern bei der impf-
stoffbezogenen und arzneimittelbezogenen Versorgung
von Flüchtlingen in einer Clearingstelle Beratung und
Hilfe zur Verfügung .

Sie wissen alle, dass zur Bewältigung der Flüchtlings-
situation in diesem Bundeshaushalt von der Bundesre-
gierung 4 Milliarden Euro für das Jahr 2016 zusätzlich
eingestellt wurden . Aus diesen Mitteln werden auch die
Kosten der Gesundheitsversorgung bestritten . Das sind
also keine Kosten, die die gesetzlich Versicherten wo-
möglich durch eine Erhöhung ihrer Beitragszahlung be-
lasten. Das sei angesichts mancher Simplifizierung in der
Öffentlichkeit ausdrücklich festgestellt .


(Beifall der Abg . Petra Hinz [Essen] [SPD])


Allerdings möchte ich an dieser Stelle auch nicht ver-
schweigen, dass wir uns perspektivisch mit der Frage
beschäftigen müssen, wie sich die Integration der Asyl-
suchenden in den nächsten Jahren auch auf die Kranken-
versicherung auswirken wird . Ich möchte an dieser Stelle
nicht spekulieren und alle davor warnen, dies vorschnell
zu tun . Aber wir werden uns natürlich mit der Frage zu
beschäftigen haben, wie eine schnelle Integration in den
Arbeitsmarkt gelingt und welche Auswirkungen sie dann
auf die zu tragenden Kosten, auch angesichts entspre-
chender Krankheitsbilder, für die Krankenversicherung
hat . Wir werden dies jedenfalls sehr aufmerksam beob-
achten und dann gegebenenfalls mit Ihnen über notwen-
dige Schritte reden .

Für heute darf ich noch einmal für die guten Beratun-
gen danken und Sie um Zustimmung zum Einzelplan 15
bitten .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814004700

Vielen Dank . – Für Bündnis 90/Die Grünen hat jetzt

die Kollegin Ekin Deligöz das Wort .


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814004800

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Sehr geehrter Herr Minister! Der Gesundheitsetat hat
in der Tat relativ wenig Spielraum . Von dem Etat gehen
95 Prozent, nämlich 14 Milliarden Euro, erst einmal ab
als Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung .
Dann bleiben 574 Millionen Euro übrig . Über die reden
wir, wenn wir über den Gesundheitsetat im Haushalts-
ausschuss beraten .

Herr Minister, erlauben Sie mir eines . Es ist zwar ganz
ungewöhnlich, dass jemand aus der Opposition so etwas

Bundesminister Hermann Gröhe






(A) (C)



(B) (D)


sagt, aber ich bearbeite fünf Haushaltspläne und kann es
deshalb ganz gut beurteilen: Sie sind der Minister, der
sich am allerbesten in seinem Etat auskennt, bis ins De-
tail hinein. Ich finde, das muss man hier schon einmal
erwähnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist die große Ausnahme!)


Sie würden sich aber wundern, wenn ich nicht trotz-
dem noch Verbesserungsvorschläge hätte . Einen Teil
unserer Verbesserungsvorschläge haben Sie schon über-
nommen . Es freut mich besonders, dass Sie da sehr offen
sind . Ich denke, die größte Herausforderung überhaupt
in Ihrem Etat ist, dass wir im Bereich der gesetzlichen
Krankenversicherung und der Pflegeversicherung vo-
rausschauend handeln müssen, um das System stabil,
gerecht und zukunftsfest zu machen . Das sind die drei
Punkte, über die wir reden .

Wenn wir über die Sozialversicherung in diesem Land
reden, alle Sozialversicherungszweige zusammen, reden
wir immerhin über 450 Milliarden Euro . Etwas weniger
als die Hälfte dieser 450 Milliarden Euro kommen in der
GKV und in der Pflegeversicherung an. Hier kommen
die größten Herausforderungen auf uns zu . Der demo-
grafische Wandel, die älter werdende Gesellschaft, tech-
nischer Fortschritt, aber auch medizinischer Fortschritt,
der Personalbestand – Stichwort Fachkräftemangel –, all
das wird das System in der kommenden Zeit teurer ma-
chen . Es werden Kosten auf uns zukommen, die wir auch
aufbringen müssen .

Ich möchte zwei Punkte festhalten . Das eine, das mich
besorgt macht, ist, dass wir nur bedingt eine parlamen-
tarische Kontrolle über diese Mittel haben, während uns
die Menschen vertrauen, dass das Geld auch in ihrem
Sinne verwendet wird. Ich finde, das ist eine Baustelle
für uns, auch im Rechnungsprüfungsausschuss .

Das Zweite ist, dass wir in diesem Bereich natürlich
auf die Frage reagieren müssen: Wie entwickeln sich die
Sozialversicherungen? Alle Modelle, die Sie jetzt aufge-
zeigt haben – sei es im Bereich der Krankenhausfinan-
zierung, der Pflege oder anderes –, werden nicht dazu
beitragen, dieses System per se zukunftsfest zu gestalten
und auch langfristige Planungen zu ermöglichen . Dafür
waren diese Schritte zu klein, und sie werden in diesem
Bereich auch wirkungslos verhallen .

Was noch dazukommt – Sie selbst haben das ange-
sprochen –: Wir müssen auch über neue Formen der So-
lidarität nachdenken . Wir Grünen schlagen da eine Bür-
gerversicherung vor .


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Sie haben so gut angefangen, und jetzt kommen Sie mit so was!)


Ich bin der festen Überzeugung, dass wir in diesem Land
ernsthaft darüber reden müssen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Der größte Debattenpunkt in Ihrem Etat ist in der Tat
der Bereich der Flüchtlinge . Menschen kommen, Men-
schen bleiben . Sie suchen Schutz . Sie sind traumatisiert .

Dass Sie die Schutzimpfungen und vieles mehr in die
Hand nehmen, ist gut und wichtig . Das wird aber nicht
ausreichen .

Ich möchte einen anderen Punkt herausgreifen:
50 Prozent der Flüchtlinge sind unter 25 Jahre alt . Sie
kommen nach einer langen Reise hierhin . Sie sind ge-
schwächt, und sie sind traumatisiert . Diesen Traumatisie-
rungen begegnen wir aber noch nicht mit einer flächen-
deckenden psychosozialen Betreuung .

Es gibt die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psy-
chosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer mit
derzeit 30 Zentren für ganz Deutschland . Viele dieser
Zentren sind in ihrer Existenz von freiwilligen Spenden
abhängig . Sie versuchen, möglichst viel zu machen . Aber
es gibt lange Wartezeiten . Diese Zentren müssen bangen .
Warum müssen sie bangen? Weile viele der Kosten nicht
adäquat von der GKV übernommen werden .

Ich will Ihnen ein Beispiel geben . Bei einer Therapie
ist die Sprache das Therapieinstrument . Die GKV über-
nimmt aber keine Dolmetscherkosten . Die GKV über-
nimmt auch nicht die Kosten für die tatsächliche Zeit,
die entstehen wird, wenn Dolmetscher eingesetzt wer-
den . Das hat zur Konsequenz, dass nur ein Bruchteil der
Kosten übernommen wird und dass Therapien manchmal
sogar abgebrochen werden müssen, wenn die Leute vom
Asylbewerberleistungsgesetz in die GKV übergehen und
deshalb auf der Strecke bleiben . Die Kosten dieses Ver-
fahrens werden uns dennoch in Rechnung gestellt, wenn
auch in einer anderen Form. Ich finde, deshalb müssen
wir die Traumata bei den Flüchtlingen nicht nur ernst
nehmen, sondern wir müssen da massiv aktiv werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


In der letzten Woche gab es einen großen Integrati-
onsgipfel . Da werden Sie jetzt im Bereich Migration und
Integration eine halbe Million Euro in die Hand nehmen .
Ich finde, das ist ein Tropfen auf einen ganz heißen Stein.
Wenn man solche Gipfel im Kanzleramt veranstaltet,
weckt man natürlich Erwartungen . Aber diesen Erwar-
tungen müssen auch Taten folgen; denn ansonsten ver-
bleibt nur Symbolpolitik. Ich finde, genau das sollten wir
uns in diesem Bereich nicht leisten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Ganz am Schluss komme ich noch zur WHO . Herr
Minister, Sie haben gerade gesagt: Trotzdem investieren
wir. – Ich finde, wir sollten sagen: Gerade deshalb inves-
tieren wir in die WHO .

Letzte Woche wurde ein Aktionsplan in Rom beschlos-
sen. Wir in Deutschland sind verpflichtet, die Beschlüsse,
die dort getroffen worden sind, umzusetzen . Dazu gehört
auch das nachhaltige Denken . Wenn wir nicht rechtzeitig
in die WHO investieren, dann werden wir die Quittung
dafür bekommen . Ebola lehrt uns etwas, nämlich dass
die Investitionen in die WHO eine gute Präventionsarbeit
darstellen . Wir fordern dafür zusätzliche Mittel, weil wir
der Meinung sind, dass wir die internationalen Struktu-
ren höherhalten müssen und sie nicht vergessen dürfen .

Herr Minister, es gibt viel zu tun, auch wenn nicht so
viel Geld in Ihrem Budget steht . Kreative Ideen gibt es

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


genug . In diesem Sinne kämpfen wir dann umso mehr für
mehr Geld für Sie .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814004900

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion spricht jetzt die

Kollegin Petra Hinz .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Petra Hinz (SPD):
Rede ID: ID1814005000

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn wir
hier heute über den Haushalt für das kommende Jahr
beraten, dann müssen wir dies im Gesamtkontext der
von der Großen Koalition beschlossenen Haushalte tun .
So möchte ich auch den aktuellen Haushalt verstanden
wissen . Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir,
die Große Koalition, erneut einen Schwerpunkt auf die
Gesundheitsvorsorge, insbesondere bei Kindern, gesetzt
haben . Das, was wir für die Haushalte 2014 und 2015
auf den Weg gebracht haben, ist eine Reihe von Maßnah-
men, die wir auch in den kommenden Haushalten ent-
sprechend fortsetzen werden .

Wenn wir sozusagen das Buch der Haushalte für den
Bereich Gesundheit aufschlagen, dann möchte ich ganz
gern einmal die groben Eckdaten nennen . Wir verfügen
eigentlich – da haben alle Kolleginnen und Kollegen, die
bisher gesprochen haben, recht – über einen wesentlich
größeren Haushalt – er umfasst 14,6 Milliarden Euro –,
reden aber in der Tat nur über die 86 Millionen Euro, die
für die gesamtpolitischen Maßnahmen zur Gesundheits-
pflege zur Verfügung stehen.

Im Vergleich zum Jahr 2015 verzeichnet der Einzel-
plan einen Aufwuchs um 2,5 Milliarden Euro . Für die
gesetzliche Krankenversicherung sind Ausgaben von
14 Milliarden Euro vorgesehen . Wie zugesagt, werden
die Ausgaben für die gesetzliche Krankenversicherung
ab 2017 wieder dauerhaft bei 14,5 Milliarden Euro lie-
gen .

Eins möchte ich zu den neuen Strukturen im Haus-
halt 2016 sagen – das ist für uns als Haushälter wichtig –:
Wir waren die letzten Haushälter, die noch nicht mit neu-
en Strukturen gearbeitet haben . Es gibt eine neue Sys-
tematik . Viele Maßnahmen sind zusammengeführt wor-
den . Für uns als Haushälter ist das sehr wichtig, weil wir
dadurch einen besseren Überblick darüber bekommen
haben, mit wie vielen Maßnahmen wir im Bereich der
Gesundheit, der Pflege, der Prävention, unterwegs sind.

Ein weiterer Punkt ist die Frage von Pflichtbeiträgen
und freiwilligen Leistungen an die WHO; er ist gerade
von meiner Kollegin Ekin Deligöz und auch von Minis-
ter Gröhe angesprochen worden . Ich denke, wir sind da
auf dem richtigen Weg . Wir haben das, worüber auch wir
hier diskutiert haben, in einem ersten Schritt umgesetzt .
Dass wir auch da besser mit einem anderen Ressort zu-
sammenarbeiten, ist für uns keine neue Erkenntnis; denn

„Gesundheit und Pflege“ ist einfach ein Querschnittsbe-
reich . Sie haben gerade schon deutlich gemacht, dass wir
mit der Familienministerin, aber auch mit der Ministerin
für Arbeit und Soziales und dem Minister für wirtschaft-
liche Zusammenarbeit und Entwicklung zusammenar-
beiten .

Kommen wir auf den Bereich gesamtpolitische Maß-
nahmen zu sprechen, für den 86,4 Millionen Euro zur
Verfügung stehen . Hier möchte ich einen ersten Schwer-
punkt bei Prävention und Aufklärung sehen; dafür sind
41,7 Millionen Euro veranschlagt . Man kann sagen: Das
ist angesichts der Bedeutung der Prävention zu wenig .
Wenn bereits Kinder aufgeklärt und gesund leben, dann
werden sie mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit auch
gesund älter . Insofern wird sich all das, was wir in die
Kinder investieren, gerade im Gesundheitsbereich, mit
ihrem Älterwerden für das Gesundheitssystem rechnen .

An dieser Stelle sei zur Bundeszentrale für gesund-
heitliche Aufklärung gesagt, dass die Behördenleitung
gewechselt hat: Frau Heidrun Thaiss ist die neue Behör-
denleiterin . Sie hat sich im Rahmen des Berichterstatter-
gesprächs vorgestellt . In einem weiteren Gespräch hat sie
noch einmal ihre Aufgaben dargelegt . Insbesondere hat
sie klargestellt, vor welchen Herausforderungen wir im
Zusammenhang mit dem Präventionsgesetz, welches am
1 . Januar 2016 in Kraft treten wird, stehen .

6 Millionen Euro werden wir wieder für die Organ-
spendekampagne bereitstellen . Leider sind wir auch auf
diesem Gebiet noch nicht so weitergekommen, wie wir
es uns vorstellen könnten und wie es auch notwendig
wäre . Für den Bereich der Durchimpfungsrate haben wir
weiterhin 3 Millionen Euro eingeplant .

Zu den Bereichen Aids- und Drogenaufklärung . Ich
möchte unserer Drogenbeauftragten noch einmal ein
herzliches Dankeschön für ihr Engagement sagen . Die-
ses Dankeschön gilt aber nicht nur der Drogenbeauf-
tragten, sondern allen Kolleginnen und Kollegen, die in
der Gesundheitspolitik arbeiten . Wir müssen vor allem
die Aufklärung über die Gefahren des Drogenkonsums
und der Infektionskrankheiten stärken . Man soll es nicht
glauben: Trotz der umfangreichen Aufklärung, trotz der
Bewusstseinsarbeit steigen die entsprechenden Zahlen
immer wieder an . Wenn man das feststellt, wundert man
sich schon sehr .

Ein Thema liegt mir besonders am Herzen – entspre-
chende Vorschläge waren die ersten, die wir in die Bera-
tungen über die Haushalte 2014 und 2015 eingebracht ha-
ben –: die Frage der Kindergesundheit, insbesondere im
Hinblick auf Prävention und Rehabilitation . Wir haben
gemeinsam lange über das Präventionsgesetz diskutiert .
Wir haben Anhörungen durchgeführt, und wir haben es
fachlich und inhaltlich diskutiert . Darüber hinaus habe
ich vor Ort, in ganz unterschiedlichen Bundesländern,
mit Vertretern verschiedener Einrichtungen und Instituti-
onen gesprochen . Sie haben mir eine Frage gestellt: Was
ist mit denen, die noch nicht in den Bereich der Präventi-
on gehören? Was ist mit den Kindern, die auch noch nicht
in den Bereich der Rehabilitation gehören, für die wir
aber im Vorfeld eine ganze Menge leisten müssen, damit

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


sie gar nicht erst Leistungen nach dem SGB V brauchen,
damit ihnen bei ihrer Übergewichtigkeit geholfen wird?

Nun sprechen wir in dem Bereich von Perzentilen
und von BMI-Werten – und dies bei Kindern . Wir ha-
ben hier 90-Prozent- und 97-Prozent-Perzentile . Das
bedeutet: 90 Prozent oder 97 Prozent der Kinder sind
nicht übergewichtig, und 10 Prozent oder 3 Prozent sind
übergewichtig oder fettleibig . Das heißt, diese Kinder
werden mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit über-
gewichtige Erwachsene . Hier wäre eine Rehamaßnah-
me angezeigt . Aber was passiert mit denen, die nicht in
diese Bereiche fallen? Können wir Kinder tatsächlich in
Perzentile einteilen? Wollen wir schon Kinder mit einem
Body-Mass-Index versehen? Sollten wir das nicht an-
ders sehen? Wenn wir Kindern in den Familien, in den
Schulen – Stichwort „Klasse2000“ – das Bewusstsein da-
für stärken, dass sie besondere Menschen sind, dass sie
Selbstvertrauen haben können, dass sie Stärken haben,
dass sie Erfolge haben, dann wird sie das mit Sicherheit
vor einer Übergewichtigkeit oder vielleicht sogar Fettlei-
bigkeit bewahren .

Ich habe hier einen besonderen Schwerpunkt gesetzt,
weil ich hier den Schlüssel für das Problem sehe . Wenn
Kinder wohlgeraten, wenn Kinder, ich sage mal, behütet
werden – nicht im Sinne davon, dass man sie permanent
beschützt –, wenn Kindern ein Selbstbewusstsein mit-
gegeben wird, dann werden diese Kinder auch gesunde
Erwachsene werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir haben weitere Schwerpunkte gesetzt: im Bereich
der Modellvorhaben, gerade auch im Bereich der Res-
sortforschung . Hier reden wir über den „Masterplan Me-
dizinstudium 2020“, über den Ausbau der Versorgungs-
forschung, über Strategien zur Bekämpfung von Krebs .
Ja, das ist ein Thema, das immer und immer wieder auf
der Tagesordnung steht . Es ist dringend erforderlich, dass
wir dabei zu Erfolgen kommen .

Zum Pflegebedürftigkeitsbegriff. Es ist gerade schon
angesprochen worden, was dort auf den Weg gebracht
wird und vor welchen Herausforderungen wir insgesamt
noch stehen. Dabei geht es um die, die gepflegt werden,
aber auch um die, die pflegen. Da sind wir mit dem Fa-
milienministerium, denke ich, auf einem sehr guten Weg .

Auch ein anderes Thema habe ich gerade schon ange-
sprochen: sexuell übertragbare Krankheiten . Man soll es
nicht glauben: Die Zahl geht leider nicht zurück, aber sie
ist zumindest konstant .

Ich möchte noch ein Thema ansprechen, und zwar die
Aspekte der Migration und Integration im deutschen Ge-
sundheitswesen . Anfang des Jahres hat unsere Staatsmi-
nisterin zur Unterzeichnung der Charta der Vielfalt ins
Kanzleramt eingeladen . Es war eine großartige Veran-
staltung . Sehr viele Vertreter waren dort anwesend, auch
Kolleginnen und Kollegen aus dem Gesundheitsbereich .
Dort haben wir verabredet, dass wir für diesen Bereich
einen Titel schaffen und Geld zur Verfügung stellen wer-
den . Das haben wir mit diesem Haushalt umgesetzt .

Jetzt kann man sagen: Diese 500 000 Euro sind nur
ein Feigenblatt . – Aber: Wir sind seit dem Gipfel dabei,

gemeinsam ein Konzept zu erarbeiten . Ich gehe davon
aus, dass wir bei zukünftigen Haushalten – ich denke an
2016/2017 – über einen weiteren Aufwuchs sprechen
werden .

Das Thema Flüchtlinge hat sich in diesen Haushalts-
beratungen wie ein roter Faden durch die Beratung al-
ler Etats gezogen . Genau so muss es auch verstanden
werden: Es ist eine Gesamtaufgabe aller Bereiche, des
gesamten Hauses . Es geht nicht um eine besondere The-
menstellung eines einzelnen Bereichs .

Ich bin sehr froh, Herr Minister Gröhe, dass Sie ge-
rade die Schwangeren, die Kinder und Jugendlichen
erwähnt haben . Diese haben sich nicht einfach auf eine
Reise gemacht, sondern sie haben Schreckliches erlitten,
um aus einer Kriegsregion zu entkommen und in ein si-
cheres Land zu gelangen . Unabhängig davon, inwieweit
die Gesetzesverfahren abgeschlossen sind und inwieweit
sie in Kraft sind, müssen wir den Flüchtenden helfen,
insbesondere den Schwangeren, den Kindern, den Trau-
matisierten . Hieran werden wir in enger Abstimmung mit
dem Familienministerium gemeinsam arbeiten .

Zum Thema Behinderte . Da ist einmal die Frage der
Behinderten grundsätzlich . Es sind besondere Krank-
heitsmerkmale, die Behinderte haben . Ich habe in der
ersten Lesung darauf aufmerksam gemacht, auch vor
dem Hintergrund der Erfahrungen mit den Special Olym-
pics, vor welchen Herausforderungen die behinderten
Menschen insgesamt stehen . Noch viel mehr gilt das für
die, die auf der Flucht sind . Deshalb dürfen wir die Be-
hinderten, die auf der Flucht sind, auf keinen Fall aus
dem Auge verlieren .

Ich möchte mich bei allen, die dazu beitragen, dass
unser Gesundheitswesen bestmöglich funktioniert, und
bei allen Vertretern der Wohlfahrtsverbände, die sich
in unterschiedlichen Bereichen, ob hauptamtlich oder
ehrenamtlich, engagieren, ganz herzlich bedanken . Ich
bedanke mich insbesondere bei meinen Kolleginnen und
Kollegen im Gesundheitsausschuss, im Fachbereich, für
die großartige Unterstützung, für den Zuspruch, für jede
Hilfestellung, die gegeben wird, damit wir im Haushalts-
ausschuss das umsetzen können, was dort inhaltlich die
ganze Zeit über diskutiert wird . Ich möchte nicht ver-
säumen, mich beim Ministerium ganz herzlich für die
Zuarbeit zu bedanken . Meine Mitberichterstatterin Ekin
Deligöz hat Sie ja gerade schon in den höchsten Tönen
gelobt . Ich kann mich dem Lob nur anschließen . Ich
möchte mich beim Bundesfinanzministerium und beim
Bundesrechnungshof bedanken, aber auch noch einmal
bei meinen Kolleginnen und Kollegen . Insbesondere
bedanke ich mich ganz herzlich bei meinen Mitbericht-
erstatterinnen und Mitberichterstattern, dass sie mir die
Zusammenarbeit ganz einfach machen . Vielen Dank für
die geleistete Arbeit, aber auch schon einmal für die Ar-
beit, die noch vor uns liegt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Petra Hinz (Essen)







(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814005100

Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege

Dr . Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Georg Nüßlein (CSU):
Rede ID: ID1814005200

Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Die

Kollegin Hinz hat gerade – zu Recht, wie ich meine – die
Flüchtlingsthematik als eine Querschnittsthematik be-
schrieben . Dies trifft uns natürlich auch im Bereich der
Gesundheitspolitik . Ich möchte vorab ganz klar festhal-
ten: Es geht hier zuallererst um eine humanitäre Frage
und erst dann um die Fragen von Euro und Cent, von
Steuerung und Begrenzung,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das wäre gut, wenn Sie das mal beherzigen!)


aber natürlich auch um die Frage von Euro und Cent, so
wie bei den gesetzlich Versicherten . Wenn ich sage: „Das
Thema hat Relevanz für die Gesundheit“, dann möchte
ich hier auf der einen Seite auf berechtigte Sorgen hin-
weisen, auf der anderen Seite aber auch ganz klar sagen:
Es geht nicht darum, unberechtigte Ressentiments zu we-
cken . Flüchtlinge sind keine Seuchenbringer, überhaupt
nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Ganz im Gegenteil: Was solche Themen angeht, produ-
zieren die deutschen Eltern, die ihre Kinder nicht impfen
lassen, in dieser Hinsicht ganz andere Risiken; das muss
man an der Stelle auch einmal deutlich sagen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Trotzdem gibt es natürlich Themen wie das der offe-
nen Tbc, die uns umtreiben und die zeigen, wie wichtig
es ist, auch aus gesundheitspolitischen Erwägungen die
Residenzpflicht durchzusetzen.


(Mechthild Rawert [SPD]: Untersuchungen sind wichtig! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind meist aus Rumänien!)


Wir haben, was die Versorgung der Flüchtlinge angeht,
als Bund das Notwendige getan, beispielsweise durch
den Verzicht auf Mengenabschläge bei den Krankenhäu-
sern, in denen Flüchtlinge behandelt werden, um nicht
das Risiko einzugehen, dass denen, die viel machen, am
Schluss viel abgezogen wird . Wir haben den Ländern die
Gesundheitskarte als Option gegeben . Ich gebe offen zu,
dass die Unionsfraktion hier durchaus skeptisch war auf-
grund einer zu befürchtenden Anreizwirkung .


(Hilde Mattheis [SPD]: Stimmt ja nicht! Das wisst ihr ja jetzt!)


Aber wir wissen auch, dass an dieser Stelle am Schluss
die Länder gefordert sind . Bei denen, die den öffentli-
chen Gesundheitsdienst runtergefahren haben, rächt sich
das jetzt . Die sind nämlich gerade in einer schwierigen

Situation . Ich möchte all denjenigen Dank und Anerken-
nung aussprechen, die sich im Gesundheitswesen um
dieses angesichts von Sprachbarrieren und Krankheiten
schwierige Thema kümmern .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte ausdrücklich auch dem zuständigen Mi-
nister Gerd Müller Unterstützung zusagen . Er hat recht
mit dem Hinweis, dass Gesundheitsvorsorge schon in
Flüchtlingscamps im syrischen Umfeld stattfinden muss.


(Hilde Mattheis [SPD]: Die müssen erst mal was zu essen haben!)


Da geht es darum, dass die Bedingungen nicht noch
schwieriger werden, als sie ohnehin schon sind . Wir alle
wissen mittlerweile, wie schnell uns so etwas dann auch
hier in Deutschland trifft . Deshalb ist das das Gebot der
Stunde .

Nun hat die Kollegin Hinz auch die EU-Richtlinie ge-
streift, die wir umsetzen sollen . Ich bin hier skeptisch;
das gebe ich ganz offen zu . Diese Richtlinie ist drei Jahre
alt . Wenn die Kommission diese Richtlinie aktualisieren
würde, könnte sie einmal zeigen, wie nah sie am Thema
dran ist . Uns in einer komplett anderen Lage eine alte
Richtlinie auf den Tisch zu legen, ist kein gutes Zeugnis,
das sie sich an dieser Stelle selber ausstellt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich will Ihnen auch sagen, worum der Streit geht,
der sich hier – auch in der Koalition – angedeutet hat .
Die Definition von „schutzbedürftigen Personen“ ist zu
weitgehend . Man hätte auch gleich „alle“ schreiben kön-
nen . Wenn man „ältere Menschen“ und „Personen mit
schweren körperlichen Erkrankungen“ einbezieht und
dies unter Hinweis auf die Richtlinien des Gemeinsamen
Bundesausschusses mit einer Beeinträchtigung der Le-
bensqualität definiert, umfasst das zum Schluss alle Per-
sonen, und diese hätten dann von Anfang an den gleichen
Gesundheits- und Versicherungsschutz wie gesetzlich
Versicherte .

Wir wollen beim jetzigen Umfang des Asylbewer-
berleistungsgesetzes bleiben . Am Anfang wollen wir die
Leistungen auf das Notwendige beschränken . Der Minis-
ter hat richtig gesagt, dass Leistungen für Schwangere
beispielsweise bereits davon umfasst sind . Ich wehre
mich deshalb dagegen, dass man mit Bildern arbeitet,
die nicht der Realität entsprechen . Das erleben wir mo-
mentan in den Medien . Dort werden die Schwangeren,
die Mütter, die Kinder gezeigt . Aber die vielen jungen
Männer, die das Bild eigentlich prägen, sieht man nicht .
Auch hier wird mit genau diesen Themen operiert, dass
wir Schwangeren nicht helfen . Das ist nicht der Fall . Das
ist mit dem Asylbewerberleistungsgesetz erfasst .

Es geht darum, den Leistungsumfang nicht ohne Not
auszuweiten .


(Mechthild Rawert [SPD]: Die Not ist aber da!)


Ich halte es mit Blick auf die Anreizwirkung für richtig,
aber auch mit Blick auf das, was die gesetzlich Versi-






(A) (C)



(B) (D)


cherten, die arbeiten und ihre Beiträge zahlen, von uns
erwarten. Ich sage Ihnen auch: Es werden finanziell noch
etliche Dinge auf uns zukommen, über die man diskutie-
ren muss . Ab 1 . Januar nächsten Jahres werden für Ar-
beitslosengeld-II-Empfänger nur 90 Euro pauschal vom
Staat einbezahlt . Wenn es so bleibt, werden die Kosten
pro Leistungsempfänger bzw . Patient jedoch bei 250 bis
300 Euro liegen .


(Hilde Mattheis [SPD]: Das nennt man Solidarität!)


Damit haben wir ein programmiertes Defizit in der Kran-
kenversicherung,


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Durch Steuern ausgleichen!)


wenn es uns im nächsten Jahr gelingt, was ein großer Er-
folg wäre, 500 000 Flüchtlinge als arbeitsfähig zu quali-
fizieren. Ich würde es mir wünschen. Aber das bedeutet
für die gesetzliche Krankenversicherung ein Defizit von
bis zu 1 Milliarde Euro jährlich .

Das können wir so nicht hinnehmen . Hier gibt es
Handlungsbedarf . Hierüber muss man reden . Die Ge-
spräche zwischen dem Gesundheitsminister und dem
BMAS finden statt. Ich weiß, dass am Ende nur die Frage
zu beantworten ist, wer es denn zahlt: die Versicherten-
gemeinschaft oder die Steuerzahler? Jedoch macht das
insbesondere angesichts dessen, was in der Debatte an-
geklungen ist, einen Unterschied .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das ist das Entscheidende!)


Wir alle wissen, dass nach den aktuellen Schätzungen
für das Jahr 2016 die GKV-Ausgaben um 5 Prozent auf
220 Milliarden Euro steigen werden . Der Anstieg des Zu-
satzbeitrages von 0,9 auf 1,1 Prozent ist programmiert .


(Birgit Wöllert [DIE LINKE]: Ach, guck an!)


– Ja, guck an . – Die 1,1 Prozent sind übrigens ein Durch-
schnittsbeitrag . Man kann auch in eine Kasse wechseln,
die darunterliegt; das muss man auch einmal in aller
Deutlichkeit sagen . Der Grund für diesen Anstieg sind
nicht unsere kostentreibenden Gesetze, sondern auch die
Tatsache, dass die Kassen unter dem Eindruck des Wett-
bewerbs den Zusatzbeitrag bisher teilweise zu niedrig
angesetzt haben . Das zeigt, dass das, was wir gemacht
haben, wettbewerbsseitig durchaus Sinn und Zweck hat .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie produzieren nur Chaos!)


Wenn hier Einwände kommen, muss man auch ganz
klar sagen, dass wir in der Größenordnung dessen liegen,
was von Rot-Grün seinerzeit als Sonderbeitrag beschlos-
sen wurde, der auch einseitig nur von der Arbeitnehmer-
seite zu finanzieren war.

Ich will durchaus zugestehen, dass wir in den letz-
ten Monaten Gesetze gemacht haben, die am Schluss zu
Kosten führen. Beim Pflegestärkungsgesetz haben wir es
mit eingepreist und haben formuliert: zweimal 0,2 Pro-
zentpunkte mehr für die Pflegeversicherung. Dieser Bei-
tragsanstieg ist notwendig, um die Aufgaben zu erfüllen,

die eine Pflegeversicherung erfüllen soll. Ich glaube, es
ist anerkanntermaßen richtig und sinnvoll, dass wir den
Pflegebedürftigkeitsbegriff komplett neu definiert haben,
was insbesondere Demenzkranken zugutekommt .

Wir haben uns entschlossen, mit dem Krankenhaus-
strukturgesetz gezielt die Pflege zu fördern. Das war
ein richtiger Ansatz, und zwar deshalb, weil uns Ärzte,
aber auch Pflegekräfte durchaus mit Fug und Recht ge-
sagt haben: Es wird langsam kritisch für die Patienten .
Es war notwendig, an der Stelle etwas zu tun; wir haben
das Richtige getan . Aber da sind wir relativ schnell im
Bereich von Milliardenausgaben, die uns natürlich be-
lasten, die aber notwendig sind . Man predigt die ganze
Zeit, dass Gesundheit ein hohes Gut ist . Aus meiner Sicht
muss jedem klar sein, dass dieses hohe Gut am Schluss
auch Geld kostet .

Nun gibt es ja ein paar, die verkünden, das mit den
Kosten sei ganz einfach; man müsse nur die Bürgerversi-
cherung einführen, und schon sei das Problem gelöst . Ich
sehe das nicht so . Ich frage mich schon, inwiefern es eine
Lösung ist, dass man, wenn 71 Millionen Versicherte ein
Problem haben, 10 Millionen dazunimmt, sodass man
auf 81 Millionen Versicherte kommt .


(Hilde Mattheis [SPD]: Sie haben es nicht verstanden!)


Wo ist denn da die Problemlösung? Wenn man berück-
sichtigt, dass es am Ende, egal wie man es umsetzt, eine
Beitragsbemessungsgrenze geben wird, dann ist jetzt
schon klar: Sie würden mit solchen Ansätzen nicht die
Millionäre erwischen, sondern die kleinen Sparer, die
dann zusätzlich etwas bezahlen müssen . Ob das wirklich
die Sozialpolitik ist, die die linke Seite des Hauses an
dieser Stelle betreiben will, wage ich zu bezweifeln .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN)


Also, machen Sie es sich nicht ganz so einfach . Gu-
cken Sie lieber mal, was wir im Bereich der Gesundheits-
politik in den letzten Wochen und Monaten Großartiges
geleistet haben . Wir haben unser Gesundheitswesen un-
ter qualitativen, humanitären und auch unter Solidaritäts-
gesichtspunkten massiv vorangebracht . Das hat unser
Gesundheitsminister betrieben . Ich will mich ausdrück-
lich bei ihm dafür bedanken, dass er es so offensiv und
klar betrieben hat .

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814005300

Vielen Dank . – Jetzt hat der Kollege Harald Weinberg,

Fraktion Die Linke, das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814005400

Vielen Dank, Frau Präsidentin . – Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Liebe Menschen auf der Tribüne! Ich
muss, obwohl es von meiner kurzen Redezeit abgeht,

Dr. Georg Nüßlein






(A) (C)



(B) (D)


kurz etwas dazu sagen, was Sie, Herr Nüßlein, zum The-
ma Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen gesagt ha-
ben . Die Gesundheitsversorgung von Menschen ist ein
Menschenrecht, und es ist nicht einzuschränken .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Das System der Behandlungsscheine ist mit diesem Men-
schenrecht nicht vereinbar . Es ist bürokratisch, es ist teu-
rer, und es führt dazu, dass Leute, die eine Behandlung
brauchen, keine Behandlung bekommen . Das führt zu
Folgekosten, zur Chronifizierung von Krankheiten, weil
Fachfremde darüber entscheiden, wer einer Behandlung
bedarf und wer keine Behandlung bekommen soll . Das
hat bereits zu gravierenden Fehlentscheidungen geführt .
Wir müssen in der Tat davon wegkommen und die Ein-
führung der Gesundheitskarte voranbringen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt aber zum Haushalt . Schon die ganze Woche fei-
ern Sie hier die schwarze Null, wie einst das goldene
Kalb gefeiert wurde – kein Blick nach links oder rechts,
nur Starren auf die schwarze Null, kein Blick darauf, wie
die Infrastruktur dieser Gesellschaft auf Verschleiß fährt .
Das gilt übrigens auch für den Krankenhausbereich, in
dem es einen Investitionsstau von über 50 Milliarden
Euro gibt . Sie verlieren kein Wort darüber, in welche
Taschen Sie greifen, um das Ziel der schwarzen Null zu
erreichen . Sie betreiben – und das nicht nur im Gesund-
heitsbereich, aber dort sehr systematisch – eine Haus-
haltssanierung auf Kosten der Beitragszahlerinnen und
-zahler .

Ja, ich weiß: Sie haben den Bundeszuschuss zur GKV,
den Sie in den letzten Jahren drastisch heruntergefahren
haben, um den Haushalt zu sanieren, jetzt wieder auf
14 Milliarden Euro angehoben . Im Wahljahr 2017 wird
er sogar auf 14,5 Milliarden Euro steigen . Sie feiern sich
also dafür, dass Sie eine Kürzung zurückgenommen ha-
ben . Welch eine grandiose Leistung!


(Beifall bei der LINKEN)


Nun ist der Bundeszuschuss kein Almosen; er ist be-
gründet . Er ist damit begründet, dass mit ihm gesamt-
gesellschaftliche Aufgaben der Gesundheitsversorgung
finanziert werden sollen. Dazu zählt zum Beispiel die
beitragsfreie Mitversicherung von nicht erwerbstäti-
gen Ehegatten, Lebenspartnern, Kindern und Jugend-
lichen oder die Beitragsfreiheit während Mutterschutz
und Elternzeit . Die Kassen rechnen da Kosten von fast
34 Milliarden Euro zusammen – mehr als das Doppelte
von dem, was jetzt eingestellt wurde . Aber auch, wenn
man die Rechnung der Kassen anzweifelt – was ich nicht
tue –, ist festzuhalten: Schon im Jahre 2010 hielt man
sogar 15,7 Milliarden Euro Bundeszuschuss für notwen-
dig . Seitdem sind die allgemeinen Gesundheitsausgaben
um mehr als 25 Prozent, also um mehr als ein Viertel,
gestiegen . Also müsste der Bundeszuschuss ebenfalls um
mindestens 25 Prozent ansteigen, also mindestens auf
17,5 Milliarden Euro im Jahr 2016 und auf 18 Milliarden
Euro im Jahr 2017 .

Dass er das nicht tut, bedeutet zweierlei: Erstens . Die
Festlegung des Bundeszuschusses ist willkürlich, an kei-
ne Regel gebunden, außer vielleicht, Herrn Schäuble zu
erfreuen . Es wird dringend Zeit, dass man über eine Re-
gelbindung des Bundeszuschusses nachdenkt und sie auf
den Weg bringt .


(Beifall bei der LINKEN)


Zweitens bedeutet das, dass die genannten gesamtge-
sellschaftlichen Aufgaben zu einem übergroßen Teil von
den Versicherten aus ihren Beitragsmitteln bezahlt wer-
den, und das ist nicht in Ordnung .


(Beifall bei der LINKEN)


Damit aber nicht genug . Sie haben in gleich drei Ge-
setzen Ausgabenposten vorgesehen, die sachfremd aus
Beitragsmitteln der Versicherten finanziert werden sol-
len, obwohl es sich zweifelsfrei um gesamtgesellschaft-
liche Aufgaben handelt . Das betrifft das Versorgungs-
stärkungsgesetz und dort den Innovationsfonds . Für
innovative Versorgungsformen und begleitende Versor-
gungsforschung sollen 300 Millionen Euro bereitgestellt
werden . Schön, dass es den gibt, eine gute Sache! Das
kommt hoffentlich allen zugute und sollte daher auch
von allen – also aus Steuermitteln – finanziert werden
und nicht nur von den Beitragszahlern .


(Beifall bei der LINKEN)


Präventionsgesetz: Hier ist insbesondere die sach-
fremde Finanzierung der Bundeszentrale für gesundheit-
liche Aufklärung zu kritisieren . Ob deren Kampagnen
nun gut sind oder nicht, darüber kann man streiten . Ganz
sicher sind sie schon der Sache nach nicht auf die Versi-
chertengemeinschaft zu reduzieren und folglich gesamt-
gesellschaftlich aus Steuermitteln zu finanzieren.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schließlich das Krankenhausstrukturgesetz: Auch
über den Strukturfonds, der über den Gesundheitsfonds
ebenfalls aus Beitragsmitteln finanziert wird, kann man
unterschiedlicher Meinung sein . Er soll dazu dienen,
Überkapazitäten im Krankenhaussektor durch Umwand-
lung in andere Einrichtungsformen abzubauen . Mit an-
deren Worten: Er soll dazu dienen, Krankenhäuser zu
schließen, was ihm auch den despektierlichen Bei- oder
Spitznamen „Abwrackprämie“ eingebracht hat . Interes-
sant ist dabei, dass das Gesetz hier eine Kofinanzierung
durch die Länder vorsieht; das – nur am Rande – tut un-
ser Änderungsantrag zur Investitionsförderung im Kran-
kenhausbereich auch, wird aber von der Mehrheit dieses
Hauses – leider – immer abgelehnt . Es handelt sich aber
um eine Art Investitionsförderung des Bundes für die
Bundesländer, nur eben aus der Kasse der Beitragszahler .
Da gehen 500 Millionen Euro raus, und das ist nicht in
Ordnung .


(Beifall bei der LINKEN)


Rechnen wir zusammen, so stellen wir fest, dass sich das
auf mehrere Milliarden Euro summiert .

Nach der faktischen Abschaffung der paritätischen Fi-
nanzierung schauen die Arbeitgeber dem relativ gelassen

Harald Weinberg






(A) (C)



(B) (D)


zu; denn ihr Beitragsanteil ist auf 7,3 Prozent eingefroren .
Zahlen muss die Zeche der Beitragszahler allein – mittels
Zusatzbeiträgen, und die steigen bekanntlich von durch-
schnittlich 0,9 Prozent im Jahre 2015 auf 1,1 Prozent im
nächsten Jahr . Das hört sich nicht so gewaltig an, wenn
man es in Prozent ausdrückt, aber 0,9 Prozent Zusatz-
beitrag bedeuten 11,8 Milliarden Euro und 1,1 Prozent
rund 14,5 Milliarden Euro . Das ist schon eine ordentli-
che Summe, die den Beitragszahlern einfach zusätzlich
aufgebürdet wird . Das wird 2017 nicht aufhören, son-
dern weitergehen . Das heizt gleichzeitig den Wettbewerb
zwischen den Kassen an, der schon jetzt merkwürdige
Blüten treibt . Das Ganze, liebe SPD – also der Griff in
die Kassen und die Abschaffung der Parität –, geschieht
mit Ihrer gefälligen Zustimmung . Erklären Sie das ein-
mal Ihren Wählerinnen und Wählern! Oder umgekehrt:
Es erklärt, warum Sie bei den Umfragen nicht aus dem
25-Prozent-Verließ herauskommen .


(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Wie viel Prozent hatten Sie noch mal?)


Ich kann Ihnen nur raten: Bewegen Sie sich, bevor es
zu spät ist – am besten durch die gemeinsame Einfüh-
rung einer solidarischen Bürgerinnen- und Bürgerversi-
cherung!


(Beifall bei der LINKEN)


Unsere Änderungsanträge sind gut und sind gegenfi-
nanziert .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814005500

Kommen Sie bitte zum Schluss, Herr Kollege Wein-

berg .


Harald Weinberg (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814005600

Letzter Satz: Sie werden leider wie jedes Jahr über-

wiegend ungelesen abgelehnt werden . Das ist aber nicht
schlimm; denn sie sind ja nicht für Sie geschrieben, son-
dern damit die Menschen in diesem Land sehen, dass es
eine Alternative gibt .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN – Dagmar Ziegler [SPD]: Wie viel hatten Sie noch mal bei der Wahl?)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814005700

Vielen Dank . – Für die SPD-Fraktion hat jetzt der Kol-

lege Burkhard Blienert das Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Burkhard Blienert (SPD):
Rede ID: ID1814005800

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber

Herr Weinberg, ich glaube, wir sind an der Stelle wirk-
lich programmatisch sauber . Wir haben in diesem Jahr
die Kopfpauschale abgeschafft, wir haben ganz viele Sa-
chen mit auf den Weg gebracht . Wir stehen für die Bür-
gerversicherung – das machen wir auch immer klar –;
denn es gibt eine Zeit nach 2017 . Wir sollten die Zeit bis

2017 nutzen, um gemeinsam gute Gesundheitspolitik zu
machen . Dazu lade ich herzlich ein .


(Beifall bei der SPD)


Wir diskutieren heute den Einzelplan 15, das Budget
des Bundesgesundheitsministeriums . Wie immer geht es
nicht nur um die steuerfinanzierten Ausgaben, sondern
auch um Gesundheitspolitik im Ganzen .

In den letzten Wochen und Monaten haben wir hier
im Bundestag eine Vielzahl von Verbesserungen für den
Gesundheitsbereich beschlossen .


(Beifall bei der SPD)


Wir haben umfassende Verbesserungen im Bereich der
Pflege, der Krankenhausstruktur, der Prävention und der
Hospiz- und Palliativversorgung verabschiedet . Dies ist
heute schon genannt worden . Wir haben das gemacht,
weil es notwendig geworden ist, da sich seit Jahren das
Gesundheitssystem strukturell und gesellschaftlich ver-
ändert hat .

Jeder, der sich jemals mit Gesundheitspolitik befasst
hat, weiß, dass Reformen im Gesundheitsbereich wahr-
lich nicht einfach sind . Es ist oftmals schwer, die viel-
schichtigen Interessenlagen zwischen Ärzten, Pflegen-
den und Patienten, Krankenkassen und Krankenhäusern
und Bund und Ländern – um nur einige Akteure zu nen-
nen – unter einen Hut zu bringen . Trotzdem konnten wir
diese wichtigen Beschlüsse fassen .

Zur Wahrheit bei allen Maßnahmen gehört natürlich
auch – das verschweige ich nicht –: Sie lassen sich nicht
immer durch Effizienzmaßnahmen durchsetzen, es ist
nicht immer nur eine Frage der Effektivität . Es sind zu-
sätzliche notwendige Leistungen in der Pflege, im Kran-
kenhaus und für die ärztliche Versorgung, die bezahlt
werden müssen . Das führt zu steigenden Kosten .

Die Frage der Finanzierbarkeit hat immer eine hohe
Priorität. Nicht alles Wünschenswerte ist finanzierbar.
Die Große Koalition braucht diese Frage aber nicht zu
fürchten . Wir haben die Kostenfrage immer offen kom-
muniziert und nur das Machbare beschlossen . Mit den
angesprochenen Beschlüssen waren wir bereit, Milliar-
den an Beitragsmitteln in die Verbesserung und in die
Qualität der medizinischen Versorgung zu investieren .
Ich glaube, das ist gut angelegtes Geld .


(Beifall bei der SPD)


Aktuell geht es nun darum, den Bundeshaushalt 2016
zu beschließen und im Einzelplan 15 festzulegen, was
zusätzlich steuerfinanziert werden soll. Gemessen an den
Summen, die aus den Versicherungsbeiträgen finanziert
werden müssen, ist das ein relativ kleiner Anteil am Ge-
sundheitssystem . Aber auch hier gilt: Die zur Verfügung
stehenden Mittel müssen sinnvoll und zielführend einge-
setzt werden für mehr an Leistung und für mehr an Qua-
lität .

Ich bin dankbar, dass die guten Beratungen zum Haus-
haltsentwurf der Bundesregierung den Einzelplan besser
gemacht haben . Es ist im Zuge der parlamentarischen
Beratung gelungen, weitere Verbesserungen zu veran-
kern . Insgesamt werden nun für den Bereich Gesundheit

Harald Weinberg






(A) (C)



(B) (D)


14,6 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, 2,5 Milliar-
den Euro mehr als im Vorjahr . Das hat natürlich mit dem
Gesundheitsfonds zu tun; das ist angesprochen worden .
Der Zuschuss umfasst nun 14,066 Milliarden Euro, wenn
ich mich recht erinnere . Allen Unkenrufen zum Trotz, die
es auch gab, haben wir Wort gehalten und die Haushalts-
mittel wie versprochen erhöht . Die darüber hinaus ver-
fügbaren Mittel haben wir nach intensiven Beratungen
in den Arbeitsgruppen, in den Fraktionen und im Dialog
mit dem Ministerium zielführend auf die einzelnen Titel-
gruppen des Einzelplans verteilt . Es ist uns beispielswei-
se gelungen, Mittel für wichtige Projekte der Migration,
der Kindergesundheit und der Drogenprävention zur Ver-
fügung zu stellen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir geben daher die richtigen Antworten auf drängende
Herausforderungen .

Das Flüchtlingsthema – es ist schon angesprochen
worden – bestimmt seit Monaten die öffentliche Debat-
te . Die Herausforderungen, die dadurch entstehen, dass
Flüchtlinge nach Europa und insbesondere in unser Land
kommen, beschäftigen die Menschen . Wir sind in der
Verantwortung, die entsprechenden Antworten zu geben:
den Menschen, aber auch den Ländern, den Kommunen,
den Landräten und den Bürgermeistern – auch im Hin-
blick auf die Gesundheitsversorgung .

Die Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen ist eine
der zentralen Aufgaben . Wir müssen den Gesundheits-
schutz von Flüchtlingen unkompliziert und umfassend
gewährleisten .


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb ist die Gesundheitskarte der richtige Weg, die
Möglichkeit, diese einzuführen, die richtige Antwort .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben im Einzelplan 15 ergänzend zu den in an-
deren Einzelplänen verankerten Geldern auch Mittel für
Migration etatisiert . 500 000 Euro – das klingt wenig –
stehen zunächst zur Verfügung . Das ist ein gutes Zeichen .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist zu wenig!)


Aber auch im Bereich der Kindergesundheit geschieht
im kommenden Jahr viel . Wir hatten in diesem Bereich
bereits in den zurückliegenden Haushaltsjahren beacht-
liche Mittelzuwächse . Nun ist ein weiterer Mittelauf-
wuchs um 500 000 Euro im Einzelplan enthalten, der
vielen Projekten helfen wird . Das Thema Übergewicht,
Adipositas im Kinder- und Jugendalter ist angesprochen
worden . Für diesen Bereich stehen fast 800 000 Euro zur
Verfügung . Auch die Weiterentwicklung der medizini-
schen Versorgung von Kindern und Jugendlichen wird
gefördert . Seit 2014 haben sich die Mittel für den Bereich
Kindergesundheit verfünffacht . Ich glaube, darauf kann
man mit Stolz hinweisen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein Bereich ist mir besonders wichtig . Das ist der
Bereich „Drogen und Sucht“ . Es ist gut, dass wir hier
viele Schwerpunkte gesetzt haben . Insgesamt stehen im
Einzelplan 15 für Aufklärungsmaßnahmen auf dem Ge-
biet des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs Ausgaben
in Höhe von 8,7 Millionen . 4,3 Millionen Euro stehen
für Modellprojekte zur Verfügung. Davon fließen in neue
Projekte 1,9 Millionen Euro . Auch das ist positiv heraus-
zustellen .

Das betrifft zum Beispiel Projekte im Bereich Alko-
hol . Wir haben die neuen Zahlen erst vor wenigen Tagen
zur Kenntnis genommen . Nach diesen Zahlen müssen
weniger Jugendliche wegen eines Alkoholrausches im
Krankenhaus behandelt werden . Dieser Rückgang ist po-
sitiv und erfreulich . Trotzdem dürfen wir an dieser Stelle
nicht nachlassen . Dementsprechend haben wir die Mittel
erhöht .

Vor wenigen Tagen haben wir auch den Tabakatlas
2015 zur Kenntnis nehmen können . Auch in diesem Be-
reich sind erfolgreiche Projekte zur Minimierung der
Nikotinabhängigkeit, aber auch zur Verringerung der
Tabakrauchbelastung von Kindern wichtig . Neu wurden
Projekte in diesem Bereich mit 157 000 Euro etatisiert .
Das ist ein kleiner, aber wichtiger Betrag .

In der letzten Woche haben wir in Uruguay feststellen
können, dass wir uns in bestimmten Bereichen nicht ver-
stecken müssen. Bei uns gibt es Defizite, aber auch posi-
tive Entwicklungen . Der Bereich „Cannabis als Medizin“
bedarf auch bei uns, wenn wir das durchgesetzt haben,
der Evaluierung und der wissenschaftlichen Begleitung .
Das ist eine Aufgabe, die wir im kommenden Haushalt
unbedingt einplanen müssen . Darauf müssen wir einen
Schwerpunkt legen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Für die Entwicklung von Präventionsangeboten im
Bereich Amphetamine stehen jetzt 370 000 Euro im
Haushalt . Auch das begrüße ich sehr . Ich freue mich sehr
darüber .

Zur E-Zigarette sind Forschungsaufträge vergeben
worden. Insgesamt werden zurzeit drei Projekte finan-
ziert . Das ist etwas, was ich ebenfalls ausdrücklich un-
terstütze .

Auch im Bereich HIV/Aids gibt es weitere Mittel .
Rund 1,6 Millionen Euro stehen für Forschungs- und
Entwicklungsvorhaben zur Verfügung . Diese Fortent-
wicklung ist uns wichtig .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Mit diesem Haushalt wird die Gesundheitsversorgung
aller – ich betone: aller – in Deutschland lebenden Men-
schen gesichert, ohne die Sozialsysteme und den Staats-
haushalt in unverantwortlicher Weise zu belasten . Das
ist eine gute Entwicklung . Ich bitte um Zustimmung zu
diesem Einzelplan .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Burkhard Blienert






(A) (C)



(B) (D)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814005900

Danke . – Nächste Rednerin ist Maria Klein-Schmeink,

Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kol-
legen! Sehr geehrter Herr Minister! Bevor wir in eine
allgemeinpolitische Debatte eintreten, will ich auf mei-
ne Vorredner und Vorrednerinnen eingehen, die sich zur
Problematik der Versorgung von Flüchtlingen geäußert
haben . Zu Recht ist vorhin gesagt worden: Das ist eine
zutiefst menschliche, humanitäre und existenzielle Auf-
gabe . Ich glaube, wir sollten uns alle zusammen noch
einmal genau anschauen, wie die Situation aussieht . Ich
meine, es besteht extremer Handlungsbedarf, und dem
muss man sich stellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg . Petra Hinz [Essen] [SPD])


Ich will Ihnen das an ein paar Beispielen deutlich ma-
chen .

Erstens . Wir diskutieren im Moment viel über die
Gesundheitskarte . Wir werden weiterhin ein großes Pro-
blem haben, wenn die Definition der eingeschränkten
Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge im Asylbewer-
berleistungsgesetz so, wie sie dort steht, bestehen bleibt .
Das würde auch in Zukunft Probleme aufwerfen . Dies
müssen Sie, insbesondere Sie von der Union, endlich
überdenken .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN sowie der Abg . Mechthild Rawert [SPD])


Zweitens . Wir haben die EU-Schutzrichtlinie noch im-
mer nicht umgesetzt . Auch das hat große Bedeutung für
den Bereich der gesundheitlichen Versorgung . Ich spre-
che Sie ganz konkret an, Minister Gröhe . Es wird ganz
dringend notwendig sein, gerade die besonders Schutz-
bedürftigen im gesundheitlichen Bereich in besonderer
Weise in Augenschein zu nehmen und Regelungen zu
treffen, die sicherstellen, dass es eine adäquate Versor-
gung geben wird . Auch da haben wir bisher Probleme .

Drittens . Beim neuen Paket zum Asylrecht sehe ich er-
hebliche Einschränkungen gerade für den Personenkreis
von psychisch Erkrankten, von denjenigen, die Traumata
erlitten haben . Da wollen Sie die Abschiebehindernis-
se aufheben . Sie wollen neue Regelungen schaffen, die
dazu führen, dass gerade dieser so besonders bedräng-
te Personenkreis tatsächlich abgeschoben werden kann .
Gleichzeitig sollen psychische Erkrankungen nicht als
Abschiebehindernis anerkannt werden. Ich finde, das ist
ein Unding .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben in den Haushaltsberatungen eine kleine
Summe in Höhe von 50 Millionen Euro gefordert, mit
der wir neue modellhafte Versorgungsformen, übergrei-
fende Versorgungsformen für genau diesen Personen-

kreis möglich machen und die Arbeit der psychosozialen
Zentren absichern wollten . Es war hier in diesem Haus
nicht möglich, dies zu verabschieden. Auch das ist, finde
ich, ein großes Dilemma .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kommen wir zu den anderen Punkten . In der Tat geht
es bei einer Haushaltsdebatte im Gesundheitsbereich
eigentlich um nur einen ganz kleinen Teil der Kosten
und Ausgaben, die wir im Gesundheitsbereich haben .
Das Wesentliche wird über die GKV ausgegeben . Mit
220 Milliarden Euro werden wir 2016 einen Rekordstand
bei den Ausgaben haben . Da müssen wir uns natürlich
fragen: Sind wir mit all dem, was wir ausgeben, wirk-
lich so aufgestellt, dass wir auch für die Zukunft eine
gute Versorgung für alle Patientenkreise zur Verfügung
stellen können? Ich meine, da sind große Fragezeichen
angebracht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister, ich habe durchaus Lob für Ihre hand-
werklich gute Arbeit . Sie haben hier fünf Gesetze stramm
durchgezogen . Aber wir müssen uns fragen: Ist stramm
auch gleichzeitig gut? Ist wirklich das angepackt wor-
den, was angesichts des großen Reformstaus im Gesund-
heitswesen anzupacken ist? Auch da muss ich sagen: Wir
sind nur bis zur halben Strecke gekommen . Die großen
Themen sind auf die nächste Wahlperiode vertagt . Das ist
nicht in Ordnung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Tino Sorge [CDU/CSU]: Wer sagt das? Nennen Sie doch mal ein paar Beispiele!)


Ich will Ihnen das an ein paar Themen deutlich ma-
chen .

Erstens . Im Krankenhausbereich haben wir eine große
Lücke im Bereich der Investitionsförderung . Da haben
Sie trotz des großen Verfahrens mit Bund und Ländern
keine Lösung gefunden .


(Widerspruch bei der CDU/CSU)


Wir haben Ihnen eine hälftige Finanzierung vorgeschla-
gen .

Zweitens . Wir haben ein großes Problem bei der Per-
sonalbemessung im stationären Bereich . Da haben Sie
zwar ein Gutachten in Auftrag gegeben,


(Tino Sorge [CDU/CSU]: Sagen Sie mal was zum Pflegeprogramm!)


aber auch da ist die Lösung auf die nächste Wahlperiode
vertagt worden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drittes Thema: Personalbemessung in der Pflege.
Auch da soll es ein Gutachten geben . Auch das wurde
auf die nächste Wahlperiode vertagt .

Ich sage Ihnen eines: Genau dies können wir uns nicht
weiter erlauben . Denn das sendet ein ganz schwieriges
Signal an all diejenigen, die schon heute am Rande ihrer
Kräfte in diesen Bereichen arbeiten . Sie erhalten näm-
lich gerade nicht das richtige Argument, nicht die richti-






(A) (C)



(B) (D)


ge Bestätigung für ihre Arbeit, und sie wissen: An ihren
Arbeitsbedingungen sowohl im Krankenhaus als auch
in der Altenpflege wird sich nichts Entscheidendes ver-
ändern . Diese Reformen wurden wieder auf die nächste
Wahlperiode vertagt, ausgerechnet in einer Zeit, in der
wir genau wissen, dass wir vielleicht nicht mehr mit ei-
ner guten Konjunktur rechnen können, sondern diese we-
sentlichen Schritte eventuell unter anderen finanziellen
Vorzeichen gehen müssen . Ich sage Ihnen: Das können
wir uns nicht erlauben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Kommen wir zu dem gesamten Bereich der Einnah-
mensituation .


Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814006000

Das müsste aber kurz gehen, Frau Kollegin Klein-

Schmeink .


(Heiterkeit)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Bisher, Herr Minister, sind Sie Ausgabenkönig, aber
Sie haben nicht für eine nachhaltige Finanzierung ge-
sorgt . All die zusätzlichen Ausgaben in diesem Bereich,
die es jetzt gibt – 5,4 Milliarden Euro allein bis 2017 –,
werden nur durch die Zusatzbeiträge der Versicherten fi-
nanziert . Das ist zutiefst ungerecht .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Das ist falsch!)


Das ist eine einseitige Belastung . Hier brauchen wir drin-
gend ein Umdenken . Wir brauchen wieder die paritäti-
sche Finanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer .
Da, meine Damen und Herren von der SPD, sind Sie zu-
tiefst in der Schuld . Hier müssen wir umdenken .


(Beifall der Abg . Pia Zimmermann [DIE LINKE])


Als Ausblick auf die Zukunft muss ich sagen: Wir
brauchen eine Bürgerversicherung . Aber im ersten Schritt
geht es nun um die Abschaffung der Zusatzbeiträge auf
dem Weg hin zu einer paritätischen Finanzierung .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814006100

Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege

Michael Hennrich, CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Michael Hennrich (CDU):
Rede ID: ID1814006200

Liebe Frau Kollegin Klein-Schmeink, als ich eben auf

meinem Platz saß, hatte ich Sie im Blick; jetzt habe ich
Frau Präsidentin Ulla Schmidt hinter mir . Das erinnert
mich an rot-grüne Zeiten, in denen wir von Defiziten in

Höhe von 5 Milliarden Euro gesprochen und über Spar-
gesetze diskutiert haben .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, ja! Das waren aber auch ganz andere konjunkturelle Zeiten!)


Deswegen will ich ausdrücklich betonen, was wir in
dieser Legislaturperiode geleistet haben . Wir haben ver-
schiedene Dinge in Angriff genommen: Wir haben die
Krankenhäuser auf eine solide finanzielle Basis gestellt.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na, eben nicht!)


Wir haben das Thema Pflege, das uns über Jahre auf
den Nägeln gebrannt hat, in den Griff bekommen und
für Leistungsverbesserungen gesorgt . Da Sie die Inves-
titionskostenfinanzierung der Krankenhäuser angespro-
chen haben, sage ich Ihnen: Sie sollten vor der eigenen
Türe kehren und sich einmal anschauen, wie es in Ba-
den-Württemberg und Nordrhein-Westfalen um dieses
Thema bestellt ist .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, von den rund
15 Milliarden Euro, die im Einzelplan 15, im Gesund-
heitshaushalt, enthalten sind, geben wir 14,5 Milliarden
Euro als Bundeszuschuss an die gesetzliche Krankenver-
sicherung, und 500 Millionen Euro stehen für allgemeine
Aufgaben zur Verfügung . Deswegen stehen in meinem
Fokus die Fragen: Gehen wir mit diesen Steuermitteln
sorgfältig um? Sind sie klug und vernünftig investiert?

Ein guter Freund von mir hat mich vor der Sommer-
pause gefragt: Was würdest du machen, wenn es das
Thema Flüchtlinge nicht gäbe? – Da habe ich kurz auf-
gezählt, was wir in den letzten Wochen und Monaten auf
den Weg gebracht haben: Krankenhausstrukturgesetz,
E-Health-Gesetz, Pflegestärkungsgesetz II, Palliativ- und
Hospizgesetz, Pflegeberufegesetz; hinzu kommt das Ge-
setz zum Thema Sterbehilfe . Bis auf das Gesetz zur Ster-
behilfe sind das alles Gesetze, die Leistungsverbesserun-
gen beinhalten, die dafür sorgen, dass wir mehr Geld ins
System bringen, Strukturveränderungen finanzieren und
mehr Effizienz und Qualität bekommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage
auch ganz offen: Ich habe in den letzten Monaten und
Jahren erleben können, was es bedeutet, dass wir eine
gute wirtschaftliche Entwicklung in unserem Land haben,
dass Arbeitnehmer und Unternehmen mit ihren Beiträgen
dafür sorgen, dass die gesetzliche Krankenversicherung
solide finanziert ist. Wir sollten bei allen Diskussionen
über eine paritätische Finanzierung im Blick haben, dass
hier Großartiges geleistet wird: von den Arbeitnehmern,
aber auch von den Unternehmen, vom Mittelstand, von
den Handwerkern und von den Freiberuflern. Deswegen
an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wenn es um die Frage geht: „Gehen wir mit den Fi-
nanzmitteln sorgfältig um?“, dann muss ich sagen, dass
es schon das eine oder andere Mal Bauchgrimmen gab,
etwa beim Präventionsgesetz oder als es um die Frage
ging: Wie viel Geld stellen wir den Krankenhäusern zur

Maria Klein-Schmeink






(A) (C)



(B) (D)


Verfügung? Ich will diesen Aspekt am Beispiel des Prä-
ventionsgesetzes deutlich machen, weil das Thema Prä-
vention auch im Haushalt ein Schwerpunkt ist . Wenn wir
sagen: „Wir wollen unser Gesundheitssystem zukunfts-
fest machen“, dann ist es, glaube ich, schon wichtig, dass
wir auch das Thema Prävention aufgreifen . Natürlich
bedeutet Prävention für jeden Einzelnen in erster Linie
ein Stück Selbstverantwortung . Aber ich glaube, es ist
gut und richtig, dass wir uns darum kümmern und gezielt
Schwerpunkte setzen .

Ich bin Ihnen dankbar, Herr Minister Gröhe, dass Sie
insbesondere im Bereich Diabetes einiges auf den Weg
gebracht haben und zusätzlich 1,6 Millionen Euro zur
Verfügung stellen . Ich möchte mich an dieser Stelle auch
bei dem Kollegen Monstadt ausdrücklich bedanken, der
einen Schwerpunkt seiner Arbeit in diesem Bereich hat .
Beim Thema Prävention geht es auch um die Frage: Wie
können wir Volkskrankheiten vermeiden? Überlegen wir
einmal: Im Bereich Diabetes geben wir pro Jahr circa
40 Milliarden Euro aus . Deswegen ist das hier investierte
Geld gut angelegt .

Aber wenn wir über Diabetesprävention sprechen,
dann geht es nicht nur um die Prävention, sondern es
geht auch um Grundlagen und um die Fragen: Haben wir
ausreichend Informationen? Wie ist es um die Versor-
gung der Patientinnen und Patienten bestellt? Wie sieht
Diabetes im Krankenhausalltag aus? Wie sieht Diabetes
mit Blick auf die Bewertung und das AMNOG aus? All
das sind Fragen zur Versorgung, die das Ministerium ge-
zielt aufgreift, weil es diesen Bereich als Schwerpunkt
ansieht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte ein Gesetz aufgreifen, das nicht unmittel-
bar oder relativ wenig Geld kostet: das E-Health-Gesetz .
Ich sage Ihnen ganz offen: Das ist für mich der Bereich,
bei dem ich in dieser Legislaturperiode die meisten Er-
wartungen habe, weil das E-Health-Gesetz dazu beitra-
gen kann, dass wir Effizienzreserven heben, dass wir
mehr Qualität ins System bekommen


(Hilde Mattheis [SPD]: Und es kostet nichts!)


und es relativ preisgünstig, Frau Mattheis, zu haben ist .

Im Zusammenhang mit E-Health werden wir uns mit
weiteren Fragen auseinandersetzen müssen, die ich hier
kurz skizzieren will . Wie gehen wir mit Daten um? Zu
welchen Zwecken nutzen wir sie? Wie können wir das
zum Beispiel mit dem Thema Versorgungsforschung
kombinieren? Auch dazu haben wir in diesem Haushalt
einen Schwerpunkt gesetzt .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben
die ersten zwei Jahre relativ viel Geld in die Hand ge-
nommen, um Strukturen zu verändern und zu verbessern .
Es wird jetzt unsere Aufgabe sein, im zweiten Teil der
Legislaturperiode zu schauen, dass wir den Ausgaben-
anstieg dämpfen . Ich als Arzneimittelpolitiker sehe das
mit einem gewissen Grausen und einem gewissen Schre-
cken . In der letzten Legislaturperiode haben wir im Be-
reich Arzneimittel 20 Milliarden Euro an Einsparungen
erzielt . Ich wäre schon ganz zufrieden und glücklich,
wenn wir dazu ein ausgewogenes Konzept hätten . Gera-

de in diesem Bereich gibt es zahlreiche Maßnahmen, die
kein Geld kosten und die für Strukturveränderungen und
Strukturverbesserungen sorgen .

Ich möchte zum Schluss zwei Themen aufgreifen, die
wir im Blick haben sollten und die uns in den nächsten
Wochen und Monaten sicherlich beschäftigen werden .
Sie, Frau Klein-Schmeink, haben zu Recht das Thema
der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen ange-
sprochen


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist damit?)


und den eingeschränkten Leistungskatalog kritisiert . Ich
sage Ihnen: Ich habe die Debatten und Diskussionen in
den Jahren 2002 bis 2007 erlebt, als es um die Frage
ging: Werden Flüchtlinge oder Asylbewerber besser ge-
stellt als gesetzlich Versicherte? Wir haben die bisherigen
Regelungen entsprechend korrigiert .

Es ist richtig: Das Asylbewerberleistungsgesetz ent-
hält einen eingeschränkten Leistungskatalog für die me-
dizinische Versorgung . Aber ich will Ihnen auch sagen,
was „eingeschränkter Leistungskatalog“ ganz konkret
bedeutet .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, genau!)


Wenn ein Asylbewerber mit einer Krebserkrankung
nach Deutschland kommt, erhält er eine ausreichende
Versorgung . Das kann in konkreten Zahlen teilweise
100 000 Euro pro Patient bedeuten .


(Maria Michalk [CDU/CSU]: Steuerfinanziert!)


Auch da sind wir in der Verantwortung – die Kollegin
Michalk hat zu Recht das Stichwort eingeworfen –: Die-
ses Geld ist steuerfinanziert. Wir müssen kluge Konzepte
entwickeln, wie wir diese Ausgabendynamik vielleicht in
den Griff bekommen; denn am Ende tragen die Länder
und Kommunen diese Kosten .

Ich sage ganz offen: Ich habe in Richtung Pharmain-
dustrie den einfachen Vorschlag, dass wir die Preise be-
zahlen, die in den Ländern gelten, aus denen die Flücht-
linge kommen .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist die Alternative? Nicht behandeln?)


Aber dafür müssen wir ein Lösungskonzept finden.


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist die Alternative, nicht zu behandeln? Das kann nicht sein!)


– Nein, wir übernehmen die Kosten . Das halte ich auch
für absolut richtig . Trotzdem müssen wir die damit ver-
bundenen Finanzierungsfragen angehen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was bedeutet das? Sollen die sterben oder was? Absolut herzlos!)


Michael Hennrich






(A) (C)



(B) (D)


Letztes Thema – Herr Minister, da bitte ich Sie um
Unterstützung –: die Nationale Kohorte . Dabei geht es
um Gesundheitsforschung, die ja auch ein Schwerpunkt
Ihrer Arbeit ist . Wir haben schon viel über Prävention
und Kinder gesprochen . Zurzeit wird in Deutschland eine
große Gesundheitsstudie durchgeführt, die auf einige
Jahre angelegt ist . Sie umfasst rund 200 000 Menschen .
Es geht dabei darum, bei großen Volkskrankheiten – Di-
abetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Adipositas –
neue Erkenntnisse für Prävention, Diagnostik und The-
rapie zu gewinnen .

Diese Studie hat ein kleines Manko . Sie umfasst näm-
lich keine Kinder . Sie gilt für Leute ab 18 Jahren . Wenn
wir aber über vermeidbare Volkskrankheiten sprechen
und beim Thema „Prävention für Kinder“ ebenfalls an-
setzen wollen, wäre es meines Erachtens richtig und gut,
die Kinder mit in die Studie einzubauen . Vollkommen
klar ist, dass das auf Freiwilligkeit basieren muss . Es darf
nicht mit massiven Eingriffen bei Kindern verbunden
sein . Ich wäre Ihnen aber dankbar, wenn Sie sich noch
einmal um dieses Thema kümmern würden .

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte
um Zustimmung zum Haushalt .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Ulla Schmidt (SPD):
Rede ID: ID1814006300

Vielen Dank . – Nächster Redner ist der Kollege Edgar

Franke, SPD-Fraktion .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Edgar Franke (SPD):
Rede ID: ID1814006400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Meine SPD-Kollegen haben in dieser Debatte
den Gesundheitsetat bereits zu Recht gelobt . Prävention,
gesundheitliche Aufklärung und Forschung haben in ihm
Priorität, und ich denke, das ist gut so .

Ich möchte zum Schluss der Debatte aber eine Bewer-
tung nicht nur der Zahlen, sondern auch der Gesundheits-
politik vornehmen, weil es ja so ist, dass das meiste Geld,
wie wir alle wissen, über die GKV läuft .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben im letz-
ten Jahr, glaube ich, in der Gesundheitspolitik wirklich
viel erreicht . Wir haben vieles erfolgreich umgesetzt, was
im Koalitionsvertrag steht – fünf stramme Gesetze, hat,
glaube ich, Frau Klein-Schmeink gesagt –, so – das sind
nur Stichworte – das GKV-Versorgungsstärkungsgesetz,
das Präventionsgesetz, Regeln für den Palliativ- und
Hospizbereich, die beiden Pflegestärkungsgesetze und
das Krankenhausstrukturgesetz . Dies führt – das muss
man der Opposition auch einmal sagen – zu einer Ver-
besserung der Versorgung der Menschen .


(Beifall bei der SPD)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben einen en-
gagierten Gesundheitsminister, dem ich auch für die sehr
gute Zusammenarbeit danken möchte . Sie sind ja heute

schon – auch von der Opposition – gelobt worden . Der
rote Faden aber, dem die gesamte Gesundheitspolitik in
den letzten Jahren gefolgt ist, ist – das muss man auch
einmal sagen – ein roter Faden sozialdemokratischer Ge-
sundheitspolitik .


(Beifall bei der SPD)


Herr Minister, Sie haben ja auch einen roten Schlips an .
Insofern passt das auch .

Wir sind – Sie wissen das – die Probleme der flä-
chendeckenden ärztlichen Versorgung auf dem Lande
angegangen, nachdem das Versorgungsstrukturgesetz
von Schwarz-Gelb in den letzten Jahren weitgehend
wirkungslos geblieben ist . Wir haben die Versorgung in
strukturschwachen Gebieten verbessert . Wir werden zu-
lassen, dass Medizinische Versorgungszentren künftig
auch durch Kommunen gegründet werden können . Zum
Januar des nächsten Jahres werden wir Terminservice-
stellen einführen . Dann hat jeder gesetzlich Versicherte
innerhalb von vier Wochen Anspruch auf einen Facharzt-
termin . Auch darauf haben viele gesetzlich Versicherte
gewartet, liebe Kolleginnen und Kollegen .

Wir haben klar gemacht, dass es versorgungspolitisch
nicht vernünftig ist, Überversorgung in einer Region
fortzuschreiben . Über- und Unterversorgung müssen
ausgeglichen werden . Die Anzahl der geförderten Wei-
terbildungsstellen für Allgemeinmediziner wurde um
50 Prozent erhöht . Wir haben die Hausärzte nachhaltig
finanziell gestärkt. Schließlich haben wir mengenanfäl-
lige Eingriffe in Krankenhäusern insofern eingedämmt,
als wir den Anspruch auf eine ärztliche Zweitmeinung
jetzt rechtlich verbindlich gemacht haben . Auch das ist
ein großer Fortschritt sozialdemokratischer Gesundheits-
politik .


(Beifall bei der SPD)


Das Thema Pflege haben wir in diesem Haus – auch
im Fachausschuss – in seinen verschiedenen Ebenen dis-
kutiert . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben eine
Strukturreform durchgeführt . Auch darauf haben wir –
ich schaue gerade Hilde Mattheis an – lange gewartet .
Ich meine natürlich, dass Sie sich politisch und nicht di-
rekt persönlich für die Pflege eingesetzt haben, liebe Frau
Mattheis .

Wir werden 5 Milliarden Euro pro Jahr für Verbesse-
rungen in der Pflege ausgeben. Das ist eine grundlegende
Leistungsverbesserung in der häuslichen und stationären
Altenpflege.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich weiß, dass alle
Menschen gerne in Würde alt werden möchten . Alle wol-
len in ihrer häuslichen Umgebung bleiben . Ich habe in
meiner Heimatstadt lange Jahre eine kommunale mobile
Pflegestation unterstützt, die es älteren Pflegebedürftigen
ermöglicht, im Regelfall zu Hause gepflegt zu werden.
Ich glaube, das muss unser Ziel sein . Menschen müssen
in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können . Das ist
zukunftsorientierte Pflege. Das ist bessere Pflege, und
den Menschen geht es damit besser . Es ist auch in der
Regel günstiger, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Michael Hennrich






(A) (C)



(B) (D)


Ein roter – Faden, um das Bild noch einmal aufzu-
nehmen – unserer Politik ist auch die Verbesserung der
Arbeitsbedingungen des Personals . Wir haben – das sage
ich ausdrücklich in Richtung Linke – den Personalschlüs-
sel und die Bezahlung der Mitarbeiter in Alten- und Pfle-
geheimen verbessert .


(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Personalschlüssel gerade nicht!)


Allein die Zahl der Betreuungskräfte steigt um 20 000 .

Wir haben erreicht – das möchte ich ausdrücklich in
Richtung Grüne betonen –, dass eine tarifliche Bezah-
lung der Mitarbeiter in Alten- und Pflegeheimen von den
Kassen nicht mehr als unwirtschaftlich abgelehnt wird .
Auch das ist eine eindeutige Verbesserung für die Mitar-
beiterinnen und Mitarbeiter .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir alle, die Union und auch wir Sozialdemokraten, wis-
sen: Gute Arbeit in der Pflege hat auch gute Bezahlung
verdient . Das erhöht auch die Attraktivität des Berufs .

Schließlich bekommen wir auch inhaltlich eine grund-
legende Verbesserung, nämlich einen neuen Pflegebe-
dürftigkeitsbegriff und ein neues Begutachtungsverfah-
ren, das den Menschen ganzheitlich betrachtet . Nicht
„satt und sauber“ ist der Maßstab, sondern die indivi-
duellen Bedürfnisse der Menschen sind es . Dafür haben
viele in der Pflegepolitik jahrelang gekämpft, liebe Kol-
leginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, das ist aber nur Teil eins des Problems! Teil zwei fehlt!)


– Es kommt noch etwas, Frau Klein-Schmeink: Men-
schen, die in eine höhere Pflegestufe kommen, müssen
nicht automatisch mehr Geld bezahlen . Früher hatte je-
der, der hochgestuft wurde, Angst, dass er mehr Geld
bezahlen muss . Es gibt keine unterschiedlichen Eigenan-
teile mehr für Pflegebedürftige. Niemand muss mehr
Angst haben . Auch das ist, glaube ich, eine vernünftige
Regelung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das Krankenhausstrukturgesetz, das wir hier auch
kontrovers diskutieren, sorgt ebenfalls für mehr Pflege-
kräfte und für mehr Qualität in der Krankenhausversor-
gung . Es wird Qualitätsanreize in Form von Zuschlägen
geben . Wir strukturieren das Krankenhaussystem neu,
und wir geben auch nicht, wie immer wieder behauptet
wird, weniger Geld, sondern mehr Geld aus, nämlich ins-
gesamt 5 Milliarden Euro pro Jahr . Das ist eine ordentli-
che Summe .

Wir wollen – das finde ich ausdrücklich richtig – das
Geld nicht mit der Gießkanne verteilen, sondern wir wol-
len die Vergütung an die Qualität der Leistung knüpfen .
Das ist der richtige Weg .

Weil gerade die Personalausstattung angesprochen
wurde: Was bringt das Krankenhausstrukturgesetz? Wir
werden nicht nur durch das Pflegestellenförderprogramm

6 000 bis 7 000 zusätzliche Pflegestellen bekommen und
die Personalbemessung im Detail regeln, sondern wir
bekommen nach Auslaufen dieses Programms auch die
Einschätzung einer Expertenkommission zu der Frage,
wie Personalbemessung richtigerweise geregelt und viel-
leicht auch in den DRGs oder durch Zusatzentgelte nor-
miert werden kann . Auch das ist ein großer Fortschritt .
Des Weiteren werden, wenn Tarifabschlüsse die Ober-
grenze von Preiszuwächsen überschreiten, jenseits des
Orientierungswerts die Kosten automatisch hälftig refi-
nanziert . Auch das ist ein großer Fortschritt .

Schließlich und endlich haben wir den Versorgungs-
zuschlag nicht abgeschafft, sondern wir haben ihn in ei-
nen Pflegezuschlag umgewandelt. Das heißt, die Höhe
der Personalkosten ist maßgebend für die Höhe des Zu-
schlags im einzelnen Krankenhaus . Das stützt vor allen
Dingen die kommunalen Häuser, also die Häuser in öf-
fentlicher Hand . Das ist der richtige Weg in der Kranken-
hauspolitik, liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir stärken also die Pflege, und wir haben neben den
drei großen Projekten viel erreicht . Es gibt auch eine gan-
ze Reihe weiterer Vorhaben . Wir diskutieren ein neues
Pflegeberufegesetz, und wir wollen mit einer generalis-
tischen Pflegeausbildung das Bild der Pflege aufwerten.
Wir wollen die Kostenfreiheit der Ausbildung sichern .

Herr Hennrich hat das E-Health-Gesetz angesprochen .
Wir wollen einheitliche und sichere Datenautobahnen
zur Übermittlung medizinischer Daten, um auch damit
die Qualität der Versorgung zu verbessern .

Wir werden im nächsten Jahr – darüber freue ich mich
besonders – ein Antikorruptionsgesetz verabschieden,
damit das Vertrauen in die Integrität heilberuflicher Ent-
scheidungen nachhaltig gestärkt wird; denn es kann nicht
sein, dass jemand Zweifel daran haben muss, dass nicht
allein medizinische, sondern auch monetäre Gründe für
eine Therapieentscheidung maßgebend sind . Auch hier
geben wir Sicherheit und Klarheit in vielen rechtlichen
Regelungen .

Zum Thema Flüchtlinge . Ich glaube, wir sind uns alle
darüber im Klaren – Herr Weinberg hat das zu Recht ge-
sagt –, dass das Recht auf Gesundheitsversorgung ein
Menschenrecht ist . Wir müssen eine ausreichende Ge-
sundheitsversorgung der Flüchtlinge sicherstellen . Ich
bin mir aber sicher, dass diese Regierung auch das reali-
sieren wird .

Noch ein Wort zur Finanzierung, weil wir viele Re-
formen auf den Weg gebracht haben, auch solche, die
nicht gerade billig sind . Die beschlossenen Verbesserun-
gen kosten mehr Geld . Die Krankenkassen haben bereits
Zusatzbeiträge angekündigt . Wir von der SPD waren
und sind immer für die paritätische Finanzierung . Nach
meiner Auffassung dürfen die Arbeitgeberbeiträge nicht
eingefroren werden . Vielmehr müssen Arbeitgeber und
Arbeitnehmer jeweils zur Hälfte alle Kosten im Kran-
kenversicherungsbereich übernehmen .


(Beifall bei der SPD)


Dr. Edgar Franke






(A) (C)



(B) (D)


Wie Sie sehen, gibt es einen roten Faden der Gesund-
heitspolitik, gerade der sozialdemokratischen Gesund-
heitspolitik . Es gibt einen roten Faden im Gesundheits-
haushalt . Der rote Faden in unserer Politik ist die Sicht
der Versicherten .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814006500

Vielen Dank . – Als nächster Redner hat Dietrich

Monstadt von der CDU/CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dietrich Monstadt (CDU):
Rede ID: ID1814006600

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kol-

legen! Meine Damen! Meine Herren! Im Verlauf der
heutigen Debatte über den Einzelplan 15 – Gesund-
heit – ist eines klar herausgestellt worden, wie ich finde:
Das deutsche Gesundheitssystem ist eines der leistungs-
stärksten im internationalen Vergleich . Darauf können
wir alle stolz sein . Die unionsgeführte Gesundheitspoli-
tik ist von ihrem Selbstverständnis her – Herr Kollege
Dr . Franke, Sie erlauben die Bemerkung, dass Sie das
vielleicht noch nicht ganz verinnerlicht haben; da sollten
Sie nacharbeiten – immer darauf ausgerichtet, Probleme
anzugehen und langfristige Entwicklungen möglichst po-
sitiv zu beeinflussen. Dies kann man an den zahlreichen
Gesetzgebungsvorhaben erkennen, die wir vor allem in
den vergangenen zwei Jahren verabschiedet haben . Da-
bei standen jederzeit die Patientinnen und Patienten im
Mittelpunkt unserer Gesundheitspolitik .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit dem Fokus auf noch mehr Qualität und Transpa-
renz in der medizinischen Versorgung wollen wir, dass
dies auch künftig so bleibt . Mein Dank geht an dieser
Stelle an den Minister, das Ministerium sowie die Kol-
leginnen und Kollegen im Gesundheitsausschuss des
Deutschen Bundestages dafür, dass wir es in kürzester
Zeit geschafft haben, die Vorhaben des Koalitionsvertra-
ges so umzusetzen, wie wir es vereinbart haben: fachlich
fundiert, strukturell auf die Zukunft gerichtet, nachhaltig
im Sinne der Generationengerechtigkeit mit Blick auf
unsere Kinder und Enkelkinder . Das ist genau der rich-
tige Weg .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Eine nachhaltige Leistungsfähigkeit ist immer auch an
eine nachhaltige Finanzierung gekoppelt . Reserven von
circa 24 Milliarden Euro sind ein klares Zeichen dafür,
dass die Union mit ihren Partnern über Jahre hinweg
mit Augenmaß die richtigen Entscheidungen getroffen
hat . Das dritte Jahr in Folge steht die schwarze Null im
Bundeshaushalt . Ja, Herr Kollege Weinberg, das ist keine
Selbstverständlichkeit, sondern eine starke parlamentari-
sche Leistung in Zusammenarbeit mit der unionsgeführ-
ten Bundesregierung . Ein herzlicher Dank an dieser Stel-
le allen Haushältern .

Unsere Gesellschaft wird immer älter . Dadurch wer-
den die Ausgaben für die Gesundheitsversorgung lang-
fristig steigen . Eine starke Wirtschaft und eine positive
Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt bilden die Basis
unseres solidarischen Gesundheitswesens . Deshalb war
es die richtige Entscheidung, mit dem GKV-Finanz-
struktur- und Qualitäts-Weiterentwicklungsgesetz den
Arbeitgeberanteil auf 7,3 Prozent festzuschreiben . Wir,
die Union, wollen – da unterscheiden wir uns auch, Herr
Dr . Franke – mit unserem Gesetzgebungsvorhaben auch
Arbeit und Wachstum weiter fördern, neue Arbeitsplätze
schaffen und vor allem alte sichern . 31 Millionen sozi-
alversicherungspflichtig Beschäftigte stellen unser leis-
tungsstarkes, solidarisches Gesundheitswesen auf eine
solide Basis .

Daher ist es auch als Gesundheitspolitiker unsere
Pflicht, einen Beitrag für mehr Arbeitsplätze und Wachs-
tum zu leisten . Die Rückführung dieser Regelung, wie sie
seit Monaten auch von Ihnen angedeutet und gefordert
wird, könnte dies gefährden . Sehr geehrter Herr Minister,
deshalb war und bleibt es die richtige Entscheidung, den
Arbeitgeberanteil festzuschreiben .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Für mich als Berichterstatter der Union für die bei-
den großen Volkserkrankungen Diabetes und Adipositas
haben unsere gesundheitspolitischen Vorhaben eine ganz
besondere Bedeutung . Wir wissen heute, dass mindestens
50 Prozent der Betroffenen ohne Gabe von Medikamen-
ten geholfen werden kann . Eine gesündere Ernährung,
mehr Bewegung, ein gezieltes Muskeltraining reichen
dafür oftmals aus .

Es klingt so einfach, die Realität ist leider anders .
Wir leben in einer Gesellschaft des längeren Lebens, die
gekennzeichnet ist durch einen Wandel der Lebensstile:
Fahrstuhl statt Treppe, Auto statt Laufen, Computerspie-
le statt Fußball, Fastfood statt gesunder Ernährung . Hier-
zu kommen die Verlockungen der Werbe- und Lebens-
mittelindustrie . All dies führt dazu, dass – aktuell haben
wir fast 10 Millionen Diabeteserkrankungen unter Einbe-
ziehung einer nicht quantifizierbaren Dunkelziffer – die
Zahl der Betroffenen im Jahr 2025 auf rund 20 Millionen
ansteigen wird . Das sind 25 Prozent der gesamten Bevöl-
kerung . Darüber sollten wir uns alle Gedanken machen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch im Bereich der Adipositas sind die Zahlen er-
schreckend . Der Anteil der stark übergewichtigen Men-
schen in Deutschland hat sich zwischen 1999 und 2009
fast verdoppelt . Insgesamt ist fast ein Viertel der deut-
schen Bevölkerung adipös, mit steigender Tendenz .

Im September konnte man der Presse entnehmen, dass
die jüngste Typ-2-Diabetikerin in den USA, drei Jahre
alt, 35 Kilogramm schwer war . Das Normalgewicht in
diesem Alter sind 14 bis 15 Kilogramm . Das Mädchen
war also 20 Kilogramm zu schwer . Warum betone ich das
so? Früher sprach man von Altersdiabetes . Heute sind
immer mehr Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene
davon betroffen . Wir alle, die wir politisch in der Ver-
antwortung stehen, müssen alles dafür tun, dass diese

Dr. Edgar Franke






(A) (C)



(B) (D)


angesprochene Entwicklung in Deutschland nicht weiter
fortschreitet .

Den ersten Schritt haben wir getan, indem wir das
Präventionsgesetz in diesem Jahr verabschiedet haben,
das am 1 . Januar 2016 in Kraft treten wird . An dieser
Stelle herzlichen Dank, Herr Minister, dass unter Ihrer
Führung endlich Prävention und Gesundheitsförderung
in den Vordergrund der Gesundheitsversorgung gerückt
sind. Mit den zusätzlichen Beiträgen aus der Pflegekas-
se und der privaten Krankenversicherung stehen damit
insgesamt nahezu 550 Millionen Euro für Präventions-
aufgaben zur Verfügung . Das ist ein starkes Signal für
die weitere Verbesserung der Gesundheitsversorgung in
Deutschland .

Prävention und Früherkennung sind wichtige Säulen
der Diabetesbekämpfung . Mit einem krankheitsübergrei-
fenden Ansatz sollen lebensstilbedingte chronische Er-
krankungen vermindert oder zumindest in ihrem Verlauf
positiv beeinflusst werden. Diabetes-mellitus-Typ-2-Er-
krankungsrisiko senken, Erkrankte früh erkennen und
behandeln – das hat als primäres nationales Gesundheits-
ziel im Gesetz Niederschlag gefunden . Als betroffener
insulinpflichtiger Typ-2-Diabetiker freue ich mich hier-
über ganz besonders .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bereits im Sommer 2014 hat der Bundesrat dem Bun-
destag empfohlen, einen nationalen Diabetesplan zu ver-
abschieden . Federführend waren hier die norddeutschen
Bundesländer . Auch wir, die Union, haben einen Antrag
mit der Forderung nach einer nationalen Diabetesstrate-
gie auf den Weg gebracht . Ich darf an dieser Stelle den
herzlichen Dank an meinen Kollegen Michael Hennrich
zurückgeben, der maßgeblich die Erstellung der Strate-
gie unterstützt hat . Für die Umsetzung dieser Strategie
sind erstmalig im Bundeshaushalt 2016 zusätzliche Mit-
tel in Höhe von 3 Millionen Euro vorgesehen – der Herr
Minister hat darauf hingewiesen –, unter anderem für
den Ausbau des Gesundheitsmonitorings beim RKI für
eine bessere Datenlage, die Bekanntmachung und Wei-
terentwicklung der GMPs und für eine Verbesserung der
Aufklärung und Informationsarbeit. Ich finde, das ist ein
großer Schritt in die richtige Richtung .

In diesem Zusammenhang möchte ich mich ausdrück-
lich an unseren Koalitionspartner wenden . Dass hier ein
grundsätzlicher Konsens besteht, haben wir aus gemein-
samen Veranstaltungen und bei persönlichen Gesprächen
feststellen können . Daher lasse ich nicht nach, Sie auf-
zufordern, diesen Antrag positiv zu begleiten, und hoffe
sehr, dass Sie das tun .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, an Diabetes
erkrankte Menschen bedürfen einer kontinuierlichen,
wohnortnahen, ambulanten Langzeitbetreuung . 90 Pro-
zent der Typ-2-Diabetiker werden auf Hausarztebene
versorgt, wobei hier der Versorgungsqualität eine ent-
scheidende Rolle zukommt . Die restlichen 10 Prozent
werden in Schwerpunktpraxen oder stationär betreut .

Mit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz stellen
wir eine gut erreichbare, flächendeckende Versorgung der
Patientinnen und Patienten in allen Regionen Deutsch-

lands auf hohem Niveau sicher . Gleichzeitig stärkt es die
Patientenrechte und verbessert die Versorgungsqualität .
Gerade für Diabetiker ist dies von wesentlicher Bedeu-
tung .

Mit der Versorgungsforschung und den dazu vorgese-
henen Mitteln in Höhe von 75 Millionen Euro jährlich
kann ebenfalls ein großer Beitrag zur Diabetesbekämp-
fung geleistet werden .

Bei Diabetes handelt es sich um keine einheitliche Er-
krankung; verschiedene genetische Veränderungen kön-
nen zu Diabetes führen . Deshalb ist es in der Forschung
so wichtig, gerade Akzente im Bereich der personalisier-
ten Diabetesmedizin zu setzen .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Zuckersteuer!)


Auch können wir stolz darauf sein, dass sich mit dem
E-Health-Gesetz Möglichkeiten für eine bessere Versor-
gung der chronisch Kranken ergeben . Durch telemedi-
zinische Anwendungen können zum Beispiel lückenlos
geführte Diabetestagebücher an den zuständigen Arzt
übermittelt werden, der zunächst auch ohne persönlichen
Arzt-Patienten-Kontakt individuelle Therapien daraus
ableiten kann .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wie Sie am
Beispiel Diabetes unschwer erkennen können, sind wir
auf dem Weg, unser schon jetzt sehr leistungsstarkes Ge-
sundheitssystem weiter zu verbessern . Mit den bereits
abgeschlossenen und noch uns vorliegenden geplanten
Gesetzgebungsvorhaben gehen wir eine Reihe von Pro-
blemen an, die zukünftig zu lösen sind .

Dieser zu beschließende Haushalt fördert die Gene-
rationengerechtigkeit . Er geht die gesundheitspolitischen
Probleme der Zukunft in unserem Land entschlossen an .
Ich werbe deshalb um Ihre Zustimmung .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814006700

Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 15
des Bundesministeriums für Gesundheit in der Aus-
schussfassung . Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-
gen? – Enthält sich jemand? – Dann ist der Einzelplan 15
in der Ausschussfassung mit den Stimmen der Koalition
gegen die Stimmen der Opposition angenommen wor-
den .

Ich rufe jetzt die Tagesordnungspunkte III . a bis c so-
wie die Zusatzpunkte 1 a und b auf:

III . a) Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung über den
Stand von Sicherheit und Gesundheit bei
der Arbeit und über das Unfall- und Be-
rufskrankheitengeschehen in der Bundes-
republik Deutschland im Jahre 2013

Drucksache 18/3474

Dietrich Monstadt






(A) (C)



(B) (D)


Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Arbeit und Soziales (f)

Sportausschuss
Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit
Ausschuss für Tourismus

b) Unterrichtung durch die Bundesregierung

Sechster Erfahrungsbericht der Bundes-
regierung über die Durchführung des
Stammzellgesetzes

Drucksache 18/4900
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung

c) Beratung des Berichts des Ausschusses für
Bildung, Forschung und Technikfolgenab-
schätzung (18 . Ausschuss) gemäß § 56a der
Geschäftsordnung

Technikfolgenabschätzung (TA)


Moderne Stromnetze als Schlüsselelement
einer nachhaltigen Stromversorgung

Drucksache 18/5948
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Energie (f)

Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz
Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgen-
abschätzung
Ausschuss Digitale Agenda

ZP 1 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten

(Augsburg)

ter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN

Interministerielle Zusammenarbeit bei der
Bewältigung der Fluchtkrise in Drittstaa-
ten verbessern

Drucksache 18/6772
Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe (f)

Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten
Sylvia Kotting-Uhl, Annalena Baerbock,
Bärbel Höhn, weiterer Abgeordneter und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Sicherheit hat Vorrang – Ohne Stand von
Wissenschaft und Technik keine Inbetrieb-
nahme von Schacht Konrad

Drucksache 18/6773

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktor-
sicherheit

Es handelt sich hierbei um Überweisungen im ver-
einfachten Verfahren ohne Debatte.

Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an
die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu
überweisen . Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der
Fall . Dann sind die Überweisungen so beschlossen .

Ich rufe die Tagesordnungspunkte IV . a bis f auf . Hier-
bei handelt es sich um die Beschlussfassung zu den Be-
schlussempfehlungen des Petitionsausschusses, zu denen
ebenfalls keine Aussprache vorgesehen ist .

Tagesordnungspunkt IV . a:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 249 zu Petitionen

Drucksache 18/6656

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Das ist nicht der Fall . Dann ist die Sam-
melübersicht 249 einstimmig angenommen worden .

Tagesordnungspunkt IV . b:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 250 zu Petitionen

Drucksache 18/6657

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Damit ist auch die Sammelübersicht 250 ein-
stimmig angenommen worden .

Tagesordnungspunkt IV . c:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 251 zu Petitionen

Drucksache 18/6658

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Damit ist die Sammelübersicht 251 mit
den Stimmen der Koalition gegen die Stimmen der Frak-
tion Die Linke bei Enthaltung von Bündnis 90/Die Grü-
nen angenommen worden .

Tagesordnungspunkt IV . d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 252 zu Petitionen

Drucksache 18/6659

Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Stimmt je-
mand dagegen? – Enthält sich jemand? – Damit ist die
Sammelübersicht 252 einstimmig angenommen worden .

Tagesordnungspunkt IV . e:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


Sammelübersicht 253 zu Petitionen

Drucksache 18/6660

Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthält
sich jemand? – Damit ist die Sammelübersicht 253 mit
den Stimmen der Koalition und von Bündnis 90/Die
Grünen gegen die Stimmen der Fraktion Die Linke an-
genommen worden .

Tagesordnungspunkt IV . f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petiti-
onsausschusses (2 . Ausschuss)


Sammelübersicht 254 zu Petitionen

Drucksache 18/6661

Wer stimmt für diese Sammelübersicht? – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Sammel-
übersicht 254 mit den Stimmen der Koalition gegen die
Stimmen der Opposition angenommen worden .

Jetzt, liebe Kolleginnen und Kollegen, setzen wir die
Haushaltsberatungen fort . Dazu rufe ich den Tagesord-
nungspunkt I . 15 auf:

Einzelplan 11

Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Drucksachen 18/6111, 18/6124

Die Berichterstattung haben die Abgeordneten Ekin
Deligöz, Axel Fischer, Ewald Schurer und Dr . Gesine
Lötzsch .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . Gibt es dazu
Widerspruch? – Das ist nicht der Fall . Dann ist das so
beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache . Das Wort hat Dr . Gesine
Lötzsch von der Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814006800

Vielen Dank . – Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten

Damen und Herren! Liebe Gäste auf den Tribünen! Die
Abgeordneten von Union und SPD haben während der
Ausschussberatungen für die Sicherheitsdienste deutlich
mehr Mittel und Stellen zur Verfügung gestellt, als diese
Dienste selbst beantragt hatten . Das ist eine sehr unge-
wöhnliche Entscheidung . Leider haben wir so etwas im
Bereich Arbeit und Soziales noch nicht erlebt . Ich könn-
te mir vorstellen, Frau Nahles, dass Sie mir zustimmen,
dass wir in diesem Bereich das Geld wesentlich besser
und sinnvoller verwenden könnten .


(Beifall bei der LINKEN – Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Das glaube ich nicht!)


Das wäre auch ein Beitrag zu mehr Sicherheit; denn
mehr Sicherheit gibt es nur, wenn unsere Gesellschaft
insgesamt sozialer und gerechter wird .

Sicherheit hat auch etwas mit Zukunft zu tun . Wenn
die Menschen keine Zukunft für sich sehen, dann wenden

sie sich von unserer Gesellschaft ab, und das müssen wir
verhindern . Darum, glaube ich, haben wir nur mehr Si-
cherheit, wenn viele Menschen von ihrer eigenen Hände
Arbeit leben können . Was macht die Regierung? Sie legt
den Menschen Steine in den Weg . So ein Stein ist zum
Beispiel das dreimonatige Arbeitsverbot für Flüchtlinge .
Ich finde, liebe Kolleginnen und Kollegen von der SPD,
Sie hätten sich in dieser Frage gegen die Union durchset-
zen müssen . Das wäre der richtige Weg gewesen .


(Beifall bei der LINKEN)


Als Begründung, warum die Flüchtlinge nicht sofort
arbeiten dürfen, hat die Bundesregierung unserer Frakti-
on geantwortet:

Der Vorschlag wird abgelehnt, da Asylbewerber
in der ersten Zeit des Aufenthalts den zuständigen
Behörden . . . uneingeschränkt zur Verfügung stehen
müssen .

Meine Damen und Herren, das ist doch völlig welt-
fremd, wenn man berücksichtigt, wie lange es dauert,
einen Termin bei einer Behörde zu bekommen . Da verge-
hen schon einmal schnell drei Monate .

Richtig ist allerdings: Der Haushalt für Arbeit, Sozia-
les und Rente ist der größter Einzelplan im Bundeshaus-
halt . Auch das zeigt, wie hoch der soziale Reparaturbe-
darf in unserer Gesellschaft ist . Die Größe des Etats sagt
noch nichts über soziale Gerechtigkeit aus .

Ich möchte noch einmal das Beispiel des Arbeits-
verbots für Flüchtlinge aufgreifen . Ich sage Ihnen: Wir
könnten viel Steuergeld sparen, wenn Flüchtlinge nicht
auf staatliche Unterstützung angewiesen wären, weil sie
schnell eine Arbeit aufnehmen dürften . Ich sage noch
einmal – und ich fordere Sie auf, entsprechend zu ent-
scheiden –: Das Arbeitsverbot muss endlich vom Tisch .


(Beifall bei der LINKEN)


Wir Linke sind davon überzeugt: Es gibt genug Ar-
beit, wenn wir jetzt ein Investitionsprogramm auflegen,
finanziert aus der Vermögensteuer. Doch leider denkt die
Bundesregierung nicht über den aktuellen Haushalt hi-
naus. Sie befinden sich geradezu in einem Investitions-
streik, und wir fordern Sie auf, diesen Streik endlich zu
beenden .


(Beifall bei der LINKEN)


Gerade Sie, Frau Nahles, müssten sich doch deutlich
für mehr Investitionen einsetzen, auch wenn sie nicht
direkt in Ihrem Etat vorgesehen sind . Öffentliche In-
vestitionen sichern Aufträge für Betriebe und schaffen
auch Arbeit für Langzeitarbeitslose und Flüchtlinge . Wir
brauchen einen stärkeren öffentlichen Dienst, und wir
brauchen endlich auch wieder einen starken öffentlichen
Beschäftigungssektor, so wie wir ihn im Land Berlin
schon einmal hatten; so etwas brauchen wir auf der Bun-
desebene .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Klappt genauso wenig wie der Flughafen!)


– Der Flughafenbau, lieber Kollege – um dieses Stich-
wort einmal aufzugreifen; in Berlin regieren CDU und

Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn






(A) (C)



(B) (D)


SPD; daran möchte ich erinnern –,wird nicht vom öffent-
lichen Beschäftigungssektor erledigt, sondern da hängt
die Privatwirtschaft drin . Sie hat da in einem Maße ver-
sagt, über das wir alle einmal nachdenken sollten .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: In Hessen klappt’s!)


Meine Damen und Herren, das Jahr 2005 liegt jetzt
zehn Jahre hinter uns . Das heißt: zehn Jahre Hartz IV .
Das ist wahrlich kein Grund zum Feiern . Es hat sich
bewahrheitet, wovor die Linke von Anfang an gewarnt
hat: Hartz IV ist Armut per Gesetz . Sie alle wissen –
man kann es nicht oft genug sagen –: Hartz IV betrifft
die gesamte Gesellschaft . Es betrifft diejenigen, die auf
Hartz IV angewiesen sind, und diejenigen, die Angst da-
vor haben, in eine solche Situation zu kommen . Hartz IV
drückt erkennbar auf die Löhne und zwingt Menschen
in unwürdige Arbeitsverhältnisse . Das wollen und dürfen
wir nicht weiter hinnehmen . Hartz IV ist ein schlechtes
Gesetz . Es gehört abgeschafft . Wir brauchen eine armuts-
feste Mindestsicherung, meine Damen und Herren .


(Beifall bei der LINKEN)


Für die Haushaltsberatungen beantragen wir als ersten
Schritt die Erhöhung des Regelsatzes auf 500 Euro .


(Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Warum nicht 600 oder 1 000?)


Wir brauchen aber mehr . Wir brauchen eine sanktions-
freie Mindestsicherung, und wir brauchen einen ange-
messenen Mindestlohn . Sie alle wissen genauso gut
wie ich, dass der Mindestlohn von 8,50 Euro zu niedrig
ist . Die Einführung des Mindestlohns war ein richtiger
Schritt . Nun muss der Mindestlohn noch eine angemes-
sene Höhe haben . 10 Euro wären das Gebot der Stunde,
und dafür setzen wir uns ein .


(Beifall bei der LINKEN – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das entscheidet die Kommission und nicht die Politik!)


Eine freie und offene Gesellschaft, meine Damen und
Herren, über die wir in diesen Tagen so häufig sprechen
und die wir verteidigen wollen, zeichnet sich dadurch
aus, dass die Menschen ihr Leben in Freiheit, Würde und
Solidarität gestalten können, und dafür kämpft die Linke .

Vielen Dank .


(Beifall bei der LINKEN – Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU]: Ach, das war‘s schon?)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814006900

Vielen Dank . – Als nächste Rednerin hat für die Bun-

desregierung die Bundesministerin Andrea Nahles das
Wort .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Andrea Nahles, Bundesministerin für Arbeit und So-
ziales:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kol-
legen! Uns allen ist bewusst: Wir stehen vor einer großen
Herausforderung, vor wichtigen Fragen: Wer kann als

Flüchtling bei uns bleiben? Wie organisieren und verbes-
sern wir die Verfahren, die das klären? Wie schaffen wir
es, dass wir die, die bei uns bleiben, rasch integrieren und
in Arbeit bringen?

Wir haben bereits vieles auf den Weg gebracht, damit
die Verfahren zur Aufnahme zügig und reibungslos lau-
fen können . Erste Erfolge sind auch schon da . Die Zahl
der vom BAMF getroffenen Entscheidungen zum Bei-
spiel ist im November im Vergleich zum September um
60 Prozent gestiegen . Im Durchschnitt sind es jetzt 1 600
pro Tag . Aber es bleibt noch viel zu tun, und das merken
Sie auch an diesem Einzelplan 11, liebe Kolleginnen und
Kollegen .

Fast 2 Milliarden Euro sollen zusätzlich zur Verfü-
gung stehen, damit die Menschen, die vor Terror und Ge-
walt fliehen, bei uns Fuß fassen können, Deutsch lernen,
eine Ausbildung machen oder eine Arbeit finden, selbst
für sich sorgen können . Das ist das Ziel .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich danke an dieser Stelle allen für die gute Zusammen-
arbeit und die Unterstützung dafür, dass wir die finanziel-
len Mehrbedarfe jetzt im Haushalt mit Mitteln unterlegen
können, besonders unseren Berichterstatterinnen und Be-
richterstattern, den Kolleginnen und Kollegen im Fach-
und vor allem im Haushaltsausschuss .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will mit allen
Mitteln verhindern, dass aus Enttäuschung Radikalisie-
rung entsteht und der Rückzug aus der Gesellschaft . Und
ich will, dass auch die, die sich hier schon lange um Ar-
beit bemühen, sich nicht abgehängt fühlen, sondern eine
neue Chance bekommen . Darum bündeln wir unsere An-
strengungen für die Flüchtlinge mit denen für Langzeit-
arbeitslose und richten unseren ganzen Einsatz darauf,
ihnen allen einen Neustart zu ermöglichen .

„Neustart in Deutschland“, und zwar für alle – die, die
neu hinzukommen, und die, die schon lange nach Arbeit
suchen –, diese Initiative habe ich vor wenigen Wochen
in NRW vorgestellt . Warum in Nordrhein-Westfalen?
Dort werden die meisten Flüchtlinge aufgenommen, und
dort haben die Städte bedauerlicherweise einen sehr ho-
hen, verfestigten Anteil von Langzeitarbeitslosen . Dort
kommt beides zusammen .

Wenn wir zu schnellen Entscheidungen über die Asyl-
anträge kommen, heißt das, dass diejenigen, die bei uns
bleiben können, auch als Arbeitslose gezählt werden,
dass wir mehr Geld für die Grundsicherung brauchen,
und das weist der Einzelplan 11 auch aus .


(Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Das war auch notwendig!)


Aber, meine Damen und Herren, Hartz IV soll für nie-
manden in Deutschland eine Dauerlösung sein .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ich will, dass die Menschen, die zu uns kommen, bald
für sich selbst sorgen können . Darum richten wir alle An-

Dr. Gesine Lötzsch






(A) (C)



(B) (D)


strengungen darauf, sie schnell in den Arbeitsmarkt zu
integrieren .

Über die Hälfte der Asylantragsteller sind unter
25 Jahre alt. Wir müssen sie zügig in eine berufliche Aus-
bildung bringen, damit ihr Neustart hier gelingt . Andere
haben schon eine Ausbildung und Erfahrung im Beruf .
Trotzdem können sie nicht sofort ihren Platz in unserem
hochspezialisierten deutschen Arbeitsmarkt finden. Aber
oft genügt eben schon, dass sie Deutsch lernen und ihr
Wissen und Können in einem Anerkennungsverfahren
geprüft wird . Am schnellsten können wir Flüchtlinge mit
Berufsausbildung oder einem Hochschulabschluss inte-
grieren; denn die Nachfrage nach Fachkräften ist unge-
brochen hoch . Wir haben 1 Million offene Stellen, und
in manchen Berufen und Regionen werden Fachkräfte
händeringend gesucht .

Also geht es darum, schon in der Erstaufnahmeeinrich-
tung die Qualifikationen zu erfassen und die Flüchtlinge
mit guter Bleibeperspektive so schnell wie möglich mit
den zuständigen Stellen für die Anerkennung der Qualifi-
kationen zusammenzubringen . Ich habe mir das in Köln
vor Ort angeschaut und an einigen der Bewerbungsge-
spräche, wenn man das so nennen will, teilgenommen .
Ich kann Ihnen nur empfehlen, das auch zu tun . Schauen
Sie sich das ruhig einmal an; das ist eine wichtige Erfah-
rung . Da wird vor Ort eine sehr gute Arbeit gemacht von
der BA in den Aufnahmeeinrichtungen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sooft und wo immer es geht – das halte ich wirklich
für einen zentralen Punkt –, wollen wir berufsbezogene
Deutschkurse mit der täglichen Erfahrung im Betrieb ver-
binden . Ich möchte nicht, dass wir aus berufsbezogenen
Sprachkursen vor allem ein Beschulungsprogramm ma-
chen, sondern ich möchte die Kombination aus Praktika
und Deutschkurs, aus ausbildungs- und berufsbegleiten-
den Angeboten und Deutschkurs, aus Jobs und Deutsch-
kurs . Wir müssen es von Anfang an zusammenbringen:
Anpassungsqualifizierung und Arbeitsvermittlung und
Deutschkurs müssen eine Einheit bilden . Ich glaube, dass
es so auch für die Flüchtlinge am leichtesten ist, weil sie
dann schon Kontakt in den Betrieben bekommen und
auch Verständnis dafür gewinnen, wie unsere Arbeitswelt
hier in Deutschland überhaupt funktioniert . Ich glaube
auch, dass sie so schneller Deutsch lernen können, weil
es gleich anwendungsbezogen ist .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das muss aus meiner Sicht zusammenkommen . Ich freue
mich – im Übrigen verbinde ich das auch mit einem Dank
an die deutschen Unternehmen – über die Unterstützung,
die ich für dieses Konzept gefunden habe: Angebote, die
Bereitschaft, das umzusetzen, und ganz konkrete Hilfe .
Wir sind da in einem sehr guten Dialog .

Wir stellen in diesem Etat sehr viel mehr Geld für
Deutschkurse zur Verfügung, sowohl im Etat von Herrn
de Maizière, also dem Etat des Bundesinnenministeri-
ums – für die Integrationskurse –, als auch für die be-
rufsbezogene Sprachförderung, die wir über die BA an-
bieten . Knapp 300 Millionen Euro – und damit fünfmal

so viel wie ursprünglich geplant – werden hier für den
nächsten Haushalt zur Verfügung gestellt .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Auch für die Anerkennung der Qualifikationen ver-
stärken wir die Mittel, beispielsweise für das Netzwerk
IQ, weil es ganz wichtig ist . Außerdem, Kolleginnen und
Kollegen, erhöhen wir auch die Mittel für die Arbeit der
Jobcenter . Mehr als eine halbe Milliarde Euro steht hier
zusätzlich zur Verfügung . Mir ist wichtig, dass wir auch
für die Menschen, die hier Arbeit suchen, die nötigen
Mittel bereitstellen . So werden auch im nächsten Jahr
den Jobcentern zusätzlich 350 Millionen Euro Ausgabe-
reste zur Verfügung stehen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Jobcenter – ich denke, das muss allen klar sein –
stehen in den nächsten Monaten und Jahren vor einer
sehr großen Aufgabe . Ich betone: Es werden nicht nur
Monate, sondern Jahre sein .


(Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: So ist es!)


Deshalb ist es wichtig, dass wir sie von unnötiger Büro-
kratie befreien .


(Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Sehr richtig!)


Deswegen werde ich jetzt die Reform des SGB II zur
Rechtsvereinfachung auf den Weg bringen . Es gab da
einige, die da die Handbremse angezogen hatten . Die ha-
ben wir lösen können, so hoffe ich . Unnötige Bescheide
wegfallen zu lassen, Anrechnungsregeln und Verfahren
zu vereinfachen – das ist jetzt, gerade in dieser Situati-
on, in der die Belastungen bei den Jobcentern zunehmen,
eine der wichtigen Weichenstellungen, die wir vorneh-
men .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist niemandem
geholfen – nicht den Jobcentern, nicht denen, die wir in
Arbeit bringen wollen –, wenn Menschen gegeneinander
ausgespielt werden .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Deswegen sage ich hier ganz klar: Der Mindestlohn gilt
für alle, egal welchen Pass jemand mitbringt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)


Und eine weitere Sache ist mir wichtig: Wir dürfen
auch die Menschen in unserem Land nicht vergessen, die
keine Flüchtlinge sind .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Deshalb müssen wir das, was wir zugesagt haben, auch
einhalten, zum Beispiel bei Leiharbeit und Werkverträ-
gen . Ich habe mich gefreut, dass die Kanzlerin vorgestern
ihre Unterstützung noch einmal deutlich gemacht hat .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Na ja! Das ist eine eigenwillige Interpretation!)


Bundesministerin Andrea Nahles






(A) (C)



(B) (D)


Ja, das ist wichtig und richtig . Die Leiharbeit muss raus
aus der Grauzone, aus der Schmuddelecke . Wir brauchen
sie für die Flexibilität unserer Wirtschaft; davon bin ich
fest überzeugt . Aber dann muss sie auch vernünftig ge-
regelt werden . Deshalb haben wir im Koalitionsvertrag
eine klare Vereinbarung: Nach 9 Monaten gibt es glei-
chen Lohn, und nach 18 Monaten muss derjenige in dem
Betrieb, in dem er eingesetzt wird, fest eingestellt wer-
den . Ich sage aber auch ganz klar: Wo es einen Tarifver-
trag gibt, da kann auch mehr Flexibilität möglich sein .
Tarifpartnerschaft schafft mehr Flexibilität. Tarifflucht
wollen wir allerdings verhindern . Das ist die Grundidee,
die hinter diesem Gesetzentwurf steht .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Und bei den Werksverträgen werden wir Abgren-
zungskriterien festlegen gegenüber Scheinselbstständig-
keit auf der einen und Scheinwerkverträgen auf der ande-
ren Seite . Das ist längst gängige Rechtsprechung . Diese
Kriterien übernehmen wir jetzt. Wir kodifizieren das im
BGB; denn bisher gibt es zwar Rechtsanwälten Arbeit,
aber es belastet nur die Gerichte und führt zu Streit . Wir
wollen das verhindern und die gängige Praxis der Recht-
sprechung zu geltendem Recht machen .

Es ist schlicht falsch, wenn behauptet wird, wie in die-
ser Woche auf dem Arbeitgebertag, dass jedes einzelne
Kriterium ein K .o .-Kriterium für Werkverträge sei . Nein,
entscheidend ist die Gesamtbetrachtung . Kolleginnen
und Kollegen, weder wird ein bestellter Klempner zum
Angestellten, noch beschränken wir die Tarifautonomie
auf drei Monate . Das ist vollkommener Unsinn . Das wis-
sen diejenigen auch, die das behaupten, weil ich mit ih-
nen lange darüber geredet habe .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dr . Matthias Zimmer [CDU/CSU])


Diejenigen legen dagegen wirklich die Axt an die Tari-
fautonomie, die Werkverträge als Deckmantel für Lohn-
dumping nutzen . Das allerdings wollen wir nicht;


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


denn das höhlt die Tarifautonomie aus . Wir haben in der
Bundesregierung eine klare Linie: Wir wollen die Tarif-
autonomie stärken . Das haben wir bei der Tarifeinheit
gemacht, und das machen wir auch bei Leiharbeit und
Werkverträgen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814007000

Als nächste Rednerin hat Ekin Deligöz von der Frak-

tion Bündnis 90/Die Grünen das Wort .


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814007100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Frau Ministerin, die Beratungen zu diesem Etat waren
bis zum Schluss in Bewegung . Das lag an zwei Aspekten .
Zum einen hatten wir jede Menge Schätztitel, die wir im-
mer wieder aktualisieren mussten, und zum anderen lag

es an den Flüchtlingsfragen . Ich danke an dieser Stelle
der Mitberichterstatterin und den Mitberichterstattern,
aber auch Ihrem Haus, Frau Ministerin . Wir haben Sie,
wie ich glaube, ganz schön in Atem gehalten . Wir hatten
drei sehr ausführliche Berichterstattergespräche, die auch
sehr intensiv verlaufen sind . An dieser Stelle vielen Dank
für die gute Kooperation .

Worüber reden wir? Wir reden über einen Etatansatz
von knapp 130 Milliarden Euro; insgesamt liegen wir
damit um 4,5 Milliarden Euro über dem Etatansatz für
2015 . Das teilt sich auf die größten Titel auf: 34,5 Mil-
liarden Euro für den Bereich Arbeitsmarkt und 93 Mil-
liarden Euro für den Bereich Rente . Bei beiden Titeln
muss man feststellen: Die Ansätze für diese Titel werden
in den nächsten Jahren eher steigen als sinken . Ich denke,
dass wir uns diesen Bereich in Zukunft noch einmal sys-
tematischer anschauen müssen .

Ja, in der Tat, den Schwerpunkt der Debatte bildete
die Flüchtlingspolitik und da die essenzielle Frage, wie
wir es schaffen, dass die Flüchtlinge, die hierherkom-
men, nach ihrer Anerkennung möglichst schnell auf dem
Arbeits- und Qualifizierungsmarkt integriert werden. Wir
mussten aber – und dazu sind wir geradezu verpflichtet –
immer wieder darauf schauen, dass wir die Menschen
nicht aus dem Auge verlieren, die in diesem Land eben-
falls Unterstützung brauchen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg . Sabine Zimmermann [Zwickau] [DIE LINKE])


Ich stelle an dieser Stelle auch fest: Diese Aspekte –
also sowohl das Thema Flüchtlinge als auch der andere
Aspekt – waren bei den letzten Etatplanungen noch nicht
so richtig auf dem Schirm . Die Zahlen waren sehr niedrig
angesetzt . Wir sind immer von Annahmen ausgegangen,
die sehr niedrig lagen . Jetzt stellen wir fest – das ist gut
so –: Das alles ist nicht zum Nulltarif zu haben . Es ist gut,
dass Sie das machen; zwar kommt das alles ein bisschen
zu spät, aber besser spät als gar nicht . Die Ansätze für Ar-
beitslosengeld II, Kosten der Unterkunft und Sprachkur-
se werden erhöht; auch Sie haben schon gesagt, dass es
da Aufstockungen gibt . Es gibt aber zwei große, riskante
Schwachstellen . Ich will sie Ihnen jetzt auch nennen .

Erstens: Ihre Berechnungen . Sie gehen von sehr ge-
wagten Annahmen aus .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das stimmt!)


Ich gebe Ihnen ein paar Beispiele . Sie sagen: In der
Grundgesamtheit rechnen wir mit 800 000 Flüchtlingen .
Das dürfte doch wohl eher der untere Wert sein . Es ist
schon spannend, was geschieht, wenn die Zahl doch ein
bisschen höher ausfällt .

Zugleich gehen Sie dabei davon aus, dass nur gerin-
ger Familiennachzug stattfindet. Das ist ein Fehler; denn
natürlich haben auch die Frauen und gerade die jungen
Menschen, die nachkommen, Ansprüche .

Außerdem gehen Sie davon aus – das ist wirklich sehr
waghalsig –, dass die Verbleibsrate beim SGB-II-Bezug
bereits im Jahr 2016 bei 65 Prozent liegen wird . Das ist

Bundesministerin Andrea Nahles






(A) (C)



(B) (D)


zu niedrig . Es gibt übrigens auch keinerlei Hinweise, die
die Ansetzung dieses Wertes rechtfertigen . Das heißt, da
werden noch im kommenden Jahr – damit müssen wir
rechnen – zusätzliche Kosten auf uns zukommen .


(Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Nicht zwingend!)


Die zweite große Schwachstelle ist: Die Jobcenter
sind jetzt schon unterfinanziert. Die Art und Weise der
Finanzierung erinnert an eine Einbahnstraße: Sie schich-
ten Eingliederungsmittel in den Verwaltungsbereich um .
Der Bedarf an Mitteln im Verwaltungsbereich ist aber
auch jenseits der Flüchtlingsbedarfe vorhanden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Jetzt sagen Sie: Die haben Geld eingespart, das können
sie jetzt einbehalten . Damit tue ich doch etwas Gutes . –
Nein! Wir brauchen frisches, zusätzliches Geld . Aber Sie
stellen es nicht in den Haushalt ein .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Es gibt jedes Jahr zusätzliches Geld! – Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/CSU]: Natürlich stellen wir zusätzliches Geld bereit!)


Dass Sie in diesem Bereich tricksen und das Geld hin
und her schieben, macht es, ehrlich gesagt, auch nicht
viel besser .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr . Martin Rosemann [SPD]: Jedes Jahr zusätzlich!)


Das Schlimme ist aber, dass man bei den ganzen Be-
ratungen immer wieder feststellen musste: Eigentlich
orientieren Sie sich nicht wirklich an den Bedarfen, son-
dern viel eher an einem vorgegebenen Finanzrahmen .
Und dann wird der Rest irgendwie zurechtgestrickt . Das
wird uns auf die Füße fallen . Das Schlimmste daran ist –
das haben die letzten zwölf Monate gezeigt –: Wenn
sich etwas an den Sachverhalten ändert, sind Sie nicht
in der Lage, schnell darauf einzugehen und zu reagieren .
Das macht es auch für die einzelnen Institutionen sehr
schwierig, all die guten Vorhaben, die Sie hier vorgestellt
haben, umzusetzen; denn sie werden auf halber Strecke
alleingelassen und können sich nicht auf die Finanzie-
rung vonseiten Ihres Hauses verlassen . Am Ende sind
dann aber die Menschen verlassen, die die Unterstützung
in Anspruch nehmen müssen, weil sie darauf angewiesen
sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Axel E . Fischer [Karlsruhe-Land] [CDU/ CSU]: Die finanziellen Vorkehrungen sind getroffen!)


Es gibt aber auch andere Punkte, bei denen Sie hinter-
herhinken . Ich will sie kurz erwähnen; denn wir haben
diesbezüglich im Verfahren dezidierte Anträge gestellt,
die leider allesamt abgelehnt worden sind .

Das Thema Altersarmut findet bei Ihnen nicht statt. Es
ist aber ein Thema, das existiert, das auf uns zukommt .
Wir haben die Garantierente vorgeschlagen . Ich hätte
mich gefreut, wenn von Ihnen eine Alternative bzw . ein

anderer Vorschlag gekommen wäre; aber Sie schweigen
sich da aus, Sie sitzen das aus .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Lesen Sie doch den Koalitionsvertrag!)


Das Thema ist aber aktuell; das ist keine Zukunftsfrage .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Das Thema Langzeitarbeitslosigkeit . Ja, wir brauchen
da mehr Gegenmaßnahmen . Wir brauchen den sozialen
Arbeitsmarkt, wir brauchen einen Passiv-Aktiv-Transfer .
Sie haben hierzu nicht einmal ein Modellprogramm ent-
wickelt . Wenn Sie davon reden, dass nicht nur für Flücht-
linge, sondern auch für alle anderen etwas getan werden
muss, kann ich Ihnen nur sagen: Hier ist der Punkt, an
dem Sie ansetzen und aktiv werden müssen . Das tun Sie
aber nicht . Sie sitzen das aus . Das ist bedauerlich, gerade
für die Menschen, die davon betroffen sind .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Und nicht zuletzt das Thema Regelsatzerhöhung . Hier
geht es um eine angemessene Existenzsicherung . Wir hö-
ren da leider nichts von Ihnen .

Mut, Plan und Verlässlichkeit – das wären die drei
Anforderungen an Ihren Haushaltsplan . Mit diesem Etat
werden Sie diesen Anforderungen aber nicht gerecht,
Frau Ministerin .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814007200

Als nächster Redner hat Axel Fischer von der CDU/

CSU-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Ja, in der Tat, es stimmt: Der
Etat, den wir heute beraten, sieht anders aus als der, den
die Bundesregierung im Sommer eingebracht hat . Er ist
aber mit zusätzlichem Geld ausgestattet, liebe Kollegin-
nen und Kollegen . Das ist eindeutig so .

Und ja, es stimmt auch: Wir können den ausgegli-
chenen Haushalt, die schwarze Null halten – trotz dieser
Mehrausgaben . Dafür gleich zu Beginn ein Dankeschön
an die Bundesregierung, an das Bundesfinanzministeri-
um, aber auch an Sie alle, liebe Kolleginnen und Kol-
legen, weil wir als Parlament diesen Haushalt so be-
schließen . Herzlichen Dank für diese schwarze Null zum
dritten Mal hintereinander!


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD] – Bernhard Kaster [CDU/CSU]: Das Königsrecht des Parlaments!)


Selbstverständlich – die Vorredner haben darauf hin-
gewiesen – stimmt auch das: Wegen des Flüchtlings-
zustroms, den wir erleben, mussten wir an vielen Stel-

Ekin Deligöz






(A) (C)



(B) (D)


len nachjustieren, völlig klar . Das haben wir gemacht .
Aber – und das ist mir an dieser Stelle ganz besonders
wichtig – wir haben uns keineswegs nur darauf konzen-
triert, sondern haben und hatten, also auch schon in den
letzten Jahren, in gleicher Weise das Wohl der Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer, das Wohl der Rentnerinnen
und Rentner, das Wohl der Arbeitslosen, der Schwachen
in unserer Gesellschaft mit im Blick, und das seit vie-
len Jahren . Das ist wichtig, und das ist gut so; denn wir
dürfen unsere Gesellschaft nicht auseinanderdividieren
lassen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Meine Damen und Herren, Akzente haben wir deshalb
unter anderem bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik ge-
setzt . Wir haben auch mehr Mittel – frisches Geld, Frau
Kollegin – für berufsbezogene Sprachkurse für Flücht-
linge und für die berufliche Beratung bereitgestellt, eben-
so für die berufliche Eingliederung, für das Programm
„Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“, für die bessere Her-
anführung Langzeitarbeitsloser an den Arbeitsmarkt . Wir
haben sogar mehr Mittel für das kommende Jahr vorge-
sehen für das Arbeitslosengeld II – die Ministerin hat es
schon erwähnt –, für die Beteiligung des Bundes an den
Leistungen für Unterkunft und Heizung und für die Zu-
schüsse zur Rentenversicherung .

Dank zusätzlicher Mittel zur Durchführung der Grund-
sicherung für Arbeitsuchende kann die Bundesagentur
für Arbeit erheblich mehr Personal einstellen und so die
Leistungsfähigkeit den geänderten Rahmenbedingungen
anpassen . Wir reagieren auf die aktuelle Situation, meine
Damen und Herren .

Auch beim Bundesversicherungsamt, von dem neue
Aufgaben im Rahmen der Modernisierung und Erweite-
rung unseres Gesundheitswesens übernommen werden
müssen, oder im Ministerium selbst, in dem die Behin-
dertenbeauftragte zusätzliches Personal zur Wahrneh-
mung ihrer Aufgaben benötigt, verbessern wir die Per-
sonalausstattung so, wie es sein muss . Das ist unsere
Aufgabe, und der kommen wir nach, liebe Kolleginnen
und Kollegen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine Damen und Herren, dank unserer über Jah-
re hinweg auf Wachstum durch Innovation, auf sparsa-
mes Haushalten und weniger auf Umverteilung – wie es
manchmal von links oder von der Mitte hierher strömt –
ausgerichteten Politik in Deutschland haben wir heute
eine solide Basis für eine zukunftsfähige Arbeitsmarkt-
und Sozialpolitik . Deshalb führen wir die heutige De-
batte vor einem guten wirtschaftlichen Hintergrund . In
der Wirtschaftsdebatte heute Vormittag kam es schon
zum Tragen . Dank immer neuer Beschäftigungsrekorde
von mehr als 43 Millionen Erwerbstätigen und mehr als
30 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten
ist die Arbeitslosenzahl auf nur noch – hören Sie genau
zu! – 2,6 Millionen und damit auf einen Rekordtiefstand

seit der Wiedervereinigung gefallen . Das ist quasi Voll-
beschäftigung, und das haben wir gemeinsam erreicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die wirtschaftlichen Aussichten sind weiterhin gut .
Rentner können nach dem Rentenpaket vom vergange-
nen Jahr im kommenden Jahr zusätzlich einer noch nie
dagewesenen Rentenerhöhung von bis zu 5 Prozent froh-
gemut entgegensehen . Das ist doch was, meine Damen
und Herren! Das muss man doch einmal deutlich sagen .
Wir haben alle Menschen in unserem Land im Blick . Und
ich freue mich für die Rentner, dass sie dann mehr Geld
haben werden .


(Beifall bei der CDU/CSU – Katja Mast [SPD]: Trotz abschlagsfreier Rente mit 45 Versicherungsjahren!)


Meine Damen und Herren, die Konjunktur läuft, die
Exporte brummen weiter, und unsere Bevölkerung ist gut
versorgt . Aber ich gebe offen zu: Der unerwartet große
anhaltende Flüchtlingszustrom stellt uns in der Tat vor
große Herausforderungen und entfaltet derzeit seine nor-
mative Kraft . Man kann sich jetzt empören, dass sich
viele der Zugewanderten nach geltendem Recht gar nicht
hier befinden dürften. Man kann beklagen, dass die Ein-
richtung eines tragfähigen Asyl- und Flüchtlingsregimes
in den letzten Jahrzehnten versäumt worden ist . Man
kann bedauern, dass die Integration der Zugewanderten
in vielen Bereichen des täglichen Lebens noch wenig
gelungen erscheint . Man kann die Schuld dafür bei der
Bundeskanzlerin persönlich, bei der Bundesregierung,
bei Länderregierungen – jetzigen oder früheren – oder
bei den jeweiligen Innenministern, bei den Politikern
allgemein, bei den Kirchen oder bei wem auch immer
suchen . Nur: All das hilft nicht weiter . Denn das enthebt
uns nicht unserer Pflicht, die bestehenden Herausforde-
rungen aufzugreifen und das Beste aus der Situation zu
machen . Das tun wir, und genau deshalb haben wir in
den vergangenen Wochen den Haushalt für Arbeit und
Soziales im Ausschuss nachjustiert .

Die geplanten Mehrausgaben liegen bei 2,6 Milliar-
den Euro, von denen über 1,9 Milliarden Euro flücht-
lingsinduziert sind . Wesentlich sind die Steigerungen
bei den Ausgaben für das Arbeitslosengeld II, die um
1,3 Milliarden Euro ansteigen; das wurde schon erwähnt .
Damit tragen wir dem Umstand Rechnung, dass aner-
kannte Asylbewerber nach Abschluss ihres Verfahrens in
der Regel nicht sofort eine Arbeit finden werden, häufig
noch Sprachkurse oder Qualifizierungen benötigen und
daher Arbeitslosengeld II erhalten werden .

Die stark gestiegene Zahl der Flüchtlinge verursacht
außerdem erhebliche Mehrkosten bei Ländern und Kom-
munen für die Unterbringung und die soziale Grundsi-
cherung während des Asylverfahrens . Deshalb erhöhen
wir die Beteiligung des Bundes an den Leistungen für
Unterkunft und Heizung um 400 Millionen Euro .

Schließlich soll der im Bundeshaushalt bisher ver-
anschlagte Finanzrahmen für Arbeitsförderung deut-
lich steigen . Einerseits erhöhen wir die Leistungen zur
Eingliederung in Arbeit um knapp 250 Millionen Euro,

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)







(A) (C)



(B) (D)


andererseits erhöhen wir die Mittel für die Verwaltungs-
kosten für die Durchführung der Grundsicherung für Ar-
beitsuchende um 325 Millionen Euro auf jetzt sage und
schreibe 4,4 Milliarden Euro .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ja, das leisten wir, und der Sinn ist, dass die Bundes-
agentur für Arbeit 2 000 zusätzliche Stellen erhält und
800 Befristungsmöglichkeiten in den gemeinsamen Ein-
richtungen finanzieren kann. Damit sowie mit 179 Mil-
lionen Euro für die berufsbezogene Sprachförderung
und 48 Millionen Euro für die berufliche Integration und
Beratung von Zuwanderern wollen wir die erfolgreiche
Integration von Asylbewerbern mit Bleibeperspektive
und von anerkannten Flüchtlingen in Arbeitsmarkt und
Gesellschaft befördern;


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


denn, liebe Kolleginnen und Kollegen, nach vorsich-
tigen Schätzungen verfügt knapp ein Drittel der zu uns
geflüchteten Menschen über eine möglicherweise ver-
wertbare berufliche Qualifikation. Zudem können wir
die überwiegend sehr jungen Menschen vielfach noch
ausbilden bzw. qualifizieren und ihnen so eine attraktive
Arbeitsmarktperspektive verschaffen .

Frühzeitiger Spracherwerb und frühzeitige Aufnah-
me einer Erwerbstätigkeit sind zentrale Bausteine einer
erfolgreichen gesellschaftlichen Integration . Und über
Integration darf man nicht nur in Sonntagsreden fabulie-
ren, man muss sie auch durchführen, und so gehen wir
sie als Bundesregierung, als Koalition jetzt an . Das heißt
aber auch, dass wir von den Zugewanderten diese Inte-
gration konsequent einfordern müssen . Sie muss von der
öffentlichen Hand konsequent unterstützt werden, damit
Zuwanderung gerade auch vor dem Hintergrund unserer
demografischen Entwicklung – wir wissen da alle Be-
scheid; das brauche ich gar nicht zu vertiefen – dauerhaft
von der Bevölkerung akzeptiert wird . Ich möchte den
BDI-Präsidenten Kerber zitieren, der letzte Woche gefor-
dert hat – ich zitiere –:

Wir brauchen massive und anhaltende Integrations-
bemühungen . Wir müssen in eine Integrationsinfra-
struktur investieren . Dann könnte es in fünf bis zehn
Jahren klappen . Dafür muss die Regierung einen
Plan entwickeln .

Ich muss sagen: Wo er recht hat, hat er recht .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Bundesagentur für Arbeit und das Bundesamt für
Migration und Flüchtlinge arbeiten schon seit Spätsom-
mer unter Leitung von Herrn Weise im Rahmen des
Arbeitsstabes Integriertes Flüchtlingsmanagement eng
zusammen . Ich begrüße vor diesem Hintergrund aus-
drücklich die Bereitschaft der Bundesagentur, 121 Milli-
onen Euro aus eigenen Mitteln, aus Mitteln der Bundes-
agentur, für Sprachkurse zur Verfügung zu stellen .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Jobcenter haben noch keinen einzigen Cent bis heute!)


Mein Dank gilt daher neben dem Verwaltungsrat insbe-
sondere den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die
auch in diesem Bereich mit ihren Beiträgen solidarisch
gesamtgesellschaftliche Aufgaben finanzieren.

Meine Damen und Herren, wir wissen es alle: Mit
dem Rentenpaket, mit der Mütterrente und der Ren-
te mit 63, ist die Große Koalition im vergangenen Jahr
fulminant in die neue Legislaturperiode gestartet . Beide
Rentenleistungen erfreuen sich großer Beliebtheit und
haben für milliardenschwere Mehrausgaben der beitrags-
finanzierten Rentenversicherung gesorgt. Die im Bun-
deshaushalt 2016 geplanten Ausgaben für die Zuschüsse
für die Rentenversicherung und die Grundsicherung im
Alter und bei Erwerbsminderung liegen bei 93,3 Mil-
liarden Euro . Das sind circa 30 Prozent des gesamten
Bundeshaushalts . Wir lassen uns das also wirklich etwas
kosten . Die bis 2019 absehbar auf rund 106 Milliarden
Euro ansteigenden Bundeszuschüsse sind derzeit solide
finanziert und erscheinen aus heutiger Sicht auch in den
kommenden Jahren finanzierbar.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie sehen:
Der vorgelegte Bundesetat schaut in die Zukunft . Er ist
der Zukunft zugewandt . Er zeigt, dass wir Mut und Tat-
kraft besitzen, dass wir die Zukunft fest im Blick haben,
und das zum Wohle der Menschen in unserem Land . Die
haben uns gewählt, und für die arbeiten wir hier gemein-
sam in einer Großen Koalition an tragfähigen Lösungen .
Ich verschweige nicht, dass es natürlich an der einen oder
anderen Stelle bei uns auch einmal ein bisschen knarzt,
aber wir finden uns zusammen, wir finden Lösungen.

Deshalb von meiner Seite ein Dank an das Ministe-
rium, an die Kolleginnen und Kollegen in den Arbeits-
gruppen „Arbeit und Soziales“ der Koalitionsfraktionen,
an die Mitberichterstatter und für die ausgezeichnete Zu-
sammenarbeit auch an die beiden Kolleginnen aus der
Opposition . Es hat Spaß gemacht, gemeinsam zu arbei-
ten . Ekin, ich sage es dir ganz persönlich: Du hast mit
den Terminen immer viel Arbeit . Du machst das super .
Das vertrauensvolle Verhältnis, das wir haben, sorgt da-
für, dass man ab und zu auch einmal einen Wunsch der
Opposition erfüllen kann; aber das muss ein vernünftiger
Wunsch sein, es geht nicht alles .

Ich denke, wir können alle frohgemut diesem Bundes-
haushalt zustimmen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814007300

Als nächster Redner hat Ewald Schurer von der

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ewald Schurer (SPD):
Rede ID: ID1814007400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Der Einzelplan 11
ist gerade von meinem Kollegen Fischer in seinen Be-
standteilen und seiner Wirkungsmächtigkeit hinreichend

Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land)







(A) (C)



(B) (D)


beschrieben worden . Wenn wir uns vergegenwärtigen,
dass wir am Freitag einen Bundeshaushalt mit einer Grö-
ßenordnung von 317 Milliarden Euro verabschieden und
der Einzelplan 11 ein Volumen von knapp 130 Milliarden
Euro hat, also mehr als 40 Prozent umfasst, dann erken-
nen wir die gesellschaftliche und ökonomische Bedeu-
tung dieses Haushalts .

Gegenwärtig findet ja eine aufgeregte Debatte statt.
Klar ist, dass in der gegenwärtigen Situation Migration,
Asyl und Integration in die Gesellschaft die bestimmen-
den Themen sind . Es gibt keinen einzigen Einzelplan, bei
dem diese Themen nicht zu Recht in den Mittelpunkt ge-
rückt werden . Das muss auch so sein .

Ich sage Ihnen: Die für den Bereich Arbeit und So-
ziales für Arbeitsförderung vorgesehenen 34,5 Milliar-
den Euro bedeuten, dass dieser Haushalt – das ist meine
These; das ist meine Interpretation dieses Einzelplans im
Rahmen der zweiten und dritten Lesung des Bundeshaus-
halts – der größte Investitionshaushalt ist, den der Bun-
deshaushalt aufzuweisen hat; und zwar geht es dabei um
Investitionen in Menschen . Für Investitionen draußen im
Land haben wir nominell gute 10 Prozent der Haushalts-
mittel vorgesehen; aber wir sollten das dazurechnen, was
wir über Arbeitsförderung in die Menschen investieren .
Ich sage Ihnen: Diese Mittel, diese Investitionen in die
Menschen werden sich rentieren; denn diese aktiv in die
Integration der Menschen in den Arbeitsmarkt investier-
ten Mittel – wir haben natürlich auch passive Mittel; ich
nenne das Stichwort „Versorgung“ – werden sich in den
nächsten Jahren positiv auswirken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Mit dem Haushalt für Arbeit und Soziales haben wir
die große Chance, eine Diskussion, die draußen zum Teil
mit Angst, Polemik, auch mit politischen Absichten so
oder so geführt wird, zu versachlichen . Bei vielen lau-
fenden Programmen geht es um Integration; das ist das,
was wir jetzt investieren . Das geschieht natürlich, lieber
Kollege Fischer, in Koordination und Kooperation mit
der Bundesagentur für Arbeit . Sie erhält zusammen mit
den Jobcentern einige Tausend neuer Stellen . Das ist not-
wendig, damit sie die Mehrarbeit erledigen kann .

Der technische Begriff lautet: flüchtlingsinduziert. Ich
möchte dieses Wort „flüchtlingsinduziert“ einmal mit
Leben erfüllen: Durch Flucht und Vertreibung kommen
Menschen mit Bedürfnissen zu uns, aber auch Menschen
mit besonderen Persönlichkeitsprofilen, mit Talenten,
mit Fähigkeiten . Nicht ohne Grund hat die Frau Minis-
terin gesagt, dass über die Hälfte dieser Menschen un-
ter 25 Jahre alt ist; laut Statistik sind zwei Drittel unter
30 Jahre alt . Das heißt, da gibt es ein riesiges Potenzial
für den Arbeitsmarkt .

Es gibt einen Dreiklang: Das Erste ist – das ist schon
gesagt worden – die Sprache . Über Bildung und Sprache
können die Menschen einen Zugang zu unserer Kultur,
auch zu unserer Arbeitskultur, bekommen . Das Zweite ist
die Ausbildung, das Dritte die Aufnahme der Erwerbs-
arbeit . Das sind enorme Schritte, die wir gehen müssen .

Es gibt dazu noch nicht sehr viel dezidiertes wissen-
schaftliches Material oder Evaluierungen; aber es gibt
schon Fakten, die zeigen, dass es uns gelingen kann, mit
einem gezielten Aufwand in den nächsten zwei – das ist
das Minimum, weil man so lange braucht, um die nöti-
gen Sprachkenntnisse zu erwerben – bis acht Jahren die
Hälfte aller Menschen, die zu uns kommen, in Erwerbs-
arbeit zu bringen, durch die sie in der Lage sind, ihren
Lebensunterhalt – weit über der Armutsgrenze – selbst zu
tragen und, wenn sie in dieser Gesellschaft eine Bleibe-
option haben, eine Wohnung zu haben, also über Arbeit
in der Gesellschaft integriert zu sein . Das wäre auch mein
persönliches Ziel: dass wir es schaffen, mindestens die
Hälfte der Menschen, die bisher gekommen sind, in den
nächsten Jahren aktiv in den Arbeitsmarkt zu integrieren .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Damit relativieren sich auch die Ängste, die zum Teil
politisch bewusst mit der Aussage geschürt werden: Wir
schaffen das nicht . – Wenn wir diese Fördermaßnahmen
am Arbeitsmarkt gezielt umsetzen, in Koordination mit
der BA, mit den Jobcentern, haben wir alle Chancen die-
ser Welt, die Integration dieser Menschen nachhaltig zu
erreichen .


(Beifall bei der SPD)


Das wird keine leichte Aufgabe werden . Die BA hat
im Jahre 2011 in einem Report mit dem Titel „Perspek-
tive 2025“ geschrieben: Was wir brauchen, ist eine all-
gemeingesellschaftliche Qualifizierungsoffensive. – Wir
wissen doch alle, dass sich der Arbeitsmarkt in allen
wichtigen Branchen verändern wird – nicht nur aufgrund
von Industrie 4 .0, nicht nur aufgrund der heutzutage hö-
heren Ansprüche in fast allen Berufsbildern der Dienst-
leistungswelt, des Gewerbes und der Industrie, sondern
auch durch manifeste gesellschaftliche Veränderungen .
In diese Veränderungen können vor allen Dingen die jun-
gen Menschen, die zu uns kommen, hineinwachsen .

Es wird ja immer von einem – auch das ist ein sehr
technischer Begriff, den ich nicht mag, weil er so techno-
kratisch klingt – Geburtenunterschuss in unserer Gesell-
schaft gesprochen . Dazu gibt es evidente wissenschaftli-
che Studien . Wir sind in diesem Land in der Lage, jedes
Jahr 300 000 bis 400 000 Menschen über den Prozess
Bildung und Arbeit in die Gesellschaft zu integrieren .
Das würde einen enormen gesellschaftlichen Mehrwert
bedeuten, auch für die Leistungsfähigkeit und die Wert-
schöpfung dieser Gesellschaft, meine lieben Kolleginnen
und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Die Ministerin hat gesagt, dass bei der Aufnahme und
Registrierung die Profile und Biografien der Menschen
schnell testiert werden müssen, damit bereits in einer frü-
hen Phase die Talente der Menschen erkannt werden kön-
nen; das soll proaktiv und in einem vernünftigen zeitli-
chen Rahmen geschehen . Wenn wir das schaffen, werden
die Gelder, die wir heute für Arbeitsfördermaßnahmen in
den Haushalt einstellen, morgen sowohl individuell für
die Menschen, die sich dadurch selbst tragen können, als
auch für die ganze Gesellschaft ein großer Gewinn sein .

Ewald Schurer






(A) (C)



(B) (D)


Insofern sage ich: Wer ins Gelingen verliebt ist, der
muss auf diese Menschen mit ihren Ansprüchen, Hoff-
nungen und Fähigkeiten setzen . Das ist die positivste
Form der Integration in die Gesellschaft, verbunden mit
einem ökonomischen Erfolg . Darauf möchte ich setzen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814007500

Als nächster Redner spricht Klaus Ernst von der Frak-

tion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Klaus Ernst (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814007600

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Zugegebenermaßen machen Sie uns die Opposi-
tionsarbeit zurzeit nicht leicht .


(Bernd Rützel [SPD]: Aha!)


Jetzt hätte ich eigentlich erwartet, dass Sie sagen: weil
wir so gute Politik machen .


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Richtig! – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/ CSU]: Das muss man ja nicht extra sagen! Das ist doch klar!)


– Ja, Herr Weiß, hereingefallen!


(Heiterkeit bei der LINKEN – Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Die Opposition ist aber auch äußerst schwach, Herr Ernst!)


Ich kann Ihnen sagen, an was das liegt .


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Daran, dass die Opposition so schwach ist!)


Es liegt daran, dass Sie die Oppositionsrolle offensicht-
lich gleich mit übernehmen wollen .


(Zuruf von der CDU/CSU: Sie machen es nun mal so schlecht!)


Bleiben wir doch einmal beim Thema Flüchtlinge,
und werfen wir einen kurzen Blick nach Bayern . Ich
kann nur sagen: Wir als Opposition sind gegenüber der
Bundeskanzlerin nicht nur höflich, sondern geradezu zu-
rückhaltend, wenn ich mir vor Augen halte, was für eine
Politik in Bayern gegen Flüchtlinge gemacht wird .


(Beifall bei der LINKEN – Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Na ja! Sie sind selten zurückhaltend! – Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)


– Ja, da können Sie sich aufregen; aber das ist doch die
Wahrheit . – Die Bundeskanzlerin so abzubürsten, wie
Herr Seehofer es auf dem Parteitag gemacht hat, das
würden wir nie machen – wenn wir sie einladen würden .


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN – Dr . Martin Rosemann [SPD]: Das müssten Sie mal ausprobieren! – Zuruf von der CDU/CSU: Sie laden sie ja auch nicht ein! – Katja Mast [SPD]: Ja, „wenn“!)


Das würden wir aber nie machen .

Wo ist das Problem? Das Problem ist, dass es uns – da-
mit meine ich jetzt nicht nur die CSU – offensichtlich nur
unzureichend gelingt, diesen Zustrom von Menschen als
Chance zu begreifen. Welche Begrifflichkeiten geistern
durch die Welt? Der eine spricht von Flüchtlingswellen,
der andere von Flüchtlingslawinen, der eine sieht eine
Bedrohung, und der andere eine Situation, die nicht mehr
bewältigbar ist . So diskutieren wir über dieses Problem .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir nicht!)


Wir verkennen dabei vollkommen, was eben gesagt
wurde: dass 50 Prozent der Menschen, die zu uns kom-
men, unter 25 sind – 50 Prozent! – und dass ein großer
Teil von ihnen, 70 Prozent, unter 30 ist . Mein Gott, welch
eine Chance, wenn es uns gelingt, diese Menschen in den
Arbeitsmarkt zu integrieren!


(Beifall bei der LINKEN)


Welch eine Chance, wenn es uns gelingt, sie so zu quali-
fizieren, dass sie arbeiten können, Werte erwirtschaften,
Steuern zahlen und dann das tun, was Sie alle immer so
sehr bejubeln: dazu beitragen, das Wachstum zu fördern .
Warum gelingt es uns eigentlich nicht, eine solche Be-
trachtung der Realität anzustellen, wie ich es eben getan
habe? Warum müssen wir von Wellen oder Lawinen re-
den, und warum wird gefordert, die Grenzen dichtzuma-
chen? Weiß Gott, ich halte es für ein Drama, wie wir die-
se Debatte in der Bundesrepublik führen . Ich wiederhole
es: Ich halte das für ein Drama .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, nun zu Ihrem Haushalt .
Dafür muss man natürlich etwas tun . Ja, Sie haben die
Mittel aufgestockt . Aber, Frau Nahles, ich bitte Sie: Sie
wissen doch selber, dass das, was geplant ist, hinten und
vorne nicht ausreicht, um die Probleme wirklich zu be-
wältigen . Oder war es nicht so – habe ich das falsch ver-
standen? –, dass Sie vom Finanzminister eigentlich mehr
Geld haben wollten, um diese Aufgaben zu bewältigen?
Es ist notwendig, jetzt mehr Geld in die Qualifizierung
zu stecken, und wir brauchen mehr Geld für Sprachkurse,
um zu gewährleisten, dass all das, was ich eben ange-
sprochen habe, erreicht wird . Sie stellen aber nicht mehr
Geld zur Verfügung . Sie machen etwas ganz anderes . Der
Finanzminister will den Flüchtlingen von dem Geld, das
sie bekommen, 36 Euro im Monat für Sprachkurse abzie-
hen . Ja, was ist denn das für eine Politik?


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Antje Lezius [CDU/ CSU]: Was nichts kostet, ist auch nichts wert!)


Da versteht man die Welt nicht mehr . Man weiß auch
nicht mehr, ob die Vorschläge, die hier gemacht werden,
wirklich ernst gemeint sind .

Meine Damen und Herren, das Nächste – Sie haben es
angesprochen, Frau Nahles; heute Vormittag ist übrigens
auch Herr Gabriel zu Recht darauf eingegangen –: Wir
müssen aufpassen, dass jetzt nicht der eine gegen den an-
deren ausgespielt wird . Um das zu verhindern, braucht

Ewald Schurer






(A) (C)



(B) (D)


man natürlich erstens Geld . Zweitens braucht man aber
auch Regelungen, die dann für alle gelten .

Herr Spahn ist jetzt nicht mehr da . Sein Vorschlag
lautete, jetzt über den Mindestlohn nachzudenken und
die Mindestlohngrenze bei Flüchtlingen vielleicht nicht
so ernst zu nehmen, sie vielleicht sogar ein Stück weit
zu senken . Meine Damen und Herren, was machen Sie
denn da? Ist Ihnen eigentlich klar, welchen Unfug Sie da
verbreiten und welchen sozialen Sprengstoff Sie damit
erzeugen?


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Im Ergebnis würde das nämlich bedeuten, dass dann
wieder Leute für 5 Euro oder 6 Euro pro Stunde arbeiten
und dass derjenige, der den Mindestlohn bekommt, sei-
nen Job verliert und direkt gegen einen Flüchtling ausge-
spielt wird . Da kommt Freude auf! Ich bin Ihnen dank-
bar, dass Sie eine klare Position haben . Aber ich würde
Sie bitten, mit dem Herrn Spahn einmal ernsthaft zu re-
den . Der braucht vielleicht eine Streicheleinheit oder so,
damit er wieder zur Vernunft kommt .


(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Frau Nahles, noch etwas – da haben wir dann das
nächste Problem –: Wenn wir einen Mindestlohn auf dem
Papier haben, nützt er uns überhaupt nichts . Die Einhal-
tung des Mindestlohns muss auch kontrolliert werden .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Genau richtig!)


Wenn zusätzlich eine Reihe von Menschen in unser Land
kommt, die aufgrund ihrer besonders miesen Situation
bereit sind, unterhalb dieser Lohngrenze zu arbeiten, und
die froh sind, überhaupt irgendeinen Job zu haben, dann
ist es umso notwendiger, dass die Einhaltung des Min-
destlohns kontrolliert wird .

Wir haben überhaupt kein Verständnis, Frau Nahles,
dass ein Teil des Personals bei der Finanzkontrolle
Schwarzarbeit für die Registrierung von Flüchtlingen
umstrukturiert werden soll . Ja, die Flüchtlinge müssen
registriert werden . Aber dann muss man eben Geld in
die Hand nehmen und für die Registrierung andere Leute
einstellen . Wir müssen doch bitte schön die Einhaltung
der Bedingungen in unserem Land dahin gehend kontrol-
lieren, dass die Flüchtlinge nicht für Billiglöhne arbeiten
und von Arbeitgebern ausgenutzt werden, die sich an ih-
nen schadlos halten . Das darf nicht passieren . Deshalb
müssen wir in dieser Frage wirklich eingreifen .


(Beifall bei der LINKEN)


Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss .
Natürlich brauchen wir Investitionen in ausreichendem
Maße; meines Erachtens gibt das der Haushalt nicht
her. Wir brauchen aber auch flankierende Maßnahmen,
die dazu führen, dass genau im Bereich der praktischen
Arbeit die Menschen vor Ausbeutung geschützt werden,
die ihnen droht, wenn die Einhaltung der gesetzlichen
Bedingungen nicht kontrolliert wird, weil die Kontrolle
nicht funktioniert und unzureichend geregelt ist . Deshalb

meine Bitte: Bessern Sie nach, insbesondere bei der Fi-
nanzkontrolle Schwarzarbeit .


(Beifall bei der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814007700

Als nächste Rednerin spricht Sabine Weiss von der

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Sabine Weiss (CDU):
Rede ID: ID1814007800

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine Damen und Herren! Eigentlich ist es
wie immer in der letzten Sitzungswoche im November:
Wir debattieren und beschließen den Bundeshaushalt für
das bevorstehende Kalenderjahr mit den Einzelhaushal-
ten für die Ressorts . Eigentlich ist es wie immer: Das
Bundesministerium für Arbeit und Soziales weist mit
knapp 130 Milliarden Euro den größten Einzelhaushalt
auf . Und eigentlich ist auch das wie immer: Der Oppo-
sition sind die vorgesehenen Leistungen zu niedrig . Sie
wähnt wieder einmal unseren Sozialstaat am Ende .

Ich möchte an dieser Stelle – ich glaube, im Namen
vieler Kolleginnen und Kollegen – ganz deutlich sagen:
Ich bin stolz auf unser Land . Ich bin unendlich dankbar,
dass ich in diesem Land leben darf, und ich bin stolz auf
das, was die hier lebenden Menschen trotz aller Schwie-
rigkeiten auf die Beine stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Eigentlich ist alles anders als sonst . Weil es so wichtig
ist, möchte ich natürlich darauf eingehen . Die aktuelle
Flüchtlingszuwanderung stellt uns vor die größte arbeits-
markt- und sozialpolitische Herausforderung unserer
neueren Geschichte .

Im Bundeshaushalt wird für dieses Jahr von einer Zu-
wanderung von rund 800 000 Menschen ausgegangen .
Die meisten – Herr Ernst hat es erwähnt – sind jünger
als 30 Jahre, etwa 70 Prozent . Viele Zuwanderer werden
die nächsten Jahre bei uns bleiben . Um diese Menschen
möglichst schnell zu integrieren, hat der Haushaltsaus-
schuss des Bundestages deshalb die Haushaltsmittel für
das BMAS im Vergleich zur ursprünglichen Planung vom
September um rund 2,6 Milliarden Euro aufgestockt . Die
Haushälter haben es bereits erwähnt: Deutliche Aufsto-
ckungen gibt es zum Beispiel für die berufsbezogene
Sprachförderung, für die Eingliederung in Arbeit und bei
der Durchführung der Grundsicherung für Arbeitsuchen-
de . Die Leistungen für Unterkunft und Heizung werden
um 400 Millionen Euro aufgestockt .

Richtig ist – auch das wurde erwähnt –: Wir wissen
nicht, wie viele Flüchtlinge im Jahr 2015 insgesamt tat-
sächlich kommen und wie viele von ihnen hierbleiben
werden . Daher wird nachgesteuert werden, wenn die
Bundesregierung im Februar 2016 über genauere Zahlen
verfügt und über den Stand von Integration und Sprach-
förderung berichtet .

Klaus Ernst






(A) (C)



(B) (D)


Unser gemeinsames Ziel in der Koalition aber ist es,
die Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive möglichst
schnell in Arbeit zu bringen; denn Ausbildung und Ar-
beit sind die Voraussetzung für Integration in die Gesell-
schaft, in unsere Gesellschaft .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dazu müssen natürlich mitgebrachte Bildungs- und Be-
rufsabschlüsse geprüft werden . Ich denke, an dieser Stel-
le ist angesichts der unterschiedlichen Handhabung und
Vorschriften in den einzelnen Bundesländern sicherlich
noch mehr Flexibilität erforderlich .

Am allerwichtigsten aber – das sehen auch wir so – ist
der Spracherwerb . Bei den Sprachkursen haben BMAS
und BMI ebenfalls den akuten Handlungsbedarf erkannt
und ein integriertes Konzept zur Sprachförderung bis B1
entwickelt . Das kann vielleicht die bisher nur berufsbe-
zogenen Sprachkurse ablösen . Dies ist, denke ich, ein
absolut guter Anfang .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Basisausbildung wird aber in der Regel natür-
lich nicht reichen, um bei der Facharbeiterausbildung
die vielen DIN-Normen und sonstigen Vorschriften in
Deutschland problemlos verstehen und umsetzen zu
können . Daher ist von den künftigen Arbeitgebern, Aus-
bildern und Mitarbeitern ganz viel Einsatz erforderlich .
Die Signale sind ausgesprochen positiv . Ich möchte mich
schon jetzt bei den Genannten für ihr Engagement, für
ihr Verständnis und auch für ihre Geduld bei der betrieb-
lichen Eingliederung im Rahmen von Aus- und Wei-
terbildung von Flüchtlingen bedanken . Gleicher Dank
gilt selbstverständlich den Tausenden von Menschen,
die schon wochen- und monatelang ehrenamtlich und
hauptamtlich in Einrichtungen für Flüchtlinge arbeiten,
Essen und Trinken austeilen, sich als Dolmetscher bzw .
Übersetzer oder für die Beschäftigung mit Kindern zur
Verfügung stellen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Diese Menschen – viele von uns erleben sie in den
Flüchtlingsunterkünften – arbeiten oft nach der Devise:
Wer selbst nicht für etwas brennt, entfacht auch kein Feu-
er bei anderen . – Sie alle zeigen ein freundliches Gesicht .
Sie alle sind Deutschland . Ich möchte an uns alle appel-
lieren: Lassen Sie uns bitte dieses freundliche Gesicht
auch in der Zukunft bewahren .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Weil in den Medien und auch heute hier im Plenum
immer wieder so viel Negatives erwähnt wird, möchte
ich den Blick auf einige von unzähligen positiven Akti-
onen richten, die wirklich Mut machen und auch erwäh-
nenswert sind . Sie gehen aber leider angesichts der oft
negativen Schlagzeilen immer wieder unter .

Zum Beispiel will die Bayerische Staatsregierung mit
einem umfassenden Maßnahmenpaket bis Ende 2016
20 000 und bis 2019 60 000 Flüchtlingen einen Prakti-
kums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anbieten . In mei-
nem Bundesland Nordrhein-Westfalen wurden von der
Bundesagentur für Arbeit sogenannte Integration Points

eingerichtet. Hier befinden sich Mitarbeiter aller für die
Erstaufnahme notwendigen Behörden neben der BA qua-
si unter einem Dach – nicht räumlich, aber inhaltlich .
Das erleichtert die Erstaufnahme ganz erheblich; denn
alles geht sozusagen Hand in Hand .

Ich habe den in meinem Wahlkreis jetzt eingerichte-
ten Integration Point besucht und mit den Mitarbeitern
gesprochen, und ich muss sagen, dass ich von dem En-
gagement, Optimismus und, man kann manchmal sogar
sagen, Pioniergeist angetan bin, den ich bei den Mitarbei-
tern der BA beim Aufbau dieser Stelle antreffen konnte .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


In meinem Wahlkreis zum Beispiel haben Rotarier,
Stadt und Handwerkerschaft das Programm „Integrati-
on durch Arbeit, Ausbildung und Sprache“ entwickelt .
Täglich findet vormittags eine Sprachausbildung statt.
Nachmittags lernen die Zuwanderer in einer Werkstatt
oder beteiligen sich an der Instandhaltung von Rad-
und Wanderwegen . Diese Kombination von täglicher
Sprachausbildung und Sprachpraxis ist so erfolgreich,
dass die ersten Kursteilnehmer schon ein Angebot für ein
Vorpraktikum für einen Ausbildungsplatz haben . Heute
Morgen konnte ich zu meiner Freude in der Lokalpresse
lesen, dass ein in meinem Wahlkreis ansässiger Chemie-
konzern 250 000 Euro zur Verfügung stellt . Damit soll
ein speziell für Flüchtlinge entwickelter Deutschkurs fi-
nanziert werden .

Überall – landauf, landab – erleben wir, dass Sprach-
und Willkommensklassen für Erwachsene eingerich-
tet werden . In einer weiteren Flüchtlingseinrichtung in
meinem Wahlkreis gibt es das echt gute Beispiel eines
jungen Syrers, der in Deutschland mittlerweile Rechts-
wissenschaften studiert und sich als Dolmetscher zur
Verfügung stellt .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Nennen Sie doch mal Ihren Wahlkreis! Haben Sie noch nicht gesagt!)


– Wesel .

Die Kleinstadt Altena im Märkischen Kreis – sie be-
findet sich im Wahlkreis der Kollegin Voßbeck-Kayser –
nimmt mehr Flüchtlinge auf, als sie muss, und hofft so-
gar, dass sie dauerhaft bleiben werden . Dort haben DRK,
THW, Freiwillige Feuerwehr, Katholische und Evangeli-
sche Kirche wie auch islamische Vereine gemeinsam mit
der Politik die Hilfe organisiert .

Der Bürgermeister von Altena hat zu dem Thema ge-
sagt – ich zitiere aus einem Pressebericht –:

Wir haben keine Krise erlebt . Darum sind wir es den
Flüchtlingen schuldig, ihnen zu helfen . Wenn wir
noch mehr von ihnen aufnehmen müssten, würden
wir es tun – auch wieder freiwillig .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


So gibt es unzählige positive Beispiele dafür, wie mit
Flexibilität und unkonventionellem Handeln Lösungen
gefunden werden, die wir uns vor einiger Zeit vielleicht
noch gar nicht haben vorstellen können . Liebe Kollegin-

Sabine Weiss (Wesel I)







(A) (C)



(B) (D)


nen und Kollegen, mit Optimismus, Tatkraft und Ideen-
reichtum können die vor uns liegenden Herausforderun-
gen gestemmt werden, aber nicht mit Klagen, Zetern und
ausschließlichen Negativmeldungen .

Es ist richtig, dass die Zuwanderung von Flüchtlingen
nach Deutschland sicherlich nicht den Fachkräftemangel
und unser demografisches Problem mit einem Schlag
lösen wird . Die Zuwanderung wird zweifellos zur Ver-
besserung der demografischen Situation in Deutschland
beitragen; sie wird aber den Fachkräftemangel nicht
vollständig beseitigen . Das wissen wir . Daher müssen
wir uns auch weiterhin gezielt um Fachkräfte aus Europa
oder aus Drittländern bemühen .


(Beifall des Abg . Dr . Martin Rosemann [SPD])


Dafür haben wir zahlreiche Möglichkeiten . Für Hoch-
qualifizierte aus Drittstaaten gibt es zum Beispiel die
Bluecard . Fachkräfte mit Berufsausbildung können in
mittlerweile 70 Engpassberufen bzw . im Rahmen von
Vermittlungsabsprachen arbeiten . Mit dem Programm
„Triple Win“ werden ausländische Fachkräfte für deut-
sche Engpassberufe gewonnen . Zur Arbeitsplatzsuche
gibt es für Fachkräfte aus Drittstaaten und Absolventen
deutscher Hochschulen einen eigenen Aufenthaltstitel .

Ob legale Arbeitsmigration durch Fachkräfte oder In-
tegration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt: Beides
muss natürlich geordnet erfolgen . Richtig ist – das ist
auch Auffassung unserer Fraktion –: Wir werden nicht
den Rufen folgen, den im letzten Jahr vereinbarten Min-
destlohn zu senken .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Mit Blick auf geforderte Ausnahmen sage ich: Zu-
nächst einmal ist es Sache der Akteure auf dem Ar-
beitsmarkt, sozialversicherungspflichtige Arbeitsstellen,
Praktika und sonstige Jobs anzubieten . Daher freue ich
mich über die Aussage von Arbeitgeberpräsident Kramer,
der am Dienstag auf dem Arbeitgebertag sagte – ich zitie-
re –: „Bei der Bezahlung darf die Herkunft der Menschen
keine Rolle spielen .“


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir sind auch für alle Initiativen und Projekte von Ar-
beitgebern, Sozialpartnern, Aktionsbündnissen und Pri-
vatleuten dankbar, die Flüchtlingen ohne ausreichende
Sprachkenntnisse den Zugang zum Arbeitsmarkt erleich-
tern . Was wir nicht wollen, sind Verdrängungseffekte
zulasten anderer Personengruppen . Ich denke dabei ins-
besondere an unsere Langzeitarbeitslosen und Menschen
mit Handicap . Für Flüchtlinge soll es keine Besserstel-
lung, aber auch keine Schlechterstellung beim Zugang
zum Arbeitsmarkt geben .


(Matthias W . Birkwald [DIE LINKE]: Warum klatscht da keiner von der Union?)


– Weil es selbstverständlich ist . – Deshalb haben wir den
Zugang zu zugangsbeschränkten Berufen bereits deutlich

erleichtert und die Liste der Mangelberufe ohne Vorrang-
prüfung erheblich erweitert . Aber grundsätzlich muss es
bei der Vorrangprüfung bleiben .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Um Menschen mit Schwierigkeiten den Zugang zum
Arbeitsmarkt zu erleichtern, gibt es zahlreiche Förderin-
strumente, die wir nach wie vor gleichermaßen für ein-
heimische erwerbsfähige Arbeitslose wie für Flüchtlinge
nach dem dritten Aufenthaltsmonat anwenden . Wir ha-
ben nicht nur den politischen Willen, sondern auch viele
notwendige Instrumente, um den Menschen, die es beim
Zugang zum Arbeitsmarkt schwerer haben als andere,
gleichermaßen zu helfen .

Lassen Sie uns also bitte trotz aller politisch unter-
schiedlichen Schwerpunktsetzungen in diesem Hause
nicht das gemeinsame Ziel – ich hoffe, aller Demokra-
ten – aus den Augen verlieren . Die Migranten mit Bleibe-
perspektive sollen schnellstmöglich einen Platz in unse-
rer Gesellschaft finden. Es muss sicherlich immer wieder
hart um die Erreichung dieses Ziels gerungen werden .
Aber lassen wir bitte bei allem Streit, den wir angesichts
der Herausforderungen untereinander austragen müssen,
keinen Raum für rechtspopulistisches Gedankengut .


(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und der LINKEN)


Wir nehmen unsere Verantwortung wahr für Europa,
für die Menschen unseres Landes und für die Menschen,
die zu uns vor Krieg und Krisen fliehen.

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814007900

Als nächste Rednerin spricht Brigitte Pothmer von der

Fraktion Bündnis 90/Die Grünen .


Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814008000

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit wird
auch weiterhin Priorität haben und Handlungs-
schwerpunkt bleiben, auch wenn neue Aufgaben
hinzukommen .

Das hat die Ministerin bei der Einbringung dieses Haus-
haltes gesagt .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Nichts für ungut, Frau Nahles, aber angesichts Ihrer Bi-
lanz bei der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit
klingt das wirklich wie eine Drohung . Die Hälfte Ihrer
Amtszeit ist um, und nichts, aber auch gar nichts ist ge-
schafft .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU und der SPD)


Im Gegenteil: Das IAB hat Ihnen erst neulich attestiert,
dass der Anteil der Langzeitarbeitslosen mit schlechten

Sabine Weiss (Wesel I)







(A) (C)



(B) (D)


Chancen auf dem Arbeitsmarkt während Ihrer Amtszeit
noch einmal zugenommen hat .


(Dr . Martin Rosemann [SPD]: Ist ja logisch, wenn die Arbeitslosigkeit insgesamt zurückgeht!)


Das ist auch kein Wunder; denn Sie haben das Pro-
grammhopping, das schon bei Ihren Vorgängerinnen und
Vorgängern gescheitert ist, schlicht und ergreifend fort-
gesetzt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


10 000 Plätze für das Teilhabeprogramm, 33 000 Plätze
mit Lohnkostenzuschuss! Von diesen 33 000 haben nach
einem Jahr sage und schreibe 1 139 Langzeitarbeitslose
einen Job bekommen . Das ist Ihre Bilanz angesichts der
Tatsache, dass es noch immer über 1 Million Langzeitar-
beitslose gibt . Frau Nahles, das ist ein Bild des Jammers .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Nun lese ich in einem neuen Papier, das Sie ge-
meinsam mit der BA herausgegeben haben, wo Sie die
zentralen Handlungsfelder bei der Bekämpfung der
Langzeitarbeitslosigkeit sehen . Sie wollen jetzt eine stär-
kenorientierte Beratung einführen . Bravo! Was haben Sie
eigentlich bislang gemacht? Haben Sie die Schwächen
der Langzeitarbeitslosen herausgearbeitet? Was stellen
Sie sich selber für ein Zeugnis aus?

Dann sollen die Förderinstrumente zukünftig motivie-
rend sein . Was waren die denn bislang? Demotivierend?
Was haben Sie eigentlich im Bereich der Langzeitarbeits-
losigkeit gemacht? Ich bin wirklich für eine gute und
professionelle Beratung . Aber so zu tun, als könnten wir
die verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit mit neuen Bera-
tungskonzepten verringern, ist angesichts der Größe des
Problems unangemessen . Die Probleme sind eine falsche
Politik und eine völlig unzureichende Finanzierung .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir brauchen dringend einen sozialen Arbeitsmarkt .
Ich sage Ihnen noch einmal: Der Vermittlungsvorrang
muss weg. Wir müssen endlich in die Qualifikation der
Langzeitarbeitslosen investieren, wenn wir sie dauerhaft
integrieren wollen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wir brauchen mehr Geld und mehr Personal . Wenn Sie
die Beratung wirklich verbessern wollen, dann geht das
nicht ohne mehr Geld und mehr Personal .

Frau Nahles, Sie haben heute – genauso wie an ande-
rer Stelle – vollkommen zu Recht gesagt: Wir müssen
Neiddebatten verhindern . Einheimische Arbeitslose dür-
fen nicht gegen Flüchtlinge ausgespielt werden . – Richtig
so . Nur, dann müssten Sie endlich auch wirklich einmal
für die etwas tun, die bereits abgehängt sind . Die Ressen-
timents sind doch längst da . Gehen Sie doch einmal auf
die Flure der Jobcenter . Was Sie da hören, ist gar nicht

schön . Mit der Vorrangprüfung lösen Sie das Problem
nun wirklich nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Damit, liebe Frau Weiss, blockieren Sie jetzt zusätz-
lich noch den Arbeitsmarktzugang für Flüchtlinge . Sie
hängen damit zwei Gruppen ab, die Langzeitarbeitslosen
und die Flüchtlinge .

Liebe Frau Nahles, wirklich waghalsig ist Ihre An-
nahme, dass zukünftig 35 Prozent der Flüchtlinge be-
reits innerhalb eines Jahres den Hartz-IV-Bezug wieder
verlassen . Sie selber haben hier vor zu optimistischen
Prognosen gewarnt . Sie haben gesagt: Nicht einmal jeder
Zehnte kann unmittelbar in Arbeit und Ausbildung ver-
mittelt werden . – Das IAB geht von 8 Prozent innerhalb
eines Jahres aus . Ich frage Sie jetzt: Auf welchem Weg
sollen die anderen 25 Prozent den Hartz-IV-Bezug ver-
lassen? Durch reich Heiraten?


(Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht?)


Durch einen Lottogewinn? Ich kann Ihnen sagen: Das
habe ich auch schon versucht . Das ist nicht so einfach .


(Heiterkeit und Beifall – Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und dann bist du Bundestagsabgeordnete geworden!)


Das, was Sie Ihrem Haushalt zugrunde legen, ist ein
Wolkenkuckucksheim . Sie haben beim Finanzminister
schlicht und ergreifend nicht genug Geld lockermachen
können, und jetzt rechnen Sie sich die Welt schön . Das
Geld, das heute hier eingespart wird, wird uns später teu-
er zu stehen kommen . Können wir nicht endlich einmal
aus den Fehlern der Vergangenheit lernen?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Seien Sie einmal mutig! Stimmen Sie unseren in jeder
Hinsicht gegenfinanzierten Anträgen zu.

Ich danke Ihnen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814008100

Ich hoffe immer noch, dass man jemanden heiratet,

weil man ihn oder sie liebt, nicht unter Versorgungsas-
pekten .


(Heiterkeit)


Als nächste Rednerin hat Katja Mast von der
SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl Schiewerling [CDU/CSU])



Katja Mast (SPD):
Rede ID: ID1814008200

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen

und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Da auch Kassandra nie Antworten auf ihre immer wie-
derkehrenden Rufe bekommen hat, bekommt auch Frau
Pothmer sie jetzt nicht .

Brigitte Pothmer






(A) (C)



(B) (D)


Es ist richtig, dass wir in Deutschland mit viel Leiden-
schaft darüber diskutieren, wie wir Flüchtlinge integrie-
ren können . Allerdings dürfen wir aus meiner Sicht bei
aller Leidenschaft nicht vergessen, dass wir auch viele
Menschen in den Blick nehmen müssen, deren Leben wir
heute auch verbessern müssen . Wir dürfen die, die dazu-
kommen, nicht gegen die ausspielen, die schon hier sind .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir sind im Jahrhundert der Integration . Dieses Jahr-
hundert der Integration hat in dem Haushalt, über den wir
gerade diskutieren, nämlich dem des Bundesarbeitsmi-
nisteriums von Andrea Nahles, einen großen Stellenwert
bekommen . Insgesamt setzen wir mit 1,9 Milliarden Euro
zusätzlich für die Unterbringung und Versorgung von
Flüchtlingen und deren Vermittlung in Arbeit deutliche
politische Signale . 800 Millionen Euro davon sind für
aktive Arbeitsmarktpolitik, das heißt für den Erwerb von
berufsbezogenen Sprachkenntnissen, für die Förderung
von Ausbildung, für die Integration durch Arbeit und na-
türlich auch für die Qualifizierung. Ich finde, das ist erst
einmal ein gutes Signal im Jahrhundert der Integration .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Allerdings ist Integration aus meiner Sicht und für die
Sozialdemokratische Partei und Fraktion nicht die einzi-
ge Jahrhundertaufgabe . Wir sehen, dass es in Zeiten des
Wandels auch die Jahrhundertaufgabe gibt, das Kernver-
sprechen der sozialen Marktwirtschaft immer wieder zu
erneuern . Es geht nämlich darum, dass wir für jede und
jeden – so sage ich es immer ganz gern –, die morgens
aufstehen, dann arbeiten gehen und ordentlich ihre Steu-
ern zahlen, auch etwas tun . Wir müssen dafür sorgen,
dass dieses Versprechen gilt: dass, wer mitmacht, auch
am sozialen Sicherungssystem teilhat und dass es für die,
die morgens aufstehen, gerecht und fair zugeht .

Deshalb ist klar, dass wir, allen Unkenrufen zum
Trotz, Forderungen, die immer wieder auch aus den po-
litischen Reihen erhoben werden, eine Absage erteilen:
Es gibt keine Absenkung des Mindestlohns für Arbeit-
nehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland jedweder
Herkunft .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aber klar ist auch, dass diejenigen, die morgens auf-
stehen und arbeiten gehen, ein Recht darauf haben, dass
wir das, was wir in der Koalition verabredet haben, näm-
lich die Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen,
erstens zügig umsetzen, und zwar im Kabinett und im
Parlament, und dass wir zweitens Wort halten bei dem,
was wir gemeinsam im Koalitionsvertrag dazu vereinbart
haben .


(Beifall bei der SPD)


Für uns von der SPD ist klar: Wir wollen viel mehr als
das, was in dem Koalitionsvertrag steht .


(Sabine Weiss [Wesel I] [CDU/CSU]: Eben! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja das Problem!)


Es ist ja auch in Ordnung, dass wir das wollen . Die Leute
sollen auch wissen, dass Sie das nicht wollen. Das finde
ich völlig in Ordnung . Aber ich appelliere schon an mei-
ne Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU: Zu-
rückfallen dürfen wir nicht .


(Beifall bei der SPD)


Wenn ich mich an Forderungen aus Ihren Reihen er-
innere, die besagen, der Koalitionsvertrag sei nicht mehr
auf der Höhe der Zeit – womit man eigentlich sagen will:
keine Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen,
sondern alles lassen, wie es ist –, dann sage ich: Nein .
Denn wenn mein Satz vom Anfang stimmt, dass dieje-
nigen, die neu hierherkommen, und diejenigen, die hier
leben, nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen,
dann müssten wir bei diesen Themen mit Blick für die
Menschen, die die Leistungsträger der Gesellschaft sind,
sogar noch mehr machen .


(Beifall bei der SPD)


Wir wenden uns immer wieder zu Recht der Frage zu:
Wie sieht es mit den Menschen aus, die langzeitarbeits-
los sind? Was machen wir? Mit diesem Haushalt zeigt
die Koalition: Wir legen wieder 350 Millionen Euro zur
aktiven Vermittlung von Langzeitarbeitslosen in Jobs
obendrauf . Allein diese Zahl zeigt schon: Da wird etwas
getan . Zusätzlich werden 150 Millionen Euro auf die
Jobcenter verteilt . Das heißt, vor Ort kommen insgesamt
500 Millionen Euro mehr an .

Natürlich ringen wir in der Koalition immer wieder
darum: Reicht das denn aus? Aus meiner Sicht reicht es
nicht aus, insbesondere nicht bei den Verwaltungskosten
der Jobcenter . Deshalb führen wir immer wieder sehr en-
gagierte Debatten, ob wir in dieser Regierungskonstella-
tion nicht doch noch zum Passiv-Aktiv-Tausch kommen .


(Beifall bei der SPD)


Als Vorbild nehme ich da gern die sozialdemokrati-
sche Arbeitsministerin von Baden-Württemberg, Katrin
Altpeter, die dort gezeigt hat, wie das funktioniert .

Nur wenn wir gemeinsam darangehen und sagen: „Es
gibt Gruppen, denen wir uns mehr zuwenden müssen“,
können wir es hinbekommen, die unterschiedlichen
Gruppen am Arbeitsmarkt und in der Gesellschaft nicht
gegeneinander auszuspielen . Ich glaube, das ist die wich-
tige Botschaft des Haushalts des BMAS .

Zum Schluss kommend, will ich sagen: Nur wenn wir
uns zusammen anstrengen, nur wenn wir uns anstrengen,
niemanden gegen andere auszuspielen, wenn vielmehr
alle merken: „Wir strengen uns dafür an, dass sich ihr
konkretes Leben in Deutschland verbessert“, dann halten
wir Deutschland zusammen . Das ist unser aller Aufgabe
in den heutigen Zeiten .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814008300

Als nächster Redner spricht Stephan Stracke von der

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Katja Mast






(A) (C)



(B) (D)



Stephan Stracke (CSU):
Rede ID: ID1814008400

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Heute sind deutlich mehr als 43 Millionen Men-
schen erwerbstätig . Wir verzeichnen ein Allzeithoch bei
der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und
den höchsten Stellenstand seit 15 Jahren – alles in allem
eine hervorragende Lage am Arbeitsmarkt in Deutsch-
land, besonders in Bayern .


(Katja Mast [SPD]: Baden-Württemberg meinst du!)


Die Wirtschaft blickt auch weiterhin optimistisch in
die Zukunft . Das gilt auch für die Menschen . Sie wissen:
Was der Wirtschaft nutzt, das nutzt auch ihnen selbst .
Sichere Arbeitsplätze, mehr Geld in der Lohntüte und
stabile Preise, all das tut den Menschen gut und den Fa-
milien ebenso . Gute Arbeitsmarktpolitik bedeutet immer
auch gute Sozialpolitik . Dieser Zweiklang zeichnet diese
Koalition aus, gerade dann, wenn sie unionsgeführt ist .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir sind, wie ich meine, richtig erfolgreich, weil wir die
Menschen im Blick behalten, und so wollen wir es auch
in Zukunft halten .

Auf diesen Erfolgen dürfen wir uns sicherlich nicht
ausruhen . Wir erleben aktuell die größte Flüchtlingskri-
se seit dem Zweiten Weltkrieg . Jeden Tag kommen über
7 000 Menschen zu uns nach Deutschland, insbesondere
an den bayerischen Grenzen; das entspricht jeden Tag der
Einwohnerzahl einer Kleinstadt . Das zeigt, vor welchen
Herausforderungen wir insgesamt stehen, insbesondere
für den deutschen Arbeitsmarkt . Allein in Bayern be-
treuen die Arbeitsagenturen und Jobcenter derzeit rund
16 000 Flüchtlinge, Tendenz stark steigend .

Nach der Aussage des Instituts für Arbeitsmarkt- und
Berufsforschung sind die Flüchtlinge, die aktuell zu
uns kommen, deutlich schlechter qualifiziert als andere
Migrantengruppen . Über 80 Prozent derer, die im er-
werbsfähigen Alter zu uns kommen, haben keine formale
Qualifikation. Die Aussicht, schnell eine Beschäftigung
zu finden, dürfte daher für die übergroße Mehrheit der
anerkannten Flüchtlinge gering sein, so der ernüchternde
Befund der Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jah-
resgutachten . Wir müssen uns darauf einstellen, dass im
nächsten Jahr bis zu 430 000 Flüchtlinge Grundsicherung
beziehen werden . Das ist ein starker Anstieg, der auch in
den Folgejahren anhalten wird . Die Integration in Aus-
bildung und Arbeit ist und bleibt unser zentrales Thema .
Wir wollen, dass diejenigen Flüchtlinge, die dauerhaft
hierbleiben können, ein selbstbestimmtes Leben führen
können, und zwar ohne Transferleistungen des Staates .

Dabei dürfen wir auch die heutigen langzeitarbeitslo-
sen Menschen in unserem Land nicht aus dem Blick ver-
lieren; sie dürfen nicht auf der Strecke bleiben . Deshalb
ist nicht Verharmlosung das Gebot der Stunde, sondern
eine realistische Analyse dessen, was auf uns zukommt
und wie die Herausforderungen in den Griff zu bekom-
men sind . Vor diesem Hintergrund bin ich erleichtert,
dass auch in Nürnberg die Realität Einzug gehalten hat
und dass die Flüchtlingskrise als das gesehen wird, was
sie ist: in erster Linie als Krise, die zu bewältigen ist .

Es geht nicht darum, dass bedingt durch die Migrati-
on, wie es Herr Weise einst ausdrückte, in Deutschland
künftig weniger ältere graue Herren durch die Gegend
laufen und langsam mit dem Auto auf der Autobahn he-
rumfahren – das war meines Erachtens vollkommen de-
platziert und neben der Sache –; vielmehr geht es darum,
dass wir Flüchtlinge passgenau unterstützen durch Integ-
rations- und Förderketten . Genau dies tun wir .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Spracherwerb, Kompetenzfeststellung, Qualifizie-
rung, ganzheitliche Betreuung und Wertevermittlung,
das sind die wesentlichen Bausteine einer gelingenden
Integration . Bayern zeigt, wie es geht . Mit einem ganzen
Bündel an Maßnahmen setzt Bayern beispielgebend bei
den ankommenden Kindern und Jugendlichen an, indem
sie die Sprache lernen und die Grundwerte für das Leben
in Deutschland kennenlernen .

Das erfolgt zunächst in Übergangsklassen durch
Sprachförderangebote der Grund- und Mittelschulen
sowie in Berufsintegrationsklassen der Berufsschulen .
Gerade die Berufsintegrationsklassen leisten unglaublich
viel . Zweijährig, in Vollzeit verbinden sie Spracherwerb
mit gezielter Berufsvorbereitung . Dies trifft auf viel Zu-
stimmung der Wirtschaft, aber auch der Flüchtlingsorga-
nisationen .

Bayern zeigt, wie es mit pragmatischen Lösungen für
die Menschen geht . Deswegen freut es mich, dass es in
Bayern einen engen Schulterschluss der Partner am Ar-
beitsmarkt gibt: Wirtschaft, Bundesagentur für Arbeit
und Staatsregierung ziehen an einem Strang . „Keiner
darf verloren gehen“, das ist das Motto . Die Mittel dafür
heißen Spracherwerb, Qualifizieren und umfassend Be-
treuen . Die Regionaldirektion Bayern der Bundesagentur
für Arbeit nimmt allein 45 Millionen Euro für das nächs-
te Jahr in die Hand für berufssprachlichen Deutschunter-
richt mit anschließender Berufsorientierung, mit Prakti-
ka, gegebenenfalls ergänzt durch assistierte Ausbildung
oder ausbildungsbegleitende Hilfen. Ich finde, das ist
vorbildlich .

Aber: Ohne eine Begrenzung der aktuellen Zuwan-
derungszahlen werden wir an unsere Grenzen kom-
men – trotz größter Anstrengungen, trotz immensen
Mitteleinsatzes . Deshalb ist es richtig, die Zuwanderung
zu begrenzen . Wir sollten uns an all das halten, was wir
gemeinsam in dieser Koalition ausgemacht haben .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die Aufstockung des Einzelplans 11 ist in dem Um-
fang, wie sie vorgenommen wird, sicherlich erforderlich .
Der größte Ausgabenblock des Bundes, 40 Prozent der
Gesamtausgaben, ist im Haushalt des BMAS vereint .
Wir geben hier insgesamt zusätzlich 2,6 Milliarden Euro
aus . Davon entfallen 1,9 Milliarden Euro auf Ausgaben
im Zusammenhang mit der gestiegenen Flüchtlingszahl .
Ich bin sehr gespannt, wie lange diese Zahlen tatsächlich
gelten werden . Wir fahren in diesem Bereich derzeit si-
cherlich auf Sicht .

Da die Integration der Flüchtlinge auf dem Arbeits-
markt in den Orten bewältigt werden muss, in denen sie
sich tatsächlich befinden, muss das zusätzlich erforderli-






(A) (C)



(B) (D)


che Geld dorthin fließen, wo die Arbeit anfällt. Das heißt,
die zusätzlichen Mittel für die Jobcenter im Jahr 2016
dürfen nicht auf der Grundlage der bisherigen Verteil-
logik verteilt werden, weil diese in keiner Weise den
Flüchtlingszugängen Rechnung trägt .

Es muss der Grundsatz gelten: Jeder Flüchtling muss
uns gleich viel wert sein und die gleichen Chancen auf
Teilhabe haben – egal ob er sich in Berlin befindet oder
im Bayerischen Wald .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Im Wald?)


Ich hoffe, dass dieser Ansatz beherzigt wird und auch
vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Sozia-
les aufgegriffen wird . Das ist nur fair; insbesondere ist es
fair gegenüber den betroffenen Menschen .

Angesichts der Situation dürfen wir keine weiteren
Experimente auf dem Arbeitsmarkt machen . Der Min-
destlohn hat sich aufgrund des guten konjunkturellen
Umfelds bislang nicht als massiver Einschnitt dargestellt .


(Ewald Schurer [SPD]: Im Gegenteil, im Gegenteil! Wirtschaftsförderung! Mehr Kaufkraft! Mehr Konsum!)


Es ist jetzt allerdings zu früh für eine seriöse Bewertung
der Wirkungen des Mindestlohns . So haben es jedenfalls
die Wirtschaftsweisen in ihrem aktuellen Jahresgutach-
ten dargelegt . Ich warne vor zu großem Optimismus .
Wir müssen hier die Entwicklungen genau in den Blick
nehmen . Wir haben noch viele ungeklärte Fragen, ins-
besondere auch was Abgrenzungen angeht, was die Ar-
beitgeberhaftung angeht . Überall da besteht noch Hand-
lungsbedarf .

Umso genauer gilt es jetzt bei der Reform der Zeit-
arbeit und der Werkverträge hinzuschauen . Von Frau
Nahles wurde in der letzten Woche ein Referentenent-
wurf zur Regulierung der Zeitarbeit und der Werkverträ-
ge vorgelegt . Ich erachte ihn als nicht zustimmungsfähig .


(Bernd Rützel [SPD]: Oh!)


Er geht in den entscheidenden Teilen weit über den Koa-
litionsvertrag hinaus, schafft neue Bürokratie und konter-
kariert die Aufgabenteilung und Spezialisierung .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Wenn es in die richtige Richtung geht, können Sie sich doch freuen! Dann kann man doch zustimmen!)


Deswegen bin ich dankbar, dass die Kanzlerin auf dem
Arbeitgebertag klargestellt hat, dass das Gesetz in dieser
Form nicht kommt .


(Dr . Carola Reimann [SPD]: Wir sind der Bundestag und nicht der Arbeitgebertag!)


Wir müssen darauf achten, dass wir bei der Zeitar-
beit Spielräume für tarifgebundene Unternehmen lassen .
Beim Werkvertrag müssen wir darauf achten, dass wir
nicht zu Vermutungstatbeständen und Kriterien kommen,
die insgesamt als praxisfremd anzusehen sind .

All das zeigt: Wir haben viel vor . Wir haben viel vor
bei der Beteiligung von Menschen im Rentenalter; es

geht um längeres Arbeiten . Wir haben viel vor, was das
Bundesteilhabegesetz angeht . Ich freue mich auf die im
nächsten Jahr auf uns zukommenden Aufgaben . Wir wer-
den diese mit der gleichen Begeisterung angehen, wie
wir es bislang gemacht haben – für gute Arbeit, für mehr
Chancen, für die Menschen in diesem Land .

Herzliches Dankeschön .


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Aber sehr begeistert haben Sie nicht gesprochen! Die Begeisterung hat man jetzt nicht gehört!)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814008500

Als nächste Rednerin hat Daniela Kolbe für die

SPD-Fraktion das Wort .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Albert Weiler [CDU/CSU])



Daniela Kolbe (SPD):
Rede ID: ID1814008600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Bei meiner Arbeit in meinem Leipziger Wahl-
kreis schildern mir Bürgerinnen und Bürger in Gesprä-
chen immer wieder, wie belastend es für sie ist, dass sie
keine Arbeit haben . Das sind Geschichten von sozialer
Isolation . Die Menschen sitzen zu Hause, haben nichts zu
tun, dafür aber existenzielle Sorgen, und sie sind außer-
dem noch allein . Es macht auf Dauer nicht nur unglück-
lich, sondern es macht in vielen Fällen auch noch krank,
das Leben so an sich vorbeirauschen zu sehen, und wir
alle haben nur dieses eine Leben .

Uns als SPD ist es deshalb von jeher ein Anliegen,
so viele Menschen wie möglich in gute Arbeit zu brin-
gen . Herr Stracke, Herr Kollege, für uns gehört natürlich
dazu, dass es einen Mindestlohn für diese gute Arbeit
geben muss und dass Leiharbeit und Werkverträge nicht
missbraucht werden dürfen . Wir wollen möglichst viele
Menschen in gute Arbeit bringen .


(Beifall bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Wir auch!)


Wer keine Arbeit hat, steht am Rande unserer Gesell-
schaft . Das ist für uns ein wichtiger Punkt . Das gilt für
einheimische Arbeitslose genauso wie für Flüchtlinge .
Wir wollen und können es uns nicht leisten, die eine oder
die andere Gruppe am Rande stehen zu lassen .


(Beifall bei der SPD)


Deshalb hat Bundesministerin Andrea Nahles in die-
ser Legislatur einen ihrer Schwerpunkte auf die Bekämp-
fung der Langzeitarbeitslosigkeit gelegt . Frau Pothmer,
es ist geradezu absurd, Andrea Nahles vorzuwerfen, sie
würde wenig in diesem Bereich tun . Es ist ihr ein Her-
zensanliegen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Aufgrund der Herausforderungen durch die sehr hohen
Flüchtlingszahlen stellt sich natürlich im Zusammenhang
mit dem Bundeshaushalt 2016 die Frage nach der Inte-
gration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt . Was brau-

Stephan Stracke






(A) (C)



(B) (D)


chen wir, um diese Menschen zu integrieren? Da steht an
erster Stelle: Sprache, Sprache, Sprache . Arbeit ist eine
der zentralen Voraussetzungen für ein selbstbestimmtes
Leben, für Teilhabe an der Gesellschaft und eben auch
für gelingende Integration . Ohne Sprachkenntnisse keine
Arbeit: Das gilt auch für einfache Tätigkeiten .


(Beifall bei der SPD)


Den faktischen Zugang zu Arbeit gibt es nur mit
Sprachkenntnissen . Deshalb wollen wir Sprachkurse so
früh wie möglich und für so viele Menschen wie mög-
lich . Deutsch lernen, hat noch niemandem geschadet, der
in diesem Land lebt . Deshalb ist es für uns so wichtig
und richtig, dass nunmehr Spracherwerb und Arbeits-
marktpolitik ganz eng miteinander verknüpft werden .
Wir haben im Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz die
richtigen Grundlagen gelegt . Wir haben die Integrations-
kurse endlich geöffnet für Geduldete, für Flüchtlinge, für
Asylsuchende mit guter Bleibeperspektive . Wir werden
berufsbezogene Sprachförderung und Integrationskurse
in einem Gesamtprogramm Sprache zusammenführen –
ein richtiger Ansatz . Die Jobcenter können weiterhin als
Eingliederungsmaßnahmen berufsbezogene Sprachför-
derung anbieten . Und wir starten nicht erst 2016: Dank
der Bundesagentur für Arbeit geht es jetzt schon richtig
los . Mit den Mitteln der BA, den Beitragsmitteln, war es
möglich, dass Sprachkurse jetzt schon gestartet sind . Sie
werden bis Ende des Jahres auch weiterhin starten .


(Beifall bei der SPD)


Das alles wird im Haushalt abgebildet . Viele 100 Mil-
lionen Euro mehr sind dafür eingestellt . Ich sage ganz
klar: Erstens sind drei Minuten viel zu kurz, um über
dieses Thema zu sprechen, und zweitens ist jeder Euro,
den wir dafür ausgeben, eine Zukunftsinvestition . Wir als
SPD würden auch gern noch mehr Zukunftsinvestitionen
sehen . Wir wissen, dass unsere Ministerin wie eine Lö-
win für diese Menschen kämpft, und wir wollen sie dabei
unterstützen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. h.c. Edelgard Bulmahn (SPD):
Rede ID: ID1814008700

Als nächster Redner spricht Mark Helfrich für die

CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Mark Helfrich (CDU):
Rede ID: ID1814008800

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! „La question sociale“
bezeichneten es die Franzosen, und es war der Dichter
Heinrich Heine, der den Begriff 1840 in Deutschland ein-
führte . Gemeint waren die sozialen Missstände infolge
der industriellen Revolution in England, in Frankreich
und dann auch in Deutschland . 175 Jahre nach Heine darf
sich die soziale Frage als Folge der Flüchtlingskrise in
Deutschland nicht wieder stellen . Damit dies nicht pas-
siert, statten wir den Haushalt des Bundesministeriums

für Arbeit und Soziales im nächsten Jahr mit richtig viel
Geld aus: 130 Milliarden Euro . Der Einzelplan 11 stellt
somit auch im nächsten Jahr den mit Abstand umfang-
reichsten und größten Einzeletat im Bundeshaushalt dar .
Mit der Höhe des Etats wächst aber zugleich auch un-
sere Verantwortung, die zur Verfügung stehenden Mittel
richtig und sinnvoll einzusetzen, damit sie den Menschen
auch wirklich helfen . Das macht eine erfolgreiche Ar-
beitsmarkt- und Sozialpolitik aus .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Damit sie nachhaltig ist, braucht sie aber immer auch
eine solide finanzielle Basis und gute Rahmenbedin-
gungen . Die haben wir in den letzten Jahren dank einer
wachstumsorientierten und auf sparsames Haushalten
ausgerichteten Politik unter Führung der Union geschaf-
fen . Unsere Erfolge können sich sehen lassen . Wir haben
nicht nur die Finanz- und Wirtschaftskrise erfolgreich ge-
meistert, sondern auch den Bundeshaushalt konsolidiert,
und wir legen im zweiten Jahr in Folge einen ausgegli-
chenen Bundeshaushalt vor . Auch mit unserer Konjunk-
tur verhält es sich derzeit wie einst mit dem VW-Käfer:
Sie läuft und läuft und läuft .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: VW ist aber jetzt ein schlechtes Beispiel!)


– Damals war das hervorragende Arbeit made in Germa-
ny .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Früher war alles besser!)


Unser Arbeitsmarkt zeigt sich trotz krisenbehafteten
Umfeldes in bester Verfassung: Es sind so wenig Men-
schen arbeitslos wie seit 24 Jahren nicht mehr . Gleichzei-
tig geht der Beschäftigungszuwachs weiter . Erstmals in
der Geschichte der Bundrepublik waren mehr als 31 Mil-
lionen Menschen sozialversicherungspflichtig beschäf-
tigt . Das führt dazu, dass die Bundesagentur für Arbeit
derzeit auf einem Überschuss von rund 2,8 Milliarden
Euro sitzt . Das ist ein gutes Polster .


(Beifall bei der CDU/CSU) sowie des Abg .

Ewald Schurer [SPD])

Auch die Rentenversicherung profitiert von der stei-
genden Zahl der Beitragszahler . Im kommenden Jahr
können die deutschen Rentnerinnen und Rentner mit ei-
ner Rentenerhöhung zwischen 4 und 5 Prozent rechnen .
Das gab es seit zwei Jahrzehnten nicht mehr .

Dank dieser guten Ausgangslage können wir heu-
te darüber debattieren, wofür wir Geld in der Arbeits-
markt- und Sozialpolitik ausgeben . Dank dieser guten
Ausgangslage können wir 2,6 Milliarden Euro mehr
ausgeben als ursprünglich geplant . Von diesen 2,6 Milli-
arden Euro werden knapp 2 Milliarden Euro zur Bewälti-
gung der Flüchtlingskrise eingesetzt .

Bei voraussichtlich mehr als 1 Million Asylbewerber
in diesem Jahr muss ehrlich ausgesprochen werden: Wir

Daniela Kolbe






(A) (C)



(B) (D)


werden nicht alle Flüchtlinge sofort in den Arbeitsmarkt
integrieren können .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)


Dies zeigt schon ein Blick auf die Qualifikation der Zu-
wanderer; Vorredner haben es bereits genannt . Nach einer
Stichprobe der Bundesagentur für Arbeit sind 81 Prozent
der Flüchtlinge ohne formale Qualifikation, 11 Prozent
haben eine berufliche Ausbildung, gerade einmal 8 eine
akademische . Ingenieure aus Bagdad, Facharbeiter aus
Kabul und Ärzte aus Aleppo sind eher die Ausnahme .


(Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es sind aber junge Leute!)


Es wird daher lange dauern, bis das Gros der Flücht-
linge ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten kann .
90 Prozent der anerkannten Flüchtlinge werden nach
Schätzungen der Bundesagentur für Arbeit zunächst auf
Hartz IV angewiesen sein. Erfahrungsgemäß findet nur
jeder Zehnte von ihnen nach fünf Jahren eine Arbeit, je-
der Zweite erst nach zehn Jahren . So wird Herr Weise in
diesen Tagen zitiert .

Damit die Zuwanderung nicht dauerhaft in die Sozi-
alsysteme erfolgt, müssen die Flüchtlinge einen Arbeits-
oder Ausbildungsplatz finden. Leben aus eigener Kraft
und in eigener Verantwortung – nur das kann das Ziel
von uns allen sein, was die Menschen betrifft, die zu uns
kommen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Ewald Schurer [SPD])


Hoffnung macht – dies wurde gerade hier im Ple-
num gesagt –, dass gut 80 Prozent der Flüchtlinge jünger
als 35 Jahre sind und mehr als die Hälfte sogar jünger
als 25 Jahre . Das Bildungspotenzial der Menschen, die
kommen, ist sehr hoch . Wenn man dann weiß, dass es
jede dritte Firma in Deutschland im letzten Jahr nicht
geschafft hat, alle Ausbildungsplätze zu besetzen, und
dass insgesamt 600 000 Ausbildungsplätze nicht besetzt
werden konnten, muss man sagen: Es ist zwar ein Ne-
gativrekord, aber gleichzeitig, vor diesem Hintergrund,
auch eine Chance .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir können fleißigen, motivierten und talentierten
Flüchtlingen durch Bildung und berufliche Qualifizie-
rung also eine gute Arbeitsmarktchance eröffnen . Wir
haben deswegen den Jobcentern zusätzliche Mittel zur
Verfügung gestellt: 250 Millionen Euro für die Einglie-
derung in Arbeit, 325 Millionen Euro für die Verwal-
tungskosten . Die 350 Millionen Euro, die an Ausgabe-
resten vorhanden sind, können dann noch dazukommen .
Insgesamt können 3 800 zusätzliche Stellen in den Job-
centern in Deutschland geschaffen werden .

Wirtschaft und Handwerk setzen als Einstiegskrite-
rium für eine Ausbildung, für berufliche Qualifizierung
und Tätigkeit gute Deutschkenntnisse voraus . Die ganz
überwiegende Mehrheit der Flüchtlinge bringt diese na-
turgemäß nicht mit . Folgerichtig haben wir auch die Mit-

tel für Bildungsmaßnahmen um rund 180 Millionen Euro
auf 312 Millionen Euro aufgestockt .

Allerdings sind die sprachlichen Unwägbarkeiten nicht
die einzigen Hindernisse auf dem Weg zur beruflichen
Integration. Die Menschen, die kommen, finden eine Ar-
beitswelt vor, die sie so mit Sicherheit noch nicht kennen .
Auch unsere duale Berufsausbildung mit Lehrmodulen
in Betrieb und Berufsschule ist etwas ganz Neues . Die
bisherigen Erfahrungen verschiedener Handwerkskam-
mern in der Bundesrepublik zeigen denn auch, dass dort
noch Schwierigkeiten bestehen . Vielen Flüchtlingen fällt
es trotz hoher Motivation – die attestieren alle – schwer,
sich für eine Ausbildung zu entscheiden, die über meh-
rere Jahre bei geringer Bezahlung zu absolvieren ist . Es
gibt auch Erfahrungen aus Bayern – das wurde heute
häufig zitiert –, wonach 70 Prozent der Lehrlinge aus
Syrien, Afghanistan und Irak, die im Herbst 2013 eine
Ausbildung begonnen haben, nicht mehr in der Ausbil-
dung sind, aber leider ohne Abschluss . Das ist bei diesem
Modellprojekt der ernüchternde Teil . Die Zahlen sind
bundesweit wohl ähnlich . Umso wichtiger ist es, dass die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter arbeitsu-
chende Flüchtlinge davon überzeugen können, dass eine
Ausbildung langfristig die einzige Lösung ist . Deshalb
haben wir die Mittel für die berufliche Integration und
Beratung von Zuwanderern auf insgesamt fast 48 Millio-
nen Euro aufgestockt .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Einen weiteren Schritt bei der Unterstützung der Mit-
arbeiterinnen und Mitarbeiter der Jobcenter sehe ich
in dem geplanten Gesetz zur Rechtsvereinfachung im
SGB II . Mit diesem Gesetz wollen wir auch im Hinblick
auf die wegen der Flüchtlingswelle stärker beanspruch-
ten Ressourcen Verwaltungsabläufe in den Jobcentern
vereinfachen . Wichtig ist, dass unsere Jobcenter für die
absehbar bevorstehenden Mehrbelastungen gut gewapp-
net sind . Sonst würden sie wie das BAMF als Behörde im
Ausnahmezustand zum Flaschenhals der Flüchtlingsinte-
gration in Deutschland werden .

Ich bin in diesem Zusammenhang auch froh – lassen
Sie mich das hier erwähnen –, dass wir bei den bestehen-
den Sanktionsregelungen bleiben können . Das Prinzip
„Fördern und Fordern“, auf dem die gute Arbeitsmarkt-
politik der vergangenen Jahre basiert, ist richtig und
wichtig . Letztlich sind die Sanktionen ein Kontrollme-
chanismus, und es gibt in unserer Gesellschaft aus gutem
Grund an verschiedensten Stellen solche Mechanismen .
Sie sind ein Zeichen der Gerechtigkeit und Verantwor-
tung gegenüber denjenigen, die mit ihrer Arbeit bzw . ih-
ren Steuerzahlungen diese Leistungen erst ermöglichen .
In Anbetracht der Tatsache, dass die Jobcenter in den
nächsten Monaten und Jahren vor einer großen Aufgabe
stehen, wäre es das falsche Signal, an dieser Stelle einen
Kurswechsel einzuläuten .


(Dr . Wolfgang Strengmann-Kuhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es würde die Jobcenter entlasten, wenn man das abschaffen würde!)


Zum Thema Mindestlohn . Herr Ernst, Sie haben
Herrn Spahn angesprochen . Es gibt auch einige andere,

Mark Helfrich






(A) (C)



(B) (D)


die aus Ihrer Sicht abwegige Vorschläge gemacht haben,
unter anderem der Sachverständigenrat . Keine Sorge! Ich
will dieses Fass nicht aufmachen . Ich werde mich auch
nicht hinstellen und hier etwas fordern . Niemand will
Menschen gegeneinander ausspielen . Niemand will, dass
es in diesem Land auf der einen Seite Menschen gibt,
die den Mindestlohn erhalten, und auf der anderen Sei-
te Menschen, die nicht unter die Mindestlohnregelungen
fallen . Ich bitte aber all diejenigen, die das heute betont
haben, genauso vehement zu argumentieren, wenn wir
darüber reden, wie Betriebe und Unternehmen in den
nächsten Monaten und Jahren Stellen anbieten können,
die den Menschen im Sinne eines Langzeitpraktikums
die Chance eröffnen, in unsere Berufswelt zu kommen .
Denn eines ist richtig: In dieser krisengeschüttelten Zeit
ist das Wohlergehen unserer Wirtschaft, der deutschen
Betriebe, ein wahrer Stabilitätsanker, den wir nicht ris-
kieren sollten .

Meine Damen und Herren, ein schon den alten Römern
vertrauter Grundsatz lautet: Ultra posse nemo obligatur .
Über das Können hinaus wird niemand verpflichtet. –
Der Einzelplan 11, der Haushalt für Arbeit und Soziales,
zeigt gleichwohl, wie beachtlich unser Können ist . Ich
bin hoffnungsvoll, dass wir damit die Herkulesaufgabe
der Integration der Flüchtlinge angehen und auch beste-
hen können .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814008900

Abschließender Redner zu diesem Tagesordnungs-

punkt ist der Kollege Dr . Martin Rosemann für die SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Dr. Martin Rosemann (SPD):
Rede ID: ID1814009000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ja,

die Zahlen zum Arbeitsmarkt, die vor allem die Kollegen
der Union mit stolz geschwellter Brust vortragen, sind
gut . Wenn die Politik tatsächlich einen Anteil daran hat,
dann will ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von
der Union, allerdings schon fragen: Wer hat denn den Re-
formstau in Deutschland abgebaut?


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Wer hat Deutschland mit Konjunkturprogrammen und
Kurzarbeit durch die Finanzmarktkrise geführt? Das wa-
ren deutsche Sozialdemokraten .


(Beifall bei der SPD – Karl Schiewerling [CDU/CSU]: Unter einer CDU-Bundeskanzlerin!)


Mit dem Haushalt 2016 statten wir die Jobcenter für
die wichtige Aufgabe der Integration von Flüchtlingen
angemessen aus . Vor allem können sich die Jobcenter
rechtzeitig personell und strukturell auf die Herausfor-
derungen einstellen . Wir haben eine doppelte Integrati-
onsaufgabe zu leisten: einerseits die Integration der zu
uns kommenden Flüchtlinge, andererseits die Integration

derjenigen, die heute schon in unserer Gesellschaft be-
nachteiligt sind . Dabei ist für uns Sozialdemokratinnen
und Sozialdemokraten klar, dass nicht die Schwachen
gegen die noch Schwächeren ausgespielt werden dürfen .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl Schiewerling [CDU/CSU])


Deshalb darf es für Flüchtlinge keine Ausnahme beim
Mindestlohn geben .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


Ich bin froh, dass Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer auf
dem Arbeitgebertag gesagt hat, dass eine Sonderregelung
für Flüchtlinge beim Mindestlohn Quatsch ist . Recht hat
der Mann!


(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der LINKEN)


Arbeitsmarktintegration für Flüchtlinge bedeutet für
mich nicht, die Flüchtlinge möglichst schnell in irgend-
welche Jobs zu vermitteln und damit die Konkurrenz
im Bereich der gering qualifizierten Arbeit noch zu ver-
schärfen . Stattdessen geht es darum, in die Potenziale vor
allem der vielen jungen Flüchtlinge zu investieren und
sie zu den Fachkräften zu machen, die wir benötigen .
Gleichzeitig geht es aber auch darum, weiter in die Po-
tenziale von Langzeitarbeitslosen, Geringqualifizierten,
Alleinerziehenden und benachteiligten Jugendlichen zu
investieren .

Liebe Frau Pothmer, Sie haben hier so abfällig über
Beratung gesprochen .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht abfällig!)


Die Beratung ist doch Kern dessen, was die Jobcenter
machen . Ohne Beratung ist die beste Maßnahme nichts,
weil dann im Zweifel in die falsche Maßnahme vermittelt
wird und man nichts davon hat .


(Beifall bei der SPD – Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber dafür braucht man Personal und Geld!)


Deshalb sage ich Ihnen: Alle Mittel, die für Flüchtlinge
zusätzlich benötigt werden, kommen bei den Jobcentern
obendrauf . Auch in diesem Jahr gibt es 350 Millionen
Euro zusätzlich für die Jobcenter


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben die doch vorher eingespart!)


für die Betreuung von Langzeitarbeitslosen, und wir wer-
den die Jobcenter in den kommenden Monaten an ande-
rer Stelle von Aufwand entlasten .


(Brigitte Pothmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo werden sie denn entlastet? – Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die sind doch eh unterfinanziert!)


Zum Schluss: Diese Koalition wird alle Projekte, die
sie sich vorgenommen hat, um Ordnung auf dem Arbeits-
markt zu schaffen und mehr Teilhabe zu ermöglichen,
umsetzen . Wir werden Leiharbeit und Werkverträge, wie
versprochen, regulieren . Wir werden das Bundesteilha-

Mark Helfrich






(A) (C)



(B) (D)


begesetz im Entwurf im kommenden Jahr hier im Par-
lament beraten und beschließen, damit es zum 1 . Januar
2017 in Kraft treten kann . Wir werden auch dafür sor-
gen, dass das jetzt zwischen den Koalitionsfraktionen
vereinbarte Paket zu den flexiblen Übergängen im Ge-
setzgebungsverfahren zeitnah umgesetzt wird . Das ist
ein großes und in die Zukunft gerichtetes Paket mit An-
reizen zum längeren Weiterarbeiten, mit einer deutlichen
Stärkung von Prävention und Reha, mit einer deutlich
flexibleren, einfacheren und attraktiveren Teilrente. Wir
werden auch die Zwangsverrentung bei drohender Al-
ters armut beenden .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Karl Schiewerling [CDU/CSU])


Das alles zeigt: Wir packen auch in der zweiten Hälf-
te dieser Legislaturperiode das an, was wir versprochen
haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814009100

Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen zur Abstimmung über den Einzel-
plan 11 – Bundesministerium für Arbeit und Soziales –
in der Ausschussfassung . Wer dafür stimmt, den bitte ich
um ein Handzeichen . – Wer stimmt dagegen? – Wer ent-
hält sich? – Der Einzelplan 11 ist damit mit den Stimmen
von CDU/CSU und SPD gegen die Stimmen der Fraktion
Die Linke und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an-
genommen .

Ich rufe jetzt Tagesordnungspunkt I .16 auf:

Einzelplan 17

Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frau en und Jugend

Drucksachen 18/6124, 18/6125

Berichterstatter sind die Kolleginnen und Kollegen
Michael Leutert, Alois Rainer, Ulrike Gottschalck sowie
Ekin Deligöz .

Zum Einzelplan 17 liegt ein Entschließungsantrag der
Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über den wir mor-
gen nach der Schlussabstimmung abstimmen werden .

Für diesen Tagesordnungspunkt sind nach einer inter-
fraktionellen Vereinbarung 96 Minuten Aussprachezeit
vorgesehen . – Widerspruch erhebt sich nicht . Dann ist
das somit beschlossen .

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-
ner dem Kollegen Michael Leutert für die Fraktion Die
Linke das Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814009200

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Frau Ministerin! Für das nächste Jahr stehen dem
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und
Jugend etwas mehr als 9 Milliarden Euro zur Verfü-

gung . Das klingt sehr viel, aber man muss dazusagen:
Nur 9 Prozent, also circa 800 Millionen Euro, sind für
die Programmarbeit vorgesehen . 85 Prozent des Etats
werden für gesetzliche Leistungen ausgegeben, allen vo-
ran für das Elterngeld mit 6 Milliarden Euro, Tendenz
steigend .

Fakt ist – und das ist positiv zu bewerten –, dass wir in
den Haushaltsverhandlungen die Programmarbeit stärken
konnten . Insbesondere die Jugendhilfe wird 27 Millionen
Euro mehr bekommen . Das Programm „Demokratie le-
ben!“, das gegen Rechtsextremismus aufgelegt wurde,
erhält noch einmal 10 Millionen Euro mehr, und auch die
Mittel für die Mehrgenerationenhäuser – die möchte ich
nicht vergessen – sind aufgestockt worden .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir müssen uns allerdings fragen, ob die Mittel aus-
reichen angesichts der Aufgaben, vor denen wir stehen .
Ich möchte das am Beispiel des Programms „Demokratie
leben!“ skizzieren . Das Programm „Demokratie leben!“
hatte im Jahr 2014 30 Millionen Euro zur Verfügung,
dieses Jahr 40 Millionen Euro, nächstes Jahr werden es
50 Millionen Euro .


(Ulrike Gottschalck [SPD]: Gut!)


Das ist eine gute Tendenz . Man sollte sich aber einmal an-
schauen, wofür dieses Programm vorgesehen ist . Es soll
sich gegen Rechtsextremismus, gegen Antisemitismus,
gegen Islamismus, gegen Muslimfeindlichkeit, gegen
Gewalt und Menschenfeindlichkeit im Allgemeinen rich-
ten . Das alles soll mit vielen verschiedenen Maßnahmen
umgesetzt werden, mit Demokratiezentren, lokalen Part-
nerschaften, Strukturförderung oder auch Modellprojek-
ten . Was heißt das in der Praxis? Das bedeutet, dass ein
Landkreis oder eine Kommune im Rahmen eines lokalen
Aktionsplanes 60 000 Euro im Jahr bewilligt bekommt .


(Dr . Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Das ist nicht viel!)


Ich frage mich: Was soll ein Landkreis in Sachsen, der
zum Beispiel über 2 000 Quadratkilometer groß ist,
300 000 Einwohner und circa 60 Gemeinden hat – da-
mit der Vergleich klar ist: das ist die Dimension des
Saarlandes –, mit diesem Geld anfangen? Da in diesen
60 000 Euro auch Personalkosten enthalten sind, würden
jeder Gemeinde nicht einmal 500 Euro pro Jahr für das
Programm übrig bleiben .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle wissen,
was derzeit in unserem Land los ist . Die Situation spitzt
sich zu . Das Bundesministerium des Innern warnt, der
Verfassungsschutz warnt, und das Bundeskriminalamt
warnt . Wir haben allein in diesem Jahr bis jetzt 600 An-
griffe auf Flüchtlingsunterkünfte und Flüchtlinge zu ver-
zeichnen – das ist dreimal so viel wie letztes Jahr –, und
es gab rund 223 Verletzte . Leider ist Sachsen auch hier
wieder das Negativbeispiel. Dort finden besonders viele
fremdenfeindliche Demonstrationen statt; Pegida ist die
bekannteste . Dort erleben wir besonders heftige Angrif-
fe; Heidenau und Freital stehen exemplarisch dafür . Die
Volksverhetzung nimmt zu . Die Angegriffenen sind nicht
nur Flüchtlinge oder ihre Helfer, es sind auch Politike-

Dr. Martin Rosemann






(A) (C)



(B) (D)


rinnen und Politiker . Es werden Autos angezündet und
Büros verwüstet . Das betrifft im Übrigen nicht mehr nur
Politiker der Linken oder der Grünen, sondern jetzt auch
Politiker der CDU und der FDP: Das prominenteste Op-
fer ist der sächsische Justizminister, dessen Wohnung vor
ein paar Tagen angegriffen wurde . Er war mit seinen Kin-
dern zu Hause; ein Kind ist noch nicht einmal ein Jahr
alt . Vor der Wohnung des Dresdner Oberbürgermeisters,
FDP, hat sich mehrere Stunden ein Mob versammelt und
„Volksverräter“ geschrien . – Das, was zwei Spitzenpoli-
tiker in Sachsen erlebt haben, erleben viele Ehrenamtli-
che in Sachsen allerdings seit vielen Jahren .

Um es noch einmal in Erinnerung zu rufen: Die NPD
hat in Sachsen bei der Landtagswahl 2004 9,2 Prozent
bekommen, die SPD damals 9,8 Prozent . Das zeigt doch,
wie die Gesellschaft positioniert ist . Auch der NSU war
in Sachsen zu Hause . Pegida hatte ich schon erwähnt . –
Das alles zusammen schafft ein gesellschaftliches Kli-
ma, das es der Zivilgesellschaft sehr, sehr schwer macht,
dagegenzuhalten . Das bedroht unsere Gesellschaft im
Kern, und zwar ernsthaft . Das ist kein Spaß mehr . Aus
diesem Grund sage ich: Wir müssen die Zivilgesellschaft
in der Breite stärken, und zwar dauerhaft .


(Beifall bei der LINKEN und der SPD sowie der Abg . Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Es gibt so viele kleine Vereine, die sich mit ganz nor-
malen Angeboten in der täglichen Stadtteilarbeit und der
Jugendarbeit an die Bevölkerung richten . Da zu unserer
Bevölkerung jetzt auch Flüchtlinge gehören, richten sich
diese Angebote auch an Flüchtlinge, die zum Teil ihrer-
seits in den Vereinen mithelfen . Wenn die Projekte dieser
Vereine bedroht werden, wenn die Vereine nicht einmal
vom Staat ausreichend Unterstützung bekommen, dann
werden sie diese Angebote einstellen . Jedes Mal, wenn
das passiert, bricht uns ein Stück Zivilgesellschaft weg .
Das müssen wir verhindern . Dafür brauchen wir drin-
gend mehr Geld .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Sönke Rix [SPD]: Das haben wir geschafft! – Ulrike Gottschalck [SPD]: 10 Millionen mehr! Wieder einmal 10 Millionen!)


Wenn wir uns hier im Bundestag einig sind, dass eine
Aufgabe wichtig ist – das gab es schon mehrmals –, dann
können wir dafür auch Geld mobilisieren . Ich möchte ein
Beispiel nennen, ohne irgendetwas gegeneinander aus-
spielen zu wollen: Wir sind uns im Bundestag einig, dass
wir das Elterngeld wollen . Es ist in diesem Etat enthalten
und kostet uns 6 Milliarden Euro im Jahr . Das ist es uns
wert, weil es uns wichtig ist, dass mehr Kinder geboren
werden und diese in gesicherten Verhältnissen aufwach-
sen können .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und der Abg . Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Aber was nützt uns das, wenn unsere Kinder, weil wir
nur 50 Millionen Euro aufwenden, um gegen Rechtsex-
tremismus vorzugehen, in einem durch Fremdenfeinde

und Rassisten vergifteten gesellschaftlichen Klima auf-
wachsen? Das dürfen wir nicht zulassen .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Sönke Rix [SPD])


Weil ich den Kollegen Spahn hier gerade sehe, möchte
ich noch eines sagen . In der Buchhandlung habe ich Ihr
neues Buch gesehen . Ich darf daraus kurz zitieren . Sie
schreiben:

Obgleich Zigtausende Menschen jeden Tag haupt-
und ehrenamtlich fast Übermenschliches leisten, um
der Lage Herr zu werden, erleben wir doch in vielen
Bereichen eine Art Staatsversagen .

Ich möchte Ihnen sagen: Helfen Sie bitte mit – Sie sind
Staatssekretär des Finanzministers Schäuble –, dieses
Staatsversagen zu beenden, und geben Sie den Ehren-
amtlichen das Geld, das sie benötigen .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814009300

Ich darf ankündigen, dass wir nach der Abstimmung

über diesen Tagesordnungspunkt die Sitzung wegen
Fraktionssitzungen unterbrechen werden . Bis dahin ist
noch etwas Zeit . Ich wollte das nur ankündigen .

Ich erteile jetzt das Wort für die Bundesregierung der
Bundesministerin Manuela Schwesig .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Manuela Schwesig, Bundesministerin für Familie,
Senioren, Frauen und Jugend:

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und
Herren Abgeordnete! Von diesem Bundeshaushalt 2016
geht ein starkes Signal für die Familien in unserem Land
aus . Welches? Die Familien können sich weiter darauf
verlassen, dass sie, egal wie groß die nationalen und in-
ternationalen Herausforderungen unseres Landes sind,
weiter so gut unterstützt werden wie bisher und ab 2016
mit weiterer Unterstützung rechnen können . Die Famili-
en im Land sind uns wichtig, und wir werden sie weiter
gut und verlässlich unterstützen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Dank der intensiven Beratung und Ihrer Unterstüt-
zung in den Haushaltsberatungen können wir mehr tun,
als wir ursprünglich geplant hatten . Dafür bedanke ich
mich ganz herzlich . Wichtig ist auch, dass wir nicht un-
terscheiden zwischen den Familien, die hier schon lange
leben – Männer und Frauen mit ihren Kindern und ihren
pflegebedürftigen Angehörigen, auch Alleinerziehen-
de –, und den Familien, die zu uns kommen . Mir ist es
in der Debatte dieser Tage ganz wichtig, dazu beizutra-
gen, dass sich die Befürchtung, dass wir die einheimi-
sche Bevölkerung vergessen, weil wir uns nur noch um
Flüchtlinge kümmern – einige versuchen, diese Angst
zu schüren –, nicht weiter verfestigt . Das Gegenteil ist
der Fall: Wir kümmern uns um alle Familien und um alle
Kinder, um die Kinder, die hier geboren sind, aber auch
um die Kinder, die bei uns Schutz und Zuflucht suchen.

Michael Leutert






(A) (C)



(B) (D)


Das gehört zusammen; sie sollten nicht gegeneinander
ausgespielt werden .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU])


Wir unterstützen unsere Familien mit dem Familien-
paket, das wir in diesem Jahr auf den Weg gebracht ha-
ben und das in 2016 stärker wirken wird . Wir haben nicht
nur den Kinderfreibetrag und das Kindergeld erhöht,
sondern werden ab 2016 den Kinderzuschlag erhöhen,
insbesondere für die Familien, die ganz besonders unsere
Unterstützung brauchen, diejenigen, die jeden Tag ar-
beiten gehen, aber eben von geringen Einkommen leben
müssen und auch gut über die Runden kommen wollen .
Diese Familien unterstützen wir mit Kindergeld und Kin-
derzuschlag; dieser wird, wie gesagt, im nächsten Jahr
erhöht . Das ist eine wichtige Botschaft an alle in unserem
Land, die sich anstrengen, und ein wichtiger Beitrag zur
Bekämpfung der Kinderarmut .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Insbesondere die Alleinerziehenden werden zukünftig
steuerlich besser gefördert . Auch das sieht der Bundes-
haushalt 2016 vor . Damit senden wir das Signal an die
vielen Frauen, aber auch Männer, die alleine ihren All-
tag stemmen, für ihre Kinder da sind, arbeiten gehen und
Steuern zahlen, dass wir sie nicht im Stich lassen und
zukünftig steuerlich besser fördern als bisher – endlich
nach zehn Jahren . Auch das ist ein wichtiges Signal die-
ses Haushalts .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir werden die Familien im Land, insbesondere die
Kinder, auch unterstützen, indem wir die Kinderbetreu-
ung weiter ausbauen . Wir erhöhen die Bundesmittel . Wir
haben uns auch entschieden, die aus dem Betreuungs-
geld freiwerdenden Mittel ab 2016 zur Verbesserung der
Kinderbetreuung einzusetzen . Das hilft allen Kindern im
Land, den Kindern, die hier geboren sind, und den Kin-
dern, die zu uns fliehen. Ich möchte nicht, dass Famili-
en in Konkurrenz um Kitaplätze geraten, Familien, die
schon da sind, und Familien, die zu uns kommen . Wir
brauchen Kitaplätze für alle Kinder .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)


Viele Kinder, die zu uns kommen, wollen und werden
schnell die deutsche Sprache lernen . Ich bin fest davon
überzeugt, dass Kinder der Schlüssel zur Integration
sind, dass sich Kinder damit leichter tun . Deshalb ist es
wichtig, dass es in den Kitas eine gute Sprachförderung
gibt . Wir werden weiterhin die Bundesprogramme für
Sprachförderung in den Kitas unterstützen; diese helfen
allen Kindern . Das ist ein wichtiger Beitrag zur Erhö-
hung der Bildungschancen von Kindern .

Ich finde auch sehr gut, dass es uns in den Beratungen
gelungen ist, ein starkes Signal an die vielen ehrenamt-
lich tätigen Frauen und Männer in unserem Land zu sen-
den . 23 Millionen Frauen und Männer in unserem Land,
viele junge Leute, engagieren sich – und zwar nicht erst,
seitdem viele Flüchtlinge zu uns kommen; das war schon
lange vorher so – in vielen Bereichen: vom Sportverein,

vom Fußballtraining für die Kids bis hin zur Hospizar-
beit . Ohne dieses Engagement wäre unser Land viel är-
mer und längst nicht so solidarisch . Deshalb ist es gut
und richtig, dass wir das Ehrenamt zukünftig besser un-
terstützen, auch vor dem Hintergrund der großen Heraus-
forderung der Integration der Flüchtlinge . Deshalb wer-
den wir den Bundesfreiwilligendienst um 10 000 Stellen
aufstocken . Wir haben versprochen, damit zum 1 . Januar
2016 zu beginnen . Die gute Nachricht ist: Wir beginnen
damit schon zum 1 . Dezember 2015 . Es wird 10 000 zu-
sätzliche Stellen geben für Einheimische, die sich für
Flüchtlinge engagieren wollen, aber auch für Flüchtlinge
selbst . Flüchtlinge, die zu uns kommen, sind nicht in ers-
ter Linie eine Belastung; sie können etwas, sie bringen
etwas mit, sie wollen sich einbringen . Auch ihr Engage-
ment sollten wir nutzen . Herzlichen Dank für die große
Aufstockung der Stellen beim Bundesfreiwilligendienst .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir werden auch das ehrenamtliche Engagement mit
zusätzlichen 10 Millionen Euro unterstützen . Wir planen
hier, wie schon in den Haushaltsberatungen berichtet,
ein Patenschaftsprogramm . Wir wollen die Familien,
die Patenschaften für Flüchtlingsfamilien übernehmen
wollen, mit diesem Programm unterstützen . Wir werden
außerdem die großen Wohlfahrtsverbände unterstützen .
In den Wohlfahrtsverbänden, Arbeiterwohlfahrt, Diako-
nie, Caritas, Paritätischer Wohlfahrtsverband, aber auch
in den muslimischen und den jüdischen Verbänden wird
tagtäglich viel gute Arbeit von Hauptamtlern und Ehren-
amtlern geleistet . Deshalb ist es gut und richtig, dass wir
mit diesem Haushalt die Förderung der Wohlfahrtsver-
bände aufstocken .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ein ganz wichtiger Punkt: Wir werden mit den zusätz-
lichen Mitteln, die Sie über die Haushaltsberatungen be-
reitgestellt haben, dafür sorgen – wir werden den Wohl-
fahrtsverbänden genau dafür Gelder geben –, dass es
zukünftig Schutzkonzepte für Kinder und Frauen in den
Flüchtlingsunterkünften gibt . Wir müssen dafür sorgen,
dass Kinder und Frauen, die zu uns kommen und selbst
vor Gewalt geflohen sind, hier keine Gewalt erleben. Wir
brauchen bessere Schutzmaßnahmen in Flüchtlingsunter-
künften . Jeder Mensch – jede Frau, jedes Kind und auch
jeder Mann –, der hier lebt oder zu uns kommt, muss vor
Gewalt geschützt werden . Das ist ein Grundprinzip unse-
res Landes, und da müssen wir besser werden .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, Herr
Leutert hat es völlig zu Recht angesprochen: In unserem
Land gibt es nicht nur die helle Seite – die vielen Eh-
renamtler und die vielen Menschen, die sich in der Ver-
waltung, in ihrem Hauptjob, kümmern –, sondern auch
die dunkle Seite . Damit meine ich diejenigen, die Hass,
Gewalt und Vorurteile schüren . Wir haben es zu tun mit
zunehmendem Rechtsextremismus, aber auch mit zuneh-
mendem Antisemitismus, zunehmendem Salafismus und
auch mit linker Gewalt . Das zeigt, dass es unsere Aufgabe

Bundesministerin Manuela Schwesig






(A) (C)



(B) (D)


ist, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten und dafür zu
sorgen, dass diejenigen, die jeden Tag Hass, Gewalt und
Vorurteile gegen andere schüren, nicht stärker werden;
denn sie bedrohen unsere Gesellschaft . Die Gesellschaft
wird nicht durch die Menschen, die zu uns kommen, be-
droht . Unser Land wird durch diejenigen bedroht, die
gegen unsere Demokratie und gegen Weltoffenheit sind .
Das ist unser Problem .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Deshalb ist unser Programm „Demokratie leben!“ nicht
in erster Linie ein Programm gegen etwas, lieber Herr
Leutert, sondern ein Programm für etwas: für Demokra-
tie und Vielfalt . Diesem Anspruch kann man nicht an nur
einer Stelle nachkommen, auch nicht in einem Landkreis
allein . Das muss vielmehr in allen Bereichen der Gesell-
schaft geschehen . Sie haben völlig recht: Wenn wir mit
nur 60 000 Euro in einem Landkreis für Sicherheit sorgen
wollten, dann wäre das wenig . Aber Sie wissen auch: Wir
machen wesentlich mehr .

Wenn sich die Menschen in unserem Land heute fra-
gen: „Kann ich mich eigentlich sicher fühlen?“, dann
will ich ganz persönlich sagen: Ja . – Ich war gestern mit
meinem Sohn auf dem Weihnachtsmarkt und habe mich
genauso gut gefühlt wie jedes Jahr, weil die Bratwurst
genauso gut war wie jedes Jahr. Ich finde, wir dürfen un-
ser freiheitliches Leben jetzt nicht infrage stellen . Aber
natürlich müssen wir uns Gedanken machen, wie wir die
Sicherheit verstärken . Die Sicherheit wird nicht allein
durch Bundespolizei und Verfassungsschutz gewährleis-
tet, sondern auch durch Prävention . Wir müssen dafür
sorgen, dass sich junge Leute nicht von Rechtsextremen
ansprechen lassen, dass sie sich nicht von Salafisten an-
sprechen lassen und sich nicht dem IS anschließen .

Wir pflegen einerseits lokale Partnerschaften vor Ort
und fördern andererseits insbesondere bundesweit agie-
rende Träger, die Schulprojekte durchführen, aufklären
und die Jugend in ihrer gesamten Vielfalt zusammen-
bringen . Außerdem fördern wir Aussteigerprojekte und
mobile Beratung . Das umfasst viel mehr als nur lokale
Demokratiepartnerschaften . Deshalb ist es richtig, dass
wir die Mittel für dieses Programm jetzt um 10 Millionen
Euro aufstocken . Wir tun das, um diejenigen starkzuma-
chen, die vor Ort jeden Tag ihr Gesicht dafür hinhalten,
dass unsere Demokratie gestärkt wird, und die sich dage-
genstellen, wenn manche anfangen, Hass und Gewalt ge-
gen andere zu schüren . Das ist die Idee des Programmes
„Demokratie leben!“ . Deshalb ist es richtig, dass wir da
10 Millionen Euro obendrauf legen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Sie sehen, sehr geehrte Damen und Herren Abgeord-
nete: Der Haushalt 2016 bietet gute Möglichkeiten, die
moderne Politik für die Familien im Land fortzusetzen .
Wir haben die Möglichkeit, die Zivilgesellschaft und das
Ehrenamt viel stärker zu unterstützen als bisher, damit

unser Land bleibt, was viele so attraktiv finden, ein fa-
milienfreundliches, solidarisches und weltoffenes Land .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814009400

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulle Schauws für

Bündnis 90/Die Grünen .


Ulle Schauws (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814009500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Liebe Gäste auf den Tribünen! Gestern war
der Internationale Tag gegen Gewalt gegen Frauen . Da-
rum will ich als Erstes die Frauen und Mädchen in den
Blick nehmen, die aus Afrika, Syrien, Afghanistan und
von anderswo in der Welt zu uns kommen und bei uns
Schutz suchen. Sie fliehen vor Krieg, vor Verfolgung, vor
Gewalt und häufig aus geschlechtsspezifischen Gründen.
Viele von ihnen haben in ihren Heimatländern Schreck-
liches erlebt und sind traumatisiert . Auf der Flucht sind
insbesondere sie als alleinreisende Frauen und Mädchen
gefährdet und von sexualisierter Gewalt bedroht .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, dass diese Mädchen
und Frauen auch hier in den Flüchtlingsunterkünften vor
Gewalt nicht sicher sind und sexualisierte Übergriffe er-
leben, kann uns nicht verwundern . Da sind wir als Bund
genauso wie die Länder gefragt . Die Kommunen sind
derzeit froh, die Flüchtlinge überhaupt unterzubringen .
Trotzdem: Es muss auch über das Wie der Unterbringung
und über die Mindeststandards, gerade für besonders
Schutzbedürftige, gesprochen werden .

Es darf doch nicht sein, dass sich Frauen und Mädchen
aus Angst vor sexuellen Übergriffen und Gewalt nicht
mehr frei bewegen und Toiletten und Duschen meiden .
Das gilt auch für lesbische, schwule, trans- oder interse-
xuelle Flüchtlinge . Nein, sie brauchen Rückzugsräume
und abschließbare Sanitäreinrichtungen . Schutzbedürfti-
ge brauchen Sicherheit . Betroffene von Gewalt müssen
zügig Beratung und Betreuung erhalten, wenn sie diese
brauchen . Dazu gehört auch der Einsatz von Dolmet-
scherinnen . Zugang zu Fachberatungsstellen gegen sexu-
alisierte Gewalt und zu Gewaltschutzeinrichtungen muss
gewährleistet werden, die Residenzpflicht darf dem nicht
im Weg stehen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Die im Bundeshaushalt eingestellten 3,75 Millio-
nen Euro zur Unterstützung und Beratung von Flücht-
lingsfrauen sind hier deutlich zu wenig . Wir fordern ein
Bundesprogramm für Gewaltschutz für schutzbedürftige
Flüchtlinge in Höhe von insgesamt 25 Millionen Euro .
Wenn wir es versäumen, hier tatkräftig zu investieren,
sind langfristige und belastende Folgen absehbar . Da
müssen wir, finde ich, jetzt entschiedener handeln.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Noch eines: Posttraumatische Belastungsstörungen
als eine Folge von sexualisierter Gewalt nicht mehr als
erheblichen Grund gegen Abschiebung anzuerkennen

Bundesministerin Manuela Schwesig






(A) (C)



(B) (D)


und damit speziell Asylgründe für Frauen zu negieren –
dazu sage ich Ihnen ganz klar: Das geht gar nicht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Frau Ministerin Schwesig, viel Neues im Sinne einer
modernen Familienpolitik findet sich im Übrigen in Ih-
rem Etat nicht . Ich greife einmal vier Punkte heraus .

Erstens . Es freut uns, dass das Elterngeld so ein Erfolg
ist, und dieser Erfolg ist mit Kosten verbunden . Punkt!

Zweitens . Es freut uns, dass das verfassungswidrige
Betreuungsgeld vom Tisch ist . Aber wie gut hätte es der
Kinder- und Familienpolitik getan, wenn die freiwerden-
den Mittel im Haushalt geblieben wären? Wir alle wissen,
dass es trotz Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz immer
noch an Qualität in Kitas mangelt . All dies gewinnt jetzt
mit Blick auf die neu zu uns kommenden Flüchtlingskin-
der an Bedeutung . Bisher ist unklar, was das für den All-
tag in einer Kita tatsächlich bedeutet . Aber dass sich etwas
ändern wird, das ist doch klar . Wenn man sich Ihre Schät-
zungen vor Augen führt, Frau Schwesig, 110 000 Kin der
unter sechs Jahren, die allein dieses Jahr zu uns kommen,
dann wird deutlich: Das, was Sie dafür an Mitteln in Ih-
rem Etat eingestellt haben, reicht nicht aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Drittens . Wie gern hätten wir uns auch über die Erhö-
hung des Kinderzuschlags gefreut – Sie haben das eben
erwähnt –, wäre er nicht derart mickrig ausgefallen . Da-
bei sind die Stellschrauben den meisten hier Anwesenden
bekannt . Hätte die Koalition etwas mehr Engagement an
den Tag gelegt und mehr an diesen Stellschrauben ge-
dreht, dann hätte sie vielen mehr helfen können .

Viertens . Was mir gerade als frauenpolitische Spre-
cherin meiner Fraktion am Herzen liegt, ist die große
Leerstelle bei den Alleinerziehenden und der Kinder- und
Familienarmut . In Deutschland leben rund 1,6 Millionen
Alleinerziehende mit ihren Kindern, ganz überwiegend
Mütter . Sie arbeiten oft Vollzeit und managen den Fami-
lienalltag – rund um die Uhr im vollen Einsatz, oft ohne
Atempause .

Vier von zehn Alleinerziehenden sind bei uns arm .
Ein Drittel im SGB-II-Bezug ist gleichzeitig berufstätig
und stockt auf . Fast jedes zweite Kind im ALG-II-Be-
zug wächst in einem Alleinerziehendenhaushalt auf .
Das heißt, wenn man etwas gegen Kinderarmut machen
möchte, dann muss man bei den Alleinerziehenden anset-
zen . In einem so wohlhabenden Land wie unserem kann
es doch nicht sein, dass wir Kinder-, Frauen- und Famili-
enarmut in einem solchen Ausmaß zulassen . Da können
und da müssen wir noch mehr gegensteuern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, die wissenschaftli-
chen Erkenntnisse der Evaluation der Ehe- und Familien-
förderung aus Ihrem Haus liegen auf dem Tisch, und da
bleiben sie anscheinend auch liegen . Hier wird klar: Der
Unterhaltsvorschuss hat einen deutlichen Einfluss auf
das Armutsrisiko von Kindern . Aber anders als im Unter-
haltsrecht endet die Zahlung des Unterhaltsvorschusses

mit dem 13 . Geburtstag des Kindes . Das geht komplett
an der Realität vorbei .

Das Gleiche gilt für die Bezugsdauer . Sie ist nämlich
auf sechs Jahre begrenzt . Das bedeutet im Falle einer
Trennung – gerade wenn die Kinder noch jung sind –,
dass Alleinerziehende ziemlich sicher den Zeitpunkt er-
reichen, an dem der Unterhaltsvorschuss wegfällt . Sie
leben quasi auf die Armutsfalle hin . Was ist das für eine
Perspektive? Was muten wir den so leistungsfähigen Al-
leinerziehenden – das sind vor allem Frauen – zu? Des-
halb fordern wir, die Bezugsdauer aufzuheben und die
Altersgrenze auf 18 Jahre anzuheben . Das wäre ein we-
sentlicher Schritt, viele Alleinerziehende und ihre Kinder
aus der Armut zu holen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Michael Leutert [DIE LINKE])


Liebe Kolleginnen und Kollegen und auch liebe Frau
Schwesig: Ich sage Ihnen, mit etwas mehr Mut hätten Sie
diesen Einzelplan im Sinne von Frauen und Kindern und
gegen deren Armut gerechter ausgestalten können . Sie
haben eine große Chance vertan .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814009600

Nächster Redner ist der Kollege Alois Rainer für die

CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1814009700

Sehr geehrter Herr Präsident! Frau Ministerin! Liebe

Kolleginnen und Kollegen! Noch nie hat der Bund so
viel Geld für Familien, Kinder und Jugendliche bereitge-
stellt wie in diesem Haushaltsplan .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dass uns die Familienpolitik am Herzen liegt, zeigen wir
einmal mehr mit dem nun vorliegenden Haushaltsent-
wurf . Trotz der uns allen bekannten schwierigen Situa-
tion ist es ein gutes Signal, dass es uns gelungen ist, den
Haushalt unseren Vorstellungen entsprechend anzupas-
sen . Insgesamt gilt es festzustellen, dass wir im Haus-
haltsjahr 2015 8,535 Milliarden Euro für den Einzel-
plan 17 bereitgestellt haben . Für das Haushaltsjahr 2016
steigen die Leistungen auf beachtliche 9,1 Milliarden
Euro . Dies ist, meine sehr verehrten Damen und Herren,
das richtige Signal an alle: an Eltern und Kinder, aber
auch an die Freiwilligen und die vielen Ehrenamtlichen
in unserem Land .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es war daher auch richtig, das Elterngeld aufgrund der
Annahme höherer Geburtenzahlen in der Bereinigungs-
sitzung am 12 . November um 205 Millionen Euro auf
nun 6 Milliarden Euro anzuheben . Damit stehen weiter-
hin ausreichend Mittel für das Elterngeld zur Verfügung .
Wegen der Zunahme der Geburtenzahlen kann man se-

Ulle Schauws






(A) (C)



(B) (D)


hen, dass das Elterngeld ein Erfolgsmodell ist und auch
bleiben wird .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Mit dem vorliegenden Haushalt – und dies war mir
und, ich denke, allen Berichterstattern ein besonderes
Anliegen – stärken wir auch das Ehrenamt . Denn die
vielen Helferinnen und Helfer, die teilweise bis zur Er-
schöpfung arbeiten, leisten in dieser schwierigen Zeit
Großartiges . Zur Stärkung des zivilgesellschaftlichen
Engagements haben wir – das war der Koalition ein be-
sonderes Anliegen – 10 Millionen Euro zusätzlich zur
Verfügung gestellt .

In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die
Erhöhung der Mittel für den Bundesfreiwilligendienst
in Höhe von 50 Millionen Euro hinweisen . Es werden
10 000 Stellen speziell für den Bundesfreiwilligendienst
bedient . Die Inhaber dieser Stellen sollen ausschließlich
zur Unterstützung der Flüchtlingsarbeit tätig sein .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Damit wollen wir eine spürbare Entlastung der Ehren-
amtlichen bei der Bewältigung der Flüchtlingsarbeit
schaffen .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn wir
von Flüchtlingen sprechen, dann heißt das, sich auch
Gedanken über diejenigen zu machen, die in Deutsch-
land ein berechtigtes Aufenthaltsrecht besitzen . Meines
Erachtens gelingt – das wurde angesprochen – eine Inte-
gration nur über die Sprache . Eine vernünftige Integrati-
on ist natürlich mit Rechten, aber auch mit Pflichten ver-
bunden . Und das muss auch so gesagt werden . Um dies
alles zu ermöglichen, haben wir die Jugendmigrations-
dienste – auch wenn die mehr wollten – mit 8 Millionen
Euro zusätzlich ausgestattet . Wir haben die Förderung
der sogenannten C1-Sprachkurse um weitere 15 Millio-
nen Euro angehoben, um gut ausgebildeten Flüchtlingen
schneller den Hochschulzugang zu ermöglichen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Weitere 2 Millionen Euro gehen an den Bundesjugend-
ring . Angesichts der wichtigen Beiträge, die die Wohl-
fahrtsverbände für die Gesellschaft leisten, werden diese
mit 2 Millionen Euro zusätzlich unterstützt . Dies ergibt
einen Gesamtansatz von circa 20,8 Millionen Euro .

Meine Damen und Herren, es ist schon angesprochen
worden: Es ist uns miteinander gelungen, die Mittel zur
Bekämpfung von Extremismus und Demokratiefeind-
lichkeit zu erhöhen . Leider haben Sie es nicht über Ihre
Lippen gebracht, lieber Kollege Leutert, auch über linken
Extremismus zu reden . Wir reden nämlich nicht nur über
rechten Extremismus .


(Widerspruch des Abg . Norbert Müller [Potsdam] [DIE LINKE] Wenn wir über Extremismus sprechen, dann geht es um linken und rechten Extremismus, um Salafismus und anderes . Auch wir wollen keinen rechten Extremismus . Wir sprechen uns massiv dagegen aus . Das, was in Sachsen passiert, verstehe ich nicht . Ich verstehe einfach nicht, warum das so eine Brutstätte ist . Wir beide können uns gerne einmal darüber unterhalten; vielleicht finden wir eine Lösung, was das angeht . Aber bitte lassen Sie uns nicht nur einseitig von einer Form von Extremismus sprechen, sondern von allen seinen Formen . (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Karin Binder [DIE LINKE]: Was passiert denn hier in Deutschland gerade, Herr Kollege?)


Es ist uns in den zurückliegenden Verhandlungen ge-
lungen, an den wichtigsten Stellschrauben wie den ge-
setzlichen Leistungen, der Kinder- und Jugendpolitik,
aber auch der Stärkung der Zivilgesellschaft und der Fa-
milien-, Gleichstellungs- und Seniorenpolitik zu drehen
und die nötigen Akzente zu setzen . Des Weiteren entlas-
ten wir die Familien mit dem Kinderfreibetrag und dem
Kinderzuschlag in diesem Jahr bereits um 750 Millionen
Euro .

Meine sehr verehrten Damen und Herren, trotz der
enormen finanziellen Auswirkungen auf den Bundes-
haushalt haben wir einen ausgewogenen Haushalt vor-
gelegt . Deshalb bin ich sehr froh und guter Dinge, dass
der Bund die finanziellen Herausforderungen ohne neue
Schulden und vor allem ohne Steuererhöhungen bewäl-
tigen wird .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Dass der Bund dazu überhaupt in der Lage ist, ist den
guten Steuereinnahmen geschuldet, und wir haben diese
guten Steuereinnahmen, weil die politischen Stellschrau-
ben richtig gestellt wurden, weil wir fleißige Arbeitneh-
merinnen und Arbeitnehmer in Deutschland haben und
weil wir fleißige und innovative Arbeitgeber in Deutsch-
land haben . Nur deshalb haben wir die Möglichkeit, die-
se Mittel zweckgebunden auszugeben .

Eine Politik ohne neue Schulden und Steuererhöhun-
gen ist für mich persönlich eine verantwortungsvolle und
generationengerechte Politik . So müssen und werden wir
auch weitermachen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Lassen Sie mich zum Schluss aber noch eines an-
merken: Bei all der derzeitigen verantwortungsvollen
und wichtigen Diskussion tragen wir auch Verantwor-
tung gegenüber den Menschen und Familien in unse-
rem Deutschland . Dieser Verantwortung stellen wir uns
immer neu mit einer Unterstützung, wie sie so noch nie
dagewesen ist .

Ich will nur kurz ein paar Punkte ansprechen, die die-
sen Einzelplan betreffen: Wir verstetigen die Förderung
der Mehrgenerationenhäuser, der Conterganstiftung, des
Fonds Sexueller Missbrauch, des Hilfetelefons „Gewalt
gegen Frauen“ – das ist unglaublich wichtig –, und wir
werden eine Kinderschutzhotline für Ärzte einführen .
Der Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen
Kindesmissbrauchs wird gestärkt . Wir stellen 3 Millio-
nen Euro für das Deutsch-Griechische Jugendwerk zur

Alois Rainer






(A) (C)



(B) (D)


Verfügung und kommen damit einer Vereinbarung im
Koalitionsvertrag nach .

Ich glaube, es gibt den Wunsch nach einer Zwischen-
frage .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814009800

Ja, der Präsident hat das schon gesehen . Die Kollegin

Deligöz möchte eine Zwischenfrage stellen, und ich ver-
mute, dass Sie damit einverstanden sind .


Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1814009900

Selbstverständlich .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814010000

Bitte schön .


Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814010100

Herr Kollege Rainer, ich habe gerade noch einmal Ih-

ren Vorschlag vernommen, von dem ich auch schon in
der Presse gelesen habe . Ist Ihnen klar, dass, wenn Sie
die Mittel für die Aufarbeitungskommission und für den
Beauftragten gleichstellen – Sie haben von 3 Millionen
Euro gesprochen –, dies bedeuten würde, dass sich der
Beauftragte, wenn er das Geld für die Aufarbeitungs-
kommission verwendet, selbst abschaffen müsste, weil
er dann keine Möglichkeiten mehr hätte, seinen Auftrag
als Beauftragter zu gewährleisten? Der Bundestag hat
dem Beauftragten zusätzlich 3 Millionen Euro zugesagt .
Davon ist nur ein Bruchteil finanziert. Ist Ihnen bewusst,
dass die Aufarbeitungskommission, wenn dort nicht auf-
gestockt wird, nicht ihre Arbeit aufnehmen kann, es sei
denn, der Beauftragte schaffte sich selbst ab?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1814010200

Wir haben meines Erachtens dem Beauftragten

500 000 Euro zusätzlich zur Verfügung gestellt .


(Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber 3 Millionen waren besprochen!)


Bei einem Gesamtvolumen von zuvor 3,2 Millionen
Euro sind wir nun bei nachweislich 3,7 Millionen Euro .
Wir sind also über 3 Millionen Euro . Liebe Frau Kolle-
gin, wir haben viele Gespräche mit dem Haus darüber ge-
führt, wie das zu verstehen ist . Für mich sind es nach wie
vor über 3 Millionen Euro, genau 3,7 Millionen Euro . Zu
diesem Ergebnis kommt man, wenn man beides addiert .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ekin Deligöz [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Dann soll er sich selbst abschaffen!)


– Nein, er soll sich nicht abschaffen; denn es sind noch
andere Häuser gefragt, hier einen finanziellen Beitrag zu
leisten .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wir verstehen unsere Arbeit für die Jugend so, wie es
in diesem Haushaltsplan angedacht ist . Mit den entspre-
chenden Mitteln sind wir auf einem guten Weg für un-

sere Familien, unsere Kinder, unsere Jugend und unsere
Senioren .

Vielen herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814010300

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem

Kollegen Leutert .


Michael Leutert (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814010400

Lieber Herr Kollege, ich habe in meinem Redebeitrag

sehr wohl gesagt, dass sich das infragestehende Pro-
gramm für Demokratie unter anderem gegen Gewalt und
Menschenfeindlichkeit insgesamt wendet . Das schließt
meines Erachtens jede Form von Extremismus ein . Ich
habe mich aber bewusst auf den Rechtsextremismus kon-
zentriert, weil er unser aktuelles Problem darstellt . Die
Flüchtlinge und ihre Heime, die Ehrenamtlichen sowie
Politikerinnen und Politiker werden derzeit von Frem-
denfeinden und Rassisten angegriffen . Es ist die Aufga-
be der Politik, auf aktuelle Ereignisse zu reagieren und
Probleme vorausschauend zu lösen . Derzeit warnen die
Sicherheitsbehörden vor dem Problem des Rechtsextre-
mismus bzw . der Fremdenfeindlichkeit . Aufgrund dieses
aktuellen Anlasses habe ich darauf hingewiesen .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814010500

Herr Kollege Rainer, möchten Sie darauf erwidern?

Die Möglichkeit bestünde jedenfalls . – Bitte, Herr Rainer .


Alois Rainer (CSU):
Rede ID: ID1814010600

Lieber Kollege, Sie haben das vielleicht im Gesamt-

kontext gesehen, aber das Wort „Linksextremismus“ ein-
fach nicht in den Mund genommen . Da Sie jede Form
von Extremismus aufgezählt haben, hätten Sie auch den
Linksextremismus erwähnen können . Wenn wir eine
vorausschauende Politik betreiben wollen, dann sollten
wir auch darauf hinweisen, dass es Linksextremismus in
Deutschland gegeben hat und noch immer gibt .


(Karin Binder [DIE LINKE]: Wo?)


Frankfurt ist ein gutes Beispiel . Linksextremismus gibt
es auch bei uns .


(Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Mein Gott! – Karin Binder [DIE LINKE]: Man kann ihn auch herbeireden!)


Danke .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814010700

Für die SPD hat jetzt das Wort die Kollegin Dr . Carola

Reimann .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Alois Rainer






(A) (C)



(B) (D)



Dr. Carola Reimann (SPD):
Rede ID: ID1814010800

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Der Einzelplan für Familie, Senioren, Frauen und Ju-
gend umfasst gut 9 Milliarden Euro . Damit bewegen wir
eine ganze Menge . Das hat die Ministerin zu Beginn der
Debatte deutlich gemacht . Vom Elterngeld über Mehrge-
nerationenhäuser und den Bundesfreiwilligendienst bis
hin zur Stärkung von Demokratie und Vielfalt investieren
wir nachhaltig in den gesellschaftlichen Zusammenhalt .
Ich finde, das ist gut investiertes Geld.

Zu den genannten Mitteln kommen Investitionen für
Familien, Kinder und Jugendliche aus anderen Etats .
Wir unterstützen Familien durch finanzielle Leistungen,
durch höheres Kindergeld, durch eine Erhöhung des Kin-
derzuschlags und durch eine bessere Betreuungsinfra-
struktur . Wir bringen den Kitaausbau weiter voran durch
zusätzliche Mittel für das Sondervermögen „Kinderbe-
treuungsausbau“ und das Bundesprogramm „KitaPlus“ .
Denn Randzeitenbetreuung ist gerade für berufstätige
Mütter und Väter und insbesondere für Alleinerziehende
wichtig, die nicht den klassischen Nine-to-five-Job ha-
ben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Gut investiert sind im Übrigen auch die freiwerdenden
Mittel aus dem Betreuungsgeld . Für uns Sozialdemokra-
tinnen und Sozialdemokraten war nach dem Urteil des
Bundesverfassungsgerichts immer klar: Wir wollen Ver-
trauensschutz für diejenigen, die diese Leistung beziehen
und beantragt haben . Wir wollen, dass diese Gelder den
Familien weiter zugutekommen . Wir wollen auch eine
bessere Kinderbetreuung . Das haben am Anfang nicht
alle so gesehen . Da haben wir uns durchgesetzt, und das
ist auch gut so .


(Beifall bei der SPD)


Familien brauchen Geld, Familien brauchen eine gut
funktionierende, qualitativ hochwertige Betreuungsinfra-
struktur, und Familien brauchen Zeit . Gerade für Frauen
und Männer in der Mitte ihres Lebens, die viel Verant-
wortung tragen, im Beruf, für ihre Kinder, für ihre Eltern,
ist Zeit die knappste Ressource . Mit dem Gesetz zur bes-
seren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf und
mit dem Elterngeld Plus unterstützen wir Familien, die
viel Verantwortung tragen, und wir zeigen auch, dass wir
die zeitpolitischen Herausforderungen in der heutigen
Zeit angehen .

Ich weiß, dass das in den Ohren einiger Haushälter
jetzt seltsam klingt, aber ich freue mich über die Mehr-
ausgaben beim Elterngeld; denn diese Ausgaben zeigen,
dass das Elterngeld bei Müttern und zunehmend auch bei
Vätern gut ankommt . Sie bestärken uns darin, diesen Weg
in der Zeitpolitik weiterzugehen . Wir wollen die partner-
schaftliche Arbeitsteilung von Müttern und Vätern . Wir
wollen, dass berufstätige Eltern mit der Familienarbeits-
zeit mehr Zeit für ihre Familien haben .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Der vorliegende Haushalt ist auch Ausdruck der er-
folgreichen Arbeit, die die Bundesregierung in den ver-
gangenen zwei Jahren geleistet hat . Neben den unmittel-
bar im Haushalt wirksamen Projekten haben wir gerade
im Bereich der Gleichstellung viel erreicht . Mit dem
Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Männern
und Frauen an Führungspositionen haben wir nicht nur
einen wichtigen – ich finde, einen historischen – Schritt
für mehr Gleichberechtigung geschafft, sondern wir ha-
ben auch die Weichen für mehr Vielfalt in den Führungs-
etagen gestellt. Davon werden Unternehmen profitieren.

Darauf werden wir uns aber nicht ausruhen . Die
Gleichstellung von Frauen und Männern bleibt auf der
Agenda, nicht nur in Deutschland, sondern auch in Eu-
ropa . Deshalb begrüße ich die Initiative für eine europä-
ische Frauenquote, und ich finde, dass sich Deutschland
dafür auch auf europäischer Ebene starkmachen muss .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Natürlich werden wir uns in den kommenden Wochen
dem Thema Lohngerechtigkeit zuwenden . Noch immer
verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent
weniger als ihre männlichen Kollegen . Das ist ein Skan-
dal . Seit Jahren treten wir hier auf der Stelle . Es hilft
nichts, jedes Jahr neu diese Zahlen zu beklagen . Deshalb
ist es Zeit für ein Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben noch viel vor bei der Gleichstellung, bei
der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und auch bei
der Kinderbetreuung und im Bildungsbereich . Gerade
bei den letzteren Punkten ist die Herausforderung in Zei-
ten starker Zuwanderung noch größer geworden . Aber –
auch das will ich hier betonen – diese Herausforderungen
sind auch nicht neu . Mehr Qualität in Kitas, frühkind-
liche Bildung, stärkere Sprachförderung, gute Schulen,
verlässliche Ganztagsbetreuung – dafür setzen wir uns
seit Jahren ein . Es hat sich da auch vieles getan .

Jetzt gilt es, mit den neuen Integrationsherausforde-
rungen die Chance für einen zusätzlichen Investitions-
schub zu ergreifen . Dabei geht es nicht um ein Entwe-
der-oder, also darum, dass die einen etwas bekommen
und die anderen nichts . Nein, von diesem Investitions-
schub müssen und werden alle profitieren; denn nur so
kann Integration gelingen .


(Beifall bei der SPD)


Kolleginnen und Kollegen, das alles kostet Geld . Aber
wir müssen jetzt klotzen und dürfen nicht kleckern, wie
es Thomas Oppermann gestern schon gesagt hat . Dieses
Geld ist eine gute Investition, weil sie den Zusammenhalt
in unserem Land stärkt und weil am Ende alle von mehr
Qualität in guten Kitas, von guten Schulen und von ver-
lässlicher Ganztagsbetreuung profitieren.

Danke fürs Zuhören .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) (C)



(B) (D)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814010900

Nächster Redner ist der Kollege Jörn Wunderlich für

die Fraktion Die Linke .


(Beifall bei der LINKEN)



Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814011000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge-

rade in der gegenwärtigen Situation ist in Deutschland
Familienpolitik furchtbar wichtig . Wir haben es von allen
gehört . Was in der Familienpolitik alles so Tolles geleis-
tet worden ist, jedenfalls angeblich, konnten wir gerade
wahrnehmen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Michaela Noll [CDU/CSU]: Bis hierher stimmt es! – Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/ CSU]: Herr Wunderlich, ich sehe eine gemeinsame Zukunft! – Sönke Rix [SPD]: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung!)


Es gibt aber auch Kritikpunkte . Ich möchte mich
aufgrund der beschränkten Redezeit auf vier Punkte be-
schränken .

Das Sondervermögen Kitaausbau ist anstelle von
230 Millionen Euro mit 1 Milliarde Euro aufzustocken .
Es fehlen noch immer Plätze . Wenn man Kitas wirklich
als frühkindliche Bildungsstätten versteht, dann muss
man sagen, dass dies die Investition in die Zukunft ist,
die von allen Seiten immer gefordert wird . Kinder sind
unsere Zukunft .

Wir alle freuen uns über eine gestiegene Geburtenra-
te . Gleichzeitig scheint die Kinderarmut in Deutschland
aber nicht das prägnante Thema für diese Regierungsko-
alition zu sein . Dazu zählt auch die Kinder- und Jugend-
politik, gerade unter Berücksichtigung der gegenwärti-
gen Situation mit den Anforderungen an eine gelungene
Integrationspolitik .


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Das ist doch Quatsch!)


Jeder hier investierte Euro ist ein gut investierter Euro . Das
weiß jeder, der in der Kinder- und Jugendpolitik tätig ist .


(Beifall bei der LINKEN)


Ebenso zieht jeder gesparte Euro ein Vielfaches an Fol-
gekosten nach sich .

Mein Kollege Weinberg hat schon in der ersten Le-
sung zum Haushalt dazu bemerkt – ich zitiere –:

Wir

– damit meint er die Regierung –

haben in der Vergangenheit Fehler gemacht: bei
den Gastarbeitern, bei den Aussiedlern, Anfang der
90er-Jahre auch im Zusammenhang mit dem Bür-
gerkrieg in Bosnien-Herzegowina . Aus diesen Feh-
lern sollten wir lernen . Integration von Anfang an,
so früh wie möglich .


(Beifall bei der LINKEN, der CDU/CSU und der SPD)


Und? Gelernt? Pustekuchen!

Zur Vermeidung von sogenannten Parallelgesellschaf-
ten, wie es von der Regierung immer wieder betont wird,
fehlt erkennbar der politische Wille dieser Koalition . Die
Linke will integrieren, um nicht erneut eine verlorene
Generation zu generieren .

Deshalb reichen die Mittel bei der Betreuung unbe-
gleiteter Minderjähriger eben nicht aus .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


In Brandenburg sind im Nachtragshaushalt für nächs-
tes Jahr 90 Millionen Euro dafür eingestellt . Die Bun-
desregierung stellt insgesamt 350 Millionen Euro zur
Verfügung . Nach dem Königsteiner Schlüssel bekommt
Brandenburg davon 10,7 Millionen Euro, bleibt also auf
88 Prozent der Kosten sitzen . Ähnlich sieht es in Thü-
ringen aus, wo der Freistaat auf 87 Prozent der geplan-
ten 77 Millionen Euro sitzen bleibt . Deshalb muss der
Bund in diesem gesamten Bereich mehr investieren . Die
350 Millionen Euro reichen nicht aus .

Wenn wir nächstes Jahr die Marke von 100 000 un-
begleiteten minderjährigen Flüchtlingen erreicht haben
und die Unterbringung pauschal pro Tag 140 Euro kos-
tet, dann kann sich jeder einigermaßen nicht Dumme aus-
rechnen, dass die 350 Millionen Euro bei weitem nicht
ausreichen, sondern eine Lachnummer sind . Hier werden
Kinder wieder einmal in ihren Verfassungsrechten be-
schnitten .

Problematisch bei dieser Finanzierung ist – das muss
ich zugeben –, dass sowohl die positiven Effekte als
auch die nachteiligen Wirkungen erst in Jahren sichtbar
bzw . wirksam werden . Dazwischen liegen dummerweise
Wahlen . Offensichtlich möchte die Regierung nur kurz-
sichtig mit fadenscheinigen Erfolgen protzen, die in der
Gesamtschau für Deutschland einfach teurer werden .

Der Unterhaltsvorschuss ist ein wesentliches Mittel,
um Kinderarmut zu verhindern . Von daher sollte dieser
ausgebaut und entfristet werden . Deshalb fordert Die
Linke schon seit mehr als zehn Jahren, den Unterhalts-
vorschuss über das zwölfte Lebensjahr und länger als
sechs Jahre zu zahlen .


(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN)


Sogar die Kommission „Zusammenhalt stärken – Zu-
kunft der Bürgergesellschaft gestalten“ der CDU sagte
im Juni – ich zitiere –: Wir wollen dafür sorgen, dass der
Unterhaltvorschuss länger als 72 Monate und über das
zwölfte Lebensjahr des Kindes hinaus gezahlt werden
kann .

Niemand kann erklären, warum ein Kind ab dem
zwölften Lebensjahr keinen Unterhalt mehr bekommen
soll oder warum es längstens sechs Jahre Unterhalt er-
halten darf . Das muss geändert werden . Die SPD will
es . Die CDU-Kommission will es . Wer bremst denn da
wieder aus? Wo in diesem Kabinett die schwarze Null
sitzt – heute ist er nicht hier; sein Adlatus ist hier –, ist
ganz offensichtlich .


(Maik Beermann [CDU/CSU]: Na, na, na!)


Die schwarze Null als prioritäres Ziel zu definieren,
zeugt nicht von perspektivischem Denken .






(A) (C)



(B) (D)


Würde man dies auf private Haushalte übertragen,
dann würde die Bauwirtschaft zusammenbrechen . Häu-
ser würde man nur noch mit eigenem Geld finanzieren.
Hausbaukredite wären dann hinfällig, weil man keinen
Baukredit mehr aufnehmen dürfte, wobei auch das in der
Regel gut investiertes Geld ist .

Gut wäre auch in die Jugendpolitik investiertes Geld .
Hier ist seit Jahren gekürzt worden . In den vergangenen
beiden Legislaturperioden fand Jugendpolitik praktisch
nicht statt .


(Sönke Rix [SPD]: Stimmt doch überhaupt nicht! Haben Sie mal in den Haushalt geguckt?)


Dankenswerterweise hat Ministerin Schwesig eine Ar-
beitsgruppe gebildet, die die Jugend und ihre Vorstellung
von der Gestaltung ihrer Zukunft in die Demografiestra-
tegie Deutschlands einbeziehen will . Aber es reicht nicht
aus, im Rahmen einer Arbeitsgruppe die Wünsche der
Jugendlichen aufzunehmen und in Handlungsempfeh-
lungen für die nächste Regierung einfließen zu lassen.
Deshalb fordert die Linke, zumindest die Kürzungen der
letzten Jahre in der Jugendpolitik zurückzunehmen .


(Beifall bei der LINKEN – Sönke Rix [SPD]: Kürzungen?)


Letzter Punkt . Der Kinderzuschlag als wirksames Mit-
tel gegen Kinderarmut muss dringend verstärkt ausgebaut
werden, um gerade die Eltern, die im Niedriglohnsektor
arbeiten, mit ihren Kindern aus dem diskriminierenden
System Hartz IV herauszuholen bzw . sie davor zu be-
wahren . 2014 haben 95 000 Berechtigte Kinderzuschlag
erhalten . Die von der Regierung geplanten 20 Euro Erhö-
hung auf 160 Euro ab dem 1 . Juni 2016 – Frau Schwe-
sig hat es angesprochen – reichen da bei weitem nicht
aus, um Kinderarmut effektiv zu bekämpfen . Deshalb
fordert die Linke einen gestaffelten Kinderzuschlag von
220 Euro für bis 6-Jährige, von 260 Euro für bis 14-Jäh-
rige und von 300 Euro für bis 18-Jährige – nicht nur im
Hinblick auf die Mütter und Väter, sondern insbesondere
im Hinblick auf die betroffenen Kinder .


(Beifall bei der LINKEN)


All dies sollte geschehen, damit wir nicht in 15 oder
20 Jahren wieder von einer verlorenen Generation spre-
chen müssen . Deshalb will die Linke verstärkt in unse-
re Zukunft, nämlich in Kinder und Jugendliche, inves-
tieren . Schade, dass sich bei allen guten Vorsätzen und
Wünschen die Familienministerin in der Koalition nicht
durchsetzen konnte . Zukunftsprogramm und -investitio-
nen statt schwarze Nullen im Kabinett, das ist linke Po-
litik .


(Beifall bei der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814011100

Als Nächste spricht die Kollegin Nadine Schön für die

CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg . Dr . Carola Reimann [SPD])


Nadine Schön (St . Wendel) (CDU/CSU):
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Haushalts-
debatten, das ist immer ein Ringen darum, wie die Gel-
der, die wir von unseren Bürgerinnen und Bürgern zur
Verfügung bekommen, wie Steuergelder so gut, klug und
umsichtig investiert und verteilt werden können, dass sie
den Menschen in unserem Land wieder zugutekommen .
Jedes Ressort, jeder Fachpolitiker ringt natürlich darum,
dass in seinem Bereich die Mittel steigen, dass die An-
liegen, die man als Fachpolitiker hat, in diesem Haushalt
berücksichtigt werden .

Wir Familienpolitiker können mit Stolz sagen, dass
seit zehn Jahren, seit Angela Merkel Bundeskanzlerin ist,
die Ausgaben für Familien in unserem Land von Jahr zu
Jahr steigen . Das ist ein gutes Ergebnis . Das ist ein gutes
Signal an die Menschen in unserem Land . Dafür haben
sich die CDU und die CSU starkgemacht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Auch in diesem Jahr wächst der Haushalt des Bun-
desfamilienministeriums um mehrere Millionen Euro .
Gerade in der Bereinigungssitzung letzte Sitzungswoche
haben die Haushälter noch einmal wichtige Maßnahmen
ergriffen, die zur Bewältigung der aktuellen Flüchtlings-
krise beitragen .

Wir wissen, dass viele derjenigen, die heute zu uns
kommen, länger in unserem Land bleiben werden . Des-
halb ist die Integration natürlich eine entscheidende Auf-
gabe für uns alle . Das führt dazu, dass wir etwas investie-
ren müssen . Den Menschen, die zu uns kommen, stellen
wir eine Unterkunft, Verpflegung, aber eben auch Ange-
bote zum Spracherwerb, zur Vermittlung unserer Kultur
und vieles mehr zur Verfügung .

Wir können aber umgekehrt von den Menschen, die zu
uns kommen, auch verlangen, dass sie diese Angebote an-
nehmen, dass sie sich integrieren und dass sie sich selbst
in unsere Gesellschaft einbringen, mit ihren Fähigkeiten,
mit ihrem Willen, aber auch mit der Akzeptanz unserer
Werte . Diese sollen sie aber nicht nur akzeptieren, son-
dern auch erlernen und leben . Insofern ist Integration im-
mer ein Geben und Nehmen . Sie muss in meinen Augen
in den nächsten Jahren wesentlich verbindlicher werden,
als wir es in der Vergangenheit erlebt haben .

Viele sprechen zu Recht davon, dass die Integration
bei uns in der Vergangenheit teilweise gescheitert ist,
eben weil diese Verbindlichkeit gefehlt hat, weil man ge-
sagt hat: Das wird schon irgendwie passen . Darum brau-
chen wir uns nicht groß zu kümmern . – Nein, Integration
muss für beide Seiten verbindlich werden . Das ist ein
Anliegen, das die Union hat und das man in den nächsten
Wochen und Monaten noch mit geeigneten Maßnahmen
unterlegen muss .


(Beifall bei der CDU/CSU)


In diesem Haushalt machen wir schon vieles, was
zur Integration beitragen wird . Zum einen schaffen wir
10 000 neue Stellen im Bundesfreiwilligendienst . Das
sind 10 000 neue Stellen für Flüchtlingsarbeit, die den
Hauptamtlichen zugutekommen, die in den Kommunen,

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


in den Hilfsorganisationen wirklich am Rande dessen
sind, was sie leisten können, die aber gleichzeitig auch die
Ehrenamtlichen entlasten, weil die Bundesfreiwilligen-
dienstler genau an der Schnittstelle zwischen Ehrenamt
und Hauptamt tätig sind . Das Geld für die 10 000 neuen
Stellen ist wirklich gut angelegtes Geld, um Hauptamt
und Ehrenamt zu entlasten und somit vor Ort wirklich
viel zu helfen .

Wir als Union haben gleich gesagt: Wenn wir
10 000 neue Stellen schaffen, wenn wir ein neues Pro-
gramm auflegen, dann wollen wir, dass auch Flüchtlinge,
die zu uns kommen, sich von Anfang an ehrenamtlich, mit
bürgerschaftlichem Engagement in unsere Gesellschaft
einbringen können . Wieso sollen nicht auch Flüchtlinge
Bundesfreiwilligendienst leisten können? Das war unser
Vorschlag .


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Das war ein sehr guter Vorschlag!)


Wir sind sehr froh, dass wir in diesen Tagen das Pro-
gramm auf den Weg bringen, das es auch Flüchtlingen er-
möglicht, Bundesfreiwilligendienst zu leisten; denn das
gibt ein Zeichen in unsere Gesellschaft, dass diejenigen,
die zu uns kommen, bereit sind, sich einzubringen . Das
gibt aber auch ein Zeichen an die Flüchtlinge: Jeder Ein-
zelne von euch ist uns wichtig . Uns ist wichtig, dass du
dich einbringst mit deinen Fähigkeiten, mit deiner Arbeit,
mit deiner Tatkraft, auch mit den Erfahrungen, die du
mitbringst . – Deshalb ist das Geld für diese 10 000 neuen
Stellen, vor allem für diejenigen, die von Flüchtlingen
selbst besetzt werden, wirklich gut angelegtes Geld .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir werden 10 Millionen Euro zusätzlich einsetzen,
um ehrenamtliches Engagement zu verstärken . Ehren-
amtlich wird in unseren Hilfsorganisationen seit Jahren
wahnsinnig viel geleistet, in ganz vielen Bereichen . Es ist
wichtig, dass diese Arbeit, die in den letzten Jahren ge-
leistet worden ist, jetzt nicht plötzlich liegen bleibt, weil
es nur noch gilt, die Flüchtlingskrise zu bewältigen . Des-
halb ist es richtig, dass wir die Hilfsorganisationen mit
Mitteln des Bundes unterstützen . Das tun wir hier maß-
geblich . So tragen wir dazu bei, dass die normale Arbeit
der Hilfsorganisationen weitergeführt werden kann, aber
gleichzeitig auch die neuen Herausforderungen bewältigt
werden können .

Wir überlegen jetzt: Wie kann man die Ehrenamt-
ler vor Ort besser unterstützen? Die Ministerin hat die
Idee angesprochen, dass wir Patenschaften unterstützen .
Patenschaften gibt es bereits in vielen Kommunen . Sie
funktionieren hervorragend . Es gibt nichts Besseres als
Patenschaften zwischen zwei Männern oder zwei Frau-
en, die am Küchentisch gemeinsam über unsere Werte,
über unsere Kultur etc . diskutieren . Patenschaften sind
der beste Weg der Integration in unsere Gesellschaft .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Man sollte jetzt aber keine Doppelstrukturen schaffen .
Ich glaube, an diesem Punkt müssen wir ziemlich genau
aufpassen, dass wir nicht ein Parallelprogramm des Bun-
des auflegen, ein Programm parallel zu dem, was es vor

Ort schon gibt . Deshalb sollten wir sehr genau gucken:
Was brauchen die Patenschaften, die es heute schon gibt?
Wie können wir dafür sorgen, dass es mehr Patenschaften
gibt?

Ich glaube, dass es bei diesen Patenschaften ein ganz
großes Bedürfnis nach Beratung gibt, vor allem kultu-
reller Beratung, weil es komplett verschiedene Kulturen
sind, die aufeinandertreffen . Die kulturelle Beratung, die
Beratung in Alltagsfragen, die sich hier stellen – das soll-
te Inhalt unserer neuen Initiative sein, mit der wir das
ehrenamtliche Engagement vor Ort konkret unterstüt-
zen; denn das ist das, wofür es bei den Menschen vor
Ort einen Bedarf gibt . Das ist das, was wirklich vor Ort
ankommt .

Wir richten unseren Blick vor allem auf die Schwa-
chen, die zu uns kommen . Das sind zum Ersten die Trau-
matisierten . Für die legen wir jetzt noch ein Programm in
Höhe von 6 Millionen Euro auf . Das sind zum Zweiten
die Jugendlichen, die besonders von den Jugendmigrati-
onsdiensten betreut werden . Hierfür hat der Haushalts-
ausschuss noch einmal 8 Millionen Euro zur Verfügung
gestellt . Zum Dritten sind es die Schwangeren und zum
Teil auch Frauen und Mädchen, die Vergewaltigung und
Gewalt erfahren mussten . Wir haben extra Gelder einge-
stellt, um diese besonders gut betreuen zu können .

Sie sehen also: Mit einem großen finanziellen Engage-
ment kümmern wir uns wirklich entscheidend um die
Menschen, die zu uns kommen .

Mir ist wichtig, dass bei all den Diskussionen, die wir
jetzt um die Flüchtlingskrise führen, draußen bei den
Menschen nicht der Eindruck entsteht: Wir machen jetzt
nichts anderes mehr . Wir kümmern uns nur noch um die
Flüchtlingskrise . – Das Gegenteil ist der Fall: Wir haben
in diesem Jahr viele Maßnahmen auf den Weg gebracht,
die den Familien in unserem Land konkret helfen .

Und unsere Arbeit geht unvermindert weiter: Wir ar-
beiten an der Umsetzung des Koalitionsvertrages und an
vielen weiteren Verbesserungen für die Frauen, die älte-
ren Menschen, die Kinder und die Familien in unserem
Land . Das bildet sich auch im Haushalt ab, etwa beim El-
terngeld Plus . Das Elterngeld haben wir unter Schwarz-
Rot eingeführt . Wir haben die Mittel dafür ständig aufge-
stockt und es jetzt mit dem Elterngeld Plus flexibilisiert.
Mittlerweile sind wir bei 6 Milliarden Euro für die Fa-
milien in unserem Land . Die Ausgaben für das Eltern-
geld steigen auch deshalb, weil der Anteil der Väter, die
Elternzeit nehmen, steigt . Das ist ein wirklich gutes Sig-
nal . Das zeigt, dass die Partnerschaftlichkeit zwischen
Männern und Frauen in unserem Land gestärkt wird . Das
zeigt, dass sich auch immer mehr Männer in die Erzie-
hung der Kinder einbringen . Das entspricht genau den
Wünschen der jungen Familien . Mittlerweile nimmt je-
der dritte Vater Elternzeit . Deshalb sind die 6 Milliarden
Euro auch wirklich gut angelegtes Geld .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir investieren weiter in den Ausbau der Kitabetreu-
ung . Auch das ist etwas, was die Menschen in unserem
Land wünschen . Wir haben hier sehr viel geleistet, und

Nadine Schön (St. Wendel)







(A) (C)



(B) (D)


der Bund unterstützt Länder und Kommunen weiter beim
Ausbau . Dass all das erfolgreich ist, dass sich die gute
Familienpolitik der letzten Jahre auszahlt und dass sich
das Geld, das wir investieren, lohnt, das zeigen aktuelle
Studien . Aktuelle Studien belegen, dass sich Deutschland
in den letzten zehn Jahren im Bereich der Familienpolitik
so gut entwickelt hat wie kaum ein anderes Land . Das In-
stitut der deutschen Wirtschaft hat 23 Länder verglichen .
Kaum ein anderes Land konnte sich so verbessern wie
Deutschland . Wenn man sich allein die Geldleistungen
anschaut, dann liegen wir unter diesen 23 Ländern auf
dem zweiten Platz . Nur Luxemburg gibt für die Familien
noch mehr Geld aus als wir . Die Verbesserung trifft aber
auch auf die Entwicklung insgesamt zu, die Betreuung,
die steuerliche Unterstützung etc . All das trägt dazu bei,
dass die Menschen in unserem Land mit der Familienpo-
litik zufrieden sind . Viele könnten sich noch mehr vor-
stellen . Uns fällt auch noch vieles ein, wie man Familien
noch besser unterstützen kann . Aber es ist ja immer gut,
das in einen Kontext zu stellen und sich zu vergleichen .
Es ist ein schönes Signal, zu sehen, dass die Entwicklung
sich in den letzten zehn Jahren wirklich massiv verbes-
sert hat, dass wir an der Spitze in Europa stehen . Das ist
christdemokratische und christsoziale Familienpolitik,
die sich hier auszeichnet. Ich finde, das ist eine gute Bot-
schaft für die Familien in unserem Land .


(Beifall bei der CDU/CSU – Michaela Noll [CDU/CSU]: So werden wir weitermachen! – Sönke Rix [SPD]: Wir sind auch ein bisschen beteiligt!)


– Genau . Der Koalitionspartner ist natürlich ebenfalls
beteiligt .

Lieber Kollege Rix, gemeinsam mit Ihnen werden wir
uns den Themen, sowohl der Bewältigung der Flücht-
lingskrise als auch den anderen Themen, die uns im Fa-
milienressort umtreiben, weiter widmen und sie voran-
treiben . Ein Thema ist der Kinderschutz, ein anderes der
Schutz von Frauen vor Gewalt . Wir haben in dieser Wo-
che den Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt
gegen Frauen . Wir haben in der letzten Legislaturperio-
de eine bundesweite Hotline eingerichtet . Sie wird sehr
gut in Anspruch genommen . Das ist wichtig . Es ist aber
auch wichtig, dass wir etwa beim Thema Zwangsprosti-
tution, dem unser nächstes großes Gesetzeswerk gilt, das
wir auf den Weg bringen, genau darauf achten, dass wir
den Schutz derjenigen, die von Zwangsprostitution, von
Menschenhandel betroffen sind, gewährleisten und alles
dafür tun, die Frauen auch vor Gewalt zu schützen .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann müssen Sie kein Prostituiertenschutzgesetz machen! Da müssen Sie was gegen Menschenhandel tun!)


Deswegen werden wir auch mit weiteren Gesetzesvorha-
ben unvermindert, unabhängig von der Flüchtlingskrise,
an der Umsetzung dieses Anliegens arbeiten .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das falsche Gesetz hat die falsche Nummer!)


Ich danke herzlich für die Zusammenarbeit . Zum
Schluss ein herzlicher Dank an die Haushälter, die uns
bei all diesen Anliegen wirklich großartig unterstützen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Alles verlogen! – Monika Lazar [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Selbstzufrieden!)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814011200

Die Kollegin Beate Walter-Rosenheimer spricht jetzt

für Bündnis 90/Die Grünen .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und
Kollegen! Sehr geehrte Frau Ministerin! Liebe Gäste und
Zuhörerinnen! Gestern wurde die neue OECD-Studie
„Bildung auf einen Blick 2015“ veröffentlicht . Die er-
freuliche Nachricht: Mehr als die Hälfte der Kinder, die
unter zwei Jahre alt sind, wird in Deutschland in Kitas
betreut .

Was mich genauso überrascht und freut, ist die
gemeinsame Erklärung von Ministerin Wanka und
KMK-Präsidentin Kurth . Darin bekennen sich die beiden
CDU-Frauen ganz klar zur frühkindlichen Betreuung,
weil gerade die ersten Jahre – das ist jetzt ein sinngemä-
ßes Zitat – so besonders wichtig seien für einen erfolg-
reichen Bildungsweg und das besonders für Kinder mit
Migrationshintergrund und für Flüchtlingskinder gelte .
Hier offenbart sich, dass die CDU in der Mitte der Gesell-
schaft angekommen ist . Dazu herzlichen Glückwunsch!


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Wir sind die Mitte!)


Ich wünsche mir, dass Sie das Ihren Freundinnen und
Freunden in Bayern, der CSU, mitteilen, damit sich das
Thema Betreuungsgeld, Herr Lehrieder, bald erledigt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN – Zuruf des Abg . Paul Lehrieder [CDU/CSU])


– Kommen Sie heim .

Aber selbst ein solches Bekenntnis kann über eines
nicht hinwegtäuschen: Es ist viel passiert auf diesem Ge-
biet – das sagen wir auch –, aber, Frau Ministerin, Sie
bleiben hinter Ihren eigenen Ansprüchen zurück. Wir fin-
den, dass im Haushalt Ihres Ministeriums Belege für An-
strengungen fehlen, die Kindertagesbetreuung wirklich
fit für die Zukunft zu machen. Es stimmt, dass sich Bund,
Länder und Kommunen in den letzten Jahren sehr stark
bemüht haben . Richtig ist aber leider auch, dass gerade
im Westen der Republik noch 185 000 Plätze für diese
Kinder fehlen . Das, sehr geehrte Frau Ministerin, sollte
auch Ihnen zu denken geben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Es geht bei der frühkindlichen Betreuung aber nicht
nur darum, wie groß, sondern ganz entscheidend auch da-
rum, wie gut dieses Angebot ist . Gerade weil wir wissen

Nadine Schön (St. Wendel)







(A) (C)



(B) (D)


und die CDU es jetzt auch weiß, dass die Betreuung in
den ersten Lebensjahren so wichtig ist, muss die Qualität
der Betreuung deutlich steigen . Diese Aufgabe können
aber Länder und Kommunen nicht alleine übernehmen .
Dies ist natürlich auch Aufgabe des Bundes .

Wir brauchen einen besseren Betreuungsschlüssel,
einen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung und bun-
desweit einheitliche Qualitätsstandards . Ich wünsche mir
hier einfach ein bisschen mehr Durchsetzungskraft der
SPD dem Koalitionspartner gegenüber .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Sönke Rix [SPD]: Das kriegen wir hin!)


Auf meine Fraktion können Sie dabei sicher zählen .

Viele Kommunen ächzen jetzt schon unter den hohen
finanziellen Belastungen. Wir fordern deshalb in unse-
rem Änderungsantrag zusätzlich 1 Milliarde Euro für den
Ausbau und die Qualitätssicherung von Kitas und eine
weitere Milliarde für eine breite Bildungsoffensive von
der Kita bis zur Hochschule. Ich finde, in Ihrem Haus-
haltsentwurf ist noch Luft nach oben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg . Astrid Timmermann-Fechter [CDU/CSU])


Dass wir schon heute für morgen investieren müssen,
gilt natürlich für jede vorausschauende und gerechte
Politik . Wie wichtig aber gerade in diesen Tagen muti-
ge Zukunftsinvestitionen sind – es geht ja um die Un-
terstützung durch den Bund, Frau Kollegin, und nicht
um die Länder –, zeigen die vielen jungen Flüchtlinge
noch einmal ganz besonders deutlich . Hunderttausende
Kinder und Jugendliche – wir haben es heute schon ge-
hört – brauchen neben einer guten Versorgung und Un-
terbringung natürlich Zugang zu Bildung, aber auch zu
den Leistungen der Jugendhilfe . Hier tun Sie aus unserer
Sicht eindeutig zu wenig . Die Jugendhilfe ist seit Jahren
chronisch unterfinanziert. Durch die vielen minderjähri-
gen Flüchtlinge stehen die Jugendämter und die freien
Träger der Jugendhilfe vor einer gewaltigen Herausfor-
derung . Die Betreuung und Begleitung, die Übernahme
von Vormundschaften und – nicht zu vergessen – die
ganz regulären Aufgaben, die nach wie vor zu bewältigen
sind, binden Ressourcen und kosten viel Geld . Wir be-
zweifeln, dass die zusätzlich eingestellten 350 Millionen
Euro dafür ausreichen werden .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn wir alle ehrlich sind, müssen wir feststellen:
Ohne die beeindruckende Unterstützung durch die vielen
Ehrenamtlichen – wir haben es heute oft gehört – würde
vieles nicht mehr laufen . Man kann es daher nicht oft ge-
nug sagen, dass diesen Menschen unser Dank gebührt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg . Sönke Rix [SPD])


Dieses große ehrenamtliche Engagement ist zugleich
eine deutliche Handlungsaufforderung an die Politik .
Uns muss klar sein, dass wir die Ehrenamtlichen nicht
alleinlassen können, dass die Arbeit der Ehrenamtlichen
nicht zur Ausrede dafür werden kann, dass sich die poli-
tisch Verantwortlichen vor der Verantwortung drücken .

Es ist gut, Frau Ministerin, dass Sie Geld für die Unter-
stützung des freiwilligen Engagements in die Hand neh-
men . Das möchte ich ausdrücklich betonen . Ich verstehe
aber nicht, warum Sie nur den Bundesfreiwilligendienst
fördern wollen und nicht zum Beispiel auch die Träger
des Freiwilligen Sozialen Jahres . Wir wünschen uns, dass
Sie die Netzwerkstrukturen der Zivilgesellschaft und de-
ren Ausbau fördern und dass Sie dafür sorgen, dass auch
die Helferinnen und Helfer Zugang zu Hilfe und Unter-
stützung bekommen; denn sonst geht ihnen irgendwann
die Luft aus .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Auch dafür, sehr geehrte Frau Ministerin, braucht es
Geld – das weiß ich – und gut geschultes Personal . Wir
finden im Haushaltsentwurf dazu zu wenig.

Die große Willkommenskultur – auch das haben wir
schon gehört – hat leider nicht nur Freunde . Deshalb
muss sie verteidigt werden . Den Feinden von Vielfalt,
Toleranz und Demokratie – das sage ich in aller Deut-
lichkeit – müssen wir uns entschieden in den Weg stellen .
In Zeiten, in denen Flüchtlingsunterkünfte brennen, ist es
wichtiger denn je, Programme gegen jede Form von Aus-
grenzung und Rassismus zu unterstützen . Da sollten wir
nicht darüber streiten, was von rechts und was von links
kommt, sondern es anpacken . Sehr geehrte Frau Ministe-
rin, ich weiß, dass Ihnen das ein großes Anliegen ist und
Sie da Geld in die Hand genommen haben .

Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass unser
Land in Zukunft ein bunteres, ein gerechteres und ein to-
leranteres Land sein wird .

Danke .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814011300

Die Kollegin Ulrike Gottschalck spricht jetzt für die

SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1814011400

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Seit der Ein-
bringung des Haushaltes hat sich die Welt weitergedreht .
Auch im Etat unseres Gesellschaftsministeriums mussten
wir an Stellschrauben drehen, um den aktuellen Heraus-
forderungen in der Flüchtlingspolitik gerecht zu werden .
Gleichzeitig haben wir aber sichergestellt, dass andere
wichtige Aufgaben darunter nicht leiden .

Was verbirgt sich also hinter den 9 Milliarden Euro,
die unserem Ministerium zur Verfügung stehen? 87 Pro-
zent unseres Etats stehen für wichtige gesetzliche Aufga-
ben zur Verfügung, etwa für das eben schon besproche-
ne Elterngeld, das Kindergeld und den Kinderzuschlag,
aber auch für die Finanzierung der Familienpflegezeit.
Mit den restlichen 13 Prozent werden wertvolle Akzente
in den Bereichen Familie, Senioren, Frauen und Jugend
gesetzt . Ich darf einmal sagen: Unsere Ministerin macht

Beate Walter-Rosenheimer






(A) (C)



(B) (D)


das, flankiert von ihren Staatssekretärinnen, ganz her-
vorragend . Ich möchte natürlich das ganze Team in mein
Lob einbeziehen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, in der Be-
reinigungssitzung des Haushaltsausschusses vom 12 . auf
den 13 . November ist es uns gelungen, erhebliche zusätz-
liche Mittel für unser Ministerium zu mobilisieren . An
dieser Stelle danke ich ausdrücklich meinem Kollegen
Alois Rainer für unsere wirklich immer sehr gute Zusam-
menarbeit . Auch mit den Berichterstatterinnen und Be-
richterstattern der Opposition macht die Arbeit meistens
Spaß, auch wenn sie manchmal mit ihren Anträgen über
das Ziel hinausschießen . Ich möchte würdigen, dass der
Kollege Leutert immer einen Hauch von Realismus hat .
Das, was ich eben von Herrn Wunderlich gehört habe –
er bezeichnete die Summe, die wir für die unbegleiteten
minderjährigen Flüchtlinge zur Verfügung stellen, als
„Lachnummer“ –,


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie müssen unser Steuerkonzept durchlesen!)


fand ich schon ziemlich unterirdisch und der Sache nicht
angemessen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Jugendhilfe ist immer noch eine Länderangelegen-
heit, und auch die Länder tragen eine Verantwortung .

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich komme
aus dem Märchenland der Gebrüder Grimm;


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Da regiert auf jeden Fall die SPD!)


aber ich kann weder Stroh zu Gold spinnen, noch habe
ich einen Dukatenscheißer .


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)


Alois Rainer geht es genauso . Wir müssen schon schau-
en, wie wir mit dem Geld umgehen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das ist auch bei den Grünen ein Problem, die mal eben
2 Milliarden Euro mehr fordern: Es fehlt die Gegenfinan-
zierung .

Wir haben – da gehe ich auf Ekin ein – 500 000 Euro
mehr für den Unabhängigen Beauftragten für Fragen des
sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig,
zur Verfügung gestellt, damit die unabhängige Kommis-
sion zur Aufarbeitung von sexuellem Kindesmissbrauch
ihre Arbeit aufnehmen kann . Zukünftig werden da natür-
lich weitere Mittel gebraucht .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!)


Aber diese Mittel können nicht allein aus dem schmalen
Etat unseres Familienministeriums kommen, sondern da
sind auch andere Ministerien gefordert .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Ich bin froh, dass hier über den Etat des Gesundheits-
ministeriums Stellen finanziert werden. Das ist eine gro-
ße Hilfe . Frau Wanka ist aufgefordert, dafür zu sorgen,
dass sich auch das Bundesministerium für Bildung und
Forschung beteiligt . Das würde mir persönlich sehr gut
gefallen; denn es ist eine wichtige Aufgabe .


(Beifall bei der SPD)


Wir konnten die Mittel für die Mehrgenerationen-
häuser noch einmal aufstocken . Damit ist die Förderung
von zehn weiteren Häusern möglich . Sie sind wichtige
Treffpunkte in den Kommunen . 1,5 Millionen Euro mehr
stellen wir bereit, damit junge Leute das Reformations-
jubiläum vorbereiten können, 3 Millionen Euro mehr für
das Deutsch-Griechische Jugendwerk, 2 Millionen Euro
mehr – also deutlich mehr – für die Arbeit des Deutschen
Bundesjugendrings; da haben wir schon einmal aufge-
sattelt . Herr Wunderlich, es gab beim KJP nirgendwo
irgendwann mal eine Kürzung . Im Gegenteil: Wir ha-
ben jedes Jahr kontinuierlich aufgesattelt, in diesem Jahr
2 Millionen Euro .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir stellen 15 Millionen Euro mehr für C1-Sprach-
kurse bereit, damit gerade die jungen Leute, die zu uns
kommen und besser ausgebildet sind, ein Studium begin-
nen können . Auch das gehört zur Integration . Ich bin sehr
stolz, dass wir das hinbekommen haben . Ebenso haben
wir es gemeinsam mit dem Kollegen Rainer geschafft,
8 Millionen Euro mehr für die Jugendmigrationsdienste
zur Verfügung zu stellen .


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814011500

Frau Kollegin Gottschalck, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Wunderlich?


Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1814011600

Aber sehr gerne . Das verlängert meine Redezeit?


Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814011700

Aber selbstverständlich .


Jörn Wunderlich (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814011800

Das hoffe ich nicht . – Hier meldet sich der Traumtän-

zer . Unterhaltsvorschuss ist Bundessache . Kinderzu-
schlag ist auch Bundessache . Ich weiß nicht, wie Sie
zu der Überzeugung kommen, das sei Ländersache . So
viel zur Traumtänzerei . Die Grünen haben das hier auch
beantragt . Wieso sprechen Sie dann immer nur von den
Linken?


(Zurufe von der SPD: Och!)


– Och, ja – jault doch!

Ulrike Gottschalck






(A) (C)



(B) (D)


Dann gucken Sie sich einmal unser Steuerkonzept an .
Ich kann nicht nur eine Forderung aus dem Zusammen-
hang reißen, dann eine falsche Voraussetzung anführen
und sagen: Das ist nicht finanzierbar. – Da muss ich auch
die Risiken und Nebenwirkungen benennen sowie die
Finanzierung danebenlegen, und dann wird einiges klar .
Aber die Zeit nehmen Sie sich ja nicht und machen sich
nicht die Mühe . Sie greifen Einzelnes heraus, bewerten
es dann völlig isoliert von allem anderen und sagen: Das
sind die Spinner! – Das ist Spinnerei .


(Beifall bei der LINKEN – Widerspruch bei der SPD)


Das war eine Zwischenbemerkung, keine Frage, daher
kann ich mich setzen .


Ulrike Gottschalck (SPD):
Rede ID: ID1814011900

Gut, dann bleiben Sie aber bitte stehen, damit ich auch

antworten kann .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: Sie brauchen nicht zu antworten! Das war eine Bemerkung!)


– Wenn, dann will ich auch antworten .

Zum einen habe ich eben von der Jugendhilfe gespro-
chen, und Jugendhilfe ist Länderangelegenheit, sehr ge-
ehrter Herr Wunderlich .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Das andere ist: Es ist bei uns Haushältern – das mag Ih-
nen nicht gefallen – guter Brauch, auch Gegenfinanzie-
rungen im Haushalt darzustellen .


(Jörn Wunderlich [DIE LINKE]: 230 Milliarden gebt ihr den Ländern, aber die Länder wird der Spaß 5 Milliarden kosten!)


– Führen wir jetzt einen Dialog, oder wollen Sie meine
Antwort hören? Offensichtlich nicht; das ist auch schon
wieder eine Unhöflichkeit, und ich mache einfach weiter.
Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir haben
6 Millionen Euro extra noch einmal für das Bundespro-
gramm „Willkommen bei Freunden“ zur Beratung und
Betreuung von jungen Flüchtlingen ausgegeben . Genau
dort sind auch die von Ihnen geforderten Akutprogram-
me, die Frau Schauws angesprochen hat, für traumati-
sierte Menschen oder aber Frauen und Kinder auf der
Flucht enthalten . Das haben wir extra eingefügt . Die
Haushälter haben also nicht nur Zahlen im Kopf, sondern
sind manchmal auch noch ganz normal und wissen, wo
Not am Mann ist .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Wir brauchen belastbare Netzwerke und zivilgesell-
schaftliches Engagement . Deshalb gibt es dafür noch
einmal 10 Millionen Euro mehr; denn Ehrenamt braucht
auch Strukturen, und das können wir damit leisten . Des-
wegen finde ich auch das sehr gelungen.


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Ein besonderer Lichtblick ist für mich auch das Pro-
gramm „Demokratie leben!“ . Dass es uns erneut gelun-
gen ist, hier 10 Millionen Euro draufzusatteln, finde ich
schon ziemlich erstaunlich . Wir sind damit bei 50 Mil-
lionen Euro, und jeder Cent davon ist gut angelegtes
Geld . Da gebe ich auch dem Kollegen Leutert recht: Wir
müssen die jungen Menschen vor Extremismus schützen,
egal, ob vor Hasspredigern oder aber vor rechten Socken,
die die jungen Leute anbaggern . Wir müssen einfach auf-
passen und alles tun, was man an Prävention leisten kann .


(Beifall bei der SPD sowie der Abg . Beate Walter-Rosenheimer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Menschenverachtende Ideologien gibt es in jeder
Form; wir haben es ganz aktuell erlebt . Deshalb ist es
gut, dass auf Wunsch unserer Innenpolitiker auch eine
Antisalafismus-Koordinierungsstelle eingerichtet wird.
Denn auch diese Vernetzung brauchen wir, um in Zu-
kunft noch stärker ein Auge auf die sogenannten Schläfer
haben zu können .

Auf den Bundesfreiwilligendienst muss ich nicht
mehr eingehen; das haben die Ministerin und meine Vor-
rednerinnen – auch Carola Reimann – detailliert getan .
Ich finde es hervorragend, dass wir die Mittel für die
10 000 Bufdi-Stellen bereitstellen können und diese zu-
künftig ehrenamtliches Engagement vor Ort unterstützen
können .

Ich bin sehr stolz und hoffe nur, dass sich die Linken
und die Grünen, die im Haushaltsausschuss übrigens all
unseren Anträgen zugestimmt haben,


(Marcus Weinberg [Hamburg] [CDU/CSU]: Ja, weil sie gut sind!)


was ich auch sehr merkwürdig finde, vielleicht überle-
gen, dem Einzelplan 17 allgemein zuzustimmen .

Vielen Dank .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814012000

Nächster Redner ist der Kollege Marcus Weinberg für

die CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Marcus Weinberg (CDU):
Rede ID: ID1814012100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich

gehe fest davon aus, dass die Opposition diesem hervor-
ragenden Haushalt für das Jahr 2016 zustimmt, und will
am Anfang die Gelegenheit der Haushaltsdebatte nutzen,
einmal die Grundsätze der Politik darzustellen, die sich
dann auch im Haushalt abbilden müssen .

Das ist für uns als Union und für uns als Große Koaliti-
on eine gute Gelegenheit, noch einmal die wesentlichen
Punkte unserer Familienpolitik zu definieren.

Zwei Vorbemerkungen . Es dauert in der Familienpoli-
tik Jahre, bis Maßnahmen Wirkung zeigen . Wir haben den
Sachverhalt, dass in Deutschland 30 000 Kinder mehr le-
ben als im letzten Jahr . Die Geburtenrate ist also um fast

Jörn Wunderlich






(A) (C)



(B) (D)


5 Prozent gestiegen . Das ist keiner einzelnen Maßnahme
geschuldet, sondern das ist einer Politik geschuldet, die
seit zehn Jahren Familienpolitik anders definiert. Endlich
stehen die Familien in Deutschland im Fokus der Politik .
Das merkt man an den Ergebnissen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Sönke Rix [SPD])


Man fährt auf den Schienen, die Frau von der Leyen vor
zehn Jahren gelegt hat . Heute stellen wir hier und da die
Weichen noch einmal um . Das ist gut so; denn es ist das
Bestreben der Großen Koalition, das zu verbessern, was
in Deutschland ohnehin schon gut funktioniert .

Ich will mit dem Thema Integration – Herr Wunderlich,
Sie hatten mich angesprochen – beginnen . Ja, wir haben
in Deutschland in der Vergangenheit Fehler gemacht . In
allen Epochen des Migrationsprozesses haben wir gewis-
se Aspekte nicht beachtet, zum Beispiel, dass Gastarbei-
ter möglicherweise nicht nur Gäste sind, sondern dass
diese Menschen hierbleiben und sich hier verwirklichen
wollen .

Wir werden im Zuge der Integrationsbewegung ver-
bindlicher werden müssen . Ich möchte, dass Menschen,
die hier in Deutschland bleiben, eine Integrationsver-
einbarung unterschreiben . Sie sollen sich zu unserer
Gesellschaft bekennen, wenn sie hier leben und deren
Vorteile genießen wollen . Sie müssen auch bereit sein,
der Gesellschaft etwas zu geben . Ich glaube, dass mehr
Verbindlichkeit wichtig wäre, sowohl für diejenigen, die
Integration leisten müssen, die jetzt als Flüchtlinge nach
Deutschland kommen, als auch für uns als aufnehmende
Gesellschaft, die diese Menschen dringend braucht .

Zu der Frage: Was sind unsere grundsätzlichen Werte
und Positionen in der Familienpolitik? Für uns als Christ-
demokraten und Christsoziale sind zwei Komponenten
dominierend . Die Erste ist das Thema der Freiheit . Wir
wollen Familien Freiräume zur Gestaltung ihres Lebens
geben . Wir wollen sie nicht bevormunden . Wir wollen
nicht vorschreiben, wann sie das Kind in die Kita zu ge-
ben haben . Wir wollen ihnen Angebote machen . Aber die
Freiheit der Familien steht bei uns an erster Stelle . Das ist
zentral für die Familienpolitik der Union .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Außerdem wollen wir den verschiedenen Famili-
enmodellen Rechnung tragen . Es gibt über 20 Prozent
Alleinerziehende, immer mehr Menschen sind nicht ver-
heiratet und haben Kinder, die in diesen Partnerschaften
gut erzogen werden, und es gibt die traditionelle Ehe; das
wollen wir nicht bewerten . Wir wollen aber den Familien
die Freiheit geben, ihr Leben so zu gestalten, wie sie es
möchten; mit so wenig Staat wie möglich und nur dort,
wo es nötig ist .


(Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dort, wo es nötig ist, machen Sie zu wenig!)


Zur zweiten Komponente unserer Familienpolitik .
Wir erkennen durchaus, dass in unserer Gesellschaft
nicht alle Menschen stark, reich und klug sind . Nein, wir
haben auch schwache Teile der Gesellschaft . Es gibt die-

jenigen, die nicht so klug sind, und diejenigen, die nicht
über entsprechendes Vermögen verfügen . Deswegen er-
greifen wir als Große Koalition konkrete Maßnahmen,
um die schutzbedürftigen Gruppen zu stärken . Die Fa-
milienpflegezeit und die Pflegezeit waren ein Ansatz, um
auch denjenigen, die nicht reich sind, die Möglichkeit
zu geben, sich um ihre nahen Angehörigen zu kümmern,
wenn diese gepflegt werden müssen. Genau das Gleiche
gilt bei Vernachlässigung von Kindern und Kindesmiss-
brauch . Auch hier geht es um Gruppen in der Gesell-
schaft, die schwach sind .

Deswegen stimme ich der Ministerin zu, wenn sie
sagt: Wir dürfen es jetzt im Rahmen der Flüchtlingsde-
batte nicht zulassen, dass schwache Gruppen der deut-
schen Gesellschaft gegen die Gruppe der Flüchtlinge
ausgespielt werden .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Wenn wir sagen, wir wollen Kinder schützen, dann ha-
ben alle Kinder einen Anspruch darauf . Wenn wir sagen,
dass wir Frauen vor Gewalt schützen wollen, dann haben
alle Frauen einen Anspruch darauf, dass wir als Staat –
das ist unsere Kernaufgabe: wir müssen die Schwachen
schützen; die Starken kriegen es schon hin – sie schützen .
Das wird auch in den nächsten zwei Jahren unser Leit-
motiv sein .

Das Prostituiertenschutzgesetz wurde angesprochen .
Es geht darum, die schwächsten Prostituierten zu schüt-
zen .


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: So ist es!)


Wir dürfen mit Blick auf Bürokratie oder angesichts der
Bewältigung neuer Flüchtlingswellen keine Abstufungen
vornehmen . Wir wollen nicht die eine schutzbedürftige
Gruppe gegen die andere ausspielen .


(Beifall bei der CDU/CSU – Ulle Schauws [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da müssen alle drunter leiden!)


Es wurde bereits gesagt: Wir haben den Etat im Ver-
gleich zum Jahr 2005 verdoppelt . Nun ist Geld nicht alles
im Leben – man genießt es, wenn man einmal reden darf,
in einer Haushaltsdebatte zwölf Minuten lang darüber
zu reden, wie wir Gelder verteilt haben –, aber der Auf-
wuchs im Haushalt ist schon ein deutliches Zeichen da-
für, dass die Familienpolitik auch in Bezug auf Quantität
ein anderes Niveau erreicht hat . Dabei übernehmen wir
viele Aufgaben der Länder und der Kommunen . In einer
solchen Debatte muss es Zeit und Raum dafür geben, da-
rauf hinzuweisen, dass wir vieles stemmen können, dass
wir Kommunen und Länder entlasten und unterstützen
können, dass es in der Familienpolitik aber weiterhin
Kernaufgaben gibt, die den Ländern und den Kommunen
zufallen . Aus dieser Verantwortung werden wir sie auch
nicht entlassen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Festzustellen ist aber: Wer meint, dass die Familien jetzt
die Sparschweine der Nation sind, der irrt sich . Das ver-
deutlichen die Haushaltszahlen, die gerade mehrfach eu-
phorisch präsentiert wurden .

Marcus Weinberg (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


Es gibt noch einen Punkt, der wichtig ist: In dieser
über 90-minütigen Debatte sprechen wir darüber, wie wir
das Geld verteilt haben . All die Mittel, die wir für unsere
familienpolitischen Maßnahmen verteilen, müssen ande-
re erwirtschaften . Um gute Familienpolitik machen zu
können, ist es dringend notwendig, dass es unserem Mit-
telstand, unseren Unternehmen und unserer Wirtschaft
gut geht .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Deswegen ist die Kombination von Erwerbstätigkeit und
Familienzeit zentral . Wir sagen: Gemeinsam mit den
Mittelständlern und den Handwerkern schaffen wir das .
Gute Arbeitnehmer sind glücklich zu Hause und glück-
lich im Job . – Ich glaube, das dürfen wir niemals außer
Acht lassen .

Die zentralen Bausteine der Familienpolitik wurden
bereits angesprochen, auch das Elterngeld . Das ist ein
Erfolgsmodell, das nachhaltig wirkt . Wir haben an eini-
gen Stellschrauben gedreht, die Weichen etwas anders
gestellt und dieses Erfolgsmodell weiterentwickelt . Im
ersten Quartal 2015 haben fast 950 000 Eltern das Eltern-
geld in Anspruch genommen . – Eckhardt Rehberg guckt
da ganz bedröppelt, weil er weiß, dass das fast 6 Milliar-
den Euro kostet . Wir wissen, dass das schwer erkämpftes
Geld ist . Es ist aber gut angelegt . Wir stehen zu unserem
Versprechen: Es wird keine Absenkung beim Elterngeld
geben . Das sei ausdrücklich noch einmal versichert .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ein weiteres Erfolgsmodell ist der Ausbau der Kinder-
tagesbetreuung . An dieser Stelle komme ich noch einmal
auf die Kommunen und die Länder zu sprechen . Ja, wir
haben uns darauf verständigt, die Kommunen zu entlas-
ten, weil es sich um eine nationale Aufgabe handelt . Da-
mit erreichen wir drei Dinge, zum einen die berühmte
Vereinbarkeit von Familie und Beruf, zum anderen die
Möglichkeit, frühzeitig Bildungsimplikationen zu gestal-
ten – frühe Bildung ist wichtig; jeder Euro, den ich bei
einem Zweijährigen investiere, erspart später viele Euro
bei den älteren Kindern; wir reparieren ohnehin zu viel
in Deutschland; wir müssen mehr investieren; das ist
also unter bildungspolitischen Gesichtspunkten richtig
investiertes Geld –, und zum Dritten sorgen wir damit
für Gerechtigkeit; denn insbesondere die Alleinerziehen-
den profitieren vom Ausbau der Kindertagesbetreuung.
Insoweit ist das eine gute und richtige Maßnahme . Wir
entlasten die Länder und Kommunen dabei tatsächlich
mit 945 Millionen Euro . Das ist viel Geld, das muss in
dieser Debatte immer wieder betont werden . Das ist fast
1 Milliarde Euro .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Aber wir sehen auch die Erfolge: Die Betreuungsquo-
te liegt mittlerweile bei 32 Prozent; 660 000 Kinder unter
drei Jahren werden betreut, das ist mehr als doppelt so
viel wie im Jahr 2008 . Es ist wichtig, dass es dadurch
nicht zu Einschränkungen beim Betreuungsschlüssel, der
für die Qualität maßgeblich ist, kommt . Wir haben immer
gesagt: Wir wollen nicht, dass Kinder betreut werden;
wir wollen, dass Kinder gut betreut werden, denn nichts
ist schlimmer für ein Kind und eine Familie, als wenn die

Betreuung nicht funktioniert. Bei Defiziten hinsichtlich
der Qualität müsste man sagen: Das ist kein Erfolgsmo-
dell . Die Zufriedenheit der Eltern bestätigt aber diesen
Ansatz . Die Zufriedenheit der Eltern wurde in einer ak-
tuellen Studie noch einmal überprüft . Die Eltern haben
gesagt: Wir sind mit der Betreuung zufrieden .

Es ist auch richtig, zu fragen: Wo können wir noch
etwas verändern? Die vorgesehenen 100 Millionen Euro
für Angebote zu besonderen Zeiten – nachts oder am
Wochenende –, als Ausnahme, sind gut und wichtig . Wir
werden aber darauf achten, dass wir kein System bekom-
men, in dem Kinder möglicherweise zu intensiv betreut
werden . Wir wollen das als besonderes Angebot gestal-
ten . Wir wollen eine Ausnahmesituation gestalten . Dafür
ist dieses Angebot richtig . Genauso richtig sind übrigens
die Angebote, die im Rahmen des Programms „Sprach-
Kitas“ weiterhin bestehen, weil uns das Thema Inte-
gration wichtig ist . Hierfür werden wir weiterhin Gelder
einsetzen .

Denken wir an das Dreieck aus Geld, Infrastruktur
und Zeit . Über das Kindergeld, die Kinderfreibeträge
und den Entlastungsbetrag für Alleinerziehende, der nach
zehn Jahren endlich um 600 Euro erhöht wurde – das war
dringend notwendig, und wir haben das gemacht –, wur-
de schon viel gesagt . Wir haben auch das Kindergeld und
den Kinderzuschlag erhöht . Damit schaffen wir es, mehr
und mehr Familien aus dem Hartz-IV-Bezug zu holen .
Wir geben ihnen damit die Möglichkeit, ihr Leben zu ge-
stalten .

Ich möchte zwei, drei Besonderheiten dieses Haus-
halts ansprechen . Gelegentlich sind es die Kleinigkeiten,
die wichtig sind . Ich danke dem Alois ganz herzlich für
die große Unterstützung in dieser Frage . Uns als Union
waren einige Dinge besonders wichtig .

Stichwort: schutzbedürftige Gruppen . Wir als Staat
haben die Aufgabe, diese Gruppen, die es nicht alleine
können, zu schützen . Denn sie haben nichts anderes als
uns . Einige Erfolge haben wir jetzt auch im Haushalt um-
setzen können . Ich will nur zwei, drei Dinge ansprechen .

Das eine ist eine Kinderschutzhotline, die jetzt einge-
richtet werden soll .


(Michaela Noll [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Das ist keine große Geschichte, aber hier besteht die
Möglichkeit, dass wir Medizinern die Chance bieten,
wenn zum Beispiel am Wochenende Eltern mit Kindern
in die Notfallambulanz kommen, bei denen man nicht
genau weiß, was da passiert ist, Unterstützung und Be-
ratung zu bekommen . Wir haben im Jahr 40 000 Inob-
hutnahmen . Wir haben über 120 000 Gefährdungssitu-
ationen von Kindern und Jugendlichen . Bei jedem Kind
muss geschaut werden, was dort passiert und wie wir ein-
greifen können . Deswegen ist es gut und richtig, dass wir
diese Kinderschutzhotline jetzt implementieren .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Weiter werden wir Frauen und Flüchtlingsfrauen, die
vergewaltigt wurden, die auf der Flucht viel Leid erlebt
haben, jetzt mit einem Beratungsangebot unterstützen .

Marcus Weinberg (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


Bereits angesprochen wurde – das finde ich absolut
wichtig – die finanzielle Ausgestaltung der Kommission
zur Aufarbeitung des Kindesmissbrauchs .

Ehrenamt ist Teil dieser Gesellschaft . Wir erleben ge-
rade etwas Faszinierendes; das wurde von der Kollegin
Gottschalck bereits angesprochen . Ehrenamt ist eine ge-
wisse Zeit auch für sich tragend, aber irgendwann muss
es Strukturen geben, irgendwann muss es eine Organisa-
tion geben . Die 10 000 neuen Stellen sind wichtig . Jetzt
wird es darauf ankommen, dass wir uns das Verfahren
genau anschauen . Das, was diese Menschen in unserem
Land momentan hinsichtlich der Flüchtlingswelle leis-
ten, ist hervorragend, aber es muss jetzt auch gestärkt
und längerfristig aufgebaut werden .

Zusammenfassend kann man sagen: Dieser Haushalt
bildet tatsächlich das ab, was uns trägt . Wir schaffen ein
bisschen mehr Freiheit und Entscheidungsfreiheit für die
Familien, und wir generieren Freiräume . Auf der anderen
Seite schützen wir die Schwachen . Das, was diese Ge-
sellschaft auszeichnet, das Ehrenamtliche, das Engage-
ment der bürgerlichen Gesellschaft – weg von Politik –,
werden wir weiter stärken . Das ist in diesem Haushalt
wieder einmal gelungen .

Insoweit kann ich mir gut vorstellen, dass die Opposi-
tion diesen Haushalt zumindest nicht ablehnt . Das wäre
auch ein Zeichen von Anerkennung . Im Übrigen darf ich
diese Anerkennung mit Blick auf die Opposition gerne
zurückgeben. Ich finde unsere Haushaltsdebatten inhalt-
lich wirklich gut . Ich danke an dieser Stelle der Opposi-
tion auch für sachliche Kritik . Das hat man nicht überall
so . Herzlichen Dank dafür und herzlichen Dank für die-
sen tollen Entwurf!


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814012200

Der Kollege Sönke Rix spricht als Nächster für die

SPD .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Sönke Rix (SPD):
Rede ID: ID1814012300

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine Damen und Herren! Zunächst einmal möchte ich
mich dem Dank anschließen . Wir haben schon hitzigere
Debatten zur Familien- und Gleichstellungspolitik ge-
führt .


(Zuruf von der LINKEN: Nächstes Mal!)


Der Kollege Wunderlich hat sich Mühe gegeben, das hier
ein bisschen streitbarer zu machen .


(Paul Lehrieder [CDU/CSU]: Auf Krawall gebürstet!)


Aber ich sage an dieser Stelle auch: Ich glaube, es ist
angesichts der Herausforderung, die wir im Moment ha-
ben, sinnvoll, an der einen oder anderen Stelle gemein-
sam Dinge zu unterstützen . Deshalb geht mein Dank
auch an Sie . Sie haben heute in Ihrer Rede als Haushälter
der Linksfraktion deutlich gemacht, wie wichtig es ist,

gemeinsam dafür einzustehen, zusätzliche Mittel zur Ex-
tremismusbekämpfung, zur Förderung von Demokratie
und Toleranz zur Verfügung zu stellen . Ich will an dieser
Stelle darauf hinweisen, dass es sowieso einen gemeinsa-
men Beschluss dieses Hauses gibt, die Mittel zu versteti-
gen bzw . die Mittel zu erhöhen . Ich bin den Haushältern
dankbar, dass sie das hier in großem Einvernehmen ge-
schafft haben .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie des Abg . Michael Leutert [DIE LINKE])


In diesen Tagen hat der zweite NSU-Untersuchungs-
ausschuss seine Arbeit aufgenommen . Ein Bestandteil
dessen, was wir im ersten Bericht aufgeschrieben haben,
war die Stärkung der Zivilgesellschaft . Ich glaube, mit
den zusätzlichen Mitteln in diesem Bereich kommen wir
der Aufgabe nach, die wir uns durch diesen Bericht sel-
ber gestellt haben .

Ich möchte darauf aufmerksam machen, dass man in
der Haushaltsdebatte, wenn sie in der Mitte der Wahlpe-
riode stattfindet, auch ein bisschen Bilanz ziehen kann.
Ich finde, die Bilanz für die ersten beiden Jahre kann sich
sehen lassen. Mit dem Elterngeld Plus, mit der Pflegezeit,
mit einer Erhöhung der Mittel für Kitas usw . haben wir
viel erreicht . Wir haben die Quote eingeführt, auch wenn
es dazu an der einen oder anderen Stelle hitzige Debat-
ten – zum Teil auch mit unserem Koalitionspartner – gab .

Ich will an dieser Stelle auch darauf aufmerksam ma-
chen, dass wir im Bereich Gleichstellungspolitik noch
einen großen Batzen vor uns haben, den wir im Koaliti-
onsvertrag vereinbart haben . Herr Kauder hat gestern in
der Generaldebatte noch einmal deutlich gemacht, dass
das, was im Koalitionsvertrag steht, auf jeden Fall um-
gesetzt wird .

Wir haben mit dem Lohngerechtigkeitsgesetz, dem Ent-
geltgleichheitsgesetz, noch einen großen Batzen vor uns .
Wir sind dafür, dass auch hier genau das umgesetzt wird,
und zwar mit Punkt und Komma, was im Koalitionsver-
trag steht,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Heinz Wiese [Ehingen] [CDU/CSU]: Aber nicht darüber hinaus!)


natürlich – das hat der Fraktionsvorsitzende der Union
auch gesagt – nicht darüber hinaus .

Aber er hat heute auch gesagt, wir dürfen die Wirt-
schaft, auch wenn es ihr gut geht, nicht zu sehr testen .
Ich glaube, er hatte dabei auch dieses Gesetz ein bisschen
im Hinterkopf . Ich appelliere aber an Sie, es genau um-
gekehrt zu sehen: Je besser die Frauen bezahlt werden,
umso besser ist das auch für die Wirtschaft . Deshalb wäre
es gut und vernünftig, zu sagen: Dieses Gesetz wird eins
zu eins, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, umgesetzt,
liebe Kolleginnen und Kollegen .


(Beifall bei der SPD)


Man wächst mit seinen Aufgaben . Ich glaube, das wird
auch deutlich, wenn man den Regierungsentwurf mit dem
Haushalt vergleicht und sich die Veränderungen vor Au-
gen hält . Es gibt nicht nur zusätzliche Mittel für Demo-
kratie, sondern auch für bürgerschaftliches Engagement .

Marcus Weinberg (Hamburg)







(A) (C)



(B) (D)


Auch hier betonen wir: Diese zusätzlichen Mittel für bür-
gerschaftliches Engagement wurden nicht nur aufgrund
der aktuellen Flüchtlingssituation bereitgestellt, sondern
es gibt auch zusätzliche Mittel im Hinblick auf den Zu-
sammenhalt der Gesellschaft insgesamt . Es sind kleine,
aber wichtige Beträge, die den Wohlfahrtsverbänden und
den Jugendverbänden zugutekommen .

Übrigens weiß ich nicht, wie Sie auf eine Kürzung
kommen, Kollege Wunderlich . Für die Jugendverbände
haben wir nämlich zusätzliches Geld bereitgestellt . Denn
wir wissen: Der Zusammenhalt der Gesellschaft ist nicht
nur dann, wenn die Flüchtlingssituation so ist, wie sie
derzeit ist, notwendig, sondern auch in anderen Zeiten .
Deshalb ist es gut, dass wir diesen beiden großen Ver-
bandsgruppen zusätzliche Mittel zur Verfügung stellen .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Auch die zusätzlichen Mittel, die wir fürs Ehrenamt
zur Verfügung stellen, machen einen ganzen Batzen aus;
hier haben wir natürlich insbesondere die Flüchtlinge im
Blick . Darüber hinaus stellen wir zusätzliche Mittel für
die Bufdis bereit . Das ist Geld, das wir angesichts der
zusätzlichen Aufgaben, die wir haben, gut investieren .

Außerdem haben wir zusätzliches Geld – wenn auch
nicht viel; aber damit machen wir deutlich, wie wichtig
sie uns sind – für die Mehrgenerationenhäuser in die
Hand genommen . Auch das ist ein wichtiger Beitrag
zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft . Sie sehen also:
Nicht nur aufgrund der Flüchtlingssituation wurde mehr
Geld in unseren Haushalt gespült, sondern auch, weil es
uns um die Frage des Zusammenhalts der Gesellschaft
insgesamt geht .

Ich bezeichne das Ministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend immer ganz gerne als Gesellschafts-
ministerium . Wenn man den Haushalt so betrachtet, dann
haben wir einen großen Schritt in Richtung Zusammen-
halt der Gesellschaft getan . Dafür danke ich nicht nur den
Haushältern, sondern dem Parlament insgesamt .

Danke schön .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814012400

Abschließende Rednerin in dieser Aussprache ist die

Kollegin Sylvia Pantel von der CDU/CSU .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Sylvia Pantel (CDU):
Rede ID: ID1814012500

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Star-
ke Familien sind die Garantie für ein starkes Land . Mit
dem Haushalt 2016 für den Arbeitsbereich des Ministeri-
ums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zeigt die
Bundesregierung, wie wichtig starke Familien für dieses
Land sind . In diesen Tagen, die von Terror, Trauer, Not
und Elend geprägt sind, ist das Wohl der Familien in un-
serem Land der tägliche Ansporn für unsere Familien-
politiker . Wir diskutieren und streiten, wir sprechen mit

Fachleuten und arbeiten dafür, dass Familien in diesem
Land eine gute Zukunft haben .

Die Familien sind das Rückgrat unserer Gesell-
schaft . Durch unsere Politik schaffen wir für Familien
in Deutschland die Rahmenbedingungen, die sie benöti-
gen, um zufrieden und gesund in unserem Land zu leben,
ganz nach ihren Vorstellungen . Eigenverantwortung und
Wahlfreiheit gehen Hand in Hand und gehören zusam-
men .

Starke Familien finden wir in klassischen Famili-
enbildern wie auch bei den vielen Alleinerziehenden
in unserem Land, für die diese Regierung umfangrei-
che Unterstützung bereitstellt . Der Haushalt des Bun-
desfamilienministeriums mit seinen über 9 Milliarden
Euro unterstützt sie . Damit stärken wir die Familien in
Deutschland generell .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Starke Familien erziehen starke Kinder . Durch Eltern-
geld, Kindergeld und steuerliche Entlastung schaffen wir
in den Familien den erforderlichen finanziellen Spiel-
raum für Mütter und Väter . Sie bekommen die Gelegen-
heit, in der Zeit nach der Geburt ihres Kindes mehr Zeit
für ihre Familie zu haben .

Starke Familien bieten Schutz: Schutz vor Einsam-
keit und Schutz vor Verwahrlosung . Starke Familien
stärken den Einzelnen in jedem Alter. Die Familienpfle-
gezeit gibt Menschen in unserem Land die Möglichkeit,
sich verstärkt um ihre Angehörigen im Krankheitsfall zu
kümmern . Dadurch können die Betroffenen besser aus-
wählen, ob sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben
oder eben nicht .

Es gibt aber leider auch Fälle, in denen Familien
nicht den nötigen Schutz und Rückhalt bieten können .
Dann bieten wir als Gesellschaft den nötigen Halt und
schaffen Angebote zur Hilfe . Gestern war der Interna-
tionale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen .
Ich selbst habe mich in Köln im Bundesamt für Familie
und zivilgesellschaftliche Aufgaben, dem BAFzA, über
die Arbeit des Hilfetelefons „Gewalt gegen Frauen“ in-
formiert . Dort wird eine beeindruckende Arbeit geleistet,
und durch das rund um die Uhr einfach zu erreichende
Angebot können sich Frauen in Not Hilfe holen, sogar in
15 verschiedenen Sprachen .

Das gleiche Lob gilt übrigens auch für das Hilfetele-
fon „Schwangere in Not“ . Um die telefonischen Hilfsan-
gebote zu erweitern, stellen wir mit dem Haushalt 2016
1,35 Millionen Euro, verteilt auf die kommenden drei
Jahre, zur Verfügung . Eine Kinderschutzhotline soll –
das haben wir eben schon gehört, aber man kann es nicht
oft genug hören – für Ärzte und medizinische Fachkräfte
eingerichtet werden . Bei dieser Hotline bekommen sie
Rat, wenn der Verdacht besteht, dass ihre kleinen Patien-
ten misshandelt oder missbraucht werden .

Eine unserer wichtigsten Aufgaben wird langfristig
bleiben, die verschiedenen Hilfsangebote von Bund,
Ländern und Kommunen zu verzahnen und bekannter zu
machen . Man darf das aber nicht verwechseln – das wur-
de eben gemacht – und glauben, dass wir dann die Zu-

Sönke Rix






(A) (C)



(B) (D)


ständigkeiten oder auch die finanzielle Last des anderen
übernehmen . In der Verzahnung müssen wir allerdings
noch besser werden .

Bei diesem Thema freut es mich sehr, dass auch die
Opposition mit uns an einem Strang zieht . Beim Schutz
der Schwächsten arbeiten wir alle zusammen und denken
nicht an Parteigrenzen, sondern an den möglichst effekti-
ven Schutz von Kindern als mögliche Opfer .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Da, wo Familien nicht stark genug sind, stärken wir
sie und helfen ihnen . Starke Familien verbinden die Ge-
nerationen . Die Mehrgenerationenhäuser sind ein Segen
für unsere Gesellschaft . Sie leisten großartige Arbeit und
stärken den Gedanken vom Leben und Lernen über die
Generationsgrenzen hinweg . Im vergangenen Jahr waren
wir noch froh darüber, die Mittel für die Mehrgenerati-
onenhäuser sichern zu können . Durch die zusätzlichen
Mittel im Haushalt 2016 werden wir es sogar ermögli-
chen, zehn weitere Mehrgenerationenhäuser in unserem
Land zu gründen .

Wer Familien stärken will, muss insbesondere auch
die Großfamilie stärken . Wir müssen mehr für kinderrei-
che Familien tun . Eine Familie mit mehr als zwei Kin-
dern muss bezahlbaren Wohnraum finden können. Das
gleiche Problem kennen wir aus unserem Alltag: Eine
Familieneintrittskarte zum Beispiel darf nicht nur für El-
tern mit zwei Kindern gelten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Starke Familien, ganz gleich wie viele Kinder sie haben,
müssen in Deutschland als Bereicherung für unser Land
angesehen werden .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es gilt der schöne Satz: Das Lachen der Kinder ist die
Musik der Zukunft .

Gerade erst am Dienstag hat das Institut der Deut-
schen Wirtschaft in einer Studie wieder gezeigt, dass
unser Land immer kinderfreundlicher wird . Dank der
Politik der unionsgeführten Bundesregierung herrscht
in Deutschland ein Klima, in dem sich Familien wohl-
fühlen . Dass unsere vielfältigen Maßnahmen, um ein
familienfreundliches Klima zu schaffen, wirken, zeigen
die Geburtenzahlen . 2014 wurden 715 000 Kinder in
Deutschland geboren, fast 5 Prozent mehr als im Vorjahr .
Lassen Sie uns Familien noch stärker machen, und freuen
wir uns über diesen Trend .

Starke Familien beugen Extremismus vor . Angriffe
auf unsere freie Gesellschaft kommen nicht nur von au-
ßen. Sie kommen von jungen Menschen, denen häufig
die Grundwerte der Menschlichkeit abhandengekommen
sind . Menschen, die sich extremistischen Ideologien hin-
geben, haben meist nie einen ordentlichen Wertekompass
vermittelt bekommen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier setzen wir an . Über 50 Millionen Euro werden
wir im Haushalt 2016 dafür einsetzen, unsere Demokra-

tie zu schützen . In einer Vielzahl von Programmen be-
kämpfen wir Extremismus und Gewalt . Es ist für unsere
Gesellschaft inakzeptabel, wenn Flüchtlingsunterkünfte
in Brand gesetzt werden . Wir tolerieren es nicht, wenn
Zeitungsredaktionen angegriffen werden . Es ist für un-
sere Gesellschaft aber genauso inakzeptabel, wenn eine
AfD-Politikerin im Internet für vogelfrei erklärt und da-
nach ihr Auto in Brand gesetzt wird oder wenn Bundes-
wehrgegner nachts die Radmuttern von Militärfahrzeu-
gen lösen .

Es gibt keinen politisch gerechtfertigten Extremismus .
In unserer Gesellschaft wird politisch mit Worten gestrit-
ten, nicht mit Gewalt . Es darf weder Gewalt gegen Men-
schen noch Zerstörung fremden Eigentums geben . Darin
müssen sich alle Demokraten einig sein .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Mit dem Haushalt 2016 stellen wir weitreichende
Mittel für die Integration von Flüchtlingen bereit . Ganz
gleich, wie sich in den kommenden Wochen die politi-
schen Debatten über Aufnahmestopp und Kontingente
entwickeln werden: Zu Weihnachten dieses Jahres wer-
den mindestens 1 Million Menschen Zuflucht in Deutsch-
land gesucht haben . Diese Menschen sind hier . Sie stehen
vor uns und bitten um Hilfe . Es sind viele junge Männer,
aber auch viele Frauen, Alte und Kinder dabei .

Neben den zahlreichen staatlichen Leistungen wird
die Hilfe in unserem Land maßgeblich von Ehrenamtli-
chen geleistet . Die Zivilgesellschaft zeigt jeden Tag, wie
großzügig und hilfsbereit unsere Bevölkerung und wie
stark unser Zusammenhalt ist . Dafür möchte ich herzlich
Danke sagen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Zusätzlich zu den anderen Hilfsgeldern und Sofort-
maßnahmen stellen wir über 6 Millionen Euro für die
Wohlfahrtsverbände zur Verfügung, um Berater und
Experten auszubilden . Mit zusätzlichen 48 Millionen
Euro werden 10 000 Stellen im Bundesfreiwilligendienst
finanziert. Die Jugendmigrationsdienste bekommen
8 Millionen Euro zusätzlich . Und wir investieren weitere
15 Millionen Euro, um gut ausgebildeten Flüchtlingen
schnell und gut die deutsche Sprache beizubringen . Sie
sollen sich in den Arbeitsmarkt integrieren oder ihr Stu-
dium abschließen können .

Wir werden aber auch eine Antisalafismuskoordinie-
rungsstelle einrichten, um gegen religiösen Extremismus
im Land vorzugehen . Starke Familien in Deutschland
können auch hier Vorbild sein . In starken Familien sind
Männer und Frauen gleichberechtigt . In diesen Familien
bekommen die Kinder eine gute Ausbildung, und Extre-
mismus hat in ihnen keinen Platz hat .

Keinen Platz – erlauben Sie mir diese Bemerkung am
Rande – sehe ich in Deutschland übrigens auch für die
Vollverschleierung . Ein Niqab oder eine Burka sind kei-
ne Zeichen gelebter Religionsfreiheit, sie sind ein Zei-
chen von Unterdrückung und Unfreiheit .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Sylvia Pantel






(A) (C)



(B) (D)


Das hohe Gut der Religionsfreiheit darf nicht ausgenutzt
werden, um Integration zu hemmen und Parallelgesell-
schaften zu zementieren .

Lassen Sie mich zum Abschluss meiner Rede noch auf
einen Haushaltstitel kommen, den ich besonders erwäh-
nen möchte . Wir investieren erstmalig 3 Millionen Euro
in das Deutsch-Griechische Jugendwerk . Durch die Fi-
nanzkrise hat das gegenseitige Verständnis unserer einst
so eng verbundenen Länder gelitten . Ganz besonders die
griechische Jugend ist von der schlechten Situation ihres
Landes betroffen . Daher wollen wir dieses Jugendwerk
einrichten und nach dem Vorbild des Deutsch-Französi-
schen oder des Deutsch-Polnischen Jugendwerkes arbei-
ten, die herausragende Arbeit für die Freundschaft zwi-
schen unseren Völkern leisten . Das ist eine Investition in
eine starke europäische Völkerfamilie .

Unsere Wirtschaft ist stark . Ich bin froh, dass wir trotz
der gestiegenen Ausgaben in allen Ressorts einen aus-
geglichenen Haushalt vorlegen können und keine neuen
Schulden machen . Haushaltsdisziplin ist eine familiäre
Pflicht, die wir gegenüber unseren Kindern und Enkeln
einzuhalten haben .

Frau Walter-Rosenheimer, weil Sie vorhin Bayern an-
gesprochen haben: Wenn alle anderen Bundesländer so
gute Ergebnisse bei der Bildung, der inneren Sicherheit
und im Umgang mit Flüchtlingen hätten, dann wäre ich
sehr zufrieden . Insofern bin ich froh, dass wir ein solches
Beispiel haben .

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Johannes Singhammer (CSU):
Rede ID: ID1814012600

Damit schließe ich die Aussprache .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 17 – Bundesministerium für Familie, Senioren,
Frauen und Jugend – in der Ausschussfassung . Wer dafür
stimmt, den bitte ich um ein Handzeichen . – Wer stimmt
dagegen? – Wer enthält sich? – Der Einzelplan 17 ist da-
mit mit den Stimmen von CDU/CSU und SPD gegen die
Stimmen von den Fraktionen Die Linke und Bündnis 90/
Die Grünen angenommen .

Die Fraktionen von CDU/CSU, SPD und Bündnis 90/
Die Grünen haben gebeten, jetzt die Sitzung für etwa
eine Stunde wegen Fraktionssitzungen zu unterbrechen .
Der Wiederbeginn der Sitzung wird also gegen 18 Uhr
sein und rechtzeitig durch Klingelsignal angekündigt .

Ich unterbreche damit die Sitzung .


(Unterbrechung von 17 .00 bis 18 .17 Uhr)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814012700

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie

recht herzlich und wünsche Ihnen einen schönen Abend
in diesen nicht ganz einfachen Zeiten . Ich begrüße auch
die Gäste auf der Tribüne .

Ich hoffe, dass die Rednerinnen und Redner auf der
Redeliste, die jetzt noch nicht im Saal sind, noch recht-
zeitig kommen werden .

Ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und rufe
den Tagesordnungspunkt I .17 auf:

Einzelplan 10

Bundesministerium für Ernährung und Land-
wirtschaft

Drucksachen 18/6110, 18/6124

Jetzt muss ich auf die Bitte einer Fraktion im Deut-
schen Bundestag noch einmal unterbrechen . Die SPD
bittet um eine weitere Unterbrechung, weil sie noch ein
bisschen braucht . – Könnte man ein bisschen präzisieren,
was „ein bisschen“ heißt? – Also: Um 18 .25 Uhr geht es
weiter . Dann lese ich aber nicht alles noch einmal vor,
sondern wir fangen dann gleich an . Der erste Redner der
SPD kommt als vierter Redner dran . Ich glaube, dann
kommt er immer noch rechtzeitig . Um Punkt 18 .25 Uhr
geht es weiter . Entschuldigen Sie bitte, dass wir jetzt
noch einmal fünf Minuten unterbrechen .


(Unterbrechung von 18 .18 bis 18 .25 Uhr)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814012800

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die unterbrochene

Sitzung ist wieder eröffnet .

Entschuldigen Sie bitte die zweimalige Unterbre-
chung .

Den Tagesordnungspunkt I .17 – Einzelplan 10 – Bun-
desministerium für Ernährung und Landwirtschaft – habe
ich bereits aufgerufen .

Die Berichterstattung erfolgt durch die Abgeordne-
ten Cajus Caesar, Ulrich Freese, Heidrun Bluhm und
Sven-Christian Kindler .

Zum Einzelplan 10 liegt ein Änderungsantrag der
Fraktion Die Linke vor .

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für
die Aussprache 96 Minuten vorgesehen . – Ich höre kei-
nen Widerspruch . Dann ist das so beschlossen .

Es wäre schön, wenn Sie sich an Ihre Redezeiten hal-
ten würden, sodass wir es schaffen, im vorgegebenen
Rahmen von 96 Minuten zu bleiben .

Heidrun Bluhm hat als Erste für die Linke das Wort .
Sie eröffnet unsere Debatte . – Frau Bluhm, Sie haben das
Wort .


(Beifall bei der LINKEN)



Heidrun Bluhm (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814012900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und

Kollegen! Herr Minister! Ich bin jetzt die Erste, die im
Plenum spricht, nachdem soeben alle Abgeordneten des
Deutschen Bundestages von der Regierung darüber in-
formiert worden sind, dass sich Europa und damit auch
Deutschland auf einen militärischen Angriff auf die Ge-
biete des „Islamischen Staates“ vorbereitet . Ich will sa-
gen: Es fällt mir deshalb extrem schwer, jetzt einfach zur
Tagesordnung überzugehen und mich darauf zu konzent-
rieren; ich will es aber trotzdem versuchen .

Sylvia Pantel






(A) (C)



(B) (D)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, 90 Prozent der Flä-
che in der Bundesrepublik sind ländlicher Raum . Jede
zweite Bürgerin und jeder zweite Bürger wohnt im länd-
lichen Raum . Er ist damit keine Peripherie, kein Rand-
bereich und auch kein Teil Deutschlands, der lediglich
als Standort der Agrar-, Forst- und Energiewirtschaft ver-
standen werden darf .


(Beifall bei der LINKEN)


Nein, der ländliche Raum ist Lebensraum; der ländliche
Raum ist Deutschland . Das ist der Hintergrund, vor dem
wir den Einzelplan 10 zu besprechen haben .

Die Lebensrealität und die Lebensqualität der Hälfte
der Bevölkerung Deutschlands hängen von der Politik
ab, die wir für den ländlichen Raum machen oder viel-
mehr machen könnten . Bisher haben wir aber entweder
die Entwicklung im Zusammenhang mit dem demogra-
fischen Wandel eher sich selbst überlassen oder sind der
hohen Bedeutung, auch mit Verantwortung verbunden,
viel zu wenig gerecht geworden .

Hier geht es darum, dass wir über die Rahmenbedin-
gungen für die Menschen reden, die unsere Naturland-
schaft pflegen, die die Ernährung aller in Deutschland si-
chern, die mittlerweile weite Teile der Verbraucher auch
mit Energie versorgen; in meinem Bundesland Mecklen-
burg-Vorpommern ist das jedenfalls so .

Das ist der Maßstab, an dem wir den Haushalt des
Landwirtschaftsministeriums für 2016 messen müssen .
Herr Minister, da muss ich Ihnen leider sagen: Diesem
Anspruch werden wir mit einem Gesamtetat von knapp
5,6 Milliarden Euro nicht gerecht werden können .


(Beifall bei der LINKEN)


Klar, auch wir begrüßen den Aufwuchs um knapp
250 Millionen Euro im Vergleich zu 2015 . Das ist eine
Steigerung um insgesamt 4,65 Prozent . Aber gemessen
an der Gesamtsumme, die der Bund 2016 ausgeben wird,
sind das nur 1,77 Prozent .

Wie sieht das Leben auf dem Land heute konkret aus?
Fährt der Bus die 80-jährige Dame noch zum nächsten
Ärztehaus, oder unterlässt sie den Arztbesuch eventuell,
weil ihr der Weg zu schwer und kein Landarzt mehr in
der Nähe ist? Sind öffentliche und lebensnotwendige
Versorgungseinrichtungen überhaupt noch in der Fläche
präsent und erreichbar? Hängen wir Teile Deutschlands
digital nicht ab? Können Jugendliche Bildung und Teil-
habe in gleicher Weise wie in großen Städten erfahren?
Ist Daseinsvorsorge heute noch jedem zugänglich? Oder
sind es nur noch ökonomische Kennwerte, die die Bun-
desregierung bei ihrer Strukturpolitik interessieren, wie
es sich beispielsweise beim neuen Krankenhausstruktur-
gesetz oder auch beim Breitbandausbau beweisen lässt?
Öffentliche Dienstleistung nur dort, wo sie sich rechnet
oder private Gewinne generiert? Dieses Politikverständ-
nis lehnen wir entschieden ab .


(Beifall bei der LINKEN)


Aber genau das ist der Trend, der sich seit vielen Jahren
vollzieht .

Die Linke fordert einen starken Staat . Wenn es um die
Grundbedürfnisse der Menschen geht, dürfen Rendite
und wirtschaftliche Effizienz nicht im Fokus stehen. Auf-
gabe von Politik ist es, das zu sichern, was die Menschen
brauchen, auch wenn es sich vielleicht nicht rechnet .


(Beifall bei der LINKEN)


Nur die Starken können sich einen schwachen Staat leis-
ten . Deshalb brauchen wir eine Gemeinschaftsaufgabe
für die Entwicklung der ländlichen Räume; und weil es
heute um den Haushalt geht, fordere ich das auch finan-
ziell .


(Beifall bei der LINKEN)


Ich weiß, Herr Schmidt, Ihnen sind die Probleme be-
kannt . Sie erkennen die Potenziale des ländlichen Rau-
mes . Sie erkennen auch die Investitionsbedarfe, die bei
Infrastrukturmaßnahmen, der Dorf- und Regionalent-
wicklung bestehen . Das werden Sie vielleicht auch in
Ihrer Rede gleich noch einmal zum Ausdruck bringen .
Aber was nützt es, wenn Ihre Rede in keiner Weise mit
den Zahlen im Haushalt in Übereinstimmung zu bringen
ist?

Und hier hatte ich eigentlich große Hoffnung . Über
Parteigrenzen hinweg wurde die Forderung von 200 Mil-
lionen Euro mehr für die Gemeinschaftsaufgabe „Ver-
besserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“
unterstützt, in der die Mittel für die ländliche Raument-
wicklung abgebildet sind – Herr Seehofer vorweg, die
SPD sogar mit Vorstellungen im Bereich von 500 Milli-
onen Euro . Dass Sie da also etwas machen mussten, war
Ihnen klar, und Sie standen in dieser Frage auch unter
Druck . Aber was ist rausgekommen? Um ganze 5 Pro-
zent erhöhen Sie die Mittel für die Gemeinschaftsauf-
gabe . 30 Millionen Euro sind übrig geblieben von den
gewünschten 200 Millionen Euro, die selbst Ihre eigene
Partei, der Bauernverband, die Bundesländer und auch
wir Linke gefordert haben .

Eine wirkliche Reform der Gemeinschaftsaufgabe
hatten Sie in Aussicht gestellt; sie sollte zu einer Gemein-
schaftsaufgabe „Ländliche Entwicklung“ werden . Übrig
geblieben ist etwas, was man nicht mal mehr Reförmchen
nennen könnte . Nahversorgung, die Förderung landwirt-
schaftsferner KMU, die Umnutzung von Gebäudebestän-
den – ja, diese Maßnahmen sind richtig und überfällig,
und auch die leichte Mittelaufstockung begrüßen wir na-
türlich . Aber ich bin mir ganz sicher, Herr Minister: Auch
Sie können mit diesem Ergebnis nicht zufrieden sein .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Doch Sie vertreten hier die Regierung, und deshalb ma-
che ich bei Ihnen auch die Defizite dieser Politik fest.

Die Linke sagt: Wir dürfen vor allem strukturschwa-
chen Kommunen die Zukunft nicht verbauen . Sie brau-
chen dringend Unterstützung bei der Bewältigung des
Strukturwandels .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Heidrun Bluhm






(A) (C)



(B) (D)


Hier kommt nicht nur nicht viel voran . Hier unterlassen
wir sehenden Auges Investitionen in die Zukunftsfä-
higkeit der ländlichen Räume . Und wenn das in Ihrem
eigenen Haushalt nicht eingestellt werden konnte, dann
würde ich Sie bitten, Herr Minister: Treten Sie vielleicht
Herrn Dobrindt ein bisschen in die Rippen, dass er dann
wenigstens die notwendigen Mittel für den Breitband-
ausbau auch im ländlichen Raum zur Verfügung stellt .


(Beifall bei der LINKEN)


Die kommunale Finanznot steht der Strukturförderung
aber als grundlegendes Problem entgegen . Wenn Kom-
munen nicht mehr in der Lage sind, das tägliche Leben
der Menschen auf dem Lande attraktiv zu machen, dann
werden auch sie bei nächster Gelegenheit wahrscheinlich
in Ballungsräume abwandern . Dann bauen wir dort, in
den Ballungsräumen, noch mehr Wohnungen auf immer
weniger Lebensraum und vernichten damit unsere histo-
rischen ländlichen Lebensräume und nicht zuletzt auch
gesellschaftliches und privates Eigentum . Herr Minister,
das wollen Sie nicht . Die Kolleginnen und Kollegen der
Koalition wollen das hoffentlich auch nicht, und die Op-
position will das sowieso nicht .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Für 2016 ist die Chance vertan, Daseinsvorsorge, Mo-
bilität und Teilhabe in den ländlichen Räumen langfristig
zu sichern, vor allem in schrumpfenden Regionen . Ich
sage es heute am Ende noch einmal: Wir brauchen eine
ressortübergreifende Gesamtstrategie für die ländlichen
Räume .


(Beifall bei der LINKEN sowie des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Und wenn die Regierung das nicht kann, dann sind wir
gern in Zukunft bereit, dazu etwas aufzuschreiben .

Danke schön .


(Beifall bei der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013000

Vielen Dank, Frau Kollegin Bluhm . – Noch einmal die

Bitte, sich an die Redezeit zu halten, sonst – darauf haben
wir uns jetzt gerade verständigt – werden wir das einfach
Ihren Kolleginnen und Kollegen abziehen müssen .

Nächster Redner in der Debatte: Cajus Caesar für die
CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Dr . Wilhelm Priesmeier [SPD])



Cajus Julius Caesar (CDU):
Rede ID: ID1814013100

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Landwirtschaft, Forstwirtschaft, Fischereiwirtschaft, Er-
nährungswirtschaft nehmen eine Schlüsselrolle in unse-
rer Gesellschaft, in unserer Wirtschaft ein . Deshalb wol-
len wir als Union in diesem Bereich auch Akzente setzen;
denn wir wollen der Bedeutung dieses Bereiches gerecht
werden . Ich denke, mit diesem Haushalt setzen wir diese
Akzente und sind an der Seite der Bäuerinnen und Bau-

ern, der Forstwirte und all derjenigen, die in diesem Be-
reich aktiv sind .


(Josef Göppel [CDU/CSU]: Und der Fischer!)


Mein Dank gilt dem Minister, dem Ministerium . Mit
dem Entwurf sind schon richtige Gewichtungen vorge-
nommen worden . Ich glaube, dass wir mit Stolz darauf
verweisen können, dass das, was wir in der Vergangen-
heit beschlossen haben, mit Dynamik umgesetzt wor-
den ist . Deshalb danke ich unserem Minister Christian
Schmidt im Namen unserer Fraktion ausdrücklich .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mein Dank gilt auch dem Haushaltsreferat: Albert Wulff –
ihn habe ich eben gesehen –, Dr . Ulrich Kuhlmann – er
kann heute nicht hier sein – und Bernd-Udo Hahn, mit
denen wir stets zusammengearbeitet haben . Es war eine
Freude . Wir haben die Informationen schnell, ausführlich
und detailliert bekommen . Es war eine sehr gute Zusam-
menarbeit . Das gilt auch für meine Mitberichterstatter
Ulrich Freese, Sven-Christian Kindler – er ist aus famili-
ären Gründen heute nicht hier; aber auch ihm Dank – und
selbstverständlich auch Heidi Bluhm, die ja Nachfolgerin
von Roland Claus ist . Danke für die Zusammenarbeit!

Wir legen einen Gesamthaushalt vor, der null Neuver-
schuldung vorsieht, und setzen trotzdem sehr wesentli-
che Akzente: 140,8 Millionen Euro mehr für gesunde Er-
nährung, für Forschung, für Projekte, für Wertschöpfung
im ländlichen Raum – das ist schon etwas besonders –,
108 Millionen Euro mehr für den ländlichen Raum, für
die Sozialversicherungen und noch einmal 100 Millio-
nen Euro obendrauf für den vorbeugenden Hochwasser-
schutz . Das sind 350 Millionen Euro Zukunftsinvestitio-
nen der Union .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich möchte an dieser Stelle ausdrücklich dem Vorsit-
zenden der Arbeitsgruppe Haushalt, Eckhardt Rehberg,
danken . Es ist nicht selbstverständlich, dass er uns in
dieser Form vorangebracht und so unterstützt hat . Lieber
Eckhardt, herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir als Union setzen mit diesem Haushalt die rich-
tigen Rahmenbedingungen . Wir wollen diese Branche
weiterhin zukunftsfest machen, Schwerpunkte setzen
und das Geld an der richtigen Stelle einsetzen . Schwer-
punkte sind zum einen die nachwachsenden Rohstoffe,
für die 61 Millionen Euro vorgesehen sind . Hier darf ich
sagen: Andreas Schütte an der Spitze der FNR leistet her-
vorragende Arbeit . Aber Alois Gerig, der hier unter uns
ist, ist derjenige, der in der FNR die Projekte wesentlich
voranbringt . Lieber Alois Gerig, herzlichen Dank! Hier
wird hervorragende Arbeit geleistet .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Liebe Freunde, auch für den Waldklimafonds haben
wir die Mittel von 14,35 Millionen Euro auf 17,61 Milli-
onen Euro in 2016 und auf 19,54 Millionen Euro in 2017
erhöht . Hier geht es um Klimaschutz, hier geht es um
klimaresistente Baumarten, hier geht es um Forschung,

Heidrun Bluhm






(A) (C)



(B) (D)


hier geht es um Kohlenstoffspeicherung und CO2-Redu-
zierung . Ich denke, dass ist ein richtiger Weg . Gleichfalls
setzen wir Akzente im Bereich Bauen mit Holz . Holz ist
beim Bauen ein Stoff, der eine hervorragende Ökobilanz
hat, weil dadurch 80 Prozent weniger Energie verbraucht
werden . Also: Mit Holz ist viel möglich; das ist umwelt-
freundlich und natürlich auch ressourcenschonend .

Wir wollen insbesondere das Bundeswaldgesetz mög-
lichst schnell auf den Weg bringen und so dafür sorgen,
dass die Kleinstwaldbesitzer nicht im Stich gelassen
werden, sondern vielmehr gestärkt werden . Wir wollen
das Eigentum stärken, und wir wollen auch die forstwirt-
schaftlichen Vereinigungen in ihrer Arbeit stärken .


(Josef Göppel [CDU/CSU]: Sehr gut!)


Hier ist unser Minister auf dem richtigen Weg . Wir sind
davon überzeugt, dass er relativ rasch einen entsprechen-
den Entwurf vorlegen wird, um dieses zu regeln .


(Josef Göppel [CDU/CSU]: Das hoffen wir!)


Dafür danke ich ihm ausdrücklich .


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg . Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir werden des Weiteren zusätzliche Stellen vorse-
hen, um die Waldstrategie 2020 mit Leben zu erfüllen
und im Bereich des Wirtschaftsfaktors Wald einiges tun
zu können; da haben wir ja auch bereits einiges getan .
Auch hier kann man sagen, dass wir auf dem richtigen
Weg sind .

Wir wollen – das haben wir gezeigt – nicht nur Ver-
sprechen machen, sondern sie auch halten . Im Bereich
der Energieeffizienz des Gartenbaus und der Landwirt-
schaft setzen wir 15 Millionen Euro ein . Das sind in den
nächsten drei Jahren insgesamt 65 Millionen Euro . Im
Bereich Energieeffizienz ist Geld gut angelegt. Das wol-
len wir alle . Das ist Klimaschutz . Das bedeutet aber auch
Stärkung der Branchen Gartenbau und Landwirtschaft .
Das ist uns wichtig .

Wir wollen im Bereich der Gemeinschaftsaufgabe
Akzente setzen . Wir haben deshalb die Mittel deutlich
erhöht: um 30 Millionen Euro in diesem Jahr und in den
Folgejahren um 60 Millionen Euro. Das fließt nicht nur
in Modellprojekte; vielmehr wollen wir über solche Pro-
jekte die ländlichen Infrastrukturen insgesamt verbes-
sern . Natürlich ergänzen wir den Verkehrshaushalt – hier
werden mehrere Milliarden für die Breitbandversorgung
auch im ländlichen Bereich bereitgestellt – durch eige-
ne Mittel . Wir sind da auf dem richtigen Weg, und wir
werden auch unsere Versprechen einhalten, nämlich den
ländlichen Raum so auszugestalten, dass er so lebenswert
bleibt, wie er ist . Deshalb wird die Union alles daran-
setzen, erfolgreich solche ländlichen Strukturen aufzu-
bauen, dass sie dazu dienen können, die Menschen im
ländlichen Raum zu begleiten . Auch da sind wir auf dem
richtigen Weg .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg . Willi Brase [SPD])


Die Gemeinschaftsaufgabe umfasst auch den Küsten-
schutz . Ingbert Liebing aus Schleswig-Holstein hat mir

auf beeindruckende Weise vor Ort gezeigt, wie wichtig
der Küstenschutz ist . Wir haben die Mittel für den Hoch-
wasserschutz erhöht, um Deichertüchtigungen vorneh-
men zu können . Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir
haben insbesondere für den vorbeugenden Hochwas-
serschutz etwas getan . Wer die Bilder vom Hochwasser
noch vor Augen hat, der weiß, welches Leid die Leute
erfahren haben . Wir haben schnell und unkompliziert
geholfen und 8 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt .
Aber wir wollen auch vorbeugend präventiven Hochwas-
serschutz betreiben .

Bei den Terminen in den Wahlkreisen konnte ich fest-
stellen, dass es die Befürchtungen gab, dass wir Geld
einstellen könnten, mit dem irgendwelche Programme
finanziert werden, die aber gar nicht effektiv sind. Die-
se Befürchtungen sind unbegründet; denn wir haben
das, was wir als Koalition im Bereich des vorbeugenden
Hochwasserschutzes auf den Weg bringen wollten, auch
umgesetzt . Die 20 Millionen Euro, die im ersten Jahr zur
Verfügung standen, haben wir für effektive Programme
und Investitionen genutzt .

Im nächsten Jahr werden 100 Millionen Euro für den
vorbeugenden Hochwasserschutz zur Verfügung stehen .
In diesem Bereich ist Geld sehr gut angelegt; denn es
kommt – neben der Deichrückverlegung – auch darauf
an, den Landwirten weiterhin die Möglichkeit zu geben,
dort zu wirtschaften und ihr Land zu bestellen . Es ist so
erstmals gelungen, den Landwirten aus Bundesmitteln
20 Prozent des Verkehrswertes betroffener Flächen als
Entschädigung zukommen zu lassen, also Ökologie und
Ökonomie im besten Sinne zu verbinden . Das ist der
richtige Weg; den sollten wir weitergehen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kolle-
ginnen und Kollegen, alle reden vom ländlichen Raum,
vor allem vor Ort, in den Wahlkreisen . Es gibt runde Ti-
sche und tolle Ideen; Projekte werden geschmiedet . Wir
setzen 30 Millionen Euro zusätzlich für den ländlichen
Raum ein . Wir als Union sind an der Seite derjenigen, die
vor Ort Ideen haben


(Ursula Schulte [SPD]: Wir auch!)


und sie umsetzen wollen . Ich sage mal: Wir als Koalition
und wir von der Union meinen, dass der ländliche Raum
wichtig ist . Deshalb sind wir an der Seite der dort leben-
den Menschen und derjenigen, die dort arbeiten . Diese
30 Millionen Euro sind gut angelegtes Geld .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir wollen die sozialen Strukturen im ländlichen
Raum stärken . Wir wollen, dass Gebäude umgewidmet
werden können, ehe sie verfallen, und Nutzungszwecken
in der Landwirtschaft aber auch darüber hinaus zugeführt
werden können . Wir wollen durch entsprechende Projek-
te im ländlichen Raum Dinge auf den Weg bringen und
Positivbeispiele sammeln, die dann vermehrt in allen Be-
reichen des ländlichen Raums umgesetzt werden können .

Wir wollen Dienstleistungen, die sonst nicht bezahl-
bar sind, bündeln und den Menschen anbieten, um den

Cajus Caesar






(A) (C)



(B) (D)


ländlichen Raum so attraktiv zu machen, dass von dort
möglichst wenige weggehen . Mehr noch: Der ländliche
Raum soll so attraktiv und lebenswert sein, insbesondere
im Hinblick auf Infrastruktur, Arbeitsplätze und Angebo-
te vor Ort, dass er mit den städtischen Bereichen mithal-
ten kann . Das sind wir den Bürgern schuldig . Deshalb
handeln die Union und die Koalition entsprechend .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im Bereich der Sozialversicherung stellen wir 78 Mil-
lionen Euro mehr für die Unfallversicherung bereit . Wir
sind der Meinung, dass dies wichtig ist, auch vor dem
Hintergrund, dass die Landwirtschaft im Augenblick sehr
schwierige Zeiten durchwandert . Die Rahmenbedingun-
gen sind wegen des Verbots von Exporten nach Russland,
der Milchpreise und der Schweinepreise schwierig . An-
gesichts der Situation wollen wir ein Zeichen setzen und
der Landwirtschaft, den Bäuerinnen und Bauern, den
Forstwirten, allen, die vor Ort arbeiten, sagen: Wir lassen
euch nicht im Stich, wir sind an eurer Seite . – Deshalb
stellen wir 78 Millionen Euro mehr für diesen Bereich
bereit . Ich denke, das ist richtig und gut angelegtes Geld
für die Landwirtschaft, für die Forstwirtschaft und für all
diejenigen, die dort richtig anpacken .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir haben 2 Millionen Euro mehr auch für Messen, für
Exportförderung eingestellt . Ich denke, das ist richtig .
Das schließt an den eben genannten Bereich an .

Wir tun mehr im gesundheitlichen Verbraucherschutz .
Ich nenne an dieser Stelle die Aufstockung um 136 Stel-
len beim BfR und um 195 Stellen beim BVL . Gesunde
Ernährung und Tierwohl sind auch Thema unserer Bun-
desregierung und unserer Koalition; und deshalb tun wir
dort etwas .

Wir wollen nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt;
ich habe eben den Namen Eckhardt Rehberg genannt .
Wir setzen Akzente und Zeichen für Forschung und In-
novation mit 50 Millionen Euro mehr . Wir setzen Zei-
chen für den Dialog . Wir setzen Zeichen für eine gesunde
Ernährung . Wir setzen Zeichen für einen umweltfreund-
lich erzeugten Rohstoff Holz . Wir setzen Zeichen durch
78 Millionen Euro mehr an Investitionen im Bereich der
sozialen Systeme für die Unfallversicherung . Und wir
setzen Zeichen im ländlichen Raum durch einen neuen
Ansatz in Höhe von 30 Millionen Euro . Wir als Union
wollen an der Seite der dort lebenden und arbeitenden
Menschen sein .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013200

Vielen Dank, Kollege Caesar . – Nächster Redner in

der Debatte: Harald Ebner für Bündnis 90/Die Grünen .


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013300

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und

Kollegen! Zur Tagesordnung überzugehen, fällt uns allen
schwer, glaube ich; da stimme ich der Kollegin Bluhm

zu . Dennoch müssen wir es versuchen und heute über
den Haushalt reden .

Der Schwabe schaut ja im Haushalt immer darauf,
dass kein Geld verschwendet wird . Als grüner Schwabe
achte ich auf Nachhaltigkeit . Als grüner Agrarpolitiker
will ich eine nachhaltige Landwirtschaft fördern und
unsere Betriebe für die Zukunft fit machen. Hier gibt es
wirklich viel zu tun . Das passiert mit diesem Haushalt,
lieber Herr Kollege Caesar, leider schon wieder ganz und
gar nicht . Ich sehe in dem Entwurf nämlich keinen Plan
und keinen Mut .

Damit wir uns nicht missverstehen: Herr Minister,
es ist gut, dass die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe
„Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschut-
zes“ endlich aufgestockt werden . Darüber diskutieren
wir seit zwei Jahren . Und es ist auch gut, dass es mehr
Geld für die landwirtschaftliche Sozialversicherung gibt .
Aber es bleibt dabei: Sie zementieren einmal mehr Ihre
bisherige Agrarpolitik . Ihr Haushalt steht für noch mehr
Industrialisierung, hohen Pestizidverbrauch und weitere
Investitionen, leider in eine Agrarproduktion, die massi-
ve ökologische Kosten verursacht und – das ist das Fatale
dabei – nicht einmal den Bäuerinnen und Bauern etwas
bringt .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Intensivierung auf Kosten der Umwelt bringt ja
nicht einmal mehr kurzfristige ökonomische Vorteile . Im
Gegenteil: Sinkende Preise gefährden Tausende von bäu-
erlichen Existenzen . Milchpreise um 25 Cent fressen an
der Substanz der Betriebe . Wer seine Tierhaltung für den
Export optimiert hat, sitzt jetzt auf hohen Investitions-
schulden . Das lässt sich auch nicht mit Liquiditätshilfen
kaschieren . Da ist doch ein klarer Auftrag an Sie, endlich
Alternativen zu fördern .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sie predigen stattdessen unverdrossen weiter Ihre Ex-
portvisionen und fördern das auch noch mit öffentlichen
Mitteln . Da sind zum einen 3 Millionen Euro für Maß-
nahmen zur Verstärkung der Außenhandelsbeziehungen
im Agrar- und Ernährungsbereich, und das, obwohl die
momentane Krise auf dem Fleisch- und Milchmarkt klar
zeigt, dass die Exportfixierung in die Sackgasse geführt
hat . Diese 3 Millionen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wären im Tierschutz doch deutlich besser angelegt, weil
sie hier auch einen echten Mehrwert schaffen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Herr Minister Schmidt, was tun Sie? Statt sich um die
drängenden Probleme der Landwirtinnen und Landwirte
zu kümmern, beraumen Sie Exportgipfel an . Ihr Sofort-
hilfeprogramm besteht wieder nur aus Exportunterstüt-
zung – mit bekannten Folgen für die Landwirtschaft in
den Empfängerländern . Dabei gibt es gerade im Inlands-
markt enormes Wachstums- und Wertschöpfungspoten-
zial . Der Absatz von Ökolebensmitteln steigt, die Anbau-
fläche nicht. Die Leistungen des ökologischen Landbaus
bei Klima-, Umwelt- und Naturschutz, aber auch bei der
Schaffung von Arbeitsplätzen sind durch zahllose Stu-
dien, auch durch Studien der Bundesregierung, belegt .

Cajus Caesar






(A) (C)



(B) (D)


Aber wer nachhaltige Landwirtschaft will, der muss da-
für auch die Weichen stellen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es muss deutlich mehr in das Bundesprogramm Öko-
logischer Landbau investiert werden, sonst gehen durch
den rasanten Verlust von genetischer Vielfalt unsere
Grundlagen für nachhaltige ökologische Landwirtschaft
unrettbar verloren . Aber Sie haben unseren Antrag, in
dem wir forderten, 20 Prozent der Forschungsmittel dem
Ökolandbau zur Verfügung zu stellen, abgelehnt . Herr
Caesar, Sie haben zwar gesagt, die Forschungsmittel sind
aufgestockt worden,


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Ja!)


aber wir sollten auch mehr Mittel zur Forschung im Öko-
landbau investieren .


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: 50 Millionen mehr haben wir eingesetzt!)


Ihre vollmundig gestartete Zukunftsstrategie Ökolo-
gischer Landbau kommt ganz ohne Geld aus . Ich kann
da keine Strategie und auch keine Zukunft erkennen .
Stattdessen gibt es Gesprächsrunden bis zum bitteren
Ende der Legislatur . Herr Minister, mit was wollen Sie
am Ende der Legislatur eigentlich noch anfangen? Da
ist es doch logisch, dass Sie kein Geld ausgeben wollen .
In der Sache ist das nachvollziehbar, aber grundfalsch .
Orientieren Sie sich doch an den Bundesländern, auch
an Ihrem eigenen . Dort passiert etwas, das kann man ab-
schreiben . Für mich sieht es aber so aus, als hätten Sie
keinen Plan .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wir stellen fest: In allen Lebensmitteln sind Pestizid-
rückstände zu finden, leider nicht nur in den Importen,
sondern auch in den hiesigen; das war einer Dokumen-
tation des BVL aus dem Jahr 2013 zu entnehmen . Das
bereitet nicht nur dem Bundesamt, sondern uns allen
buchstäblich Bauchschmerzen .

Pestizidrückstände, zum Beispiel Glyphosat, finden
sich in uns allen; das belegen zahlreiche Untersuchun-
gen . Ich sage ausdrücklich, meine Damen und Herren:
Ich halte es für richtig, dass man beim BfR, beim Bun-
desinstitut für Risikobewertung, Stellen aufstockt .


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Dann freuen Sie sich doch über unseren Haushalt!)


Das ist nötig . Dann ist das Bundesinstitut hoffentlich
auch nicht mehr darauf angewiesen, Bewertungen der In-
dustrie hinsichtlich Pestiziden zu übernehmen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Die Menschen sind angesichts des steigenden Pesti-
zideinsatzes zu Recht besorgt . Hier müssen wir anset-
zen . Wir müssen in die Forschung im Bereich des nicht
chemischen Pflanzenschutzes investieren und in die Be-
ratung der Landwirte, die den Mitteln selbst nicht mehr
trauen . Deshalb hatten wir ja beantragt, dass die Mittel
aus dem Budget für Forschung und Innovation zweckge-

bunden eingesetzt werden . Das wurde von Ihnen abge-
lehnt . – Schade!

Beim Stickstoffüberschuss sieht es genauso aus; wie
bei der Gentechnik passiert hier nichts, Herr Minister .
Die Kennzeichnungspflicht von tierischen Produkten be-
kommen Sie nicht hin . Für die „ohne Gentechnik“-Kenn-
zeichnung gibt es nach wie vor nicht mehr Geld, um sie
bekannt zu machen . Und der Gesetzentwurf der Bundes-
länder wartet darauf, endlich in den Bundestag einge-
bracht zu werden . Das ist ärmlich, das ist billig, das zeugt
auch von Hilflosigkeit. Da fehlt Ihnen der Mut, die Ver-
antwortung für die Anbauverbände mit einem vernünf-
tigen Gentechnikgesetz selbst zu übernehmen, statt sie
an die Bundesländer abzuschieben; genau das tun Sie ja .

Es gäbe noch viel zu sagen .


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Die Redezeit ist abgelaufen!)


Mir bleibt an dieser Stelle, zu sagen: Der Haushalt zeigt,
dass Sie nicht den Mut haben, die Probleme zu lösen .

Danke schön .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013400

Vielen Dank, Herr Kollege Ebner, auch für die Ein-

haltung der Redezeit . – Nächster Redner: Ulrich Freese
für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Ulrich Freese (SPD):
Rede ID: ID1814013500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich Ih-
nen so zuhöre, dann beschleicht mich einerseits das Ge-
fühl, dass Sie den vorliegenden Haushalt nicht kennen .


(Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Andererseits haben Sie eine ganze Reihe von Fragestel-
lungen aufgeworfen, die mit Haushaltstiteln nichts zu tun
haben . Diese Fragen sind – das ist der Anspruch des Mi-
nisteriums – auch ohne Haushaltstitel einfach per Gesetz
regelbar .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Welches Gesetz haben Sie denn gemacht? Ihr habt doch gar keines gemacht! – Weiterer Zuruf des Abg . Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Wir reden jetzt über den Haushalt 2016 . Ich muss
schon sagen, meine Damen und Herren, liebe Kollegin-
nen und Kollegen: Es ist schon eine verdammt sportliche
Leistung, die wir in den letzten 18 Monaten hingelegt
haben . Der Haushalt, der von uns heute und morgen ab-
schließend beraten wird, ist nämlich der dritte Haushalt,
der ohne Neuverschuldung auskommt, der ausgeglichen
ist . Es ist auch der dritte Haushalt, in dem es Bewegung
im Haushalt des Bundesministeriums für Landwirtschaft
und Ernährung gibt . Ich denke, darauf können wir alle,
die wir die Koalition tragen, ein Stück weit stolz sein;

Harald Ebner






(A) (C)



(B) (D)


wir arbeiten nämlich unseren Koalitionsvertrag millime-
tergenau ab .

Cajus Caesar ist genauso wie allen anderen, die an
den Haushaltsberatungen teilgenommen haben, für sein
Engagement zu danken . Ebenso ist dem Bundesministe-
rium zu danken, das uns immer gut vorbereitet hat und
unterjährig die Fragen meiner Kolleginnen und Kollegen
jederzeit beantwortet hat .

Was ist in den 18 Monaten alles geschehen? Ich erin-
nere mich zunächst einmal, dass in allen meinen Reden
der Hochwasserschutz einen hohen Stellenwert hatte .
Das Thema Hochwasserschutz hat über einen Maßgabe-
beschluss Eingang gefunden . Dafür waren in diesem Jahr
20 Millionen Euro vorgesehen, weil wir gesagt haben:
Wir wollen planen . – Und in meiner letzten Rede, Herr
Minister, habe ich darum gebeten, dass Sie mit dem Bun-
desfinanzminister und ihren anderen Ministerkollegen
aushandeln, dass aus dem Investitionsförderprogramm
jährlich 100 Millionen Euro für den Hochwasserschutz
vorgesehen werden . Ich bin sehr froh, dass es Ihnen ge-
meinsam mit der für die Bereiche Bauen und Umwelt
zuständigen Bundesministerin, Barbara Hendricks, ge-
lungen ist, exakt 100 Millionen Euro zu vereinbaren, und
zwar nicht nur für 2016, sondern auch für 2017 und 2018 .
Das sind wichtige finanzielle Beiträge, die uns helfen
werden, einen nationalen Hochwasserschutzplan auf den
Weg zu bringen, in dem genau das berücksichtigt wird,
was Cajus Caesar hier beschrieben hat .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Zum Zweiten hat in allen drei Reden, die ich hier zum
Haushalt gehalten habe, das Thema Hofabgabeklausel
eine Rolle gespielt . Im letzten Jahr ist der Haushalt des
Bundesministers diesbezüglich so aus dem Parlament he-
rausgegangen, wie er hereingekommen ist, weil wir uns
nicht einigen konnten, hier Modifizierungen vorzuneh-
men . Ich kann, denke ich, mit Stolz sagen, dass es der
Hartnäckigkeit der Sozialdemokraten zu verdanken ist,
dass wir die Hofabgabeklausel modifiziert haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Das hilft 64 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe .
Endlich kann aus eingezahlten Rentenbeiträgen, wenn
das Renteneintrittsalter erreicht wurde, Rente bezogen
werden .

Zum Dritten haben wir uns sehr intensiv mit der Frage
der ländlichen Räume auseinandergesetzt . In allen Haus-
haltsberatungen hat die Frage der Weiterentwicklung der
GAK eine Rolle gespielt und die Frage: Wie viel Geld
setzen wir bundesseitig letztendlich für die Entwicklung
ländlicher Räume, in denen ein Drittel der Gesamtbevöl-
kerung Deutschlands wohnt, ein? Ich denke, es ist ein gu-
tes Zeichen, dass wir jetzt zusätzlich 30 Millionen Euro
in den Haushalt einstellen mit der Maßgabe, dass dadurch
mehr und mehr Bundesaktivitäten finanziert werden kön-
nen . Ich denke, dass auch wir seitens des Bundes eine

ganze Reihe guter Ideen zur Entwicklung der ländlichen
Räume haben, die wir einbringen können .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg . Cajus Caesar [CDU/CSU])


Dazu gehört auch, dass wir uns der Instrumente be-
dienen, die uns schon zur Verfügung stehen . Ich bin dem
Minister sehr dankbar, dass er sich bereit erklärt hat, das
Grünlandzentrum, das in Niedersachsen eine Vorreiter-
rolle einnimmt, über Projekte finanziell zu fördern, damit
diese Ideenschmiede mit Blick auf ganz Deutschland mit
Bundesmitteln arbeiten kann .

Eine letzte Bemerkung, Frau Präsidentin . – Wir haben
auch darum gerungen, dass die Kompetenz, die im For-
schungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund ange-
siedelt ist, bei der Verlagerung nach Bonn erhalten bleibt .
Das traf leider auf das Institut nicht zu, aber die Kompe-
tenz ist teilweise gesichert . Ihre Zusage, Herr Minister,
dass Sie sich dafür einsetzen werden, dass über weitere,
über die McDonald’s-Studie hinausgehende Projekte die
Kompetenz gesichert wird, ist ein gutes Zeichen dafür,
dass wir die gesunde Ernährung dieser Teilgruppe der
Bevölkerung mit Bundesmitteln weiterhin fördern wol-
len .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die „McDonald’s-Studie“? – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie da etwas falsch verstanden?)


– Die DONALD-Studie . – Ich glaube, wir haben vieles
aus dem Koalitionsvertrag erfüllt . Ich bin mir ganz si-
cher, dass wir in der nächsten Haushaltsberatung weite-
re Schritte gehen werden und am Ende sagen können:
Wir haben fast 100 Prozent der im Koalitionsvertrag be-
schlossenen Vereinbarungen auf den Weg gebracht .

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013600

Vielen Dank, Herr Kollege Freese . – Nächster Redner

ist der Minister Christian Schmidt .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen
und Kollegen! Es kam eben etwas Unruhe auf . Vielen
Dank, Kollege Freese, für die Erwähnung des Bereichs
der Ernährung, der uns sehr wichtig ist, allerdings nicht
im Sinne von: für Fast Food, sondern gegen Fast Food .
Kinderernährung ist genau das Thema, bei dem wir an-
setzen müssen .

Ich möchte mich sehr bedanken: beim Haushaltsaus-
schuss des Deutschen Bundestages und bei den Haupt-
berichterstattern, bei Cajus Caesar, Ulrich Freese, Herrn
Kindler – Frau Hajduk, bitte übermitteln Sie ihm die
besten Grüße – und Frau Bluhm; Herr Claus ist schon

Ulrich Freese






(A) (C)



(B) (D)


nicht mehr da . Sie haben intensiv gearbeitet . Zu später
Nachtstunde, in der Bereinigungssitzung, gab es dann ein
gutes Ende für den Einzelplan 10; denn – und das habe
ich sehr dankbar zur Kenntnis genommen – um 4 Uhr
in der Nacht haben sich alle Fraktionen des Deutschen
Bundestages


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir waren alle hellwach!)


– alle hellwach – den Vorschlägen angeschlossen . Dafür
kann ich nur großen Dank aussprechen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich bin ohnehin der Meinung, dass in der zweiten und
dritten Lesung das Parlament und nicht die Bundesregie-
rung im Mittelpunkt steht . Letztere ist in diesem Augen-
blick dankbar, dass der Haushaltsausschuss des Bundes-
tages die Zuwächse des Etats, die erst im Raum standen
und dann schon fast vom Tisch waren, am Ende geneh-
migt hat . Es geht um immerhin 108 Millionen Euro, die
in früher Morgenstunde zusätzlich beschlossen wurden .

Wir können mit dem Geld die richtigen Akzente in
diesem Haushalt setzen: für einen verlässlichen gesund-
heitlichen Verbraucherschutz, für eine ausgewogene
Ernährung, für eine zukunftsfähige Land- und Forst-
wirtschaft . Als weitere Branche nenne ich nur den Gar-
tenbau . Cajus Caesar hat die 65 Millionen Euro genannt,
die bereits im zweiten Haushalt der letzten 18 Monate ein
Thema waren .

Ich danke für die Unterstützung für vitale und attrak-
tive ländliche Regionen . Der Haushalt setzt damit ein
deutliches Zeichen, dass Ernährung und Landwirtschaft
wichtige Lebensthemen sind, in die es sich zu investieren
lohnt .

Der Haushalt stellt für den Bereich der Ernährung fast
90 Millionen Euro bereit . Das ist ein richtiger Schwer-
punkt; denn wir wissen: Für die Menschen ist das Thema
Ernährung das wichtigste Verbraucherschutzthema über-
haupt . Diese Mittel werde ich ganz wesentlich dafür ein-
setzen, gesunde und ausgewogene Ernährung verstärkt
zu unterstützen .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich tue dies auch an anderer Stelle im Verbraucher-
schutz, etwa durch die Unterstützung von lebensmit-
telklarheit .de, die bisher für einige Jahre gesichert war .
Ich habe die Mittel für dieses Portal verstetigt, das zu
einer wichtigen Anlaufstelle für Verbraucherinnen und
Verbraucher geworden ist, die sich über die Kennzeich-
nung von Lebensmitteln informieren wollen oder sich
beschweren wollen, wenn sie sich durch ein konkretes
Produkt getäuscht fühlen . Das kann ich mit den Mitteln,
die Sie mir zur Verfügung stellen .


(Beifall der Abg . Gitta Connemann [CDU/ CSU])


Ich darf einen weiteren Punkt nennen . Liebe Gitta
Connemann, das gestrige von dir und Kollegen initiier-
te Fachgespräch in der CDU/CSU-Fraktion und andere
Gespräche haben unterstrichen, dass beispielsweise Di-

abetes nicht nur eine Frage der Gesundheitspolitik ist,
sondern auch eine Frage der Prävention . Ich bin sehr
dankbar, dass es uns, gemeinsam mit Kollegen Hermann
Gröhe, gelungen ist, im Präventionsgesetz zu verankern,
dass wir mit unserer Kampagne IN FORM und anderen
Initiativen ganz deutliche Grundlagen für eine bessere
Ernährungsprävention schaffen wollen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Das muss vor allem in den Schulen stattfinden. Ein
gesunder Lebensstil lässt sich nicht einfach verordnen .
Wir müssen die Ernährungskompetenz der Kinder und
Jugendlichen stärken . Deswegen gehört das auf den
Stundenplan . Das heißt allerdings, dass wir darüber mit
den Ländern reden müssen .


(Gitta Connemann [CDU/CSU]: Genau, richtig! Die Länder müssen mitziehen!)


Ich habe die Kultusministerkonferenz um ein Gespräch
über den Vorschlag der Einführung eines Schulfaches Er-
nährungsbildung gebeten . Nun wollen wir einmal sehen,
wie sich das entwickelt . Ich jedenfalls bin bereit, dafür zu
sorgen, dass der Bund einen Beitrag hierzu leistet .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)


Ich bündle die „Qualitätsoffensive Schulverpflegung“
und die damit verbundenen Aktivitäten meines Hauses
mit einer Informationskampagne für Eltern: von der Un-
terstützung beim Angebot hochwertiger Schulverpfle-
gung bis zur Bereitstellung eines Startersets Ernährungs-
wissen für die Kinder . Ich werde die Aktivitäten in einem
Nationalen Qualitätszentrum für gesunde Ernährung in
Kita und Schule hier in Berlin zusammenführen . Es wird
die zentrale Anlaufstelle werden – bei strenger Beach-
tung der Länderkompetenzen, aber in Unterstützung der
von allen Ländern mitgetragenen Initiative, die insbeson-
dere die Schulverpflegung und die Schulvernetzungsstel-
len in diesem Bereich zum Gegenstand hat .

Das Engagement in Sachen Ernährungssicherung im
globalen Kontext ist aber auch in anderer Hinsicht zu
betrachten – einige Kolleginnen und Kollegen haben ja
auf den Grund für die Unterbrechung der Sitzung und
auf die Tatsache, dass wir diesen Einzelplan nun erst sehr
spät beraten, hingewiesen –: Es geht um die Frage, wie
wir nach den schrecklichen Terrorangriffen in Paris den
Aktivitäten des IS bzw . dem Terror, den er in Syrien und
im Irak ausübt – quasi als ein Staat, jedenfalls auf einem
Territorium –, begegnen können .

Lassen Sie mich zur katastrophalen Lage in Syrien
noch einen anderen Aspekt ansprechen . Die Ursachen
für das heutige Leid der Menschen dort sind vielfältig .
Die Ernährungssituation gehört dazu . In Syrien sind in
den Jahren 2006 bis 2010 60 Prozent der landwirtschaft-
lichen Betriebe einer außerordentlichen Dürre zum Opfer
gefallen. Die Folgen waren Hunger und Landflucht. Nun
müssen wir daran arbeiten, dass die Ernährungssicherung
in diesem Land wieder besser wird . Sie hat aufgrund der
Kriegswirren natürlich noch mehr gelitten . Deswegen
werde ich auch hier Akzente setzen . Es ist zu beklagen,
dass die Weltgemeinschaft bisher nicht in der Lage ist,
genügend Mittel zu generieren, um den Menschen in den

Bundesminister Christian Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


Flüchtlingslagern und in den Lagern um Syrien herum
nicht nur das Überleben zu ermöglichen, sondern ihnen
auch eine Perspektive zu geben .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD – Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nicht in der Lage oder nicht willens?)


Ernährungssicherung ist ein entscheidender, ja, nach-
haltiger Beitrag zu gesellschaftlicher und politischer
Stabilität . Deswegen müssen wir das Menschenrecht auf
Nahrung weltweit umsetzen . In ausgewählten Projekten,
etwa mit der FAO, findet bereits eine Förderung statt,
übrigens auch in Syrien . Auch Saatgut wird in kleinen
Gebinden nach Syrien geschickt, damit die kleinen Land-
wirte es nutzen können . Auch das ist ein Versuch, die Er-
nährungssicherung weiter zu unterstützen .

In unserem Haushalt werden gut 74 Millionen Euro
für die FAO und entsprechende Maßnahmen bereitge-
stellt . Damit ist Deutschland drittgrößter Beitragszahler,
was internationale Maßnahmen angeht . Vielen Dank da-
für, dass Sie mir die Möglichkeit geben, hier einen Ak-
zent zu setzen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Internationale Verantwortung will ich auch in der
Forstpolitik übernehmen . Eine wichtige Rolle spielt
dabei unsere nachhaltige und gleichzeitig ökonomisch
erfolgreiche Waldbewirtschaftung . Immerhin können
die Förster ja von sich sagen, dass sie die Erfinder des
Begriffs „Nachhaltigkeit“ sind . Carl von Carlowitz gilt
als Begründer des Prinzips der Nachhaltigkeit – das liegt
mittlerweile 302 Jahre zurück, wenn ich richtig rechne –,


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Jawohl!)


und war noch dazu ein Sachse .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was heißt denn hier „noch dazu“?)


Die nachhaltige Waldbewirtschaftung hat sich bewährt .
Wir müssen Deutschland zu einem Musterland in Sachen
Wald machen .


(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)


Die Kompetenzen und Kapazitäten meines Hauses im
Forstbereich will ich deswegen stärken . Ich bin dankbar,
dass mir der Haushalt die Möglichkeit gibt, hierfür Plan-
stellen zu schaffen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der letzten Haus-
haltsdebatte habe ich von dem EU-Maßnahmenpaket be-
richtet, das uns helfen wird, unsere Landwirte in der ak-
tuell schwierigen Situation zu unterstützen . Seit letztem
Freitag ist die Eilverordnung in Kraft . 70 Millionen Euro
EU-Mittel werden unbürokratisch und wirkungsvoll zur
Verfügung gestellt . Ich bin sehr froh, dass wir diese be-
reitgestellten Hilfen national durch eine signifikante
Unterstützung flankieren können. Als Ergebnis der par-
lamentarischen Haushaltsberatungen werden die Bun-
desmittel zur LUV um 80 Millionen aufgestockt . Das
ist eine zusätzliche Beitragsentlastung, die von einigen
Hundert Euro bis zu 2 000 Euro reichen wird . Das lässt

sich sehen, besonders wenn ich die Ursprungsentlastung
in Höhe von 100 Millionen Euro hinzurechne .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir verschaffen den land- und forstwirtschaftlichen
Betrieben Luft . Dadurch können sie ihre Produktion ver-
stärkt an den Märkten ausrichten . Damit sind nicht alle
Fragen beantwortet . Ja, es gibt Bereiche, bei denen wir
das Ziel verfolgen, die Produktion für den Binnenmarkt
zu erhöhen . Ich möchte darauf hinweisen, dass wir ge-
genwärtig bei Öko- und Biomilch keine Preiseinbrüche
erleben . Das heißt, dass die Nachfrage entsprechend
hoch ist, dass also Nachfrage und Angebot im Gleichge-
wicht sind . Daran müssen wir in anderen Bereichen noch
arbeiten .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013700

Christian Schmidt, sind Sie bereit, eine Zwischenfra-

ge oder eine Zwischenbemerkung von Herrn Ostendorff
zuzulassen? Ja oder nein?

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Ja . Meine Antwort wird ja nicht auf die Redezeit an-
gerechnet .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013800

Natürlich nicht .

Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Das gibt mir die Möglichkeit, darauf gut zu antworten .


(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Schönen Dank, Herr Minister . – Nachdem Sie jetzt
zum eigentlichen Thema zurückgekehrt sind, nämlich
der Lage unserer landwirtschaftlichen Betriebe, die für
viele Bauernfamilien katastrophal ist – der Preisverfall
bei Milch und bei Schweinefleisch ist dramatisch –, ha-
ben Sie erklärt, dass Sie durch eine weitere Entlastung
bei den Beiträgen zur Unfallversicherung helfen wollen
und dass es EU-Mittel in Form eines Liquiditätszuschus-
ses von bis zu 10 000 Euro geben wird .

Aber Sie haben die Frage, die Sie sich selber gestellt
haben, nicht beantwortet: Wie stabilisieren wir denn die
Märkte? Darauf brauchen wir eine Antwort . Die von Ih-
nen genannten Mittel werden bei den bäuerlichen Fami-
lienbetrieben nur dazu führen, das Sterben etwas zu ver-
längern . Na ja, aber das hilft ihnen perspektivisch nicht .

Daher die Frage an Sie: Was unternehmen Sie, um den
Überschuss, den wir auf den Märkten zu beklagen ha-
ben, in den Griff zu bekommen und um die Märkte zu
stabilisieren? Hierauf gilt es eine Antwort zu geben . Der
Bundesminister muss doch dazu Position beziehen und
sich erklären . Meine Frage ist, was Sie den Bauernfami-
lien dieses Jahr im Haushalt mitgeben können, damit sie
Hoffnung schöpfen können, von ihrer Produktion wieder

Bundesminister Christian Schmidt






(A) (C)



(B) (D)


leben zu können, statt nur darauf hoffen zu müssen, von
irgendwoher ein bisschen Sterbegeld zu bekommen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Lieber Kollege, nachdem wir gewisse zarte Anzeichen
dafür haben, dass sich der Milchmarkt etwas bessert –
leider gilt das nicht für den Bereich Schweinefleisch –,
will ich darauf hinweisen, dass uns diejenigen, die uns
empfehlen, den Export zu stoppen, die Frage beantwor-
ten müssten, wie denn die hergestellten Produkte in un-
serem Lande abgesetzt werden sollen . Alles hat seine Be-
rechtigung . Der Export allein – auch das ist klar – wird
nicht selig machen .

Wir brauchen bei den Betrieben einen vernünftigen
Mix aus Größe und Qualität, und wir brauchen Bauern,
die die Erwartungen der Verbraucher im Blick haben . Ich
glaube, dass wir angesichts der prognostizierten steigen-
den Nachfrage, gerade auch bei Milchprodukten, zuver-
sichtlich in die Zukunft blicken können . Ich will darauf
hinweisen, dass die aktuelle Zahl von 7 Milliarden Men-
schen auf der Welt in wenigen Jahren auf 9 Milliarden
anwachsen wird . Auch diese Menschen wollen ernährt
werden .


(Abg . Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN] nimmt seinen Platz wieder ein)


– Jetzt läuft meine Redezeit weiter, oder?


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814013900

Ab jetzt geht es normal weiter .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es wäre gut, eine konkrete Antwort zu bekommen!)


Christian Schmidt, Bundesminister für Ernährung
und Landwirtschaft:

Gut . Dann werden wir die Diskussion anderswo fort-
führen . Ich habe dazu noch gute Gedanken und kann mir
gute Entscheidungen dazu vorstellen .

Mein letzter Punkt betrifft die ländlichen Räume . Ich
bedanke mich sehr, dass die Mittel für die GAK aufge-
stockt wurden . Wir werden auch das GAK-Gesetz än-
dern . Ich werde das in Kürze einbringen . Ich bitte darum,
dass wir bei der Beratung berücksichtigen – wir sollten
aber nicht von der Verbesserung der Agrarstruktur und
des Küstenschutzes abrücken –, dass ländliche Entwick-
lung mehr ist. Wir müssen die demografischen Probleme,
die wir im ländlichen Raum haben, sehen . Ich habe den
ländlichen Raum in diesem Jahr sehr intensiv besucht
und zu diesem Thema viele Dialogreihen durchgeführt .
Wir werden die angesprochenen Probleme nur durch At-
traktivität im ländlichen Raum lösen können . Ich freue
mich auf die Diskussion über die Änderung dieses Ge-
setzes .

5,5 Milliarden Euro für den Einzelplan 10, das ist
ein Wort . Es gibt einen deutlichen Anstieg . Ich bin dem
Deutschen Bundestag dankbar, dass er mich so gut mit
Mitteln ausgestattet hat . Ich werde sie auch im Sinne des
Gesagten gut einsetzen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814014000

Vielen Dank, Minister Christian Schmidt . – Die

nächste Rednerin ist Dr . Kirsten Tackmann für die Linke .


Dr. Kirsten Tackmann (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1814014100

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Liebe Gäste! Das Problem in der Agrarpolitik ist nicht
so sehr der Haushalt, sondern die falsche Politik, die da-
hinter steht . Die stärkt eben nicht den regionalen Land-
wirtschaftsbetrieben den Rücken . Im Gegenteil: Sie folgt
dem Mantra des glückselig machenden freien Marktes
und des gelobten Landes der Agrarexporte . Im Klartext
ist das die Aufforderung: Produziert möglichst viel und
möglichst billig . Das ist ein Systemfehler, der dringend
behoben werden muss .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Denn die Überschüsse werden weltweit entsorgt, was re-
gionalen Märkten schadet und Fluchtursachen verschärft .
Und das ist absolut falsch .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wo, bitte, soll denn ein gutes Einkommen, mehr Tier-
wohl und Schonung der Natur herkommen, wenn am
Markt vor allem Dumpingpreise den Wettbewerb ent-
scheiden? Das hat fatale Folgen . Nicht nur in meinem
Prignitzer Heimatwahlkreis haben viele Betriebe ein sehr
schwieriges Jahr hinter sich . Seit Monaten bekommen
sie keine kostendeckenden Erzeugerpreise . Die Land-
wirtschaftskammer Niedersachsen spricht von Gewinn-
rückgängen zwischen 40 und 60 Prozent . Schaf- und Zie-
genhaltung rechnen sich schon länger nicht mehr . Milch,
Schweine, Futtermittel und Obst – alles wird schlecht
bezahlt .

Ja, das ist auch ein Problem von Milchseen und But-
terbergen . Wir haben aber gerade gehört: Jede Überle-
gung zu einer Mengenregulierung wird von der Koalition
bzw . vom Bundesagrarminister blockiert . Ganz anders
sieht es übrigens beim Wein aus . Die Steuerung der An-
gebotsmenge beim Wein wurde fraktionsübergreifend
sogar begrüßt. Pflanzrechte werden restriktiv vergeben,
und sogar die Erntemenge pro Hektar wird beschränkt .
Ja, die unterschiedliche Wirkung des Genusses von Wein
und Milch ist mir sehr bewusst .


(Heiterkeit bei Abgeordneten im ganzen Hause)


Friedrich Ostendorff






(A) (C)



(B) (D)


Warum aber Mengenregulierung beim Wein richtig und
bei der Milch Teufelszeug ist, das erschließt sich mir
wirklich nicht .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Viele Betriebe werden diese falsche Agrarpolitik lei-
der nicht überleben . Aber wir brauchen nachhaltig wirt-
schaftende Agrarbetriebe: für regional und umweltscho-
nend erzeugte Lebensmittel und erneuerbare Energien,
für gut bezahlte Arbeit, für lebendige Dörfer, zum Erhalt
der Kulturlandschaft und zum besseren Schutz des Kli-
mas . Deshalb ist für uns als Linke ein Weiter-so keine
Option .


(Beifall bei der LINKEN)


Handelskonzerne, Schlachthöfe und Molkereien be-
reichern sich doch auf Kosten der Erzeugerbetriebe . Ihre
Marktübermacht muss endlich gestoppt werden . Die Lin-
ke fordert das schon lange . Das ist doch schon längst eine
der Forderungen in allen Bauernversammlungen . Tun Sie
also endlich etwas!


(Beifall bei der LINKEN)


Das Ende des Ausverkaufs von Äckern und Weiden an
landwirtschaftsfremdes Kapital wird ebenfalls gefordert .
Statt aber die Bodenspekulationen zu unterbinden, ver-
dient der Bund noch fröhlich mit, weil er selbst die meis-
ten Flächen – und zwar meistbietend – verkauft . Und der
Hammer ist, dass er den ostdeutschen Bundesländern den
begünstigten Kauf bundeseigener Flächen sogar dann
verweigert, wenn es um Küsten-, Gewässer- oder Hoch-
wasserschutz geht. Ich finde, dass dieser Griff in leere
Landeskassen einfach unanständig ist .


(Beifall bei der LINKEN)


Also, auch in der Landwirtschaft sind neues Denken
und entschlossenes Handeln gefragt . Statt aber die falsche
Politik zu ändern, werden nur Trostpflaster verteilt. Zum
Beispiel werden zu den bereits erwähnten 100 Millionen
Euro für die landwirtschaftliche Unfallversicherung wei-
tere 78 Millionen Euro obendrauf gelegt . Die Beiträge
sollen um 16 Prozent sinken . Das hört sich spektakulär
an . Aber pro Betrieb und gemessen an der dramatischen
Situation ist das höchstens eine freundliche Geste

Bei der Unfallversicherung bleibt noch eine andere
Baustelle bestehen . Wir wollen, dass die Benachteiligun-
gen bei der Beitragsbemessung zum Beispiel für Klein-
und Kleinstwaldbesitzer beseitigt werden .


(Beifall bei der LINKEN)


2 Millionen Euro zusätzlich gibt es auch für die Propa-
gandaabteilung zur Förderung des Agrarexports . Das ist
aber keine öffentliche Aufgabe . Deshalb sollte man diese
Mittel nicht aufstocken, sondern ersatzlos streichen .


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Regionale Lebensmittel sind eine viel klügere Strategie .
Die Nachfrage ist hoch und stabil . Sie sichern mehr re-
gionale Wertschöpfung und Arbeitsplätze, und sie haben

eine hohe Akzeptanz. Deshalb wäre finanzielle Unter-
stützung in diesem Bereich gut investiertes Geld .

Leider wurden auch in diesem Jahr alle Anträge der
Linken zum Einzelplan 10 abgelehnt . Deswegen haben
wir unsere Vorschläge noch einmal in einem Entschlie-
ßungsantrag festgehalten . Das sind die Hausaufgaben für
den nächsten Haushalt, aber einige Punkte will ich hier
noch einmal kurz aufgreifen .

Erstens . Wer Fluchtursachen ernsthaft bekämpfen
will, muss auch die Ursachen von Hunger bekämpfen .
Dazu gehören nachhaltige Agrarkonzepte, und zwar
weltweit .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dazu enthält der Weltagrarbericht, den 500 Wissen-
schaftlerinnen und Wissenschaftler erarbeitet haben,
viele kluge Vorschläge . Deutschland muss ihn endlich
unterschreiben und seine Fortschreibung mitfinanzieren.


(Beifall bei der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Zweitens sollen nach unserer Überzeugung alle Kin-
der Zugang zu einer hochwertigen und gebührenfreien
Kita- und Schulverpflegung als Teil der öffentlichen Da-
seinsvorsorge haben . Wir wollen dafür ein Bundespro-
gramm auflegen, und die Vernetzungsstellen Schulver-
pflegung müssen gestärkt werden.


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Drittens wollen wir die amtliche Lebensmittelüber-
wachung von überregional und transnational agierenden
Unternehmen verbessern . Dazu soll diese Aufgabe beim
Bund angesiedelt und eine Taskforce Lebensmittelsi-
cherheit eingerichtet werden .

Viertens fordert die Linke seit Jahren ein Herden- und
Wolfsschutzkompetenzzentrum . Das Fachgespräch am
Mittwoch hat gezeigt, dass das dringend gebraucht wird .

Ich freue mich auf die Diskussion unseres Antrags
nächste Woche im Ausschuss und noch vor Weihnachten
im Plenum .

Im Übrigen sage ich: Krieg ist keine Lösung .


(Beifall bei der LINKEN sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814014200

Vielen Dank, Frau Kollegin Tackmann . – Der nächste

Redner ist Dr . Wilhelm Priesmeier für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Wilhelm Priesmeier (SPD):
Rede ID: ID1814014300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit Blick auf
den Haushalt und das, was in der langen Nacht der Be-
reinigungssitzung herausgekommen ist, muss man vor
dieser Koalition den Hut ziehen . Wir haben einen guten
Haushalt vorgelegt . Er macht deutlich, welchen Gestal-

Dr. Kirsten Tackmann






(A) (C)



(B) (D)


tungswillen die Regierung auch im Bereich der Agrar-
politik hat . Eine Frage sehen wir etwas kritischer – das
werde ich noch begründen –, aber im Grundsatz geht
dieser Haushalt in die richtige Richtung . Eine Steigerung
in einer solchen Größenordnung ist uns in anderen Haus-
haltsjahren nicht gelungen .

Ich glaube, dieser Haushalt macht auch deutlich, dass
wir in der Agrarpolitik zukunftsfähig sind . Ich freue mich
insbesondere über den Hochwasserschutz und die zusätz-
lichen 60 Millionen Euro für den Bereich der Gemein-
schaftsaufgabe .


(Beifall des Abg . Willi Brase [SPD])


Die Festlegung dazu sehe ich allerdings ein bisschen
kritisch . Denn wenn man 30 Millionen Euro für Maßnah-
men im Bereich der ländlichen Entwicklung festlegt, die
in der Verantwortung des Bundes liegen, dann müssen
wir uns sputen, wenn es darum geht, den Entwurf des
GAK-Gesetzes durch den Bundestag und auch den Bun-
desrat zu bringen . Das soll bis zur Sommerpause gesche-
hen . Ich nehme an, wir werden damit erfolgreich sein .


(Beifall bei der SPD)


Wir werden in der weiteren Ausgestaltung des
GAK-Gesetzes – dazu rate ich – im Vorfeld verschiedene
Ansätze fraktionsübergreifend und auch mit den Bundes-
ländern zu diskutieren haben . Der Gesetzentwurf wird
schließlich nicht so bleiben, wie er auf den Tisch gekom-
men ist . Das ist bekanntlich das Struck’sche Gesetz . Wir
werden das noch viel besser machen . Die erste Version
habe ich schon gelesen . Ich nehme an, die Ressortabstim-
mung wird demnächst abgeschlossen sein . Dann werden
wir in den entsprechenden Gremien des Deutschen Bun-
destages darüber diskutieren .

Mit unserer Politik tragen wir dazu bei, dass die länd-
lichen Räume als Lebens- und Wirtschaftsräume gestärkt
werden . Dabei setzen wir vor allen Dingen auf die Zu-
kunftsfähigkeit der ländlichen Räume . Denn das ist an
sich der Kern der Politik, den die SPD einfordert . Wir ha-
ben dazu mehrere größere Anträge und Papiere geschrie-
ben . Wir werden uns auch auf dem kommenden Parteitag
damit auseinandersetzen . Das alles macht deutlich, dass
alle hier im Hause, insbesondere wir Sozialdemokraten,
großes Gewicht auf den ländlichen Raum legen .

Über die Schwächen in der Analyse des ländlichen
Raums sind wir uns weitestgehend einig . Es kommt jetzt
darauf an, den richtigen Weg zu beschreiten . Dazu ge-
hört zwangsläufig, dass wir gerade kleine und mittlere
Unternehmen im ländlichen Raum, die im Umfeld der
landwirtschaftlichen Produktion, der Ernährungsproduk-
tion und anderer Bereiche tätig sind, im Rahmen eines
integrierten Konzepts mit fördern . Wir müssen dafür
sorgen, dass die Grundversorgung mit Dienstleistungen
vor allem im ländlichen Bereich abgesichert wird und
dass die Daseinsvorsorge, die benötigt wird, damit sich
Menschen im ländlichen Raum ansiedeln und dort leben,
erhalten wird . Wir müssen die Konsequenzen aus den
Entwicklungen ziehen, vor denen wir in den ländlichen

Räumen stehen, insbesondere aus der demografischen
Entwicklung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Hier müssen wir entscheidende Angebote an diejeni-
gen machen, die bereit sind, im ländlichen Raum Kinder
zu bekommen und ihre Zukunft zu planen . Das ist eine
gute Aufgabe, die wir in der weiteren Ausgestaltung der
Politik gemeinsam mit denjenigen erfüllen müssen, die
auf kommunaler Ebene verantwortlich sind . Das erfor-
dert bestimmte Ansätze und Konzepte . Über diese kön-
nen wir sicherlich lange diskutieren . Aber wir müssen
endlich anfangen, etwas umzusetzen . Ich glaube, wir
werden jetzt den richtigen Impuls bekommen, um das in
Zukunft zu tun .

Wir müssen im Rahmen der GAK nicht mehr unbe-
dingt die Agrarstruktur finanzieren; denn diese ist schon
wettbewerbsfähig . Vielmehr müssen wir die weiteren
Möglichkeiten im Hinblick auf die Länder nutzen . Wir
müssen ernsthaft darüber diskutieren, ob die bisherigen
Kofinanzierungssätze in der GAK erhalten bleiben sol-
len oder ob es nicht vielleicht besser ist, auf bestimmte
Modalitäten Rücksicht zu nehmen . Wir müssen mit den
Ländern reden und deutlich machen, dass sie nicht dauer-
haft die Kofinanzierung an die Kommunen weiterreichen
können . Das alles muss man bedenken, wenn man erfolg-
reich Politik betreiben will .


(Beifall bei der SPD)


Wir müssen uns auch Gedanken darüber machen, ob
das Jährlichkeitsprinzip bei der Abrechnung im Rahmen
der GAK beibehalten werden soll . Wir sehen, dass Län-
der wie Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern,
Brandenburg oder Thüringen erhebliche Schwierigkeiten
haben, die vorhandenen Möglichkeiten überhaupt aus-
zuschöpfen . Hier müssen wir vernünftige und sinnvolle
Konzepte dagegensetzen, um ihnen eine bessere Aus-
schöpfung zumindest über einen längeren Zeitraum zu
ermöglichen . Das lohnt den Schweiß der Edlen .

Ein Punkt, der mir in diesem Haushalt nicht so gut
gefällt, ist der große Ansatz in Höhe von 78 Millionen
Euro, der in der Nacht der langen Messer in den Haushalt
gekommen ist . – Herr Kollege Caesar, Sie können ruhig
lachen, aber Sie sind derjenige, der in der Hauptsache
dafür verantwortlich ist . Sie haben dafür brav und wa-
cker gekämpft . Wir haben seit 2007/08 etwa 850 Milli-
onen Euro in die landwirtschaftliche Unfallversicherung
gegeben . Ein Bauer, der einen Betrieb mit 120 Hek-
tar – 20 Hektar für Silomais für die Kühe, 100 Hektar
Dauergrünland – und 100 Rindern führt, bekommt etwa
799 Euro zusätzlich . Davon kann er vielleicht gerade
einmal eine kleine Reparatur der Melkmaschine oder der
Melkanlage bezahlen oder für seine Familie ein ordentli-
ches Weihnachtsgeschenk kaufen . Das ist wahrscheinlich
das, was der Minister beabsichtigt hat: Er wollte allen
ein ordentliches Weihnachtsgeschenk zukommen lassen .
Ansonsten halte ich von dieser Form der Subvention re-
lativ wenig .


(Beifall bei der SPD)


Dr. Wilhelm Priesmeier






(A) (C)



(B) (D)


Das verpufft im Großen und Ganzen und bringt struk-
turell überhaupt nichts .


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Nein, nein!)


Der Kleinwaldbesitzer geht natürlich leer aus; Sie ken-
nen ja die entsprechende Debatte . Unter 303 Euro wird es
mit Sicherheit nichts geben, weil hier eine ähnliche Risi-
kokomponente wie im alten System gefordert wird . Oder
Sie wollen wirklich alles nach dem Gießkannenprinzip
auf die 1,4 Millionen landwirtschaftlichen Unternehmen
verteilen . Das wäre noch verfehlter; denn dann würde
noch viel weniger dabei herauskommen .

Ich glaube, es ist an der Zeit, über die gesamte Syste-
matik nachzudenken . Subventionen führen nicht immer
zum Ziel . Manchmal sind sie als Input für einen kurzen
Zeitraum sinnvoll, um für Bewegung zu sorgen . Aber auf
Dauer kann ich Subventionen nur ablehnen . Ich spreche
aus Erfahrung, die ich hier in dem Hause gewonnen habe .
Ich glaube, es ist an der Zeit, sich dazu zu bekennen, dass
wirtschaftlich erfolgreiche Betriebe und Unternehmen
Subventionen in der Form nicht brauchen .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg . Willi Brase [SPD])


Selbiges gilt auch für die Umgestaltung der GAP . Wir
werden uns bis zum Jahr 2017 zu erklären haben, wie wir
weiter verfahren wollen, auch mit der Perspektive auf das
Jahr 2020 . Ich glaube, das wird uns gelingen . Wir müssen
heraus aus den 4,5 Prozent, wir brauchen eine Umschich-
tung von 15 Prozent .


(Heiterkeit – Beifall bei der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Zeit läuft trotzdem weiter, Wilhelm!)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814014400

Vielen Dank, Herr Dr . Priesmeier . – Alle noch knapp

an der Grenze . Da können sich die Kolleginnen und Kol-
legen bedanken .

Nächste Rednerin: Nicole Maisch für Bündnis 90/Die
Grünen .


Nicole Maisch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814014500

Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen

und Kollegen! Ich habe den Ausführungen der Kollegen
von der Großen Koalition sehr aufmerksam zugehört und
habe versucht, mir alle Zahlen des Kollegen Priesmeier
zu merken . Es ist mir nicht ganz gelungen .

Was mich aber doch wundert, ist, dass in der Zeit, in
der die globalen Krisen immer näher an uns heranrücken
und der Globus an vielen Punkten in Flammen steht, kei-
ner der Rednerinnen und Redner der Union auch nur ein
Wort darüber verloren hat, welche Fluchtursachen wir
mit unserer verheerenden Exportstrategie in der Agrarpo-
litik selbst bewirken. Das finde ich wirklich kurzsichtig,
und das ist, finde ich, der Sache nicht angemessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Wer Fleisch exportiert wie die Europäer – Deutsch-
land ist ganz vorne dabei –, und zwar ohne Rücksicht

auf Verluste, der exportiert auch den Hunger in die gan-
ze Welt . Ich hätte mir wenigstens ein oder zwei Sätze
Selbstkritik an diesem Punkt gewünscht .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Aber gut . Was will man von einer Bundesregierung
und einem Minister erwarten, die bisher zum dritten Mal
das Licht einer breiten Öffentlichkeit gesucht haben .
Nach „an apple a day keeps the Putin away“ und „je suis
Greußener Salami” konnten wir jetzt hören: Schmidt
will Katern an ihr bestes Stück . – Dass die Journalisten
nichts Besseres zu schreiben hatten, liegt nicht nur an den
Journalisten, sondern das liegt daran, dass diese Bundes-
regierung einfach wenig vorzuweisen hat . Selbst diese
lächerliche Meldung mit den Katern – Katzenkastration,
richtige Sache – ist nur an die Öffentlichkeit gekommen,
weil Schmidt in der Tierschutzpolitik nichts anderes vor-
zuweisen hat .


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dass man eine zweieinhalb Jahre alte Meldung hervorho-
len musste, hat damit zu tun, dass wir im Tierschutz mit
Ihnen als Minister einfach peinlich wenig erreicht haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Sicher, im Haushalt findet sich ein bisschen, aber der
Kollege hat es schon gesagt: In diesem Bereich muss
man nicht nur Geld ausgeben, sondern auch Gesetze ma-
chen . – Deswegen haben wir Sie in einer Kleinen Anfra-
ge gefragt, welches Gesetz, welche Verordnung Sie für
den besseren Schutz der Tiere erlassen haben . Die Ant-
wort war: keine . Dann haben wir gefragt: Welche planen
Sie? Die Antwort war: Wir wissen es nicht so genau . Das
finde ich ziemlich armselig.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Gehen wir einmal kurz von der Landwirtschaft weg
und schauen uns die Zahl der Tierversuche an . Die ist in
den letzten Jahren durch die Decke gegangen . Warum?
Weil die Grundlage für die Abwägung zwischen Tierver-
such, Forschungsinteresse und Tierschutz im deutschen
Tierschutzgesetz einfach nicht funktioniert . Das ist ein
Fehler im Tierschutzgesetz, ein Fehler im System, den
Sie sofort mit Ihrer Mehrheit ändern könnten . Warum tun
Sie es nicht? Weil Sie nicht den Mut haben, weil Sie nicht
das Herz dafür haben, Tiere in diesem Land wirklich zu
schützen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Wir haben eine Koalition, die noch nicht einmal die
kleinsten Ziele aus ihrem eigenen Koalitionsvertrag um-
setzen will, zum Beispiel die gewerblichen Tierbörsen zu
verbieten . Das haben Sie den Leuten im Koalitionsver-
trag versprochen . Jetzt hört man weder von der Umwelt-
ministerin noch vom Landwirtschaftsminister irgendei-
nen Plan, wie man das durchsetzen will . Nicht mal dieses

Dr. Wilhelm Priesmeier






(A) (C)



(B) (D)


kleine Pünktchen haben Sie durchgesetzt; das ist wirklich
armselig .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Lassen Sie mich zu den Landwirtschaftstieren kom-
men . Ihr eigener wissenschaftlicher Beirat hat es Ihnen
ins Stammbuch geschrieben: Wir haben massive Tier-
schutzprobleme in der deutschen Landwirtschaft . Sie,
Herr Schmidt, haben das Gutachten nicht entgegenneh-
men wollen . Das musste Herr Bleser abholen . Aber das
macht den Inhalt nicht falscher . Das Gutachten sagt ganz
genau: Wir haben massiven Reformbedarf . Den werden
Sie nicht aussitzen können .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Für das Aussitzen haben Sie in dieser Legislatur ein
anderes Wort erfunden . Es heißt jetzt nicht mehr „Aus-
sitzen“, sondern „freiwillige Verbindlichkeit“ . Aber auch
damit werden Sie nicht durchkommen . Die freiwillige
Verbindlichkeit, das Nichtstun, hat keine Mehrheit in die-
ser Gesellschaft . Die Deutschen wünschen sich strengere
Gesetze für den Schutz von Tieren; denn für die Mehr-
heit in diesem Land sind Tiere mehr als eine betriebswirt-
schaftliche Größe, mehr als eine Kennziffer . Die sagen:
Tiere sind fühlende Lebewesen, die das Recht auf Schutz
haben .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Von Fachkenntnis ist Ihr Beitrag nicht geprägt!)


Auch im Ernährungsbereich sehen wir keine klare Li-
nie und keinen Mut . Dabei haben wir ein gigantisches
Problem mit ernährungsbedingten Krankheiten . Der An-
teil der übergewichtigen Kinder geht nicht etwa zurück,
sondern er stagniert auf hohem Niveau . Diejenigen, die
schon dick sind, werden immer dicker . Das haben uns
die Experten im Ausschuss vor zwei Wochen berichtet .
Wir finden, deshalb brauchen wir eine konsistente Strate-
gie gegen Übergewicht und Fehlernährung . Da reicht es
nicht, wie der Minister, einfach nur zu sagen: Wir dürfen
den Teller nicht mit Regelungen vollpacken . – Das ist
uns ein bisschen zu wenig . Wenn Sie wirklich etwas für
besseres Essen in unseren Schulen tun wollen, dann fan-
gen Sie damit an, die Schulvernetzungsstellen ordentlich
zu finanzieren.

Als Minister kann man ja lange ein Schulfach „Ernäh-
rung“ fordern . Machen Sie weiter damit . Aber dann frage
ich mich, wie Sie beim Kooperationsverbot – das haben
Sie selbst in der letzten Großen Koalition verbockt – Ein-
fluss auf die Kultusminister nehmen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Wenn man wirklich etwas für die bessere Ernährung
von Kindern tun will, dann muss man auch die Grundla-
genforschung besser absichern . Kollege Freese, eine Mc-
Donald’s-Studie finanziert der Minister zum Glück nicht.
Aber auch die Studie, über die Sie gesprochen haben –
das sind kleine Projektchen, mit denen man versucht, das
Sterben des FKE in Dortmund hinauszuzögern . Das kann

es nicht sein! Wir brauchen für die Grundlagenforschung
eine verlässliche Finanzierung und mehr als immer mal
wieder kleine Projekte, die dann zwar irgendwie über
das Jahr helfen, aber doch auf Dauer die Grundlagenfor-
schung nicht retten .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)


Es gab den Vorschlag des Max-Rubner-Instituts, das
als Abteilung bei sich zu integrieren . Dafür hätte man
mal 1 oder 2 Millionen Euro ausgeben müssen . Das wäre
angesichts der Milliardenkosten im Gesundheitssystem,
die Fehlernährung und Übergewicht verursachen, eine
gute Investition gewesen .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Meine Damen und Herren, dieser Haushalt überzeugt
uns nicht. Wir finden: Er ist planlos. Da ist kein Konzept
dahinter . Deshalb kann man ihn nur ablehnen .

Vielen Dank .


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814014600

Vielen Dank, Nicole Maisch . – Nächste Rednerin:

Ingrid Pahlmann für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Dieter Stier [CDU/CSU]: Jetzt kommt jemand, der Ahnung hat!)



Ingrid Pahlmann (CDU):
Rede ID: ID1814014700

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen!

Liebe Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister Schmidt!
Vorab erst einmal von meiner Seite meinen Dank dafür,
dass Sie sich im Bereich „gesunde Ernährung“ klar po-
sitionieren . Auch vielen Dank für die Unterstützung des
Gedankens, Ernährungswissen wieder an Schulen zu
verankern . Ich war heute Mittag beim Deutschen Land-
frauenverband . Er fordert das schon seit langem und freut
sich sehr über diesen Beistand; das kann ich Ihnen sagen .

Frau Maisch, man muss Ernährungswissen erst einmal
haben, um dann gegen Fehlernährung ansteuern zu kön-
nen . Dicke Kinder kommen auch daher, dass viele gar
nicht mehr wissen, was Ernährungsbausteine sind .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Ich komme jetzt zum Haushalt 2016 . Ich denke, er ist
ein großer Erfolg für Landwirtschaft, Ernährung und ge-
sundheitlichen Verbraucherschutz . Mein Dank gilt ganz
besonders dem Verhandlungsgeschick der Haushälter .
Allein in unserem Einzelplan haben wir 245 Millionen
Euro mehr als im Jahr 2015 . Hinzu kommen die schon
genannten 100 Millionen Euro für den Hochwasserschutz
im Einzelplan 60. Ich finde, das ist eine gute Grundla-
ge, auf der wir unsere agrar- und ernährungspolitischen
Schwerpunkte voranbringen können .

Dabei setzen wir mit dem Haushaltsansatz im For-
schungskapitel ein wichtiges Zeichen . Forschung und
Innovation in den Bereichen Landwirtschaft und Ernäh-

Nicole Maisch






(A) (C)



(B) (D)


rung, aber auch im gesundheitlichen Verbraucherschutz
sind von entscheidender Bedeutung für Gesellschaft,
Praxis und Wirtschaft .

Ohne Forschung und Innovation werden wir die kom-
menden Herausforderungen der Ernährungssicherung,
des Klimawandels und des Klimaschutzes, aber auch des
Erhalts der natürlichen Ressourcen nicht bewältigen kön-
nen .

Bei den Schwerpunkten, die uns in unserer Agrar- und
Ernährungspolitik wichtig sind, spielt Forschung eine
zentrale Rolle für neue Lösungen: beim Tierwohl wie
beim Klimaschutz, bei nachhaltigem Pflanzenschutz, ge-
sunder Ernährung sowie der Sicherheit von Lebensmit-
teln – also bei den Themen, von denen wir Agrar- und
Ernährungspolitiker oft sagen: Das sind Lebensthemen .

Mit insgesamt 566 Millionen Euro hat die Forschung
im Bereich der Ernährung und Landwirtschaft einen er-
freulichen Aufwuchs von über 10 Prozent erfahren und
damit den Stellenwert bekommen, der ihrer Bedeutung
gerecht wird .

Frau Tackmann, allein im Kapitel „Nachhaltigkeit,
Forschung und Innovation“ werden gegenüber 2015 zu-
sätzlich 33,9 Millionen Euro veranschlagt . Dazu kom-
men die fast 17 Millionen Euro für die Forschungsin-
stitute. Ich finde, 50 Millionen Euro ist definitiv mehr als
nichts . Das müssen Sie anerkennen .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir alle wissen, dass die deutsche Land-, Forst- und
Ernährungswirtschaft eine Schlüsselbranche der deut-
schen Volkswirtschaft ist . Wie in jeder anderen Bran-
che auch hängen Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit
und Beschäftigung eng mit Innovationen zusammen .
Mit den Forschungs-, Entwicklungs- und Demonstra-
tionsvorhaben des Programms zur Innovationsförde-
rung sollen technische sowie nichttechnische Produk-
te und Verfahren darum marktfähig gemacht werden;
das ist ein ganz wichtiger Aspekt . Ich erwähnte schon
unsere Bundesforschungsinstitute Julius-Kühn-Insti-
tut, Friedrich-Loeffler-Institut, Max-Rubner-Institut,
Johann-Heinrich-von-Thünen-Institut . Diese Institute
erhalten 16,9 Millionen Euro zusätzlich – ich finde, zu
Recht .

Der Wissenschaftsrat hat den Instituten fast ausnahms-
los gute Leistungen attestiert . Er erkennt ihre unentbehr-
liche Funktion als Vermittler zwischen Wissenschaft und
Politik sowie zwischen Wissenschaft und Wirtschaft an
und stellt eine positive Weiterentwicklung bei den For-
schungs- und auch bei den Beratungsqualitäten fest . Dar-
an wollen wir anknüpfen und die Bedarfsprofilierung und
Bedarfsorientierung in den kommenden Jahren weiter
verbessern .

Die Forschungsplanung soll verstärkt abteilungs- und
programmübergreifend erfolgen und die Praxisverwert-
barkeit in den Vordergrund stellen . Dazu soll auch der
Wissenstransfer in die Praxis verbessert werden . Es ist
mir ein ganz zentrales Anliegen, dass das Wissen auch
bei den Betrieben ankommt .

Im Rahmen von Modell- und Demonstrationsvorha-
ben der Tierwohl-Initiative wurden Netzwerke von Pra-
xisbetrieben zum Transfer von Forschungsergebnissen in
die Praxis gebildet . Als forschungspolitische Sprecherin
begrüße ich es ausdrücklich, wenn unsere politischen
Handlungsfelder künftig noch enger durch die Forschung
begleitet werden .

Wir haben es gehört: Das Tierwohl ist ein Thema, das
die Gesellschaft bewegt . Forschung kann auch hier auf
den verschiedensten Ebenen einen entscheidenden Bei-
trag leisten . Modellvorhaben zum Tierschutz nehmen in
den nächsten Jahren zu Recht einen Schwerpunkt bei der
Förderung von Modell- und Demonstrationsvorhaben
ein . 7,5 Millionen Euro stehen für die Erprobung von
Maßnahmen bereit, die zum Verzicht auf nichtkurative
Eingriffe wie Schnabelkupieren oder Enthornen führen,
zu verbesserten Verfahren bei der Schlachtung, bei der
Haltung oder beim Transport von Tieren . Wir alle wis-
sen: Verbote allein lösen die Schwierigkeiten in den ge-
nannten Problemfeldern eben nicht .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Hier setzen wir mit dem Haushalt 2016 ein Zeichen
für die Branche. Neben den finanziellen Einbrüchen
bei den Milchviehbetrieben haben wir zum Beispiel bei
den schweinehaltenden Betrieben Einbrüche im Unter-
nehmensergebnis in einer Größenordnung von 39 bis
49 Prozent . Das ist ein wirtschaftliches Desaster für die
Betriebe .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt! Und was machen Sie?)


Hinzu kommen immer stärkere Anforderungen und Auf-
lagen an die Haltungsbedingungen . – Hören Sie gut zu,
Herr Ostendorff .

Das öffentliche Image besonders der viehhaltenden
Betriebe ist denkbar schlecht . Wenn nun Politik – das
können Sie ja ganz besonders gut – und Gesellschaft
vehement Verbesserungen im Bereich Tierwohl fordern,
dann müssen diese Forderungen handhabbar und vor al-
len Dingen auch begründet sein . Die Betriebe an sich sind
willens, dem gesteigerten Tierwohl Rechnung zu tragen .
Allerdings – das muss ich Ihnen auch sagen – müssen
diese Vorgaben dann auch tragfähig, belastbar und vor
allen Dingen wissenschaftlich fundiert sein . Da bringen
eben keine vorschnellen Gesetze etwas . Wir brauchen
belastbare Forschungsergebnisse .


(Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Tiere brauchen Hilfe!)


Im Rahmen der Tierwohl-Initiative werden wir das
Deutsche Zentrum zum Schutz von Versuchstieren mit
20 zusätzlichen Stellen ausstatten . Es soll alternative
Methoden erforschen, Forschungseinrichtungen und Be-
hörden beraten, Öffentlichkeit und Fachöffentlichkeit
informieren und die Forschungsförderung bei Alternativ-
methoden vorantreiben. Das Friedrich-Loeffler-Institut
erhält drei neue Stellen für die Bearbeitung der Themen
„Haltung und Verhalten von Schweinen“ sowie „Trans-
port und Betäubung landwirtschaftlicher Nutztiere“ .

Ingrid Pahlmann






(A) (C)



(B) (D)


Insgesamt stehen für den Bereich Tierschutz somit fast
30 Millionen Euro zur Verfügung . Das zeigt, dass wir
diesem Thema gerade auch in den schwierigen Zeiten
einen hohen Stellenwert beimessen .

Ich bin aber auch fischereipolitische Sprecherin. In
diesem Zusammenhang freue ich mich besonders, dass
das Fischereiforschungsschiff „Walther Herwig III“
durch einen Neubau ersetzt werden kann, für den insge-
samt gut 100 Millionen Euro in den nächsten drei Jahren
bereitstehen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Das inzwischen in die Jahre gekommene Forschungs-
schiff ist das größte unserer Flotte und liefert für die
Hochseefischerei wichtige Erkenntnisse. Denn die
Bewirtschaftung der Fischbestände ist auf eine inten-
sive wissenschaftliche Erforschung angewiesen . Der
EU-Kommission dienen die erhobenen Daten zur Erar-
beitung von Managementkonzepten für eine zukünfti-
ge bessere Bewirtschaftung und für eine nachhaltigere
Nutzung der Fischbestände . Bestandsschonende, selek-
tive Fangmethoden werden weiterentwickelt und leisten
damit einen wichtigen Beitrag für unsere Hochsee- und
Küstenfischer. Umweltdaten wie Schadstoffkonzentrati-
onen, Radioaktivität, Salzgehalt und Temperatur werden
unter dem Blickwinkel ihrer Wirkungen auf die Fische
und das Lebensmittel Fisch gemessen . Ein neues For-
schungsschiff leistet somit einen wichtigen Beitrag für
unsere Fischer, aber auch für unsere Ernährung .

Ein weiterer Forschungsschwerpunkt – wir haben es
schon mehrfach gehört – liegt bei der ländlichen Ent-
wicklung . Mehr als die Hälfte aller Bundesbürger leben
in ländlich geprägten Gebieten . Auch der Großteil unse-
rer mittelständischen Wirtschaft ist dort angesiedelt . Die
ländlichen Regionen bieten Raum für vielfältiges mit-
telständisches Gewerbe: Dienstleistungsbetriebe, aktive
aufstrebende landwirtschaftliche Betriebe und das Hand-
werk . Und diese Unternehmer sind wichtige Akteure, die
den ländlichen Raum stärken und die wir stärker in die
Entwicklung einbinden wollen .

Demografischer Wandel und die globale Wirtschaft
stellen heute aber gerade diese ländlichen Regionen vor
sehr große Herausforderungen . Uns ist es wichtig, gleich-
wertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land dauerhaft
zu erhalten . Leben und Arbeiten auf dem Land müssen
auch in Zukunft attraktiv bleiben . Deshalb erhöhen wir
die Mittel zur Stärkung der ländlichen Entwicklung deut-
lich . Wir wollen regionale Infrastruktur fördern, Wirt-
schaftsstrukturen des Mittelstands, des Handwerks und
der landwirtschaftlichen Betriebe stärken und Strukturen
der Daseinsvorsorge langfristig sichern . Dazu wollen wir
auch die Gründung unternehmerischer Initiativen aus
dem bürgerschaftlichen Engagement – auch das ist uns
allen sehr wichtig –, wie zum Beispiel Dorfläden, Kitas,
altersgerechtes Wohnen oder Energievorhaben, erleich-
tern .

Fakt ist: Politik, Zivilgesellschaft und aktive Betriebe
müssen die Entwicklung in den ländlichen Räumen ge-
meinsam gestalten .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Für den ländlichen Raum haben wir mit zusätzlichen
30 Millionen Euro ein klares Zeichen setzen können, um
die Regionen fit für die Zukunft und lebenswert für die
Menschen zu gestalten . Auch hier liefern die Modell- und
Demonstrationsvorhaben wichtige Impulse . Wir lassen
die Dörfer und die ländlichen Regionen nicht im Stich .
Dafür setzen wir mit dem Haushalt 2016 ein starkes Si-
gnal . Noch einmal mein Dank an die Haushälter, die das
möglich gemacht haben!

Ich bin in der Zeit geblieben . Ich denke, Sie sind auch
mit mir zufrieden .


(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814014800

Super! Sie sind die Nummer eins heute Abend . Vielen

Dank, Frau Pahlmann . – Die nächste Rednerin: Dr . Karin
Thissen für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Dr. Karin Thissen (SPD):
Rede ID: ID1814014900

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und

Herren! Kolleginnen und Kollegen! Jeder Mensch muss
essen . Selbst Sozialdemokraten leben nicht nur von Ge-
rechtigkeit und Solidarität .


(Beifall der Abg . Ulli Nissen [SPD] – Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE]: Sonst könnten sie auch verhungern!)


Damit ist klar: Lebensmittelsicherheit ist wichtig und –
damit eng verbunden – auch der Tierschutz; denn Milch,
Eier, Fleisch sind hierzulande Hauptnahrungsmittel .

Erinnern Sie sich an den Bayern-Ei-Skandal, mit dem
wir uns bis heute beschäftigen müssen? Europaweit er-
krankten Hunderte Menschen schwer an Salmonellose –
drei starben sogar daran –, und zwar wegen tierschutzwid-
riger Haltungsbedingungen in einem Legehennenbetrieb,
wegen mangelnder Hygiene und Missmanagement .

Weil wir nicht nur von Politik und schön Reden allein
leben, sind gesunde und sichere Lebensmittel für unser
Wohl essenziell .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Tierschutz ist Verbraucherschutz ist Menschenschutz .

Wie viel sind uns also Lebensmittelsicherheit und
Tierschutz wert, und zwar im kommenden Jahr? Da liest
sich der Haushaltsentwurf erst mal wie eine gute Nach-
richt: knapp 30 Millionen Euro für den Tierschutz, circa
12 Millionen für Lebensmittelsicherheit, 66 neue Stellen
im Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittel-
sicherheit . Aber,


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Mehr Stellen!)


Ingrid Pahlmann






(A) (C)



(B) (D)


aber, aber . Wenn man sich den Gesamtetat des BMEL
für 2016 anschaut, kommt die Ernüchterung . Noch nicht
einmal 1 Prozent des Gesamtetats ist für Lebensmittelsi-
cherheit und Tierschutz vorgesehen .


(Anja Hajduk [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was lernen wir daraus?)


Von einem Gesamtetat von 5,6 Milliarden Etat sind ge-
rade mal 42 Millionen Euro für Lebensmittelsicherheit
und Tierschutz . Die muss man schon fast mit der Lupe
suchen .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Trotzdem: Dass das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit personell aufgestockt wird,
begrüßt die SPD – und ich ganz besonders .


(Beifall des Abg . Willi Brase [SPD])


Dadurch kann die Kontrolle von Lebensmitteln besser
gewährleistet werden . Dass da viel zu wenig Personal ist
in der Lebensmittelaufsicht, ist mir aus meiner langjäh-
rigen Überwachungstätigkeit als amtliche Tierärztin na-
türlich bestens bekannt . Und noch etwas muss dazukom-
men, nämlich dass die Öffentlichkeit über Missstände in
der gesamten Lebensmittelkette informiert wird . Im Bay-
ern-Ei-Skandal wurde beispielsweise die Öffentlichkeit
nicht informiert . Der Grund: bestehende Rechtsunsicher-
heit . Und weil die Rechtslage unklar ist, traut sich keine
Behörde, vor Missständen öffentlich zu warnen, weil sie
Angst vor Schadensersatzansprüchen hat, und zwar nicht,
weil der Missstand unklar ist, sondern weil die Rechtsla-
ge unklar ist . So, liebe Kolleginnen und Kollegen, kann
guter gesundheitlicher Verbraucherschutz nicht gelingen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Genau das haben wir uns aber seinerzeit im Koaliti-
onsvertrag vorgenommen .


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Dann mal los!)


Ich zitiere:

Verbraucherinformationsgesetz und § 40 Lebens-
und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) werden da-
hingehend geändert, dass die rechtssichere Veröf-
fentlichung von festgestellten, nicht unerheblichen
Verstößen unter Reduzierung sonstiger Ausschluss-
und Beschränkungsgründe möglich ist .

An dieser Neuformulierung des § 40 LFGB versuchen
wir nun seit zwei Jahren zu arbeiten . Als Vertreterin der
SPD kann ich sagen, dass es uns ein großes Anliegen ist,
ein bisschen Tempo in unsere Arbeitsweise zu bringen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN – Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir dabei! Deswegen klatschen wir mit!)


Denn Verbraucherinnen und Verbraucher haben das
Recht auf Information und Transparenz, und wir haben
die Pflicht, rechtssichere Regelungen zu schaffen. Unsere

Wählerinnen und Wähler verlangen nach mehr Transpa-
renz und Sicherheit ihrer Lebensmittel, wie zum Beispiel
eine Allensbach-Umfrage zweifelsfrei belegt .


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Prost!)


Jetzt noch ein paar Worte zum Tierschutz . Wenn ich
mir im Haushaltsentwurf die für den Tierschutz vorge-
sehenen Mittel näher anschaue, fällt mir schon auf, dass
einige Positionen aus dem Koalitionsvertrag 2016, nun
ja, bearbeitet werden sollen . Aber an die Empfehlungen
des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik, Ernäh-
rung und gesundheitlichen Verbraucherschutz traut man
sich dann doch nicht so richtig ran, Empfehlungen, die
da lauten: Tierwohlindikatoren weiterentwickeln, Tier-
schutzniveau steigern und Kontrolllücken schließen,


(Dieter Stier [CDU/CSU]: Das machen wir ständig!)


Grundlagenforschung im Tierschutzbereich fördern . Wie
werden diese Empfehlungen im nächsten Jahr umge-
setzt? Da muss dringend etwas passieren; denn nur so
wird die deutsche Landwirtschaft für die Zukunft fit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)


Es reicht nicht, nur Geld in die Hand zu nehmen oder
freiwillige Selbstverpflichtungen der Wirtschaft zu beju-
beln . Der Tierschutzgedanke muss sich auch in Gesetzen
und Verordnungen wiederfinden, und da sind wir gefragt.
Nun wird es Zeit, auch mal die Bereiche Lebensmittel-
sicherheit und Tierschutz des Koalitionsvertrages abzu-
arbeiten .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die zweite Halbzeit
der Legislatur läuft .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814015000

Vielen Dank, liebe Kollegin Dr . Thissen . Sie sehen:

Das gesamte Haus gratuliert Ihnen zu Ihrer ersten Rede
im Deutschen Bundestag .


(Beifall)


Wir hoffen, dass Sie auch weiterhin so ermunternde Re-
den halten werden – zur Freude Ihres Koalitionspartners .


(Heiterkeit)


Wir machen jetzt weiter . Nächste Rednerin in der De-
batte ist Gitta Connemann für die CDU/CSU-Fraktion .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1814015100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Back

mit Hack! – Endlich Plätzchen aus Fleisch .“ Dies titelt
aktuell eine Kochzeitschrift für Männer mit Geschmack .
Zur selben Zeit verschleudert ein Großdiscounter
500 Gramm Schweinehack für 1,59 Euro . Noch nie wur-
de so viel über Essen geredet, geschrieben, gesendet –

Dr. Karin Thissen






(A) (C)



(B) (D)


für jede Zielgruppe etwas . Das ist die eine Seite der Me-
daille . Aber auf der anderen Seite werden Lebensmittel
verramscht . Dies spüren unsere Landwirte und ihre Fa-
milien jeden Tag . Der wirtschaftliche Druck ist enorm;
das ist hier mehrfach zu Recht gesagt worden . Was hinzu
kommt: Sie fühlen sich immer mehr an den Rand der Ge-
sellschaft gedrängt . Beispiele gefällig? „Wer ist krasser
als Nazis, Scientologen oder Geheimdienste? Die deut-
sche Agrarlobby .“ So postete kürzlich ein Reporter einer
großen deutschen Wochenzeitung .


(Zuruf von der CDU/CSU: Schlimm!)


„Sklavenhalter“, so brandmarkte Animal Peace einen
Landwirt, der von einem Bullen getötet worden ist . Für
diese Organisation ist das Tier – ich zitiere – ein „Held
der Freiheit“ . Bauern als Vogelfreie – das sind sicherlich
Extrembeispiele, aber sie beschreiben ein Klima, in dem
sich jede Bäuerin, jeder Bauer und ihre Familien bewe-
gen müssen, und zwar tagtäglich . Und dabei sollen sie die
Lebensmittel erzeugen, die wir uns wünschen – höchste
Standards, kleine Preise, eigentlich eine Quadratur des
Kreises . Dank harter Arbeit gelingt es ihnen . Noch nie
waren Lebensmittel so sicher, bezahlbar, allzeit verfüg-
bar wie heute . Aber die Anerkennung bleibt aus .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Vor diesem Hintergrund beraten wir heute den Haus-
halt für Ernährung und Landwirtschaft . Es geht dabei um
mehr als Geld . Es geht um ein Signal . Wir, die Mitglieder
der CDU/CSU-Fraktion, sagen: Es muss endlich Schluss
sein mit der Diffamierung einer ganzen Branche .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Wir bekennen uns zu unseren bäuerlichen Betrieben . Wir
stehen an ihrer Seite, in guten wie in schlechten Zeiten .


(Zurufe von der SPD: Oh!)


Dies stellen wir unter Beweis, auch heute, unter anderem
durch die Erhöhung der Mittel für die landwirtschaftliche
Sozialversicherung, für den Export in Schwellenländer,
für Forschung, für Energieeffizienz, auch im Gartenbau.
Dafür sage ich unserem Bundeslandwirtschaftsminister
Christian Schmidt und unserem Haushälter Cajus Julius
Caesar herzlichen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das sind wichtige betriebliche Hilfen, aber es geht
auch um das Ganze . Landwirtschaft wird nicht mehr ver-
standen . In Werbung und Medien wird ein romantisches
Bild inszeniert, das mit der Realität nichts mehr zu tun
hat . Immer weniger erleben diese Realität unmittelbar in
ihren Dörfern . Natürlich gibt es auch offene Fragen: Wie
wollen wir uns ernähren? Wie soll Tierhaltung zukünftig
stattfinden? Wir stellen fest: Es gibt keinen gesellschaft-
lichen Konsens . Darüber müssen wir reden – gemeinsam,
nicht übereinander, sondern miteinander . Dabei setzen
wir übrigens auf Dialog statt auf Konfrontation . Das
unterscheidet uns, liebe Ingrid Pahlmann, von unserem
grünen Agrarminister in Niedersachsen . Er spricht nur
mit wenigen und orientiert sich an Nischen . Das ist der
falsche Weg . Wir wollen alle Beteiligten an einen Tisch
bringen: Verbraucher, Wirtschaft, Wissenschaft, Verbän-

de, Kirchen . Dafür brauchen wir eine Dialogplattform
beim Bundeslandwirtschaftsministerium . Es geht uns um
den Austausch auf Augenhöhe . Die Mittel dafür stehen
jetzt bereit . Nur zu!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Mit seinem Lebensmittelgipfel macht unser Minister
Christian Schmidt einen Anfang . Es wird um Verantwor-
tung gehen, auch der Landwirtschaft, ja, aber auch der
Verbraucher, der Hersteller und des Handels, ja: des Han-
dels . Vier große Anbieter teilen sich heute noch Zweidrit-
tel des Marktes . Sie liefern sich einen ruinösen Preiswett-
bewerb auf Kosten Dritter, nämlich auf dem Rücken der
Erzeuger von Tieren, der kleinen Mittelständler . Ich sage
sehr deutlich: Eine weitere Konzentration des Marktes
muss verhindert werden .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg . Ute Vogt [SPD])


So sagen es übrigens Bundeskartellamt und Monopol-
kommission . Ich persönlich sage: Eine Erlaubnis des
Bundeswirtschaftsministers für die Übernahme von Ten-
gelmann durch Edeka wäre ein fatales Signal .


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


An diesem Fall wird sich zeigen, wie wehrhaft das Kar-
tellrecht ist .

Dies betrifft übrigens auch die Verbraucher, ihre Ver-
sorgung, ihre Ernährung – Lebensthemen . Kaum etwas
bewegt die Menschen so sehr wie ihre Ernährung, und
zwar zu Recht; denn am Ende geht es immer um ihre Ge-
sundheit . Für all diese Themen trägt unser Ministerium
Verantwortung . Es ist für mich, für uns das Lebensminis-
terium . Dies ist in der Rede von Ihnen, lieber Herr Mi-
nister, ganz deutlich geworden . Wir stellen Ihnen heute
die Mittel für die Umsetzung Ihrer politischen Agenda
mit den Schwerpunkten Ernährung und gesundheitlicher
Verbraucherschutz zur Verfügung . Glück auf!


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es handelt sich hier um einen bedeutenden Betrag . Da
bin ich etwas anderer Meinung als Sie, Frau Thissen . Wir
waren als Koalitionsfraktionen eigentlich gemeinsam
sehr stolz darauf, dass wir hierfür 150 Millionen Euro
einbringen können . Das ist ein Spitzenwert . Vielleicht
schauen Sie sich den Haushalt noch einmal an . Dann
werden Sie erkennen, dass viele Mittel durch die land-
wirtschaftliche Sozialversicherung gebunden sind .


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Wir schenken ihr eine Lupe!)


Das ist ähnlich wie beim Sozialhaushalt und der gesetz-
lichen Rentenversicherung . Ich denke, dann kommen wir
das nächste Mal hier wieder zusammen .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist unsere Aufgabe, die Menschen in unserem Land
vor gesundheitlichen Gefahren und vor Täuschung zu
schützen . Dieser Aufgabe stellen wir uns übrigens seit
zehn Jahren, und zwar erfolgreich . Lebensmittel sind so
sicher wie nie zuvor, nicht zuletzt dank der hervorragen-

Gitta Connemann






(A) (C)



(B) (D)


den Arbeit von Bundesbehörden wie dem Bundesinstitut
für Risikobewertung, lieber Harald Ebner . Es bewertet
Risiken und leitet Grenzwerte ab . Wir wünschen uns,
dass es bleibt, wie es ist, dass es nicht auf Wunsch oder
den Zuruf der Politik,


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und auch nicht von der Industrie, bitte!)


sondern ausschließlich auf wissenschaftlicher Basis tätig
wird; denn wir brauchen Aufklärung und Fakten


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja, da bin ich bei Ihnen!)


statt Empörung und Vermutungen . Es geht um Men-
schen, und da müssen wir, da müsst ihr der Verantwor-
tung besser gerecht werden als bisher .


(Beifall bei der CDU/CSU)


Die Entscheidung darüber, was auf den Teller kommt,
überlassen wir den Menschen . Deshalb lehnen wir eine
staatliche Bevormundung durch Verbote oder Strafsteu-
ern ab . Dies wurde übrigens gestern Abend bei einem
Kongress unserer Fraktion noch einmal deutlich . Es ging
um die Volkskrankheit Diabetes . Verbote, so die Wissen-
schaft, verlocken oder führen zur Umgehung, und Len-
kungssteuern sind schon in anderen Ländern gescheitert .
Deswegen ist es richtig, dass wir als Koalition einen an-
deren Weg gehen und sagen: Wir nehmen 2 Millionen
Euro zusätzlich in die Hand, um damit eine Strategie zur
Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigproduk-
ten zu entwickeln . Das ist der richtige Weg . Um wirklich
entscheiden zu können, braucht der Verbraucher eines:
Klartext . Es muss draufstehen, was drin ist, und drin sein,
was draufsteht .


(Beifall des Abg . Willi Brase [SPD])


Immerhin kann der Verbraucher zwischen 170 000 Pro-
dukten mit klangvollen Namen wählen .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814015200

Frau Connemann, erlauben Sie eine Zwischenfrage

oder -bemerkung von Herrn Ebner?


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1814015300

Sehr gern .


Harald Ebner (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814015400

Liebe Frau Kollegin, Sie haben das Bundesinstitut für

Risikobewertung und seine Aufgabenstellung angespro-
chen . Da bin ich ganz bei Ihnen . Ich habe vorhin schon
gesagt: Es ist richtig, dass man das Bundesinstitut perso-
nell stärkt; denn gerade bei der Bewertung der Gefähr-
lichkeit von Glyphosat haben wir gesehen,


(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)


dass die personellen Mittel eben nicht ausreichen, um die
Bewertung selber vorzunehmen .

Das kann man im Bericht des Bundesinstituts nach-
lesen . Das Bundesinstitut hat geschrieben, dass es bei
850 von 1 250 Studien die Bewertung der Antragsteller

übernommen hat, ohne selber zu prüfen . Es musste in der
nachgelegten Untersuchung und Bewertung sogar zuge-
ben, dass es gar nicht bemerkt hatte, dass bei etlichen
Mäusestudien statistische Verfahren, die notwendig ge-
wesen wären, gar nicht durchgeführt worden sind . Das
BfR hat dann, als der Zug eigentlich schon abgefahren
war, noch einmal geprüft und festgestellt: Die Bewertung
war falsch .

Insofern bin ich ganz bei Ihnen: Da soll die Politik
nicht reinpfuschen, da soll auch die Industrie nicht rein-
pfuschen . Auf dem Weg müssen wir uns weiter bewegen .


(Beifall der Abg . Friedrich Ostendorff [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])



Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1814015500

Lieber Harald Ebner, du weißt, dass ich dich persön-

lich wirklich schätze . Aber du versuchst jetzt, von dem
abzuweichen, was du bei der Anhörung zum Thema Gly-
phosat geliefert hast, und das war ein wirklich trauriges
Schauspiel . Das BfR ist nämlich nicht fachlich, sondern
politisch-ideologisch angegriffen worden, weil es zu ei-
nem Ergebnis gekommen ist, das dir nicht passt .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist Quatsch! – Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt nicht!)


Wenn wissenschaftliche Behörden am Ende die Ergeb-
nisse so gestalten müssen, dass sie nur noch Applaus
von der Politik erhalten, dann ist das falsch . Es geht aus-
schließlich um Wissenschaftlichkeit .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD – Zuruf von der CDU/CSU: Das will er nicht hören!)


Dass das BfR nicht danebengelegen hat, zeigt die Ent-
scheidung der EFSA, der europäischen Gesundheitsbe-
hörde, gerade in Sachen Glyphosat .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die das eins zu eins übernommen hat!)


Wenn du jetzt unterstellen willst, dass sich auch die
EFSA und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaft-
ler dort in den Befunden, die über Jahre hinweg geliefert
worden sind, und den vielen Gutachten, die vorliegen,
getäuscht haben, kann ich nur sagen: Du machst dir so
ein Stückchen deine Welt, wie sie dir gefällt .


(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es war ein Zitat, das ich gebracht habe!)


Oder um es mit Karl Marx zu sagen: Niemand ist so taub,
dass er es nicht hören will .


(Beifall bei der CDU/CSU – Abg . Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


Gitta Connemann






(A) (C)



(B) (D)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814015600

Ich bitte angesichts der Zeit – wir sind arg im Ver-

zug –, auf weitere Zwischenfragen zu verzichten .


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)


Wir werden sicherlich nicht die letzte Auseinanderset-
zung in dieser schönen Runde haben . – Ich bitte sehr
darum .


(Bärbel Höhn [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist aber noch ein wichtiger Punkt!)


– Ja, ich weiß, dass das ein wichtiger Punkt ist; aber wir
sind unglaublich in Verzug .

Gitta, erlauben Sie die Zwischenfrage?


(Manfred Grund [CDU/CSU]: Manche Zwischenfragen sind so schlecht, dass man sie durch Antworten nicht stören sollte!)


– Nein, die Qualität der Frage ist eine ganz andere Sa-
che . – Frau Connemann kann jetzt Ja oder Nein sagen .


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1814015700

Sehr gern, Frau Präsidentin .


Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814015800

Gut . Aber ich sage an alle Kollegen gerichtet – wir

sind richtig spät dran, und wir haben noch eine Abstim-
mung durchzuführen –: Bitte keine weiteren Fragen! An-
sonsten lasse ich sie nicht mehr zu .

Bärbel Höhn, bitte .


Bärbel Höhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814015900

Frau Kollegin Connemann, Sie haben eben gesagt, in

der Anhörung sei das BfR nur ideologisch angegriffen
worden . Ich war selber da und weiß, dass die beiden Ex-
perten aus den USA das BfR eindeutig fachlich angegrif-
fen haben . Können Sie das bestätigen – ja oder nein?


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1814016000

Ich war nicht bei der Anhörung .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gitta, was ist das denn jetzt? Das ist ja interessant!)


Ich habe das Protokoll gelesen, und ich habe die Anhö-
rung gesehen, die aufgezeichnet worden ist .


(Nicole Maisch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann haben Sie die Aufzeichnungen der amerikanischen Experten gesehen!)


– Noch einmal: Ich habe die Anhörung gesehen, auch
wenn ich nicht dagewesen bin . – Die Wissenschaftler,
die Sie anführen, haben gesagt – da haben Sie natürlich
recht –: Das BfR hat an dieser Stelle Fehler gemacht . –
Es gab aber andere Wissenschaftler, die genau das Ge-
genteil gesagt haben .


(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die waren von Monsanto bezahlt!)


Am Ende ist für mich die Bewertung durch die EFSA
wichtig, und die oberste europäische Gesundheitsbe-
hörde – das sage ich noch einmal – hat gesagt, dieser
Bewertung durch das BfR sei nichts hinzuzufügen . Ich
bitte einfach darum: Nur die Tatsache, dass Ihnen ein
Ergebnis nicht gefällt, darf nicht dazu führen, dass am
Ende die Politik die Seriosität einer ganzen Behörde in
Abrede stellt .


(Beifall bei der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814016100

Frau Connemann, es geht weiter mit Ihrer Redezeit .

Sie haben noch eine Minute .


Gitta Connemann (CDU):
Rede ID: ID1814016200

Die Leitsätze im Lebensmittelbuch sollen Orientie-

rung geben . Viele sind aber nicht mehr nachvollziehbar .
Zucker darf sich nicht hinter chemischen Formeln verste-
cken . Auch ein Muskatwürzer ohne Muskat stiftet Ver-
wirrung . Das beweisen die Beiträge auf dem Internetpor-
tal Lebensmittelklarheit . Auch um dessen Finanzierung
zu sichern, stellen wir den Verbraucherzentralen 3 Milli-
onen Euro bereit . Das ist gut investiertes Geld . Wir arbei-
ten auch an einer Reform des Lebensmittelbuchs, liebe
Kollegin Vogt, liebe Kollegin Drobinski-Weiß, lieber
Kollege Rainer . Es hat sich bewährt, aber es ist in die
Jahre gekommen . Eines wünschen wir uns schon heute,
lieber Minister: eine bessere personelle und finanzielle
Ausstattung . Dafür müssten sich doch entsprechende Ka-
pazitäten in der BLE finden lassen.


(Beifall der Abg . Cajus Caesar [CDU/CSU] und Ute Vogt [SPD])


Informationen dürfen aber auch nicht überfordern . Ein
Karottensaft braucht keinen Beipackzettel, die Cortison-
salbe schon, und zwar lesbar und auf Deutsch . Dafür ha-
ben Sie, lieber Herr Minister, bei Lebensmitteln gesorgt .
Aber es gibt noch einiges zu tun . Ich nenne als Beispiel
die verlässlichen Herkunftsangaben . Nur was aus deut-
schen Landen kommt, darf diese Kennzeichnung auch
tatsächlich tragen . Der Anfang ist getan . Wir müssen
noch mehr tun, zum Beispiel beim verarbeiteten Fleisch .
Wir setzen hier auf die EU; sie muss sich bewegen .

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in drei Tagen ist der
erste Advent . Wir begannen mit Plätzchen, und ich wün-
sche Ihnen eine besinnliche Adventszeit mit selbstgeba-
ckenen Plätzchen – ob nun aus Hack oder aus Mürbeteig;
über Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten .

Vielen Dank .


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814016300

Vielen Dank, Gitta Connemann . – Nächste Rednerin

für die SPD: Ursula Schulte .


(Beifall bei der SPD sowie des Abg . Dieter Stier [CDU/CSU])







(A) (C)



(B) (D)



Ursula Schulte (SPD):
Rede ID: ID1814016400

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi-

nister Schmidt! Sehr verehrte Damen und Herren auf der
Tribüne! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Blick
in den Einzelplan 10 habe ich gedacht: Wunderbar, wir
stehen kurz vor Weihnachten, und ein Wunsch geht in
Erfüllung . – Ich meine damit nicht die Hofabgabever-
pflichtung,


(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)


um die wir lange gerungen haben und die mich noch im
Schlaf verfolgt . Nein, ich meine die Mittel, mit denen wir
gesunde Ernährung fördern wollen .

2 Millionen Euro hat das Bundesministerium für Er-
nährung und Landwirtschaft für eine nationale Strategie
zur Reduktion von Zucker, Fetten und Salz in Fertigpro-
dukten in den Haushalt 2016 eingestellt . Herr Minister,
das ist eine gute Entscheidung .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Die SPD-Fraktion freut sich darüber besonders, weil
wir uns lange für diese Reduktionsstrategie eingesetzt
haben . Ein besonderer Dank gilt meiner Kollegin Elvira
Drobinski-Weiß, die lange und heftig dafür gekämpft hat .
Herzlichen Dank!


(Beifall bei der SPD)


Eine nationale Strategie zur Reduktion von Zucker,
Fetten und Salz in Fertigprodukten ist eine wichtige
Präventionsmaßnahme im Kampf gegen chronische Er-
krankungen und Fehlernährung . Dass diese Maßnahme
zwingend notwendig ist, das zeigen Studien der WHO .
Demnach sind Übergewicht und Fettleibigkeit die größ-
ten Risiken für die Gesundheit der Menschen . Ich will
Sie heute nicht mit Zahlen langweilen, liebe Kolleginnen
und Kollegen; eine kann ich Ihnen aber nicht ersparen . In
den letzten 20 Jahren hat sich der Anteil der übergewich-
tigen Menschen verdreifacht . Leider nimmt auch der An-
teil der Kinder und Jugendlichen mit Übergewicht stetig
zu . Schon ihretwegen müssen wir schnell, langfristig und
vor allem nachhaltig handeln .


(Beifall bei der SPD)


Ein Baustein könnte das Institut für Kinderernährung
sein, das schon wichtige Beiträge zur Förderung der Ge-
sundheit von Kindern geleistet hat und alltagstaugliche
Empfehlungen für eine gesunde Ernährung auf den Weg
gebracht hat . Genau das ist es doch, was Familien, Kitas
und Schulen heutzutage brauchen . Lassen Sie uns also
gemeinsam versuchen, dieses Institut zu erhalten! Ein
Bundesinstitut für Ernährung wäre vielleicht eine Lö-
sung . Herr Minister, Ihr Lächeln, als Herr Freese vorhin
ein solches Institut erwähnt hat, deute ich so, dass auch
Sie sich eine solche Lösung vorstellen könnten .


(Beifall bei der SPD)


Mit dem Antrag „Gesunde Ernährung stärken – Le-
bensmittel wertschätzen“ hat die Koalition eine Initiative
gegen den Anstieg ernährungsbedingter Erkrankungen
gestartet . Die Reduktionsstrategie war allerdings nur ein
Teilelement. Verpflichtende Qualitätsstandards für Kita-

und Schulverpflegung sowie Werbeverbote für ungesun-
de Lebensmittel an Grundschulen und Kitas sind weitere
Forderungen, die umgesetzt werden müssen, wenn wir
gesunde Ernährung für unsere Jüngsten wirklich wollen .


(Beifall bei der SPD)


Das sind übrigens alles Forderungen aus der Praxis, die
während der großen, von der SPD initiierten Verbrau-
cherkonferenz im Juli dieses Jahres an uns herangetragen
wurden .

Sehr geehrter Herr Minister Schmidt, vorhin habe ich
Sie gelobt . Jetzt muss ich allerdings auch ein bisschen
Kritik anbringen; denn auf unserem Wunschzettel stehen
noch einige Punkte, die wir gerne erfüllt sähen . An obers-
ter Stelle steht der Fokus auf die Ernährung von Kindern
in den ersten beiden Lebensjahren, dem sogenannten
1 000-Tage-Fenster . Wer in dieser Phase seines Lebens
falsch oder mangelernährt wird – auch das soll es bei uns
in Deutschland noch geben –, hat massive Konsequenzen
für seine körperliche und geistige Entwicklung zu tra-
gen, und zwar sein Leben lang . Wenn wir unseren Antrag
„Gesunde Ernährung stärken – Lebensmittel wertschät-
zen“ wirklich ernst nehmen, dann müssen wir gerade in
diesem Bereich verstärkt investieren .


(Beifall bei der SPD)


Schließlich wissen wir schon lange, dass Kinder aus bil-
dungsfernen und einkommensschwachen Familien von
Fehlernährung besonders betroffen sind . In unserem be-
reits erwähnten Antrag steht, dass es eine Frage sozialer
Gerechtigkeit ist, allen Kindern eine gesunde Ernährung
zu ermöglichen . Wenn dieser Satz nicht nur ein Lippen-
bekenntnis bleiben soll, müssen wir endlich tätig werden .


(Beifall bei der SPD)


In der Konsequenz bedeutet das für mich, dass wir
Geld in die Hand nehmen und für eine gesunde und teil-
weise auch kostenlose Verpflegung in Kitas und Ganz-
tagsschulen sorgen müssen . Wichtig ist mir aber auch,
unsere Kinder und Jugendlichen in Sachen Ernährung
zu bilden . Kinder müssen schon in der Kita erfahren,
wie man gesundes Essen schmackhaft zubereitet . Dieses
Wissen sollte in der Schule vertieft werden . So werden
Kinder auch ein wenig zu Erziehern ihrer Eltern . In Zei-
ten von Fastfood, Fingerfood, Fertiggerichten und Coffee
to go müssen wir aufpassen, dass so etwas wie Esskultur
übrig bleibt .


(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Da haben Sie recht!)


Gemeinsame Mahlzeiten sind nicht etwa altmodisch,
sondern eine Möglichkeit, miteinander Zeit zu verbrin-
gen .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unsere Aufgabe ist es, bessere Bedingungen für eine
gesunde Ernährung zu schaffen . Dazu gehört auch die
Information der Verbraucherinnen und Verbraucher . Je
einfacher die Information ist, umso besser . Auch ich habe
keine Lust, mir lange winzig klein gedruckte Aufschrif-
ten auf Verpackungen durchzulesen . Daher sollten wir






(A) (C)



(B) (D)


gemeinsam noch einmal über die Einführung einer Le-
bensmittelampel nachdenken . Damit erreichen wir dann
ganz sicher alle Bevölkerungsschichten .


(Beifall bei der SPD und der LINKEN)


Ein Haushalt – damit komme ich zum Schluss – ist in
Zahlen gegossene Politik . Aus Sicht der Verbraucherin-
nen und Verbraucher haben wir mit dem Ansatz für die
Reduktionsstrategie einen weiteren Schritt in die richti-
ge Richtung unternommen . Natürlich gibt es noch viel
zu tun . Die SPD-Fraktion wird die Hände nicht in den
Schoß legen, sondern sich für weitere Mittel im Verbrau-
cherbereich einsetzen .

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814016500

Danke schön, Frau Kollegin Schulte . – Die letzte Red-

nerin in der Debatte: Rita Hagl-Kehl für die SPD .


(Beifall bei der SPD)



Rita Hagl-Kehl (SPD):
Rede ID: ID1814016600

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Mi-

nister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In der Debatte
zum Haushalt dürfen natürlich auch die Themen „nach-
haltige Landwirtschaft“ und „zukunftsfähige Agrar-
politik“ nicht fehlen . Für die SPD-Bundestagsfraktion
steht eine nachhaltige, zukunftsfähige Entwicklung in
der Landwirtschaft im Vordergrund . Der Schwerpunkt
unserer Politik liegt auf der Gesundheit von Menschen
und Tieren sowie auf den Folgen der Landwirtschaft für
die Umwelt . Deswegen sprechen wir uns für eine nach-
haltige und ressourcenschonende Agrarpolitik aus, die
dazu beiträgt, einen gesunden und fruchtbaren Boden zu
erhalten sowie gesunde und qualitativ hochwertige Le-
bensmittel zu produzieren .


(Beifall bei der SPD – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hört sich schon mal gut an!)


Um die Agrarpolitik in diesem Sinne gestalten zu kön-
nen, benötigen wir mehr Forschung, auch mehr Förder-
mittel, um die Bundesprogramme und die Strategien der
Bundesregierung zu stärken . Es ist richtig, dass sich das
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
den Bereich „Nachhaltigkeit, Forschung und Innovati-
on“ als einen der wichtigsten politischen Schwerpunkte
gesetzt hat . Vielen Dank dafür . Ich werde auf zwei sehr
wichtige Titel dieses Bereichs konkret eingehen, die ich
für besonders finanzierungswürdig halte.

Erstens: der Titel „Eiweißpflanzenstrategie“. Das Po-
tenzial heimischer Eiweißpflanzen wird in Deutschland
nur unzureichend ausgeschöpft . Mit der Eiweißstrategie
wird das Potenzial von Anbau- und Erntetechniken aus-
geschöpft, ebenso werden die Wettbewerbsnachteile hei-
mischer Eiweißpflanzen vermindert. Aus diesen Gründen
hat sich die SPD stark und im Endeffekt erfolgreich dafür

eingesetzt, diesen Titel im Haushalt 2016 um 2 Millionen
Euro aufzustocken .


(Beifall bei der SPD)


Mit der Eiweißpflanzenstrategie wollen wir die Ge-
winnung wertvoller pflanzlicher Eiweiße aus Legumino-
sen wie Erbsen, Ackerbohnen und Lupinen stärken . Die
Leguminosen sind ein wichtiger Baustein der nachhal-
tigen Landwirtschaft . Sie verbessern sogar die Boden-
fruchtbarkeit . Langfristig brauchen wir Unabhängigkeit
von Importen, zum Beispiel von Gensoja .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Als Zweites möchte ich auf einen Titel eingehen, der
aus meiner Sicht im Haushalt 2016 zu wenig berücksich-
tigt worden ist . Es handelt sich um das Bundesprogramm
Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger
Landwirtschaft, BÖLN genannt . Als für den Ökolandbau
zuständige Berichterstatterin habe ich bereits mehrmals
darauf hingewiesen, wie wichtig dieser Haushaltstitel ist .
Obwohl wir es im Haushalt 2015 geschafft haben, diesen
Titel von 14 auf 17 Millionen Euro aufzustocken, werden
die Fördermittel am Ende des Jahres voll ausgeschöpft
sein .


(Cajus Caesar [CDU/CSU]: Nicht ganz!)


Daran zeigt sich, dass wirklich Bedarf vorhanden ist .
Damit das Bundesprogramm weiterhin gestärkt und ver-
stetigt werden kann, wie im Koalitionsvertrag vereinbart
und festgeschrieben wurde, sind weitere Erhöhungen
notwendig .


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie der Abg . Dr . Kirsten Tackmann [DIE LINKE])


Durch das Bundesprogramm können wir die nachhal-
tige Landwirtschaft stärken; denn wir unterstützen damit
die Erzeugung von ökologischem Saatgut und von Mit-
teln zur vegetativen Vermehrung und schaffen so eine
breite Palette verfügbarer Pflanzensorten und -arten. Das
stärkt die Wirtschaftlichkeit von ökologisch und nachhal-
tig wirtschaftenden Betrieben . Das Programm dient der
Stärkung der ökologischen Land- und Lebensmittelwirt-
schaft und der angestrebten Ausweitung der ökologisch
bewirtschafteten Anbauflächen im Land. In den letzten
zwei Jahren hat sich die Größe dieser Anbauflächen lei-
der nicht verändert . So wird es schwierig, die 20 Prozent
Ökolandbau, die in der nationalen Nachhaltigkeitsstrate-
gie festgelegt worden sind, zu erreichen .

Um verschiedene Formen dieser Landwirtschaft zu
unterstützen, sollen Konzepte und Strategien für eine
noch gezieltere Förderung erarbeitet werden . Das Bun-
desministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat
mit der Ankündigung eines Zukunftsplans Öko erste
Schritte unternommen . Aber damit die Strategie wie an-
gekündigt bis Ende 2016 erarbeitet und umgesetzt wer-
den kann, bedarf es im Ökobereich noch mehr Subventi-
onen und Forschung .

Zum Schluss möchte ich noch kurz auf den Aspekt der
Pflanzenschutzmittelreduktion eingehen. Vorhin wurde

Ursula Schulte






(A) (C)



(B) (D)


bereits das Stichwort „Glyphosat“ genannt . Keine Sorge,
dazu spreche ich nicht . Aber diese Thematik zeigt, dass
wir weiterhin den Nationalen Aktionsplan zur nachhal-
tigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln brauchen.
Hier dürfen wir nicht nachlassen . Wir müssen diesen Ti-
tel verstetigen und dürfen die Mittel nicht zurückführen .
Wir benötigen auch sehr viel Forschung in Bezug auf die
Umsetzung, um neue, sichere Alternativen zu den exis-
tierenden Pflanzenschutzmitteln zu finden und die Land-
wirte noch besser beraten zu können .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dafür werde ich mich einsetzen .

Herzlichen Dank .


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Claudia Roth (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1814016700

Vielen Dank, Frau Kollegin Hagl-Kehl . – Damit

schließe ich die Aussprache .

Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Ein-
zelplan 10 – Bundesministerium für Ernährung und

Landwirtschaft – in der Ausschussfassung . Es liegt ein
Änderungsantrag der Fraktion Die Linke auf Drucksa-
che 18/6802 vor, über den wir zuerst abstimmen . Wer
stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt da-
gegen? – Wer enthält sich? – Der Änderungsantrag ist
abgelehnt durch Ablehnung durch CDU/CSU und SPD
bei Zustimmung der Linken und Enthaltung von Bünd-
nis 90/Die Grünen .

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Einzel-
plan 10 in der Ausschussfassung . Wer stimmt dafür? –
Wer stimmt dagegen? – Enthält sich jemand? – Der Ein-
zelplan 10 ist damit angenommen . Zugestimmt haben die
CDU/CSU und die SPD, dagegengestimmt haben Bünd-
nis 90/Die Grünen und die Linke; es gibt keine Enthal-
tungen .

Wir sind am Schluss unserer heutigen Tagesordnung .

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-
tages auf morgen, Freitag, 27 . November 2015, 9 Uhr,
ein .

Ich wünsche Ihnen einen schönen Restabend . Die Sit-
zung ist geschlossen .