Protokoll:
15059

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 15

  • date_rangeSitzungsnummer: 59

  • date_rangeDatum: 10. September 2003

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: None Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 19:13 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 15/59 Einzelplan 04 Bundeskanzleramt Michael Glos CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . Gerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . Dr. Guido Westerwelle FDP . . . . . . . . . . . . . Katrin Göring-Eckardt BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eckart von Klaeden CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Angela Merkel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Joseph Fischer (Frankfurt) BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Wolfgang Schäuble CDU/CSU . . . . . . . . Gernot Erler SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Werner Hoyer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . Gert Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . . . . . . Peter Hintze CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . Günter Gloser SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4987 C 4994 C 5000 D 5001 C 5002 A 5005 C 5006 D 5010 D 5042 C 5043 D 5044 D 5045 B 5048 C 5049 B 5050 A 5051 D 5054 B 5055 D 5057 D Deutscher B Stenografisch 59. Sitz Berlin, Mittwoch, den 1 I n h a l Nachträgliche Gratulation zum 60. Geburtstag der Abgeordneten Erika Lotz . . . . . . . . . . . . Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundes- regierung eingebrachten Entwurfs ei- nes Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004 (Haushaltsge- setz 2004) (Drucksache 15/1500) . . . . . . . . . . . . . b) Unterrichtung durch die Bundesregie- rung: Finanzplan des Bundes 2003 bis 2007 (Drucksache 15/1501) . . . . . . . . . . . . . D A D D A S E B E J 5036 D 4987 B 4987 B Franz Müntefering SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . Ernst Hinsken CDU/CSU . . . . . . . . . . . . 5018 A 5025 D undestag er Bericht ung 0. September 2003 t : r. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . ntje Hermenau BÜNDNIS 90/ IE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . r. Gesine Lötzsch fraktionslos . . . . . . . . . . rnold Vaatz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . teffen Kampeter CDU/CSU . . . . . . . . . . . . rika Lotz SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ernhard Kaster CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . inzelplan 05 Auswärtiges Amt oseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . 5027 B 5028 D 5030 B 5032 A 5033 C 5035 B 5036 D 5038 D Dr. Gerd Müller CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Uta Zapf SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5059 C 5061 B II Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. September 2003 Petra Pau fraktionslos . . . . . . . . . . . . . . . . . . Lothar Mark SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Joachim Hörster CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Einzelplan 14 Bundesministerium der Verteidigung Dr. Peter Struck, Bundesminister BMVg . . . . Dietrich Austermann CDU/CSU . . . . . . . . . . Reinhold Robbe SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . Winfried Nachtwei BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Günther Friedrich Nolting FDP . . . . . . . . Hans Raidel CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . Ulrike Merten SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Thomas Kossendey CDU/CSU . . . . . . . . . . . Einzelplan 23 Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . Jochen Borchert CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Markus Löning FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Karin Kortmann SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . Peter Weiß (Emmendingen) CDU/CSU . . . . Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . Detlef Dzembritzki SPD . . . . . . . . . . . . . . . . Dr. Ralf Brauksiepe CDU/CSU . . . . . . . . . . Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 5063 A 5063 D 5065 A 5066 B 5069 A 5071 B 5072 D 5073 B 5075 C 5077 A 5078 A 5080 A 5081 D 5084 B 5086 D 5088 C 5090 A 5091 A 5091 C 5092 D 5094 A 5094 B 5095 D 5097 C 5099 A Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. September 2003 4987 (A) ) (B) ) 59. Sitz Berlin, Mittwoch, den 1 Beginn: 9.0
  • folderAnlagen
    Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 10. September 2003 5099 (A) (C) (B) ) Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich Carstensen (Nordstrand), Peter H. CDU/CSU 10.09.2003 Daub, Helga FDP 10.09.2003 Fritz, Erich G. CDU/CSU 10.09.2003*** Lensing, Werner CDU/CSU 10.09.2003 Dr. Leonhard, Elke SPD 10.09.2003 Letzgus, Peter CDU/CSU 10.09.2003* Müller (Düsseldorf), SPD 10.09.2003 Abgeordnete(r) entschuldigt biseinschließlich * ** ** Dr. Fuchs, Michael CDU/CSU 10.09.2003*** Goldmann, Hans- Michael FDP 10.09.2003 Dr. Happach-Kasan, Christel FDP 10.09.2003 Hartnagel, Anke SPD 10.09.2003 Heinrich, Ulrich FDP 10.09.2003 Höfken, Ulrike BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2003 Hoppe, Thilo BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2003 Hustedt, Michaele BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2003 Jonas, Klaus Werner SPD 10.09.2003** Kopp, Gudrun FDP 10.09.2003 Künast, Renate BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN 10.09.2003 Dr. Kues, Hermann CDU/CSU 10.09.2003 Laurischk, Sibylle FDP 10.09.2003 P R S S T D W D W D (D für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versamm- lung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union * für die Teilnahme am Parlamentariertreffen der Interparlamentari- schen Union Michael flug, Johannes SPD 10.09.2003*** auber, Helmut CDU/CSU 10.09.2003** chmidt (Fürth), Christian CDU/CSU 10.09.2003 inghammer, Johannes CDU/CSU 10.09.2003 rittin, Jürgen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10.09.2003 r. Uhl, Hans-Peter CDU/CSU 10.09.2003 eisheit, Matthias SPD 10.09.2003 r. von Weizsäcker, Ernst Ulrich SPD 10.09.2003 inkler, Josef Philip BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 10.09.2003 *** r. Wodarg, Wolfgang SPD 10.09.2003* 59. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 10. September 2003 Inhalt: Redetext Anlage zum Stenografischen Bericht Anlage 1
Gesamtes Protokol
Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505900000

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Sitzung ist eröffnet.
Der Kollege Gerhard Rübenkönig hat sein Amt als

Schriftführer niedergelegt. Die Fraktion der SPD be-
nennt als Nachfolgerin die Kollegin Rita Streb-Hesse.
Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Wider-
spruch. Damit ist die Kollegin Streb-Hesse als Schrift-
führerin gewählt.

Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesord-
nungspunkt 1 – fort:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung ein-
gebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2004

(Haushaltsgesetz 2004)

– Drucksache 15/1500 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundes-
regierung

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Redet
Finanzplan des Bundes 2003 bis 2007
– Drucksache 15/1501 –
Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

Ich erinnere daran, dass wir gestern für die heutige
Aussprache achteinhalb Stunden, für morgen acht Stun-
den und für Freitag eineinhalb Stunden beschlossen ha-
ben.

Wir kommen zum Geschäftsbereich des Bundes-
kanzleramtes.

Als erster Redner hat der Kollege Michae
der CDU/CSU-Fraktion das Wort.


(Beifall bei der CDU/CSU)


(C (D ung 0. September 2003 0 Uhr Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und erren! Vor einem Jahr konnten die Deutschen einen euen Bundestag wählen. Heute würden sie es gerne ieder tun. Ich bin mir sicher: Sie würden sich ganz aners entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Beleidigte Leberwurst!)

Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1505900100

Das zurückliegende Jahr war ein verlorenes Jahr für
eutschland. Unser Land befindet sich dank der glorrei-
hen Führung von Rot-Grün in der schwersten Wirt-
chaftskrise seiner Geschichte. Massenarbeitslosigkeit,
tagnation, riesengroße Löcher in den öffentlichen
aushalten und leere Sozialkassen kennzeichnen die
age. Herr Bundeskanzler, Deutschland ist nicht mehr in
er Champions League, sondern in der Abstiegsklasse.
er Finanzminister ist zum Herrn der Löcher mutiert,
om ehemaligen selbst ernannten Sanierer zu einem
ann, der über seinen Haushalt sagen muss, er war noch
ie so voller Risiken wie heute. Das hat auch die gestrige
ebatte gezeigt.
Herr Bundeskanzler, weil wir gerade beim Thema

ußball sind, möchte ich feststellen: Sie haben manches

ext
mit Rudi Völler gemeinsam. Sie sind Chef einer erfolg-
losen Mannschaft.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das wird sich heute Abend zeigen! – Weitere Zurufe von der SPD)


Vor allen Dingen sprechen Sie aber die gleiche Sprache
wie Rudi Völler. Über die Grünen haben Sie nämlich ge-
sagt, Sie fänden sie zum Kotzen. Sie hätten wenigstens
das Wort „Erbrechen“ verwenden können.


(Lachen bei der SPD)

hen, dass es einem hochkommt, wenn
hen Partner hat und wenn man sich mit
nd Herren abgeben muss. Zumindest ist
Ihnen herausgebrochen.
l Glos von Ich kann versteman einen solc
diesen Damen u
dieses Wort aus






(A) )



(B) )


Michael Glos


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Und das ausgerechnet von Ihnen! Der bayerische Knigge!)


Bis zum Wahlabend vor einem Jahr ist die Lage
schöngeredet worden. „Weiter so, Deutschland“ und
„mit ruhiger Hand“, hieß es. Deutlich unter 3,5 Millio-
nen Arbeitslose, das war Ihre Zielvorgabe, Herr Bundes-
kanzler. Wir haben heute 660 000 Arbeitsplätze weni-
ger in diesem Land als vor einem Jahr. Ich darf zitieren,
was damals versprochen wurde:

Wenn es uns nicht gelingt, in den ersten Jahren ei-
nen Durchbruch zu erzielen, haben wir nicht ver-
dient, weiter zu regieren.

Dieses Wort gilt heute, nach fünf Jahren, noch genauso.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Die Leute wollten nicht von euch regiert werden!)


Die Wahlversprechen werden vom Tisch gewischt.
Aufschwung, Wachstum, mehr Beschäftigung, ausgegli-
chener Haushalt, gesicherte Sozialleistungen, stabile
Sozialbeiträge – all das ist vergessen. Doch weil die Bür-
gerinnen und Bürger viele dieser großspurigen Verspre-
chungen nicht vergessen haben, meinen sie oft, sie seien
Zuschauer in einem falschen Film. In der Geschichte un-
seres Landes wurden die Menschen noch nie derart skru-
pellos hinters Licht geführt, wie es bei der Bundestags-
wahl im letzten Jahr der Fall war.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Machen wir uns nichts vor: Die neue Mitte, um die
Sie damals geworben haben, hätte Sie nicht gewählt,
wenn sie gewusst hätte, wie stark die Sozialversiche-
rungsbeiträge ansteigen und dass die Beitragsbemes-
sungsgrenze heraufgesetzt würde. Der Deutsche Ge-
werkschaftsbund hätte Ihnen keine millionschwere
Wahlhilfe gegeben, wenn er gewusst hätte, was mit der
Agenda 2010 kommt. Ich will damit nicht sagen, dass
das alles nicht auch ein Stück weit sein muss; man muss
das den Wählerinnen und Wählern aber vorher sagen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat die CDU denn gesagt?)


Verehrter Herr Bundeskanzler, verschiedene Leute
haben mir gesagt, ich solle heute ein bisschen netter zu
Ihnen sein. Ich will das gerne tun: Ich bedanke mich bei
Ihnen ganz herzlich für die Wahlhilfe, die Sie uns in
Bayern geben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich finde das großartig und eindrucksvoll. Dank der
schlechten Politik, die Sie hier, in Berlin, machen, wer-
den wir in Bayern ein gutes Wahlergebnis einfahren.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Nicht nur deswegen!)


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(C (D s ist bekannt, dass Sie „out of Rosenheim“ nicht auftreen dürfen. Rosenheim hat eine CSU-Oberbürgermeistein. Weil die CSU liberal und tolerant ist, (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ist es! Deswegen brauchen wir keine FDP!)


aren Sie dort willkommen. In München wurden Sie
on Herrn Ude und in Nürnberg von Herrn Maly ausge-
aden. Grund dafür war in erster Linie, dass die Finanz-
age der Kommunen dank einer dilettantisch gemachten
örperschaftsteuerreform mindestens genauso deso-
at, wenn nicht noch desolater ist als die des Bundes und
er Länder. Deutschland wird bald zur körperschaftsteu-
rfreien Zone. Außerdem wurden Sie ausgeladen, weil
an sich Ihre Erfolgslosigkeit nicht an die Backe kleben
ill.
Das wird den Genossinnen und Genossen dort aber
enig helfen. Sie handeln so verkehrt, wie man verkehr-
er nicht handeln kann: Sie entscheiden sich weder für
och gegen diese Bundesregierung. Die Wählerinnen
nd Wähler wollen aber klar wissen, woran sie sind. Ich
laube, den Genossinnen und Genossen in Bayern droht
as gleiche Schicksal, das unser Land insgesamt ergrif-
en hat: Sie werden in eine tiefe Rezession abgleiten.
Sie programmieren und plakatieren für viel Steuer-

eld „Deutschland bewegt sich“. Diese Kampagne ist
einer Ansicht nach ein Stück weit das Geständnis, dass
s in Deutschland bisher Stillstand gegeben hat.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Vor allem schwarzen!)


m Grunde ist diese Kampagne ein Offenbarungseid der
egierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ch finde es gut, dass Sie Ihre eigenen Fehler mit dieser
ampagne noch bekannter machen.
Die misslungene Steuerreform – die Körperschaft-

teuer ist die Bemessungsgrundlage für die Gewerbe-
teuer – hat neben der Erhöhung der Gewerbesteuerum-
age dazu geführt, dass die Kommunen wegen der
chwachen Wirtschaftslage derart am Krückstock gehen,
ass heutzutage Leistungen, die die Bürgerinnen und
ürger direkt betreffen, gestrichen werden müssen. Da-
an sind nicht die Kommunalverwaltungen, nicht die
ürgermeister oder Oberbürgermeister schuld. Die
chuldigen sitzen vielmehr hier auf der Regierungsbank.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Redet lieber von der Kirch-Pleite! Sie hat München Millionen Gewerbesteuerverluste gebracht!)


Herr Stiegler, es wäre besser, wenn Sie zuhören wür-
en, anstatt zu schreien. Sie müssen wissen, dass man
eim Selber-Reden-und-Schreien nichts lernen kann,
ondern nur beim Zuhören.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Woher kommt der Gewerbesteuerverlust in München?)







(A) )



(B) )


Michael Glos

Ich rufe Ihnen noch einmal in Erinnerung – wenn Sie zu-
hören können –, dass Sie alle unsere Initiativen, mithilfe
derer die finanzielle Situation der Kommunen rasch
hätte verbessert werden können, im Deutschen Bundes-
tag abgeschmettert haben.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Trotz Riester-Rente, Ökosteuer, steigender Beiträge

und höherer Bemessungsgrenze steht die Rentenversi-
cherung vor einem Kollaps. Das macht uns und den
Menschen draußen Sorgen. Ohne unsere Mitarbeit – ich
bedanke mich bei Horst Seehofer und seinen Mitstrei-
tern – stünden die Krankenversicherungsbeiträge eben-
falls vor einer gewaltigen Explosion.

Ohne das Störfeuer aus geschwätzigen Kommissio-
nen wäre die Politik für die Bürger wenigstens ein Stück
weit transparenter. Herr Bundeskanzler, bei Ihrem Hang
zu Kommissionen wäre es passender gewesen, Sie wä-
ren nicht Bundeskanzler, sondern Kommissionspräsident
geworden.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Kommissionen sind ein Ablenkungsmanöver: Deutsch-
land hat kein Erkenntnisdefizit, Deutschland hat ein Um-
setzungsdefizit.

Denken Sie an den immer währenden Herrn Rürup:
Keine Kommission ohne Rürup. Sie wissen, dass er
seine Erkenntnisse schon sehr oft mitgeteilt hat.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben noch nicht einmal Erkenntnisse!)


Wenn Sie es ernst meinen und diese Kommissionen kein
reines Ablenkungsmanöver sein sollen, müssen Sie diese
Erkenntnisse aber auch umsetzen.

Auch wenn die Grünen die neue Lehrerpartei gewor-
den sind, muss man feststellen, dass die SPD immer
noch von den Lehrern geprägt ist. August Bebel hat ein-
mal gesagt, die Lehrer würden die Sozialdemokraten
und die Gewerkschaften einmal kaputt machen.


(Zurufe von der SPD)

Beide Gruppen haben nicht nur ein gewaltiges Umset-
zungsdefizit, sondern wir haben in unserem Land auch
gewaltige volkswirtschaftliche Erkenntnisdefizite. Herr
Bundeskanzler, deswegen müssen Sie zu Sonderparteita-
gen und Regionalkonferenzen. Sie müssen versuchen,
die Menschen dort ein wenig nachzubilden. Das fällt bei
den Betonköpfen in den DGB-Gewerkschaften natür-
lich sehr schwer.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sagen Sie doch mal etwas über Ihre Konzepte!)


Quasseln ersetzt jedenfalls keine Entscheidung.
Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, welche Platte Sie

anschließend vorspielen werden. Sie werden wieder fra-
gen: Wo sind denn Ihre Alternativen?


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das habe ich gerade gefragt!)


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(C (D abei liegen auch im Bundesrat jede Menge Alternatien und Initiativen vor. Bisher ist von Ihnen alles abgechmettert worden. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Man kann doch ein Nichts nicht abschmettern!)


ie rot-grüne Arbeitsmarktpolitik ist doch eine unendli-
he Geschichte von Murks und Widersprüchen.
Nur ein Beispiel: Die Berufung von Herrn Gerster an

ie Spitze der Bundesanstalt für Arbeit sollte ein neues
eitalter einleiten. Heute sind Gersters Umbaupläne
icht einmal mehr eine Fußnote in der deutschen Ar-
eitsmarktpolitik.
Die nächste Wunderwaffe, die dann aktiviert wurde,
ar Herr Hartz. Hartz und Murks – das klingt schon so
hnlich.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zurufe von der SPD: Oh!)


ch hoffe, dass es VW nicht schadet, wenn man diese
inge in eine so nahe Verbindung bringt. Die Zelebra-
ion des neuen Golfs lief unlängst ähnlich ab wie die Ze-
ebration des Hartz-Programms seinerzeit hier in Berlin.
m Interesse unseres Landes hoffe ich nur, dass der neue
olf besser einschlägt als das, was Hartz vorher gezün-
et hat.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Machen Sie doch Reklame für BMW und nicht für VW!)


Die Ich-AG ist nur sehr zäh angelaufen. Die Folgen
ür etablierte Handwerker und Dienstleister bleiben ab-
uwarten. Sie soll eine neue Wunderwaffe sein. Zum
usgleich dafür entzieht man dem Handwerk einen gro-
en Teil seiner Grundlage. Das ist doch eine ungeheuer
idersprüchliche und falsche Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da haben Sie aber schnell mal das Klatschen versucht!)


Von dem Jobfloater wurden 50 000 neue Stellen er-
artet. Es sind nicht einmal 10 000. Auch durch die Per-
onal-Service-Agenturen sollten 50 000 Beschäfti-
ungsverhältnisse entstehen. Bislang sind es gerade
inmal 608. Wissen Sie, was PSA heißt? Es bedeutet:
leite statt Arbeit. Das ist ein Kennzeichen Ihrer Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich sage es

och einmal: Wir haben konkrete Alternativen vorge-
egt.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wo denn?)


ch nenne unsere Vorschläge zur Veränderung des Kün-
igungsschutzes, für betriebliche Bündnisse für Arbeit
nd für die Zusammenführung von Arbeitslosen- und
ozialhilfe mit einer möglichst dezentralen Zuständig-
eit. Wir wollen keine neuen Großbehörden und Büro-
ratien schaffen, wie es Grüne und Sozialisten immer
nstreben.






(A) )



(B) )


Michael Glos


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie warten doch auf die nächste Kommission!)

Wir möchten, dass das bei den Kommunen bleibt und
das sie für die Durchführung und Umsetzung weiterhin
hauptverantwortlich sind.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP] – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie schützen doch die Machtkartelle!)


Wir haben die Neuregelung der 400-Euro-Jobs durch-
gesetzt. Das ist eines der wenigen Dinge, die Erfolg ge-
habt haben. Das stammt aber nicht von Rot-Grün, son-
dern von der Union.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das hat Wolfgang Clement getan!)


Herr Bundeskanzler, Deutschland bewegt sich. Ja,
aber es bewegt sich bis jetzt immer noch in die falsche
Richtung. Bis heute konnte der Anstieg der Sozialversi-
cherungsbeiträge nicht gestoppt werden. Die Löcher in
den öffentlichen Haushalten wachsen von Monat zu Mo-
nat und die Wirtschaft stagniert seit über zwei Jahren.
Nach gängiger Definition bezeichnet man einen Rück-
gang in zwei Quartalen hintereinander als Rezession.
Die Arbeitslosenzahl bricht einen traurigen Rekord nach
dem anderen. Für den Niedergang sind diejenigen ver-
antwortlich, die auf der Kommandobrücke dieses Lan-
des stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Bundeskanzler, deswegen ist es eine Drohung,
dass Herr Fischer und Sie sagen, Sie wollten das nächste
Mal wieder antreten.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Für euch ist das sicherlich eine Drohung!)


– Wenn es nur für uns eine Drohung wäre, wäre es kein
Problem; wir würden damit fertig werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Joseph Fischer, Bundesminister: Nein!)


Deutschland wird aber nicht damit fertig werden. Die
Bürgerinnen und Bürger wollen eine bessere Politik. Ih-
nen ist es vollkommen egal, wer oben steht. Sie sagen:
Tut etwas, verändert etwas und redet nicht nur! Ich habe
die Befürchtung, dass alles bei Ihnen beiden so bleiben
würde, wie es ist, falls Sie, was die Wähler durch ihre
Einsicht verhindern mögen, noch einmal gewählt wür-
den. Das würde für Deutschland einen gewaltigen Scha-
den bedeuten.

Deutschland bewegt sich unter Ihrer Führung, Herr
Bundeskanzler, nicht im Tempo eines Rennpferdes, son-
dern im Tempo einer Schnecke. Das ist das Tempo
Deutschlands. Die Wirtschaft dümpelt vor sich hin.
Clement verkündet: Konjunkturerholung in Sicht. Der
Kanzler sieht Licht am Ende des Tunnels. Wissen Sie,
wenn Sozialdemokraten Licht am Ende des Tunnels se-
hen, dann gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder sehen
sie den Gegenzug – denn bei ihm ist das Licht vorne –

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(C (D der wenn sie ganz sicher sind, dass es ein Licht am nde des Tunnels gibt, dann werden sie den Tunnel mit mmer neuen Vorschlägen und neuen Kommissionen erlängern, wodurch immer mehr Pessimismus ausgeöst wird. (Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP])


Wenn ich den regierungsamtlichen Prognosen Glau-
en schenken darf, dann müssten wir uns eigentlich statt
n einer Rezession in einem Boom befinden; denn für
en Herbst 2003 wurde uns der Wirtschaftsaufschwung
ersprochen. Die Fakten sprechen eine andere Sprache:
0 000 Pleiten und Insolvenzen. Herr Bundeskanzler, es
ibt neue Arbeitsplätze und Investitionen in diesem
and. Es gibt durchaus internationale Unternehmungen,
ie sich in Deutschland neu niederlassen. Das sind näm-
ich diejenigen, die sorgfältiger Marktanalysen betrei-
en, als das bei Ihnen der Fall ist. Ich meine die Zunft
er Konkurs- und Insolvenzanwälte. Auch internationale
anzleien dieser Art lassen sich nun verstärkt in
eutschland nieder, weil sie wissen, dass ihnen Rot-
rün Arbeit gibt und sie gewaltig Geld verdienen lässt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die einzige Hoffnung, die Ihnen noch bleibt und die

mmer wieder beschworen wird, ist die Hoffnung auf ei-
en Aufschwung in den USA. Wenn dieser eintrifft
dies wird ein Stück weit geschehen –, wird dies aber in
eutschland ein Aufschwung ohne Schwung werden,
eil unsere Wirtschaftsschwäche hausgemacht ist. Sie
ommt nicht von den internationalen Märkten her, son-
ern sie resultiert, wie gesagt, aus dem Verschieben von
eformen und Veränderungen, die wir brauchen. Dies
ührt zu einem Vertrauensverlust bei den Bürgerinnen
nd Bürgern. Die Sprunghaftigkeit und die mangelnde
ahrhaftigkeit der rot-grünen Regierung haben
eutschland in diese Vertrauensfalle geführt. Es ist un-
eheuer schwierig, verlorenes Vertrauen wiederzuge-
innen.
Der Attentismus der Verbraucher und Investoren

st eine zwangsläufige Folge Ihrer Politik. Die Menschen
n diesem Lande schauen und warten, statt zu handeln,
eil sie Ihren Ankündigungen keinen Glauben schen-
en. Es hat sich im Land zu sehr der Eindruck verfestigt:
ie in Berlin Regierenden haben den Überblick verlo-
en.
Dazu gibt es ein ganz konkretes Beispiel, Herr Bun-

eskanzler. Ich habe unlängst zufällig im ZDF die Sen-
ung „logo!“ eingeschaltet. Dort sind Sie von ein paar
indern befragt worden. Die erste Frage war, ob Sie
irklich den Ausdruck „kotzen“ verwendet haben. Die-
er Ausdruck hat den Kindern schon Probleme bereitet,


(Lachen bei der SPD)

eil sie offensichtlich aus Familien kommen, in denen
ine solche Sprache nicht gebraucht wird. Sie haben das
in bisschen heruntergespielt.


(Zurufe von der SPD: Oh! – Weitere Zurufe von der Regierungsbank)







(A) )



(B) )


Michael Glos

– Herr Struck, an Ihrer Stelle wäre ich ganz ruhig.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Er hat doch gar nichts gesagt!)


Sie haben unlängst in einer Talkshow ein noch viel
schlimmeres Wort in den Mund genommen.


(Lachen bei der SPD)

– Jetzt hören Sie doch einen Moment zu! – Kommen wir
wieder zurück zu Zahlen. Über Zahlen lässt sich viel
schwieriger streiten. Herr Bundeskanzler, Sie sind von
einem kleinen Jungen auch gefragt worden: Wie viel
verdienen Sie, Herr Bundeskanzler? Er wollte eigentlich
wissen, wie viel Sie bezahlt bekommen. Was Sie verdie-
nen, steht auf einem ganz anderen Blatt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)


Sie haben als Erstes gesagt, man müsse Ihre Frau fragen.
Auch bei mir ist dies bei konkreten Dingen ein Stück
weit der Fall.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch schon peinlich, was Sie da veranstalten!)


– Das ist nicht peinlich, sondern typisch. – Danach ha-
ben Sie die Zahl von 10 000 Euro im Monat genannt.
Nun weiß man, dass es bei der SPD mit brutto und netto
immer große Probleme gibt. Aber es ist in Gesetzen
nachzulesen – das Einkommen von Abgeordneten und
Regierungsmitgliedern ist transparent –, dass Sie circa
das Zweieinhalbfache bekommen.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Brutto oder netto?)


– Ich weiß das schon. Aber wir sind noch nicht bei
70 Prozent Steuern und Abgaben in diesem Land. Wenn
Sie aber noch eine Weile weiterregieren, werden wir auf
70 Prozent oder mehr kommen. Dann kann es passieren,
dass aus 25 000 Euro brutto 10 000 Euro netto werden.

Regieren hat aber auch etwas mit Detailkenntnis zu
tun. Entweder fehlen Ihnen wirklich die Kenntnisse über
die Zusammenhänge, was ich nicht glaube, oder Ihnen
fehlt der Mut, das zu sagen, was richtig ist, aber im Mo-
ment vielleicht nicht opportun erscheint.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Mit dieser Regierung – das sage ich noch einmal,

auch wenn Sie noch so laut rufen – kommt Deutschland
nicht auf die Füße. Es fehlt an Innovationen, an Mut zum
Risiko und echtem Gründergeist. Die Saat der Leis-
tungsfähigkeit der 68er-Bewegung ist aufgegangen.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Genau!)

Rot und Grün verfahren heute nach dem Motto: Haltet
den Dieb! Dafür gibt es eine Reihe von Beispielen.

Frau Bulmahn beklagt die verbreitete Bildungsschwä-
che, obwohl sie die Bildungsministerin ist. Dann soll sie
doch etwas dagegen tun. Frau Ministerin Künast belei-
digt gleichzeitig den öffentlichen Dienst, indem sie
sagt, die Leistungen der Schüler würden allenfalls noch
für den öffentlichen Dienst ausreichen. Herr

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(C (D üntefering, Sie haben unlängst – ich glaube, ich habe s im „Handelsblatt“ gelesen – beklagt, dass Deutschnd zu technologiefeindlich sei und dass wir zu wenig aturwissenschaftler hätten – was ja auch stimmt. Auch as erinnert an den Spruch: Haltet den Dieb! Wer ist denn die Ursache dafür? Warum ist das so in nserem Land? Es ist doch wie bei Goethes „Zauberlehrng“: „Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los. n die Ecke, Besen! Besen!“ as läuft doch alles nicht. Sie haben diese Technikfeindchkeit, diese Zukunftsangst, diese Skepsis und den angelnden Mut in unserer Gesellschaft zu verantworn. Das war nie Unionspolitik, sondern das war die Polik, die die Grünen nach oben gespült hat. Herr Bundesanzler, Ihr größtes Problem ist, auch wenn Herr Fischer tzt umgeschwenkt ist – – Wenn jemand durch Leistung ach vorne kommt, dann habe ich großen Respekt. Aber it Menschen, deren Leben zu große Brüche aufweist, abe ich Probleme. (Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


(Zurufe von der SPD: Oh!)

err Fischer, für mich stellt sich überhaupt die Frage, ob
ie sich wirklich verändert haben oder ob Sie Ihr Ra-
aukentum nur auf einem höheren Niveau weiterpfle-
en.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben heute wohl nichts zu sagen!)


as weiß auch seine eigene Partei. Sie wissen doch, wie
r mit Ihnen umgeht, wenn ihm irgendetwas nicht ge-
ällt.
Es ist die Saat der 68er-Bewegung, die dafür sorgt,

ass unser Land da ist, wo es heute steht.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Es ist doch alles noch peinlicher! Nur weiter so, Herr Glos! – Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)


Herr Präsident, darf ich Sie bitten, für Ruhe auf der
egierungsbank zu sorgen? Es reicht, wenn von den Ab-
eordnetensitzen der SPD bewusst gestört wird.
Auch die Sozialdemokraten sind vielen Irrtümern er-
gen. Die Geschichte der Sozialdemokratie ist eine Ge-
chichte von Irrtümern und von Zu-spät-Kommen. Sie
inken den Entwicklungen hinterher.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Die Geschichte der Schwarzen ist eine Geschichte der Katastrophen, lieber Mann!)


Hören Sie es sich doch an, bevor Sie Nein sagen! –
as Godesberger Programm ist zu spät gekommen. Der
ug war schon weit gefahren, als Sie erkannt haben, dass
ie soziale Marktwirtschaft das richtige Programm ist.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Gucken Sie mal in die Geschichte der Schwarzen in den letzten 100 Jahren!)







(A) )



(B) )


Michael Glos

Das war bei der NATO und der Bundeswehr ebenso.
Auch da sind Sie hinterhergehinkt. Es hat sich wieder-
holt, als es um die Globalisierung ging. Diese war nicht
aufzuhalten. Statt die Konsequenzen daraus zu ziehen,
hat man sie lange beklagt. Heute, 13 Jahre nach den
friedlichen Revolutionen im Osten,


(Ludwig Stiegler [SPD]: Cheerleader!)

wächst langsam die Erkenntnis, dass mit Sozialismus
nichts mehr zu machen ist. Das hat Herr Scholz mutig
ausgesprochen.


(Zuruf von der SPD: Wir haben Haushaltsberatungen!)


Dann sind wieder Teile der SPD über ihn hergefallen.
Sie hängen alten Chimären nach. Auch das ist eine der
Schwierigkeiten unseres Landes.

Der Umverteilungsstaat hat die Grenzen der Belast-
barkeit unserer Wirtschaft längst überschritten, mit fata-
len Folgen für das Wachstum in Deutschland. Wir dürfen
nicht nur auf das Heute sehen.

Das ist das Allerschlimmste an Ihrer Politik, Herr
Bundeskanzler. Sie sind ein Mann, der seine Popularität
immer nur in Augenblickserfolgen sucht. Darin sind Sie
zugegebenermaßen Meister.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Neid ist die höchste Form der Anerkennung!)


Es geht aber nicht um Augenblickserfolge, sondern es
geht um Nachhaltigkeit in der Politik. Die Jungen müs-
sen später die Zeche dafür zahlen, dass heute immer
noch massenhaft Kredite aufgenommen werden und das
Tilgen dieser Schulden auf übermorgen verschoben
wird.


(Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler [SPD]: Das sagt einer, der 1 500 Milliarden Schulden hinterlassen hat!)


Sie haben den von Helmut Kohl und Norbert Blüm ein-
geführten demographischen Faktor in der Rentenver-
sicherung wieder abgeschafft.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Wir zahlen 40 Milliarden Zinsen für die Schwarzen!)


Sie haben gewaltig Zeit verloren. Wir müssen auch den
Älteren sagen, dass sie auf Zuwächse verzichten müssen,
damit auch die Jungen noch etwas haben. Ich bin sehr
dafür, dass wir Bildung und Forschung stärker fördern
und man nicht die Saatkartoffeln nimmt, um daraus
Pommes frites zu machen, und davon noch die Hälfte
auf dem Tisch stehen lässt. Den Zusammenhang zwi-
schen dem, was man heute tut, und dem, was sich mor-
gen entwickelt, zu leugnen, ist einer der fatalen Fehler.

Dabei kann ich wieder auf Bayern verweisen. Warum
ist Bayern denn – zum Beispiel bei der Investitionsquote
im Landeshaushalt – besser gestellt?


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Weil die CSU regiert!)


Weil eine nachhaltige Finanzpolitik betrieben worden
ist. Bayern ist nicht jeder modischen Entwicklung nach-

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(C (D elaufen, sondern hat auch immer für schlechtere Zeiten orgesorgt. Menschen, die hart arbeiten und kräftig Steuern zah en, müssen mehr in der Tasche haben als diejenigen, die lle Gesetzeslücken ausnutzen. Auch in dieser Hinsicht st bei Ihnen nichts vorangegangen. (Ludwig Stiegler [SPD]: Wer hat denn die Gesetzeslücken geschlossen und wer verhindert denn das Schließen der Gesetzeslücken?)


Bei Ihnen, Herr Stiegler, muss erst die „Bild-Zeitung“
ber „Florida-Rolf“ und „Yacht-Hans“ berichten, bis Sie
ich in Bewegung setzen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ie Leute haben diese Sozialschmarotzer gestrichen satt.
mmer wenn ein solcher Fall bekannt wird, werden voll-
undig entsprechende Änderungen angekündigt. Letzt-
ich geschieht dann aber nichts.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wenn Sie das schon vorher gewusst hätten, hätten Sie schon einen Antrag einbringen können!)


o war es auch, als der Bundeskanzler festgestellt hatte,
ass Kinderschänder weggesperrt werden müssen, und
war für immer. Dann hat aber Rot-Grün keine gesetzli-
he Grundlage geschaffen, die das erlaubt hätte. Ich
offe, dass die Gesetzeslücken zumindest im Falle von
Florida-Rolf“ gestopft werden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Eichel

st eine tragische Figur.

(Ludwig Stiegler [SPD]: Aber der Stoiber ist noch tragischer!)

r hat die Geschichte des Hans im Glück der Gebrüder
rimm inzwischen vollendet. Lesen Sie sie einmal nach!
ie beginnt mit einem Klumpen Gold und endet mit ei-
em Stein, den Hans im Glück am Ende weggeworfen
at. Ich bin bereit, eine Wette einzugehen, dass Sie, Herr
ichel, nicht mehr sehr lange im Amt sein werden. Sie
aben nur versäumt, rechtzeitig zu gehen.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hätte Ihnen so gepasst!)


ie hätten sagen müssen, Herr Eichel: Meine Politik der
onsolidierung – diesen Weg sind Sie eine Zeit lang
echt glaubwürdig gegangen – ist mit Rot-Grün nicht zu
achen; ich trete ab und stelle mich nicht zur Verfü-
ung, das krasse Gegenteil zu machen, indem ich einen
aushalt vorlege, zu dem ich bei der Einbringung selber
eststellen muss, dass er nicht stimmt.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Das habt ihr doch jahrelang gemacht!)


as haben Sie, Herr Eichel, schließlich gesagt und Frau
cheel und andere haben das in Interviews wiederholt.
Ich finde das nicht tragisch für Sie. Sie werden

chließlich durch die Addition verschiedener Bezüge aus






(A) )



(B) )


Michael Glos

öffentlichen Kassen gut versorgt in den Ruhestand ge-
hen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Es wird immer peinlicher mit Ihnen! – Walter Schöler [SPD]: Das ist eine Riesensauerei!)


– Entschuldigung, das ist keine Sauerei, sondern eine
Tatsache. Ich gönne es Ihnen ja; aber Sie werden einen
Scherbenhaufen und Chaos in unserem Land hinterlas-
sen. Das ist unser eigentliches Problem.


(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das darf doch nicht wahr sein!)


Lassen Sie mich noch etwas anmerken, weil Sie so
laut dazwischenrufen. Herr Eichel hat immer wieder Be-
kenntnisse zu dem in Maastricht beschlossenen Stabili-
tätspakt abgelegt. Er hat aber all diese Bekenntnisse
nicht eingehalten.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


So haben Sie zugegeben, dass das Haushaltsdefizit in
diesem Jahr 3,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts be-
tragen wird. Um davon abzulenken, haben Herr Fischer
und Herr Schröder sofort erklärt, dass sie bei den nächs-
ten Wahlen wieder antreten werden.


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: „Logo!“!)


Sie werden aber tatsächlich ein Defizit von etwa 4,5 Pro-
zent erzielen; es liegt also noch höher, als angekündigt.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gehen Sie mal zu „logo!“ und erklären Sie dort, was das ist!)


Unter diesen Umständen hat es auch keinen Wert, wenn
Sie – um von der Debatte abzulenken – ankündigen, bis
2010 zu bleiben. Vielmehr müssen harte Konsolidie-
rungsschritte eingeleitet werden.


(Volker Beck [Köln] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Davon habe ich gestern nichts gehört!)


Wir sind alle gespannt, wenn die Schweden am
Sonntag über die Einführung des Euro abstimmen. Ich
habe gehört, dass das deutsche Beispiel als abschreckend
gilt. In einem Gespräch, das ich gestern mit britischen
Politikern geführt habe, haben diese erwähnt, dass sie
zwar gern den Euro einführen würden, dass die Deut-
schen dies aber erschwerten; denn der Euro sei bald
keine starke Währung mehr, wenn Deutschland, Frank-
reich und andere große Länder so weitermachten.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Haben Sie schon mal in die Börse geguckt? 1,12! So ein Unsinn! Das ist lächerlich!)


– Ich wiederhole Ihren Zwischenruf, weil die Zuhörer
nicht hören können, was Sie schreien. Ihr Zwischenruf
lautete: „Haben Sie schon mal in die Börse geguckt?“ –
Die Börse hatte ihren Tiefpunkt erreicht.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Aber der Euro doch nicht! Es ging um den Euro!)


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(C (D uch Sie wissen, dass die Amerikaner derzeit enorme ittel an sich ziehen und Dollars horten müssen, um die ewaltigen Defizite zu finanzieren. Die Börse als Ausede zu nutzen ist völlig falsch. Das, was heutzutage die örsen und die Märkte sehr stark bestimmt, sind die atingagenturen; denn diese legen das Kreditranking est. Ich befürchte, dass dann, wenn Sie so weitermahen, die Bundesrepublik Deutschland ihr gutes Kreitrating nicht wird halten können. enn das der Fall ist, dann müssen wir alle, also nicht Sie lleine, sondern die gesamte Bevölkerung, höhere Zinsen ür Staatsanleihen zahlen; denn der Bund wird sich das ur Deckung seiner Mehrkosten bei der Kreditaufnahme otwendige Geld wieder bei den Bürgern holen müssen. uch das ist eine erschreckende Entwicklung, die uns rst recht zwingt, auf solide Finanzen zu achten. (Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: In Hessen!)


(Joseph Fischer, Bundesminister: Herr Koch!)


Stichwort Europa: Beim Verfassungsvertrag ist
anches erreicht worden. Andere wollen noch mehr er-
eichen. Ich finde, Herr Bundeskanzler, dass Sie bei der
egierungskonferenz auch unsere Forderungen einbrin-
en sollten. Wir müssen zum Beispiel die Unabhängig-
eit der Europäischen Zentralbank festschreiben. Das
alte ich für ganz entscheidend. Auch das muss im Ver-
assungsvertrag abgesichert werden. Der Vertrag von
aastricht reicht ja offensichtlich nicht; denn Sie hal-

en ihn nicht ein. 3 Prozent waren als Obergrenze eines
öglichen Defizits und nicht als Normalfall gedacht. In
em Vertrag wird explizit darauf hingewiesen, dass aus-
eglichene Haushalte anzustreben sind. Aber Sie wollen
ie Defizitobergrenze immer weiter hinausschieben. Es
ürde außerdem nicht schaden, wenn Sie die Verantwor-
ung vor Gott, wie sie im deutschen Grundgesetz steht,
n der europäischen Verfassung verankern würden.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen eine realistische Europapolitik mit Au-

enmaß. Auf Europa sind sehr viele zusätzliche Belas-
ungen zugekommen. Die Ost- und Südosterweiterung
er Europäischen Union – das ist eine gewaltige Auf-
abe – ist zwar politisch sehr wünschenswert, wirt-
chaftlich aber sehr gefährlich. Es ist außerdem ver-
äumt worden, die Grenzen Europas zu definieren.
uropa reicht nicht bis zum Ural und nach meinem Ver-
tändnis auch nicht bis zum Kaspischen Meer oder bis
um Hindukusch.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

eswegen wäre es ein Akt der Ehrlichkeit gewesen, dem
ürkischen Ministerpräsidenten Erdogan bei seinem
eutschlandbesuch zu sagen: Wir bleiben Freunde und
erden alle Beziehungen, die unsere beiden Länder ha-
en, ausbauen und vertiefen; aber ihr könnt aus wirt-
chaftlichen Gründen nicht Vollmitglied in der Europäi-
chen Union werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Unglaublich!)







(A) )



(B) )


Michael Glos

Es ist falsch, wenn Sie behaupten, eine Vollmitglied-
schaft der Türkei liege im nationalen deutschen Inte-
resse. Das könnte höchstens im Interesse der SPD liegen,
weil Sie wissen, dass die eingebürgerten Türkinnen und
Türken zum großen Teil die SPD und die Grünen wäh-
len.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das ist doch ein Grund, warum Sie dafür sind.

(Zuruf von der SPD: Pfui!)


Ich sage Ihnen aber eines voraus: Es werden im Deut-
schen Bundestag auch türkische Parteien vertreten sein,
wenn die Einwanderungsströme so kommen, wie es be-
fürchtet wird.


(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


– Hören Sie doch zu! Sie können ja später sagen, was Sie
denken.


(Zuruf von der SPD: Hilfe!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505900200

Herr Kollege Glos, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Michael Glos (CSU):
Rede ID: ID1505900300

Die Deutschen wissen nicht, dass mit einer Voll-

mitgliedschaft der Türkei in der EU die Freizügigkeit
verbunden ist. Der Publizist Scholl-Latour befürchtet,
dass dann, wenn die Türkei Vollmitglied ist, 10 Millio-
nen bis 15 Millionen rasch nach Deutschland einwan-
dern werden. Das ist, wie gesagt, nicht meine Befürch-
tung. Aber ich muss mich auf Menschen verlassen, die
mehr von geschichtlichen Zusammenhängen verstehen
als ich. Von Geschichte verstehen Sie jedenfalls nichts.

Nach meiner Auffassung können wir Deutsche unsere
Verantwortung, die wir für Europa und die Welt haben,
am allerbesten wahrnehmen, wenn wir dafür sorgen,
dass wir wirtschaftlich stark bleiben. Unsere Möglich-
keiten, anderswo in der Welt zu helfen, gründen sich
nämlich auf unsere wirtschaftliche Stärke. Diese müssen
wir deshalb zurückgewinnen.

Herr Bundeskanzler, Sie haben 1998 im Wahlkampf
oft gesagt – das wird Ihnen jedenfalls zugeschrieben –:
Das Volk ist viel besser als seine Regierung. – Unsere
Hoffnung ruht deshalb auf der Kraft des deutschen Vol-
kes und nicht auf der rot-grünen Regierung. Sie würden
dem Land einen großen Dienst erweisen, wenn Sie den
rot-grünen Spuk – am allerbesten durch Neuwahlen –
beenden könnten.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)


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(C (D Das Wort hat jetzt der Bundeskanzler Gerhard chröder. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505900400

Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1505900500

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Diese Debatte findet in einer Zeit außergewöhn-
ich schwieriger Problemlagen im internationalen wie im
ationalen Maßstab statt. Ob die Debattenbeiträge – je-
enfalls der, den wir bisher gehört haben – dieser Tatsa-
he gerecht werden, muss jeder für sich selber entschei-
en.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Vielen Dank, Herr Oberlehrer!)


Nur wenige Bemerkungen zu den Problemlagen. Der
ampf gegen den internationalen Terrorismus ist nicht
ewonnen, nicht in Afghanistan, nicht in anderen Teilen
er Welt. Kein Zweifel: Die Situation im Irak ist außer-
rdentlich besorgniserregend. Wir haben vor einem Jahr
arüber geredet und wir werden auch jetzt darüber reden
üssen. Die Situation im Nahen Osten muss uns alle be-
orgt machen. Das Töten und der Terrorismus gegen Is-
ael haben nicht aufgehört und es wird schwierig sein,
ur so genannten Roadmap, die den Friedensprozess im
ahen Osten voranbringen kann, zurückzukehren.
National – das wird gar nicht bestritten – sind wir im

ritten Jahr der Stagnation. Das hat natürlich Auswir-
ungen auf unser Land. Wir sind in einer ökonomischen
ituation, in der die Steuereinnahmen eingebrochen
ind, weil die Arbeitslosigkeit gewachsen ist, weil wir
ein Wachstum haben


(Michael Glos [CDU/CSU]: Warum haben wir kein Wachstum, Herr Bundeskanzler? Das ist doch nicht gottgegeben!)


nd die Aufwendungen für die Bekämpfung der Arbeits-
osigkeit natürlich gestiegen sind.
Herr Merz, ich möchte mich auf das beziehen, was

ie gestern gesagt haben: Das ist kein Phänomen, das
ich allein auf Deutschland bezieht.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Billige Ausrede! – Gegenruf des Abg. Ludwig Stiegler [SPD]: Sie haben eine Horizontverengung!)


Das ist keine Ausrede.
Ich habe hier die Zahlen über das Wachstum in
uropa, die vom Statistischen Amt der EG gestern ver-
ffentlicht worden sind. Das Wachstums in der Eurozone
m Verhältnis vom zweiten zum ersten Quartal ist minus
,1 Prozent, Niederlande minus 0,5 Prozent, Frankreich
inus 0,3 Prozent, Italien, Belgien und Deutschland mi-
us 0,1 Prozent. Ich sage das nicht, um irgendetwas we-
iger besorgniserregend darzustellen, als es ist.


(Zuruf von der CDU/CSU: Die Basis ist nicht gegeben!)







(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

– Ich komme gleich zu der Basis. – Ich sage das nur vor
einem Hintergrund, der in der Auseinandersetzung zwi-
schen Herrn Merz einerseits und Herrn Eichel anderer-
seits auch gestern eine Rolle gespielt hat.

Die Zahlen, die ich Ihnen über Europa mitteile – etwa
über Frankreich, über die Niederlande, aber auch über
die anderen, die ähnliche oder gleiche Wachstumsraten
wie wir haben –, haben natürlich einen ganz anderen
Hintergrund. Ich sage das mit Bezug auf die Debatte
über die Folgen der Wiedervereinigung, die gestern
angeklungen ist. Herr Merz, der Hinweis von Herrn
Eichel war kein Vorwurf an irgendjemanden, sondern
sollte verdeutlichen, dass Deutschland im Unterschied
zu den europäischen Staaten mit gleichen oder noch
schlechteren Wachstumsraten etwas schultern muss, was
kein Land der Welt – schon gar keines in Europa – zu
schultern hat.

Der Hinweis auf die Tatsache nämlich, dass wir we-
gen der Einheit – ich denke, Gott sei Dank haben wir
sie –


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Sie waren doch immer dagegen!)


jährlich 4 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes von
West nach Ost transferieren, ist kein Vorwurf, dass ir-
gendwer schuld daran sei; es ist im Grunde der Hinweis
darauf, dass wir – ungeachtet der Anstrengungen, die wir
vornehmen müssen und vornehmen wollen – auf den in-
ternationalen Märkten präsenter sind als in der Vergan-
genheit. Unsere Volkswirtschaft hat an Kraft also nicht
verloren, sondern gewonnen, und zwar sowohl absolut
als auch relativ. Das ist doch der Zusammenhang, den
man herstellen muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich bin stolz auf die Leistungsfähigkeit, die dahinter
steckt. Es ist nicht die Leistungsfähigkeit dieses Hohen
Hauses und seiner Mitglieder; es ist die Leistungsfähig-
keit unseres Volkes. Darauf dürfen und müssen wir auch
einmal stolz sein, gerade in wirtschaftlich schwierigen
Zeiten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben es dann – das ist der zweite Problemkreis
im nationalen Maßstab; darüber ist ja nicht hinwegzuse-
hen – mit der Überalterung unserer Gesellschaft zu
tun. Das ist – das weiß ich wohl – keine neue Erkenntnis.
Ich will auch zugeben, dass die Frage, ob es richtig war,
den demographischen Faktor, der seinerzeit von Ihnen
eingeführt worden ist – auch das haben Sie gestern schon
angesprochen, Herr Merz –, aufzuheben, durchaus be-
rechtigt gestellt werden kann. Ich sage Ihnen: Das war
ein Fehler.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ja, aber vorher, vor der Wahl, haben Sie die Leute belogen! Unglaublich! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Damit haben Sie die Wahl gewonnen!)



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(C (D Das war ein Fehler; keine Frage. Natürlich haben wir en zu verantworten. Die Einzigen, die keine Fehler zu erantworten haben, sind Sie, weil Sie – so treten Sie jeenfalls auf – keine machen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: So ein Unfug!)


Ich sage Ihnen mit Bezug auf diese Debatte nur eines:
er Bericht der Rürup-Kommission liegt bereits vor.
enn auch das vorliegt, was Herr Herzog für Sie erar-
eitet, dann werden wir in puncto Rente vielleicht ähn-
ich rational miteinander reden können wie bei der Ge-
undheitsreform. Eines ist doch klar – die Kenner
edenfalls wissen es –, nämlich dass uns auch die Beibe-
altung des demographischen Faktors, den Sie seinerzeit
eschlossen haben, die Probleme nicht vom Hals ge-
racht hätte, mit denen wir wegen der Überalterung un-
erer Gesellschaft zu kämpfen haben. Der demographi-
che Faktor allein hätte es nicht gebracht.
Ich will daran erinnern, dass wir es gewesen sind, die

um ersten Mal in der deutschen Geschichte auch in Be-
ug auf die Rente das gemacht haben, was man Herstel-
ung von Kapitaldeckung nennt. Das ist, glaube ich, ein
anz wichtiger Punkt, wenn man die Rente für die Alten
n dieser Gesellschaft so sicher wie möglich machen und
ie für die Jungen bezahlbar halten will.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir werden uns sehr rational darüber unterhalten
üssen, welche Konsequenzen das im Übrigen hat. Um
s den Menschen draußen zu erklären: Wir sind in der
ituation, dass im Vergleich zu 1960 – das hat mit dem
lterwerden zu tun – die Bezugsdauer der Altersrenten
eute Gott sei Dank um 70 Prozent höher ist. Dass das
ruck auf die Finanzierung ausübt, liegt doch auf der
and. Wir haben, bezogen auf die Probleme, die ich ge-
annt habe, zu handeln und das versuchen wir auch.
Die Aufgabe, die wir haben, ist, unter radikal verän-

erten Bedingungen, sowohl was das weltwirtschaftliche
nd das europäische wirtschaftliche Umfeld angeht als
uch was die Alterspyramide unserer Gesellschaft an-
eht, Wohlstand in unserem Land und Gerechtigkeit in
nserem Land zu sichern. Das ist die gemeinsame Auf-
abe. Es mag unterschiedliche Wege geben, über die es
ich zu streiten lohnt, allerdings nicht in dem Ton wie
ben, Herr Glos;


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Das ist ja unglaublich!)


ur sollten wir das dann auch sehr rational tun und den
enschen klar machen, wer welche Vorschläge hat.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Woher ist denn der Ton gekommen? Von Ihrer Seite!)


Unsere Aufgabe ist es, angesichts dieses veränderten
mfelds, angesichts des veränderten Altersaufbaus un-
erer Gesellschaft dafür zu sorgen, dass wir unsere so-
ialen Verpflichtungen erfüllen können, gleichzeitig aber






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

die Ressourcen unseres Landes freisetzen, um in das zu
investieren, was wirklich über die Zukunft entscheidet,
das heißt bessere Betreuung unserer Kinder, mehr Inves-
titionen in Bildung, mehr Investitionen in Forschung und
Entwicklung. Das alles entscheidet jetzt darüber, ob
Deutschland in fünf, in zehn, in 20 Jahren noch ein Land
ist, das soziale Gerechtigkeit auf hohem Niveau gewähr-
leistet. Das ist die Aufgabe, die uns gestellt ist.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Um diese Aufgabe zu erfüllen, unternimmt der Haus-
halt und unternehmen seine Begleitgesetze den ernsthaf-
ten und schwierigen Versuch, auf der einen Seite die
Wachstumskräfte unseres Landes – sie sind sichtbar –
zu unterstützen und auf der anderen Seite die Konsoli-
dierung nicht aufzugeben. Es sind nämlich zwei Seiten
einer Medaille, auf der einen Seite den Versuch zu unter-
nehmen, Wachstumskräfte, Trends, die positiv sind, zu
unterstützen, und auf der anderen Seite durch Struktur-
veränderungen dafür zu sorgen, dass das auch objektiv
möglich ist und immer mehr möglich wird. Das heißt,
meine Damen und Herren, dass wir uns zunächst einmal
darum kümmern müssen, wie wir konjunkturell das Po-
sitive, das es Gott sei Dank auch gibt, unterstützen kön-
nen. Das ist ja eben verschwiegen worden. So weist der
Ifo-Geschäftsindex zum vierten Mal in Folge eine auf-
steigende Tendenz aus.

Gemäß den jüngsten Zahlen steigt auch die Industrie-
produktion wieder an. Das gilt für die Bereiche, die sich
jetzt gerade auf der Messe in Berlin präsentiert haben,
das gilt aber auch für die Automobilindustrie, die opti-
mistisch auf die bevorstehende Automobilmesse schaut.
Ich sage nicht, dass damit die Probleme schon gelöst wä-
ren oder so gelöst werden könnten, aber ich finde, dass
wir alle miteinander die Verpflichtung haben, die positi-
ven Trends, die es in unserem Land gibt, und nicht die
negativen Trends zu stützen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb, meine Damen und Herren, appelliere ich
wirklich an die Mehrheit im Bundesrat, das, was in der
jetzigen Situation nötig und möglich ist, auch mitzutra-
gen, nämlich das Vorziehen der nächsten Stufe der
Steuerreform von 2005 auf 2004.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Machen Sie einmal einen Finanzierungsvorschlag!)


– Ja, mache ich gleich. – Warum? Ich denke, dass wir
Anlass haben, davon auszugehen, dass über eine solche
Maßnahme, wie alle Forschungsinstitute sagen, die
Wachstumsraten um zusätzlich 0,3 bis 0,5 Prozentpunkte
erhöht werden können. Das brauchen wir nämlich, wenn
es wirklich auf dem Arbeitsmarkt vorangehen soll.

Kern unseres Vorschlages ist es, jetzt den Eingang-
steuersatz, der 1998 übrigens bei 26 Prozent lag, auf
15 Prozent zu senken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D r liegt ja mittlerweile schon bei 19 Prozent. Daran muss an gelegentlich einmal erinnern, denn dahinter steht ja ine steuerpolitische Leistung von Hans Eichel, die nicht on Pappe ist. Wir werden außerdem – das wird den eien Teil des Hauses vielleicht mehr freuen als den andeen – den Spitzensteuersatz, der 1998 bei 53 Prozent ag, auf 42 Prozent senken. (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch sage es noch einmal, meine Damen und Herren:
998, also zu Ihrer Regierungszeit, ein Spitzensteuersatz
on 53 Prozent,


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Bleiben Sie einmal bei der Wahrheit! Sie haben die Senkung damals verhindert!)


004 einer von 42 Prozent. Dies ist auf die Politik der
ot-grünen Bundesregierung zurückzuführen und nicht
twa einem anderen politischen Lager geschuldet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Sie sind ein Oberverschweiger! Sie haben die Senkung im Bundesrat verhindert!)


Man kann natürlich immer noch mehr fordern; aber das
ätte man auch selber 16 Jahre lang machen können, hat es
ber nicht getan. Das ist ja wohlfeil, was Sie jetzt machen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ CSU]: Reden Sie über Ihren Freund Lafontaine! Der hat es verhindert! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)


Jetzt lautet die Frage: Schaffen wir es miteinander,

(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ja, jetzt sol len wir es wieder miteinander machen!)

iese wichtige und in der jetzigen Situation nötige und
ögliche Maßnahme, nämlich das Vorziehen der nächs-
n Steuerreformstufe auf 2004, durchzuführen oder nicht,


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt einmal zur Sache!)


amit der Konjunktur zusätzlichen Schub zu geben und
uch auf dem Arbeitsmarkt für Bewegung zu sorgen?
ier stehen auch Sie in der Verantwortung. Sie werden
ich nicht davor drücken können, sondern Sie werden
mmer wieder an Ihre Verantwortung erinnert werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Sie wollten es doch drei Jahre nicht! – Volker Kauder [CDU/CSU]: Jetzt ein Finanzierungsvorschlag! Auf geht’s!)


Ich komme jetzt dazu: Wir haben gesagt, wir finanzie-
en dies durch einen Mix aus Privatisierungserlösen
nd Neuverschuldung, welche wir, da wir sie auf ein
ahr begrenzen, für verantwortbar halten.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Ja, genau! Immer das Gleiche! Ein Schuldenkönig sind Sie!)







(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

– Ich komme ja gleich dazu. – Neben Privatisierungs-
erlösen und Neuverschuldung ist das Ganze außerdem in
die strukturpolitischen Maßnahmen eingebettet, die mit
der Agenda 2010 verbunden sind. Das darf man ja nicht
übersehen.

Jetzt sagen Sie, man dürfe nicht die Neuverschuldung
für ein Jahr erhöhen, und wollen das nicht mitmachen,
obwohl wir Ihnen anbieten, die Zins- und Tilgungslasten
für die Neuverschuldung dieses einen Jahres über zu-
sätzlichen Subventionsabbau zu begrenzen. Auch das
liegt Ihnen vor, meine Damen und Herren.


(Zuruf von der CDU/CSU: Uns liegt gar nichts vor!)


Sie kritisieren das und sagen, das dürfe man auf gar
keinen Fall machen. Das lässt sich hören. Jetzt will ich
Ihnen aber einmal einen Beitrag aus einer Debatte vorle-
sen, die im letzten Jahr etwa zur gleichen Zeit wie jetzt,
Ende August, stattfand. Es ging um die Frage, ob es zu-
lässig sei, wegen der Flutkatastrophe die Steuerreform
zu verschieben, oder ob es zulässig sei, die notwendigen
Ausgaben über zusätzliche Neuverschuldung zu finan-
zieren.

Ich sage es noch einmal: Es ist ökonomisch möglich,
darüber zu streiten, ob das eine oder das andere besser
ist, aber man sollte wenigstens zugeben, dass das, was
wir jetzt vorschlagen, vor dem Hintergrund eigener Aus-
sagen nun nicht wirklich der Gottseibeiuns schlechthin
sein kann.

Ich lese einmal vor, was Herr Stoiber am 29. August
2002 in der Debatte hier im Deutschen Bundestag sagte:
„Mit unserem Konzept“, also dem der Finanzierung der
10 Milliarden über Nettoneuverschuldung – –


(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Was ist denn die Verwendung der Bundesbankgewinne
anderes als Nettoneuverschuldung? Machen Sie sich
doch nichts vor, meine Damen und Herren. Jeder, der et-
was von Ökonomie und Haushalt weiß, muss das doch
bestätigen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist ja Unsinn!)


Herr Stoiber sagte vor einem Jahr:
Mit unserem Konzept werden die Schulden langsa-
mer abgebaut. Zwar fallen vorübergehend höhere
Zinsen an, aber das ist auch gerechtfertigt und sinn-
voll. Höhere Zinsen sind ein kleineres Übel als hö-
here Steuern. Höhere Steuern lähmen die Konjunk-
tur, hemmen das Wachstum und vernichten
Arbeitsplätze. Das ist der entscheidende Punkt.

Wohl wahr, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Ich weiß, dass wir in der gleichen Debatte gesagt ha-

ben: Es ist angemessen, die Stufe nach hinten zu ver-
schieben. Ich will hier nicht verschweigen, dass wir das
mit dem Argument begleitet haben, dass das Geld, das

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(C (D an dadurch hereinbekommt, ja nicht einbehalten und icht für konsumtive Ausgaben verwendet wird, sondern ass es investiert wird in die Wiederherstellung der Inrastruktur in den betreffenden Gebieten. Das war also in ganz anderer Sachverhalt, als wenn man es für konumtive Ausgaben verwendet hätte. Ich erwähne diese Auseinandersetzung überhaupt nur, m deutlich zu machen, dass die gesamte Argumentation er Opposition nach dem Muster „Wir wollen das Vorzieen auch, aber der von euch konkret vorgeschlagene Weg eht auf keinen Fall“ auf sehr, sehr tönernen Füßen steht. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Weil diese Frage für die Mobilisierung zusätzlichen
achstums von ungeheurer Bedeutung ist, bitte ich da-

über in diesem Zusammenhang noch einmal gründlich
achzudenken, es mit den Landesregierungen, die im
undesrat das Sagen haben, zu bereden und vielleicht
emeinsam dafür zu sorgen, dass das gelingt, was für die
onjunktur, für den Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft
unserem Land von großer Bedeutung ist. Denn in der
inschätzung, dass das hilfreich und von großer Bedeu-
ng ist, unterscheiden wir uns ja nicht; wir unterschei-
en uns in der Frage der Finanzierung. Es sollte Ihnen
öglich sein, wenigstens tendenziell zu dem zurück-
ukehren, was Sie vor einem Jahr für richtig gehalten ha-
en, meine Damen und Herren.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Der zweite Punkt, um den wir uns kümmern müssen
nd den wir angeschoben haben, hängt mit der Agenda
010 zusammen. Wir müssen den Menschen im Land
or allen Dingen einmal sagen: Die notwendigen Reform-
nstrengungen haben mit der Tatsache zu tun, dass wir,
nders als in früheren Zeiten, nicht mehr oder nie mehr
erden darauf hoffen können, die sozialen Probleme
nd die Defizite, die sich in den sozialen Sicherungssys-
emen ergeben – ich habe die Gründe dafür genannt –,
ber Wachstum allein in den Griff kriegen zu können.
as wird nicht mehr funktionieren.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Aber ohne Wachstum funktioniert gar nichts!)


ie Veränderungen in den sozialen Sicherungssyste-
en, die wir dem deutschen Parlament vorgeschlagen
aben, sind notwendig. Sie sind unausweichlich wegen
er Veränderung der Alterspyramide in unserer Gesell-
chaft. Wenn wir es schaffen wollen – und wir müssen
as schaffen –, den Jungen durch Bildung Chancen zu
eben, den Frauen über bessere Kinderbetreuung Mög-
ichkeiten zu geben, am Erwerbsleben teilzunehmen,
nd über massive Investitionen in Forschung und Ent-
icklung technologisch Spitze zu bleiben, dann müssen
ie Anstrengungen, die sich in der Agenda 2010 finden,
irklichkeit werden.
a hat jeder Verantwortung, wir im Bundestag genauso
ie Sie im Bundesrat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Mir kommt es darauf an, den Zusammenhang deutlich

zu machen zwischen der Chance, in Zukunftsbereiche zu
investieren und dafür Ressourcen zu mobilisieren, und der
Notwendigkeit, die sozialen Sicherungssysteme den radi-
kal veränderten Bedingungen anzupassen. Das ist die Auf-
gabe. Im Haushalt und seinen Begleitgesetzen wird diese
schwierige Balance versucht, und zwar – ich will dem
Thema gar nicht ausweichen – unter den Gegebenheiten
und Notwendigkeiten, die mit Maastricht, mit dem Stabi-
litäts- und Wachstumspakt zusammenhängen.

Aber – wir haben das auch in der gestrigen Debatte
zwischen Ihnen und Hans Eichel gehört – der Pakt heißt
nicht Stabilitätspakt, sondern vielmehr Stabilitäts- und
Wachstumspakt. Hinsichtlich der konjunkturellen Ent-
wicklung gibt es weltweit positive Anzeichen, sowohl in
Amerika – ob sich das dort auf den Arbeitsmarkt aus-
wirkt, wird man sehen – als auch in Asien. Wir wissen,
dass Europa in dieser Dreiergruppe ökonomisch hin-
tenan ist. Wenn wir als Europäer unseren Beitrag zur
Entwicklung der Weltwirtschaft leisten wollen, dann
können wir nicht nur stabilitätsfixiert agieren – wobei
die Stabilität nicht aus den Augen verloren werden
darf –, sondern dann müssen wir in dieser Situation einer
Stagnation im dritten Jahr alle zusammen – ich habe hin-
sichtlich der Wachstumsschwäche auch und gerade an-
derer Länder Zahlen genannt – etwas für das Wachstum
tun.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder [CDU/CSU]: Was bei Ihnen wächst, sind die Schulden! Nur das wächst!)


Wir erbitten von der EU-Kommission in den Diskus-
sionen lediglich, die Möglichkeiten für uns zu schaffen,
Wachstum anzustreben, ohne dass wir die Perspektive
der Konsolidierung aufgeben wollen. Es ist richtig, was
Hans Eichel gesagt hat. Wir haben uns in den guten Zei-
ten auf Wachstum fixiert – Wachstum wird’s schon rich-
ten – und Konsolidierung nicht entschieden genug be-
trieben. Das geschah aber am wenigsten unter Herrn
Eichel, sondern eher unter anderen, die vor ihm Finanz-
minister waren; da meine ich nicht nur seinen unmittel-
baren Vorgänger, sondern spreche auch von Ihrer Regie-
rungszeit.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es gibt Situationen, in denen die Grenze von
3 Prozent zwar nicht überschritten werden sollte, aber
doch nicht um den Preis des Abwürgens der Konjunktur,
jeder volkswirtschaftlichen Vernunft zum Trotz. Das ist
das Einzige, worauf wir hinweisen. In diesem Punkt sind
wir im Übrigen einig mit anderen Ländern. Sie haben
Frankreich und Italien genannt, wo wahrlich keine – wie
Sie sagen würden, Herr Glos – strammen Sozialisten, die
nicht mit Geld umgehen könnten, regieren. Da sind wir
uns vielleicht einig.

Die Wachstumsraten in anderen Ländern, die gerne
als Beispiele angeführt werden, zum Beispiel 0,7 Pro-
zent Wachstum in Spanien, sind ja ganz schön. Aber ein
solches Wachstum ist auch nicht besonders schwierig,

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(C (D enn man mehr als 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukes von Brüssel überwiesen bekommt. Nebenbei gesagt: 5 Prozent davon zahlt Deutschland. Auf diese Weise önnen Wachstumsraten natürlich leichter erzielt weren, als wenn erstens die deutsche Einheit geschultert erden soll und muss und zweitens 25 Prozent des euroäischen Haushalts bestritten werden müssen. Auch dieer Punkt gehört in eine solche Debatte. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich glaube, meine Damen und Herren, dass wir durch
en Zusammenhang von wachstumsfördernder Politik
siehe Steuerreform – einerseits und dem Versuch, die
trukturen in unserer Gesellschaft zu verändern – Um-
etzung der Agenda 2010 –, andererseits auf einem gu-
en Weg sind.
Außerdem will ich hier ganz klar sagen: Wir haben

eim Thema Gesundheitsreform miteinander etwas zu-
ege gebracht. Dafür bin ich allen Beteiligten – in den
oalitionsfraktionen und der Ministerin ebenso wie
errn Seehofer und denen, die mit ihm zusammengear-
eitet haben – dankbar. Das war richtig, vernünftig und
ichtig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Man kann darüber streiten, ob in bestimmten ver-
achteten Bereichen genügend Markt hergestellt wor-
en ist. Ich denke an die Kassenärztlichen Vereinigun-
en oder an die Apotheken. Im Übrigen sage ich in
arenthese an die Freien Demokraten gerichtet: Sogar
hr Altmeister, Herr Lambsdorff, hat geschrieben, dass
an aufpassen müsse, über den Markt nicht ausgerech-
et dann zu schweigen – Stichwort: Mehrfachbesitz und
remdbesitz bei Apotheken –, wenn es an das Leder der
igenen Klientel geht. Darüber müssen Sie einmal nach-
enken, ehe Sie wieder lautstark über Marktwirtschaft
it uns reden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte über das hinaus, was ich im Hinblick da-
auf deutlich zu machen versucht habe, was wir im na-
ionalen Maßstab leisten können und leisten müssen,
as wir ökonomisch mit Bezug auf den einzuhaltenden
tabilitäts- und Wachstumspakt an vernünftiger Interpre-
ation, an wachstumsgerechter Interpretation in Europa
rauchen, noch ein paar Bemerkungen zur internatio-
alen Situation machen.
Ich habe mit Freude zur Kenntnis genommen, dass
err Schäuble gesagt hat, die Union könne einem Ein-
atz der deutschen Soldaten in Kunduz zustimmen.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Moment! – Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Sie haben nicht genau hingehört!)


Ich kann es nur so sagen, wie ich es zur Kenntnis ge-
ommen habe. Sie können es hier ja richtig stellen, wenn
s anders ist.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Lesen müsste man können!)







(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

Ich habe das mit Freude zur Kenntnis genommen.

Warum? Es ist ja sehr interessant, einmal die Debatten,
die im letzten halben Jahr über die Bekämpfung des in-
ternationalen Terrorismus geführt worden sind, zur
Kenntnis zu nehmen. Wir sind uns alle einig, dass Aus-
gangspunkt der Diskussion um die Bekämpfung des in-
ternationalen Terrorismus der 11. September war, und
dies völlig zu Recht. Sie kennen die Gegebenheiten. Wir
haben damals entschieden, dass wir uns an der militäri-
schen Niederwerfung derer beteiligen, die dem interna-
tionalen Terrorismus über Ausbildung und über Schutz
eine Heimstatt geben, der Taliban also.


(Zuruf des Abg. Hartmut Schauerte [CDU/ CSU])


– Ja, richtig. – Der Kampf gegen den internationalen
Terrorismus gerade in Afghanistan ist nicht gewonnen.
Er ist alles andere als das.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

– Ja, jetzt kommt es. – Es ist sehr interessant, dass wäh-
rend der gesamten Diskussion um den Irakkrieg über
diesen Aspekt des Kampfes gegen den internationalen
Terrorismus kein Wort geredet worden ist, obwohl er
weiterhin notwendig war. Ich bin froh darüber, dass der
Zusammenhang jetzt wieder hergestellt wird. Man kann
den Kampf gegen den internationalen Terrorismus in je-
dem Land, vor allem aber in Afghanistan, verlieren. Man
wird ihn dann verlieren, wenn man den Zusammenhang
zwischen der militärischen Niederwerfung der Taliban
einerseits und dem, was man Nation Building nennt, an-
dererseits nicht sieht oder nicht hinreichend zur Kenntnis
nimmt und nicht für eine entsprechende Ausstattung
sorgt. Das ist der Punkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das ist die Begründung dafür, dass wir gesagt haben:
Wir können nicht uferlos Ressourcen einsetzen, weil wir
sie uferlos gar nicht haben. Aber wir sind bereit, der
Aufforderung der Vereinten Nationen, unserer Partner zu
folgen und zu sehen, was wir über Kabul hinaus machen
können, immer aber unter Beachtung des Zusammen-
hangs, dass sich unser Begriff der Herstellung von Si-
cherheit, unser Begriff des Kampfes gegen den interna-
tionalen Terrorismus niemals in der militärischen Seite
erschöpfen darf und erschöpft, sondern dass man dabei
immer auch die zivile Seite im Auge behalten muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn wir darüber in diesem Parlament Einigkeit erzie-
len können, dann bin ich sehr froh.

Dann geht es um die Frage, über die hier vielfach dis-
kutiert worden ist – mir liegt wirklich daran, dass wir
diese Diskussion so sachlich wie irgend möglich weiter-
führen können –: Wie entwickelt sich das im Irak? Was
für einen Beitrag können wir leisten? – Dazu zunächst
nur so viel: Ich habe nicht die geringste Lust, im Nach-
hinein in eine Diskussion darüber einzusteigen, wer in
der Bewertung des Krieges Recht hatte und wer nicht
Recht hatte, weil das niemanden weiterbringt. Wir haben

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(C (D ur Kenntnis zu nehmen, dass der Wiederaufbau des Irak it der Perspektive auf Stabilität und Demokratie gelinen muss; denn das liegt in unserem, im europäischen nteresse genauso wie im Interesse der Alliierten und des akischen Volkes. Es liegt auch im Interesse der gesamen Region, dass der Aufbau gelingt. (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


abei spielt die Frage, wie man zu dem Krieg stand,
eine Rolle. Genugtuung wäre das Verkehrteste.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dies vorausgeschickt, will ich darauf hinweisen, dass
s auch um die Frage geht: Welchen Beitrag kann
eutschland leisten? Wir engagieren uns im Bereich der
umanitären Hilfe. Wir können uns auch beim Wieder-
ufbau im Rahmen bestimmter Projekte engagieren, die
nsere Institutionen und Nichtregierungsorganisationen
urchführen können und die wir natürlich finanzieren
üssen. Es ist keine Frage, dass wir das tun können,
enn die Sicherheit gewährleistet ist.
Noch einmal: Bezogen auf die Sicherheit im Irak wird

s Zeit, auf internationaler Ebene darüber zu reden – das
ird sicherlich geschehen –, was die Sicherheitslage im
rak wirklich verbessern könnte. Ich habe Zweifel – ich
age das bewusst zurückhaltend –, ob ein Aufwuchs des
egenwärtig vorhandenen Kontingentes an Soldaten,
leichgültig von wem gestellt, ein objektives Mehr an
icherheit bedeuten würde.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch glaube, dass die Stimmen – sie gibt es auch in den
ereinigten Staaten von Amerika – Recht haben, die sa-
en: Was wir wirklich brauchen, ist die Ausbildung der
akischen Polizei und des irakischen Militärs. Wenn es
otzdem zusätzliche Kräfte geben muss, dann sollten es
räfte sein, die eine engere Beziehung zum islamischen
lauben haben, als wir sie jemals haben können. Eine
olche Debatte weist in die richtige Richtung.
Unsere Meinung ist, dass wir eine andere Rolle der

ereinten Nationen brauchen. Diese ist schon aus legiti-
atorischen Gründen notwendig, weil sich sonst nur we-
ig in Richtung mehr Sicherheit bewegt. Wir müssen, so
chnell es geht – es ist klar, dass man das nicht über
acht schaffen kann –, dazu kommen, eine wirkliche
akische Autorität in diesem Land zu installieren. Das
ind die beiden Punkte, um die es geht.
Ich sage mit Bezug auf das, was wir leisten können

nd leisten wollen: Auch die deutschen Ressourcen sind
egrenzt. Ich sage aber mit Stolz: Mit unserem Engage-
ent auf dem Balkan, in Afghanistan und im Rahmen
on Enduring Freedom leisten wir Erhebliches. Im Übri-
en – das wird auch zur Kenntnis genommen – finanzie-
en wir unser Engagement selber. Unsere Partner wissen
as inzwischen. Vor diesem Hintergrund ist es verant-
ortbar, zu sagen: Wir sind bereit, bei der Ausbildung
er irakischen Polizei, die in Deutschland stattfinden
ann und die wir zusammen mit anderen oder alleine






(A) )



(B) )


Bundeskanzler Gerhard Schröder

durchführen können, zu helfen. Wir sind auch bereit, die
für die Ausbildung unseres Militärs vorhandenen Hoch-
schulen zu öffnen, soweit es die Ressourcen hergeben.
Aber ich glaube nicht, dass wir in einer Situation sind, in
der wir uns im Irak militärisch beteiligen sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Lassen Sie mich abschließend ein paar Bemerkungen
zur bevorstehenden Regierungskonferenz in Rom ma-
chen – es wird Nachfolgekonferenzen in Brüssel und da-
nach vermutlich wieder in Rom geben –, die über die
Verfassung Europas entscheidet. Wir sind uns mit un-
seren französischen Freunden und mit anderen darüber
einig, dass das, was der Konvent vorgelegt hat, ein wirk-
lich sehr guter Verfassungsentwurf ist. Es ist der ge-
glückte Versuch, das Verhältnis der Institutionen zuei-
nander unter den obwaltenden Umständen vernünftig zu
regeln. In Europa ist das natürlich schwieriger, als wenn
es sich um einen Zentralstaat handeln würde. Auf der an-
deren Seite wird auch das Verhältnis zwischen der euro-
päischen Ebene und den Nationalstaaten vernünftig ge-
regelt. Wir sind letztlich alle davon überzeugt, dass es
gut und richtig ist, die Grundrechte-Charta in einer sol-
chen Verfassung zu verankern. Noch einmal: Es ist ein
wirklich geglückter Entwurf.

Ich will etwas zu der Frage des Gottesbezuges sagen.
Ich unterstelle, dass es Ihnen damit ernst ist. Der Bun-
desaußenminister und ich hatten damit überhaupt kein
Problem.


(Unruhe bei der CDU/CSU)

Nach meiner Auffassung ist der Gottesbezug nicht erfor-
derlich.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das ist klar!)

– Hören Sie doch einmal zu, bevor Sie den Mund so weit
aufreißen!

Ich bin der Auffassung, dass diejenigen, denen das
– ihrer Verankerung im Glauben wegen – wichtig ist, ein
größeres Recht haben als die, die das nicht für so wichtig
halten. So habe ich mich in der niedersächsischen Ver-
fassungsdebatte verhalten. So verhalte ich mich auch in
dieser Debatte.

Sowohl der Außenminister als auch ich sind für den
Gottesbezug eingetreten. Aber Sie kennen die Tradition
anderer Länder. Was jetzt im Entwurf steht, ist das Opti-
mum des Möglichen. Herr Glos, Sie wollen doch nicht
ernsthaft fordern, dass wir wegen dieser Tatsache die
Verfassung scheitern lassen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die rot-grüne Bundesregierung, der man ansonsten al-
les Mögliche unterstellt, ist mit dieser Fragestellung ver-
antwortungsbewusst umgegangen und hat getan, was sie
konnte. Was dabei herausgekommen ist, mag denen, die
ganz besonders viel Wert darauf legen – ich hoffe, wirk-
lich innerlich und nicht nur zum Kampf untereinander –,


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


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(C (D icht ausreichen. Aber wir haben mehr erreicht, als man ür möglich hielt. Weil die Verfassung insgesamt ein ausgewogener ompromiss ist, warne ich davor – uns muss man diese arnung nicht sagen –, die Forderung zu erheben, das aket aufzuschnüren. Es wird kein besseres geben. Ich in fest davon überzeugt. Ich verstehe, dass einzelne Staaten auf Ewigkeit einen ommissar stellen wollen. Wenn Bulgarien und Rumäien dazukommen, wären es 27 Kommissare. Es wäre icht leicht, sie – womöglich ohne Richtlinienkompeenz – zu einer gemeinsamen Haltung zu bringen. Ich laube, das wird jeder verstehen. Stellen Sie sich einmal in Unternehmen mit 27 Vorstandsmitgliedern vor! (Michael Glos [CDU/CSU]: Wie die SPDFraktion wäre das dann!)


m Übrigen darf man nicht übersehen: Wenn man so
iele Kommissare hat, suchen sie sich alle ein Betä-
igungsfeld – und sie finden eines.


(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ch will das aber nicht in extenso ausführen.
Wenn wir das Paket aufschnüren, dann werden wir

ein besseres zusammenbekommen, wenn überhaupt. In
ieser Befürchtung sind wir uns völlig einig. Deswegen
ird Deutschland auf der Regierungskonferenz dafür
orgen, das Paket zusammenzuhalten.
Meine Damen und Herren, ich hoffe, es ist deutlich

eworden, dass wir eine Menge internationaler Pro-
leme haben, die uns zusätzliche wirtschaftliche
chwierigkeiten machen. Wir sind mitten in einem unge-
euren Reformprozess im Innern. Wir tun das alles, um
essourcen freizubekommen, um in die Zukunft zu in-
estieren. Diejenigen, die nach uns kommen, sollen so
ute Chancen haben, wie wir sie hatten. Das ist unsere
erantwortung.
Ich gebe zu: Das ist unter den obwaltenden Bedingun-

en nicht einfach. Was den Haushalt angeht, ist es in der
egenwärtigen Situation schwierig genug. Aber ich bin
est davon überzeugt, dass wir es mit der Strategie der
nterstützung von Wachstum einerseits und des wirklich
eherzten Angehens von Strukturreformen andererseits
chaffen werden, dass diejenigen, die nach uns kommen,
ine gute Zukunft erlangen. Das begreife ich als meine
nd unsere Verantwortung.
Ich danke Ihnen für Ihr Zuhören.


(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505900600

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem
ollegen Friedrich Merz.

Friedrich Merz (CDU):
Rede ID: ID1505900700

Herr Bundeskanzler, Sie haben zu Beginn Ihres
ebattenbeitrags auf eine Auseinandersetzung Bezug






(A) )



(B) )


Friedrich Merz

genommen, die der Bundesfinanzminister und ich ges-
tern zu Beginn der Aussprache miteinander hatten. Ich
möchte Ihnen zunächst Dank dafür sagen, dass Sie das
richtig gestellt haben. Es konnte gestern durchaus der
Eindruck entstehen, dass der Bundesfinanzminister ei-
nen großen Teil der Probleme, die er jetzt hat, nicht Ihrer
Regierungspolitik, sondern der Tatsache zuordnet, dass
wir die deutsche Teilung zu überwinden hatten.


(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Quatsch! – Katrin GöringEckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Nur durch Sie konnte der Eindruck entstehen!)


– Sie haben doch alle zugehört,

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Nur Sie nicht!)

tun Sie es jetzt doch bei mir wenigstens 30 Sekunden
lang. Ich habe mich beim Bundeskanzler dafür bedankt,
dass er diese Situation richtig dargestellt hat, sodass kein
falscher Eindruck bleibt.

Herr Bundeskanzler, in einem Punkt möchte ich Ih-
nen jedoch widersprechen. Sie haben darauf hingewie-
sen, dass auch andere Wachstumsschwächen haben; das
ist richtig. Nur: Die Überwindung der deutschen Teilung
kostet Geld, aber sie kostet nicht zwangsläufig Wachs-
tum.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im Gegenteil: Richtig gemacht – lassen Sie uns jetzt
nicht über Versäumnisse und Fehleinschätzungen spre-
chen; auch wir hatten Fehleinschätzungen –,


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

könnte sie sogar einen Wachstumsschub auslösen. Wenn
die These, die Sie verschiedentlich vorgetragen haben,
dass nämlich diejenigen, die schlechter entwickelt sind,
ein höheres Wachstumspotenzial haben, richtig wäre,
dann müsste das in diesen Tagen und Wochen ganz be-
sonders für die neuen Bundesländer gelten. Aber das Ge-
genteil ist der Fall.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Erlauben Sie mir eine zweite Bemerkung. Sie haben

heute erstmalig eingeräumt, dass es ein Fehler Ihrer Re-
gierung war, den Demographiefaktor abzuschaffen.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich habe Respekt davor, dass Sie das so deutlich gesagt
haben, Herr Bundeskanzler. Sie hätten Ihrem Finanz-
minister und Ihrer Regierung viele Probleme ersparen
können, wenn Sie diesen Fehler nicht gemacht hätten.
Dann hätte Ihr Bundesfinanzminister gestern auch nicht
so laut Klage darüber führen müssen, dass mehr als ein
Drittel seines Haushalts in die Rentenversicherung
fließt. Gleichwohl habe ich Respekt davor, dass Sie das
so gesagt haben.

Es würde mich allerdings wesentlich mehr beruhigen,
wenn Sie nicht weitere Fehler machten; aber diese Bun-
desregierung setzt die Reihe von Versuch und Irrtum fort.
Es ist schön, dass Sie heute im Nachhinein davon spre-

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(C (D hen, dass es ein Fehler war. Was Sie aber in der Wirtchafts-, Sozialund Rentenpolitik machen, lässt nicht arauf schließen, dass Sie aus diesem Fehler gelernt haen. Deswegen kann uns das, was Sie gesagt haben, Herr undeskanzler, bei allem Respekt nicht beruhigen. Zur Erwiderung der Bundeskanzler. Herr Merz, mit Ihrer Bemerkung zu den ökonomi chen Fragen, die im Zusammenhang mit der deutschen inheit stehen, haben Sie Recht und Unrecht zugleich. ie haben Recht – lassen Sie ihn ruhig sitzen –, wenn Sie sagen, dass die inheit einen Boom hätte auslösen können. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Aber fremdfinanziert!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505900800
Gerhard Schröder (SPD):
Rede ID: ID1505900900

(Zurufe von der SPD: Aufstehen!)


as hat sie im Übrigen auch ohne jeden Zweifel zu Be-
inn der 90er-Jahre. Er bezog sich insbesondere auf die
onsumgüter und die Bauwirtschaft.
Das Problem der Wachstumsschwäche aber bleibt

rotzdem bestehen, weil wir einen großen Teil der Kos-
en der Einheit über die Arbeitskosten finanziert haben.
as hat exakt zu den Wachstumsproblemen beigetragen,
ie wir jetzt miteinander zu beklagen haben. Ich glaube,
an muss beides sehen; denn beides gehört zusammen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich komme nun auf den Demographiefaktor zu spre-
hen. Ich habe die Sozialministerin gebeten, das, was
err Rürup vorgelegt hat, bis zum Ende dieses Monats,
pätestens bis Mitte des nächsten Monats auszuwerten
nd der Bundesregierung einen Vorschlag zu machen.
u diesem Zeitpunkt – wenn ich den Pressemeldungen
lauben darf – wird das vorliegen, was Herr Herzog
übrigens mit einer Kommission, Herr Glos – für die
DU erarbeitet. Dann werden wir beide Vorschläge ne-
eneinander legen und überlegen, was wir im Interesse
er Rentensicherheit für die älteren Menschen und mit
lick auf die Beitragsentwicklung für die jüngeren Men-
chen in unserem Land tun können.
Angesichts der Tatsache, dass Sie eigene Arbeiten auf

en Tisch legen wollen, werden Sie sich, wie ich denke,
er Verantwortung eines gemeinsamen Abgleichs und,
o möglich, einer gemeinsamen Umsetzung nicht ent-
iehen können. Wir werden sehen, welche Vorschläge
ie eine Seite und welche die andere Seite zur Lösung
er Probleme vorlegen wird. Ich bin mir ganz sicher,
ass wir über unsere Vorschläge, die wir in den Deut-
chen Bundestag einbringen werden, sehr rational und
ehr problemorientiert streiten können. Das jedenfalls
ünsche ich mir.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505901000

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Guido Westerwelle

von der FDP-Fraktion.


Dr. Guido Westerwelle (FDP):
Rede ID: ID1505901100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundes-
kanzler, Sie haben zu Beginn Ihrer Ausführungen einen
Fehler eingestanden. Das fällt Ihnen ein, nachdem es
fünf Jahre her ist, dass Sie diesen Fehler, wie Sie selbst
sagen, gemacht haben. Ein Eingeständnis, in der Renten-
politik einen Fehler gemacht zu haben, ist dann honorig,
wenn man fahrlässig etwas falsch gemacht hat, wenn
man es nicht besser wusste. Sie dagegen haben die da-
malige Regierung für die Rentenpolitik in besonderer
Weise beschimpft, obwohl Sie wussten, dass es in Wahr-
heit falsch war, was Sie gemacht haben. Sie wollten nur
an die Macht kommen.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Und so regieren Sie auch heute noch: Sie wissen, dass
Ihre Politik falsch ist, wollen sich aber an der Macht hal-
ten.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Unterhalten wir uns nun über die weiteren Fragen, die

Sie angesprochen haben. Es ist schon ein starkes Stück,
dass Sie hier von einer besonders wachsenden Volks-
wirtschaft gesprochen haben. Sie sagten, die Volkswirt-
schaft sei gewachsen, sie habe an Kraft zugenommen –
und das, nachdem unsere Wirtschaft über zwei Quartale
hinweg geschrumpft ist. Noch nie hat ein Kanzler das
Wirtschaftswachstum in Deutschland so bagatellisiert.
Wir leben seit zwei Quartalen in einer Rezession; Sta-
gnation ist noch die höfliche Umschreibung dafür. Nicht
das Ausland oder die Weltkonjunktur sind die Ursache,
Ihre Politik ist die entscheidende Ursache für diese Ent-
wicklung.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wie viele Fehler wollen Sie eingestehen?


(Zuruf von der SPD: Vorsicht!)

Nur den bei der Rente? Sie sagen, Sie wollten die Steu-
ersätze senken. Einverstanden, wir werden konstruktiv
daran mitarbeiten; das ist keine Frage. Das haben wir Ih-
nen immer wieder gesagt, auch nach Ihrer Regierungser-
klärung im Bundestag zur Agenda 2010. Sie allerdings
erwecken den Eindruck, als habe die Steuersenkungs-
politik erst mit Ihnen begonnen. So wie Sie bei der
Rente das wider besseres Wissen aufgehoben haben, was
richtig war, haben Sie damals mit den Petersberger Be-
schlüssen die Steuersenkungspolitik blockiert, obwohl
Sie wussten, wie sehr Deutschland im Interesse neuer
Arbeitsplätze auf Steuersenkungen angewiesen war.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie machen keinen Einkommensteuertarif mit einem
Eingangssteuersatz von 15 Prozent. Wir hätten seit sechs
Jahren Steuersätze zwischen 15 und 39 Prozent haben

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(C (D önnen, wenn Sie damals nicht einen Fehler nach dem nderen gemacht hätten. Es ist schon eine feine Arbeitsteilung in diesem Haus: er Finanzminister hat hier gestern den Sündenbock geeben. Herr Eichel, das Schicksal von Herrn Scharping ird auch Sie ereilen; das ist klar. Dann, wenn Sie nicht ehr gebraucht werden, werden Sie abgeräumt. Bis dain sollen Sie noch haften. Doch für diese katastrophale age im deutschen Haushalt – das muss der deutschen ffentlichkeit gesagt werden – ist nicht ein Herr Eichel lleine verantwortlich. Dafür haftet diese Regierung insesamt, dafür haften Sie, Herr Bundeskanzler, persönlich. Das ist eine Haushaltsdebatte. Deswegen will ich jeanden von außen, der sich heute Morgen dazu geäußert at, zitieren. Der Finanzwissenschaftler Rolf Peffekoven escheinigt Ihnen, dass es einen solchen Haushalt in der eschichte der Bundesrepublik Deutschland noch nicht egeben habe. Eichels Etat sei der unsolideste Haushalt er Nachkriegszeit. Genau das ist das Problem. Sie meinen, es reiche, einen Fehler einzugestehen. as sei die Volte und Deutschland verzeiht. Nein, in ahrheit war die Wirtschaftspolitik von Rot-Grün fünf ahre lang ein einziger Fehler. Sie haben nicht einen ehler gemacht, Ihre Regierung ist ein Fehler. Sie machen damit weiter: Deutschland muss sparen, it Ausnahme – das ist erstaunlich – beim Etat für resseund Öffentlichkeitsarbeit. Deutschland ist in inanznot, aber für die Propaganda wird Geld ausgegeen. Die Stellen, an denen Geld ausgegeben wird, sind emerkenswert. Für die Agenda 2010 gibt es eine Werekampagne. Jeder Bürger kann zurzeit die Plakate seen. Die Bundesregierung wirbt für ihre Agenda 2010 it Steuergeldern in Höhe von 2,3 Millionen Euro – und as, obwohl bisher nichts in trockenen Tüchern ist. Seit em 14. März haben Sie viel geredet, aber nichts geacht. Eine Sommerpause ist vorbeigegangen. Sie haen nichts vorgelegt. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch Unsinn! Das wissen Sie ganz genau! Sie haben sich doch ausgeklinkt! Sie sind ausgestiegen! Die FDP hat Sommerpause gemacht! Wo waren Sie denn?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Wenn man drei Wochen vor der bayerischen Land-
agswahl Propagandamittel in Höhe von 2,3 Millionen
uro einsetzt, obwohl diese Politik noch gar nicht be-
chlossen ist, dann ist das eine eklatante Steuergeldver-
ntreuung. Wir sagen es so, wie es ist: Sie wollen die
ahlkampfkassen Ihrer Partei in Bayern schonen. Das

st alles.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


Es ist erstaunlich, wofür Ihre Regierung Geld ausgibt:
,3 Millionen Euro für eine Propaganda für ein Produkt,
as es noch gar nicht gibt. Der Antwort auf eine Anfrage
er FDP-Fraktion entnehmen wir, dass es ein neues Spiel






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

der Bundesregierung für die ökologische Vorschuler-
ziehung von Kindern gibt: „Kater Krümels Bauern-
hof“. Dafür wurden 1,7 Millionen Euro zur Verfügung
gestellt. Dafür hat die Regierung Geld!


(Zuruf von der SPD: Für Kinder haben wir immer Geld!)


Die Gebühren für Krippenplätze stiegen allein im letzten
Monat um über 6 Prozent. Sie sollten das Geld dort in-
vestieren und nicht für Ihren Propagandaunfug ausge-
ben, den Sie auf Kosten der Steuerzahler begehen.

Kater Krümels Bauernhof – Kater Krümels Regie-
rungserklärung. Man wundert sich, was wir in diesem
Sommer alles erleben mussten.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das Aussteigen der FDP!)


– Frau Sager, auf Sie komme ich noch zu sprechen. Fan-
gen wir doch gleich einmal mit Ihnen an.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie waren doch eben bei einem anderen Thema!)


Liebe Frau Sager, bei allem Respekt: Rot-Grün führt
wieder eine Debatte über die Ausbildungsplatzabgabe.
Frau Sager sagte in diesem Frühjahr dazu: Wenn die
Wirtschaft nicht spure, dann müsse man der Wirtschaft
„die Folterwerkzeuge“ zeigen. Sie sagen das in einem
Jahr, in dem es so viele Pleiten im Mittelstand gibt wie
noch nie zuvor. Es gab noch niemals eine solche Pleite-
welle wie unter dieser Bundesregierung.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und noch nie so viele Unternehmen, die sich gründen!)


Und Sie sagen, dass Sie der Wirtschaft die Folterwerk-
zeuge zeigen wollen. Diese Wirtschaft braucht keine
Folter von Rot-Grün, sondern Freiheit. Das ist ein ent-
scheidender Unterschied.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nur dann gibt es wieder Arbeitsplätze.

Es ist faszinierend, was Ihnen alles einfällt. Künftig
werden noch mehr Beamte eingestellt, die zu prüfen ha-
ben, wie viele Einstellungen in mittelständischen Betrie-
ben vorgenommen werden müssen.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Es gibt eine Gerechtigkeitslücke bei der Ausbildung! Das wissen Sie!)


Frau Sager, so redet nur jemand, der in seinem Leben
noch niemals einen Euro selbst erwirtschaften musste.
Das muss Ihnen einmal gesagt werden. So sieht Ihre Po-
litik aus.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vom BAföG über die Grundsicherung in den Vorruhe-
stand – das ist Ihr grünes Lebensideal.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben richtig was beizutragen heute! – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [(SPD]: Das ist eine m k d d S D m t u M m s s S w I Z d k S r D s g W d k a t te g (C (D Beleidigung! – Joachim Poß [SPD]: So ein Jüngelchen muss das gerade sagen!)


Die Bundesanstalt für Arbeit hat in diesem Sommer
itgeteilt, dass es fast 5 Millionen Arbeitslose geben
ann. Das ist die dramatische Lage, in der wir uns befin-
en. Wollen Sie den 5 Millionen Arbeitslosen sagen,
ass alles ein Fehler war und es Ihnen Leid tut? Das sind
chicksale und nicht nur Statistiken.


(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das interessiert Sie aber nicht, Herr Westerwelle!)


as sind Frauen, die in den Arbeitsmarkt einsteigen
öchten, nachdem vielleicht die Kinder aus dem Gröbs-
en heraus sind. Das sind junge Leute, die eine Chance
nd eine Perspektive suchen. Das sind Menschen, die
itte oder Ende 50 sind und aufgrund Ihrer Arbeits-
arktpolitik zum alten Eisen gestempelt worden sind,


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unglaublich!)


odass sie keinen Platz mehr finden. Wollen Sie denen
agen: Sorry, die fünf Jahre waren ein Fehler?


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Wer hat denn den Vorruhestand eingeführt? Unfassbar!)


o leicht stehlen Sie sich nicht aus Ihrer Verantwortung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ihre Steuerpolitik war ein Fehler, Ihre Sozialpolitik
ar ein Fehler, Ihre Haushaltspolitik war ein Fehler und
hre Subventionspolitik war ein Fehler – und das in
eiten, in denen Deutschland sparen muss und in denen
er Entwurf des Subventionsberichts an die Öffentlich-
eit kommt, aus dem wir erfahren, dass bei Ihnen die
ubventionen sogar noch steigen, anstatt dass sie zu-
ückgeführt werden.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das ist doch das Letzte!)


as ist ein Stück aus dem Tollhaus. Wir wollen Steuer-
enkungen! Diese sind das beste Beschäftigungspro-
ramm.


(Joachim Poß [SPD]: Kein einziger Vorschlag! Alles abgelehnt!)


ir wollen sie aber nicht mit neuen Schulden, sondern
urch Subventionskürzungen finanzieren. Herr Bundes-
anzler, dazu fehlt Ihnen der Mut. Genau dieser Mut ist
ber das Wichtigste in Ihrem Amt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie haben das Steuervergünstigungsabbaugesetz im Bundesrat doch abgelehnt! Sie waren das doch!)


Wir haben erlebt, dass Sie den demographischen Fak-
or bei der Rente aufgehoben haben. Sie haben die Pe-
rsberger Beschlüsse blockiert und in Ihrer Amtszeit die
esamten Reformen auf dem Arbeitsmarkt und im






(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

Arbeitsrecht beseitigt. Gott sei Dank kommt jetzt Herr
Clement mit Vorschlägen, die nach und nach in die rich-
tige Richtung gehen. Er hat dabei größte Widerstände
bei Ihnen zu überwinden. Das ist das Problem. Ihre Re-
gierung ist eine einzige Momentaufnahme; sie möchte
auf Stimmungswogen gleiten.


(Zuruf von der SPD: Wir heißen ja nicht Westerwelle!)


Leider sind Sie keine Regierung, die eine verlässliche
Perspektive definiert. In diesen Zeiten müsste ein deut-
scher Bundeskanzler bzw. eine Bundesregierung sagen:
Wir wollen eine Staatsquote von einem Drittel erreichen,
weswegen wir die Steuersätze auf 15, 25, 35 Prozent re-
duzieren. Wir werden das durch Privatisierung, Subven-
tionsabbau und eben nicht durch neue Schulden finan-
zieren.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist ein blanker Unsinn ohnegleichen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Sie werden gar nichts, weil Sie nicht dran sind!)


Wir werden das Ganze mit einer Reform auf dem Ar-
beitsmarkt verbinden und dazu neue bildungspolitische
Akzente setzen. – All das kommt von Ihnen nicht. Sie
haben keine Perspektive; Sie sind ein Stimmungskanz-
ler. Das ist das Problem für Deutschland.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich will die einzelnen Punkte der Gesundheitspolitik

ansprechen, die Sie hier selbst eingeführt haben. Herr
Bundeskanzler, bezogen auf die Gesundheitspolitik ha-
ben Sie zunächst einmal die Freien Demokraten ange-
sprochen. Das war so gut wie alles, was Ihnen zur Ge-
sundheitspolitik eingefallen ist. Sie sagen, dass es keine
Steuererhöhungen geben soll. In Wahrheit ist in diesem
Kompromiss vorgesehen, dass die Tabaksteuer erhöht
wird, damit das Gesundheitssystem bezahlbar bleibt. Die
Vorstellung, dass man erst möglichst viel rauchen muss,
damit man, wenn man wegen des Rauchens krank wird,
eine Behandlung bezahlt bekommen kann, ist in meinen
Augen geradezu absurd.


(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer hat denn den Wettbewerb verhindert?)


Rauchen für die Gesundheit ist auch ordnungspolitisch
nur noch gaga.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Darüber werden wir hier aber noch beschließen.
Daneben haben Sie noch einmal meine Haltung und

die Haltung meiner Fraktion in der Gesundheitspolitik
angesprochen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Klientelpolitik!)


Da Sie auf den Wettbewerb eingegangen sind, will ich
es Ihnen gerne sagen: Sorgen Sie doch für einen echten
Wettbewerb aller Versicherungen!

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(C (D (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, bei den Apotheken!)


orgen Sie dafür, dass die Versicherungen in einen ech-
n Wettbewerb miteinander treten! Dann sind wir sofort
it Ihnen dabei, auch in den Gesundheitsberufen mehr
ettbewerb durchzusetzen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: So ist das!)

ir verstehen unter Wettbewerb: frei und fair!
Sie haben gerade die Apotheken angesprochen. Wir

ls Freie Demokraten möchten, dass auch künftig zum
eispiel jemand auf dem Lande einen Notdienst für ein
edikament seines Kindes in Anspruch nehmen kann,
hne dass er dafür zwei Stunden im Auto unterwegs sein
uss.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


uch diese Menschen brauchen jemanden in diesem
ause, der darauf aufmerksam macht.
Nein, Herr Bundeskanzler, wir brauchen keine Bür-

erversicherung. Wir brauchen mehr Wettbewerb und
ehr Freiheit. Wir brauchen keine Pflichtversicherung,
ondern eine Pflicht zur Versicherung. Das haben wir Ih-
en in diesem Hause als Gegenkonzept vorgelegt.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Blanke Ideologie!)


as werden wir auch durchsetzen.
Ich will zu einem weiteren Bereich kommen, den Sie

ngesprochen haben. Das ist nach der Innenpolitik, der
aushaltspolitik und der Sozialpolitik die Außenpolitik.
s soll ausdrücklich anerkannt werden, Herr Bundes-
anzler, dass wir Gemeinsamkeiten haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Bis die Lobbyisten kommen!)


as muss auch in einer solchen Debatte, zu der der
chlagabtausch gehört, erwähnt sein.


(Franz Müntefering [SPD]: Das ist kein Schlagabtausch, das ist Pöbelei, was Sie hier machen! Schlagabtausch ist etwas anderes! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/ CSU]: Für Pöbeleien sind Sie Experte!)


Aber ich sage Ihnen: Ich halte es schon für einen Feh-
r, wenn Sie bei der europäischen Verfassung den Ein-
ruck erwecken, als dürfe nichts mehr verändert werden,
bwohl doch Ihr eigener Außenminister über 50 eigene
nderungsvorstellungen zum Verfassungsentwurf des
onvents vorgelegt hat. Wir teilen die sachliche Bewer-
ng, die Sie haben. Aber der Appell meiner Fraktion rich-
t sich an Sie und das ganze Haus: Wenn wir wollen, dass
ich die Bürgerinnen und Bürger hinter dieser europäi-
chen Verfassung versammeln – das ist eine historische
rage –, dann sollten wir auch gemeinsam dafür sorgen,
ass sich die Bürgerinnen und Bürger in einer Volks-
bstimmung für diese Verfassung entscheiden können.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Guido Westerwelle

Auch da sollten Sie Ihren Worten Taten folgen lassen.

So, wie Sie das bisher in der Europapolitik gemacht
haben, geht es nicht. Sie haben einiges gesagt, was an-
erkannt werden soll, insbesondere was das deutsche
Engagement im Irak angeht. Auch wir sind der Überzeu-
gung: Das Militärische darf Außenpolitik nicht ersetzen.
Das sollten Sie mehr Ihrem Außenminister und weniger
diesem Haus sagen. Aber in der Europapolitik können
Sie sich nicht zum Staatsmann aufschwingen.


(Jörg Tauss [SPD]: Was heißt hier „aufschwingen“?)


Das ist nach diesem Sommer vorbei. Wie Sie einen Som-
mer lang einen wirklich drittrangigen Staatssekretär aus
Italien zum großen Thema von Regierungspolitik ge-
macht haben, indem Sie Deutschland durch regierungs-
amtliche Mitteilungen Ihres Sprechers darüber rätseln
ließen, ob man denn jetzt noch an die Adria fahren darf
oder nicht, ist nur noch Operettenaußenpolitik gewesen.

Ich finde wirklich, ein Bundeskanzler – das war bei
früheren Bundeskanzlern der Fall – hat bei Irritationen
zwischen befreundeten Ländern die Verpflichtung, eine
solche Irritation aufzuarbeiten, zu begrenzen und diese
nicht auch noch für innenpolitische Stimmungswogen
hochzuspielen.


(Beifall bei der FDP)

Herr Bundeskanzler, Urlaubsabsagen als Instrument der
Außenpolitik taugen nicht. Das ist eine Mischung aus
Wilhelm II. und Ludwig II. Das passt nicht in unsere
Zeit, Herr Bundeskanzler. Auch das soll gesagt werden.
Sie sind eben nicht nur in der Innenpolitik und der Wirt-
schaftspolitik am Ende angekommen, sondern Sie sind
in Wahrheit auch in der Außenpolitik konzeptionslos.
Hinter Ihnen liegt nicht eine Phase der Einigung Euro-
pas. Hinter Ihnen liegt eine Phase, in der Europa zerstrit-
tener ist als je zuvor. Dafür tragen viele Verantwortung,
Sie auch.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Diese Regierung ist nach fünf Jahren wirtschafts-, in-
nen- und außenpolitisch gescheitert. Sie war ein einziger
Fehler, Herr Bundeskanzler. Das ist das Eingeständnis,
das kommen muss.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Beschimpfen Sie das deutsche Volk nicht!)


Drohen Sie Deutschland nicht damit, Rot-Grün nach
2006 fortzusetzen. Kündigen Sie lieber an, dass Sie sich
nach und nach zurückziehen. Deutschland sehnt sich
nicht nach vier weiteren Jahren Rot-Grün. Deutschland
bräuchte Neuwahlen. Das wäre das beste Beschäfti-
gungsprogramm.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Immer nur die alten Parolen!)



Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505901200

Das Wort hat jetzt die Kollegin Katrin Göring-

Eckardt von Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Herr Prä-

ident! Herr Westerwelle, das Geschrei, das Sie hier ver-
nstaltet haben,


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


ag vielleicht in den eigenen Reihen ankommen.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie keifen!)


Aber ich will auf etwas eingehen, was Sie besser ge-
an hätten. Sie haben ein Spiel kritisiert, das die Bundes-
egierung produziert und das zur vorschulischen Erzie-
ung gehört. Es geht um Ernährungserziehung.
estern sagte jemand in der Kantine – ein Erwachsener
brigens – er wolle noch etwas von dem Blumenkohl,
nd er hat dabei auf den Fenchel gezeigt. Das ist die Si-
uation, mit der wir es zu tun haben.


(Heiterkeit – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist die Zielgruppe Ihres Sprechers! – Michael Glos [CDU/CSU]: Nein, war das ein Gag!)


n diesem Zusammenhang, Herr Westerwelle, hätte es
hnen vielleicht besser getan, wenn Sie sich mit der
rage, wer für was zuständig ist, beschäftigt hätten.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Herr Ober, ein Brecheisen, der Witz klemmt!)


ür die Kindergartenbeiträge ist nicht die Bundesregie-
ung zuständig, sondern die Kommunen, wie Sie wissen.
nsofern würde Ihnen lebenslanges Lernen gut tun, statt
ier am Morgen herumzubrüllen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir debattieren seit gestern über den Bundeshaushalt
nd ich habe sehr genau zugehört, insbesondere bei den
edebeiträgen der Opposition.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Was?)

an könnte fast denken, alles ist wie immer. Die Regie-

ung legt etwas vor und die Opposition fordert erst ein-
al – fast jedenfalls, Herr Merz – den Rücktritt des Fi-
anzministers oder veranstaltet ein bisschen Klamauk,
ie das Herr Glos heute Morgen gemacht hat.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ihnen fällt auch nichts Neues ein!)


abei reden wir in wirklich schwierigen Zeiten über
inen Haushalt und gleichzeitig über die Reformagenda
010, die einen tief greifenden Reformprozess in Gang
etzt und in Gang setzen muss.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie Blumenkohlanalystin! – Gegenruf des Abg. Walter Schöler [SPD]: Wir sollten mal die Lohnliste von Herrn Kirch offen legen!)


as Land redet darüber, wie Deutschland zukunftsfähig
erden kann. Nur Sie debattieren nicht darüber, sondern






(A) )



(B) )


Katrin Göring-Eckardt

veranstalten eine Art Karneval. Das Land redet darüber,
was wir machen müssen, damit wir vorankommen, und
Sie veranstalten nichts anderes als Affentheater. Herr
Glos, Deutschland bewegt sich schon.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Wohin denn?)

Der Stillstand ist nur auf der rechten Seite dieses Hauses.
Das ist das Problem, das wir haben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Liebe Frau Merkel,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Rot-grüner Ringelpiez ist alles, was sich bewegt!)


wir hören sehr genau hin, wenn Sie Vorschläge machen.
Wenn man in den letzten Tagen hinhört, was die Politik
der Union ist, dann fällt auf, dass es eigentlich nur ein
Thema gibt, das eine Rolle spielt, und das ist der Kandi-
datenstadl. Man liest nichts darüber, wer der beste Bun-
despräsident oder die beste Bundespräsidentin ist, son-
dern darüber, wer in das Machtkalkül von wem passt.
Ich finde, das ist dem Amt und der Lage, in der wir uns
befinden, nicht angemessen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Das fällt Ihnen aber spät ein!)


Da gibt es keine Alternativkonzepte. Sie sagen nichts
zur Rente, sondern warten auf Herzog. Herr Glos sagt
noch, man müsse das alles ein Stück weit so machen,
wie es von der Regierung vorgeschlagen werde. Letzten
Endes bleibt eine einzige Sache übrig – Herr
Westerwelle hat das eben noch einmal gemacht –: Es
geht darum, dass Sie sich vor Ihre Klientel werfen, vor
die Handwerksmeister, vor die Ärzte, vor die private
Krankenversicherung und vor die Pharmaindustrie. Ich
kann nur sagen: Mit Rot-Grün bewegt sich Deutschland.
Der Stillstand ist auf Ihrer Seite.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dieser Haushalt birgt Risiken. Hans Eichel hat darauf
hingewiesen. Das gehört zur Ehrlichkeit und das gibt es
nicht oft in der Politik.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Bei Eichel ist das auch eher die Ausnahme!)


Wenn Sie während Ihrer Regierungszeit darauf hinge-
wiesen hätten, dann wären wir heute auch schon weiter.
Das gehört zur Ehrlichkeit.


(Michael Glos [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Das größte Haushaltsrisiko haben wir dann, wenn Sie
von der Opposition das Jahr so beenden, wie Sie es an-
gefangen haben.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Die Grünen sind das größte Haushaltsrisiko!)


Sie sagen: Subventionsabbau ja, aber bloß keine Sub-
ventionen abbauen. Das ist Ihre Politik.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


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(C (D as Spiel machen wir seit Januar. Sie beklagen, dass die eplanten Steuersenkungen im nächsten Jahr überwieend durch Schulden finanziert werden. Auch ich bin arüber nicht glücklich. Das weiß hier jeder. Aber waum ist das denn so? Weil Sie Anfang des Jahres verhinert haben, dass überhaupt ein Subventionsabbau begonen werden konnte. Das war eine Größenordnung von 4 Milliarden Euro. Das ist mehr, als wir zur Gegeninanzierung für das Vorziehen der Steuerreform brauhen. Das haben Sie verhindert, nicht wir. Das ist die solide“ Finanzpolitik, die Sie machen. Ich sage: Nein, as ist sie nicht. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Schauen Sie sich einmal den famosen Herrn Koch an.
ch habe ihn heute Morgen wieder im Radio gehört.


(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Viele Köche verderben den Brei!)


Er möchte den Bundeshaushalt im Bundesrat stoppen.
a kann ich nur sagen: Herzlichen Glückwunsch, Herr
och. Sie hätten in den letzten Jahren Ihren eigenen
andeshaushalt stoppen sollen, der nämlich dazu geführt
at, dass Hessen im Ranking nach unten gerutscht ist.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


er in Wiesbaden mit dünnem Wasser kocht, der sollte
icht versuchen, in Berlin Schaumschlägerei zu betrei-
en. Deutschland bewegt sich, Stillstand ist bei der Op-
osition.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505901300

Frau Kollegin Göring-Eckardt, erlauben Sie eine Zwi-

chenfrage des Herrn von Klaeden?

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Sehr gerne.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):
Rede ID: ID1505901400

Bitte schön.

Eckart von Klaeden (CDU):
Rede ID: ID1505901500

Frau Kollegin Göring-Eckardt, da Sie seit einiger Zeit

mmer wieder Hessen erwähnen, frage ich Sie: Ist Ihnen
ekannt, dass das von Rot-Grün regierte Schleswig-Hol-
tein überhaupt nicht mehr geratet wird?


(Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Noch nie geratet worden ist!)



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr von Klaeden, ich habe die Entwicklung in den

ergangenen Jahren dargestellt. Ich habe vor allem dar-
tellen wollen, wie auf der einen Seite über solide
inanzpolitik gesprochen und auf der anderen Seite das






(A) )



(B) )


Katrin Göring-Eckardt

Gegenteil gemacht wird. Wenn man zum Beispiel über
die Einhaltung der Kriterien von Maastricht redet, dann
muss man auch Herrn Koch in den Blick nehmen, der
nämlich erheblich dazu beiträgt, dass wir die Kriterien
nicht einhalten werden. Dafür sind nicht nur die Bundes-
regierung oder Hans Eichel verantwortlich.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber sehr wesentlich, Frau Göring-Eckardt!)


Auch das muss der Ehrlichkeit halber berücksichtigt
werden.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Meine Damen und Herren, der Konzeptionslosigkeit
der Union ist entgegenzuhalten: Wir hätten es gern ein
bisschen konkreter. Die Politik, die Sie hier vorstellen,
erinnert mich an das, was wir zurzeit in den DDR-Shows
erleben: viel Nostalgie und Klamauk, aber wenig reale
Geschichte.

Frau Merkel, Ihre Vorschläge zur Atomkraft zum Bei-
spiel sind für die Energiefragen der Zukunft ungefähr so
tauglich wie der Drink, den Katarina Witt in der DDR
aus Rotwein, Eiern und Kaffeesahne gemixt hat und der
angeblich gegen Schnupfen helfen sollte.

Lieber Herr Bundeskanzler, angeblich ist dieser Drink
in der DDR getrunken worden. Ich möchte aber nicht,
dass Sie sich diesen Geschmack vorstellen, weil Ihnen ja
so leicht übel wird.


(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Das ist ein roter Saft, mit Rotwein!)


Aber zurück zu Ihnen, Frau Merkel. Beim geplanten
Subventionsabbau durch die Bundesregierung hören wir
von Ihnen wieder einmal, was alles nicht möglich ist:
Die Pendlerpauschale muss bleiben und die Eigenheim-
besitzer brauchen weiterhin die Staatsknete. So funktio-
niert es aber nicht. Auf der einen Seite die Steuersenkun-
gen zu begrüßen und eine Neuverschuldung abzulehnen,
aber auf der anderen Seite jede vernünftige Gegenfinan-
zierung zu blockieren ist die Quadratur des Kreises. Das
ist sozusagen Voodoo-Ökonomie, die wir nicht mehr ak-
zeptieren können.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was heißt „nicht mehr“?)


Die konnten Sie vielleicht in Ihrer Regierungszeit noch
betreiben. Jetzt aber sind Sie in der Mitverantwortung
durch den Bundesrat. Diese Verantwortung müssen Sie
annehmen. Wir und auch die Öffentlichkeit werden Sie
dazu zwingen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich bin überzeugt, dass die Menschen von uns vor al-
lem eines erwarten, nämlich Ehrlichkeit. Sie wollen,
dass wir deutlich sagen, welche Veränderungen notwen-
dig sind und was auf sie zukommt. Das betrifft die de-
mographische Entwicklung wie auch die Tatsache, dass
sich die Welt verändert und wir nicht mehr in einem iso-

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(C (D ierten Nationalstaat leben. Das betrifft auch den welteiten Wettbewerb um die besten Ideen, die besten Proukte und die besten Köpfe, in dem wir stehen. Von Sofortprogrammen, wie Sie es wieder im Zusamenhang mit den Gemeindefinanzen vorgeschlagen haen, und einseitigen Wachstumshoffnungen müssen Sie ich verabschieden. Darüber haben wir von der rechten eite dieses Hauses bereits genug gehört. In den goldenen 70erund 80er-Jahren war es wohl elativ leicht, erfolgreich zu sein. Deutschland ging es ut und es gehörte zu den Spitzennationen. Die Sehnucht nach diesen Zeiten springt einen regelrecht an. Das ilt nicht nur für die Nationalelf, sondern auch für die ation. Aber um wieder vorne mitspielen zu können, üssen wir etwas tun und uns ändern. Wir dürfen nicht uf unseren Stühlen hocken bleiben, wie Sie es tun. Aus einer Sicht geht das nur, wenn alle mitmachen: die leinen, aber auch die Großen. Es geht nur, wenn wir icht vergessen, was Sozialstaat für uns bedeutet: nämich nicht das Anspruchsdenken von allen, sondern das intreten für die Schwachen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Dass die sozialen Sicherungen in Zukunft nicht mehr
llein über die Arbeitskosten finanziert und bewältigt
erden können, ist bekannt. Schon jetzt zahlen wir den
ohen Preis der Massenarbeitslosigkeit.
Herr Merz, Sie haben sich sehr darüber gefreut, dass

er Bundeskanzler die Abschaffung des demographi-
chen Faktors als einen Fehler bezeichnet hat. Dabei
üssen Sie aber eines berücksichtigen: Der von Ihnen
ingeführte Demographiefaktor hätte bei weitem nicht
usgereicht, um das Rentensystem zu konsolidieren.
afür brauchte man die private Vorsorge und einen Ka-
italstock in der Altersvorsorge. Sicherlich sind noch
eitere Veränderungen notwendig. Sie können sich hier
edenfalls keinen „weißen Fuß“ machen; denn der De-
ographiefaktor war zwar ein richtiges, aber nicht aus-
eichendes Instrument.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Dann hätte man ihn erst recht nicht zurücknehmen dürfen!)


owohl Herr Blüm als auch Sie haben das schon damals
ewusst. Das ist Ihr Fehler gewesen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Mit der Agenda 2010 haben wir mit echten Struktur-
eränderungen begonnen. Wir brauchen weiter gehende
eränderungen. Für uns Grüne ist klar, dass eine Bür-
erversicherung notwendig ist, in die alle einzahlen
nd die in stärkerem Maße von den Arbeitskosten abge-
oppelt wird. So sehen soziale Systeme der Zukunft aus.
as ist auch kein grüner Traum mehr. Herr Seehofer
ird sich ja aus Vernunftgründen durchsetzen.
Liebe Freundinnen und Freunde von der Sozialdemo-

ratie, um den Kompromiss bei der Gesundheitsreform
aben wir gemeinsam gerungen. Wir haben bei den Ver-
andlungen mit den Schwarzen sicherlich viel schlucken






(A) )



(B) )


Katrin Göring-Eckardt

müssen. Aber jetzt können wir gemeinsam zeigen, was
wir unter Gerechtigkeit verstehen. Eine Bürgerversiche-
rung – das ist meine ehrliche Überzeugung – ist eine
echte Chance, die Lasten auf mehr Schultern und auch
auf diejenigen der Starken zu verteilen. Bei einer Bür-
gerversicherung geht es nicht darum, mehr Geld in das
Gesundheitssystem fließen zu lassen, sondern um mehr
Gerechtigkeit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Vorerst gilt trotzdem: Wir werden dem beschlossenen
Kompromiss zustimmen, damit überhaupt etwas ge-
schieht. Aber Sie müssen sich schon gefallen lassen
– das gilt auch für Sie, Herr Westerwelle –, dass man
deutlich macht, wer für was zuständig war. Natürlich ha-
ben Sie den Wettbewerb verhindert und sich schützend
vor Ihre Klientel, die Ärzte, die Apotheker und die Phar-
maindustrie, gestellt. Die FDP als Partei der freien
Marktwirtschaft hat sich angesichts dessen, was Sie bei
den Verhandlungen über den gesundheitspolitischen
Kompromiss veranstaltet haben, im Grunde genommen
bereits selbst überlebt.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Sie dürfen nicht vergessen, dass das Geld, das Sie so
freizügig verteilen und mit dem Sie umspringen wollten,
als ob es keine Bedeutung hätte, nicht Ihnen gehört. Es
handelt sich noch nicht einmal um Steuergelder, sondern
um Gelder der Beitragszahler und der Versicherten.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo ist denn bei den Versicherungen Wettbewerb? Warum schützen Sie denn die GKV?)


– Herr Gerhardt, vielleicht gibt es Ihnen zu denken, dass
es zwei Menschen gibt, die kritisieren, dass die Fraktio-
nen der CDU/CSU und der FDP mehr Wettbewerb bei
den Verhandlungen über den gesundheitspolitischen
Kompromiss verhindert haben. Der eine ist Herr
Sommer, der DGB-Chef, und der andere ist Herr
Rogowski, der Ihnen ja sehr nahe steht. Ich kann nur sa-
gen: Deutschland bewegt sich. Stillstand – das ist ein-
deutig – herrscht auf Ihrer Seite.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Westerwelle, Sie haben sich außerdem bei einem
anderen Problem aufgeblasen, das wirklich schwerwie-
gend ist und mit dessen Lösung wir uns beschäftigen
müssen. Das ist das Thema Ausbildungsplätze. Wenn
es um dieses Thema geht, erzeugen Sie regelrecht einen
Kältestrom in diesem Hohen Haus, worüber ich mich
nur wundern kann. Ende September dieses Jahres wer-
den vermutlich 50 000 Lehrstellen fehlen. Ich finde, dass
wir das definitiv nicht hinnehmen können.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Herr Westerwelle, die 50 000 jungen Menschen, die kei-
nen Ausbildungsplatz finden, brauchen wir aber als
Fachkräfte. Sie müssen eine Chance bekommen. Wer

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(C (D iel über Schule und Studium redet, der darf die betriebiche Ausbildung nicht vergessen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wir haben den Unternehmen wirklich sehr viel Zeit
elassen, um neue Lehrstellen zu schaffen. Das Ergebnis
st – Herr Westerwelle, das müsste auch Ihrer Wettbe-
erbspartei zu denken geben –, dass gerade einmal
0 Prozent der deutschen Unternehmen ausbilden. Die
eisten Betriebe bilden also nicht aus. Damit muss
chluss sein. Wenn es nicht anders funktioniert, dann
uss es eine entsprechende gesetzliche Regelung geben.
ann brauchen wir eine Ausbildungsumlage, damit Ju-
endliche in Ausbildung kommen und damit es Gerech-
igkeit bei den Unternehmen gibt. Darum geht es.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Sie sprechen aber noch ein anderes „Wettbe-
erbsthema“ ständig an, nämlich die Handwerksord-
ung, die eigentlich eine mittelalterliche Zunftordnung
st. Sie haben sich schützend vor den Meisterbrief ge-
orfen. Man kann hier sicherlich unterschiedlicher Mei-
ung sein. Ich halte das Ganze für sehr bürokratisch und
ür überkommen.
Aber man kann sich auch einmal mit der Realität be-

chäftigen. Beispielsweise gibt es in Berlin einen
eister seines Faches, dem sich – ich habe das gehört
nd gelesen – auch einige Mitglieder dieses Hauses an-
ertrauen – nicht Herr Glos, der sich seine Haare immer
on seiner Frau färben lässt, aber andere. Dieser Mann
at nach Auskunft der Handwerkskammer Berlin keinen
eisterbrief. Es handelt sich um Udo Walz. Dass er kei-
en Meisterbrief hat, ist, wie ich finde, kein Drama. Ich
offe, niemand hier ist anderer Meinung. Ich weiß nicht,
b sich Guido Westerwelle bei Herrn Walz die Haare
öhnen lässt.
Dieses Beispiel zeigt: Die Handwerksordnung hat

ich überlebt. Wir brauchen sie in dieser Form nicht
ehr. Man kann einen Schritt nach vorn tun, entbürokra-
isieren, endlich einmal Freiheit und Wettbewerb schaf-
en und die damit verbundenen Möglichkeiten aufzei-
en.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Ich möchte auf ein Problem zu sprechen kommen, mit
em eine große Zukunftsfrage verbunden ist: 1,6 Millio-
en Menschen, und zwar vor allen Dingen Frauen, sind
n Deutschland vom Erwerbsleben ausgeschlossen, und
war nur deswegen, weil die entsprechenden Kinder-
etreuungsangebote fehlen. 41 Prozent der Frauen in
eutschland sind nicht erwerbstätig. Das ist in anderen
uropäischen Ländern anders: In Schweden und Groß-
ritannien arbeiten 70 Prozent. Die Schaffung der Kin-
erbetreuungseinrichtungen ist insofern eine Frage der
esellschaftlichen Gerechtigkeit und eine knallharte
konomische Frage. Das Fehlen von Kinderbetreuungs-
ngeboten verhindert Wachstum und das Entstehen von
rbeitsplätzen in Deutschland.






(A) )



(B) )


Katrin Göring-Eckardt

Die Beantwortung der Frage, ob die Rahmenbedin-

gungen stimmen und ob deswegen mehr Kinder geboren
werden, ist für die Zukunft weit wichtiger als zum Bei-
spiel die Lösung der Rentenversicherungsprobleme,
Stichwort: Renteneinstieg mit 67.

Auch hierbei gilt, liebe Frau Merkel: Ihre Antwort ist
wieder von gestern. Im Wahlkampf sind Sie noch für die
Zahlung von Familiengeld eingetreten und jetzt sollen
die Eltern warten, bis sie Rentnerinnen oder Rentner
sind. Dann wird bei ihnen „eine Schippe draufgelegt“.
Fragen Sie die Frauen in Deutschland! Sie wollen heute
Beruf und Familie verbinden. Die Eltern wollen, dass es
ihnen heute besser geht, sie wollen heute Möglichkeiten
haben, sie wollen nicht warten, bis sie im Ruhestand
sind, um dann dafür belohnt zu werden, dass sie Mütter
oder Väter gewesen sind. Ich kann nur sagen: Deutsch-
land bewegt sich. Stillstand herrscht auf Ihrer Seite; Sie
richten den Blick zurück, und zwar sehr weit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Die Menschen wissen auch, dass wir auf Dauer nicht
länger immer neue Schulden machen können. Neue
Schulden bedeuten Einengung der Bewegungsspiel-
räume für unsere Kinder und Kindeskinder. Wir müssen
heute die Möglichkeit haben, in die Zukunft zu investie-
ren. Dabei geht es um Bildung, um Familien, um For-
schung und um technische Innovationen. Dabei geht es
übrigens auch um Energiefragen. Dem, was Sie, Frau
Merkel, zum Thema Atomkraft gesagt haben, möchte
ich Folgendes entgegnen: Es gibt auf der Welt kein ein-
ziges privates Unternehmen, das mit eigenem Geld
Atomkraftwerke baut. Das müssen Sie sich einfach ein-
mal bewusst machen, wenn Sie mit solchen Vorschlägen
kommen. Wenn Sie den Sicherheitsaspekt nicht berück-
sichtigen wollen, dann berücksichtigen Sie bitte wenigs-
tens das bisschen, was mit Ökonomie zu tun hat. Ihre
Art, mit Reformen umzugehen, funktioniert nach dem
Motto „Zurück auf Los“. Das funktioniert nicht, wenn
man den Aufbruch in Deutschland schaffen will.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wenn man den Aufbruch in Deutschland schaffen
will, dann muss man tatsächlich nach vorn blicken und
die Sozialreformen anpacken. Frau Merkel, Sie haben
hier vor ein paar Monaten gesagt: Es muss endlich etwas
vorgelegt werden. – Jetzt liegt etwas vor. Was fehlt, ist
Ihre Antwort. Die Reformvorschläge liegen vor, der
Haushalt liegt vor, das Haushaltsbegleitgesetz liegt vor
und Vorschläge zum Subventionsabbau liegen vor. Was
fehlt, ist irgendeine Antwort aus Ihren Reihen.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD – Michael Glos [CDU/CSU]: Das stimmt doch alles nicht! Das wissen Sie doch! So ein wirres Zeug! Wer hat Ihnen denn diesen Schmarren aufgeschrieben? Entlassen Sie Ihre Referentin!)


Ich bin froh darüber, dass sich die rot-grüne Koalition
entschieden hat, ehrlich zu sein. Ich bin übrigens auch

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(C (D in bisschen stolz darauf. Ich habe Respekt vor denjenien, die sich haben überzeugen lassen, alte Pfade tatächlich zu verlassen und so nicht weiterzumachen. Das Weiter so“ ist das eigentliche Problem im Zusammenang mit sozialer Gerechtigkeit. Auch wenn es bei inzelnen Punkten schwer fällt, brauchen wir die Bereitchaft – auch Ihre –, tatsächlich Veränderungen vorzuehmen, damit wir zukunftsfähig werden. Darauf kommt s an. Wir können den Weg in die Sackgasse nicht weiter eschreiten. Es geht jetzt wirklich um ein neues eutschland. Wir haben uns für beides entschieden: für Selbstbe timmung und für Solidarität, für Freiheit und für Verntwortung. Sie haben sich für Klientelismus und achtspiele entschieden. An die Adresse von Herrn Stoiber, der die Probleme n Deutschland auf ganz andere Weise beschreibt, will ch hier einmal sagen: Unser Problem ist nicht, dass wir in Volk von Drückebergern sind, die Sozialhilfe bezieen – diese Strukturen haben wir selbst geschaffen –; uner Problem ist, dass wir die Ausgrenzung hingenommen aben und dass daraus Sozialhilfekarrieren geworden ind; (Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)


nser Problem ist, dass wir 1 Million Kinder in Deutsch-
and haben, die von Armut bedroht sind, die von Sozial-
ilfe leben. Wenn wir über Gerechtigkeit reden, dann
eißt das: Wir wollen Gerechtigkeit auch für diejenigen,
ie draußen sind. Die Spaltung der Gesellschaft in die,
ie drin sind, und die, die draußen sind, zu überwinden,
as ist die Zukunftsaufgabe, die wir haben. Eine solche
paltung wollen wir nicht. Eine solche Spaltung können
ir nicht hinnehmen. Das ist die neue Gerechtigkeits-
rage, vor der wir stehen.
Wenn Herr Stoiber damit ein Problem hat, dann soll

r sich bitte einmal die Armutsberichte anschauen und
ich klar machen, was das für diese Kinder bedeutet, was
s für ihre Gesundheit bedeutet, was es für ihre Chancen
n der Schule, bei der Ausbildung und erst recht beim
tudium bedeutet. Soziale Gerechtigkeit fängt bei den
chwächsten an und dafür steht diese Regierung ein.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Letztlich ist das natürlich auch ein Potenzial, das wir
erschenken. Aber mit solchem ökonomischen Potenzial
at es Bayern ja nicht so. Das betrifft im Übrigen auch
ie Zuwanderung. Ob Deutschland ein ausländerfreund-
iches Land ist oder nicht, ob Deutschland den Wettbe-
erb um die besten Köpfe gewinnen kann oder nicht, ist
ine harte Standortfrage; Ihre Freunde in der Wirtschaft
nd Ihre eigenen Experten erzählen Ihnen das jeden Tag
ufs Neue. Mit der Weigerung, endlich ein modernes Zu-
anderungsgesetz in Kraft zu setzen, schaden Sie direkt,
anz direkt der deutschen Wirtschaft: weil die klugen
öpfe nicht hierher kommen und weil Ausländerfreund-
ichkeit und Offenheit eines Landes ein Wirtschaftsfak-
or ist, ein Standortfaktor ist, ein Markenzeichen ist. Ein






(A) )



(B) )


Katrin Göring-Eckardt

solches Markenzeichen brauchen wir in Deutschland,
wenn wir tatsächlich Zukunft gewinnen wollen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Das betrifft auch die unheimlich platte Attitüde von
Herrn Stoiber zu der Frage des EU-Beitritts der Tür-
kei. Wenn es nach der CSU ginge, besonders in Wahl-
kampfzeiten, müssten wahrscheinlich erst alle Türkin-
nen und Türken Weißbier trinken und Dirndl oder
Lederhose tragen, bevor man darüber überhaupt reden
kann.


(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ein dummes Zeug! So ein dummes Geschwätz! Es ist einer Fraktionsvorsitzenden nicht würdig, so ein dummes Zeug daherzureden! Sie möchte ich im Dirndl gar nicht sehen!)


Ich finde: Das ist unverschämt. Das spaltet. Ihre Argu-
mentation spaltet unser Land und spaltet auch Europa.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Wir haben sehr klar gesagt, wohin wir mit unseren
Reformen wollen. Wir wollen, dass Deutschland ein
Land wird, in dem sich etwas bewegt, und zwar hoffent-
lich auch die Opposition, ein Land, in dem Innovationen
und Kreativität etwas wert sind, ein Land, in dem nicht
Gleichmacherei herrscht, sondern Unterschiede genutzt
werden, ein Land, das Querdenken fördert und Querein-
steiger befördert, ein offenes Land, das kinderfreundlich
ist und in dem wirklich keiner mehr außen vor bleibt, ein
Land, von dem Frauen sagen können: „Das ist mein
Land“, ein Land, in dem alle bei den Veränderungen, die
nötig sind, mitmachen, so wie sie es können, und ein
Land, in dem es keine Schande ist, zu den Schwachen zu
gehören, sondern eine Ehre, sich der Schwachen anzu-
nehmen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Auch und gerade das gehört dazu, wenn wir über Bewe-
gung reden.

Nun bringt uns ja der Fußball in diesen Tagen manche
Erkenntnisse. Wir haben gelernt: Es hilft nicht, zu jam-
mern: Es sind viele verletzt, der Platz ist schlecht be-
spielbar, der Druck war riesengroß usw. Wahrscheinlich
erwartet auch niemand, dass jedes Spiel haushoch ge-
wonnen wird. Aber was wir sehen wollen, ist echte An-
strengung und den Willen und die Bereitschaft, etwas zu
leisten,


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ein bisschen Können sollte auch noch sein!)


vielleicht sogar einmal über sich hinauszuwachsen. Das
ist im Fußball wie mit Deutschland.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Auch bei Plenarreden!)


Heute Abend geht es für die Nationalmannschaft um
viel. Wenn ich das richtig verstanden habe, wäre es

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(C (D chon ganz gut, wir würden gewinnen. Vor allem wollen ir eine Mannschaft sehen mit Herz, die gut kombiniert, (Michael Glos [CDU/CSU]: Das wäre dann ein Unterschied zu Rot-Grün!)


ie kreativ und flexibel ist, in der Einzelne ihre Stärken
usspielen können


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt fordert sie auch noch den Rücktritt der Bundesregierung!)


nd in der gleichzeitig Teamgeist zur Geltung kommt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


ann kann Deutschland wieder Spitze werden – im Fuß-
all, aber auch als Land; da sind wir sozusagen alle Mit-
lieder des deutschen Teams.
Frau Merkel, wenn Sie nicht so sehr mit der Mann-

eckung in der eigenen Mannschaft beschäftigt wären,
önnten Sie vielleicht auch vorn mitspielen. Ich kann Sie
ur auffordern, das mit vollem Einsatz zu tun, hier im
undestag und im Bundesrat.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Was verstehen Sie von Manndeckung?)


dmund Stoiber leidet ja wohl noch immer darunter,
ass er die Qualifikation verpasst hat. Jetzt hockt er auf
er Ersatzbank und es schwant ihm, dass er bei der
ächsten Aufstellung gar nicht mehr dabei sein wird. Ich
ann nur sagen: Gut so! Schließlich wollen wir gewin-
en. Es geht um viel für Deutschland, nicht bloß heute
bend in Dortmund.
Vielen Dank, meine Damen und Herren.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505901600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Angela Merkel,
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Angela Merkel (CDU):
Rede ID: ID1505901700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr
undeskanzler, Sie haben hier heute generös einen Feh-
er zugegeben: die Abschaffung des demographischen
aktors. Die eigentlich viel spannendere Frage – die an-
ere Frage ist ja lange geklärt – lautet: Was lernen Sie
araus? Wie vorsichtig gehen Sie voran? Ich möchte
ämlich nicht erleben, dass Sie in drei oder vier Jahren
ier stehen – –


(Heiterkeit und Beifall bei der SPD – Ludwig Stiegler [SPD]: Da war Siegmund Freud wieder dabei!)


In vier Jahren stehen Sie nicht mehr hier, aber in drei
ahren könnte es noch der Fall sein.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der Regierungsbank)







(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

– Jetzt freuen Sie sich einmal nicht zu früh, Herr Bun-
deskanzler, es kann auch schneller gehen. Hochmut
kommt immer vor dem Fall; das sollten Sie beherzigen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich möchte nicht erleben, dass Sie in absehbarer Zeit

hier stehen und sagen müssen: Ja, die Verletzung der
Stabilitätskriterien der EU war ein Fehler. Ich möchte
es insbesondere deshalb nicht erleben, weil es bei den
Stabilitätskriterien der EU nicht nur um eine nationale
Frage, sondern um weit mehr geht. Wenn Sie mit einem
gewissen Laisser-faire und einer gewissen Sicherheit,
weil Sie sich darin mit Frankreich einig wissen, diese
Stabilitätskriterien Jahr für Jahr verletzen, gehen Sie die
durchaus begründete Gefahr ein – Sie wissen das –, dass
in Europa Dämme brechen, die wir alle miteinander nur
ganz schwer wieder schließen können. Genau das be-
schäftigt uns hier.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Leute spüren das doch. Irgendjemand hat eben

gesagt, der Bundesfinanzminister habe gestern zugege-
ben, dass es Risiken gebe. Wenn man Risiken kennt,
dann muss man sie doch – das weiß jeder vernünftige
Mensch – konservativ bewerten. Es gibt eine ganze
Schar von Bundesländern in der Bundesrepublik
Deutschland, die von 1 Prozent Wachstum ausgehen.
Frau Scheel hat doch gesagt, dass die Annahme überholt
sei. Damit ist es Ihre verdammte Pflicht und Schuldig-
keit, nicht von 2 Prozent, sondern von 1 Prozent auszu-
gehen,


(Ludwig Stiegler [SPD]: Für Wachstum zu sorgen!)


um die Risiken verantwortbar zu bewerten, Herr Bun-
deskanzler. Sie aber lassen zu, dass das Gegenteil ge-
schieht.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist so, dass die Menschen – man spürt es inzwi-

schen überall – nur begrenzt belastbar sind. Übrigens gilt
das, wie man hinzufügen muss, auch für Ihre eigenen
Abgeordneten.


(Joachim Poß [SPD]: Machen Sie sich da einmal keine Sorgen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Ihre Belastung reicht!)


Dass die Grenze der Belastbarkeit, also die Grenze
dessen, was den Menschen in diesem Lande zugemutet
werden kann, überschritten ist, werden Sie bei der baye-
rischen Landtagswahl serviert bekommen; am 21. Sep-
tember abends werden Sie es schwarz auf weiß haben.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nun ist es ja nicht so, dass Sie in Wahlkämpfen dazu
neigen, nur die Wahrheit zu sagen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Den Vorwurf kann man ihm nicht machen!)


aber es gibt halt Spitzenkandidaten, die das noch tun,
wie zum Beispiel der bayerische.


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(C (D (Lachen und Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)


Ihrer! Ich spreche gerade vom sozialdemokratischen
pitzenkandidaten.


(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

er sagt nämlich:

Die Stimmungslage für die SPD ist derzeit überall
in Deutschland beispiellos schlecht. Die Verunsi-
cherung der Menschen ist mit Händen zu greifen.

echt hat er, der Herr Maget.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


as ist doch auch der Grund, warum man Sie, Herr Bun-
eskanzler, in Bayern nicht auf den Plätzen sehen will.
n Ihrer Person macht sich nämlich diese Verunsiche-
ung fest.


(Volker Kauder [CDU/CSU]: Er ist sie!)

eil Sie, Herr Bundeskanzler, inzwischen spüren, dass
ie auf bayerischen Plätzen entbehrlich sind, haben Sie
ie Sorge, dass Sie überall entbehrlich werden könnten.
aher haben Sie sicherheitshalber schon einmal erklärt,
ie müssten 2006 wieder kandidieren. Das ist der einfa-
he Grund. Sie werden entbehrlich und spüren es. Sie
erden langsam, aber sicher für dieses Land entbehrlich,
o wie auf den bayerischen Plätzen in diesen Tagen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler [SPD]: Er wird öfter eingeladen als Sie, Madame! – Weiterer Zuruf von der SPD: Reines Wunschdenken!)


Diese Bundesregierung ist in diesen Tagen fünf Jahre
m Amt. Verunsicherung ist ihr Markenzeichen. Sie sind
amals Ihr Amt angetreten unter dem Motto, Sie wollten
icht alles anders, aber vieles besser machen. Das er-
aubt doch nun die Frage: Was ist in diesen fünf Jahren
eschehen? Das Wachstum ist von über 2 Prozent in die
tagnation abgerutscht. Wir haben die rote Laterne in
uropa. Sie können noch so viel reden: Es gibt Länder in
uropa, die stehen einfach besser da – Spanien, Groß-
ritannen.


(Joachim Poß [SPD]: Niederlande!)

ch sage es noch einmal: Es liegt eben nicht an der deut-
chen Einheit; denn aus der deutschen Einheit heraus
önnte, wie in anderen mittel- und osteuropäischen Län-
ern, größeres Wachstum kommen, wenn man es richtig
achte. Sie verantworten heute in Deutschland eine
euverschuldung von 87 Milliarden Euro.


(Hans Eichel, Bundesminister: Das ist ja abenteuerlich! – Joachim Poß [SPD]: Sie waren doch schon bei de Maizière! Sie waren doch das Mädchen von Kohl! – Gegenruf des Abg. Volker Kauder [CDU/CSU]: Seien Sie mal ruhig, Sie Flegel!)


Sie müssen sich wenigstens mit den Fakten auseinan-
er setzen. – Als Sie die Regierung übernommen haben,
etrug das Defizit 2,2 Prozent und die Schulden der öf-
entlichen Haushalte waren halb so hoch wie heute.






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

Am Ende dieses Jahres werden sich die Schulden ver-
doppelt haben und wird das Defizit mehr als 4 Prozent
betragen. Das ist die Wahrheit nach fünf Jahren Rot-
Grün, meine Damen und Herren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie verantworten darüber hinaus die höchsten Kran-

kenkassenbeiträge. Wir zahlen in diesem Jahr 18,8 Mil-
liarden Euro aus dem Aufkommen der Ökosteuer als
Zuschuss in die Rentenversicherung. Trotzdem sind die
Beiträge nahe 20 Prozent und Frau Schmidt hat noch
nicht einmal gesagt, wie es im nächsten Jahr weiterge-
hen soll. Das ist die Wahrheit, Herr Bundeskanzler. Und
trotz demographisch bedingter Entlastung auf dem Ar-
beitsmarkt – das macht Jahr für Jahr mindestens
200 000 Menschen aus – liegt die Zahl der Arbeitslosen
in diesem Jahr um 300 000 über der des Jahres 1998.
Das ist die Bilanz von fünf Jahren Rot-Grün.

Meine Damen und Herren, Ihre Bilanz kann man auch
so zusammenfassen:


(Zuruf von der SPD: Sie wollten doch Vorschläge machen!)


„Es gibt keine Volkswirtschaft, die so viel Geld im
Kampf gegen die Arbeitslosigkeit einsetzt wie wir, und
keine ist so erfolglos wie wir.“ Gesagt hat das nicht etwa
einer von uns, sondern gesagt hat es der Bundeswirt-
schaftsminister am „Tag der offenen Tür“ der Bundesre-
gierung. Tage der offenen Tür scheinen zu offenen Ein-
sichten zu führen. Wo der Mann Recht hat, hat er Recht.
Es ist ernüchternd nach fünf Jahren Rot-Grün.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie wollten zwar nicht alles anders, aber vieles besser

machen. Das Ergebnis ist jedoch: Besser geworden ist so
gut wie nichts, dafür aber vieles komplizierter, unbere-
chenbarer. Oder um es mit den Worten der SPD-Ober-
bürgermeisterin von Halle, Ingrid Häußler, zu sagen:
„Alles ist besser als das, was die Bundesregierung vor-
schlägt.“ Das ist eine klare Aussage einer Kommunal-
politikerin.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, es hätte ja heute gar nicht so

kommen müssen, denn am 14. März – ob uns als Oppo-
sition das nun gepasst hat oder nicht – haben Sie einen
Anlauf genommen und hatten alle Trümpfe in der Hand.
Sie hatten die Möglichkeit – und vielleicht wollten Sie
es sogar –, Ihre Politik um 180 Grad in die richtige Rich-
tung zu drehen. Da fielen auch die richtigen Worte: Es
war die Rede vom Kündigungsschutz, ich habe etwas
von Privatisierung des Krankengeldes gehört, es fiel der
Begriff „betriebliche Bündnisse für Arbeit“.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das war alles ein Fehler!)


Wir waren nicht geschockt, aber doch neugierig.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Gerührt!)


Herr Bundeskanzler, von all dem, was Sie damals gesagt
haben, ist nicht viel übrig geblieben. Ich glaube, irgend-
etwas läuft schief. Die Diskussionslage im Lande

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(C (D cheine nicht so zu sein, erklären Sie immer wieder nach inem Blick auf Ihre Umfragewerte. Ihr Problem ist Folendes: Sie haben in Ihrer Politik kein Ziel und keine rundausrichtung. ie haben kein Konzept und keine Linie. (Jörg Tauss [SPD]: Jetzt hören wir Ihr Konzept!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


ierzu sagt einer aus Ihren Reihen, nämlich Ihr General-
ekretär, in einem zugegebenermaßen etwas verschach-
elten Satz: „Ich will nicht die Theorie entwickeln,“ so
laf Scholz, „dass alles, was wir schon einmal gesagt
aben, zueinander passt.“


(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Michael Glos [CDU/CSU]: Der Mann ist ein Genie!)


er Mann hat es auf den Punkt gebracht. Genau das ist
hr Problem: Die Dinge passen nicht zueinander, die
eute verstehen Sie nicht, Sie sagen heute etwas anderes
ls gestern und morgen wieder anderes. Deshalb kom-
en Sie nicht „aus dem Knick“, wie man so schön sagt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Bundeshaushalt, über den wir heute hier spre-

hen,

(Joachim Poß [SPD]: Jetzt kommen die Vorschläge! Jetzt kommt Frau Merkel aus dem Quark!)


st – das ist bedauerlich – das klassische Beispiel dafür:
ie Grundannahme des Etatentwurfs, nämlich die
achstumsprognose, ist überholt. Das ist bereits ges-

ern gesagt worden. Frau Scheel hat versucht, sich da
ieder herauszureden, aber es wird Ihnen nicht entgan-
en sein, Herr Bundeskanzler, dass sie ihre grundsätzli-
he Aussage nicht widerrufen hat; sie hat gestern ledig-
ich nicht mehr davon gesprochen. Die Grundannahme
st überholt und deshalb brauchen wir uns mit diesem
aushalt nicht weiter aufzuhalten.


(Zurufe von der SPD: Aha!)

Aber ich gehe gerne auf etwas ein, worüber Sie hier

usführlich gesprochen haben, nämlich die Frage: Ist es
ichtig, angesichts der kleinen konjunkturellen Impulse,
ie es weltweit vielleicht gibt, die Steuerreform vorzu-
iehen? Herr Bundeskanzler, ich erinnere Sie: Am
4. März, als Sie die Neuausrichtung Ihrer Politik einge-
äutet haben, haben Sie uns vehement gewarnt, ange-
ichts der noch fehlenden Strukturreformen – die bis
eute noch nicht wirksam sind – für ein Vorziehen der
teuerreform zu werben. Dann haben Sie sich anschei-
end anders entschieden. Aber, Herr Bundeskanzler,
enn wir damals Ihrer Argumentation, das Vorziehen
er Steuerreform dürfe nicht fast ausschließlich durch
euverschuldung finanziert werden, zugestimmt haben,
o dürfen Sie es uns jetzt nicht übel nehmen, dass wir bei
ieser Auffassung bleiben und sagen: Sie haben bis jetzt
ichts Anständiges auf den Tisch gelegt. Das ist für uns






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

kein Finanzierungskonzept. Sie müssen schon etwas
Besseres vorlegen.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Ich habe heute mit großen Ohren zugehört, weil ich

dachte, zwischen den ganzen salbungsvollen Worten ste-
cke vielleicht noch etwas Neues. Aber es ist nichts
Neues gekommen. Es gibt nach wie vor kein Finanzie-
rungskonzept und deshalb müssen Sie weiter daran ar-
beiten, Herr Bundeskanzler, wenn Sie Ihr Ziel für ver-
nünftig halten. Wann immer Sie ein Konzept vorlegen,
sind wir bereit, uns das anzuschauen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Aber eines wird nicht gehen: Wir werden nicht im
Anschluss an eine Idee, die nicht die unsrige war,


(Lachen bei der SPD)

Ihre Arbeit machen. Das ist so, als wenn Sie sich hinstel-
len und sagen – ich habe das schon öfter festgestellt –:
Wir brauchen Kirschkuchen, kennen Sie ein Backrezept
dafür? – Wenn Sie Kirschkuchen brauchen, backen Sie
ihn sich selbst! Wir essen dann gerne mit, Herr Bundes-
kanzler.


(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Scherzkeks!)


Sie haben die Verantwortung in diesem Haus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)

Aber Spaß beiseite, denn die Lage in Deutschland ist

wirklich mehr als ernst. Natürlich sind Einschnitte und
Kürzungen notwendig. Dadurch, dass wir mit Ihnen ge-
meinsam den Weg der Gesundheitsreform gegangen
sind, haben wir einen wichtigen Beitrag geleistet und ge-
zeigt, dass wir uns nicht vor unangenehmen Entschei-
dungen drücken. Wenn Sie das anzweifeln, sprechen Sie
die Unwahrheit.

Die Gespräche haben wir wie Sie. Die Frage vieler
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ist: Müsst ihr uns
das jetzt zumuten? Ist es richtig, dass ihr beim Kündi-
gungsschutz etwas macht? Wir haben betrieblich schon
so viel miteinander vereinbart. – Natürlich müssen wir
diese Fragen genauso beantworten wie Sie. Aber Ihr
Problem ist, dass Sie eine Kürzungsagenda abarbeiten,
ohne das Ziel der Veranstaltung jemals deutlich nach
draußen getragen zu haben. Ihr Problem ist außerdem:
Geld – das beweisen Sie mit diesem Haushalt – kann
man sich pumpen. Vertrauen der Menschen in die Rich-
tung, die Sie einschlagen, kann man sich nicht pumpen.
Das ist das, womit Sie sich auseinander zu setzen haben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Gewisse Fragen muss man eben beantworten. Eine

Frage – Sie haben sie zumindest ansatzweise gestellt –
lautet: Womit will Deutschland sein Geld verdienen?


(Michael Glos [CDU/CSU]: Mit Windrädern! – Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE K n d a w ti S d d n d b r d T d d f h g M e w U S g k I e r I l h R S n d t E s E i (C (D GRÜNEN]: Nicht mit Atomkraftwerken jedenfalls!)


lar, das Wachstumsklima ist weltweit im Augenblick
icht besonders gut. Aber wir in diesem Hause müssen
och miteinander darüber sprechen: Machen wir das
us Deutschland, was in diesem Land steckt? Ist das,
as wir könnten, auch wirklich Gegenstand Ihrer Poli-
k?
In diesem Zusammenhang müssen wir uns – da sind

ie überhaupt nicht konkret geworden – doch einmal mit
er Frage auseinander setzen: Ist es in einer Situation, in
er die Kaufkraft eines Landes sinkt und die Binnen-
achfrage gering ist, eigentlich richtig, dass 1,3 Milliar-
en Euro zur Unterstützung der Windkraft ausgege-
en werden, was die Verbraucher tragen müssen? Ist das
ichtig?


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich sage hier ausdrücklich: Ich bin für die Förderung
er Windenergie. Aber dort, wo kein Wind weht, in den
älern dieses Landes,


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Da machen die noch Wind!)


a müssen Sie nicht noch einen Windmast aufstellen und
en produzierten Strom mit 9 Cent pro Kilowattstunde
ördern. Es muss schon überlegt sein, ob wir da das Geld
ineinstecken.
Wir müssen uns auch die Frage stellen, was denn ei-

entlich beim Herrn Bundesverkehrsminister los ist.
indestens 400 Millionen Euro sind dort – ich sage es
twas lax – in den letzten Monaten versäckelt worden,
eil dieser Mann die Warnungen der Europäischen
nion nicht ernst genommen hat. Das sind Gelder des
teuerzahlers, die wir weiß Gott für etwas anderes hätten
ebrauchen können.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, tun Sie wirklich alles, was Sie

önnen, um das Gerede über die pharmazeutische
ndustrie – ständig spricht man von „Pharmalobby“ –,
ine Branche, die immerhin viele Arbeitsplätze in unse-
em Lande sichert und die ausgebaut werden müsste, in
hren Reihen einmal zu unterbinden? Haben Sie eigent-
ich schon alles getan, um in Europa auf den Tisch zu
auen und zu sagen: Die Änderung der Chemikalien-
ichtlinie, die jetzt geplant ist, gehört weg! – Glauben
ie allen Ernstes, Sie könnten Ihr Lissabon-Ziel, wo-
ach Europa der dynamischste Kontinent der Welt wer-
en soll, mit einem Tausende von Seiten starken Mons-
er von Vorschriften für die chemische Industrie
uropas erreichen? Ich sage Nein. Das ist völlig offen-
ichtlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Glauben Sie eigentlich, angesichts der weltweiten

ntwicklung war es richtig, der grünen Gentechnologie
n Deutschland einen langen Stillstand verordnet zu






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

haben? Glauben Sie nicht, dass dadurch zahlreiche zu-
kunftsorientierte Arbeitsplätze verloren gehen?


(Joachim Poß [SPD]: Sie bauen Pappkameraden auf!)


Ich sehe Sie schon irgendwann in der Opposition hier
stehen und sagen: Schade, dass wir daran nicht gedacht
haben.

Als Herr Fischer – er ist leider schon gegangen – –

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Nein, er sitzt da hinten!)

– Gut, da kann ich ihn ja noch besser ansprechen. – Über
wie viele Jahre haben Sie es verhindert – es waren sie-
ben! –, bis die gentechnische Produktion von Insulin bei
Hoechst in Gang gekommen ist? Sie waren stolz darauf.


(Joseph Fischer [Frankfurt] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ich habe es genehmigt!)


– Ja, irgendwann haben Sie es genehmigt, weil Sie gar
nicht mehr daran vorbeikamen. Deutschland ist unend-
lich viel Zeit verloren gegangen. Das ist die Wahrheit.
Das wird bei der grünen Gentechnologie wieder so pas-
sieren.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, glauben Sie wirklich, dass es das

wichtigste Ziel Ihrer Bildungsministerin sein muss, im
Hochschulrahmengesetz das Verbot von Studiengebüh-
ren zu verankern? Finden Sie nicht, es wäre prima, wenn
man den Langzeitstudenten in Deutschland ein bisschen
Beine machen würde – und Baden-Württemberg sähe
sich nicht vor dem Bundesverfassungsgericht entspre-
chenden Klagen ausgesetzt –, indem ihnen Gebühren
drohen, wenn sie mehr als 13 Semester studieren? Das
wäre doch einmal ein Weg.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Schlicht und ergreifend: Natürlich sind die Zeiten

schwierig. Aber es gibt serienweise Beispiele, die zei-
gen, dass Sie sich genau mit dem beschäftigen, was uns
nicht voranbringt, und dass Sie das schleifen lassen, was
uns voranbringt. Das beklagen wir. Für die Menschen in
diesem Lande fordern wir eine andere Politik ein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Machen Sie mal Vorschläge!)


Wir müssen uns nicht nur fragen, womit Deutschland
sein Geld verdient, sondern auch, wie die Strukturen in
Deutschland sein müssen, damit die notwendigen Ände-
rungen funktionieren. Es ist klar, dass wir ein Aufbre-
chen des alten Denkens brauchen. Ich persönlich halte
das Drohen mit einer Ausbildungsabgabe für das Aller-
letzte, das in Deutschland Lehrstellen schaffen kann.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich halte es für einen kapitalen Fehler, dass Sie sich in
dem Jahr, als Sie wussten, wie schwer es wird, genügend
Lehrstellen zu schaffen, ausgerechnet das Handwerk
vorgenommen und ihm so richtig eines vor den Kopf ge-

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(C (D eben haben, damit die Linken bei Ihnen einen Grund um Feiern haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD)


Frau Göring-Eckardt, Ihr Beispiel geht doch nach hin-
en los: Die Tatsache, dass Herr Walz auch ohne Herrn
lements neue Handwerksordnung Meister ist und ein
eschäft hat, zeigt doch, dass das Vernünftige heute
chon möglich ist. Es bedarf also nicht Ihres radikalen
chnittes, um in Deutschland das Handwerk nach oben
u bringen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin mir im Gegensatz zu Ihnen absolut sicher:
enn Sie mit uns gemeinsam das Vermögensteuergesetz
es ist ohnehin nur noch ein Torso – abschaffen würden,
ann würde dies eine unglaublich belebende Auswir-
ung auf sehr viele Betriebe haben;


(Lachen bei der SPD)

enn sie wüssten dann, dass es mit diesem Spuk in
eutschland endlich vorbei ist. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


In der heutigen Zeit, in der viele Unternehmen nicht
ewinne, sondern Verluste machen, ist die immer wie-
erkehrende Androhung der Mindestbesteuerung für
lle genau das falsche Signal, um in Deutschland die
onjunktur wieder in Gang zu setzen. Unsere Alterna-
ive ist, die Mindestbesteuerung nicht einzuführen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß [SPD]: Nur wenn Gewinne da sind, gnädige Frau!)


Nach dem 14. März haben wir eine groteske Situation
rleben müssen, die von den Arbeitnehmerinnen und Ar-
eitnehmern glücklicherweise auch so empfunden
urde, nämlich den Streik in den neuen Bundesländern
m die 35-Stunden-Woche, der die IG Metall in eine
iefe Krise geführt hat.


(Ludwig Stiegler [SPD]: Das hat Schröder angezettelt!)


Herr Stiegler, das hat Herr Schröder zwar nicht ange-
ettelt. Ein klares Wort von ihm gegen diesen Schwach-
inn hat aber gefehlt. Das müssen Sie zugeben.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ch bin mir ganz sicher, dass Herr Schröder den Streik
ls schwachsinnig empfunden hat. Aber er hat es er-
taunlicherweise nicht ausgesprochen.
Man kann aus dieser Angelegenheit zwei Lehren zie-

en. Die erste Lehre ist, dass die Gewerkschaften allein
icht vernünftig genug sind, als dass man den Betrieben
or Ort die Möglichkeit betrieblicher Bündnisse für
rbeit nicht gesetzlich eröffnen müsste.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)







(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

Aus dieser Schlussfolgerung ergibt sich unser Vorschlag,
der Ihnen Paragraph für Paragraph auf dem Tisch liegt:
Änderung des Tarifvertragsgesetzes, Änderung des Be-
triebverfassungsgesetzes samt einer sinnvollen Verände-
rung des Kündigungsschutzes. Was Herr Clement in Be-
zug auf den Kündigungsschutz vorlegt, spottet jeder
Beschreibung. Dennoch gibt es darüber Diskussionen
bei Ihnen. Ein komplettes Arbeitsmarktreformgesetz,
das wir beraten können, liegt Ihnen vor. Wir bauen da-
rauf, dass Sie konstruktiv darauf eingehen.

Die zweite Lehre, die wir aus diesem Streik ziehen
müssen, ist, dass wir mit den Tarifvertragsparteien auch
über das, was jenseits gesetzlicher Regelungen in
Deutschland notwendig ist, sprechen müssen. Wir kön-
nen doch nicht unsere Augen vor der Tatsache verschlie-
ßen, dass 51 Prozent der Lohnzusatzkosten in Deutsch-
land nicht auf uns, den Gesetzgeber, zurückgehen,
sondern durch Tarifverträge vereinbart sind.


(Joachim Poß [SPD]: Das ist Tarifautonomie!)

– Richtig, das ist Tarifautonomie. Aber die Tarifauto-
nomie ist deshalb genauso wie die Parteien und anderes
grundgesetzlich geschützt, weil die Tarifautonomie dem
Gemeinwohl verpflichtet ist. Sie kann nicht in Besitz-
standsdenken umdefiniert werden. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es kann nicht sein – das sage ich ausdrücklich in
Richtung der Gewerkschaften und der Wirtschaft –, dass
uns die Wirtschaft sagt, was wir in diesem Hause zu tun
haben,


(Michael Glos [CDU/CSU]: So ist es!)

wir aber den Mund halten müssen, wenn wir der Mei-
nung sind, auch einmal sagen zu müssen, was man an
anderer Stelle tun könnte.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Genau aus diesem Grund habe ich gesagt, dass es
nicht um die Frage geht, ob in den westlichen Bundes-
ländern mehr oder weniger gearbeitet wird und ob der
Osten so werden muss wie der Westen. Es geht vielmehr
darum, dass wir insgesamt in Deutschland länger ar-
beiten müssen. Daran führt kein Weg vorbei.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Herr Bundeskanzler, an dieser Stelle brauchen wir
glücklicherweise nicht das Prinzip „Hire and fire“ bzw.
Amerika als Abschreckung zu instrumentalisieren. Wir
müssen nur in die Schweiz gehen, die noch nicht wegen
Asozialität und Unsozialität weltweit bekannt geworden
ist. Dort arbeitet man mehr als 220 Tage pro Jahr; wir
arbeiten 175 Tage pro Jahr. Dort arbeitet man pro Woche
im Durchschnitt 40,5 Stunden und bei uns 37,5 Stunden.
Glauben Sie, alle deutschen Arbeitnehmerinnen und Ar-
beitnehmer seien so viel schneller und unsere Maschinen
so viel besser, dass wir dies aufholen könnten? Es ist
sinnvoll und notwendig, dass wir auch bei uns ohne
Schaum vor dem Mund über einen solchen Prozess dis-

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(C (D utieren und dies ansprechen. Das ist – jedenfalls nach einem Verständnis – die Pflicht der Politik. Dann geht es darum – zumindest im Ziel stimmen wir berein –, dass wir die Arbeitslosenund die Sozialilfe zusammenlegen müssen, um in Deutschland wieer bessere Leistungsanreize zu schaffen. Ich weiß wie ie, dass es gerade in neuen Bundesländern eine verammt schwierige Sache ist, wenn Menschen in einer egion, in der auf einen freien Arbeitsplatz 25 oder 0 Bewerbungen kommen, gesagt werden muss: Passt uf, ihr bekommt jetzt Sozialhilfe. Wir müssen auf jeden Fall dafür Sorge tragen, dass ei Menschen, bei denen dies der Fall ist, insbesondere ei Menschen mit Familien, bei Alleinerziehenden und üttern, die Bedürftigkeitsprüfung nicht die eigene Alrssicherung einschließt. Es wäre nämlich wirklich fal, wenn jemand, der für das Alter vorgesorgt hat, desegen, weil er Sozialhilfe bekommt, diese Vorsorge mit ngerechnet bekommt. Das muss beachtet werden. Wir sind uns im Ziel einig. Trotzdem haben wir einen nderen Gesetzentwurf eingebracht als Sie. Denn wir lauben, dass dieser Prozess so weit wie möglich von nten nach oben organisiert werden sollte. Die Kommuen sollten also so weit wie möglich die subsidiäre Verntwortung übernehmen. Denn diese kennen die Menchen und ein solcher Prozess muss nahe am Menschen tattfinden. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Es ist leider wahr: Die Kommunen, durchaus auch
on uns während unserer Regierungszeit enttäuscht, nun
ber durch das, was sie im Zusammenhang mit der Kör-
erschaftsteuerreform unter Herrn Eichel erlebt haben,
öllig vor den Kopf gestoßen, sagen: Wir wollen be-
timmte Aufgaben nicht mehr übernehmen; wir trauen
uch nämlich nicht zu, dass ihr uns die dafür notwendi-
en Mittel zur Verfügung stellt.
Deshalb schlagen wir vor, eine Grundgesetzände-

ung vorzunehmen, in der die finanzielle Ausstattung
er Kommunen klar geregelt wird.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr gut!)

azu legen wir Ihnen den Gesetzentwurf des Landes
essen vor; Weiteres werden wir beraten müssen. Das
t eine ganz andere Grundlage als das, was Sie vorse-
en. Sie wollen die Bundesanstalt für Arbeit um 12 000
eute aufstocken. Diese wurde schon bisher ihren Auf-
aben nicht gerecht. Wir haben erhebliche Zweifel, dass
ie ihre Arbeit mit 12 000 bzw. 16 000 Leuten mehr bes-
er bewältigen kann. Das ist der Unterschied.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Frau Göring-Eckardt, bitte erzählen Sie nicht, wir hät-
n keine Alternative. Unsere Alternative steht samt dem
rbeitsmarktreformgesetz und dem Soforthilfeprogramm






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

für die Kommunen in einem großen Konvolut, das
300 Seiten dick ist. Insbesondere in einem Punkt sind
wir unterschiedlicher Meinung im Vergleich zu Ihnen:
Wir halten es für einen ziemlichen Schwachsinn, jetzt
auch noch alle Freiberufler zu besteuern. Dies ist im
Übrigen nicht finanzwirksam für die Kommunen. Des-
halb hören wir mit Freude, dass Sie als Fraktion – Herr
Müntefering, alle Achtung, wir haben es vier Mal einge-
bracht – die Gewerbesteuerumlage jetzt wieder auf den
alten Stand bringen wollen. Das wäre nämlich für die
Kommunen eine verlässliche Einkommensquelle.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Eichel, es war einer Ihrer großen Finanzierungs-

tricks: Sie haben den Kommunen den Anteil an der
Gewerbesteuer weggenommen und eine Ihrer beliebten
Luftbuchungen, nämlich irgendetwas mit AfA, gemacht
und dabei nicht bedacht, dass wir dem nicht zustimmen
werden, weil es mittelstandsfeindlich ist. Dadurch haben
Sie die Kommunen auf dem Trocknen sitzen lassen. Das
ist die Genesis der finanziellen Entmachtung der Kom-
munen durch diese Bundesregierung.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß [SPD]: Deshalb wollen Sie die Gewerbesteuer abschaffen!)


Im Zusammenhang mit den Fragen danach, wer für
was verantwortlich ist und wie wir die Bundesrepublik
unter den neuen Bedingungen organisieren, möchte ich
eine Mahnung an den Bundeswirtschaftsminister aus-
sprechen.


(Joachim Poß [SPD]: Der nächste Pappkamerad!)


Herr Wirtschaftsminister, Sie haben im Augenblick ei-
nen Fall auf dem Tisch liegen, der sich mit dem befasst,
was man Pressefreiheit und Wettbewerb im Pressebe-
reich nennt. Ich rate Ihnen dringend, sich an dieser Stelle
nicht über das Votum des Kartellamtes und der Mono-
polkommission hinwegzusetzen; denn wenn in der deut-
schen Hauptstadt die Presselandschaft durch Eingriff des
Bundeswirtschaftsministers so geordnet wird, wie es die
Bundesregierung gerne hätte, wäre es das schlechtest-
mögliche Signal für Deutschland. Das können wir im
Moment wirklich nicht gebrauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Wenn wir die Fragen „Womit wollen wir unser Geld
verdienen?“


(Walter Schöler [SPD]: Mit Leo Kirch usw., das ist doch bekannt!)


und „Wie müssen wir das Land organisieren?“ beant-
wortet haben, dann müssen wir uns die Frage stellen:
Wie ist unser Verständnis von unserem Land und von
Europa?


(Beifall des Abg. Jörg Tauss [SPD])

Der Bundesaußenminister hat neulich gesagt, dass wir

unsere Interessen europäisch definieren müssen. Ich
stimme ihm teilweise zu. Wir müssen sie zunehmend

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(C (D uropäisch, aber in vielen Fragen auch deutsch definieen – welches sind die deutschen Interessen? –, damit ir unseren Anteil in Europa bekommen. Das ist überaupt keine Frage. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Ich komme jetzt auf einen Punkt zu sprechen, der viel
it unserem Selbstverständnis zu tun hat.


(Jörg Tauss [SPD]: „Tagesspiegel“!)

ieses Selbstverständnis hat für mich mit unserer Ge-
chichte und unserem Umgang mit ihr zu tun.


(Joachim Poß [SPD]: Noch ein Pappkamerad!)

s gibt eine Initiative zum Zentrum gegen Vertrei-
ung. Diese Initiative ist wirklich nicht parteilich orga-
isiert, sondern vertritt ganz unterschiedliche Richtun-
en. Diese Initiative hat gesagt: 12,5 Millionen
enschen wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vertrie-
en. Die Gründung eines solchen Zentrums ändert über-
aupt nichts an der Auseinandersetzung mit dem Un-
echt, das Deutschland über die Welt gebracht hat. Aber
uch Deutschen ist Unrecht passiert.
Die Frage, ob wir in Deutschland und in Berlin die
raft haben, uns in einem solchen Zentrum mit diesem
eil unserer Geschichte auseinander zu setzen


(Jörg Tauss [SPD]: Was Sie da treiben, ist geschichtslos!)


der ob wir einen Bundeskanzler haben, der als Erstes
it subtilen Unterstellungen erklärt, dies würde nur aus
ückwärts gewandter Geschichtsklitterung stattfinden,
t eine entscheidende Frage bis ins nächste Jahrhundert
inein.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Deshalb – das sage ich ganz ruhig – habe ich es für
erantwortungslos gehalten, dass Sie die Besorgnisse,
ie es in Polen und Tschechien gab, genutzt haben, um
inseitig Stellung zu beziehen und keinen Beitrag – jetzt
ersucht es der Innenminister – zur Versöhnung in dieser
rage zu leisten.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Nichts, aber auch gar nichts spricht gegen ein euro-
äisches Netz solcher Gedenkstätten. Aber auch in
eutschland – mit 12,5 Millionen Betroffenen – müssen
ir doch die Kraft haben, damit verantwortungsvoll um-
ugehen. Deshalb unterstütze ich ausdrücklich mit unse-
er Fraktion die Initiative des Bundes der Vertriebenen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler, es war immer die Politik von
nion und SPD, dass man den Kampf gegen Terror nicht
lleine militärisch führt. Das möchte ich hier noch ein-
al sagen, obwohl ich glaube, dass Sie es wissen. Es
ar immer unsere Politik, dass wir Entwicklungshilfe,
ufbauhilfe und Wirtschaftshilfe brauchen. Aber wir
rauchen auch militärische Komponenten. Deshalb wer-






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

den wir uns in allen anstehenden Fragen verantwor-
tungsvoll entscheiden. Wolfgang Schäuble wird dazu
heute sicherlich noch Stellung nehmen.

Herr Bundeskanzler, wo wir beim Thema Verantwor-
tung sind: Ich fand, Ihr Auftritt mit dem türkischen
Ministerpräsidenten bei dessen Staatsbesuch in einer ge-
meinsamen Pressekonferenz und die Beschimpfungen
von CDU und CSU waren einmalig und wieder einmal
verantwortungslos.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie tun so, als seien die Kopenhagener Kriterien, die in
Europa für die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten gelten,
von der Türkei einfach so zu erfüllen. Ich denke dabei
nicht an die Anstrengungen, die die Türkei macht; das
habe ich Herrn Erdogan gesagt. Es gibt unter den Ko-
penhagener Kriterien vielmehr ein Kriterium, das mit
der Aufnahmefähigkeit der Europäischen Union, so wie
sie heute besteht, zu tun hat. Wollen Sie bestreiten, dass
zu einem Zeitpunkt, zu dem wir gerade einmal 25 Mit-
gliedstaaten geworden sind, keine Probleme bestehen?
Ich muss Ihnen sagen, dass wir diesen Kurs gegenüber
der Türkei nicht mitmachen werden. Ich möchte, dass
wir redlich miteinander umgehen, gerade weil es
Freunde sind.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Mitglieder der Bundesregierung und Sie selbst,

Herr Bundeskanzler, sprechen davon, Deutschland
müsse sich bewegen. Diese Aussage ist nicht falsch, ist
aber, wie man in der Mathematik sagen würde, nicht hin-
reichend. Zickzackbewegungen helfen uns nicht, Bewe-
gungen nach unten auch nicht. Deutschland muss sich
nach oben bewegen. Das muss die Richtung sein.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig!)

Dazu müssen wir Deutschland verändern; das ist rich-

tig. Aber wir müssen Deutschland – das geht darüber
hinaus – fair ändern. Die Menschen erwarten Fairness
bei dem, was ansteht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit es hier zu Innovationen kommt und das Ganze
die richtige Richtung bekommt, habe ich Ihnen am
14. März dieses Jahres ein Angebot gemacht, auf das
Sie leider nicht eingegangen sind. Ich habe gesagt, das
werde ein Prozess, der nicht ein halbes Jahr oder ein
Jahr dauert, sondern zehn oder zwölf Jahre. Lassen Sie
uns Größen für Investitionskraft, Beschäftigung, Bil-
dung und Forschung finden, anhand derer wir mit den
Menschen Jahr für Jahr überprüfen können, ob wir auf
dem richtigen Weg sind. Das würde Verlässlichkeit in
die Sache bringen. Auf die Frage, die die Menschen
stellen, wozu und warum das Ganze gemacht wird,
müssen wir eine Antwort haben. Diese Antwort muss
glaubhaft sein. Dazu brauchen wir eine Gerechtigkeit,
die im Gegensatz zu dem, was Sie im Moment machen
– Sie sprechen nur über Chancengerechtigkeit, was wir
dagegen schon viele Jahre verfolgt haben –, leistungs-
gerecht ist. Der Bürger, der unten an der Basis etwas

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(C (D eistet, muss wissen, dass seine Leistung von denjenien über ihm auch anerkannt wird. Daran fehlt es in eutschland bis heute. enau das verstehe ich unter fair ändern. Wenn Sie das eherzigen würden – Sie tun das nicht oder können es icht, warum weiß ich nicht –, dann brauchten Sie auch eine Phantomdebatten zu führen. (Joachim Poß [SPD]: Das machen Sie jetzt die ganze Zeit!)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


In einer dieser Phantomdebatten geht es um den
emokratischen Sozialismus. Der SPD-General-
ekretär hat in der „FAZ“ vom 21. August 2003 gesagt,
er demokratische Sozialismus sei „eher so’n Sprech-
nfall“.


(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


ir ist der Atem gestockt, und zwar aus zwei Gründen:
um einen scheint der demokratische Sozialismus für
anche von Ihnen das Erbstück sozialdemokratischer
dentität zu sein.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das war in zwei Wahlkämpfen erkennbar!)


um anderen kann ich nur sagen, dass ich Sozialismus
us persönlicher Erfahrung heraus wirklich nicht als
prechunfall bezeichnen kann. Das war ein Realunfall
it grausamen Auswirkungen für Millionen von Men-
chen, die ich persönlich nicht zu vergessen beabsich-
ge.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Im Übrigen füge ich hinzu: Die Leute haben die

chnauze voll von Sprechunfällen Ihrer Regierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)


ie Leute wollen sehen, dass endlich etwas passiert.
eshalb lautet unser Motto „Deutschland fair ändern“.
as wird auch die Grundlage unserer Oppositionspolitik
nd unserer Mitarbeit im Bundesrat sein.
Ich sage Ihnen ganz klar: Blockieren, wie Sie es zu

afontaines Zeiten gemacht haben, passt nicht zur
nion.


(Joachim Poß [SPD]: Werbeagentur Merkel!)

as geht gar nicht zusammen, das passt nicht, das ist
öllig unmöglich. Das geht weder mit unseren Wählern,
och mit unseren Mitgliedern und schon gar nicht mit
er Bundestagsfraktion von CDU/CSU.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir zustimmen, dann stimmen wir begründet

u. Das haben wir bei vielen außenpolitischen Gemein-
amkeiten schon getan. Was wir verbessern können
Beispiel Gesundheitsreform –, das werden wir verbes-
ern. Was wir ablehnen, das lehnen wir begründet ab.
eshalb können Sie sich einer Sache sicher sein: Diesen
aushalt und wahrscheinlich noch so manches mehr






(A) )



(B) )


Dr. Angela Merkel

lehnen wir ab, weil es Begründungen für genau die Ab-
lehnung gibt.

Herzlichen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505901800

Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Franz

Müntefering, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1505901900

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Die am Mittwoch einer Haushaltswoche stattfin-
dende Debatte ist üblicherweise das, was man die Stunde
der Opposition nennt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb waren wir heute Morgen um 9 Uhr alle ge-

spannt auf die Rede von Frau Merkel. Sie hat es aber
vorgezogen, Herrn Glos vorzuschicken und sich in die
relative Ruhe der zweiten Runde zurückzuziehen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Zur Sache, Schätzchen!)


Trotzdem haben wir gehofft, es könnte etwas kommen.
Frau Merkel, wenn die Probleme des Landes so groß

sind, wie Sie sie beschrieben haben, dann war die
Münze, mit der Sie hier gezahlt haben, viel zu klein. Das
war nicht die Lösung der Probleme, die vor uns liegen.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich möchte mich dafür bedanken, dass Sie auf den
Vorschlag des Bundeskanzlers eingegangen sind, mit-
zustimmen, wenn es in diesem Herbst darum geht, den
Nachhaltigkeitsfaktor – Sie sprechen vom Generatio-
nenfaktor – in der Rente zu beschließen. Ich kann das
nur so verstehen: Sie haben gesagt, das wäre schon vor
vier oder fünf Jahren richtig gewesen. Herr Westerwelle
und Sie haben das jetzt noch einmal unterstützt. Wir
werden in wenigen Wochen hier über diesen Gesamt-
komplex zu sprechen haben. Ich gehe davon aus, dass
der Deutsche Bundestag eine Rentenlösung finden kann,
die auch die Generationengerechtigkeit bzw. den Nach-
haltigkeitsfaktor beinhaltet. Ich freue mich und bedanke
mich bei Frau Merkel, dass sie das in diesem Sinne auf-
genommen hat.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Frau Merkel, ich bitte Sie um Ihre Aufmerksamkeit.
Sie sind noch einmal auf den demokratischen Sozialis-
mus eingegangen. Dazu möchte ich einige Sätze sagen.
Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, dass Sie in dem
zweiten Teil Ihrer Ausführungen etwas gesagt haben,
das wir uns untereinander nicht zumuten sollten. Sie ha-

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(C (D en nämlich einen Trick angewendet und den Kommuismus, die Diktatur der DDR, der SED, mit der Tradiion der deutschen Sozialdemokratie verglichen. Ich sage Ihnen: Hier sollten wir unsere Empfindlich eiten offen aussprechen. Sie sagen, Sie hätten den deokratischen Sozialismus als eine reale kommunistische iktatur erlebt. Das wissen wir und das beurteilen wir so ie Sie. Die Geschichte dieser deutschen Sozialdemoratie hat es aber nicht nötig, sich von Ihnen mit den ommunisten, die in dem Lande geherrscht haben, verleichen zu lassen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Wer sich mit der SED so gemein gemacht hat wie Sie, sollte sehr vorsichtig sein!)


(Zuruf von der SPD: Pfui!)


Wir stehen vor spannenden Monaten. Solange ich zu-
ückdenken kann, hat es das noch nie gegeben, dass so
iele wichtige Dinge in so kurzer Zeit im Deutschen
undestag vorgetragen, diskutiert und zur Entscheidung
ebracht werden mussten. Dieser Herausforderung ha-
en wir uns alle zu stellen. Die Monate bis Weihnachten
erden außerordentlich spannend sein. Es wird um drei
roße Komplexe gehen, die Hans Eichel gestern hier er-
äutert hat.
Erstens geht es um den Haushalt 2004 und dessen So-

idität sowie um unser Bemühen, ihn so knapp wie nur
öglich zu schneidern.
Zweitens geht es darum, große Strukturreformen,

ie die Voraussetzung dafür sind, dass die Realisierung
ieses Haushaltes im nächsten Jahr und in den dann
ommenden Jahren auch gelingen kann, voranzutreiben
nd zu beschließen.
Drittens geht es darum, dass Wachstumsimpulse ge-

eben werden, damit mehr Geld in die öffentlichen Kas-
en fließen kann.
An der Verwirklichung dieses Dreiklangs arbeiten
ir. Das läuft in diesen Wochen zeitgleich. Es ist richtig:
icht alles, was für den Haushalt wichtig ist, wurde auch
chon beschlossen. Es wurde aber alles auf den Weg ge-
racht. Wir haben uns viel vorgenommen; das wissen
ir. Wir sind uns aber sicher, dass der Weg, den wir ge-
en, richtig ist und dass wir es in diesem Jahr gemein-
am schaffen, dieses Land weiter in die richtige Rich-
ung zu bringen und dafür zu sorgen, dass Deutschland
n eine gute Zukunft gehen kann. Wir sind fest entschlos-
en, das zu tun.
Wir wissen, dass es auf dieser Strecke in den nächsten
ochen und Monaten noch viele Unebenheiten gibt. Wir
erden in der politischen Diskussion an manchen Stel-
en untereinander und mit Ihnen zu streiten haben. Es ist
ür dieses Land gar nicht schlecht, wenn es begreift, dass
ir in einer Auseinandersetzung von außerordentlicher
edeutung stehen. Das ist nicht schlecht für die Demo-
ratie. Im Jahre 2003 werden wir im Deutschen Bundes-
ag und im Bundesrat dafür sorgen, dass Deutschland ei-
en guten Weg in die Zukunft gehen kann. Das ist unser






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Ziel; das haben wir uns vorgenommen und das schaffen
wir auch miteinander.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Opposition muss sich entscheiden. Frau Merkel,
ich höre von Ihnen und auch von anderen manche nach-
denkliche Worte. Wir wollen sie gerne bedenken und
nicht alles beiseite schieben, was da kommt. Manches ist
aber auch Wolkenschieberei und verdeutlicht Ihren Un-
willen, wirklich dazuzulernen und die Rolle der Opposi-
tion anzunehmen. Frau Merkel, Opposition ist in diesem
Jahr etwas anderes als das Synonym für „dagegen sein“.
Auch Sie werden sich entscheiden müssen. Sie werden
nicht damit durchkommen, dass Sie solche Reden halten
wie heute hier, Reden, die einzig und allein darauf aus-
gerichtet sind, hie und da ein bisschen zu mäkeln, zu ha-
keln und zu versuchen, den einen oder anderen Fehler
von uns zu beschreiben. Darum geht es überhaupt nicht.
Wir wissen, dass wir nicht vollkommen sind, dass wir
Fehler gemacht haben und dass wir wahrscheinlich auch
wieder dabei sind, den einen oder anderen zu machen.
Sie aber eben auch.

Ich warne davor, mit Hochmut an die Sache heranzu-
gehen. Wir werden in diesem Halbjahr miteinander den
richtigen Weg in wichtigen zentralen Fragen des Landes
finden müssen. Dabei ist die Opposition gefordert. Sie
werden sich davor nicht drücken können.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Was Herr Glos heute Morgen dazu gesagt hat, war
jenseits dessen, lieber Kollege Glos, was Sie uns in die-
sem Deutschen Bundestag zumuten sollten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will mich damit nicht über Gebühr lange aufhalten,
weil es andere wichtige Dinge gibt. Ich will Ihnen aber
sagen: Der Hinweis darauf, dass die Bayernwahl aus-
gehe, wie sie Ihrer Meinung nach ausgeht,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie rechnen doch mit einer Zweidrittelmehrheit!)


liege an uns, ist in doppelter Weise mit einer interessan-
ten Dialektik versehen:

Erstens. Herrn Stoiber trauen Sie diesen Sieg nicht zu.

(Heiterkeit bei der SPD – Michael Glos [CDU/ CSU]: Das wird lustig!)

Zweitens. Auch die Zahlen in Bayern sollte man sich

einmal ansehen. Die Menschen können sich auch über
den 21. September dieses Jahres hinaus mit diesen Zah-
len beschäftigen. Die Arbeitslosigkeit stieg zwischen
August 2002 und 2003 in Deutschland um 7,4 Prozent.
Sie stieg in Bayern um 14,2 Prozent.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Bezugsgrößen!)

Bayern ist ein schönes Land und Sie haben auch viele
gute Dinge getan. Aber ich sage Ihnen: Seien Sie vor-
sichtig mit dem Bemühen, den Eindruck zu erwecken,

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(C (D ls sei in Bayern alles in Ordnung. Fahren Sie einmal urch die bayerischen Lande. Dann sehen Sie, dass es in einem anderen Bundesland ein solches Gefälle zwichen den Regionen wie in Bayern gibt. ass in München und in Freising alles in Ordnung ist, laube ich. Aber wenn Sie in die Oberpfalz fahren, dann erden Sie schon sehen, was da los und wie hoch dort ie Arbeitslosigkeit ist. Dort hat man erkannt, dass die taatsregierung in München nicht in der Lage ist, die leichwertigkeit der Lebensbedingungen in Bayern zu rganisieren. Das ist das große Problem in Bayern. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Darum wählen die Bayern am 21. September richtig!)


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Aber, aber!)


Zur Opposition gehört auch die FDP. Man hat das an
er Ratlosigkeit gemerkt, Herr Westerwelle, mit der Sie
ier agiert haben.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Bitte?)

ch finde, Ihr Beitrag sollte dringend den Ältestenrat be-
chäftigen, und zwar unter der Fragestellung: Wie kön-
en Sensoren in dieses Mikrofon eingebaut werden, die
ei der Überschreitung einer bestimmten Phonstärke die
autstärke automatisch herunterregulieren? Ihre Laut-
tärke war das Interessanteste an dem, was Sie heute
orgen vorgetragen haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Die FDP hat ein Problem.

(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Nur eines?)


Eigentlich zwei: Sie und noch etwas.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


u dem komme ich jetzt. Ich kenne Ihr Problem und be-
reife es auch. Sie sind zur Schau in die Kommission
esundheitsreform gegangen. Mich hat das gewundert,
eil klar war, dass dieser Auftritt mit Ihrer Ausgangs-
age nicht gut gehen kann. Sie sind zur Schau wieder he-
ausgegangen. Ihr Problem: Das hat keinen interessiert
nd es hat keiner gemerkt. Das ist der Zustand der FDP.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ihr Problem ist, dass es egal ist, was Sie machen. Des-
alb sind Sie hier so laut geworden. Hören Sie es noch
inmal nach. Ich glaube, wir kennen uns lange genug,
amit Sie verstehen, was ich damit meine.


(Dr. Guido Westerwelle [FDP]: Wenn ich in Ihrem Alter bin, bin ich auch so ruhig!)


Jugendlicher Leichtsinn und Altersweisheit können
ich gut mischen, Herr Westerwelle.


(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD)







(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Es geht um die Erneuerung unseres Landes. Dies

steht im Mittelpunkt der Debatte und dieser Haushalts-
woche überhaupt. Es geht dabei nicht nur um das, was
die Politik macht, sondern auch um das, was die Gesell-
schaft insgesamt macht. Wir werden diesen Prozess der
Erneuerung und Veränderung Deutschlands nur dann er-
folgreich führen können, wenn die Gesellschaft insge-
samt begreift, dass dies nicht nur von den Bundesgeset-
zen abhängt, die wir machen, sondern dass viele andere
Dinge mit dazukommen müssen. Die Gesellschaft darf
nicht abwarten, was der Politik einfällt und was sie tut.
Vielmehr muss sie die Maßnahmen mittragen, die nötig
sind, damit dieses Land eine gute Zukunft hat.

Ich glaube, dass wir uns alle miteinander in den letz-
ten zehn oder 20 Jahren in Deutschland zu sehr auf dem
ausgeruht haben, was wir erreicht und als sicher empfun-
den haben. Die deutsche Einheit – ein schönes Ereignis –
hat dazu beigetragen, dass wir die Friedensdividende,
wenn man so will, in der Annahme verteilt haben, es sei
alles in Ordnung. Nun merken wir, Sie und das ganze
Land, dass wir uns anstrengen müssen, um aus der Krise
rauszukommen. Die Chancen sind da. Deutschland ist
kein schwaches, sondern ein starkes Land. Aber Verän-
derungen können nicht nur durch Bundesgesetze erreicht
werden.

Ich will zwei Dinge ansprechen, die man nicht von
diesem Pult aus im Wege der Gesetzgebung lösen kann.
Es gibt bei uns in Deutschland viele Menschen, die viel
Zeit haben. Es gibt in Deutschland auch viele Menschen,
die sehr allein und einsam sind. Wenn es in dieser älter
werdenden Gesellschaft nicht gelingt, ein Bewusstsein
dafür zu schaffen, dass die Menschen füreinander da
sind und dass man sich für Menschen nicht nur auf der
Grundlage von Gesetzen, sondern auch unabhängig von
Gesetzen ehrenamtlich in der Gesellschaft engagieren
kann und dass alte Menschen nicht einsam und allein
sein müssen, dann wird es in dieser Gesellschaft keine
Lebensqualität geben. Dieses Bewusstsein zu schaffen
ist eine große und schwere Aufgabe, vor der wir stehen.
Wir müssen die Menschen ansprechen und ihnen zeigen,
dass das Lebensqualität in diesem Lande ausmacht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will einen zweiten Punkt ansprechen. Es geht um
die Kinder und wie die Kleinen zwischen uns Großen
groß werden. Vor wenigen Jahren habe ich mir eine Sta-
tistik angesehen. Damals hatten in Nordrhein-Westfalen
51 Prozent der Kinder, die in Kindergärten gingen, keine
Geschwister. In früheren Generationen hatten die Kinder
drei, vier oder fünf Geschwister. Geschwister erzogen
Geschwister. Heute werden Kinder einzeln zwischen Er-
wachsenen groß. Wenn man mit denen spricht, die sie
einschulen, dann weiß man, dass sich die Kinder nicht
mehr so gut ausdrücken können wie früher und nicht
mehr die Motorik haben, die die Kinder früher hatten.
Das hängt mit der Erziehung und dem Umgang mit den
Kindern zusammen.

Warum sage ich das in dieser Debatte? Die Frage der
Erziehung und die Frage, was wir mit den Kindern ei-
gentlich machen und wie wir uns auf die Kinder einstel-

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(C (D en, gehören zu den zentralen Fragen für die Zukunftsfäigkeit unseres Landes. (Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Einverstanden!)


ir müssen mehr darüber nachdenken und daran arbei-
en. Die Politik selbst ist auch gefordert.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Die Globalisierung, von der manche in Deutschland
och glauben, man könne sie ignorieren oder beiseite
chieben, ist faktisch da. Die Mobilität, die die Mensch-
eit gewonnen hat, die Fähigkeit, Güter, Informationen
nd Menschen schnell zu transportieren, hat dazu ge-
ührt, dass die Globalisierung Fakt ist. Darauf werden
ir uns einzustellen haben. Wir werden uns insbeson-
ere dadurch einzustellen haben, dass wir Europa zu ei-
er Wohlstands-, Wirtschafts- und Finanzregion organi-
ieren, die aus sich selbst heraus Wohlstand garantiert.


(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Fangt endlich an!)


azu müssen wir mit all dem, was wir in diesen Wochen
nd Monaten tun, den Sinn schärfen und den Menschen
raußen unser Handeln verdeutlichen. Wir werden nicht
llein mit nationaler Gesetzgebung die Dinge in
eutschland richten können. Den Wohlstand, den wir in
eutschland dauerhaft sichern wollen, die soziale Ge-
echtigkeit und den Sozialstaat, den wir in seiner Sub-
tanz haben wollen, werden wir nur dann erhalten, wenn
ir EU-Europa zu einer großen Wohlstandsregion ma-
hen, die dauerhaft funktioniert. Das ist eine große
hance.


(Beifall bei der SPD)

ieses Europa, das in der zweiten Hälfte des vergange-
en Jahrhunderts entstanden ist, ist wahrscheinlich die
rößte historische Leistung auf diesem Stern gewesen.
ir sind uns dessen immer noch nicht ganz bewusst.
ass wir seit 58 Jahren hier in Europa Frieden haben,
ab es noch nie oder seit Jahrhunderten nicht. Schauen
ie in die Geschichtsbücher. Wir haben die unglaubliche
hance, aus diesem Europa eine Wohlstands-, Friedens-,
inanz- und eine Sozialregion zu machen, die zukunfts-
ähig ist und sich gegenüber anderen großen Regionen in
er Welt behauptet. Deshalb gehört das Thema Europa
anz eng zu dem, was wir in diesem Halbjahr zu be-
chließen haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es geht um die demographische Entwicklung. 1960
ekamen Männer in Deutschland im Durchschnitt zwei-
inhalb Jahre Rente. Sie bekommen heute im Durch-
chnitt zwischen zehn und zwölf Jahren Rente und wer-
en im Jahr 2025, wenn das Renteneintrittsalter so
leibt, 17 oder 18 Jahre Rente bekommen. Wir arbeiten
ber nicht mehr im Durchschnitt 50 Jahre wie 1960, son-
ern 39 bis 40 Jahre. Man muss keine Mathematik kön-
en, sondern nur zwei Jahre Rechnen gelernt haben, um






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

zu begreifen, dass das nicht mehr geht. Deshalb werden
wir in diesem Zusammenhang Entscheidungen zu treffen
und Dinge zu verändern haben.

Hinzu kommt die lang anhaltende Wachstumsdelle
in den Industrieländern,


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Sachverhalt ist bekannt!)


die nicht nur uns, sondern die ganze Welt berührt. Man
weiß nicht, ob das eine Delle ist oder ob es sich um ein
lang anhaltendes niedriges Wachstum handeln wird.
Weiterhin kommen die leeren Kassen von Bund, Län-
dern und Gemeinden hinzu, die wir leer vorgefunden ha-
ben, aber auch bisher nicht haben füllen können. Das
sind die Rahmenbedingungen, denen wir uns ausgesetzt
sehen, wenn wir jetzt handeln.

Es kommt der Vorwurf, dass wir spät dran sind. Ja,
spät ist richtig, aber nicht zu spät. Die Chance ist da. Es
kommt weiterhin der Vorwurf, wir hätten die eine oder
andere Position verändert, die wir vor einem, drei oder
fünf Jahren noch eingenommen hätten. Das stimmt. Das
ist aber keine Schande. Wenn sich Rahmenbedingungen
verändern, dann muss man daraus die Konsequenzen für
die Politik und das Instrumentarium ziehen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Nur diejenigen, die sich nicht bewegen können und auch
nicht zu bewegen sind, haben es schon immer besser ge-
wusst.

Ich habe bei der Rede von Herrn Merz gestern den
Eindruck gehabt, auch er habe schon immer alles ge-
wusst, und zwar besser. Manche erscheinen bereits in
seinem Alter älter als ihre eigenen Großväter. Das bleibt
dabei nicht aus.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was die Reaktion von Herrn Gerhardt angeht, weiß
ich, dass die Aussage, man dürfe und müsse seine Mei-
nung auch ändern können, als Opportunismus interpre-
tiert werden kann.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Nein, Sie hätten es 1997 wissen können!)


Das wäre schlecht. Aber das Motto „Was einmal gesagt
wurde, gilt immer“ gilt in der Politik nicht in Bezug auf
die Instrumente.

Über die Grundwerte kann man mit mir nicht ver-
handeln. Freiheit, Solidarität und Gerechtigkeit bilden
die Messlatte für das, was wir tun. Auch die Ziele sind
klar: Wir wollen dauerhaften Wohlstand und einen dau-
erhaften Sozialstaat für dieses Land. Aber darüber, wie
diese Ziele zu erreichen sind, darf und muss man mitein-
ander streiten. Genau das machen wir zurzeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was ist seit dem 14. März passiert, Frau Merkel oder
– ersatzweise – Herr Glos?


(Michael Glos [CDU/CSU]: Doppelpack!)


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(C (D ie haben schließlich gefordert, es müsse in der Zwichenzeit etwas passieren. Acht Gesetze liegen vor. In em Gesetzentwurf Hartz III geht es um den Umbau der undesanstalt für Arbeit zu einer Vermittlungsagentur. er Entwurf Hartz IV regelt die Zusammenlegung von rbeitslosenund Sozialhilfe, durch die erwerbsfähige ozialhilfeempfänger stärker als bisher und auch unmitelbar Zugang zum ersten Arbeitsmarkt erhalten. Die rbeitsmarktreform hat auch intern zu Kämpfen geührt; denn es geht dabei um die Verkürzung der Bezugsauer des Arbeitslosengeldes für Ältere und um die rage, wie weit man gehen kann und darf, um die nötige lexibilität am Arbeitsmarkt zu schaffen, ohne die Areitnehmerrechte in unzulässigem Maße zu beschränen. Bei der Gesundheitsreform, die wir gestern disku iert haben, geht es um die Verbesserung der Effizienz m System und um die Erhaltung der Qualität des Geundheitswesens. Als Messlatte soll beibehalten werden, ass diejenigen, die auf medizinische Versorgung angeiesen sind, das aus medizinischen Gründen Notwenige auch erhalten. Unabhängig davon, worüber wir mittelfristig in der oalition oder darüber hinaus diskutieren – sei es die ürgerversicherung oder was auch immer –, ist das, was ir derzeit tun, nicht entbehrlich. Man darf jetzt nicht nter Verwendung bestimmter Begriffe vor der Verantortung davonlaufen, die wir haben. Das ist für uns chwer zu vermitteln. Aber ich sage ausdrücklich: Die ozialdemokratie wird keine Wolkenschieberei beginen. Vielmehr werden wir den Menschen klipp und klar itteilen, was möglich und nötig ist, was wir tun werden nd dass wir es in der Weise, in der wir es umsetzen, verntworten können. Davor werden wir nicht weglaufen. (Beifall bei der SPD – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das wäre neu, Herr Müntefering!)


Die Handwerksordnung ist ein interessantes Kapi-
el, und zwar für Frau Merkel und Herrn Westerwelle
leichermaßen. Denn dabei geht es um die Freiheit und
m die gleichen Chancen der Menschen – in diesem Fall
ie der Gesellen – am deutschen Arbeitsmarkt. Junge
ännliche oder weibliche Gesellen, die beispielsweise
n Aachen wohnen, können in Deutschland keinen
andwerksbetrieb gründen. Dagegen können ihre Kolle-
innen und Kollegen aus dem benachbarten Belgien
der Holland hier einen Betrieb eröffnen. Man könnte
ielleicht den deutschen Gesellen empfehlen, nach Bel-
ien oder Holland zu ziehen, um dort einen Betrieb zu
ründen und von dort aus auch in Deutschland einen
andwerksbetrieb aufbauen zu können. Was für ein Irr-
inn!


(Beifall bei der SPD – Ernst Hinsken [CDU/ CSU]: Das stimmt ja gar nicht!)


Wer es mit Europa ernst meint, Herr Hinsken, muss
issen: Wenn es um die Zukunftsfähigkeit der Euro-
äischen Union geht, dann müssen gleiche Berufs- und
ebenschancen für die jungen Menschen in Deutsch-
and wie auch in den anderen europäischen Ländern






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

geschaffen werden. Sie aber verteidigen alte Bestände.
Sie stehen in der konservativen Ecke.


(Ernst Hinsken [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)


Das, was Sie immer wieder beschreien – nämlich Offen-
heit, Liberalität und Flexibilität –, fehlt Ihnen an dieser
Stelle, Herr Westerwelle und Herr Hinsken.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben gerade den Gesetzentwurf zum Vorziehen
der Steuerreform von 2005 auf 2004 vorgelegt. Da-
rüber ist hier wie auch über die Sinnhaftigkeit und das
Bemühen, das vorhandene Wachstum zu unterstützen
und ihm zusätzliche Luft unter die Flügel zu geben, ge-
sprochen worden.

Wir beraten in diesen Tagen und Wochen über die Ge-
meindefinanzreform. Wir sind dabei, zu prüfen und
auszuloten, wie das, was bereits vorliegt, optimiert wer-
den kann. Es geht darum, dass die Gemeinden schnell,
deutlich und nachhaltig entlastet werden und so zusätz-
liches Geld bekommen. Denn wir alle sind uns sicherlich
einig, dass in den Kommunen viele Investionen brach-
liegen, die eigentlich getätigt werden müssen. Übrigens
sollten die Investitionen zielgenauer an die kleinen und
mittleren Unternehmen vor Ort gegeben werden.

Wir alle sind froh über die großen Investitionen auf
der Bundesebene, über die 25 Milliarden bis 26 Milliar-
den Euro. Aber das betrifft Aufträge, die europaweit aus-
geschrieben werden müssen. Man weiß also vorher
nicht, woher das Unternehmen kommt, das den Auftrag
erhält. Außerdem geht es hier um Aufträge, für deren Er-
füllung man große Maschinen benötigt. Die Kommunen
haben aber die Möglichkeit – sofern sie über die notwen-
dige Investitionskraft verfügen –, in kleinen Losen aus-
zuschreiben und dafür zu sorgen, dass die kleinen und
mittleren Unternehmen vor Ort die Aufträge erhalten.
Genau das wollen wir: Die Arbeit, die es vor Ort gibt,
soll auch vor Ort getan werden können. Wir wollen hier
etwas bewegen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen außerdem die Gewerbesteuer nicht auf-
geben. Im Gegenteil: Sie soll bestehen bleiben; denn sie
ist eine wichtige Verbindung zwischen den Kommunen
und den Unternehmen. Es ist gut, wenn man weiß, dass
man aufeinander angewiesen ist. Deshalb sollte das be-
stehende Band zwischen Kommunen und Unternehmen
nicht zerschnitten werden.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Wir haben des Weiteren den Entwurf eines Gesetzes
zur Reform des Sozialhilferechts eingebracht, über den
in der Öffentlichkeit bislang wenig diskutiert worden ist.
Es geht hierbei im Wesentlichen um Entbürokratisierung
und insbesondere darum, dass zukünftige Sozialhilfe-
empfänger das, was ihnen zusteht, in Form eines indivi-
duellen Budgets erhalten. Sie müssen also nicht wegen

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(C (D der Kleinigkeit zum Sozialamt rennen, was unwürdig äre. Alle Leistungen, auf die ein Sozialhilfeempfänger nspruch hat, sollen deshalb in einem Betrag ausgezahlt erden. Das waren bislang acht Gesetzentwürfe. Im Oktober ieses Jahres werden zwei weitere hinzukommen, die ie Pflegeversicherung und die Rentenversicherung etreffen werden. Zur Rentenversicherung habe ich chon eben etwas gesagt. Deshalb nur so viel: Die hier nstehenden Entscheidungen sind schwierig. Das gilt uch für die Pflegeversicherung. Für beide Versicheungsbereiche müssen wir Entscheidungen treffen, die ittelund langfristig tragen. Ich sage ganz deutlich: eine Entscheidung für 50 Jahre! Man muss immer wieer einmal nachsteuern. Wir müssen etwas schaffen, was ber das aktuelle Jahrzehnt hinausweist. Wir nehmen das rnst, was die Rürup-Kommission vorgelegt hat. Das ist ämlich eine beachtliche Grundlage. Das möchte ich anesichts dessen, was schon zu den Vorschlägen dieser ommission gesagt worden ist, ausdrücklich betonen. s lohnt sich, die Vorschläge dieser Kommission zu leen und sie sich in Ruhe zu Gemüte zu führen. Das heißt icht, dass wir alles umsetzen werden, was vorgeschlaen worden ist. Aber es ist sinnvoll, sich auf die bevortehenden Entscheidungen, die die Rentenversicherung etreffen, gut vorzubereiten. Das gilt für die Pflegeversiherung in gleicher Weise. Die Menschen leben im Schnitt länger. Wir klopfen uf Holz und hoffen, dass auch wir sehr alt werden. Aber ir wissen, dass viele Menschen, die 85 oder älter sind, sehr starkem Maße der Pflege bedürfen, während nur bis 8 Prozent der unter 85-Jährigen auf unmittelbare ilfe angewiesen sind. Das Problem ist, dass die Pflege icht mehr wie früher hauptsächlich im Familienverbund eleistet werden kann. Schließlich kann man den Angeörigen das nicht immer zumuten. Man weiß sehr genau, ass diejenigen, die zu Hause einen Bettlägerigen pfleen, eher in eine Klinik kommen als die Pflegebedürftien. Pflegen ist nun einmal nicht leicht. Deshalb muss an hier vernünftige Lösungen finden. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ch möchte noch nicht andeuten, was wir vorschlagen
erden. Nur so viel: Es wäre gut, wenn wir uns in die-
em Hohen Haus darauf verständigten, dass menschen-
ürdige Pflege ein Menschenrecht ist. Das darf bei al-
m, über das wir entscheiden werden, nicht auf der
trecke bleiben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Was wollen wir mit der Agenda 2010, dem vorliegen-
en Haushaltsentwurf und dem Haushaltsbegleitgesetz
rreichen? Ich möchte das an ein paar Dingen deutlich
achen. Wir wollen zum Beispiel erreichen, dass alle
ugendlichen Arbeit bzw. Ausbildung haben.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Dazu ist sicherlich schon etwas gesagt worden. Ich
möchte aber unterstreichen, wie wichtig es ist, dass wir
die jungen Menschen nicht von der Schulbank in die Ar-
beitslosigkeit schicken. Herr Ludwig Georg Braun, der
Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammer-
tages, hat in einem Schreiben an uns Abgeordnete fest-
gestellt – wir alle haben es bekommen –, dass es ein
Skandal sei, dass nach wie vor jedes Jahr rund 90 000
Schüler die Schule ohne Abschluss verlassen. Hier seien
insbesondere die Länder und Kommunen gefordert;
denn Betriebe könnten zwar vieles, dürften aber nicht
die Reparaturbetriebe der Nation für Versäumnisse von
Schule und Elternhaus sein. Herr Braun hat Recht: Das
ist ein sehr wichtiger Gesichtspunkt.

Es gibt unterhalb der Gruppe, über die wir reden,
wenn wir über Ausbildungsplätze sprechen, eine
Gruppe, die überhaupt keine Chance hat, an Ausbildung
heranzukommen: Es sind die jungen Menschen ohne
Schulabschluss – 6 bis 8 Prozent –, die durch weitere
Vorbereitungen in Qualifizierungsmaßnahmen der ver-
schiedensten Art in Hilfskonstruktionen vermittelt wer-
den. Auch dabei darf es nicht bleiben. Herrn Brauns
Aufforderung, dass wir uns Gedanken darüber zu ma-
chen haben, wie wir erreichen können, dass nicht so
viele die Schule unfertig verlassen, werde ich nicht wi-
dersprechen.

Bei aller Wertschätzung für ihn will ich doch feststel-
len, dass nur etwa 30 Prozent aller Betriebe überhaupt
ausbilden. Wenn die Tatsache, dass 90 000 Schüler die
Schule unfertig verlassen, ein Skandal ist, dann ist es
auch ein Skandal, dass es die Unternehmen in Deutsch-
land nicht zustande bringen, die im Augenblick noch
vorhandene Lücke zu schließen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Das Angebot an Ausbildungsplätzen ist in den beiden
letzten Jahren von 600 000 auf 510 000 zurückgegangen.
Die Anzahl der nicht Versorgten ist zwischen dem
31. Juli 2002 und dem 31. Juli 2003 um 35 000 gestie-
gen. Ich begrüße, dass sich viele sich von uns, Mitglieder
der Bundesregierung und Abgeordnete, gemeinsam mit
den Unternehmen – ein Teil der Unternehmen ist gutwil-
lig; ich will die Unternehmen gar nicht pauschal angrei-
fen – bemühen, die vorhandene Lücke zu schließen,
indem sie dafür sorgen, dass die erforderlichen Ausbil-
dungsplätze noch zur Verfügung gestellt werden. Diese
Lücke umfasst im Ergebnis etwa 30 000 Ausbildungs-
plätze, vielleicht ein paar mehr oder weniger. Angesichts
eines Angebots von 510 000 Ausbildungsplätzen geht es
darum, dass etwa 6, 7 oder vielleicht 8 Prozent der jungen
Menschen noch nicht versorgt sind.

Wenn es die deutsche Wirtschaft – den öffentlichen
Bereich zähle ich dazu – in einer solchen Ausgangssitua-
tion – der Versorgungsgrad liegt bei etwa 94 Prozent –
im September und im Oktober nicht zustande bringt, die
restlichen 6 Prozent zu versorgen, dann liegt dem, so be-
haupte ich, ein fehlender Wille zugrunde. Wenn jeder ein
bisschen dazutut, dann muss es möglich sein, auch die-
sen jungen Menschen eine Chance zu geben.

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(C (D (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ass diese jungen Menschen eine Chance haben, das
ollen wir; das ist die beste Lösung, die man sich vor-
tellen kann.
Manche unterstellen uns etwas anderes, nämlich dass
ir vorhaben, die Ausbildung der jungen Menschen zur
taatsaufgabe, zur Pflicht für den Bund oder für die Län-
er, zu machen. Das entspricht aber nicht unserer Interes-
enlage. Wir wollen, dass das duale Ausbildungssystem
unktioniert. Die Ausbildung, die in einer Kombination
on Berufsschule und Arbeit im Betrieb besteht, ist das
este, was wir haben. Daraus ist übrigens auch die deut-
che Facharbeiterschaft gewachsen.
Am schlimmsten finde ich das, was ich vom Zentral-

erband des Deutschen Handwerks höre. Man will uns
eradezu bestrafen. Dieser Verband sagt: Wenn ihr die
andwerksordnung ändert, dann werden wir nicht mehr
o viele Jugendliche einstellen. – Was ist das für eine zy-
ische Einstellung? Das kann ich nicht akzeptieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Klar sein muss aber auch Folgendes: Bis Ende Sep-
ember, Anfang Oktober werden wir uns bemühen,
inge in Bewegung zu setzen. Wenn nicht genügend
usbildungsplätze zur Verfügung stehen, dann werden
ir uns auch an dieser Stelle melden, auch mit gesetz-
eberischen Vorschlägen. Diese Vorschläge sollten
öglichst im Einklang mit den Unternehmen, mit den
ammern und mit den Branchen entwickelt werden.
est steht: Wir werden dann Vorschläge machen.
Dazu, dass von Frau Merkel und auch aus der FDP
mer wieder der Hinweis kommt, man dürfe mit den
nternehmen so nicht umgehen, sage ich: Ja, das ist klar.
uallererst müssen wir allerdings die Interessen der
ädchen und der Jungen berücksichtigen, die mit 16
der mit 17 die Schule verlassen. Es darf nicht so sein,
ass man sie zur Seite nimmt, um ihnen zu sagen: Du
ast zwar auf der Schule gelernt; aber es gibt leider kei-
en Ausbildungsplatz für dich.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ir vertreten in erster Linie deren Interessen. Das hat
orrang.
Mit dem Haushaltsgesetz 2004 und mit den Gesetzen

ur Agenda 2010 wollen wir erreichen, dass alle Kinder
leiche Bildungschancen haben. Der Bund wird den
ommunen in dieser Legislaturperiode – freiwillig –
,5 Milliarden Euro für die Verbesserung des Ganztags-
ngebots für die Betreuung von unter Dreijährigen und
on Kindern in Grundschulen zukommen lassen. 8,5 Mil-
arden Euro, das ist eine stolze Zahl. Es liegt vielleicht an
ns, dass wir darüber nicht genug sprechen und bewusst
achen, worum es dabei eigentlich geht. Es geht dabei
icht um Klein-Klein, sondern darum, dass wir den Kom-
unen bei der Bewältigung einer riesigen Aufgabe, vor
er wir stehen, Hilfestellung geben. Wenn immer mehr
ltern tagsüber keine Zeit haben, ihre Kinder zu






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

betreuen, dann ist es umso wichtiger, dass diese Kinder
die Chance haben, in Ganztagseinrichtungen zu gehen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nicht alle Eltern werden das wollen. Es wird Situatio-

nen geben, in denen diese Betreuung nicht möglich ist.
Wir haben uns vorgenommen, in diesem Jahrzehnt dafür
zu sorgen, dass alle unter Dreijährigen und alle Grund-
schüler, deren Eltern das wollen, die Chance haben, eine
Ganztagsbetreuungseinrichtung zu besuchen. Wir wer-
den dieses Vorhaben nicht in dieser Legislaturperiode al-
lein umsetzen können. Wir wollen es in diesem Jahr-
zehnt schaffen. Die Umsetzung dieses Vorhabens wäre
eine große gesellschaftliche Innovation.
Dies ist eine Idee, die im Hinblick auf die Bildungschan-
cen der Kinder großartig ist und die auch für die Verein-
barkeit von Familie und Beruf unendlich wichtig ist. Da-
bei geht es um eine große politische Vision.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn man nicht aufpasst, dann geht das im Klein-
Klein des Alltags unter. Man sitzt in Runden beieinander
– Bund, Länder und Gemeinden – und hat nach einer
halben Stunde den Eindruck: Es geht nur noch um die
Frage, wer eigentlich wem welches Geld aus der Tasche
ziehen kann und wer eigentlich wo Zuständigkeiten hat.
Ich will dieses Beispiel mit den Bildungschancen für die
Kinder zum Anlass nehmen, noch einmal zu sagen: Wir
müssen darüber sprechen und müssen Entscheidungen
treffen, damit wir in den Anstrengungen im Hinblick auf
die gesellschaftspolitischen Herausforderungen, vor de-
nen wir stehen, in der Vielfalt und in der Komplexität so-
wie in den Verpflichtungen unserer föderalen Ebenen
nicht aufgehalten werden. Die großen politischen Ideen
müssen durch alle föderalen Ebenen hindurch getragen
werden können. Daran müssen wir arbeiten. Da müssen
wir in Deutschland besser werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen mit dem, was wir tun, dafür sorgen, dass
die 50-, 55- und 60-jährigen Arbeitnehmer nicht mehr
abgeschoben werden. Das Abschieben entspricht einer
Mentalität, die sich in den 90er-Jahren ausgebreitet hat.
Wir haben da nicht immer klug gehandelt, Sie von der
Opposition auch nicht; vielleicht sollten Sie das einmal
zugeben. Die Ideen, die es da gab – ganz lange Arbeits-
losengeld zahlen und mit kleinen Sozialplänen die Men-
schen mit 60 in die Frühverrentung schicken –, sind von
Ihnen gekommen. Es war damals nur eine Organisation,
die dagegen protestiert und sogar geklagt hat. Das war
meine IG Metall. So verkehren sich die Fronten auf der
Strecke. Die IG Metall hat richtigerweise gesagt: Mit
dem, was ihr da macht, sorgt ihr dafür, dass mit Beiträ-
gen aus der Arbeitslosenversicherung die Personalpolitik
der großen Unternehmen unterstützt wird. – So ist das
passiert.

Das Endergebnis ist, dass heute in Deutschland die
Mentalität vorherrscht: Die, die über 50 sind, können für
die Arbeit nicht mehr gebraucht werden. – Die, die über

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(C (D 5 sind, überlegen sich, wie man am schnellsten raus ann. Das geht nicht. Bei allem, was wir zu Arbeitsmarkt und Rente zu dis utieren haben, müssen wir sehen: Die Frage ist nicht, ann und wie man die Altersgrenze auf über 65 anheben ann, sondern die Frage ist, wie man und wann man mit elchen Instrumenten dafür sorgt, dass die Leute nicht ehr mit 55 mit einem Sozialplan nach Hause und mit 0 in die vorgezogene Rente geschickt werden. Da liegt er Hase im Pfeffer. Da müssen wir ran. Da müssen wir ür Veränderung sorgen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Diese 55- und 60-Jährigen sind übrigens die deutsche
acharbeiterschaft, die „Made in Germany“ geschaffen
nd dafür gesorgt hat, dass Deutschland unter diesem
arkenzeichen einen guten Namen in der Welt be-
ommen hat. Die laufen nicht mehr so schnell wie die
5-Jährigen, aber sie haben Wissen, Erfahrung und Kön-
en und werden weiß Gott noch gebraucht. Es ist ein
roßer Fehler gewesen, dass wir in dieser Gesellschaft in
en letzten Jahren diesen Weg gegangen sind.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Sehr wahr! Endlich stimmt mal was!)


Wir wollen, dass der Solidarpakt Ost steht. Bei all-
em, was wir über den Haushalt und über die Frage, wie
an ihn in Zukunft noch knapper schneiden kann, zu
iskutieren haben, muss unter uns eines klar sein – da-
über ist aus verschiedenen Anlässen schon gesprochen
orden; bei uns ist das klar –: Wir werden an der verein-
arten Regelung zum Solidarpakt nichts verändern. Das
eißt, die Länder im Osten der Bundesrepublik Deutsch-
and und die Gemeinden dort können verbindlich damit
echnen, dass bis tief ins nächste Jahrzehnt hinein die
olidarität in dieser Gesellschaft gilt. Es ist wichtig, dass
an das einmal feststellt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen erreichen, dass Arbeitnehmer und Unter-
ehmer ihre Interessen auch zukünftig wirkungsvoll or-
anisieren können. Unsere Gesellschaft hat in der alten
undesrepublik und auch in den vergangenen 13 Jahren
ut damit gelebt, glauben wir, dass sich auf der Arbeit-
eber- und auf der Arbeitnehmerseite an Tischen Leute
egenübersitzen, die was im Kreuz haben, und Dinge
ushandeln, die für ihr Unternehmen, für ihre Branche,
ür ihre Region und für das ganze Land wichtig sind.
eshalb muss bei allem, was an Flexibilität am Arbeits-
arkt möglich und nötig ist, was in vielen Branchen und
n vielen Betrieben, besonders in Ostdeutschland, auch
assiert, eines im Blick bleiben: Wir müssen dafür sor-
en, dass bei allen Entscheidungen, die wir treffen, eines
nmissverständlich klar bleibt: Arbeitnehmer und Ar-
eitgeber begegnen sich auf gleicher Augenhöhe. Das
arf sich nicht verschieben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )


Franz Müntefering

Im Letzten ist Wirtschaft – das ist nur bedingt eine Frage
des Standpunktes – für die Menschen da und nicht um-
gekehrt. Daran werden wir uns bei all unseren zukünfti-
gen Entscheidungen messen lassen. Es wäre eine falsche
Entscheidung – davon bin ich fest überzeugt –, wenn wir
in Deutschland einen Weg einschlagen würden, der die
Wirtschaft total individualisiert. Eine solche Forderung
höre ich ja bei der FDP immer wieder heraus. Deren
Botschaft lautet: Wenn jeder für sich selbst sorgt, dann
ist für alle gesorgt.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Ein Quatsch!)

– Das ist Quatsch. Das sehen Sie völlig richtig. Aber
dann lassen Sie solche Sprüche auch sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir wollen erreichen, dass dieses Land wieder fähi-
ger wird, technische Innovationen zu entwickeln, sie in
Arbeitsplätze umzumünzen und damit die Zukunftsfä-
higkeit unseres Landes zu sichern. Auch das ist im Übri-
gen Gegenstand der Agenda 2010. Dass darüber nicht
gesprochen wird, liegt an uns, aber auch an anderen. Der
Bundeskanzler hat nämlich in der Agenda 2010 klarge-
stellt, dass der Zuschlag für die Großforschungseinrich-
tungen ab 2004 weiter erhöht wird und die Frage, wie
wir uns in Deutschland zu technologischen und auch ge-
sellschaftlichen Innovationen stellen, eine Grundfrage in
Bezug auf die Sicherung der Zukunftsfähigkeit unseres
Landes ist. Hier müssen wir aufholen.

Ich habe es schon woanders gesagt, möchte es hier
aber noch einmal wiederholen, da ich es an diesem Pult
noch nicht gesagt habe: Die schlimmste Botschaft der
letzten Jahre lautete doch, dass seit dem Jahr 2001 mehr
Hochtechnologie nach Deutschland eingeführt als aus-
geführt wurde. Sie können natürlich jetzt sagen – auf
diesen Einfall kommen Sie bestimmt –, dass wir da re-
giert haben. Aber wir müssen wohl nicht lange darüber
streiten, dass diese Entwicklung schon in den 90er-Jah-
ren einsetzte. Damals ist zu wenig in diesem Bereich in-
vestiert worden. Wir haben also alles zusammengekratzt
und der Bildungs-, Forschungs- und Wissenschafts-
ministerin in der letzten Legislaturperiode 25 Prozent
mehr zur Verfügung gestellt. Dieser Weg wird fortge-
setzt. Das hat der Kanzler heute hier unterstrichen. Auch
ich will für die Fraktion ausdrücklich noch einmal fest-
stellen: Wer über Altersversorgung und Zukunftssiche-
rung des Landes spricht, der muss wissen, dass wir einen
Teil dessen, was wir heute erwirtschaften, in die Köpfe
und in die Herzen der Jungen investieren müssen: in
Ausbildung, in Bildung, in Forschung und Technologie,
in neue Unternehmen. Damit sichern wir die Zukunftsfä-
higkeit Deutschlands.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505902000

Herr Kollege Müntefering, gestatten Sie eine Zwi-

schenfrage des Kollegen Hinsken?

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(C (D Ich möchte den Gedanken zunächst zu Ende bringen. anach gerne, Herr Kollege. Wenn wir in den nächsten Wochen und Monaten über ente, über Nachhaltigkeitsfaktor und Generationengeechtigkeit sprechen, dann muss uns klar sein – das müsen wir auch in der Debatte nach außen vermitteln –, ass nicht so wichtig ist, ob in dem Gesetz von 67 Proent, 60 Prozent oder 50 Prozent die Rede ist, sondern ichtiger ist die Antwort auf die Frage: 67 Prozent bzw. 0 Prozent von was? Wenn im Jahre 2020 bzw. 2030 in eutschland das gleiche Wohlstandsniveau wie heute orherrscht – wir sind nicht zu reich, aber wir sind wohlabender als vor 20 oder 50 Jahren; das wissen wir alle iteinander –, dann werden die Alten und die Jungen in ohlstand leben können und wir müssen nur über die erechte Verteilung streiten. Wenn es aber anders käme, ann hätten sowohl die Alten wie die Jungen weniger. as muss man wissen, aber das hat sich in der politichen Diskussion noch nicht durchgesetzt. Wer die Subtanz des Sozialstaates erhalten will, wer soziale Gerechgkeit auf hohem Niveau will, der muss dafür sorgen, ass es bei diesem hohen Niveau bleibt. Das heißt, ohlstandssicherung muss durch Investitionen in Bilung, in Qualifizierung und durch technologische und esellschaftliche Innovationen erarbeitet werden. Daran erden wir in dieser Legislaturperiode arbeiten müssen. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1505902100
Ihre munteren Hinweise deuten darauf hin, dass wir
arüber sprechen können.
Herr Hinsken, wenn Sie jetzt noch eine Zwischen-

rage stellen möchten, lasse ich sie gerne zu.

Ernst Hinsken (CSU):
Rede ID: ID1505902200

Werter Herr Müntefering, es passt vielleicht jetzt so-

ar noch besser, als es vor fünf Minuten gepasst hätte. –
ie haben ja für Ihre Fraktion eine richtungsweisende
ede gehalten.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ch habe aufmerksam zugehört, auch wenn ich nicht alle
hre Ansichten teile.
Meine Frage an Sie lautet nun: Haben Sie deshalb die
ußenpolitik ausgeklammert, weil es der Vizekanzler
nd Bundesaußenminister vorzieht, über eine Stunde im
estaurant zu sitzen, statt dem Führer der größten Frak-
ion zuzuhören, um mitzubekommen, welche Vorstellun-
en Sie haben?


(Widerspruch bei der SPD)


Franz Müntefering (SPD):
Rede ID: ID1505902300

Darüber machen Sie sich mal keine Sorgen. Wir sit-

en so oft beieinander und sprechen so oft miteinander,
ass er alles, was ich hier gesagt habe, schon weiß. Da
önnen Sie ganz sicher sein.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer [CDU/ Franz Müntefering CSU]: Das ist beim Kanzler nicht der Fall, oder? – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deswegen sitzt der Kanzler jetzt hier!)





(A) )


(B) )


Mich hat nur erschreckt, dass Sie mich „Führer“ genannt
haben. Das ist für mich ein schwieriges Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will abschließend noch kurz ein Kapitel anspre-
chen, das man in der Politik ernst nehmen muss. Man
muss nicht nur gute Politik machen, sondern man muss
auch verstehen, sie zu vermitteln. Dabei gibt es Schwie-
rigkeiten, weil in einer Situation, in der es acht Gesetz-
entwürfe gibt, zwei weitere Gesetze vorbereitet werden
und über das Haushaltsgesetz diskutiert wird, in der Öf-
fentlichkeit nicht immer unterschieden wird und auch
nicht unterschieden werden kann: Ist das jetzt eine Idee?
Ist es ein Vor-Vorschlag? Ist es ein Vorschlag? Ist es ein
Entwurf? Ist es ein Referentenentwurf? Ist es ein Be-
schluss? Ist es ein Gesetz?


(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das wissen Sie manchmal selber nicht!)


Oft steht etwas in großen Buchstaben auf Seite 1 einer
großen Zeitung und die Menschen glauben, das sei
schon beschlossen, obwohl es möglicherweise dann
noch anders kommt.

Ich finde, dass man mit der Situation offen umgehen
muss. Es stellt sich die Frage, ob man versucht, alles
heimlich, still und leise vorzubereiten, oder ob man eine
öffentliche und offene Debatte führt. Ich kann mir nur
vorstellen, dass man die Debatte offen führt. Ich finde,
es gereicht der Koalition sowie meiner Partei und meiner
Fraktion zur Ehre, dass wir in der Lage sind, solche Dis-
kussionen offen zu führen mit der klaren Zielrichtung,
irgendwann in der Fraktion und im Deutschen Bundes-
tag Entscheidungen zu treffen, damit dann das gilt, was
wir gemeinsam beschlossen haben. So muss das laufen
und so wird es in den nächsten Monaten auch sein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Man muss einfach zugeben, dass es objektiv schwie-
rig ist, Entscheidungen zu treffen, die ökonomisch ver-
nünftig, finanzwirtschaftlich notwendig und sozial ge-
recht sind. Es ist ja nicht eine Frage des guten Willens,
wie das aufeinander wirkt. Einige der Gesetze, über die
wir jetzt sprechen, haben viele Schnittmengen zueinan-
der. Wir werden Ende des Jahres das Puzzle wirklich zu-
sammenlegen und das Gesamtbild erkennbar machen
können.

Ich bin mir der Komplexität der derzeitigen Situation
bewusst. Wir alle müssen zur Orientierung beitragen.
Dabei stellt sich auch die Frage, was Demokratie leisten
kann und leisten will. Wir müssen den Menschen deut-
lich machen, was wir wollen, wohin die Reise geht, aber
man muss auch über Einzelheiten und Feinheiten mitei-
nander sprechen dürfen.


(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Da haben Sie aber noch viel zu tun!)


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(C (D Weil Herr Hinsken eben angesprochen hat, dass er zuört, aber möglicherweise nicht alles, was ich sage, teilt, ill ich auch dazu ein offenes Wort sagen, was vielleicht ngewöhnlich ist. Manchmal wird mir gesagt: Du sagst twas, das könnte auch von der CDU oder von der FDP ein. Ich sage dann: Das stört mich nicht. Das, was wir in iesem Haus zu leisten haben, ist nicht die Antwort auf ie Frage, wer sich von wem durch was unterscheidet, ondern vielmehr die Antwort auf die Frage, was für diees Land nötig ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ir haben, demokratisch legitimiert, die Aufgabe, in
iesem Land Politik zu machen. Das tun wir. Falls Sie,
us welchen Gründen auch immer, ab und zu derselben
einung sein sollten wie wir und etwas eigentlich doch
anz gut finden, dann werfen Sie Ihr Herz über die
ürde und machen Sie dabei mit. Dann bekommen wir
ernünftige Gesetze, denen auch im Bundesrat zuge-
timmt wird.
Frau Merkel, Sie haben von den zweiten Gründerjah-

en der Republik gesprochen. Ich glaube, das ist nicht
anz verkehrt, darin steckt ein Stückchen Wahrheit.


(Dr. Angela Merkel [CDU/CSU]: Eine Harmonie ist das heute!)


enn das aber so ist, dann war das, was Sie heute Mor-
en vorgetragen haben, zu wenig.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ir hören ganz gespannt zu, was Sie zu den Gründerjah-
en, die jetzt in Deutschland vor uns liegen, zu sagen ha-
en. Vor allen Dingen geht es darum – das fehlte in Ihrer
ede völlig –, Zuversicht zu vermitteln in die Gestalt-
arkeit der Dinge und in die Zukunft, Zuversicht für die
ächsten Jahre. Das ist der Kern all dessen, worauf wir
ns stützen können.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


as ist der Kern bei all den Problemen und bei all den
orgen, die wir haben, auch bei all dem Streit, den wir
m die richtigen Schritte an der einen oder anderen
telle zu führen haben.
Dieses Land Deutschland ist stark, hat tüchtige Unter-

ehmer und tüchtige Arbeitnehmer,

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Aber eine schlechte Regierung!)

s hat ein gutes Bildungssystem, es hat hohe Mobilität,
s hat Erfahrung, es hat auch Entwicklung. Dieses Land
st in der Lage, seinen Weg gut nach vorne zu gehen. Das
erden wir tun. Dazu werden die Schritte, die wir in die-
em Jahr gehen, ganz wesentlich beitragen.
Herr Glos hat am Anfang seiner Rede auf die Ent-

cheidung im vorigen Jahr hingewiesen. Dazu sage ich
um Schluss: Noch heute vor einem Jahr, am 10. Sep-
ember 2002, zwölf Tage vor der Wahl, haben mir Zei-
ungen, wissenschaftlich untermauert, weismachen wol-






(A) )



(B) )


Franz Müntefering

len, dass wir die Bundestagswahl auf keinen Fall
gewinnen könnten. Wir haben sie aber doch gewonnen.
Nun ärgern Sie sich und das freut mich.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Das glaube ich Ihnen sogar!)


Jedenfalls kündige ich Ihnen für das Jahr 2006 schon
einmal an – auch Frau Merkel hat darauf hingewiesen;
vermutlich wird sie am 11. Januar wieder irgendwo zum
Frühstück eingeladen sein und etwas unterschreiben
müssen –,


(Helmut Heiderich [CDU/CSU]: Ist dann wieder Hochwasser?)


dass dann wieder das Gleiche wie 2002 stattfinden wird.
Wir wissen, dass wir bei der Aufgabe, die wir jetzt über-
nommen haben, nicht in jedem Augenblick Volkes Lieb-
ling sein können. Das müssen wir auf einer gewissen
Strecke aushalten. Aber das, was wir beschließen und
voranbringen, wird die Anerkennung der Menschen in
diesem Lande finden. Da bin ich ganz zuversichtlich. Sie
werden sehen, dass die Sozialdemokraten im Jahre 2006
weiterregieren werden.

Vielen Dank und Glück auf.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Michael Glos [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505902400

Das Wort hat der Herr Kollege Dr. Wolfgang

Gerhardt, FDP-Fraktion.

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):
Rede ID: ID1505902500

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist

immer wieder ein schönes Zeichen parlamentarischer
Gepflogenheiten, dass, wenn ein Redner aus der Opposi-
tion in einer der wichtigsten Debatten zum Schicksals-
buch der Nation ans Rednerpult tritt, nahezu die Hälfte
der SPD-Abgeordneten den Raum verlässt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Oder umgekehrt bei der CDU! – Walter Schöler [SPD]: Von der FDP sind 14 Abgeordnete anwesend!)


Das gehört nicht zum guten Stil. Das sage ich gerade
deshalb, Herr Kollege Müntefering, weil Sie über einige
Prinzipien gesprochen haben. Ich würde darauf gerne
eingehen, aber dazu ist die Zeit viel zu kurz.

Eines möchte ich allerdings sagen, weil Sie die Wahl
2006 angesprochen haben. Hier geht es nicht darum,
dass die Kollegin Merkel, die Kolleginnen und Kollegen
von der CDU/CSU oder wir von der FDP Fehler ge-
macht hätten. Unser Vorwurf bezieht sich nicht auf
menschliche Schwächen oder Fehler. Unser Vorwurf
richtet sich zentral an den Bundeskanzler, der das, was er
in zwei Wahlkämpfen gemacht hat, nicht durch die Be-
zeichnung „Fehler“ beschönigen kann; denn die Daten
bezüglich struktureller Veränderungen, der Globalisie-
rungsprozesse, des demographischen Aufbaus und der

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(C (D ängeren Lebenserwartung waren ihm genauso bekannt ie uns. Er hat nicht die Wahrheit gesagt; das ist der ern. Nun diskutieren wir in diesen Debatten über die Folie ines Haushalts, den Herr Peffekoven als schlechtesten aushaltsentwurf in der Geschichte der Bundesrepublik eutschland bezeichnet hat. ieser schlechteste Entwurf ist zustande gekommen urch den stetigen Kampf der Sozialdemokraten mit der irklichkeit in ihrer zweiten Legislaturperiode. Sie haen nicht Fehler gemacht, sondern sie haben die Wirkichkeit nicht zur Kenntnis nehmen wollen nd diejenigen, die die tatsächliche Lage öffentlich bechrieben haben, beschimpft. Als wir damals in Bonn Subventionsabbau vorge chlagen haben, haben sich Herr Fischer und Herr afontaine – nach dem Modell: verhinderter Arbeiterührer – gar nicht schnell genug zu der Kundgebung der umpels aus dem Ruhrgebiet begeben können und dieen wider besseres Wissen in Kenntnis des Alters der elegschaften und der Stellung der Kohle in der Zukunft usagen gemacht, die zulasten des Steuerzahlers gingen nd unredlich waren, wie sich herausgestellt hat. Herr Eichel hat davon gesprochen, man müsse jetzt egen der Kurspflege vorsichtig Privatisierung betreien. Einverstanden. Ich will aber daran erinnern: Als wir rwähnt haben, dass man Privatisierung haben müsse, ass man Post, Bahn und die Energiemärkte privatisieen müsse, mussten wir uns den härtesten Vorwürfen aus en Reihen der Sozialdemokraten stellen, obwohl sie uch schon wussten, dass kein Weg daran vorbeiführt. s war kein Argument zu klein, um es nicht zu erwähen. Das ging bis hin zu dem Vorwurf von ausgewachseen heutigen Regierungsmitgliedern, das seien dann ja ur die Telekom-Rosinenpicker, die die Grundversorung für die Großmutter im Bayerischen Wald nicht siherstellen würden. Diese hatte vom Enkelkind schon ängst ein Handy geschenkt bekommen, als das von Soialdemokraten noch vorgetragen wurde. Sie reden über Wettbewerb. Das Folgende sage ich nsbesondere in Richtung der Grünen. Sie sagen, wir eien nicht in ausreichendem Maße bereit, Wettbewerb m Gesundheitswesen herzustellen, weil wir nicht die ourage hätten, den Abschluss von Einzelverträgen mit rzten zu ermöglichen. Diese Courage haben wir. Sie üssen nur auf Ihrer Seite die Courage haben, die geetzliche Krankenversicherung nicht weiterhin als Moopol bestehen zu lassen; (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Recht hat er!)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)







(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Gerhardt

denn es geht nicht an, einen Monopolanbieter hinzustel-
len, der mit dem Abschluss oder Nichtabschluss eines
Einzelvertrages über die Zukunft des freien Berufes Arzt
in Deutschland entscheidet.

Wenn Sie die Beitragsbemessungsgrenzen zurückfüh-
ren und die gesetzlichen Krankenkassen in einen Wett-
bewerb setzen, dann können wir über Einzelverträge re-
den.

Eine Bürgerversicherung – im Übrigen ist der Posten
des Vorstandsvorsitzenden einer Bürgerversicherung der
sicherste Job, den die junge Generation haben kann: alle
müssen hinein, die Beiträge sind nicht transparent, sie
können erhöht werden und niemand kann heraus – ent-
spricht nicht unserer Vorstellung von einem freiheitli-
chen und wettbewerblichen Gesundheitswesen. Da un-
terscheiden wir uns.


(Beifall bei der FDP)

Es kann gern die Möglichkeit zum Abschluss von

Einzelverträgen geschaffen werden. Eröffnen Sie den
Wettbewerb auf der anderen Seite.

Herr Kollege Müntefering, vielleicht können Sie ei-
nen Moment zuhören; denn ich möchte Ihnen Folgendes
sagen: Verwechseln Sie bitte nicht den Flächentarif mit
Tarifautonomie. Das wäre eine Fehler. Tarifautonomie
ist auch mit anderen Modellen als dem gegenwärtigen
Flächentarif denkbar.

Wenn Sie schon über Menschenwürde sprechen wie
ich auch – da unterscheiden wir uns nicht –, dann sage
ich Ihnen, dass es für die Existenz von Arbeitsplätzen in
kleinen mittelständischen Betrieben in regional schwie-
rigen Zonen ein Gesichtspunkt der Menschenwürde ist,
dass, wenn zwei Drittel der Belegschaft anders wollen
als die Spitze der IG Metall, ihnen das der Deutsche
Bundestag auch ermöglicht. Das ist dann auch eine Not-
wendigkeit.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Zufall, der bei der Kombination unserer Erbanla-

gen waltet, macht uns alle einzigartig. Wir sind unter-
schiedlich, auch unterschiedlich leistungsfähig. Sie müs-
sen jetzt den demokratischen Sozialismus etwas beiseite
schieben. Definieren Sie auch Solidarität neu. Die
größte Solidarität ist nicht die Größe der kollektiven Si-
cherungssysteme in Deutschland.


(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die größte Solidarität, die jemand einem anderen unter
dem Gesichtspunkt der Menschenwürde geben kann, ist
seine eigene Leistungsbereitschaft, bevor er andere in
Anspruch nimmt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deshalb ist die Solidarität nichts, was wir zwischen

unseren Parteien im großen Schlagabtausch diskutieren
müssen. Wir wissen doch alle, dass die alten solidari-
schen Systeme nicht mehr tragen. Sie haben es erlebt.
Sie machen doch den schmerzhaften Prozess in Ihrer
Partei durch. Begeben Sie sich deshalb in eine offene

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(C (D ebatte über Solidarität im Strukturwandel der Gesellchaft. Ich sage Ihnen: Wir sind verpflichtet – auch wir als pposition –, alles daran zu setzen, damit Deutschland ieder stärker wird, im Übrigen nicht nur aus Gründen er Wettbewerbsfähigkeit. Sie spüren doch, dass wir auenund europapolitisch rasant an Gewicht verlieren. rüher hatten wir außenpolitisches Gewicht nicht ween der Teilnahme an Konferenzen und großer Rhetorik. on uns hat man etwas gehalten wegen der Nachkriegsistung und des Aufbauwillens der Bevölkerung. Das at uns international Reputation verschafft. Wenn wir as nicht ändern, dann nutzt die Teilnahme an Konferenen nichts. Wir sind heute das Problemkind in der Euroone. Früher wären wir Problemlöser Europas gewesen. as hat sich komplett verschoben. Zum Abschluss: Es führt kein Weg, auch keine Erklä ung von guten Absichten und keine Beschreibung von ielen daran vorbei, dass die rot-grüne Bundesregierung iesem Parlament einen Haushalt vorgelegt hat, der chon bei der Vorlage hinten und vorne nicht stimmt, nd zwar nicht in der Dimension früherer Haushaltsrisien, die es schon immer gegeben hat, sondern in zweitelliger Milliardenhöhe. Ich muss mich also fragen: elches Selbstverständnis muss diese Regierung haben, ass sie dem Parlament so gegenübertritt und einen solhen Haushalt vorlegt? Das entspricht nicht im Entfernsten ihrem eigenen Anspruch. en Haushalt müssen Sie sowieso noch korrigieren und hre Ziele uns in Gesetzesform vorlegen. Um auf die Situation der Kommunen einzugehen, err Minister Eichel: Sie wollen die Gewerbesteuer reitalisieren. Wir halten das für problematisch. Wir sind her dafür, den Kommunen ein eigenes Hebesatzrecht zu eben und sie deutlicher an der Umsatzsteuer zu beteilien. Sie könnten doch einmal Ihr Herz über die Hürde erfen und unserem Vorschlag zustimmen. Verantworng zu zeigen heißt nicht, dass wir Ihren Vorschlägen zutimmen müssen. Wenn wir die besseren Vorschläge mahen, sollten Sie denen zustimmen. Also machen Sie es! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505902600

Nächste Rednerin ist die Kollegin Antje Hermenau,
ündnis 90/Die Grünen.


Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505902700

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Frau
erkel hat vorhin in ihrer Rede gesagt, England stünde
esser da. Wissen Sie, Frau Merkel: England hatte in den
0er- und 90er-Jahren Maggie Thatcher und wir hatten
elmut Kohl. In den 90er-Jahren waren Sie doch im Ka-
inett. Sie standen zwar im Schatten, aber Sie hätten






(A) )



(B) )


Antje Hermenau

zum Beispiel Herrn Blüm bei seiner Volksverdum-
mungskampagne „Die Rente ist sicher!“ stoppen kön-
nen, wenn Sie damals so viel Verantwortung gezeigt hät-
ten, wie Sie heute eingefordert haben. Das haben Sie
aber nicht gemacht. Sie geben auch keinen Fehler zu und
machen außerdem nicht den Eindruck, dass Sie einen Er-
kenntnisgewinn gehabt haben.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wo ist bitte das Sachargument?)


Ich erinnere mich sehr wohl daran, dass ein jüngerer
Kollege der CDU/CSU-Fraktion, der Kollege Storm, erst
dann die Chance bekam – nämlich im Frühjahr 1998 –,
den demographischen Faktor in die Rentenversiche-
rung einzuarbeiten und damit Herrn Blüm auf das histo-
rische Abstellgleis zu setzen, als Herr Kohl die Wahl
1998 verloren gab. Das sind Ihre Reformanstrengungen.
Sie haben Reformen nur angekündigt. Dann wurden Sie
sozusagen erlöst und mussten sie nie durchsetzen. Das
ist die Wahrheit.


(Michael Glos [CDU/CSU]: Ei verbibsch!)

Um zu erkennen, wie schwierig es ist, Reformen poli-

tisch durchzusetzen, kann man einen aktuellen Vergleich
anstellen. Frankreich wird konservativ regiert. Aber der
Premierminister Raffarin kneift; er will keine strukturel-
len Reformen durchführen. Wir können uns noch aus-
führlicher darüber unterhalten, wie die Situation inner-
halb der EU ist.

Die deutsche Bundesregierung steht zu Ihrem Ziel.
Sie will strukturelle Reformen durchführen und legt fast
jede Woche einen neuen Gesetzesvorschlag dazu auf den
Tisch. Herr Gerhardt, das Parlament hat die Möglichkeit,
die Vorschläge gründlich zu beraten. Das scheint mir
besser zu sein, als einen Haushaltsentwurf vorzulegen,
der so verabschiedet wird, wie er zwei Monate vorher
eingebracht wurde.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das tröstet mich wenig!)


Wir haben alle etwas davon, wenn sich die Parlamenta-
rier in die entsprechenden Diskussionen verantwortlich
einbringen können.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das Fundament stimmt nicht, Frau Kollegin Hermenau! Das wissen Sie besser als viele andere!)


Wenn man sich anschaut, wo die strukturellen Pro-
bleme liegen, von denen wir immer wieder sprechen,
dann wird deutlich, dass Länder mit hohen automati-
schen Stabilisatoren – das sind hohe Beiträge zur Kran-
kenversicherung, Rentenversicherung und hohe Ausga-
ben zur Finanzierung der Arbeitslosigkeit – immer dann
Probleme bekommen, wenn die Konjunktur schlecht
läuft.

Es stellt sich nun heraus, dass es in den anderen In-
dustrieländern im Falle einer schlechten Konjunktur eine
Dämpfungswirkung von durchschnittlich einem Viertel
gibt, wenn die automatischen Stabilisatoren voll wirken.
Deutschland hingegen weist eine Dämpfung von einem
Drittel auf. Umgekehrt gesagt: Nach einer 30-jährigen

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(C (D rozyklischen Geschichte haben wir schon seit Jahrehnten zu hohe Beiträge zur Krankenversicherung, zur entenversicherung und zu hohe Ausgaben für die Fianzierung der Arbeitslosigkeit. Diese Tatsache holt uns n regelmäßigen Abständen ein. Die Folge ist eine hohe euverschuldung, wenn wir daran nicht arbeiten. Desegen muss das strukturelle Defizit abgebaut werden nd deswegen brauchen wir die jetzt anstehenden Strukurreformen. Ich kann versuchen, für Leute, die sich nicht jeden ag mit diesen Fragen beschäftigen, einmal weniger konomisch zu argumentieren. Was hat es mit dem trukturumbau auf sich? Ich vergleiche die Situation it der einer Familie. Eine Familie hat zum einen moatliche Fixkosten und zum anderen hat sie Ausgaben ür Dinge, die nicht unbedingt notwendig sind. Wenn auf inmal das Einkommen der Familie sinkt, dann kann an schlecht etwas an den monatlichen Fixkosten änern. Die Miete und die Stromrechnung müssen nämlich ezahlt werden. Wenn das Familieneinkommen zurückeht, haben sie natürlich die Möglichkeit, weniger zum ssen auszugehen oder auch den Kinobesuch zu streihen. Die Freizeitmöglichkeiten werden also eingechränkt. Das ist die normale Verhaltensweise, wenn das amilieneinkommen sinkt. Wenn das monatelang so anhält, ist die Folge, dass er Missmut in der Familie steigt. Alle sind unzufrieden; einer hat mehr richtig Lust. Dann kommt irgendwann er Punkt, dass man sich in der Familie am Küchentisch agt: Wir müssen etwas grundsätzlich ändern. Irgendwie ind alle unzufrieden, weil wir uns mit unserem Einkomen nicht mehr all das leisten können, was wir wollen. ann kommt die Frage auf: Müssen wir eigentlich in der roßen Wohnung wohnen bleiben oder sollen wir uns ine kleinere suchen? Werden wir den Zweitwagen bealten oder schaffen wir den ab? Solche Vorschläge hat jetzt Rot-Grün auf den Tisch elegt. Wir wollen nicht, dass alle Generationen in dieem Land weitere Jahre missmutig bleiben, nur weil das ruttoinlandsprodukt nicht die Höhenflüge erreicht, wie ies zum Teil in den 80erund 90er-Jahren der Fall war. amit muss man sich auseinander setzen. Wir haben dazu Vorschläge vorgelegt. Wir haben sie brigens nicht in rot-grünen Hinterzimmern dunkel eronnen. Sie sind vielmehr im Erfahrungsaustausch mit nseren europäischen Kollegen und Freunden entstanen. Ich glaube, dass dies der richtige Weg ist. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Das Vertrauen der Kommission in Brüssel gegen-
ber Deutschland ist deutlich größer als das gegenüber
rankreich. Ich nehme das mit einer gewissen Befriedi-
ung zur Kenntnis, weil es bedeutet, dass wir auf dem
ichtigen Weg sind, Strukturreformen durchzusetzen,
gal wie schwierig es sein wird. Sie haben wieder deut-
ich gemacht, dass Brüssel mit seiner Einschätzung, die
pposition und die Länder in Deutschland seien das
rößte Strukturumbau- und Defizitbereinigungsproblem,
ichtig liegt. Ich kann das nachvollziehen.






(A) )



(B) )


Antje Hermenau

Wir werden versuchen, den Empfehlungen des Euro-

päischen Rates zu folgen. Es ist zum Beispiel starke Kri-
tik daran geübt worden – dies ist klar im nationalen Sta-
bilitätsprogramm ausgewiesen worden –, dass die
Schulden auch deswegen gestiegen sind, weil es im
Gesundheitswesen eine große Ausgabensteigerung gab.
Hier haben wir einen ersten Schritt getan, obwohl Herr
Seehofer inzwischen Bodyguards beantragen muss,
nachdem er die Meinung seiner Fraktion nicht eins zu
eins durchgesetzt haben soll. Immerhin ist ein erster
Schritt getan worden.

Als Nächstes wird über die Frage der Bürgerversi-
cherung zu diskutieren sein. Das können wir gerne im
Detail machen; aber ein solidarisches System muss es
schon sein.


(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das ist Wettbewerb!)


– Sie werden natürlich immer dann Wettbewerb haben,
wenn Sie nur Gesunde, nur Fitte haben. Nur, was ist mit
den armen Kranken? Herr Gerhardt, wir können das
gerne ausdiskutieren. Es wird Gelegenheit geben, über
die Einführung von Kopfpauschalen und über die Bür-
gerversicherung richtig zu streiten. Wir werden einen
produktiven Weg finden müssen. Die Grünen sind sehr
engagiert und sehr interessiert daran, einen vernünftigen
Vorschlag zu unterbreiten.

Ich komme auf die Frage der Länder zurück. Denn
die EU-Kommission hat festgestellt, dass diese ein gro-
ßes Risiko für den Abbau des strukturellen Defizits in
Deutschland sind. Sie hat uns beauftragt, alle staatlichen
Ebenen an einem strikteren Haushaltsvollzug zu messen.
Das hat inzwischen auch Herr Koch zur Kenntnis ge-
nommen, aber eher deswegen, weil Herr Stoiber ihn zu-
sammengepfiffen hat, und vielleicht auch deswegen, weil
die Kreditwürdigkeit des Landes Hessen herabgestuft
worden ist. Genannt wurden aber auch die Systeme der
sozialen Sicherung. Dazu haben wir uns zu verhalten.

Über die Länder sollten wir noch einmal sprechen.
Ich komme auf mein Beispiel mit der Familie zurück: Es
reicht nicht, nur in die kleinere Wohnung zu ziehen und
vielleicht die Oma zu bitten, dass sie ein wenig dazugibt.
Es wird vielmehr wichtig sein, dass alle in der Familie
genau schauen, was die Prioritäten sind und was die
wichtigsten Dinge sind, die finanziert werden müssen.
Ich bin sehr dafür, dass wir uns gemeinsam entscheiden,
das Studium des Nachwuchses zu finanzieren.

Danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505902800

Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Gesine

Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1505902900

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und

Herren! Sehr geehrte Gäste! Der Bundeskanzler sagt
gern: Wir leben über unsere Verhältnisse. Alle Getreuen

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(C (D lappern es ihm nach. Aber keiner fragt: Wer ist eigentich „wir“? Wer ist gemeint? Die „Bild“-Zeitung hat naürlich eine Antwort: Es ist „Florida-Rolf“, der Sozialilfeempfänger als der Schmarotzer der Nation. Wir rlebten in diesem Sommer eine Sozialneidkampagne hne Beispiel. Diejenigen, die wenig haben, werden geen diejenigen ausgespielt, die noch weniger haben. Wenn wir, die PDS, immer wieder vorschlagen, zum eispiel eine Vermögensteuer einzuführen, dann hört an von der rechten Seite des Hauses gern den Vorwurf, ir schürten eine Sozialneidkampagne. Doch was Herr toiber und Frau Merkel zusammen mit der „Bild“-Zeiung veranstalten, erinnert mich an den Film „Nur Pferen gibt man den Gnadenschuss“. Der Arbeitslose soll ich nicht nur elend fühlen; er soll auch elend aussehen. Ist es nicht bezeichnend, dass „Florida-Rolf“ zum ymbol für Schmarotzertum hochgespielt wird, obwohl r gegen kein Gesetz verstoßen hat? Er hat die geltenden esetze genutzt, aber keine übertreten. Da frage ich ich: Warum gibt es keine Kampagne gegen Menschen, ie bewusst immer wieder gegen Gesetze verstoßen? as ist zum Beispiel mit den Bürgern, die das Gesetz bertreten und tagtäglich Steuern hinterziehen oder Geld chwarz ins Ausland schaffen? Wo sind da der Kanzler, err Stoiber und die „Bild“-Zeitung? Für diese Leute wird noch ein roter Teppich ausge ollt, (Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

amit sie mit ihrem Geld zurückkommen, natürlich
traffrei und mit Steuernachlass. Dafür findet man so
lumige Worte wie „Brücke zur Steuerehrlichkeit“.
Nehmen wir Herrn Schoeps – ein Beispiel aus der
auptstadt –, den langjährigen Chef der Immobilien-
öchter der Berliner Bankgesellschaft. Einer der Kon-
trukteure dieser Skandalbank sitzt übrigens – im Au-
enblick ist er nicht anwesend – auf den Bänken der
PD. Es ist der Parlamentarische Staatssekretär Dietmar
taffelt. Darüber sollten Sie übrigens in Ihrer Fraktion
och einmal diskutieren.
Herr Schoeps hat Immobilien aus Großeinkäufen, die

ür den Fonds der Bank bestimmt waren, in sein privates
ermögen übernommen; der Wert beträgt rund 35 Millio-
en Euro. Herr Schoeps meint, das sei alles rechtens ge-
esen. Wo sind die Leute, die hier sofort die Gesetze än-
ern? Wo ist Herr Stoiber, der den Kanzler in seinen For-
erungen um 100 Prozent übertrifft? Wo ist die „Bild“-
eitung mit einer entsprechenden Schlagzeile?


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wo ist die PDS?)

Die PDS ist hier und spricht gerade zu Ihnen.


(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Und im Berliner Abgeordnetenhaus?)


Im Berliner Abgeordnetenhaus ist die PDS sehr inten-
iv damit beschäftigt, diesen Bankenskandal aufzuklä-
en, den wir der CDU und der SPD in Berlin zu verdan-






(A) )



(B) )


Dr. Gesine Lötzsch

ken haben. CDU und SPD haben in Berlin gemeinsam
diese Bank konstruiert und wir müssen mit unserer Re-
gierung in Berlin versuchen, diesen Scherbenhaufen auf-
zuräumen. Das ist schwer genug, das kann ich Ihnen ver-
sichern.


(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wer ist denn da Ihr Koalitionspartner?)


Ich habe Ihnen gerade erklärt, dass Vertreter, die diese
Bank mit konstruiert haben, heute noch immer in den
Reihen der Fraktion der SPD hier im Bundestag sitzen.
Vielleicht erinnern Sie sich: Ich habe das schon mehrmals
angesprochen. Ich werde auch nicht müde, das zu tun.


(Walter Schöler [SPD]: Aber eine Bank ist vom Grundsatz her nichts Schlechtes!)


Der Kanzler hat unter dem Diktat der „Bild“-Zeitung
angekündigt, dass es bald keine Sozialhilfe mehr unter
Palmen geben wird. Das hört sich gut an. Populismus
kommt immer gut an. Aber wo leben wir eigentlich? Ich
habe manchmal den Eindruck, dass das Haus Springer
das tägliche Drehbuch für die Bundesregierung schreibt.
Das ist aber nur möglich, weil die Bundesregierung kein
eigenes Drehbuch hat.

Nicht wir alle leben über unsere Verhältnisse, sondern
man kann ganz konkret benennen, wer über seine Ver-
hältnisse lebt. Ich fange einmal hier im Hause an. Herr
Struck und Frau Beer – sie gehört zwar dem Hause nicht
an, ist aber einer Partei sehr verbunden – leben über ihre
Verhältnisse, 1,3 Milliarden Euro geben sie für Aus-
landseinsätze der Bundeswehr aus. Wenn es nach Frau
Beer ginge, würden diese Einsätze bald noch mehr Geld
kosten. Frau Beer will bekanntermaßen die Bundeswehr
in den Irak schicken.


(Marianne Tritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch Blödsinn, das wissen Sie auch!)


Warum fragt eigentlich keiner, warum Herr Struck und
Frau Beer bei den Auslandseinsätzen der Bundeswehr
über ihre Verhältnisse leben dürfen?

Auch Herr Eichel lebt über seine Verhältnisse. Diese
Regierung ist immer schnell dabei, Steuern zu senken
und Ausgaben im sozialen Bereich zu kürzen. Doch sie
hat total darin versagt, ihre Einnahmen zu sichern, ge-
schweige denn zu erhöhen. Ich erinnere nur an die Kör-
perschaftsteuer, die Sie von rund 25 Milliarden Euro in
einem Jahr auf unter null Euro gefahren haben.

Nehmen wir Herrn Stolpe. Herr Stolpe lebte bekannt-
lich schon immer über seine Verhältnisse. Seine Groß-
projekte in Brandenburg brechen alle zusammen und
nun droht auch das Großprojekt LKW-Maut zu einem
Desaster zu werden. Doch ihn allein trifft nicht die
Schuld; denn offensichtlich leben auch einige beauf-
tragte Konzerne über ihre Verhältnisse. Wo ist das Ge-
schrei darüber?

Herr Stolpe ist nicht nur für den Verkehr zuständig,
sondern auch für Ostdeutschland. Den Arbeitslosenhilfe-
empfängern kann man wirklich nicht vorwerfen, dass sie

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(C (D ber ihre Verhältnisse leben. Wenn es zur Zusammenleung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe kommt, ann betrifft das besonders viele Ostdeutsche; denn der roße Teil der Arbeitslosenhilfeempfänger lebt im Osen. Das macht ungefähr einen Kaufkraftverlust – allein m Osten – von 1,6 Milliarden Euro aus. Da helfen auch eine netten Ostalgieshows und keine netten Worte von er Regierungsbank, wie wir sie gestern und heute geört haben. Die so genannte Arbeitsmarktreform wird ie Menschen härter, aber geräuschloser treffen als die lut im letzten Jahr. Der Einzige, der nicht über seine Verhältnisse lebt, ist er Fraktionsvorsitzende der SPD, Herr Müntefering. Er st bescheiden. Er gibt zu, dass er Marx nie gelesen hat. o war es in der „Berliner Zeitung“ nachzulesen. Ihm eicht Nächstenliebe als Programm der SPD. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dafür würde ich ihn nicht kritisieren!)


ch denke, Herr Müntefering, dass Sie damit schlecht für
as 21. Jahrhundert ausgestattet sind. Denn wenn Sie
arx gelesen hätten, würden Sie schnell erkennen, dass
iese Regierung und insbesondere Herr Clement ökono-
ischen Unsinn betreiben. Es ist seit Marx völlig klar,
ass immer mehr Menschen durch Rationalisierung aus
em Arbeitsprozess herausgedrängt werden. Das betrifft
icht nur die Produktionsprozesse, sondern auch die
ienstleistungsprozesse. Wenn Herr Clement das
achsende Heer der Arbeitslosen und Sozialhilfeemp-
änger drangsaliert und durch das Land treibt, obwohl es
eine Arbeitsplätze gibt, dann zeigt das, dass auch er
ichts von dem gelesen hat, worauf sich auch die Sozial-
emokratische Partei gründet.
Meine Damen und Herren von der Koalition, Ihre ge-

amte Politik, ob nun auf dem Gebiet der Steuern, der
esundheit oder des Arbeitsmarktes, hat eines gemein-
am: Sie ist unsozial. Kollege Kuhn vom Bündnis 90/
ie Grünen hat das im Rahmen eines Interviews in der
Berliner Zeitung“ zugegeben.
Ihre Politik ist aber nicht nur unsozial; schlimmer ist,

ass sie dabei ist, aus unserer solidarischen Gesellschaft
ine Angstgesellschaft zu machen. Natürlich ist Angst
ine gewaltige Triebkraft, die das Letzte aus den Men-
chen herausholen kann. Die Frage ist nur, ob die Men-
chen in unserem Land in Angst leben wollen. Ich bin
ir sicher, viele wären sogar bereit, auf Reichtum zu
erzichten, wenn man ihnen die tagtägliche Angst vor
er Zukunft nehmen würde. Denn diese Zukunftsangst
aben nicht nur Arbeitslose und Sozialhilfeempfänger,
ie trifft auch immer mehr die Menschen aus der Mittel-
chicht, die um ihre Jobs fürchten. Wir als PDS wollen
eine Gesellschaft, die auf Angst basiert. Wir wollen
ine solidarische Gesellschaft. Ich bin der festen Über-
eugung, dass eine solidarische Gesellschaft gesünder,
lücklicher und letztlich auch dauerhafter als diese
ngstgesellschaft ist.
Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos] – Marianne Tritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Schwach!)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Susanne Kastner (SPD):
Rede ID: ID1505903000

Nächster Redner ist der Kollege Arnold Vaatz, CDU/

CSU-Fraktion.


Arnold Vaatz (CDU):
Rede ID: ID1505903100

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der

Bundeskanzler hat heute versucht, uns zu vermitteln,
dass es ein Missverständnis sei, wenn man die Aus-
führungen des Finanzministers von gestern so verstehe,
dass Ostdeutschland an der desolaten Haushaltslage
schuld sei. Der Kanzler hat gesagt, die Bundesrepublik
Deutschland habe mit der Wiedervereinigung ein Pro-
blem, das die anderen europäischen Staaten in dieser Art
nicht hätten. So in etwa hat er sich ausgedrückt, wenn
ich mich richtig erinnere. Das stimmt ungefähr, obwohl
man, wenn man in die Geschichtsbücher sieht, feststel-
len muss, dass es auch in anderen europäischen Staaten
wie in Italien und Polen Wiedervereinigungsprozesse
gegeben hat, die sich allerdings über viele Generationen
hingezogen haben.

Wenn man das gelten lässt, dann ist aber die Frage be-
rechtigt, was dazu geführt hat, dass die Bundesrepublik
Deutschland auf die Wiedervereinigung so wenig vor-
bereitet war. Meines Erachtens ist es notwendig, darauf
hinzuweisen, dass in den 60er- und 70er-Jahren in der
damaligen Bundesrepublik Deutschland ein großer kol-
lektiver Irrtum in Bezug auf die Überlebensfähigkeit der
DDR entstanden ist. Wenn man die damaligen poli-
tischen Debatten mit Blick darauf durchliest, wer am
Entstehen und an der Aufrechterhaltung dieses kollekti-
ven Irrtums am meisten mitgewirkt hat, dann kommt
man auf die deutsche Sozialdemokratie.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit tragen Sie an den Schwierigkeiten schon von An-
fang an eine große Mitverantwortung.


(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Zurück zu den Ereignissen vor der letzten Wahl. Ich

habe damals auf Wahlkampftour, auf der wir sicherlich
alle waren, einen Bekannten gesprochen, der unter dem
Eindruck des Hochwassers und der Versprechungen der
Regierung sagte, er wähle dieses Mal SPD. Seine Be-
gründung: Die SPD habe in den letzten vier Jahren ein
so großes Chaos angerichtet, dass er es sich allein schon
aus Gründen der Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht an-
ders vorstellen könne, als dass sie aus ihren Fehlern ge-
lernt habe und bei ihr der Knoten geplatzt sei. Das Hoch-
wasser müsse quasi als Katalysator wirken, sodass sich
die ganzen katastrophalen Zahlen in Ostdeutschland un-
ter dieser Regierung höchstwahrscheinlich verbessern
würden.

Nun habe ich mit diesem Mann ein Jahr später wieder
geredet. Die Katastrophe ist perfekt: An seine Ausfüh-
rungen von vor einem Jahr will er gar nicht mehr erin-
nert werden.

Die Zahlen für Ostdeutschland sind katastrophaler
denn je. Die Arbeitslosigkeit hat sich auf dem doppelten
Niveau Westdeutschlands verstetigt. Die Abwanderung
hat nicht abgenommen, sondern zugenommen. Die Fir-

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(C (D eninsolvenzen nehmen zu. Inzwischen kommen sogar nsolvenzen von Familien hinzu. Die Zwangsversteigeungen häufen sich. Die Generaltendenz – das ist eigentlich das chlimmste –, dass sich der Abstand zwischen Ost und est weiter vergrößert, anstelle sich zu verkleinern, hat n den letzten Jahren keine Umkehrung erfahren. Die enschen in Ostdeutschland wissen, dass es mit der Anleichung langsam gehen wird; dass die Tendenz aber ach unten zeigt, das ist nicht hinzunehmen. Diese Enticklung haben Sie im letzten Jahr wiederum nicht änern können, obwohl Sie dafür meines Erachtens jede enge Möglichkeiten hatten. Es gibt in Ostdeutschland nämlich sehr wohl Situatio en, die man politisch nutzen könnte, weil mit ihnen ine enorme Aufbruchstimmung verbunden ist. Im Frühahr dieses Jahres hat die Stadt Leipzig den Zuschlag als eutsche Bewerberstadt für die Olympischen Spiele 012 erhalten. Wenn ich aber die Maßnahmen der Bundesregierung etrachte, mit denen sie dieser Bewerbung Nachdruck erleihen will, kommt bei mir allmählich der Gedanke uf, dass das Spiel schon verloren ist, bevor es begonnen at. Wenn man diese Maßnahmen nämlich mit den Akionen von Herrn Chirac in Frankreich, Herrn Blair oder errn Aznar vergleicht, die vieles dafür tun, damit ihre eweilige Bewerberstadt bei der internationalen Auscheidung für den Austragungsort der Olympischen piele am Ende den Vorzug erhält, dann muss man festtellen, dass die Bundesregierung im Grunde nichts acht. (Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Fragen Sie doch einmal Herrn Tiefensee! Hören Sie doch auf mit der Jammerei! Das ist doch fürchterlich! Wenn Sie das alles nach außen tragen, dann kann das ja nicht funktionieren!)


m Haushalt sind keine Mittel dafür vorgesehen. Auch
er Bundesverkehrswegeplan sieht keinerlei Infrastruk-
urmaßnahmen vor, um Leipzig einen Vorzug zu ver-
chaffen. Sie haben überhaupt nichts getan.


(Beifall bei der CDU/CSU)

on allen Seiten wurde ein Angebot unterbreitet. Wir
ollen überhaupt keinen politischen Streit über diese
rage.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ach nein! Erst erzeugen Sie den Streit und dann wollen Sie ihn nicht! Was denn nun?)


ir wollen bei Ihnen nur ein Minimum an Bewegung
ehen, ein Zeichen, dass Sie an dieser Sache tatsächlich
nteressiert sind. Dieses Zeichen steht seit einiger Zeit
us. Das muss ich Ihnen einmal sagen.


(Walter Schöler [SPD]: Deswegen sitzen wir doch hier! Dass wir während Ihrer Rede hier sitzen, ist ein deutliches Zeichen!)


Sie haben den 50. Jahrestag des 17. Juni in diesem
ahr verstreichen lassen, ohne ein weiteres Zeichen nach
stdeutschland zu geben. Sie hätten das Zeichen geben






(A) )



(B) )


Arnold Vaatz

können, dass Sie das Unrecht, das Menschen länger als
eine Generation lang angetan wurde, in irgendeiner
Weise von Staats wegen zur Kenntnis nehmen. Sie hät-
ten den Opfern eine gewisse Anerkennung zuteil werden
lassen können.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was haben Sie denn bis 98 gemacht? Nichts!)


Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Ja, ja!)


Diesen Gesetzentwurf hätten wir gemeinsam beschlie-
ßen können. Sie haben das nicht getan.

Der Herr Bundespräsident hat gesagt, dass viele der
Menschen, die damals Nachteile hätten erleiden müssen,
erwartet hätten, nach der deutschen Einheit eine Ent-
schädigung zu bekommen. Sie haben sie aber nicht be-
kommen. Dasselbe hat der Herr Bundesratspräsident ge-
sagt. Auch der Bundestagspräsident hat sich ähnlich
ausgedrückt. Die einzige, die in dieser Frage nicht han-
delt, ist die Bundesregierung. Sie haben uns auf Ihrer
Seite, wenn Sie auf diesem Gebiet etwas machen wollen.
Wir können das gemeinsam tun. Sie tun es aber nicht.

Die Tatsache, dass Sie keine Zeichen nach Ost-
deutschland schicken, trübt den Optimismus dort noch
wesentlich weiter ein. Mittlerweile befinden wir uns an
einem Punkt, an dem wir zahlreiche Ideen, um den Ar-
beitsmarkt in Ostdeutschland in Gang zu bringen, als
Luftblasen identifizieren können: Es ging los mit den
Bündnissen für Arbeit, die nichts wurden; dann kam das
Job-AQTIV-Gesetz, das nichts wurde; dann kamen die
Personal-Service-Agenturen, die im Grunde Menschen
schneller zwischen nicht vorhandenen Arbeitsplätzen
hin und her vermitteln sollten; schließlich hatte man die
Idee für das Programm „Kapital für Arbeit“, wobei hoch
verschuldeten Unternehmen weitere Kredite angeboten
wurden. Sie haben Konzepte für Ostdeutschland vorge-
schlagen, die ganz offensichtlich nicht funktionieren
konnten.

Es ist selbstverständlich, dass sich die Menschen bei
uns im Osten allmählich auf den Arm genommen und
von dieser Regierung in keiner Weise ernst genommen
und vertreten fühlen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist doch unglaublich! Nehmen Sie den Solidarpakt II!)


Damit Sie das einmal aus Ihren eigenen Reihen hören,
sage ich Ihnen, wie der Kollege Hilsberg heute in der
„Freien Presse“ zitiert wird:

Nach Einschätzung des ostdeutschen SPD-Poli-
tikers Hilsberg werden die Probleme in den neuen
Ländern nicht mehr ernst genommen. So habe sich
die Bundesregierung inzwischen damit abgefunden,
dass die Arbeitslosigkeit im Osten doppelt so hoch
sei wie im Westen.

Sie sind im Augenblick dabei, die Arbeitslosigkeit da-
durch weiter zu erhöhen, dass Sie durch das Mindest-
lohngesetz die Mindestlöhne im Baubereich festlegen
wollen. Das würde nach Auffassung der Spitzenver-

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(C (D ände weitere 50 000 Arbeitslose zur Folge haben. Anesichts einer solchen Regierung kann ich verstehen, ass sich viele Ostdeutsche in die Nostalgiewelle flüchen und sagen, dass sie von diesen Leuten wohl nichts ehr erwarten können. Vielen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505903200

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Steffen Kampeter.


Steffen Kampeter (CDU):
Rede ID: ID1505903300

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und
erren! Der Kollege Müntefering hat sich vorhin dage-
en verwahrt, dass die Sozialdemokratische Partei für
as SED-Unrecht in Anspruch genommen wird. Das hat
ier kein Redner aus dem Bereich der CDU/CSU auch
ur versucht. Herr Kollege Müntefering, Sie müssen sich
ber schon daran erinnern lassen, dass es keine relevante
olitische Organisation in der Bundesrepublik Deutsch-
and gegeben hat, die so sehr die Nähe des SED-Re-
imes gesucht hat wie die Sozialdemokratische Partei
eutschlands.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Quatsch!)


ch erinnere insbesondere an die Geraer Forderungen
ach der doppelten deutschen Staatsangehörigkeit.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie können ja noch was draufsetzen! Typisch Kampeter!)


Herr Müntefering, Sie waren – ähnlich wie der amtie-
ende Bundespräsident – zu dieser Zeit leitend in der
eutschen Sozialdemokratie tätig.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sprechen Sie jetzt gerade auch für Frau Merkel?)


ie haben noch wenige Monate vor dem Fall der Mauer
it Einheitspapieren deutlich gemacht, dass Sie im Her-
en Ihrer linken Seele mehr für die deutsche Teilung als
ür die deutsche Einheit eintreten.


(Beifall bei der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unverschämt ist das! Aber das ist typisch Kampeter!)


Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Haus-
alt 2004 ist eigentlich nicht das Papier wert, auf dem er
em Parlament vorgelegt worden ist. Wesentliche
rundlagen, das Fundament dessen, was uns der Finanz-
inister heute auch im Kanzleramtsetat vorgelegt hat,
timmen nicht. Es ist schon wiederholt darauf hingewie-
en worden, dass die Wachstumsprognose viel zu opti-
istisch ist. Auch die Annahme der Bundesregierung,
ass wir im nächsten Jahr durchschnittlich 4,4 Millionen
rbeitslose haben werden, ist nach Auffassung aller
irtschaftsforschungsinstitute fatal.






(A) )



(B) )


Steffen Kampeter

Der Kollege Glos und ich sind deswegen der Auffas-

sung, dass es das Anständigste wäre, überhaupt keinen
Cent für den Kanzleramtsetat auszugeben. Das wäre die
gerechteste und vernünftigste Lösung bei einer solch fal-
schen Politik.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In dieser Debatte ist bereits verschiedentlich darauf

hingewiesen worden, dass der Stabilitäts- und Wachs-
tumspakt kein reiner Stabilitätspakt sei; das ist richtig.
Die Akzentverschiebung, die damit einhergeht, dass der
Bundeskanzler heute hier erklärt hat, dass man ein biss-
chen weniger Stabilität und dafür mehr Wachstum haben
möchte, halte ich aber wirtschaftspolitisch für ausge-
sprochen gefährlich.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist eine sehr merkwürdige Auslegung der Rede des Bundeskanzlers!)


Man darf die Stabilität nicht gegen das Wirtschafts-
wachstum ausspielen. Ohne Stabilität wird es kein dau-
erhaftes Wirtschaftswachstum in der Eurozone geben.
Wie gesagt: Der Bundeskanzler hat hier und heute for-
muliert, dass er ein bisschen weniger Stabilität für ein
bisschen mehr Wachstum haben möchte. Ich glaube,
dann würden wir beides erhalten: weniger Stabilität und
weniger Wachstum für Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Komm jetzt mal zu deinen Vorschlägen! Genug gejammert!)


Die Sozialdemokraten fordern in diesem Zusammen-
hang eine Wachstumsinitiative. Ich glaube, darüber wer-
den wir alle hier vortrefflich streiten. Das scheint mir
aber ein Synonym für zusätzliche schulden- und defizit-
finanzierte Aktionsprogramme zu sein, die auch dadurch
nicht besser oder wirksamer werden, dass sie jetzt ge-
samteuropäisch initiiert werden. Eine solche Politik hat
bereits in den 70er-Jahren einen Fehlschlag erlitten. Sie
kostet die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik
Deutschland zumeist mehr, als sie ihnen nützt. Deswe-
gen werden wir einen solchen defizitfinanzierten Aktio-
nismus ablehnen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Es muss vielmehr darum gehen, dass wir die ver-

schütteten Quellen des Wirtschaftswachstums durch
Strukturreformen wieder freilegen. Ich weise bei-
spielsweise darauf hin, dass insbesondere die Struktur-
reformen für neue Technologien in der Bundesrepublik
Deutschland bei einer niedrigen Regelungsdichte anset-
zen müssen. Ich weise darauf hin, dass Strukturreformen
bei eigenverantwortlich gestalteten Sozialsystemen an-
setzen müssen, die Wirtschaftswachstum ermöglichen.
Zudem weise ich darauf hin, dass die Strukturreformen
bei einer sinkenden Staatsquote ansetzen müssen, wobei
Privatisierung als ordnungspolitische Aufgabe und nicht
so sehr vor dem Hintergrund fiskalischer Zwänge zu se-
hen ist.

In diesem Zusammenhang wird auch heute gelegent-
lich über das Vorziehen der vierten Stufe der Steuer-
reform streitig diskutiert. Jeder, der sich ein bisschen

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(C (D it Haushaltspolitik beschäftigt, weiß, dass Schulden ie Steuern von morgen sind. Die Bürgerinnen und Bürer wissen: Wenn heute viele Schulden gemacht werden, erden morgen die Steuern erhöht. Deswegen ist es irtschaftspolitisch geradezu verwegen, dass der Bunesfinanzminister im Jahr 2003, für das er bereits eine ekordverschuldung zu verantworten hat, vorgeschlagen at, die vierte Stufe der Steuerreform auf das Jahr 2004 orzuziehen und dies ausschließlich über Schulden zu inanzieren. So steht es zumindest im gegenwärtigen aushaltsentwurf. Eine Steuersenkung durch Schulden u finanzieren ist wirtschaftspolitisch unsolide. Die Bürerinnen und Bürger wissen, dass das ein ungedeckter echsel auf die Zukunft ist. (Beifall bei der CDU/CSU – Hans Eichel, Bun desminister: Seit wann wissen sie das?)

Jetzt höre ich, dass man zur Verringerung der Schul-

en mehr privatisieren will. Herr Eichel, das große
rivatisierungsvermögen von Post und Telekom haben
ie bereits ausgegeben. Wir haben hier im Deutschen
undestag beschlossen, dass wir dieses Geld für die Al-
ers- und Versorgungslasten der Mitarbeiterinnen und
itarbeiter in den Unternehmen Post und Telekom ver-
enden. Nach dem gegenwärtigen Stand reicht das Ka-
ital dafür nicht einmal aus. Jetzt also wollen Sie zum
weiten Mal Post- und Telekomaktien aus Ihrem Be-
tand ausgeben. Das ist unsolide und wirtschaftspolitisch
erwegen. Die Menschen in Deutschland werden das
icht goutieren.
Der Haushalt 2004 enthält auch einige Forderungen

m Zusammenhang mit dem Subventionsabbau. Wir
erden uns einem soliden Vorschlag zum Subventions-
bbau im Zusammenhang mit der Steuerreform nicht
erschließen; das ist selbstverständlich. In der Debatte
st deutlich gemacht worden, dass Blockade und Union
wei Dinge sind, die einander ausschließen.


(Walter Schöler [SPD]: Sie sollen Vorschläge machen!)


ber ich will auf eine der zwei größten Steuersubven-
ionierungen hinweisen, die in Ihrem Subventionsbericht
nthalten sind, nämlich die Ausnahmetatbestände bei der
kosteuer.
Wenn Sie unter Subventionsabbau verstehen, die Öko-

teuer weiter drastisch zu erhöhen, insbesondere in den
nergieintensiven Bereichen, dann werden Sie selbstver-
tändlich nicht auf die Zustimmung der CDU/CSU-Bun-
estagsfraktion stoßen; denn hier wird eine Steuererhö-
ung unter dem Titel Subventionsabbau verkauft. Wir
ollen den Standort Deutschland durch niedrigere
teuer- und Abgabensätze stärken und nicht die energie-
nd technologieintensiven Branchen vertreiben, indem
ier noch weiter an der Steuerschraube gedreht wird.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion scheint schon

u Beginn der Haushaltsberatungen klar zu sein, dass
as, was Herr Eichel hier vorzulegen wagt, nicht bera-
ungsreif ist.


(Franz Müntefering [SPD]: Ihnen scheint zu viel!)







(A) )



(B) )


Steffen Kampeter

Wir raten Ihnen: Machen Sie erst einmal Ihre Arbeit und
bringen Sie dann einen soliden und anständigen Etat in
dieses Haus ein! Erledigen Sie Ihre Gesetzgebungs-
arbeit, die Grundlage Ihres Etats ist.


(Lachen des Abg. Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD])


Legen Sie dann dem Parlament einen Etat vor, der zu-
mindest den Grundanforderungen von Haushaltsklarheit
und Haushaltswahrheit entspricht!


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie sind ein Ignorant!)


Sie haben uns für 2003 noch einen Nachtragsetat
vorzulegen. Ersparen Sie uns, dass Sie jedes Jahr nach
dem ordentlichen Etat zum Jahresende noch einmal ei-
nen Nachtragsetat vorlegen müssen.


(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie fordern ihn doch ständig! Was wollen Sie denn eigentlich?)


Ein Nachtragsetat ist das Schädlichste, was es im Be-
reich der Konsolidierung geben kann. Wenn Sie am
Ende eines Jahres einen Nachtragsetat vorlegen, können
Sie bei den Ausgaben überhaupt nichts mehr einsparen.
Sie erhöhen vielmehr ausschließlich die Schulden. Diese
Politik führt in die Irre. Damit werden Sie bei der CDU/
CSU keine Zustimmung finden. Wir wollen eine solide
Haushaltspolitik und fordern die neue Vorlage Ihres Ent-
wurfes für 2004.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505903400

Das Wort hat jetzt die Kollegin Erika Lotz.


Erika Lotz (SPD):
Rede ID: ID1505903500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kolle-

gen! Herr Vaatz, ich habe mich bei Ihrer Rede gefragt,
warum Sie all Ihre Forderungen nicht umgesetzt haben,
als Sie noch die Regierung gestellt haben.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich fand Ihre Rede vor dem Hintergrund der Wirkung
des Solidarpakts II nicht angemessen. Sie ist auch hin-
sichtlich des Ausgleichs bei den Sozialversicherungs-
systemen nicht angemessen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Nun hat die Opposition heute hier herbe Kritik geäu-

ßert. Das war nicht anders zu erwarten. Uns und sicher-
lich auch der Öffentlichkeit ist aber aufgefallen, dass die
Alternativen dünn gesät waren. Auch das war nicht an-
ders zu erwarten. Das ist die Wahrheit.

Bundeskanzler Schröder hat zu unserer Politik heute
geäußert: Wir tun dies alles, damit diejenigen, die nach
uns kommen, eine Chance haben; wir tun dies alles, da-

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(C (D it diejenigen, die nach uns kommen, auch eine gute ukunft haben. Ja, wir haben eine große Aufgabe, auch im sozialen ereich. Wir haben Veränderungen mit dem Ziel angeackt, Lohnnebenkosten zu senken, um Voraussetzungen ür die Entstehung von mehr Arbeitsplätzen zu schaffen. as ist nicht einfach. Der Opposition müsste das auch och in guter Erinnerung sein. Sie haben es doch zum eispiel fertig gebracht, von 1994 bis 1998 den Rentenersicherungsbeitrag von 19,2 Prozent auf 20,3 Prozent teigen zu lassen. Eine Mehrwertsteuererhöhung von Prozent für die Rente kam damals noch hinzu. Gestern haben wir nun das Gesundheitsmodernisie ungsgesetz auf die Schiene gesetzt. Wir erreichen dait mehr Qualität, Patientensouveränität, Strukturveresserungen, den Abbau von Fehl-, Überund nterversorgung und wir haben dabei die Prämisse, die ohnnebenkosten zu senken. Das Ganze ist ein Komproiss. Jeder hat noch Wünsche; für jeden bleiben Wünche offen. Ich hätte mir gewünscht, dass die Leistungsnbieter stärker einbezogen werden. Auf der anderen eite passt der CDU/CSU beispielsweise das Institut für ualitätssicherung nicht. Wir, auch ich, müssen dabei Kröten schlucken: beim rankengeld und beim Zahnersatz. Dies zu beschließen ällt schwer; aber es ist wichtig, dass die Maßnahmen in inem solidarischen Rahmen bleiben. Wichtig ist, dass s eine Überforderungsklausel gibt. So beträgt der igenanteil der Patienten nicht mehr als maximal 2 Proent des Bruttoeinkommens. Es wird berücksichtigt, enn Kinder in der Familie sind und wenn ein Ehegatte icht erwerbstätig ist und deshalb keine Einnahmen hat. ür chronisch Kranke gilt ein maximaler Eigenanteil von Prozent. Was wäre denn die Alternative? Die Alternative wä en höhere Beiträge mit all den Folgen für die Arbeitslätze. Wir werden dieses Gesetz gemeinsam verabchieden müssen, damit mehr Arbeitsplätze entstehen nd sich damit auch die Einnahmen der Sozialversicheung verbessern. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich erachte es im Sinne von Gerechtigkeit und Solida-
ität für wichtig, dass das Ganze wirkungsgleich umge-
etzt wird, auch für Abgeordnete, für Minister und für
eamte. Dieses werden wir auf die Schiene bringen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wir haben bei der Arbeitsmarktpolitik neue Wege ein-
eschlagen: Hartz-Gesetz I und II, dem folgend die Zu-
ammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe.
eides sind steuerfinanzierte Systeme. Vorausgegangen
ind Modelle wie MoZArT. Ich habe in Arbeitsämtern, in
enen diese Modellversuche liefen, Gespräche geführt.
ir wurde gesagt, dass Sozialhilfeempfänger geäußert
ätten, dass sich endlich einmal jemand richtig um sie
ümmere. Das ist wichtig. Es ist wichtig, dafür zu sor-
en, dass Menschen aus der Sozialhilfe herauskommen






(A) )



(B) )


Erika Lotz

und existenzsichernde Arbeit haben. Das ist das Ziel und
das werden wir auch erreichen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Glos hat genau dieses Projekt heute Morgen be-
mäkelt. Ich stelle mir wirklich die Frage, warum es nicht
früher angepackt wurde, wenn man dazu Gedanken
hatte. Ich denke, man kommt erst hinter das eine oder
andere, wenn man auf den Oppositionsbänken sitzt.

Demographische Veränderungen machen ein Umden-
ken notwendig. Ich halte es auch für nötig, dass sich in
der Gesellschaft, in erster Linie aber in den Personal-
abteilungen der Unternehmen die Einstellung zum
Alter ändert. In 60 Prozent der Unternehmen wird nie-
mand mehr über 50 Jahre beschäftigt. Es sind doch ge-
rade die Unternehmer, die die hohen Lohnnebenkosten
beklagen. Sie haben aber sehr viel zu dem Anstieg der
Frühverrentung beigetragen und damit auch die Misere
der Sozialkassen mit verursacht. Deshalb müssen auch
sie sich der Verantwortung stellen und ihre Mentalität
ändern.

Als frisch gebackene 60-Jährige stelle ich fest: Mit
60 ist man für die Parkbank zu schade. Denn man kann
noch sehr viel bewegen – in der Politik, aber vor allen
Dingen auch in den Unternehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Unsere Gesellschaft wird älter. Das Durchschnitts-
alter der Beschäftigten bleibt konstant. Auch hierbei
muss sich etwas bewegen. Wir stellen uns unserer Ver-
antwortung bei der Krankenversicherung und der Ren-
tenversicherung. Mit der zusätzlich geförderten Riester-
Rente haben wir bereits den Weg eingeschlagen, um den
Lebensstandard im Alter zu sichern.

Wir haben auch Verbesserungen für Mütter erreicht.
Wir haben von dieser Reform erwartet, dass sie sich
auch in neuen Arbeitsplätzen niederschlägt; aber dieser
Faktor allein war dafür nicht entscheidend. Neue Ar-
beitsplätze sind nicht in dem Maße entstanden, wie wir
es uns erhofft hatten. Das hat auch Auswirkungen auf
die Einnahmen in der Rentenversicherung. Dabei müs-
sen wir zudem den Doppeltrend von Geburtenlücke und
Alterung berücksichtigen. Entsprechende Vorschläge,
die bereits vorliegen, müssen wir beraten. Veränderun-
gen sind notwendig. Ich denke, daran führt kein Weg
vorbei.

Ich meine aber auch, dass wir keinen Zweifel daran
aufkommen lassen dürfen, dass Solidarität nach wie vor
gilt, Herr Gerhardt. Solidarität heißt für mich, dass die
Jungen für die Alten und Gesunde für Kranke einstehen
und dass starke Schultern mehr tragen als schwache. Ich
finde, eine Diskussion, in der infrage gestellt wird, dass
jemand medizinisch notwendige Leistungen bekommt,
weil er ein gewisses Alter erreicht hat, ist schädlich für
die Gesellschaft insgesamt.


(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Richtig! Das hat doch nichts mit meiner Haltung zu tun!)


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(C (D Ich halte diese Diskussion für schädlich, weil dadurch ei den Alten, aber sicherlich auch bei den Jüngeren ngste ausgelöst werden. Machen wir uns doch nichts or: Wir alle wollen doch alt werden und würden gegeenenfalls selber einer solchen Situation ausgesetzt weren. Solidarität heißt aber auch, dass viele einzahlen müs en, damit diejenigen, die Hilfe bedürfen, diese auch beommen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Vernderungen auch von der Bevölkerung getragen werden, enn sie solidarisch und gerecht sind. Dafür sind wir der arant. Ich lade alle dazu ein, daran mitzuwirken, dass ie notwendigen Veränderungen vorgenommen werden. iese sollten aber so erfolgen, dass die Menschen keine ngst vor Veränderungen bekommen. Denn diese ngst bedeutet wiederum ein Problem für das Wachsum, wenn sie dazu führt, dass Anschaffungen zurückgetellt werden, weil die Menschen nicht wissen, was auf ie zukommt. Deshalb richte ich an dieser Stelle meine Bitte an die pposition: Schüren Sie keine Ängste! Das ist für unsere esellschaft und für das gesamte System nicht gut. Wir lle wissen, dass wir schwierige Aufgaben zu schultern aben. Das wird nur möglich sein, wenn es uns gelingt, en Menschen Sicherheit zu geben. Wir sollten sie nicht och zusätzlich verunsichern. Danke schön. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505903600

Liebe Frau Kollegin Lotz, nachdem Sie in Ihrer Rede

arauf hingewiesen haben und ich in den Unterlagen ge-
ade gesehen habe, dass Sie gestern Ihren 60. Geburtstag
efeiert haben, möchte ich Ihnen dazu noch gratulieren.
afür ist es ja nicht zu spät.


(Beifall)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bernhard Kaster.


Bernhard Kaster (CDU):
Rede ID: ID1505903700

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-

en! „Deutschland bewegt sich“ – wieder einmal ist un-
er Land durch eine von unzähligen Plakat- und Anzei-
enkampagnen der Bundesregierung zugeklebt worden.
as Ankündigungen von Bundeskanzler und Bundesre-
ierung wert sind, hat in diesem Jahr die mit großem Ge-
öse angekündigte Hauruckrede vom 14. März gezeigt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Lang ist’s her und nichts ist passiert!)


on da an bewegte sich bis zum Sommer nämlich gar
ichts mehr. Zum nicht beratungsfähigen Haushalt 2004
egen nunmehr Haushaltsbegleitgesetze vor, für deren
hemen bereits sehr viel Zeit verloren ging. Aber:
Deutschland muss sich ja bewegen.“ Deshalb konnte die
undesregierung es wieder nicht lassen, sich vor der
olitik und vor den Inhalten erst einmal um die Verpa-
kung zu kümmern. Seit August dieses Jahres hat die Re-






(A) )



(B) )


Bernhard Kaster

gierung Deutschland mit 82 Busplakatierungen, 642 so
genannten Mega-light-Plakaten und 17 435 Großflächen-
plakaten überzogen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was hat es genutzt? Nichts!)


„Wieder Arbeit“, „Später eine Rente“ oder „Mehr Jobs“,
das sind die plakativen Sprüche, die im drastischen
Widerspruch zur Realität in Deutschland stehen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Sie mögen sagen, Wirtschaftspolitik sei immer auch
Psychologie. Aber die besten Motivationskünstler, eine
noch so gute PR-Arbeit und inszenierte Medienauftritte
können keine Inhalte ersetzen. Herr Bundeskanzler, Po-
litik kann auf Dauer nicht durch PR-Arbeit ersetzt wer-
den. Politik gehört hier in den Bundestag, nicht auf Lit-
faßsäulen, in Kinos und in Anzeigen.

2004 soll die PR-Arbeit aber noch gesteigert und auf
die absolute Spitze getrieben werden. Nach dem vorlie-
genden Haushaltsentwurf steigen alleine die Mittel für
Öffentlichkeitsarbeit, die unsere Minister unmittelbar
zur Verfügung haben, um 20 Prozent.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was?)

Insgesamt gibt die Bundesregierung nächstes Jahr fast
100 Millionen Euro für Werbung aus.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)


Die Mittel für die Öffentlichkeitsarbeit des Bundespres-
seamtes sollen um 10,4 Prozent, für die des Gesund-
heitsministeriums um 26,5 Prozent und für die des
Finanzministeriums sogar um 120,5 Prozent steigen.
Das ist im letzten Fall mehr als eine Verdoppelung.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das nennen die Sparen! – Steffen Kampeter [CDU/ CSU]: Unglaublich!)


Aber damit nicht genug: Die Haushaltsansätze werden
von der Bundesregierung auch noch verschleiert und auf
unzählige Haushaltstitel verteilt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die täuschen immer!)


Millionenbeträge werden zum Beispiel im Umweltmi-
nisterium für Broschüren oder für so aussagekräftige
Haushaltstitel wie „Kommunikative Begleitung und
Evaluation wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Vor-
haben“ veranschlagt.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Außer den Werbeagenturen versteht das doch keiner mehr!)


Dahinter verbirgt sich nichts anderes als eine
15 Millionen Euro teure Werbekampagne für das als
Flop bezeichnete Hartz-Konzept.

Angesichts der Veranschlagung von über 100 Millio-
nen Euro für PR-Zwecke quer durch den Haushalt muss
die Frage nach Bedeutung und Rolle des Presse- und

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(C (D nformationsamtes der Bundesregierung, kurz BPA, estellt werden. (Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist eine Propagandazelle!)


ie Aufgabe des BPA ist eigentlich die Koordination der
ußendarstellung von Ministerien und Kanzleramt.
och unter Leitung von Staatssekretär Bela Anda be-
errschte das BPA in den vergangenen Monaten selbst
ie Schlagzeilen und wurde zur Mitteilung. Es gab fast
eine Zeitung und Zeitschrift, die in diesem Jahr nicht
ber Skandale rund um oder im Bundespresseamt be-
ichtet hat.
Ich erinnere daran: Der Bundesrechnungshof stellte

leich mehrfach eklatante Rechtsverstöße bei Auftrags-
ergaben im BPA fest. Die Staatsanwaltschaft ermittelte
egen dubioser Vorgänge um verschwundene Disketten.
mmer wieder gibt es gravierende Verstöße gegen das
ergaberecht. Erst das Bundeskartellamt konnte im
rühjahr das von Staatssekretär Anda willkürlich abge-
rochene Vergabeverfahren wieder in Gang setzen.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja ein Skandal!)


Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Ich habe in-
wischen eine Loseblattsammlung angelegt, die man
emnächst binden lassen könnte. Seit dem Amtsantritt
on Herrn Anda herrschen beispiellose Rechtsverstöße
nd Chaos im Bundespresseamt.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ganz schlimm! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Rechtsbruch als Prinzip! Das ist ja unglaublich! – Petra-Evelyne Merkel [SPD]: Sonst nichts zu tun?)


Vor allen Dingen ist aber auch die Selbstversorgungs-
entalität ohne Beispiel. Sie hat mittlerweile einen Was-
erkopf im BPA geschaffen, mit dem kaum noch ein Mi-
isterium mithalten kann. Im Bundespresseamt gibt es
zwischen einen Chef, einen stellvertretenden Sprecher
nd stellvertretenden Leiter, einen zweiten stellvertre-
nden Sprecher, einen Chef vom Dienst und einen stell-
ertretenden Chef.


(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da ist doch mehr als die Hälfte überflüssig!)


öge auch der eine oder andere Posten seine Berechti-
ung haben, so muss man sich doch fragen, was bei-
pielsweise den stellvertretenden Leiter vom stellvertre-
nden Chef unterscheidet.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja! – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Und der Steuerzahler zahlt!)


as ist eine Frage, die sich inzwischen auch die Mit-
rbeiter stellen und die bei uns die Befürchtung aufkom-
en lässt, nach dem stellvertretenden Leiter und dem
tellvertretenden Chef könnte demnächst noch die Stelle
ines stellvertretenden Bosses geschaffen werden.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr gut! Bernhard Kaster Sehr gut! – Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Das muss dann aber eine Frau sein!)





(A) )


(B) )


Eine überzogene Öffentlichkeitsarbeit darf und kann
nicht die Hauptaufgabe von Bundeskanzleramt und Bun-
despresseamt sein. Laut Art. 65 des Grundgesetzes be-
stimmt der Bundeskanzler die Richtlinien der Politik und
trägt dafür die Verantwortung. Zu dieser Verantwortung
muss es gehören, bei einem seit Jahren sichtlich überfor-
derten Finanzminister hart einzugreifen, sprich: den Fi-
nanzminister zu entlassen, weil er – bei einer Bundes-
verschuldung von 800 Milliarden Euro und einem
gesamtstaatlichen Defizit von 1,3 Billionen Euro – mitt-
lerweile im dritten Jahr in Folge verfassungswidrig die
Verschuldung in zweistelliger Milliardenhöhe hoch-
treibt.

Der Gipfel ist: Bereits der Entwurf des Haushalts für
2004 weist – das gab es in dieser Form noch nie – eine
verfassungswidrige Höchstverschuldung aus.


(Beifall bei der CDU/CSU – Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Unglaublich!)


Eine gesamtstaatliche Neuverschuldung aller Ebenen
von 80 bis 90 Milliarden Euro in diesem Jahr ist unseren
Bürgern überhaupt nicht mehr vermittelbar. Herr Bun-
deskanzler, angesichts dieser Verschuldung, dieses Hin-
treibens zum Staatsbankrott müssen wir unsere Kinder
vor diesem Finanzminister schützen.

Ich möchte eine Schlussbemerkung machen. Vor kur-
zem wurde die Drohung ausgesprochen, der Bundes-
kanzler und sein Außenminister träten 2006 noch einmal
an.


(Petra-Evelyne Merkel [SPD]: Gut so! – Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wie gut!)


Ich will in diesem Zusammenhang auf die Kinderseiten
der Homepage des Bundeskanzlers verweisen, die den
Titel „Kanzler für Kids“ tragen. Dort wird für die Kinder
in unserem Land erklärt:

Der Kanzler ist ein Repräsentant. Deshalb ist es
ganz gut, dass ein Bundeskanzler nicht sein ganzes
Leben Bundeskanzler ist, sondern nur ein paar
Jahre.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist gut! – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Fünf Jahre waren schon zu viel!)


Herr Bundeskanzler, ein paar Jahre sind 2006 mit Si-
cherheit vorbei. Was man den Kindern verspricht, das
sollte man auch halten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Peter Hintze [CDU/CSU]: Sehr gut geredet!)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505903800

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

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(C (D Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Auswärigen Amtes. Das Wort hat zunächst Herr Bundesminiser Joschka Fischer. Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sowohl ie Außenund Sicherheitspolitik als auch die Europaolitik stehen im Mittelpunkt dieser Debatte. Sie stehen eit einiger Zeit – morgen jähren sich die Terroranchläge vom 11. September – auch im Mittelpunkt der rbeit, die der Deutsche Bundestag und die Bundesreierung zu leisten haben. Ich möchte die Außenpolitik der Bundesregierung in ieser Debatte vor allem in drei Schwerpunkten darstelen. Der eine Schwerpunkt ist der europäische Einiungsprozess, der mit dem erfolgreichen Abschluss des erfassungskonvents einen entscheidenden Schritt nach orn gekommen ist. Wir stehen jetzt vor einem weiteren chritt. Die Regierungskonferenz muss durch die Vertreer der Mitgliedstaaten juristisch das umsetzen, was der onvent in einem Entwurf vorbereitet hat. Ein weiterer Schwerpunkt sind die anhaltende He ausforderung des Kampfes gegen den Terrorismus nd dabei – im Gesamtzusammenhang von europäichem Einigungsprozess, zusammenwachsendem Europa nd gemeinsamen neuen Bedrohungen durch Terrorisus, Massenvernichtungswaffen, Fundamentalismus, ja inen neuen Totalitarismus – auch die Neudefinition er transatlantischen Beziehungen. Der letzte Schwerpunkt ist die Frage, wie sich die elt von morgen tatsächlich organisieren soll. Wir meien mit unseren europäischen Partnern, dass sich eine elt mit 6 Milliarden Menschen und nahezu 200 souve änen Staaten nur im Rahmen eines effektiven Multilaeralismus wird organisieren können. Wir sind auch der einung, dass die Vereinten Nationen ihre Zukunft icht hinter sich haben, sondern unter diesen Bedingunen ihre eigentliche Zukunft erst noch vor sich haben: ls die entscheidende Instanz dieses effektiven Multilaeralismus. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Joseph Fischer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505903900

Lassen Sie mich zunächst auf Europa zu sprechen
ommen. Es ist völlig klar – wir können das auch an den
ktuellen Krisen sehen; die ganze Debatte heute Mor-
en, in der es um die wirtschaftliche Erneuerung ging,
at das gezeigt –, dass selbst die größten Staaten unseres
ontinents – die Bundesrepublik Deutschland, Frank-
eich, Großbritannien, Italien, Polen, Spanien, um nur
ie sechs größten zu nehmen – ohne den europäischen
inigungsprozess, ohne die feste Einbindung in Europa
ohlstand, Sicherheit, Bildung und Ausbildung, soziale
icherheit und nachhaltige Entwicklung nicht mehr ga-
antieren könnten. Im Klartext: Unter den Bedingungen
es 21. Jahrhunderts werden auch die größten Mitglied-
taaten nicht mehr die kritische Betriebsgröße haben.
enn der europäische Einigungsprozess nicht zustande
äme, würden wir alle gemeinsam verlieren.






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Europa steht jetzt vor der Erweiterung. Die Erweite-

rung bedeutet, dass wir 25 Mitgliedstaaten bekommen.
Vielen Menschen, auch bei uns im Land, stellt sich die
Frage – ich möchte nochmals darauf zurückgreifen –:
Warum diese Erweiterung?

Nicht nur unter dem Gesichtspunkt von Stabilität,
von Frieden und Sicherheit hat sich unsere Lage nach
der deutschen Einheit durch den europäischen Eini-
gungsprozess dramatisch zum Positiven verändert.
Deutschland liegt heute inmitten eines zusammenwach-
senden Europas – eine historisch völlig andere Situation,
als wir sie in den vergangenen Jahren, Jahrzehnten, ja
Jahrhunderten gehabt haben. Gleichzeitig bedeutet es
eine enorme wirtschaftliche wie auch politische Chance,
dass sich dieses Europa erweitert. Es ist auch eine der
Verpflichtungen, die sich aus dem Ende des Kalten Krie-
ges und der Erfahrung der Spaltung Europas ergeben.

Ich möchte noch auf etwas anderes hinweisen. Wir
mussten auch erkennen, dass dieses Europa nicht zwei
unterschiedlichen Prinzipien folgen kann, dass das
Europa der Integration nicht mit dem Europa des Natio-
nalismus koexistieren kann. Es war dies Anfang der
90er-Jahre – auf dem Balkan – eine schlimme Lektion,
die viele unschuldige Menschen das Leben gekostet hat,
die die Europäer, wir alle gemeinsam, zu lernen hatten.
Es war dringend notwendig, zu erkennen, dass diesem
Morden nicht weiter zugeschaut werden konnte. Dass
wir heute auch für den westlichen Balkan die Perspek-
tive hin zum Europa der Integration haben, ist für unsere
Sicherheit ebenfalls von zentraler Bedeutung.

Damit dieses Europa der 25 und mehr Mitgliedstaaten
funktioniert, damit die Erweiterung erfolgreich sein kann,
sind drei Schritte notwendig, die nicht in einer formellen
Verbindung, aber in einem politischen Zusammenhang
stehen. Nach der Erweiterung ist der zweite Schritt die
grundlegende Reform der europäischen Institutionen.
Ursprünglich waren die europäischen Institutionen für
sechs Mitgliedstaaten, später für zwölf Mitgliedstaaten
gedacht und jetzt sind sie für 15 Mitgliedstaaten da.
Schon mit 15 ist es sehr, sehr schwierig. Es wird aber
extrem schwierig, wenn nicht fast unmöglich, sich eine
effiziente, eine transparente und eine im Interesse der
Menschen und der Mitgliedstaaten wirkungsvolle Euro-
päische Union mit 25 und mehr Mitgliedstaaten ohne eine
grundsätzliche Reform und ohne eine Erneuerung der
Demokratie in diesem erweiterten Europa zu denken.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Darin liegt die eigentliche Leistung des Konvents.
Ich möchte das aufnehmen, was der Bundeskanzler

heute Morgen gesagt hat. Zugleich weiß ich nicht, was
sich der bayerische Ministerpräsident eigentlich vor-
stellt. Es lehrt uns doch die Erfahrung – das sage ich aus
eigener Anschauung, aber auch Sie haben diese Erfah-
rung während der Regierungszeit Kohls häufig genug
gemacht –, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Staaten
bei der anstehenden Regierungskonferenz etwas Besse-
res produzieren, aufgrund der jeweils legitimen nationa-
len Interessen sehr gering ist. Sollte es tatsächlich Kon-

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(C (D ens über Verbesserungsvorschläge geben, dann werden ir die Ersten sein, die diese mittragen würden, denn für erbesserungen sind wir immer zu haben. Zugleich sollten wir aber den Fehler von Nizza nicht iederholen. Die große Leistung, die der Konvent erracht hat, ist, dass zum ersten Mal 28 Beteiligte, nämlich ie Repräsentanten der Parlamente und der Regierungen er jetzigen und der künftigen Mitgliedstaaten und Beirittskandidaten, des Europaparlaments und der Kommision, also das institutionelle Quadrat der Europäischen nion, zusammengearbeitet haben. Nachdem es in Nizza icht gelungen ist, mehr als einen Minimalkonsens zu ormulieren, ist ein Konsens über den Verfassungsntwurf im Rahmen der 28 erzielt worden. Deswegen ist ie Bundesregierung so entschieden dafür, diesen Enturf zu akzeptieren; ansonsten besteht die Gefahr, dass s zu Verschlechterungen kommt. Natürlich wäre es herorragend, wenn wir ihn im Rahmen der 25 verbessern önnten. Wenn nicht, sollten wir aber die Stärke besitzen, uzulassen, dass dieser Entwurf, den ich als einen sehr uten Kompromiss ansehe, auf der Regierungskonferenz atsächlich staatsrechtlich finalisiert wird. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Hätten Sie mich vor dem 11. September 2001 gefragt,
ätte ich Ihnen drei Punkte genannt, die den europäi-
chen Einigungsprozess dynamisieren: die Erweiterung,
er Druck, der sich durch die Einführung des Euro für
ie weitere Integration ergibt, und internationale Krisen-
ituationen. Heute stehen die internationalen Krisen
eben der Erweiterung fast an der Spitze der Agenda.
uch hier müssen wir sehen, dass die Europäer insge-
amt in der Frage des Kampfes gegen den internationa-
en Terrorismus gefordert sind. Es war für uns völlig
lar, dass wir nach dem mörderischen Angriff auf die
enschen und die Regierung der Vereinigten Staaten
on Amerika das Äußerste unternehmen müssen – das
aben wir dann ja auch unternommen –, um unseren An-
eil im Kampf gegen den Terrorismus zu leisten, und
war nicht nur aus Bündnisverpflichtungen, sondern
uch aus der Erkenntnis, dass sich dieser Terrorismus,
asierend auf einem neuen islamischen Totalitarismus,
icht nur gegen die Vereinigten Staaten von Amerika
nd ihre Menschen richtet, sondern auch gegen uns.
eswegen müssen wir hier gemeinsam dieser Gefahr
ntgegentreten und dort, wo es notwendig ist, diesem
errorismus auch mit bewaffneten Mitteln das Hand-
erk legen und seine Strukturen zerstören.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Für uns war aber auch immer klar, dass es damit nicht
ein Bewenden haben darf. Wenn wir den Kampf gegen
en Terrorismus ernst nehmen, müssen wir auch die Ur-
achen entsprechend bekämpfen und dort, wo er Kraft
us unhaltbaren Zuständen zieht und seine territoriale
ückzugsbasis findet, so lange stabilisierend eingreifen,
is solche Bedingungen hergestellt sind, dass die Wur-
eln des Terrorismus im Boden keinen Halt mehr finden
nd die vorhandenen entweder ausgerissen werden oder
ertrocknen.






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Der Afghanistan-Konflikt war lange Zeit ein verges-

sener Konflikt. Er war eine Sache für humanitäre Orga-
nisationen, für die Vereinten Nationen und für die Refe-
rate für humanitäre Hilfe in den zuständigen Ministerien,
stellte zugleich aber auch eine große menschliche Kata-
strophe vor allen Dingen für die Kinder, die Kranken
und die Alten im Winter, eines jeden Jahres dar. Dieser
Konflikt war ebenso vergessen, wie andere Konflikte
vergessen wurden. Exakt aus solch einem vergessenen
Konflikt entstand am 11. September eine Gefahr für die
internationale Stabilität und Ordnung. Daraus müssen
wir die Konsequenz ziehen, dass solche Konflikte nicht
mehr dem Vergessen anheim fallen dürfen. Genau daraus
ergibt sich der Stabilisierungsauftrag.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


In der heutigen Welt haben wir es mit drei Ebenen zu
tun: Auf der untersten Ebene der vergessenen Konflikte
stehen Staaten mit zusammengebrochenen Strukturen.
Auf der zweiten Ebene stehen die Konflikte, wo regio-
nale Akteure agieren: Der Nahostkonflikt ist dabei einer
der gefährlichsten, aber auch der Kaschmirkonflikt und
die Konflikte im nördlichen und südlichen Kaukasus und
an vielen anderen Stellen der Welt, insbesondere in
Afrika, zählen dazu.

Die oberste Ebene sind die großen Mächte und ihre
Bündnisse. Wir Europäer werden uns, wenn wir unsere
Sicherheit und die Sicherheit unserer Kinder ernst neh-
men, engagieren müssen, vor allen Dingen in unserem
strategischen Umfeld. Wir dürfen nicht einen neuen To-
talitarismus zulassen. Deswegen sind wir in Afghanis-
tan. In Afghanistan sein bedeutet, dass wir umsetzen
müssen, was Brahimi gelungen ist, nämlich einen Kon-
sens herbeizuführen und ihn in den Petersberg-Vereinba-
rungen entsprechend auszuformulieren.

Dazu wird auch gehören, dass wir jetzt über Kabul hi-
naus Anstrengungen unternehmen. Das heißt im Klar-
text, dass wir sehr sorgfältig prüfen, wie weit wir uns be-
teiligen können, nachdem die NATO dort die Führung
des ISAF-Einsatzes übernommen hat, wie weit wir uns
in dem vor uns liegenden Jahr, in dem es in Richtung
Wahlen geht – vorher gibt es noch die verfassungsge-
bende Loya Jirga –, über Kabul hinaus mit einer so
genannten ISAF-Insel oder mit einem Rekonstruktions-
team auf Provinzebene verstärkt engagieren können.

Kollege Schäuble, ich habe nicht ganz verstanden,
was ich gestern in der „FAZ“ gelesen habe. Sie sagten,
die Begründung für den Einsatz in Kunduz sei falsch.
Ich habe es zweimal gelesen und immer noch nicht ver-
standen. Das mag ja an mir liegen.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ein drittes Mal!)


Aber ich will Ihnen sagen, warum die Entscheidung für
Kunduz richtig ist. Sie haben gesagt: Herat und nicht
Kunduz. Da Sie gestern nicht im Ausschuss waren,
möchte ich hier die Gelegenheit nutzen.


(Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU]: Ich war in Paris! Grüße von Ihrem Kollegen!)



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(C (D Kein Vorwurf! Ich möchte Ihnen hier nur direkt antorten. – In Kunduz haben wir die Zustimmung des reionalen Machtinhabers, um es einmal so zu formulieren. n Herat sind die Bedingungen, was die Sicherheitslage etrifft, ebenfalls gegeben, aber es stellt sich die Frage, b wir dahin im Konsens gehen oder nicht. Das war letztndlich entscheidend in der Abwägung zwischen Kunduz nd Herat. So wichtig die NGOs sind: Es geht nicht hauptsäch ch darum, NGOs zu schützen. In erster Linie geht es m den politischen Prozess. Wir werden im nächsten ahr einen höheren mobilen Faktor bei ISAF brauchen, m die Wählerregistrierung und die Wahlvorbereitung ntsprechend umzusetzen. Aber auch das ist es nicht alin, sondern hinzu kommt die Ausdehnung des Instituonenbaus; ich nenne Polizeiaufbau, Ziviladministraon, Infrastruktur. In dem Zusammenhang spielen dann uch die NGOs eine ganz gewiss nicht unwesentliche olle. Das ist der Gesamtansatz. Es gibt zwei andere Alternativen: Entweder wir blei en nur auf Kabul begrenzt – das würde bedeuten, dass ir den Petersberg-Prozess an einem bestimmten Punkt bbrechen, das kann allen Ernstes niemand wollen – der aber wir brauchen einen Aufwuchs um 10 000 und ehr zusätzliche Soldaten, was ich schlicht und einfach nter praktischen Gesichtspunkten in der internationalen emeinschaft als nicht darstellbar und nicht machbar anehe. Wir müssen dann auch Acht geben, dass wir nicht ie Frage nach der Hilfe zur Selbsthilfe, nach der Hilfe ur Wiedergewinnung der Souveränität schließlich übergern durch etwas, was Besatzung heißt. Das sind die Entscheidungsalternativen, vor denen die undesregierung steht. Ich würde mich freuen, wenn wir ach einer intensiven Diskussion der noch offenen Fraen auf eine breite Unterstützung des Hauses zurückreifen könnten. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Lassen Sie mich zwei weitere Punkte ansprechen:
uf den Irak ist der Bundeskanzler heute Morgen schon
ingegangen. Ich möchte die Debatte nicht rückblickend
ühren, weil wir den Frieden gemeinsam gewinnen müs-
en. Nur nützt es nichts, jetzt wieder eine militärisch ver-
ürzte Debatte zu führen. Uns wurde offensichtlich – ich
age das in Richtung der Opposition – lange vorgehal-
en, für uns seien wesentlich wahltaktische Gründe aus-
chlaggebend gewesen. Ich habe Ihnen immer wieder
esagt: Es waren nicht wesentlich wahltaktische Gründe.


(Herbert Frankenhauser [CDU/CSU]: Doch Überwiegend!)


Ich will Ihnen einmal etwas sagen. Ich finde es völlig
egitim – das würde ich Ihnen nie vorwerfen –, dass de-
okratische Parteien selbstverständlich Wahltermine
nd die Frage nach Mehrheit oder nicht Mehrheit in
ahlen als ein ganz wesentliches Datum ihrer Politik
eranschlagen. Das geschieht nicht nur bei uns, das ge-
chieht, Gott sei Dank, auch bei Ihnen so. Das geschieht
icht nur hier so, das geschieht auch bei europäischen






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

und amerikanischen Partnerstaaten so. Das ist völlig
klar.


(Peter Altmaier [CDU/CSU]: Aber nicht, indem sie die Außenpolitik instrumentalisieren!)


– Was heißt hier „instrumentalisieren“?

(Zuruf von der CDU/CSU: Innenpolitisch in strumentalisieren!)

– Haben Sie sich einmal überlegt, wo wir heute wären,
wenn wir Ihrem Ratschluss gefolgt wären? Ich habe Ih-
nen schon im Februar letzten Jahres gesagt, welche
Punkte für uns die wesentlichen waren: erstens, Be-
kämpfung des Terrorismus. Wurden bei dieser Entschei-
dung im Kampf gegen den Terrorismus wirklich die
richtigen Prioritäten gesetzt? Würde ein Krieg im Irak zu
diesem Zeitpunkt den Terrorismus eher stärken oder
schwächen? Das war eine ganz entscheidende Frage, mit
der wir nicht irgendetwas instrumentalisieren wollten,
sondern die mehr als legitim war, wie wir jetzt sehen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Der zweite Punkt betraf die regionale Stabilität. Wie
sehen die Konsequenzen aus?

Die dritte Frage, die wir immer gestellt haben, lautete:
Sind die Gründe belastbar? In Demokratien sind die
Gründe ganz entscheidend für die Unterstützung durch
die Mehrheit der Bevölkerung, also für die Durchhalte-
fähigkeit, vor allem wenn es schwierig wird. Unsere
Sorge war immer, dass dies zu einer Entwicklung bei-
trägt, die die Region alles andere als stabilisiert. Bedeu-
tet es instrumentalisieren, wenn wir das immer wieder
gesagt haben? Oder waren das nicht, vor allem im Nach-
hinein im Lichte der bitteren Erfahrungen, zwingende
Gründe?


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich führe einen weiteren Punkt an, mit dem wir, wie
ich befürchte, ebenfalls zu tun bekommen werden, näm-
lich die Frage der territorialen Integrität des Iraks. Auch
das ist bezüglich der Konsequenzen für die regionale
Stabilität keine unwichtige Frage.

Auf diesen Gründen haben wir unsere Position aufge-
baut. Ich finde, das sind sehr gute und zwingende
Gründe.

Nun möchte ich nicht über die Haltung der Union
diesbezüglich diskutieren; es geht nicht darum, zurück-
zublicken. Aber Sie sollten zumindest für die Zukunft
aus diesen Erfahrungen lernen. Aus meiner Sicht wird es
entscheidend darauf ankommen, ob die Anwesenheit
fremder Truppen im Irak von der Bevölkerung eher als
Besatzung oder als Befreiung empfunden wird. Das ist
die politische Grundfrage.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Das heißt, es geht nicht hauptsächlich um die Frage,
ob weitere Truppen in den Irak geschickt werden sollten,

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(C (D nd erst recht nicht darum, ob das westliche oder deutche Truppen sein sollten. An erster Stelle steht die rage, ob die Strategie, die erwiesenermaßen eine Enticklung eingeleitet hat, die man nicht als gut bezeichen kann – um es diplomatisch zu formulieren –, nicht otwendigerweise geändert werden muss. Deswegen begrüßen wir die Initiative der amerika ischen Regierung in Form eines neuen Resolutionsntwurfes; denn das ist ein sehr gutes Element. Wir sind er Meinung, dass der möglichst schnelle Wiederaufau der irakischen Souveränität und Autorität an ersr Stelle stehen muss. Der Bundeskanzler hat heute orgen in seiner Rede darauf hingewiesen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


orher muss es einen Übergangszeitraum geben. Der di-
ekte Abzug der Truppen würde zu einem Vakuum füh-
en, das hochgefährlich wäre – milde ausgedrückt.
Wir sind der Meinung, dass die Vereinten Nationen
ährend dieses Übergangszeitraums – Kofi Annan hat
as gestern dankenswerterweise öffentlich gesagt – die
entrale Rolle spielen sollten. Das halte ich aufgrund der
Vordergrund stehenden Befreiung und der Transfor-
ation zu einer irakischen Souveränität für sehr wichtig.
arin besteht übrigens einer der zentralen Unterschiede
um Prozess in Afghanistan. Dort ist es gelungen, einen
onsens zu erreichen, der zwar fragil ist und enorme
chwierigkeiten birgt, aber immerhin existiert. Es gibt
inen politischen Prozess der Wiedererlangung der af-
hanischen Souveränität und das ist von ganz entschei-
ender Bedeutung.
Ich halte es ferner für dringend geboten, die modera-
n arabischen und islamischen Staaten einzubeziehen,
owohl in der Frage des Wiederaufbaus als auch in der
rage der Sicherheit.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Des Weiteren sind wir bereit zur aktiven Beteiligung
n der humanitären Hilfe, wie es der Bundeskanzler
esagt hat, und zum Wiederaufbau. Wir sind bereit, uns
u engagieren, wenn die Bedingungen klar sind. Dabei
üssen allerdings Transparenz und internationale Kon-
olle herrschen. Das ist für uns ein wesentlicher Ge-
ichtspunkt.


(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)


Ich sehe mit großer Sorge, dass gleichzeitig im Na-
en Osten eine dramatische Eskalation droht. Der Ter-
or muss ein Ende haben. Das Existenzrecht Israels ist
ür uns als Bundesregierung von entscheidender Bedeu-
ng.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


eine Menschen müssen in Frieden leben können. Damit
as möglich wird, werden auch die Palästinenser eine






(A) )



(B) )


Bundesminister Joseph Fischer

Perspektive brauchen. Sie brauchen einen eigenen de-
mokratischen Staat, eine eigene Zukunft.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen wird es am Ende nicht anders gehen als mit
einem solchen Kompromiss. Ich möchte daher an die
Konfliktparteien appellieren, vor allem an die palästi-
nensische Seite, alles zu tun, um den Terror zu unterbin-
den, ihn zu beenden. Gleichzeitig appelliere ich auch an
die andere Seite, alles zu tun, um eine Rückkehr zum
Verhandlungstisch zu ermöglichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Gerade diese Krisen machen klar, wie wichtig die
transatlantischen Beziehungen sind.


(Zuruf des Abg. Dr. Wolfgang Schäuble [CDU/CSU])


– Ich will es Ihnen gerne sagen. Wenn wir Ihrem Rat ge-
folgt wären, dann würden wir uns heute in einer Situa-
tion befinden, in der andere Staats- und Regierungschefs
sind. Ich wollte diese Debatte nicht anfangen. Aber ich
habe die Zitate alle da, auch von Ihnen, Verehrter. Ich
habe alle Zitate zu dem da, was Sie vorgeschlagen ha-
ben. Ich bin einmal gespannt, was Sie dazu sagen. Ich
kann nur sagen: Es würde Ihnen gut anstehen, sich an
dem Punkt etwas zurückzuhalten.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Friedbert Pflüger [CDU/ CSU]: Was soll denn das?)


– Das will ich Ihnen sagen. Herr Pflüger, ich werde Ihren
Auftritt in München nicht vergessen. Das sollte man sich
noch einmal anschauen.


(Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Dito!)

Offensichtlich drängen Sie das alles weg.

Für mich ist von entscheidender Bedeutung: Die
transatlantischen Beziehungen sind ein Eckpfeiler für
Frieden und Stabilität. Das heißt, dass wir uns als Partner
begegnen müssen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das heißt aber auch, dass wir den neuen Bedingungen,
den neuen Herausforderungen und den neuen Gefahren
Rechnung tragen müssen. Für unsere Freunde in den
Vereinigten Staaten heißt das: Ein zusammenwachsen-
des Europa löst einerseits Sorgen aus, bringt aber, wie
wir auf dem Balkan gesehen haben, auch Partnerschafts-
gewinn mit sich. Mit diesem dynamischen Faktor
müssen wir umgehen. Daher brauchen wir eine neue
strategische Debatte, eine Grundsatzdebatte im trans-
atlantischen Verhältnis.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn dies partnerschaftlich und auf der Grundlage ge-
meinsamer Interessen und gemeinsamer Werte geschieht,
dann, denke ich, werden wir einen wichtigen Beitrag zu
einem effektiven Multilateralismus leisten, einem Multi-

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(C (D teralismus, dem sich die Bundesregierung verpflichtet eiß, eingebunden in das zusammenwachsende Europa nd eingebunden in das transatlantische Bündnis. Ich danke Ihnen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505904000

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang

chäuble.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505904100

Frau Präsidentin! Meine Kolleginnen und Kollegen!

rklärungen von Außenministern haben es gelegentlich
n sich, dass sie so allgemein und rundgeschliffen sind,
ass sie noch nicht einmal falsch sind. Das war jetzt in
eiten Teilen auch so, Herr Bundesaußenminister. Aber
as, was Sie zum Schluss zum transatlantischen Verhält-
is gesagt haben, hat die Union ziemlich genau so schon
or einem Jahr gesagt.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ie haben damals aus Wahlkampfgründen das transatlan-
ische Verhältnis und die europäische Einigung mutwil-
ig und nachhaltig beschädigt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joseph Fischer, Bundesminister: Unglaublich! – Gegenruf des Abg. Jörg van Essen [FDP]: Zurufe von der Regierungsbank sind nicht zulässig!)


Darüber hinaus ist das, was Sie gesagt haben, in sei-
er Allgemeinheit mit den konkreten Widersprüchen der
olitik der Bundesregierung schwer in Übereinstim-
ung zu bringen, was man übrigens schon an Folgen-
em merkt – das nur als Beispiel aus der Debatte von
eute Morgen –: Zu ein und demselben Gespräch, abge-
ruckt in einer großen deutschen Tageszeitung, für das
ich der Bundeskanzler heute Morgen gelobt hat, haben
ie jetzt gesagt, Sie hätten es nicht verstanden. Können
ie sich nicht wenigstens darauf verständigen, wie Sie
ie wenigen Sätze, die da von mir zitiert waren, interpre-
ieren? Das ist aber nicht so wichtig.
Frau Merkel hat in der Debatte heute Vormittag dem
undeskanzler und der Bundesregierung vorgeworfen,
ie Politik der Bundesregierung ermangele eines klaren
iels und einer klaren Grundausrichtung. Das ist auch in
er praktischen Ausgestaltung Ihrer Außen-, Sicher-
eits- und Europapolitik der Fall.
Ich will das am Beispiel Afghanistan erläutern. Sie

aben gesagt, Sie hätten unsere Haltung nicht verstan-
en. Unsere Position ist völlig klar. Wir teilen die Ein-
chätzung, dass es nicht nur unsere amerikanischen Part-
er, sondern uns alle betrifft – auch der Bundeskanzler
nd Sie haben das heute glücklicherweise gesagt –,
enn es in Afghanistan oder im Irak schief geht. Wir sit-
en in einem Boot; wir sind in dieser globalisierten Welt
ine Schicksalsgemeinschaft im Kampf gegen den inter-






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Schäuble

nationalen Terrorismus und gegen Instabilitäten. Die
Entwicklung in Afghanistan, im Irak und im Nahen und
Mittleren Osten berührt nicht nur amerikanische Interes-
sen, sondern auch unsere. Deswegen haben wir ein ge-
meinsames Interesse, dass das Engagement in diesen
Regionen erfolgreich ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Entwicklung in Afghanistan ist so, wie Sie sie be-

schrieben haben. Wir haben folgende Alternative – der
Verteidigungsminister hat es vor einiger Zeit gesagt –:
Entweder wir erweitern unser Engagement über Kabul
hinaus und schaffen auch an anderen Orten Stabilität
oder wir beschränken uns ausschließlich auf Kabul.
Aber das macht auf Dauer gesehen keinen Sinn, weil
von einer „Insel“ keine positive Entwicklung ausgehen
kann.

Herr Bundesaußenminister, Sie haben noch nicht er-
klärt – auch heute nicht –, was sich eigentlich geändert
hat. Ich erinnere mich genau, dass der deutsche Außen-
minister anlässlich der Petersberg-II-Konferenz im De-
zember vergangenen Jahres erklärt hat, eine Ausweitung
von ISAF über Kabul hinaus komme nicht infrage.


(Joseph Fischer, Bundesminister: Das habe ich gestern im Ausschuss erklärt!)


– Ich war gestern in Paris, wo ich mit Ihrem französi-
schen Kollegen gesprochen habe. Die deutsche Bot-
schaft war auch vertreten. Sie werden sicherlich ihren
Bericht bekommen. Fragen Sie doch einmal Ihren fran-
zösischen Kollegen, was er von Ihrer Politik in Afgha-
nistan hält. Ich darf Ihnen sagen – ich sage es ganz vor-
sichtig; ich komme gleich noch darauf zurück –:
ziemlich wenig. Das wird auch in dem Bericht der Bot-
schaft über dieses Gespräch stehen.

Ich möchte Ihnen nun die Widersprüche aufzeigen.
Sie müssen sagen, was sich in der Zwischenzeit geändert
hat. Geändert hat sich die Einschätzung – wahrschein-
lich richtigerweise –, was das Verhältnis der Zentralre-
gierung in Kabul, der Übergangsregierung Karzai, zu
den regionalen Machthabern betrifft. Sie wollen sich vor
der Antwort auf die Frage drücken, wie sich Ihre Ein-
schätzung geändert hat. Sie stoßen dann nämlich schnell
auf Fragen bezüglich des Drogenanbaus und auf die
Frage, wie das Verhältnis dieser regionalen Machthaber
zum internationalen Terrorismus ist.


(Jörg van Essen [FDP]: Sehr richtig!)

Warum müssen wir eigentlich ausgerechnet in derje-

nigen Provinz, in der der starke Mann im Kabinett
Karzai das Sagen hat – er unterhält eine Privatarmee in
einem beträchtlichen Umfang –, die Autorität der Regie-
rung Karzai stärken? Das sind Widersprüche, die Sie uns
erklären müssen. Sie müssen das nicht nur uns – der
Bundestag muss diesem Einsatz zustimmen –, sondern
auch den Soldaten der Bundeswehr erklären, denen wir
gemeinsam diese gefährlichen Einsätze zumuten. Das ist
doch der Punkt.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)


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(C (D Ich sage noch einmal, um sicherzustellen, dass wir icht aneinander vorbeireden: Wir teilen die Einschätung, dass die Bemühungen in Afghanistan nicht scheiern dürfen, dass ein Rückzug eine Katastrophe für uns lle wäre und dass man deswegen das Engagement nicht llein auf Kabul beschränken darf. Aber wir sind der einung, dass die Begründung stimmiger sein muss, dait wir die Verantwortung übernehmen können, wenn ir den Soldaten der Bundeswehr diese gefährlichen insätze zumuten. Ich will noch ein Weiteres sagen. Sie haben vor der ommerpause die Zustimmung der Fraktionsführungen u einer Fact Finding Mission in Herat erbeten. Wir aben sie erteilt. Aber wir haben bis heute keinen Beicht über das Ergebnis dieser Fact Finding Mission in erat bekommen. Sie müssen sich Folgendes schon voralten lassen: Wenn Sie so ausführlich über das Ergebnis er Mission in Kunduz berichten, aber kein Wort über as Ergebnis der Mission in Herat verlieren, dann müsen wir den Verdacht hegen, dass irgendetwas an Ihrer egründung nicht stimmt. (Dr. Ludger Volmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wärtigen Ausschuss diskutiert! Das war doch
alles völlig eindeutig! – Gegenruf von der
CDU/CSU: Wie soll man das denn machen?
Wir waren doch im Plenum des Bundestages!
Haben Sie das nicht kapiert?)

Sie legen doch die Unterlagen nicht vor. Sie haben
ns noch nicht einmal den Bericht des zuständigen Bun-
eswehrgenerals vorgelegt. Ich habe ihn trotz Anforde-
ung vom Verteidigungsministerium nicht bekommen.
ie haben mehr zu verbergen, als Sie offenbaren wollen.
enn wir diese Entscheidung treffen wollen, brauchen
ir Klarheit. Das Konzept muss stimmig sein. Reden Sie
icht an der Sache vorbei!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir stimmen darin überein, dass sich deutsche
ußenpolitik im Wesentlichen im europäischen Verbund
ollziehen muss. Für die europäische Außen- und
icherheitspolitik ist die Beziehung zu unserem atlanti-
chen Partner der entscheidende Punkt. Wir müssen uns
esser verständigen, als es im vergangenen Jahr der Fall
ewesen ist. Die atlantische Partnerschaft wurde mutwil-
ig beschädigt. Die Fehler sind auf beiden Seiten und
icht nur auf einer Seite gemacht worden. Das haben wir
mmer gesagt.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505904200

Herr Kollege Schäuble, gestatten Sie eine Zwischen-

rage des Abgeordneten Struck?


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505904300

Bitte sehr.


Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1505904400

Herr Kollege Schäuble, Sie haben gerade ange-

prochen, die Bundesregierung habe nicht über die






(A) )



(B) )


Dr. Peter Struck

Ergebnisse des Fact Finding Teams in Bezug auf Herat,
Charikar und zuletzt Kunduz berichtet.


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505904500

Über Kunduz schon.

Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1505904600

Gut, dann eben nur über die ersten beiden Orte nicht.
Darf ich Sie darauf aufmerksam machen, Herr Kol-

lege Schäuble, dass die Bundesregierung über beide
Missionen, also über die in Bezug auf Herat und die in
Bezug auf Charikar, berichtet hat, und zwar der Außen-
minister im Auswärtigen Ausschuss und ich den Obleu-
ten des Verteidigungsausschusses – in Sondersitzun-
gen –, und dass wir in dem Afghanistanpapier, das wir
den Fraktionen zugeleitet haben, die Gesamtsituation in
dieser Region dargestellt haben?

Herr Kollege Schäuble, ich möchte Sie bitten, den
Vorwurf, wir hätten nicht ausführlich informiert, im Hin-
blick auf die Informationen, die wir in den Fachaus-
schüssen gegeben haben, zurückzunehmen.


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505904700

Wenn das gestern gewesen ist, so entzieht sich das

meiner Kenntnis.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Gestern, aber auch in Sitzungen vor der Sommerpause, Herr Kollege Schäuble!)


– Vor der Sommerpause konnten Sie nicht über das Er-
gebnis der Herat-Mission berichten. Die hat nämlich erst
im Sommer stattgefunden.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Sehr richtig! Das stimmt!)


Verdrehen Sie die Dinge nicht!
In der Unterrichtung, die die Bundesregierung den

Vorsitzenden der Fraktionen gegeben hat und an der
Frau Merkel und Herr Glos für unsere Fraktion teilge-
nommen haben, ist nicht über Herat, sondern nur über
Kunduz berichtet worden.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Nein, das stimmt nicht!)


Sie können äußerstenfalls sagen, Sie hätten gestern darü-
ber unterrichtet. Ich bin heute Morgen aus Paris zurück-
gekommen und weiß nicht, was gestern gewesen ist. Da
war ich nicht anwesend.

Mein Kenntnisstand ist: In der Unterrichtung der
Fraktionsvorsitzenden über Kunduz haben Sie nicht über
Herat berichtet. Ich vermute, Sie haben dafür Gründe.
Denn es war bemerkenswert, dass an dem Tag, an dem
Sie gesagt haben, die Mission in Kunduz könne man
durchführen, weil es dort hinreichend sicher sei, sodass
man diese Mission den Soldaten der Bundeswehr zumu-
ten könne, während man die Bundeswehr nicht nach He-
rat schicken könne, die Entwicklungshilfeministerin hat
streuen lassen, nach Herat könne man eine zivile Mis-
sion ohne militärische Absicherung schicken. Das mag

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(C (D war Sinn machen; aber man sollte begründen, warum as eine zu unsicher ist, um die Bundeswehr dort hinzuchicken, und warum man die Bundeswehr an den andeen Ort schickt. Ihre bisherige Begründung macht keinen inn. Ich wollte damit sagen: Wir wollen gemeinsam unse en Beitrag dazu leisten, Afghanistan zu stabilisieren. abei sollten die Dinge nicht vermischt werden. Sie ollten genauere und stimmigere Begründungen liefern. iese fehlen uns und sollten nachgereicht werden. Herr Kollege Schäuble, gestatten Sie noch eine Zwi chenfrage des Abgeordneten Nolting? Ich wollte eigentlich noch etwas zu Herrn Struck sa en. Entschuldigung, ich habe Ihre letzten Sätze als Ende hrer Antwort auf die Frage des Herrn Struck empfunen. Ich habe die Redezeit bisher gestoppt. Sie können eiter auf Herrn Struck eingehen. Ich werde gleich noch etwas dazu sagen. – Herr olting. Herr Kollege Schäuble, teilen Sie mein Unverständnis arüber, dass es Bundesminister Struck gestern abgeehnt hat, den Bericht des Generals Riechmann an das arlament weiterzuleiten, mit dem Hinweis, dies sei ein ericht für die Regierung? Das hatte ich soeben angesprochen. Dieses Unver tändnis teile ich ausdrücklich; ich rüge es. Denn die undesregierung kann so nicht mit dem Parlament umehen, da wir als Parlament als Ganzes die Verantworung für gefährliche Einsätze der Bundeswehr tragen üssen. Herr Bundesverteidigungsminister, ich habe gerade on meinem Kollegen Friedbert Pflüger eine Agentureldung gereicht bekommen – dies ist eine Meldung der Financial Times“ –, in der ich lese, dass Sie beabsichigen, schon in den nächsten Tagen ohne ein Mandat des undestages ein Organisationsvorauskommando nach unduz zu entsenden. (Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben wir doch völlig einvernehmlich im Ausschuss besprochen! Pflüger hat geschlafen! – Gernot Erler [SPD]: Sie können uns doch nicht dafür haftbar machen, dass Sie nicht da sein konnten! Das geht jetzt zu weit, Dr. Wolfgang Schäuble Herr Schäuble! – Uta Zapf [SPD]: Es haben alle zugestimmt! Es ist doch verlogen, was Sie jetzt machen!)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505904800
Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505904900
Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505905000
Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505905100
Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1505905200
Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505905300

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)





(A) )


(B) )


– Machen Sie doch hier kein Ablenkungsmanöver!

(Uta Zapf [SPD]: Alle haben genickt und haben zugestimmt! Es hat nicht einer etwas dagegen gesagt!)


Frau Präsidentin, ich würde jetzt gerne die Agentur-
meldung vom 10. September vorlesen:


(Gernot Erler [SPD]: Wir brauchen keine Agenturmeldungen! Wir waren dabei!)


Für die Entsendung eines Organisationsvorauskom-
mandos unter einem noch weitgehend auf Kabul
beschränkten Bundestagsmandat wolle der Minister
in den nächsten Tagen

– also nicht gestern –
alle Fraktionschefs um Zustimmung bitten, schreibt
das Blatt. Mit dem Marschbefehl für ein Voraus-
kommando ohne Abstimmung im Bundestags-
plenum definiere Struck die bisherige Parlaments-
praxis im Interesse einer raschen Ausweitung des
Afghanistan-Einsatzes um.

Ich sage Ihnen: Ich glaube nicht, dass Sie die Zustim-
mung der CDU/CSU-Fraktion bekommen werden.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Unglaublich! – Zurufe von der SPD: Warum nicht?)


– Weil Sie damit vollendete Tatsachen schaffen. – Zuerst
müssen die Fragen geklärt werden, dann können wir
über den Einsatz in Kunduz entscheiden. Das kann
schnell geschehen, aber zuerst müssen Sie unsere Fragen
beantworten. Sie sollten nicht durch die Hintertür die
Zustimmung des Parlaments unterlaufen.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505905400

Herr Kollege Schäuble, gestatten Sie noch eine Zwi-

schenfrage des Abgeordneten Struck?

Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505905500

Bitte.

Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1505905600

Herr Kollege Schäuble, manche Ihrer Äußerungen

kann ich mir nur dadurch erklären, dass Sie an Sitzun-
gen, in denen die Bundesregierung informiert, nicht teil-
nehmen.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will aber keine Schärfe in die Debatte bringen; denn
ich glaube, wir sind uns in der Zielrichtung einig.

Ich habe gestern im Auswärtigen Ausschuss in einer
Sondersitzung, an der Sie wegen Ihrer Paris-Reise nicht
teilnehmen konnten, und am Morgen den Obleuten des
Verteidigungsausschusses Folgendes erläutert: Das

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(C (D SAF-Mandat erlaubt auch eine Bewegung deutscher oldaten außerhalb Kabuls, wenn es darum geht, Abtimmungsgespräche zu führen. Ich werde Ihnen das achher in der Verteidigungsdebatte ausführlich erläuern können. Im Übrigen bin ich nicht für Agenturmelungen verantwortlich. Ich habe übrigens veranlasst, dass auch Ihr Büro ei en Brief, den ich an die Fraktionsvorsitzenden gechrieben habe – das haben wir gestern im Auswärtigen usschuss verabredet –, erhält. In diesem Brief inforiere ich über das Vorhaben der Bundesregierung und ege dar, dass wir, wenn unsere Zielrichtung eingehalten erden soll, noch vor Eintritt des Winters in Afghanistan ine Art Vorauskommando installieren müssen, das daür sorgen soll, dass im März das Wiederaufbauteam in oller Funktion tätig werden kann. Jetzt sollen ganz praktische Fragen geklärt werden: önnen wir das Gehöft der Amerikaner in Kunduz überehmen? Was ist mit dem Flugplatz in Kunduz? Wie ieht die Zusammenarbeit mit den Amerikanern in Baram und mit der NATO in Kabul aus? Darüber hinaus üssen viele andere Dinge geklärt werden. Die Mitglieder des Auswärtigen Ausschusses werden estätigen, dass ich das ausführlich dargelegt habe. (Dr. Friedbert Pflüger [CDU/CSU]: Sie haben kein Wort dazu gesagt!)

arüber gab es keinen Beschluss und ich habe auch kei-
en erbeten. Mein Eindruck war aber – diesem kann
urchaus widersprochen werden; wir diskutieren ja
achher über den Verteidigungshaushalt –, dass unab-
ängig davon, ob der Bundestag – wir vermuten, im Ok-
ober – zustimmen wird oder nicht, geklärt werden muss,
nter welchen Bedingungen – sie beziehen sich auf die
ortigen Verhältnisse und auf die Kosten, die auf uns zu-
ommen werden – wir vor Ort sein können. Unter Be-
ücksichtigung dessen ist die Maßnahme, die ich ange-
rdnet habe, sinnvoll.
Ich bitte Sie also, Ihren Vorwurf, ich wolle das Parla-
ent umgehen, zurückzunehmen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505905700

Auch ich will keine Schärfe in die Debatte bringen.
enn es darum geht, Fragen zu klären, die die Entschei-
ung ermöglichen, dann ist das in Ordnung. Allerdings
ragt man sich, was die Fact Finding Mission getan hat,
enn jetzt schon wieder erkundet werden soll.


(Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist etwas anderes!)

as ist eine zweite Frage. Wir werden das klären, aber
as ist nicht der entscheidende Punkt.
Wir alle, unsere Fraktionsvorsitzende, der Kollege

flüger, ich und andere, haben gesagt: Wir sind im
rundsatz der Meinung, dass wir unseren Beitrag, so-
eit er verantwortbar ist, leisten müssen, um über Kabul
inaus Stabilität zu schaffen. Wir glauben aber, es muss






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Schäuble

eine in sich stimmige und gegenüber den Soldaten be-
gründbare Politik sein.

Ich wünsche mir, Herr Bundesaußenminister, dass ich
auch in dieser Frage in der Realität etwas mehr von ge-
meinsamer europäischer Politik sehe. Davon ist in Be-
zug auf Afghanistan überhaupt nichts zu sehen. Deswe-
gen sind die schönen Reden, dass das alles gemeinsames
europäisches Vorgehen ist, nicht mit der Praxis in Über-
einstimmung zu bringen. Das ist einer der Punkte, die
wir kritisieren müssen.

Eine gemeinsame Haltung der Europäer in den
zentralen Fragen von Außen- und Sicherheitspolitik ist
genau das, was im vergangenen Jahr gefehlt hat, was
mutwillig zerstört worden ist. Wenn dies jetzt von allen
Seiten, so gut es geht, repariert wird, ist das richtig; wir
begrüßen das. Wir unterstützen es auch, wenn sich der
deutsche Bundeskanzler möglichst bald mit dem ameri-
kanischen Präsidenten trifft. Das ist gut und richtig. Es
ist schlimm, dass daraus überhaupt ein Ereignis werden
musste. Das zeigt, wie falsch diese Politik gewesen ist.
Wir möchten allerdings den Verdacht widerlegt haben,
dass die Außenpolitik der Bundesregierung im Augen-
blick nur darin besteht, einen Termin für ein solches
Treffen zustande zu bringen. Das ist zu wenig, um Sol-
daten einzusetzen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Claudia Roth [Augsburg] [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unter Niveau!)


Herr Bundesaußenminister, Sie haben viele Zitate ge-
bracht. Ich will Ihnen etwas zu unserer Position sagen.
Ich habe hier einmal gesagt, dass man mit guten Grün-
den unterschiedlicher Meinung sein kann. Das gilt auch
für die Frage, ob die Politik der amerikanischen Regie-
rung und des amerikanischen Präsidenten richtig oder
falsch ist. Wir haben es aber mit der Politik der deut-
schen Regierung zu tun. Für die Politik der deutschen
Regierung in diesem Zeitraum fehlen mir noch immer
die Argumente. Es geht nicht um die Frage, ob die Poli-
tik der amerikanischen Administration richtig oder
falsch war, sondern um die Frage, ob die Politik der
Bundesregierung geeignet war, um die Rolle der Verein-
ten Nationen zu stärken. Durch das Vorgehen des deut-
schen Bundeskanzlers, der gesagt hat, was immer die Ver-
einten Nationen beschließen, wir werden uns nicht
beteiligen, wurden die Vereinten Nationen nicht gestärkt,
sondern geschwächt. Das war unser Vorwurf.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben Sie immer ermahnt, keine Popanze aufzu-

bauen. Die Politik der CDU/CSU war, dass für die Ent-
scheidung, notfalls auch militärische Mittel einzusetzen,
ein UNO-Mandat Voraussetzung ist. Dabei hatten wir
immer die Hoffnung, dass eine klare und geschlossene
Haltung des Westens und der Vereinten Nationen den
Einsatz militärischer Mittel entbehrlich machen würde.
So ist es leider nicht gekommen. Dazu hat die Spaltung
des Westens einen entscheidenden Beitrag geleistet.

Herr Bundesaußenminister, ich stimme mit Ihnen
überein, wenn Sie sagen, die Rolle der Vereinten Natio-
nen müsse gestärkt werden. Darin sind wir uns völlig ei-

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(C (D ig. Es muss uns aber auch darum gehen, unseren wichigsten und verlässlichsten Partner in der ganzen achkriegsgeschichte, die Vereinigten Staaten von merika, in dem Sinne zu beeinflussen, dass er sich tärker multilateralen Entscheidungen anvertraut und eine – ich glaube, das ist in seinem Interesse – falsche uflucht in unilateralen Entscheidungen sucht. Dazu uss man den Amerikanern das Gefühl verlässlicher artnerschaft vermitteln. er das nicht tut, der stärkt in Washington keine multila eralen Tendenzen, sondern erreicht das Gegenteil. (Uta Zapf [SPD]: Das ist schon eine gewagte Figur! – Lothar Mark [SPD]: Glauben Sie eigentlich selbst, was Sie sagen?)


(Uta Zapf [SPD]: So ein Schwachsinn!)


as war ein Fehler der Politik der Bundesregierung.
Wir müssen ein starkes Europa bilden und so zu ei-

em stärkeren europäischen Partner werden. Wenn der
uropäische Partner stärker wird, wird die Bereitschaft
n den Vereinigten Staaten von Amerika größer werden,
u gemeinsamen Entscheidungen zu kommen, anstatt
nilateral Entscheidungen zu treffen, die am Ende nicht
m Interesse der Vereinigten Staaten von Amerika, von
uropa, des Westens und der Welt insgesamt sind. Aber
azu brauchen wir ein einiges Europa, müssen einen hö-
eren Beitrag leisten und müssen verlässliche Partner
ein.
Es gibt eine Chance. Ich habe in Paris mit großer Be-

riedigung gehört, dass Sie beabsichtigen, im Rahmen
er bilateralen Gespräche zwischen Frankreich und
eutschland mit Großbritannien über eine Stärkung der
usammenarbeit in der Europäischen Sicherheits-
nd Verteidigungspolitik zu sprechen. Das ist meiner
einung nach der richtige Weg, Großbritannien stärker
inzubeziehen. Ich glaube, dass die britische Regierung
uch vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Irakkrie-
es gut beraten ist, eine Mahnung des früheren britischen
ußenministers Douglas Hurd – heute ist er Lord – zu
eherzigen, der gesagt hat, Großbritannien werde die at-
antischen Bindungen besser dadurch stärken, dass es ei-
en größeren Beitrag zu einer gemeinsamen europäi-
chen Politik leiste. Alleine ist auch Großbritannien nicht
tark genug, um in Washington einen ausreichend großen
influss auszuüben. Ein gemeinsames Europa ist dazu in
er Lage. Das muss Ziel der Politik sein.
Wir müssen uns in Europa aber darüber verständigen,

ass dieses Europa nicht eine Alternative zur atlanti-
chen Partnerschaft ist, sondern ein wesentlicher Pfeiler
ur Verstärkung, Vertiefung und Verstetigung der atlanti-
chen Partnerschaft. Das ist der entscheidende Punkt.
enn das klar ist, dann werden wir auch weiter voran-
ommen.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will einen weiteren Punkt anfügen. Es ist im Ver-

ältnis zu unseren künftigen Mitgliedern in der Europäi-
chen Union, zu unseren Nachbarn im Osten und ins-
esondere zu Polen viel überflüssiges Porzellan






(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Schäuble

zerschlagen worden. Ich will auf die verschüttete Milch
nicht wieder zu sprechen kommen; es ist passiert.


(Uta Zapf [SPD]: O je!)

– Diese Kritik müssen Sie sich schon gefallen lassen. Es
sind schwerwiegende Fehler passiert. Ich könnte jetzt so
diplomatisch sein wie der Außenminister und sagen, wer
welchen Anteil daran hat. Es war jedenfalls falsch, dass
der Eindruck entstanden ist, es bestehe eine Achse Ber-
lin-Paris-Moskau.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es war falsch, dass unsere polnischen Nachbarn eine
Zeit lang das Gefühl hatten, sie müssten sich dafür ent-
schuldigen, dass sie als künftiges Mitglied der Europäi-
schen Union gute Beziehungen zu Amerika haben. At-
lantische Partnerschaft und europäische Einigung sind
keine Gegensätze, sondern sind zwei Seiten derselben
Medaille. Sie bedingen sich gegenseitig. Das eine funk-
tioniert nicht ohne das andere.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Lothar Mark [SPD]: Das muss man auch in den USA sagen!)


– Richtig, aber wir sind nicht der amerikanische Kon-
gress, sondern der Deutsche Bundestag. Deswegen dis-
kutieren wir über die Politik der Bundesregierung.

Ich möchte Ihnen gern einen Vorschlag machen, Herr
Bundesaußenminister. Wir haben das Weimarer Dreieck,
das wir nach dem Fall der Mauer und des eisernen Vor-
hangs in der Überlegung begonnen haben, dass es nicht
nur bilaterale Beziehungen geben sollte und dass wir un-
seren wichtigen polnischen Nachbarn in die privilegierte
deutsch-französische Zusammenarbeit einbeziehen müs-
sen, weil das im Interesse aller in Europa ist. Sollten wir
nicht die Chance einer stärkeren Beteiligung Großbritan-
niens nutzen, um vorzuschlagen, das Weimarer Dreieck
zu einem Viereck zu machen und Großbritannien einzu-
beziehen? Ich glaube, manches würde einfacher und
wäre gegen Missverständnisse eher gefeit, wenn aus
dem Weimarer Dreieck ein Viereck unter Einbeziehung
von Großbritannien würde. London, Paris, Warschau
und Berlin könnten zusammen ein wichtige Rolle spie-
len und auch dazu beitragen, die Erweiterung, Stärkung
und Stabilisierung einer gemeinsamen europäischen Au-
ßen- und Sicherheitspolitik voranzubringen. Ich würde
das in diesem Zusammenhang gern anregen.

Zum Thema Irak will ich noch sagen: Ich begrüße,
dass der Bundeskanzler heute in der Tonlage anderes
geredet hat als in den zurückliegenden Wochen. Wir
stimmen ja darin überein, dass wir eine stärkere Rolle
der Vereinten Nationen brauchen. Ich habe vor dem
Krieg im Irak gesagt: Die Amerikaner werden vielleicht
den Krieg alleine gewinnen können, aber den Frieden
nicht.


(Uta Zapf [SPD]: So ist es!)

Ich fürchte, dass sich das bestätigt. Wenn sie scheitern,
ist es aber auch unser Scheitern. Deswegen haben wir
das gemeinsame Interesse, dass dies nicht eintritt. Wenn

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(C (D em aber so ist, dürfen wir den Amerikanern nicht die otwendige Partnerschaft verweigern. (Uta Zapf [SPD]: Das ist doch Unsinn, was Sie reden!)


Entschuldigung, vor einem Jahr hieß es: Was auch im-
er die Vereinten Nationen beschließen, wir werden uns
icht beteiligen. Dieses Jahr klang es noch eine ganze
eile so. Heute Morgen klang es ein bisschen besser;
as habe ich ausdrücklich begrüßt.


(Uta Zapf [SPD]: Das ist nett! Auf einmal!)

ch will Sie ermuntern, auf genau diesem Weg weiterzu-
ehen, weil es uns allen nützt und weil wir gar kein Inte-
esse daran haben, künstliche Gräben auszuheben. Wir
ollen vielmehr vorankommen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD])


Ich will noch eine Bemerkung machen: Wir sind hier
einer Haushaltsdebatte und irgendwo müssen sich die
ehren Grundsätze auch in Zahlen ausdrücken; sonst ist
lles nur schöngeredet, aber in der Wirklichkeit stimmt
s nicht. Das ist ein Problem, das wir bei der Bundesre-
ierung öfter feststellen. Im Zusammenhang mit dem
rüsseler „Pralinengipfel“, von dem wir noch immer
inden, dass er nicht die richtige Form verstärkter Zu-
ammenarbeit war, weil er das Missverständnis der Ex-
lusivität zunächst nicht vermeiden konnte, hat damals
ogar der deutsche Bundeskanzler davon gesprochen,
ass es notwendig sei, die Mittel für Verteidigungs- und
icherheitspolitik im Bundeshaushalt zu erhöhen. Wenn
h in den Haushaltsentwurf hineinschaue – was auch
mer der für eine reale Grundlage hat; darüber ist

chon viel gesagt worden –,

(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Keine!)


telle ich fest: Nichts davon ist im Haushaltsentwurf zu
inden.
Ich habe schon gelegentlich darauf aufmerksam ge-
acht – das Problem ist nicht in Ihrer Regierungszeit
ntstanden, sondern ist ein generelles Problem der Bun-
esrepublik Deutschland und damit von uns allen –, dass
ie Haushalte von Auswärtigem Amt, Verteidigungsmi-
isterium und Entwicklungszusammenarbeit zusammen-
efasst 1990 noch einen Anteil von über 20 Prozent am
undeshaushalt hatten. Im Jahre 2002 war der Anteil
ieser drei Haushalte auf unter 12 Prozent am Bundes-
aushalt zurückgegangen. Ich habe mir jetzt die aktuel-
en Zahlen angeschaut: Von 2003 auf 2004 steigt das Vo-
men des Bundeshaushaltes um rund 3 Milliarden Euro,
ie Ausgaben für Auswärtiges, Verteidigung und
ntwicklungszusammenarbeit zusammengenommen
inken aber um 463 Millionen Euro. Das heißt, auch im
ommenden Jahr geht der relative Anteil unserer Ausga-
en in der Bundespolitik für die äußeren Interessen und
ür die äußere Verantwortung der Bundesrepublik
eutschland weiter signifikant zurück. Das ist der fal-
che Weg.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo er Recht hat, hat er Recht!)







(A) )



(B) )


Dr. Wolfgang Schäuble

Ich bin ganz davon überzeugt: Wenn wir es nicht

schaffen, unserer Bevölkerung wieder und wieder die
Überzeugung zu vermitteln – das ist die Aufgabe politi-
scher Führung –, dass die Wahrnehmung außenpoliti-
scher Interessen, die Wahrnehmung unserer Verantwor-
tung in dieser enger zusammenrückenden Welt eine
prioritäre staatliche Aufgabe ist, eine Aufgabe, deren
Priorität auch im Haushalt erkennbar sein muss, dann
werden wir die Tendenzen in unserer Gesellschaft, de-
nen wir alle unterliegen, dass wir weniger wettbewerbs-
fähig und zukunftsfähig sind, eher stärken. Eine Gesell-
schaft, die der Versuchung zur Introvertiertheit nachgibt
und sagt: „Wir haben viele große Probleme, sodass wir
uns um andere nicht kümmern können“, wird im Zweifel
nur ihre Besitzstände verteidigen. Aber eine Gesell-
schaft, die nur ihre Besitzstände verteidigt, wird zu den
notwendigen Veränderungen nicht bereit sein.

Sie sagen, Deutschland müsse sich mehr bewegen.
Doch Sie untergraben in der Außen-, Sicherheits- und
Europapolitik mit Ihrer mangelnden Führungskraft und
der Unfähigkeit, die notwendigen Prioritäten zu setzen,
die Reformfähigkeit unserer Gesellschaft. Auch in die-
sem Sinne hängen die Außen- und Innenpolitik zusam-
men. Es ist natürlich auch wahr: Wenn wir nicht in der
Lage sind, unsere inneren Probleme zu lösen sowie un-
sere wirtschaftliche Wettbewerbs- und Leistungsfähig-
keit zu verbessern, dann wird auch unser außenpoliti-
scher Handlungsspielraum wesentlich geringer.

Deswegen spreche ich noch einen letzten Punkt an.
Wenn die europäische Politik von so schicksalhafter Be-
deutung für uns alle ist – darin stimme ich überein –,
dann bitte ich Sie: Untergraben Sie doch um Himmels
willen die Perspektiven und Chancen für eine Stärkung
der Europäischen Union nicht mutwillig. Mit Ihrer Poli-
tik, die Sie gegenüber dem Stabilitätspakt betreiben, le-
gen Sie die Axt an die Wurzeln der europäischen Leis-
tungsfähigkeit und an die Wurzeln des Vertrauens der
Menschen in die Solidität des europäischen Einigungs-
werks.

Gerade derjenige, der ein starkes Europa will, darf
mit dem Stabilitätspakt nicht so leichtfertig umgehen,
wie Sie das tun.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505905800

Herr Kollege Schäuble, achten Sie bitte auf die Zeit.


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505905900

Frau Präsidentin, ich hoffe, ich darf noch einige Sätze

sagen. – Wer die Zustimmung der Menschen zum euro-
päischen Einigungswerk und zur Erweiterung, die so be-
deutend ist – das hat auch der Außenminister richtig for-
muliert –, wieder und wieder gewinnen will, der sollte
auch erklären, dass es in unserem Interesse liegt. Er
sollte nicht unsere Haushaltsschwierigkeiten mit unseren
Zahlungsbeiträgen an die Europäische Union begründen,
wie es der Kanzler heute Morgen getan hat, und er sollte
die Bereitschaft der Menschen, Veränderungen zu ak-
zeptieren, nicht überfordern.

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(C (D Wir müssen zehn neue Mitglieder in der Europäichen Union erst einmal verkraften. Wer jetzt schon in iner nicht sehr verantwortlichen Weise über die nächste rweiterungsrunde redet, der untergräbt die Bereitschaft er Menschen, sich der europäischen Schicksalsgemeinchaft anzuvertrauen, die wir brauchen, wenn wir eine olitik für die Zukunft betreiben wollen. Herzlichen Dank. Zu einer Kurzintervention erhält der Abgeordnete oschka Fischer das Wort. Joseph Fischer EN)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505906000
Herr Kollege Schäuble, ich respektiere völlig – das

ilt für uns alle –, dass wir nicht immer bei allen Sitzun-
en dabei sein können und dass Sie einen wichtigen Ter-
in in Paris hatten. Das ist völlig akzeptabel.
Ich kann es aber nicht akzeptieren, dass wir im Aus-

chuss unterrichten und Sie am nächsten Tag – ich weiß
icht, woran das liegt – offensichtlich nicht informiert
ind. Alle Fragen, die Sie gestellt haben, wurden disku-
iert. Sie können der Meinung sein, dass sie unzurei-
hend beantwortet worden sind. Das würde ich zwar
icht teilen, aber diese Meinung wäre legitim und akzep-
abel. Sie haben hier aber eine Rede gehalten, als ob wir
iese Fragen gestern nicht behandelt hätten. Angesichts
er Botschafterkonferenz und all der anderen Verpflich-
ungen war es für mich nicht einfach, fast eineinhalb
tunden gemeinsam mit dem Verteidigungsminister im
usschuss darüber Rede und Antwort zu stehen. Inso-
ern finde ich Ihren Vorhalt nicht akzeptabel.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Deswegen will ich hier den Eindruck nicht stehen las-
en, als hätte die Bundesregierung, wissend um die Fra-
en der Opposition, nicht zu jedem einzelnen Punkt Stel-
ung genommen. Es würde den Zeitrahmen sprengen,
ies jetzt noch einmal ausführlich zu tun.
Sie haben zum Beispiel die Frage gestellt, warum es
unduz und nicht Herat sein soll. Ich habe es vorhin ge-
agt. Es geht dabei auch um die Akzeptanz durch den
ortigen regionalen Machthaber. Kollege Schäuble, in
fghanistan gibt es überall in der Provinz Privatarmeen,
eil sie ein Element dessen sind, was im Widerstand ge-
en die sowjetische Okkupation und später im Bürger-
rieg eine Rolle spielte. Wenn man sich den Charakter
fghanistans mit seiner multiethnischen und multireli-
iösen Gesellschaft anschaut, dann weiß man natürlich
ur zu gut, dass auch die tribalistische Struktur eine we-
entliche Rolle spielt.
Auch das Verhältnis der Zentrale zu den Regional-

trukturen wurde von uns ausführlich angesprochen. Es
st eine irrige Vorstellung, zu meinen, in Afghanistan
ürde es so etwas wie einen Zentralstaat geben. Diesen
ab es nur zu Zeiten der Diktatur durch die Taliban. Die






(A) )



(B) )


Joseph Fischer (Frankfurt)


Fragen der Verflechtung und des selbsttragenden Kon-
senses werden also eine Rolle spielen. Hierzu haben wir
unsere Position ausführlich dargestellt. Daneben haben
wir hinsichtlich der anderen Provincial Reconstruction
Teams auch die Entscheidungsalternativen ausführlich
dargestellt und erklärt, warum es dort notwendig ist.

Opium und die Rauschgiftproduktion allgemein
sind nicht nur Probleme in dieser Region. Wir müssen
realistischerweise sagen, dass das sowohl in Kabul als
auch überall in diesem Land eine – und zwar keine uner-
hebliche Rolle spielt.

Kollege Schäuble, es liegt in unserem Interesse, dort
den Polizeiaufbau voranzubringen. Das ist ein wesentli-
ches Element für Kunduz und für Kabul, für das unsere
Polizeibeamten eine große Anerkennung erhalten. Ich
habe das mehrmals in Washington gehört.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Aber der entscheidende Punkt ist ein anderer, Kollege
Schäuble. Rauschgift ist dort gegenwärtig der ökonomi-
sche Faktor Nummer eins. Das heißt, wir reden hier
nicht nur über eine üble kriminelle Erscheinung, sondern
wir reden über den Aufbau einer wirtschaftlichen Alter-
native. Diese wirtschaftliche Alternative ist an die er-
folgreiche Umsetzung der Petersberger Beschlüsse ge-
bunden. Auch das wurde ausführlich dargestellt.

Ich konnte Ihre Worte nicht unwidersprochen stehen
lassen und sage auch im Namen des Kollegen Struck:
Diese Bundesregierung und die beiden Minister bemü-
hen sich intensiv darum – wir haben ein Interesse daran,
dass das Parlament eingebunden ist –, auf Einwände ein-
zugehen; denn im Interesse der Soldaten wollen wir ei-
nen Konsens erreichen.


Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505906100

Herr Abgeordneter Fischer, als Abgeordneter haben

Sie für Ihre Kurzintervention nur drei Minuten Zeit.

Joseph Fischer (Frankfurt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-
NEN):

Letzter Satz. Wenn wir solche intensiven Beratungen in
den Sitzungen durchführen, dann müssen wir uns schon
darauf verlassen können, dass wir uns danach keine Vor-
würfe von jemandem anhören müssen, der – meinetwegen
aus guten Gründen – nicht dabei sein konnte.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505906200

Herr Kollege Schäuble, Sie haben das Recht zur Ant-

wort.


Dr. Wolfgang Schäuble (CDU):
Rede ID: ID1505906300

Herr Kollege Fischer, vier Punkte. Erstens. Es hilft al-

les nichts: Meine Kollegen, die in der Sitzung anwesend

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(C (D aren, erklären, dass Sie all diese Fragen gestern in der usschusssitzung nicht beantwortet haben. (Uta Zapf [SPD]: Das ist überhaupt nicht wahr! – Dr. Uwe Küster [SPD]: Pflüger ohne pf! – Gernot Erler [SPD]: Dann könnten wir mit dem Parlament wirklich aufhören! – Lothar Mark [SPD]: Wenn das Aufnahmevermögen so beschränkt ist, dann brauchten wir keine Sitzungen zu machen!)


Entschuldigung, das sagen die doch.
Herr Kollege Fischer, ich möchte Ihnen gerne antwor-

en. Bitte schenken Sie mir Ihre geschätzte Aufmerk-
amkeit, wenn ich Ihnen antworte.
Zweitens. Ich bin sehr dafür, dass wir die Fragen, die
ir auch gegenüber der Öffentlichkeit und insbesondere
egenüber den Soldaten der Bundeswehr verantworten
üssen, in öffentlichen Sitzungen hier im Deutschen
undestag und nicht nur in vertraulichen Ausschusssit-
ungen behandeln.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Drittens. Es bleibt dabei: Die Bundesregierung hat

nter dem Vorsitz des Bundeskanzlers die Vorsitzenden
ller Fraktionen in der vergangenen oder vorvergange-
en Woche über Kunduz unterrichtet. Das ist die Grund-
age. In dieser Unterrichtung ist über Herat überhaupt
icht gesprochen worden.
Viertens. Herr Bundesaußenminister, Sie haben auch

n Ihrer Kurzintervention kein Wort dazu gesagt, was
ich seit Petersberg II in Ihrer Bewertung zum Verhält-
is von Zentralregierung in Kabul und Provinz bzw. re-
ionalen Machthabern verändert hat. Damals haben Sie
rklärt, dass eine Ausweitung des Einsatzes über Kabul
inaus nicht infrage kommt. Jetzt sagen Sie das Gegen-
eil. Meine Vermutung ist, dass Sie genau darauf nicht
ingehen wollen, weil Sie dann zugeben müssten, dass
as so viel gepriesene Petersbergkonzept nicht ganz so
timmig war. Wahrscheinlich ist auch die Roadmap im
ahen Osten nicht ganz so erfolgreich, wie es bisher
usgesehen hat.
Das Drogenproblem können Sie nicht als ökonomi-

chen Faktor hinstellen. Ich sage Ihnen: Die Drogenver-
reitung ist eine der großen Gefahren für die Weltpolitik
nsgesamt und eine Finanzquelle für den internationalen
errorismus.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ch will nicht, dass am Ende Soldaten der Bundeswehr
egionale Machthaber und Drogenbosse unterstützen
nd schützen.


(Detlef Dzembritzki [SPD]: Wer hat denn das gesagt? – Zuruf von der SPD: Unverschämtheit!)


azu darf es nicht kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)







(A) )



(B) )



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505906400

Mir liegen hierzu mehrere Wortmeldungen vor. Ich

bin aber gehalten, zu verhindern, dass sich aus Kurzin-
terventionen zusätzliche Debattenschlaufen ergeben. Da
noch zehn Redner das Wort haben, glaube ich, dass noch
genügend Gelegenheit besteht, den Sachverhalt während
dieser angemeldeten Reden zu klären.

Ich erteile nun dem Abgeordneten Gernot Erler das
Wort.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. h.c. Gernot Erler (SPD):
Rede ID: ID1505906500

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Wir sprechen heute über die internationale Politik der
Bundesregierung, besonders über die Außen- und Si-
cherheitspolitik. Ich möchte im Namen der SPD-Bun-
destagsfraktion erklären: Diese Politik folgt klaren Prin-
zipien. Sie ist verlässlich. Sie ist getragen vom
Verantwortungsbewusstsein gegenüber den Menschen in
unserem Lande, besonders auch gegenüber den Soldatin-
nen und Soldaten, die wir in gefährliche Auslandsein-
sätze schicken, und vom Verantwortungsbewusstsein ge-
genüber der Weltgemeinschaft, die nach wie vor große
Herausforderungen zu bestehen hat. Weil das alles so ist,
findet die deutsche Politik in der Welt, die Politik von
Bundeskanzler Gerhard Schröder, von Außenminister
Joschka Fischer, von Verteidigungsminister Peter Struck
und Entwicklungsministerin Frau Wieczorek-Zeul auch
eine breite Zustimmung in der deutschen Bevölkerung
und hohe Anerkennung in der internationalen Gemein-
schaft.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Herr Kollege Schäuble, daran können Sie mit Ihrer Rede
nichts ändern, die Sie im Wesentlichen dazu benutzt ha-
ben, Informationen einzuholen, über die andere Mitglie-
der dieses Hauses schon verfügen. Das ist nicht der Sinn
einer Plenardebatte.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Morgen jährt sich zum zweiten Mal der 11. Septem-
ber 2001. Das erinnert uns an schreckliche, schwer er-
trägliche Bilder und erinnert uns an die vielen unschuldi-
gen Opfer des 11. September und der späteren
Anschläge. Das ist Gelegenheit, noch einmal zu betonen:
Die Bundesrepublik Deutschland hat dem angegriffenen
Amerika von der ersten Minute an beigestanden, hat um-
fangreiche Beiträge im Kampf gegen den global agieren-
den Terrorismus geleistet und tut dies auch heute. Heute,
zwei Jahre nach dem 11. September 2001, ist dieser
Kampf noch immer nicht gewonnen. Darauf hat der
Bundeskanzler heute Morgen mit Recht hingewiesen. Es
sind sogar neue, verlustreiche Fronten entstanden, so
etwa im Irak.

Ich stelle hier noch einmal für die SPD-Bundestags-
fraktion fest: Es war richtig, dass die Bundesregierung
mit vielen anderen Staaten dem Irakkrieg nicht zuge-

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(C (D timmt hat, dass sie versucht hat, ihn zu verhindern, und ass sie nicht an ihm teilgenommen hat. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Auch vier Monate nach dem Ende des Krieges fehlt
eder Hinweis auf Querverbindungen des ehemaligen
egimes von Saddam Hussein zu al-Qaida, fehlt jede
pur von den angeblichen Massenvernichtungswaffen,
ie an Terroristen hätten weitergegeben werden können.
a, es fehlt sogar jeder Beleg dafür, dass es entspre-
hende Programme oder Anlagen für solche Waffen ge-
eben hat.
Das bedeutet aber: Der Irakkrieg hatte nichts mit dem not-
endigen Kampf gegen den internationalen Terrorismus
u tun. Wir weisen weiterhin jeden Versuch zurück, ihn
a einzuordnen oder ihn so zu legitimieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ielmehr sind nach dem Irakkrieg unsere Voraussagen in
chlimmster Weise eingetroffen, nämlich dass die inter-
ationale Terrorbekämpfung einen Rückschlag erlitten
at und dass jetzt im Irak die Netzwerke ein neues Betä-
igungsfeld finden, wo sie die Verzweiflung der Men-
chen über die chaotischen Verhältnisse vor Ort erbar-
ungslos nutzen, wo sie viele, auch so genannte weiche
iele finden und mit ihren Anschlägen Amerika treffen,
ber auch die ganze Weltgemeinschaft herausfordern
önnen. Der Irakkrieg hat dem Kampf der Weltgemein-
chaft gegen den weltweit agierenden Terrorismus ge-
chadet.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich hatte gehofft, dass der amerikanische Präsident
ie Gelegenheit seiner Rede vom letzten Sonntag nutzen
ürde, um sich offen mit dieser Entwicklung auseinan-
er zu setzen. „Offen“ hätte bedeutet, sich auch zu den
ehleinschätzungen zu bekennen, was die unmittelbare
efahr, die von diesem Regime ausging, und was die
assenvernichtungswaffen angeht. Das ist leider nicht
assiert.
Stattdessen sind wir erneut mit dem Versuch konfron-

iert worden, den Irakkrieg als Teil des Kampfes gegen
en internationalen Terrorismus darzustellen. Folgerich-
ig kam dann die Aufforderung an die Verbündeten und
ie Länder, die sich nicht an diesem Krieg beteiligt ha-
en, jetzt die Gelegenheit zur Umkehr zu ergreifen und
hre Pflicht zu erfüllen.


(Uta Zapf [SPD]: Zur Buße!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, in Amerika selbst,

ber auch anderswo gibt es Zweifel an der Wirksamkeit
olcher Empfehlungen. Das zeigen übrigens auch die
ommentare im In- und Ausland. Die „Frankfurter
undschau“ hat zum Beispiel von Patzigkeit gespro-
hen, die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ titelte einen
ommentar mit „Rhetorik der Zumutung“. Ich mache
ir diese Bewertung überhaupt nicht zu Eigen, aber ich
ehme dieses alles noch einmal zum Anlass, um festzu-






(A) )



(B) )


Gernot Erler

stellen: Die Bundesrepublik Deutschland erfüllt ihre
Pflichten im Kampf gegen den internationalen Terroris-
mus. Sie wird dies auch weiterhin tun und braucht dafür
keinerlei Ermahnung, egal von wem.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Es wäre im Übrigen sehr gefährlich, sich jetzt an dem
Prozess zu beteiligen, alle internationalen Ressourcen al-
lein auf den Irakkonflikt zu konzentrieren. In Wirklich-
keit gibt es derzeit fünf verschiedene Regionen, in denen
die Fragen des Weltfriedens und des Kampfes gegen den
Terrorismus entschieden werden. Zu diesen Regionen
zählt neben dem Irak zweifellos Afghanistan. Hinzu
kommt – der Bundesaußenminister hat eben darauf hin-
gewiesen – der Nahe Osten mit dem israelisch-palästi-
nensischen Konflikt, in dem die Friedensbemühungen
gegenwärtig einen Tiefpunkt erreicht haben, übrigens
entgegen allen Voraussagen, dass die Beseitigung des
Regimes Saddam Husseins den Weg für den Frieden
freimachen würde. Eine weitere Region, die nicht ver-
gessen werden darf, ist Afrika,


(Beifall der Abg. Christa Nickels [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


da wir doch wissen, dass die dortigen Bürgerkriege nicht
unbeantwortet bleiben können und dass man sich dort
engagieren muss, weil solche Kriege dem Terrorismus
Möglichkeiten bieten, ja geradezu Biotope für den Ter-
rorismus darstellen. Schließlich meldet sich gerade in
diesen Tagen der Balkan mit den neuen Problemen in
Mazedonien in schmerzlicher Weise zurück und erinnert
uns daran, dass die Aufgaben auch dort noch nicht erfüllt
sind.

Deswegen ist es eine völlig falsche Betrachtungs-
weise, etwa unseren Einsatz in Afghanistan als zweit-
rangig anzusehen. Es ist vielmehr erstrangig und not-
wendig, nicht alle Ressourcen im Irak einzusetzen,
sondern die anderen Aufgaben als gleichrangig anzuse-
hen und sie prioritär zu erfüllen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich kann nur immer wieder feststellen: Der wirkliche
Testfall im Kampf gegen den Terrorismus ist die Frage,
ob wir in Afghanistan Erfolg haben werden oder nicht.


(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])

Deswegen ist es richtig, dass wir die Kontinuität beibe-
halten und dass nach der umfangreichen humanitären
Hilfe, dem Petersberg-Prozess und unserem Engagement
in der Operation Enduring Freedom und vor allem bei
ISAF tatsächlich eine Antwort darauf gegeben wird,
Herr Schäuble, wie die nächsten Stufen des Normalisie-
rungs- und Stabilisierungsprozesses in Afghanistan ab-
gesichert werden können. Die nächsten Stufen sind der
Verfassungsprozess in der Loya Jirga und – das ist jeden-
falls in Petersberg vereinbart worden – Wahlen, die im
Juni nächsten Jahres stattfinden sollen.

Es waren die Amerikaner, Herr Schäuble, die als erste
über die auf dem Petersberg getroffenen Vereinbarungen

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(C (D inaus Handlungsbedarf festgestellt und die Bildung von egionalen Wiederaufbauteams beschlossen haben, m der Bevölkerung zu zeigen, dass die Übergangsreierung Karzai nicht nur in Kabul etwas zu sagen hat nd dass es auch in den Provinzen ankommen muss, ass sie etwas für die Bevölkerung tun kann. Das ist der chwerpunkt der Regionalen Wiederaufbauteams. Dait ein vernünftiger Wahlkampf mit fairer Betätigung on verschiedenen Parteien stattfinden kann, ist eine Atosphäre der Freiheit notwendig. Das ist die inhaltliche Begründung für die Wiederauf auteams. Ich bedauere, dass diese Begründung immer och nicht bei Ihnen angekommen ist. Wir werden die usweitung unseres Einsatzes in Afghanistan in aller erantwortung gegenüber unseren Soldatinnen und Solaten, die dort tätig sind, sehr gründlich vorbereiten und eraten. Das ist bereits auf dem Weg. Dies und nichts aneres ist der Testfall im Kampf gegen den Terrorismus. ch bin froh darüber, dass Sie dem im Prinzip zustimen. Meine Fraktion wird die Arbeit der Bundesregieung zu dieser notwendigen Ausweitung unseres Einsates vor Ort konstruktiv und sehr sorgfältig begleiten und nterstützen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)



Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505906600

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Werner
oyer.

Dr. Werner Hoyer (FDP):
Rede ID: ID1505906700

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
n die Kolleginnen und Kollegen im Auswärtigen Aus-
chuss gewandt, möchte ich anmerken: Mir wird angst
nd bange, wenn ich heute höre, was wir gestern angeb-
ich alles in der notwendigen Tiefe behandelt haben. Um
in bisschen transparenter zu machen, wie das wirklich
or sich geht, weise ich darauf hin, dass der Ausschuss
estern von 17.05 bis 18.15 Uhr getagt hat,


(Uta Zapf [SPD]: Zu einem Thema!)

obei von vornherein klar war, dass der Bundesminister
es Auswärtigen um 18.00 Uhr würde gehen müssen,
as er aber dankenswerterweise erst um 18.15 Uhr getan
at.
Zunächst hat uns Minister Struck zehn Minuten prä-

ise und knapp zu dem Themenbereich berichtet, der zu
iskutieren ist. Dann hat uns der Bundesminister des
uswärtigen 25 Minuten lang äußerst ausführlich die
eltläufe erklärt. Danach haben die Vertreter der vier
raktionen insgesamt 15 Minuten Gelegenheit gehabt,
hre Position darzustellen und Fragen zu stellen. An-
chließend wurden ihre Fragen in der üblichen arrogan-
en Art abgebürstet bzw. bramarbasierend beantwortet.


(Uta Zapf [SPD]: Also!)







(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer

Da keine weiteren Beratungsmöglichkeiten bestanden,


(Uta Zapf [SPD]: Wir sind wohl auf verschiedenen Veranstaltungen gewesen!)


gab es auch keine Gelegenheit mehr, zu dem präzisen
Bericht von Herrn Struck über das Standorterkun-
dungsteam Stellung zu nehmen.


(Uta Zapf [SPD]: Es haben doch alle mit dem Kopf genickt, inklusive Sie!)


– Auch ich kann die Aufregung nicht verstehen, Frau
Kollegin Zapf.

Ich finde, das, was vom Standorterkundungsteam ge-
leistet werden soll, ist erforderlich, wenn die Bundesre-
gierung nach einem entsprechenden Beschluss des Kabi-
netts und der Einbringung in den Deutschen Bundestag
unsere Fragen beantworten soll. Von der Form her ist
diese Angelegenheit nach meiner Auffassung sowohl
durch das ISAF-Mandat als auch durch den Beschluss
des Bundestages gedeckt.


(Uta Zapf [SPD]: Genau das ist es!)

Außerdem bin ich der Auffassung, dass dieser Vor-

gang erneut bestätigt, dass wir uns im Rahmen der Bera-
tungen des Geschäftsordnungsausschusses über das Ent-
sendegesetz präziser mit der Frage befassen müssen,
wann ein Einsatz bewaffneter Streitkräfte vorliegt.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Nach meiner Auffassung ist das kein Einsatz bewaffne-
ter Streitkräfte; denn ein solcher soll ja erst vorbereitet
werden. Daher halte ich die Aufregung für verfehlt.

Zur Sache selber: Dass die Herausforderungen für un-
sere Außenpolitik und für die internationale Politik in
den nächsten Jahren gigantisch sein werden, ist klar. Die
Aufgaben im Zusammenhang mit der Bekämpfung des
internationalen Terrorismus sind bei weitem nicht be-
wältigt. Die regionalen Konflikte, gepaart mit religiö-
sem Fanatismus und teilweise finanziert aus Quellen der
organisierten Kriminalität und des Terrorismus, drohen
auszuarten, bis hin zum Kampf der Kulturen. Wenn die-
ser nicht eingedämmt werden kann, dann wird er eines
Tages nicht mehr nur in fernen Ländern, sondern auch
vor unserer eigenen Haustür stattfinden oder sogar in un-
sere eigenen Häuser hineingetragen werden. Deswegen
müssen wir uns den diesbezüglichen Fragen sehr inten-
siv zuwenden.

Hochgefährliche Waffen, insbesondere Massenver-
nichtungswaffen, vagabundieren durch die Welt. Wir ha-
ben, wie der Fall des neulich gesunkenen russischen
Atom-U-Bootes zeigt, bis heute noch nicht einmal ernst
zu nehmende Konzepte, aus denen hervorgeht, wie wir
mit den Gefahren, die von den Waffen der ehemaligen
Sowjetunion ausgehen, fertig werden können. Neue Ini-
tiativen im Bereich von Abrüstung und Nichtverbreitung
sind nicht in Sicht.

Zu diesen drei Themenkomplexen könnte man noch
vieles ergänzen. Aber eines verbindet alle drei: Niemand
wird sich diesen Herausforderungen alleine stellen kön-
nen. Das können wir nur zusammen.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D as haben mittlerweile alle begriffen. Auch die Verinigten Staaten haben das schmerzlich lernen müssen. ir sollten darüber keine Häme empfinden, sondern das ls eine Chance betrachten; denn wir haben ein nachhaliges Interesse daran, dass unsere amerikanischen reunde Erfolg haben. Wir müssen mit dem Gejammer über Unipolarität und egemonie aufhören. Das Bild der Polarität stimmt eute nicht mehr. Wir stellen fest: Es gibt eine Macht, ie alle anderen Staaten wirtschaftlich und militärisch berragt, die gleichwohl auf Kooperation angewiesen t. Erfreulicherweise sind wir mit dieser Macht sehr eng erbündet und befreundet. Darin liegt für uns auch eine hance; denn Amerika merkt, dass es Freunde, Allianen und sogar die Vereinten Nationen braucht. Wenn elbst Amerika überfordert ist, seine Interessen im Alingang zu vertreten, dann gilt das für eine regionale acht wie Deutschland erst recht. Das müssen wir uns lar machen, wenn wir unsere Chance nutzen wollen. ür uns Deutsche bedeutet das, unsere Interessen mit deen unserer Freunde und Nachbarn zu bündeln und geeinsam zu vertreten. Die Bündnisfähigkeit ist für eutschland deshalb Staatsräson. s ist in unserem vitalen nationalen Interesse, dass die uropäische Union, die NATO und die Vereinten Natioen intakt sind, funktionieren und die von ihnen erwarteen Rollen spielen können. Genau daran hat es in den tzten Jahren gehapert, woran die Regierung der Bunesrepublik Deutschland alles andere als unschuldig ist. Nach dem 11. September 2001 rief das Bündnis den ündnisfall aus und ward danach nicht mehr gefragt. uch das hat die Bundesregierung zugelassen. Wir haben as immer kritisiert. Die Europäische Union macht geade einen Quantensprung in ihrer Integrationsentwickung. Ich finde übrigens, dass der Verfassungsentwurf ein eachtlicher Text ist. Fast alle größeren Änderungswünche, die jetzt von den Partnern in der Europäischen nion vorgetragen worden sind – hier stimme ich dem undeskanzler zu –, führen in die falsche Richtung. Soehr die eine oder andere Änderung auch aus unserer icht wünschenswert erscheint: Wer das jetzt vorlieende Paket noch einmal aufschnürt, wird das Gesamtertragswerk, die europäische Verfassung nicht verbesern, sondern verschlimmbessern. Gerade in der Phase, wo die Europäische Union ußenpolitisch noch nicht voll handlungsfähig ist – leier enthält der Verfassungsentwurf, was die Verfahren er Entscheidung über die Außenpolitik angeht, eine chwäche –, brauchten wir eine handlungsfähige, sich uf einfachere Entscheidungsverfahren abstützende euroäische Außenund Sicherheitspolitik; sie ist nötiger enn je. In dieser Zeit stecken die Vereinten Nationen in iner tiefen Krise. Das haben wir in den letzten Jahren Dr. Werner Hoyer gemerkt. Kofi Annan macht jetzt aus der Not eine Tugend. Wir sollten ihn dabei nach Kräften unterstützen. (Beifall bei der FDP sowie des Abg. Lothar Mark [SPD])


(Beifall bei der FDP)


(Uta Zapf [SPD]: Das ist absolut daneben!)


(Beifall bei der FDP)





(A) )


(B) )


Das ist die Chance, die Entscheidungskompetenz, die
Führungsrolle in den Rahmen der Vereinten Nationen
zurückzuholen, und es ist die Chance, das nachzuholen,
was in den 90er-Jahren leider verpasst worden ist, näm-
lich die Reform der Vereinten Nationen voranzutreiben.


(Jörg van Essen [FDP]: Ja!)

Als nicht mehr jede Initiative dem Veto- oder dem
Blockadeautomatismus sofort unterworfen war, war das
doch das „Fenster der Gelegenheit“. Wir müssen jetzt
schnell dabei vorankommen, das, was verpasst worden
ist, nachzuholen.

Auch Deutschland hat nach meiner Auffassung zur
Schwächung der internationalen Organisationen bei-
getragen, nicht etwa, weil man deutlich gemacht hat,
dass der Krieg im Irak nicht gerechtfertigt ist – das war
sowohl meine als auch die Meinung der gesamten FDP-
Fraktion –, sondern weil Deutschland mit der Kategori-
sierung seiner eigenen Position – man hat gesagt, dass
sich Deutschland an einem militärischen Einsatz im Irak
auf keinen Fall beteiligt, egal wie UNO, NATO oder EU
entscheiden – die Chance verpasst hat, Einfluss auszu-
üben und Verantwortung zu übernehmen. Die Bundes-
regierung hat der Arroganz der Macht die Arroganz der
Ohnmacht entgegengesetzt. Das war ein schwerer Feh-
ler.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, Lothar Mark [SPD]: Das ist eine falsche Interpretation!)


Wir müssen zusehen, dass wir im Irak tatsächlich
vorankommen. Natürlich ist es kaum vorstellbar – diese
Auffassung teile ich –, dass diejenigen, die den Irakkrieg
– anders als die Amerikaner – für durchaus vermeidbar
gehalten haben, nunmehr unter amerikanischem Oberbe-
fehl Besatzungsmacht spielen. Aber eine Mandatierung
der NATO durch die Vereinten Nationen, eine Führung
der UNO-mandatierten NATO-Mission durch den
SACEUR könnten immerhin zwei sonst konfligierende
Bedingungen – nämlich amerikanischen Oberbefehl und
NATO-geführte Operation – auf charmante Weise mit-
einander verbinden. Ich halte auch eine Trennung der
Operation nach dem Vorbild von ISAF und Enduring
Freedom, wie wir sie in Afghanistan erleben, durchaus
für ein Modell, das man diskutieren kann.

Es geht auf jeden Fall nicht mehr darum, die alten
Auseinandersetzungen über die vermeintlich nachträgli-
che Legitimation des Irakkrieges fortzuführen. Jetzt gilt
es, beherzt anzupacken, den Menschen in diesem ge-
schundenen Land eine Perspektive zu geben, und vor al-
len Dingen geht es darum, ihnen nach Jahrzehnten der
Unterdrückung ihre Würde zurückzugeben. Daran hat
es vor dem Krieg und, wie ich finde, auch nach dem
Krieg gefehlt.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


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(C (D Deutschland sollte dabei in Abstimmung mit seinen uropäischen Partnern und im Rahmen der NATO einen igenen Beitrag nicht von vornherein verweigern. Dies uss keineswegs ein militärischer Beitrag sein. Man ollte ihn erst recht nicht herbeireden; aber man kann nd darf ihn auch nicht a priori und auf Dauer ausschlieen. Vielleicht werden wir allerdings zu der Erkenntnis ommen, dass wir objektiv nicht in der Lage sind, einen ilitärischen Beitrag zu leisten, weil die Kräfte der Buneswehr schon völlig überdehnt sind. Aber dann muss an sich sehr ernsthaft die Frage stellen, wie es mit inanzierung, Ausrüstung, Ausbildung und Struktur der undeswehr aussieht. Auf Dauer wird es dem deutschen teuerzahler und international nicht zu vermitteln sein, ass von einer Armee mit 290 000 aktiven Soldatinnen nd Soldaten nur 10 000 oder – setzt man den Regeneraionsund Ausbildungsfaktor mit fünf an – 50 000 für olche Missionen einsetzbar sind. Hier muss über die eform der Bundeswehr weiter gestritten werden. (Beifall bei der FDP – Herbert Frankenhauser [CDU/ CSU]: So ist es! Jawohl! Sehr richtig!)


(Beifall bei der FDP)

Ich plädiere keineswegs für Bundeswehreinsätze
eltweit. Ich bin überhaupt überrascht, dass diejenigen,
ie noch bis vor kurzem eine sehr dezidierte Meinung
ber Soldaten geäußert haben, mittlerweile sehr schnell
abei sind, die Bundeswehr durch die Welt zu schicken.
ch verlange Streitkräfte für Deutschland, die hoch effi-
ient sind und jeden Steuergroschen tatsächlich verdient
aben. Was sollen denn leistungsfähige und leistungs-
illige Soldatinnen und Soldaten machen, wenn ihnen
ie Regierenden durch krampfhaftes Festhalten an der
ehrpflicht eine falsche Streitkräftestruktur verordnen
nd wenn dadurch das Geld für eine auftragsgerechte
usrüstung und Bewaffnung fehlt?
Den Angehörigen der Bundeswehr schulden wir
ank und Anerkennung. Sie machen die Fehler der Re-
ierung durch vorbildliche Leistungen wett; aber auf
auer werden sie überfordert sein.


(Beifall bei der FDP)

Die Bundesregierung scheint ja noch ein paar Solda-

en gefunden zu haben, die sie in der Region Kunduz
insetzen kann. Wir Freien Demokraten sind von dem
onzept der Bundesregierung für Kunduz alles andere
ls überzeugt.
Das eigentliche Problem Afghanistans, das in der Tat

ie ein Zentralstaat war, besteht doch darin, dass die
entralregierung jenseits der Stadtgrenzen Kabuls über-
aupt nichts zu melden hat, dass dort die regionalen
arlords und Drogenbosse das Sagen haben und die
zene bestimmen. Mit ihnen werden die Soldaten der re-
ionalen Wiederaufbauteams keinerlei Probleme haben,
olange sie deren Kreise nicht stören. Spannend wird es
rst dann, wenn die Zentralregierung bestimmte Dinge
n der Fläche durchsetzen muss, was notwendig sein
ann, wenn die neue Verfassung nicht von vornherein
um Scheitern verurteilt sein soll. Das wird die Völker-
emeinschaft militärisch nicht schaffen. Ich sehe auch






(A) )



(B) )


Dr. Werner Hoyer

nirgendwo in der Welt die Bereitschaft, dort mit vielen
Zigtausend Mann hineinzugehen. Die Erfahrungen der
Russen dort sollten auch vor unbedachten Entscheidun-
gen warnen.

Spannend wird die Frage, ob die deutschen Soldaten
in der Region Kunduz der Drogenproduktion tatenlos
zusehen wollen, so wie es gegenwärtig die Amerikaner
in der Region Kunduz nach eigenem Bekunden tun. Der
Artikel in „Spiegel Online“ über die Aktivitäten dort
sollte uns sehr nachdenklich machen.

Schließlich ist auch die Frage spannend, ob wir den
zivilen Aufbauhelfern mit einer militärischen Begleitung
überhaupt einen Gefallen tun.


(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)

Die FDP lehnt die Vorstellungen der Bundesregierung
zum Einsatz in der Region Kunduz ab. Das Konzept ist
in sich nicht schlüssig. Es ist keineswegs ungefährlich.
Es überdehnt die Möglichkeiten der Bundeswehr weiter.
Es droht, die Soldaten der Bundeswehr zu Geiseln der
örtlichen Warlords und Drogenbarone zu machen.


(Dr. Ludger Volmer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist die Alternative?)


Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes und deswegen
werden wir das ablehnen.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505906800

Ich erteile dem Kollegen Gert Weisskirchen, SPD-

Fraktion, das Wort.


Gert Weisskirchen (SPD):
Rede ID: ID1505906900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Dr. Hoyer, ich knüpfe an den Punkt an, den Sie un-
gefähr in der Mitte Ihrer Rede angesprochen haben. Wir
sollten wirklich zu der Idee zurückkehren, die UNO zu
reformieren, und grundsätzlich neu darangehen. Es ist
gut, zu sehen, dass Kofi Annan in diesem Punkt wieder
zu der Debatte zurückkehrt, die vor zehn Jahren stattge-
funden hat.

Wenn wir uns anschauen, welche Gefahrenlagen sich
abgezeichnet haben, und noch einmal einen Blick zurück
auf die Situation von vor zehn Jahren werfen, dann kön-
nen wir erkennen, dass wir es heute mit neuen Formen
von Gewalt zu tun haben. Die entstehen und wachsen
gerade im Schatten dessen, was doch die große Chance
für die gesamte Welt sein könnte. Im Schatten der Glo-
balisierung wächst eine ungeheure neue Gefahr heran:
Kriminalität, Terrorismus, Bürgerkriege in völlig neuen
Formen. Die Staatengemeinschaft hat versucht, darauf
eine Antwort zu finden. Mit dem Blick zurück auf diese
letzten zehn Jahre können wir heute sagen: Es waren nur
Versuche. Das gemeinsame, in sich schlüssige Konzept,
wie wir diesen neuen Gefahren wirklich gemeinsam bes-
ser begegnen können, ist noch nicht gefunden worden.

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(C (D Schauen wir noch einmal, wie in der ersten Schreckekunde auf die beiden zentralen, wirklich großen Geahren reagiert worden ist, die wir im Rückblick erkenen können, nämlich auf die neuen Formen von ürgerkriegen – zu erinnern ist an die Kriege der Nacholgestaaten des ehemaligen Jugoslawien, die uns alle rschüttert haben – und auf den 11. September 2001! In er ersten Schrecksekunde haben die Nationalstaaten als ationalstaaten darauf geantwortet. Es ist ja auch vertändlich – keine Frage, dass musste so sein –, dass im all des 11. September die USA darauf zuallererst eine ationale Antwort gegeben haben. Aber allein dadurch, ass wir als Nationalstaaten darauf reagieren, können ir die Probleme nicht in den Griff bekommen. Es kann icht nur eine unilaterale Antwort geben, sondern es gilt, ie Kraft der Völkergemeinschaft zu mobilisieren, um iese Probleme auch wirklich anzugehen. Ich weiß nicht, oher Sie die Kritikpunkte inhaltlich nehmen, Herr r. Hoyer. Die Bundesregierung hat genau die richtigen nstrumente entwickelt: Krisenprävention, ziviler riedensdienst. Sie hat Sorge dafür getragen, dass mulilaterales Denken erweitert, vertieft und gestärkt wird. as ist das Markenzeichen dieser Bundesregierung und s ist gut, dass sie dazu auch die entsprechenden Instruente zur Verfügung gestellt hat. Das unterstützen wir olitisch. Ich sehe nichts, was daran substanziell zu kritiieren wäre. Im Gegenteil: Wir unterstützen die Bundesegierung bei ihrem multilateralen Handeln. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Mit den neuen lokalen Bürgerkriegen und dem global
gierenden Terrorismus erleben wir in der Tat einen An-
riff auf unsere Zivilisation der offenen Gesellschaft.
iese Zivilisation soll zerbrochen werden. Das ist das
iel derer, die durch ihre Angriffe lokale Bürgerkriege in
ang setzen oder global terroristisch tätig sind. Die
einde der Zivilisation wollen, dass sich Chaos verbrei-
et. Deswegen setzen sie mit ungeheurer Wucht neue
ormen von Gewalt ein. Was sie aber wirklich wollen,
erbergen sie. Sie wollen politische Macht erobern.
chwache Staaten sehen sie als ihre Beute. Sind diese
ann erobert, werden sie zu Stützpunkten ausgebaut, da-
it der gewaltsame Raubzug transnational weitergeführt
erden kann.
Wenn wir uns die letzten zehn Jahre vor Augen füh-

en, können wir doch erkennen, an welchen Punkten das
eschieht: Das geschieht im Zentrum Afrikas, das ist auf
em Balkan und in Afghanistan geschehen. Überall hier
ab es Versuche, Nationalstaaten von innen bzw. von un-
en gewaltsam zu erobern, um diese als Stützpunkte für
as Vorantreiben von transnationalem Chaos durch kri-
inelle Machenschaften, Bürgerkriege und Terrorismus
u gewinnen. Wir müssen darauf klar und deutlich ge-
einsam multilateral antworten. So verständlich es auch
ein mag, wenn die USA im Terrorismus mit Recht ei-
en Angriff auf ihre eigene Existenz sehen, so kann die
ntwort auf diesen nicht in unilateralem Handeln beste-
en. Die Antwort kann nur, weil der Terrorismus die
anze Welt, also uns alle, treffen soll, eine gemeinsame
ein. Jetzt im Irak erleben wir doch – das kann man an-
esichts der Konflikte, die dort zutage treten, sagen –,






(A)



(B) )


Gert Weisskirchen (Wiesloch)


dass der unilaterale Weg in die Sackgasse führt. Auch
die USA muss das jetzt erkennen.

Wir müssen die UNO stärken, sie muss das Heft des
politischen Handelns in die Hand nehmen, damit die Lö-
cher, wie es der Bundesaußenminister zu sagen pflegte,
in der Ordnungsstruktur der Welt geschlossen werden
können. Nicht unilaterales Handeln, sondern gemeinsa-
mes Handeln der Nationalstaaten und Stärkung der
UNO sind der entscheidende Schlüssel. Die Bundesre-
gierung unterstützt dies. Deshalb war der Dissens in der
Irakfrage, wie ich finde, auch so etwas wie ein gemein-
samer Lernprozess, welche Schlussfolgerungen für zu-
künftiges Handeln zu ziehen sind.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Dabei kann man auf zwei zentrale Sicherheitsinstitu-
tionen zurückgreifen: zum einen auf exklusive Sicher-
heitsinstitutionen wie etwa die NATO, zum anderen auf
inklusive Sicherheitsinstitutionen wie die UNO. Warum
sind gerade die inklusiven so wichtig? Weil sie alle Nati-
onalstaaten miteinbeziehen, deren Möglichkeiten und
Kräfte mobilisieren und sie auf die entscheidenden
Punkte konzentrieren können. Das ist der entscheidende
Vorzug. Statt immer nur zu sagen – natürlich gibt es im-
mer wieder die Kritikmöglichkeiten –, wie unvollkom-
men die Instrumente seien, die die UNO einsetzen kann,
sollte man lieber die UNO stärken und ihr helfen, dass
sie bessere Instrumente entwickeln und diese stärker ein-
setzen kann. Der große Vorzug von inklusiven Sicher-
heitsinstitutionen – wir sehen gerade plastisch an dem
Beispiel Irak, wie dringend erforderlich das ist – ist, dass
sie politische Legitimation haben. Diese ist notwendig,
bevor Militär als Instrument zur Befriedung eingesetzt
werden kann. Genauso ist es zwingend erforderlich, dass
man beispielsweise auch im nationalen Parlament breite
Unterstützung bekommt.

Umso wichtiger ist es, das auf der globalen Ebene zu
organisieren. Denn wie anders sollte politische Legiti-
mation beschaffen sein, wenn nicht auf der Grundlage
eines globalen Austauschs der Argumente, um die Kraft
dieser Argumente dann auf die richtigen Punkte zu kon-
zentrieren? Es gibt keine andere und keine bessere Orga-
nisation als die UNO, diese Legitimation zu beschaffen.
Wenn es sie nicht gäbe, sie müsste geradezu erfunden
werden,


(Beifall des Abg. Hans Büttner [Ingolstadt] [SPD])


obwohl wir wissen, welche Schwächen es innerhalb der
UNO gibt. Aber die UNO ist immer nur so stark, wie wir
sie selber machen. Die UNO lebt davon, dass die Mit-
gliedstaaten der UNO die Chance haben, über andere
und neue Instrumente zu verfügen. Gerade wenn es neue
Gefahren, neue Herausforderungen, neue Formen von
Bürgerkrieg und Terrorismus gibt, müssen wir mit dafür
sorgen, dass die UNO die Chance hat, gemeinsam mit al-
len Nationalstaaten dafür auch die richtigen Instrumente
zu entwickeln.

Wer die Kontroverse um den Irakkrieg ernst nimmt,
der wird, wie ich meine, daraus einen richtigen Schluss
ziehen können, nämlich dass die VN für die Welt heute

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(C (D iel bedeutsamer sind als zuvor. Und warum? Weil inerhalb des Weltsicherheitsrats die wirklichen Debatten eführt werden. Statt abgeschottet in Nationalstaaten arüber zu diskutieren, wird innerhalb des Weltsichereitsrats ein Forum geboten, in dem die Argumente ausetauscht werden und um Zustimmung gerungen wird. ielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis aus den letzen zehn Jahren. Wir als Politiker können die Herausforderungen nur ann wirklich annehmen und die richtigen Instrumente insetzen, wenn es in der Weltöffentlichkeit und in der ffentlichkeit der unterschiedlichen Nationen die Beeitschaft gibt, die Probleme ernst zu nehmen und die efahren richtig zu erkennen. Erst dann sind wir, die Poitik, ist die UNO in der Lage, angemessene neue Instruente einzusetzen. Das ist der ungeheure demokratische ortschritt, den wir jetzt erkennen können. Ich bitte darum, in dieser Debatte und besonders mit em Blick auf die Außenpolitik der Bundesregierung das rnst zu nehmen, was Willy Brandt vor 25 Jahren in seiem Report „Das Überleben sichern“ geschrieben hat. Die Zukunft wird gefährlicher“, hieß es im letzten Kaitel seines Reports. Darauf eine vernünftige Antwort zu eben, multilaterales Handeln zu stärken, das ist die entcheidende Herausforderung. Die Bundesregierung rbeitet daran und die SPD-Bundestagsfraktion untertützt sie dabei. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505907000

Ich erteile das Wort Kollegen Peter Hintze, CDU/
SU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)


Peter Hintze (CDU):
Rede ID: ID1505907100

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Die deutsche Europapolitik ist auf drei Pfeilern auf-
ebaut: erstens der Freundschaft zu Frankreich, zweitens
er transatlantischen Partnerschaft und drittens einem
airen Umgang mit den kleinen Mitgliedstaaten. Ich
uss heute kritisch feststellen, dass Bundesaußenminis-
er Fischer, Arm in Arm mit dem Bundeskanzler, zwei
ieser drei Pfeiler zum Einsturz gebracht hat. Das Ver-
ältnis zu Amerika ist nachhaltig gestört und der Gegen-
ipfel der 15 kleineren Mitgliedstaaten unter Führung
on Wien und Prag signalisiert einen Klimasturz in der
U. Deshalb meine Aufforderung: Die deutsche Europa-
olitik muss dringend zu der Balance zurückkehren, die
on Adenauer bis Kohl selbstverständlich war und die
ie deutsche Politik ausgezeichnet hat, liebe Kollegin-
en und Kollegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Balance ist durch ein weiteres Projekt der rot-

rünen Regierung gefährdet: das offene Eintreten für
en Beitritt der Türkei zur Europäischen Union. Ich
ill hier nicht davon sprechen, dass dieselbe Bundes-
egierung unserem NATO-Partner Türkei Militärhilfe
erweigert. Ich will nicht davon sprechen, dass deutsche
)






(A) )



(B) )


Peter Hintze

Gerichte die Türkei noch in diesen Tagen als einen Staat
qualifizieren, in den rechtskräftig abgeurteilte Verbre-
cher nicht abgeschoben werden dürfen. Es liegt natürlich
in unserem Interesse, dass der Weg zur vollen Einhal-
tung der Menschenrechte, zu Demokratie und einer sta-
bilen Marktwirtschaft in der Türkei konsequent weiter-
gegangen wird.


(Zuruf von der SPD: In der Reihenfolge?)

Mir geht es aber um eine ganz grundsätzliche Frage.

Die zentrale Frage, vor der die Europäische Union steht,
ist die nach dem Verhältnis zwischen Vertiefung und
Erweiterung. Jeder neue Beitritt zur Europäischen
Union ist unter dem Gesichtspunkt der Integrationsfä-
higkeit zu prüfen und daran zu messen, ob das, was wir
mit der Europäischen Union wollen, mit diesem neuen
Mitglied auch umgesetzt werden kann.

Wir haben gerade eine große Erweiterungsrunde be-
schlossen. 75 Millionen Menschen aus zehn Staaten aus
Mittel- und Osteuropa und dem Mittelmeerraum gehören
bald zu uns. Vor jeder zukünftigen Entscheidung bedarf
es auch einer gründlichen Auswertung des Beitrittspro-
zesses.

Mich bewegen in der Frage des Türkeibeitritts zwei
Gedanken. Ich habe den Verdacht, dass die Bundesregie-
rung diesen Beitritt so massiv forciert, weil sie sich da-
von ureigene Vorteile verspricht,


(Lothar Mark [SPD]: Sie haben doch vor 15 Jahren gesagt, dass er kommt!)


nicht für Deutschland, nicht für Europa, sondern für Rot-
Grün. Ich kann verstehen, dass gute Werte von Umfra-
gen unter türkischstämmigen Wählern in Deutschland
für Sie eine arge Verlockung sind. Aber in der Frage der
Aufnahme eines schnell wachsenden Staates mit weite-
ren 70 Millionen, 80 Millionen oder gar 100 Millionen
Bürgern in die EU ist hoffentlich der Aspekt bedeutsa-
mer, ob die Europäische Union das verkraftet, ob es ihr
gut tut und ob in dem dann neuen Mitgliedstaat Europa
so gelebt werden kann und wird, wie wir uns Europa
vorstellen.

Diese Frage haben Sie ignoriert, als Sie der Türkei
1999 in Helsinki – an der Bevölkerung und übrigens
auch am Parlament vorbei – in einer Blitzaktion den Bei-
trittsstatus verliehen haben.


(Gernot Erler [SPD]: Wir?)

Diese Frage haben Sie auch in Kopenhagen ignoriert, wo
Sie 2002 einen festen Ablaufplan für den Beitritt verein-
bart haben. Und Sie haben diese Frage ignoriert, als Sie
Herrn Ministerpräsidenten Erdogan in Berlin vorige Wo-
che öffentlich Zusagen gemacht haben.

Die Bundesregierung versucht in der Diskussion, die
Frage zu tabuisieren, ob ein islamisch geprägter Groß-
staat Mitglied der Europäischen Union werden kann.
Dagegen wird eingewendet, die Europäische Union sei
kein christlicher Klub. Dieser Einwand geht in die fal-
sche Richtung. Natürlich geht es bei der Beitrittsfrage
nicht um religiöse Überzeugungen. Es geht vielmehr um
die prägende Wirkung einer Religion auf das Wertesys-

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(C (D em einer Gesellschaft. Es geht darum, sicherzustellen, ass Europa in allen Mitgliedstaaten der Europäischen nion tatsächlich gelebt wird. Formale Rechtsangleihung ist das eine, das Leben in einem Wertesystem, wie ir es für richtig halten, ist das andere. Ich habe die Sorge, dass die Europäische Union im alle eines Türkeibeitritts an dem Spagat zwischen Veriefung und Erweiterung zerbrechen könnte. ch appelliere an die Bundesregierung, dem Deutschen undestag und auch der Öffentlichkeit ausreichend Zeit u geben, diese Frage zu erörtern. Die Regierung hat auf den Vorschlag der Christlich ozialen Union in Bayern hin, dieses Thema im Wahlampf anzusprechen, erklärt, das sei kein Thema für eien Wahlkampf. Ich sage Ihnen dazu in Ruhe: Das häten Sie wohl gerne, dass zentrale, wichtige Themen, die as Schicksal und die Zukunft unseres Landes betreffen, m Wahlkampf nicht behandelt werden! Ich finde, alle ichtigen Themen müssen im Wahlkampf behandelt erden, damit die Menschen wissen, was sie wählen, enn sie sich für eine Partei entscheiden. (Beifall bei der CDU/CSU – Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wo denn sonst? Die Jünger von der Basis, jetzt schauen sie Kabinettsstückchen – Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster [SPD]: Schauerlich!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Bei dem Zwischenruf des Kollegen Schauerte fällt mir
in: Ich hatte vorgestern Nacht das Vergnügen, Herr
undesminister, in der Wiederholung einer „Tages-
chau“-Ausgabe von vor 20 Jahren einen durchaus se-
enswerten Parlamentsauftritt von Ihnen zu erleben.
ine gewisse Differenz zwischen damals und heute so-
ohl im äußeren Habitus wie auch in Ihrer inhaltlichen
ositionierung ist durchaus festzustellen. Aber ab und an
ollten wir Sie an einige Ihrer eigenen Demokratieforde-
ungen erinnern, auch wenn Sie jetzt in einer anderen
olle sind, als Sie es damals waren.
Eines hat mich besonders amüsiert: Sie haben sich da-
als mit Herrn Zimmermann, dem Bundesinnenminis-
er, auseinander gesetzt. Heute Morgen saßen Sie neben
errn Schily, beide leicht ergraut und deutlich ruhiger.
aran kann man sehen, was im Rahmen der Zeitabläufe
it Menschen alles passiert. Aber das eine oder andere
deal, das Sie vertreten haben, sollten Sie sich doch noch
inmal vergegenwärtigen.


(Klaus Uwe Benneter [SPD]: Sie lernen nicht dazu!)


Da wäre ich etwas optimistischer. Aber es freut mich,
ass Sie dem noch Aufmerksamkeit schenken. Wenn Sie
inmal der Meinung sind, es sei nach Ihrem Urteil einge-
reten, dann können Sie das ja vermelden.
Am Sonntag werden die Schweden entscheiden, ob

ie den Euro einführen. Das ist natürlich eine wichtige
rage, die auch eine Signalwirkung für andere in Europa
at. Wir wissen aus den Umfragen, dass es in Schweden
inen beträchtlichen Widerstand gegen die Einführung






(A) )



(B) )


Peter Hintze

des Euro gibt. Warum wird mit einem knappen Ergebnis
gerechnet? Der Grund liegt auf der Hand – der Bundes-
außenminister hat es von der Regierungsbank schon
unparlamentarisch herübergerufen –: Die Schweden
schauen natürlich darauf, wie die deutsche Regierung
mit einer gewissen Leichtfertigkeit die Stabilitätskrite-
rien von Maastricht ignoriert und verletzt. Sie fragen
sich mit Grauen, ob man in einem solchen Verbund nicht
möglicherweise verloren ist.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wünsche mir sehr, dass die schwedische Bevölke-

rung am Sonntag Ja sagt, damit wir die Euro-Zone er-
weitern und um Schweden verstärken können. Aber
wenn es am Sonntag ein Nein gibt, dann hat das – das
kann ich schon sagen – die Bundesregierung mit auf dem
Gewissen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Wofür wir weltweit alles verantwortlich sind, das ist Wahnsinn! – Uta Zapf [SPD]: Hitzewelle!)


– Die freudig erregten Zwischenrufe aus der SPD-Frak-
tion möchte ich gerne einmal aufgreifen: Natürlich ist
Deutschland als das größte Land in der Euro-Zone in ho-
hem Maße für den Euro verantwortlich. Es ist geradezu
eine Ironie der Geschichte, dass das Land, das 1997 den
Stabilitätspakt erwirkt hat, dasjenige ist, das diesen als
erstes massiv und dauerhaft verletzt. Ich meine, das
muss uns doch alle erschrecken. Anstatt solche Zwi-
schenrufe zu machen, sollten Sie lieber sagen: Da ist
wirklich eine Korrektur fällig. – Es ist ein Drama, dass
Rot-Grün es geschafft hat, Deutschland in wenigen Jah-
ren von einem Hort der Stabilität zu einem Verletzer des
Stabilitätspakts zu machen.


(Gernot Erler [SPD]: Schlagen Sie doch einmal etwas vor!)


Die Haushaltsdebatte ist die erste Möglichkeit, hier
auf die Ergebnisse des Brüsseler Konvents zu reagie-
ren und sie zu würdigen. Ich freue mich, dass der Kol-
lege Altmaier bei uns ist, der uns – wie Jürgen Meyer –
in allen Sitzungen des Europaausschusses über die Ar-
beiten unterrichtet und uns intensiv am Prozess beteiligt
hat. Ich glaube, es ist eine große Leistung, dass Parla-
mentarier und Regierungsvertreter aus 28 Staaten ein
solches Werk geschaffen haben und nun ein Vorschlag
für eine europäische Verfassung vorliegt. In der Gesamt-
bewertung komme ich zu einem positiven Urteil. Die
Verschmelzung der bestehenden Verträge ist geglückt.
Die Aufnahme der Grundrechtecharta ist richtig. Es ist
eine klare Normenhierarchie entwickelt worden. Die
Entscheidungsverfahren sind transparenter und die Ab-
stimmungsregeln demokratischer.


(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)


– Der Bundesaußenminister, der sich in der zweiten
Hälfte dieses Konvents ja auch sehr intensiv beteiligt
hat, fordert mich, gewissermaßen von der Bank aus, auf,
ich solle doch noch etwas Freundliches zu ihm sagen.
Sie haben sich nach meinem Geschmack etwas zu mas-

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(C (D iv um die Entwicklung des europäischen diplomatichen Dienstes – Schaffung einer Flugbereitschaft usw. – ekümmert. Deswegen sind in der letzten Runde einige ndere wichtige deutsche Anliegen auf der Strecke gelieben, wie etwa die Klarstellung der Binnenmarktklauel, die Wünsche der Europäischen Zentralbank oder ber die Abwehr der im letzten Moment eingefügten Geetzgebungskompetenz der Europäischen Union für die aseinsvorsorge. Es bleibt ein Mangel der neuen Verfasung, dass die Verantwortung des Menschen vor Gott nd der ausdrückliche Bezug auf das christliche Erbe uropas keinen rechten Platz fanden. Gleichwohl müssen wir natürlich entscheiden, wie es eitergeht. Ich halte es für richtig, dass man den Versuch nternimmt, den gefundenen Kompromiss zu verteidien und als Verfassung durchzubringen. enn dieses Paket allerdings wieder aufgeschnürt weren sollte – wir haben schon viele Änderungswünsche ehört –, dann erwarten wir natürlich, dass unsere Krikpunkte in diesen Prozess eingehen. Ein letzter Punkt, Herr Präsident. Es geht in Zukunft och stärker um die Rechte des Deutschen Bundestages. er Verfassungsentwurf sieht vor, dass der Europäische at jene Bereiche, die bisher der Einstimmigkeit unterlaen, in das Mehrheitsprinzip überführen kann. Wir woln deshalb im Ratifizierungsgesetz sicherstellen, dass er Deutsche Bundestag beteiligt wird, bevor der Buneskanzler für unser Land in einer solchen Frage eine ntscheidung trifft. Es handelt sich um eine Änderung er EU-Verfassung. Daher ist es wichtig, dass der Deutche Bundestag seine Rechte wahrt. Wir erwarten von er Regierung hierzu konstruktive Vorschläge. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Gloser, PD-Fraktion. Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! ieber Kollege Hintze, wenn Sie schon die Behauptung ufstellen, die Bundesregierung sei schuld daran, dass es u diesen Veranstaltungen in Wien und Prag gekommen st, dann hätten Sie Belege dafür anführen müssen. Die rage, wofür diese Bundesregierung noch alles verantortlich sein soll, ist natürlich berechtigt. Man kann es ich ja so einfach machen. Wir sollten diese Dinge, wie s in den Debattenbeiträgen heute Vormittag schon der all war – ich rechne den Beitrag von Herrn Glos ausrücklich nicht dazu –, etwas differenzierter betrachten. ach der sehr fruchtbaren Diskussion im Europaauschuss hatte ich eigentlich geglaubt, dass Sie heute nicht infach undifferenziert Behauptungen in den Raum stelen. Darauf komme ich noch zurück. Für die Öffentlichkeit war es wichtig, zu erfahren, ass wir vor einigen Wochen im Deutschen Bundestag Günter Gloser nahezu einstimmig das Ratifizierungsgesetz zum Beitritt von zehn Staaten verabschiedet haben. Das war ein sehr gutes Signal, das vom Deutschen Bundestag ausgegangen ist. Große Übereinstimmung gab es auch in der Beurteilung der Ergebnisse des Konvents. Es muss einmal gesagt werden – von mir wird das eher erwartet als von Ihnen –, dass die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition in der Tat in diesem Bereich die Weichen gestellt haben. Zum einen wurden Hindernisse in Bezug auf den Beitrittsprozess beiseite geräumt und zum anderen wurde der Anstoß gegeben, aus den Fehlern von Nizza die Konsequenzen zu ziehen und einen Konvent einzuberufen. Auch das sollte an dieser Stelle einmal herausgestellt werden. (Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
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Günter Gloser (SPD):
Rede ID: ID1505907300

(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


Das Leitmotiv von Nizza hieß Vertiefung und Erwei-
terung. Wir alle wissen, dass wir dieses Ziel auf dieser
Regierungskonferenz nicht erreicht haben. Die Frage
war, wie man dieses Ziel auf andere Weise erreichen
konnte. Die Antwort auf diese Frage war die Einberu-
fung des Konvents. Nun stellt sich die Frage – eine Ant-
wort darauf ist auch Herr Hintze schuldig geblieben –,
wie wir mit diesem Ergebnis umgehen. Sie haben gesagt,
man sollte möglichst bei diesem Ergebnis bleiben und
alles so belassen. So lautete auch Ihre Aussage im Aus-
schuss.

Aber wie verhält sich die Union insgesamt, also CDU
und CSU, dazu? Sie sind doch eine Fraktionsgemein-
schaft. Gestern sagte der bayerische Ministerpräsident,
Bayern wolle neu verhandeln. Zunächst einmal der ganz
formale Einwand: Bayern kann nicht verhandeln. Bay-
ern ist zwar größer als Estland und andere Länder; trotz-
dem verhandelt Bayern nicht. Natürlich wird die Bun-
desregierung Einwände, Anregungen und Anstöße der
Bundesländer aufnehmen. Das ist auch richtig so. Aber
die Nachverhandlungen, die Herr Stoiber fordert, kann
es nicht geben. Er will das Paket sozusagen aufschnüren.
Aber er macht keine Vorschläge, wie man es wieder zu-
schnüren kann. Ich sage ganz deutlich: Die Union aus
CDU und CSU sollte sich erst einmal darüber einig wer-
den, wie sie mit dem Paket umgehen will. Am besten
würde sie Ihren Vorschlag, Herr Hintze, aufgreifen, das
Paket nicht mehr aufzuschnüren; denn ich glaube, dass
der Konvent eine gute Arbeit geleistet hat.


(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Herr Stoiber sagt, man könne nicht erwarten, dass die
Teilnehmer dieser Regierungskonferenz, die Staats- und
Regierungschefs, nur wie Notare handeln. Was soll diese
Feststellung eigentlich? War es nicht vielmehr so, dass
in der Vergangenheit wir Parlamentarier uns als Notare
verstanden haben, weil wir an den Ergebnissen, die auf
Regierungskonferenzen erarbeitet worden waren, nichts
mehr ändern konnten? Demgegenüber hat dieser Kon-
vent jetzt auf demokratische Weise einen Verfassungs-
entwurf erarbeitet, unter Beteiligung von Parlamentari-
ern und von Regierungsvertretern – aus kleinen und

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(C (D roßen, aus alten und neuen Mitgliedsländern – sowie on Vertretern der Kommission. Warum sagt Herr toiber plötzlich, er wolle nicht nur Notar spielen? Herr toiber spielt ihn schon gar nicht. Wenn, dann ist es unere Regierung. Aber die Regierung hat deutliche Zeihen gegeben: Wir wollen dieses Paket nicht aufschnüen. Darin werden die SPD und, wie ich denke, auch ündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung unterstüten. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Vor diesem Hintergrund möchte ich ein – nicht über-
aschendes – Signal an die vielen Länder geben, die im
ahre 2004 beitreten wollen. Man hört jetzt Kritik aus
rag und aus Wien. Wir haben mit diesen Ländern im
uswärtigen Ausschuss und in anderen Fachausschüs-
en, in Arbeitsgruppen und auf europäischer Ebene ei-
en intensiven Dialog geführt, wie es sich gehört.
Auch wir haben diesen Prozess mitgemacht. Auf der

inen Seite ist es völlig legitim, ein nationalstaatliches,
itgliedschaftliches Interesse zu formulieren. Auf der
nderen Seite steht das europäische Interesse. Wir alle
ragen sozusagen einen Doppelhut. Irgendwann muss ich
ber entscheiden, welcher Hut mir wichtiger ist. Die Ver-
ntwortung für Europa muss wichtiger sein als das allei-
ige mitgliedschaftliche Interesse. Das sollten wir in den
ächsten Wochen noch intensiv mit unseren Kolleginnen
nd Kollegen aus den Beitrittsländern diskutieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will darauf nicht im Einzelnen eingehen; das wird
ie Kollegin Zapf noch tun. Aber es ist interessant, wie
or dem Hintergrund des Wahlkampfes in Bayern be-
timmte Themen aus dem Hut gezaubert werden. Aber
an sollte nicht nur mit Blick auf den 21. September
ieses Jahres handeln.

Für mich ist klar, dass die Europäische Union keine
Religionsgemeinschaft im klassischen Sinne des
Wortes ist. Für mich ist klar, um das mal salopp zu
formulieren, dass die Europäische Union kein
Christenverein ist.


(Beifall der Abg. Uta Zapf [SPD])

Für mich macht die Vorstellung an sich auch Sinn,
dass wir ein islamisches Land von der Größe, der
Bevölkerungsdichte der Türkei in die Europäische
Union integrieren, um uns selbst und der Welt zu
zeigen, dass das machbar ist, dass Menschen unter-
schiedlicher religiöser Ausprägung sehr gut mitein-
ander in einer von integrationsweiterführenden
Ambitionen getragenen europäischen Konstruktion
zusammenleben können.

ie stellt sich die Union dazu? Diese Aussage stammt
on Jean-Claude Juncker. Soviel ich weiß, ist auch er
itglied der christlich-sozialen Volkspartei.
Ohne Zweifel kann man über viele Dinge streiten.
ber sowohl vom Kollegen Dr. Schäuble als auch vom
ollegen Hintze erwarte ich eine etwas differenziertere






(A) )



(B) )


Günter Gloser

Betrachtungsweise. Dass meine bayerischen Freunde
von der CSU immer mit der Holzhammermethode kom-
men, ist schon klar. Darauf will ich nicht mehr viel ge-
ben. Das liegt quasi in ihren Genen. Die können nicht
mehr anders.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die wollen einfach immer nur draufhauen. Sie wollen
vor allem immer Befürchtungen schüren, die überhaupt
nicht anstehen.

Auch Herr Dr. Schäuble hat heute wieder vor dem
Parlament den Eindruck erweckt, als stehe im nächsten
Jahr der Beitritt der Türkei zur Europäischen Union an.
Das ist überhaupt nicht der Fall. Sie wissen doch viel
besser, dass die Europäische Union im nächsten Jahr erst
einmal darüber entscheiden wird, ob überhaupt Beitritts-
verhandlungen aufgenommen werden. Wie lange diese
dauern, wissen wir. Was umgesetzt werden muss, wissen
wir auch. Insofern sollte auch von der Union eine etwas
differenziertere Betrachtung kommen.

Ich will den Kollegen aus der CDU/CSU-Fraktion
nicht erwähnen – sonst hat er vielleicht nur Schaden –,
der für eine differenziertere Betrachtungsweise eintritt.
Darüber bin ich froh. Es gibt auch eine Arbeitsgruppe in
der CDU, die sagt: Wir müssen mit dem Thema umge-
hen, aber differenzierter. – Warum dann immer vor der
Öffentlichkeit diese undifferenzierte Art und Weise, die-
ses kurzfristige Spielchen, dieses Angsteinjagen vor ei-
nem Wahltermin – als ob die Türken wieder vor Wien lä-
gen?

Liebe Kolleginnen und Kollegen vor allem von der
CSU, Sie sollten endlich Ihren Kurs ändern.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Wenn Sie schon für Aufklärung sind, dann können wir
sie in der Tat in der Debatte betreiben. Frau Merkel sagt
dem türkischen Ministerpräsidenten: Nein, wir möchten
natürlich nicht diesen Wahlkampf missbrauchen. Von
der Union aus München höre ich etwas ganz anderes.

Einer der gestrigen Vorwürfe aus München lautete,
Rot-Grün sei schuld daran, dass keine öffentliche De-
batte über die europäische Verfassung geführt werde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dann lasst uns in den
nächsten Monaten bis Mai/Juni 2004 eine Debatte über
diese europäische Verfassung führen! Sie muss mögli-
cherweise in folgenden Punkten fortentwickelt werden:
Was heißt das für die nationalstaatliche Ebene? Was
heißt das für die Außenbeziehungen? Man kann das aber
nicht immer auf diese dumpfe, dreiste Art machen, auf
die es der vermeintliche Alpenherkules, Herr Stoiber,
machen will.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich würde dafür plädieren, dass wir, wie schon in den
letzten Wochen und Monaten, auch durch die Bundesre-
gierung einen intensiven Dialog über den Fortgang der
Regierungskonferenz führen. Wir haben uns, denke
ich, eindeutig – auch was den Zeitplan angeht – über die

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(C (D arteigrenzen hinweg verständigt. Es wäre gut, wenn die egierungskonferenz in diesem Jahr, unter italienischer atspräsidentschaft, über den Verfassungsentwurf entcheiden könnte, damit er dann auch den Parlamenten ugeleitet werden kann. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505907400

Ich erteile dem Kollegen Gerd Müller, CDU/CSU-

raktion, das Wort.

Dr. Gerd Müller (CSU):
Rede ID: ID1505907500

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Her-

en! Als ich die Rede des Bundesaußenministers gehört
abe, konnte ich feststellen: Vieles ist sehr richtig und
indet unsere Zustimmung – insbesondere seine Ankün-
igung, das Verhältnis zu Amerika zur Grundlage der
ußen- und Sicherheitspolitik zu machen. Viele interna-
ionale Fragestellungen sowie die großen Probleme in
er Wirtschaft, in der Sozial-, in der Klimapolitik, aber
nsbesondere auch bei der Terrorismusbekämpfung kön-
en wir nur auf der Basis eines guten transatlantischen,
uropäisch-amerikanischen Freundschaftsverhältnisses
ngehen. Darin stimmen wir Ihnen hundertprozentig zu.
Herr Bundesaußenminister, als Sie Ihre Ausführungen

um Thema Wahlkampf gemacht haben – nach dem
otto „Naja, da ist man halt ein Stück weit bereit, über
as Ziel hinauszuschießen“ –, habe ich eine Zeit lang ge-
acht: Jetzt zeigt der Mann Charakter. Heute früh hat der
undeskanzler beim Thema Rente seinen Fehler einge-
tanden. Wenn Sie, wie der Bundeskanzler, Ihren Fehler
ingestanden und gesagt hätten, dass der deutsche Son-
erweg einer Vorfestlegung in der Irakfrage auf einer
ahlkampfkundgebung falsch war, dann hätten Sie Cha-

akter gezeigt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Es war richtig, dass er das gemacht hat!)


o sind wir jetzt in einer Situation, in der es heißt – so
in Sprecher des Auswärtigen Amtes –: Es kann nicht
usgeschlossen werden, dass es bei der nächsten UN-
ollversammlung zu einem Händedruck zwischen dem
eutschen Bundeskanzler und dem US-Präsidenten
ommt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Ist ja toll!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir rufen

hnen zu: Bringen Sie das deutsch-amerikanische Ver-
ältnis schnell wieder in Ordnung. Wir wollen Sie dabei
nterstützen.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lothar Mark [SPD]: Dazu gehören zwei Seiten!)


In der Außen- und Europapolitik ist das grundlegende
rinzip das Vertrauen der Partner zueinander. Sie haben
m transatlantischen Verhältnis und im europäischen
innenverhältnis – darauf komme ich noch zurück – viel






(A) )



(B) )


Dr. Gerd Müller

davon zerstört. Herr Gloser, bei den früheren Bundesre-
gierungen war es auch so, dass es in der Außenpolitik
Vertrauen im Parlament gab. Ihre Auslassungen, Herr
Fischer, zur gestrigen Sitzung des Auswärtigen Aus-
schusses und der Versuch, den Kollegen Schäuble hier
vorzuführen, weil er nicht da war – er war in Paris und
hat dort Gespräche geführt –, entsprachen nicht dem
Verlauf der Sitzung. Auch darauf komme ich noch ein-
mal zu sprechen.

Wir müssen Europa vereinen, nicht spalten. Sie spalten.
Auch innerhalb von Europa ist es Ihnen gelungen, Ver-
trauen zu zerstören. Der Kollege Hintze hat darauf auf-
merksam gemacht. Der „Pralinengipfel“ mit Belgien und
Luxemburg – eine europäische Sicherheitsinitiative –, die
Neuauflage des Achsendenkens – Paris–Berlin–Moskau –,


(Peter Hintze [CDU/CSU]: Peking!)

Ihr Verhalten gegenüber Österreich und das Urlaubsthea-
ter des Bundeskanzlers gegenüber Italien:


(Lothar Mark [SPD]: Sagen Sie mal was zu Berlusconi!)


All diese Aktionen zerstören Vertrauen, insbesondere
das Vertrauen unserer kleinen EU-Mitgliedspartner in
Deutschland.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Deshalb ist die EU tief verunsichert. Es geht ein Riss
durch die Staatengemeinschaft.

Der Verfassungsentwurf ist eine gute Grundlage für
die Regierungskonferenz. Wenn ich diesen Entwurf aber
an Ihrer Rede in der Humboldt-Universität messe, für
die Sie sich ja schon den Nobelpreis zuschreiben lassen
wollten – als freier Bürger –,


(Uta Zapf [SPD]: Ist doch was Gutes!)

dann bin ich doch einigermaßen enttäuscht. Es kommt
nicht von ungefähr, dass Sie selber acht Tage vor der
Schlussberatung 56 Änderungsanträge in den Konvent
eingebracht haben.

Meine Damen und Herren, in welcher Demokratie le-
ben wir eigentlich? Die Bundesregierung und der Bun-
desaußenminister, der Spontidemokrat der früheren Jahr-
zehnte, wollen uns, dem Parlament, verbieten, mit dem
Volk in Dialog zu treten und dieses Verfassungswerk of-
fen zu diskutieren. Demokratie heißt doch Dialog mit
dem Bürger und nicht Geheimdiplomatie des Außenmi-
nisters. Deshalb müssen wir, wenn wir beim Bürger Ak-
zeptanz für den europäischen Verfassungsprozess erhal-
ten wollen, den Dialog, das Gespräch und die Öffnung
suchen. Man kann doch ganz offen miteinander reden.

Es gibt natürlich noch offene Fragen. Darauf möchten
wir hinweisen. 15 Mitgliedstaaten haben Änderungsbe-
darf angekündigt. Deutschland dagegen sagt Nein, es
werde das Paket nicht aufmachen. Es werde darüber
nicht gesprochen, weder im Parlament noch in der Öf-
fentlichkeit. Geschweige denn, dass eine Volksabstim-
mung stattfinden werde.

Brüssel bekommt gewaltige Macht. Die Bürger kön-
nen das in der Praxis anhand des neuesten EuGH-Urteils

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(C (D achvollziehen, nach dem 15 000 Ärzte zusätzlich einestellt werden müssen. Grund ist die Auslegung der Areitsrechtrichtlinien. Mit dem neuen Verfassungsentwurf ibt es so gut wie keinen Politikbereich – ich nenne nur ie Bereiche Kultur, Zivilschutz, Sport, Wirtschaftspoliik, Kompetenz für Zuwanderung, Daseinsvorsorge und ozialpolitik –, in dem die EU zukünftig nicht auschließliche oder konkurrierende Zuständigkeiten hat. as war nicht das ursprüngliche Ziel des Schäubleocklet-Entwurfes. Wir haben ein geschlossenes Geamtkonzept mit einer klaren Kompetenzabgrenzung er verschiedenen Ebenen vorgelegt. Wir sind der Meiung, dass in den Verhandlungsprozess an bestimmten unkten, die ich zum Teil genannt habe, durchaus deutche Positionen eingebracht werden müssten. Ich nenne ls Beispiel noch einmal die Daseinsvorsorge. Hierbei aben Sie uns im Europaausschuss im Übrigen ausrücklich unterstützt. Dass Sie das christliche Wertefundament Europas und inen Gottesbezug leugnen, das ist keine Überraschung. ass Sie sich mit aller Kraft für die Aufnahme der Türei stark machen, das ist auch keine Überraschung. Herr loser, das ist aber kein Wahlkampfthema. Ich verstehe die Erregung nicht. Ich komme gerade aus iner Diskussionsrunde mit türkischen Professoren. it den Türken kann man diese Frage viel vernünftiger iskutieren als mit der SPD-Bundestagsfraktion. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


(Zurufe von der SPD)


(Uta Zapf [SPD]: Ganz normale Menschen!)


In der Türkei wird durchaus der Standpunkt vertreten,
ass dieser Prozess aus türkischer Sicht auch kritisch zu
ewerten ist. Zum Beispiel müssten aufgrund des
uGH-Urteils die Arbeitsrechtrichtlinien auch in der
ürkei in den dortigen Krankenhäusern umgesetzt wer-
en. Angesichts dessen möchte ich die Frage stellen, ob
er acquis communautaire, diese 40 000 Gesetze und
erordnungen, die wir in 45 Jahren in Europa entwickelt
aben, aus heutiger Sicht wirklich die Antwort auf die
ragen bezüglich der Entwicklung der Türkei in dem
ommenden Jahrhundert ist. Ich bin der Meinung, dass
r das nicht ist. Wir müssen an dieser Frage weiterarbei-
en. Deswegen sagen wir Nein zur Aufnahme, bieten der
ürkei aber eine privilegierte Partnerschaft, eine Zusam-
enarbeit auf allen Feldern an.
Im Rahmen der Haushaltsdebatte gäbe es noch viel in

er Europapolitik anzumahnen. Wir treiben die Ost-
rweiterung weiter voran. Es gibt jedoch kein Konzept
ur Förderung der deutschen Grenzregionen, obwohl das
on Bundeskanzler Schröder in Weiden groß verkündet
urde. Es gibt keine Reform des Finanzsystems. Es gibt
eine Reform der Strukturförderung. Wir haben eine
öllig unzureichende Haushaltskontrolle. Ihre grüne EU-
ommissarin erhält vom Europäischen Rechnungshof
icht ein einziges Jahr das Testat der Zuverlässigkeit der
echnungsführung. Das muss man sich einmal vorstel-
en! Für 10 Prozent der europäischen Ausgaben im EU-






(A) )



(B) )


Dr. Gerd Müller

Haushalt gibt es nicht einmal einen Verwendungsnach-
weis; und das unter Verantwortung einer grünen EU-
Haushaltskommissarin. Das ist ein echter Skandal, den
in Europa niemand wahrnimmt. Es scheint keine Rolle
zu spielen.

Einige Schlussbemerkungen zum Thema Auslands-
einsätze der Bundeswehr: Wir teilen hier die von
Wolfgang Schäuble vorgetragenen Positionen. Ich habe
nicht ausreichend Zeit, Einzelheiten zu vertiefen.


(Uta Zapf [SPD]: Gott sei Dank!)

Vor einer Zustimmung müssen Sie uns aber natürlich

noch entscheidende Fragen beantworten. Der Bürger
möchte ein Gesamtkonzept. Welches ist die nationale In-
teressenlage? Können unsere Soldaten die Belastungen
überhaupt noch tragen? Terrorismusbekämpfung ist das
wohl nicht in Kunduz. Drogenbekämpfung oder Be-
kämpfung der Drogenbosse ist es ja wohl auch nicht. Für
humanitäre Hilfe werden die Soldaten nicht gebraucht.

Ich zitiere die „Berliner Zeitung“: „Wir werden miss-
braucht für eine Politik der militärischen Symbolik“.
Ferner sagt Ulrich Delius von der Gesellschaft für be-
drohte Völker, „das eigentliche Ziel der Stationierung
deutscher Truppen in Kunduz sei die Verbesserung der
Beziehungen zu den USA“. Er nennt den Einsatz „ein
idiotisches Konzept“. Ich nenne es kein idiotisches Kon-
zept; denn ich sehe noch kein Konzept. Sie sind uns hier
die Antworten auf die von Herrn Schäuble angemahnten
Fragen schuldig geblieben. Dieser jetzt angestrebte Af-
ghanistan-Einsatz darf aber kein Kompensationsgeschäft
für eine Verweigerung im Irak sein. Er muss in sich sel-
ber logisch begründet sein. Nur dann können Sie von uns
eine Zustimmung erhalten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505907600

Ich erteile das Wort der Kollegin Uta Zapf, SPD-

Fraktion.


Uta Zapf (SPD):
Rede ID: ID1505907700

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die

Ost-West-Konfrontation ist vorbei, aber Frieden will
sich überhaupt nicht einstellen. Wir haben es mit neuen
Bedrohungen vielfältiger Art zu tun. Wir haben dies
heute schon alles angesprochen: instabile, zerfallene
Staaten, Proliferation von Massenvernichtungswaffen,
internationaler Terrorismus. Wir haben es zunehmend
mit asymmetrischen Kriegen zu tun, mit nicht staatli-
chen Akteuren und mit Terroranschlägen. Der Krieg ist
im ehemaligen Jugoslawien nach Europa zurückgekehrt.

Wir und alle Institutionen, sowohl die EU als auch die
NATO und auch die UN, haben unsere Lektionen aus
diesen Konflikten gelernt oder müssen sie dringend ler-
nen. Ich glaube, eine der wichtigsten Erkenntnisse heißt,
dass wir Stabilität nur schaffen können, indem wir Inte-
gration und Kooperation auf nationaler und internatio-
naler Ebene betreiben.

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(C (D (Beifall des Abg. Gert Weisskirchen [Wiesloch] [SPD])


Dies zeigt sich doch zum Beispiel an der Institution
ATO und deren Erweiterung aus stabilitätspolitischen
ründen. Dies zeigt sich an der EU und ihrer Erweite-
ung aus stabilitätspolitischen Gründen; das ist unter an-
erem aber auch ein wichtiges Argument. Das zeigt sich
m Balkan und dem Stabilitätspakt bzw. den Stabilitäts-
nd Assoziationsabkommen mit der Perspektive, in die
uropäischen Institutionen integriert zu werden, um dort
tabilität zu bewirken. Deshalb, Kollege Schäuble, ver-
tehe ich nicht, warum Sie dieser Regierung einen leicht-
ertigen Umgang mit dem Stabilitätspakt unter der Prä-
isse vorwerfen, dass man Europa schwäche, wenn man
u vielen die Perspektive des Beitritts signalisiere.
Ich vermute allerdings, liebe Kolleginnen und Kolle-

en von der Opposition, die Sie sich so vehement an die-
er Stelle äußern, dass Sie sich vor allen Dingen auf den
eitritt der Türkei beziehen. Das haben die Kollegen
chäuble, Glos, Hintze und jetzt auch noch einmal der
ollege Müller entsprechend vorgeführt. Ich möchte
ann einmal darum bitten, dass Sie in Bezug auf die
rage nach der Integration der Türkei in die Europäische
nion ein bisschen geschichtsbewusst denken.


(Beifall des Abg. Lothar Mark [SPD])

Seit 1993 läuft ein Prozess der Annäherung der Tür-

ei an die EU mit vielen Versprechen,

(Lothar Mark [SPD]: Die von der CDU stam men!)

ie jetzt plötzlich nicht mehr wahr sein sollen. Auch die
egierung Kohl hat sich ausdrücklich für eine Integra-
ion der EU eingesetzt.


(Lothar Mark [SPD]: Genau so ist es! – Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Nicht als Vollmitglied)


Was passiert jetzt? Herr Glos hat heute früh auf unge-
euer subtile Art eine Xenophobie mit dem Argument
eschürt, die Türkenflut stehe vor der Tür.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

erade eben haben wir das auch noch einmal bei Herrn
intze erlebt. Ich halte das für eine unerhörte Diskussion
nd empfehle Ihnen zwei Dinge: Zum einen empfehle
ch Ihnen das kurze Papier des deutsch-türkischen Fo-
ums Ihrer eigenen Partei, der CDU, in dem mit sehr ver-
ünftigen Argumenten, auch stabilitäts- und sicherheits-
olitischen Argumenten, Erwägungen zum Beitritt der
ürkei in die EU angestellt werden.
Zum anderen empfehle ich Ihnen einen Blick in die

ortschrittsberichte bzw. in die Berichte über die Refor-
en, die die Türkei in den letzten zwei Jahren mit einer
roßen Vehemenz und mit einem Erfolg betrieben hat,
er unterstützt und nicht konterkariert gehört.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


an ist das Problem der Folter mutig angegangen; das
aben wir immer verlangt. Daneben haben wir immer






(A) )



(B) )


Uta Zapf

verlangt, dass das Militär politisch kontrolliert wird.
Amnesty International und die anderen Menschenrechts-
organisationen sagen, dass das alles in der Praxis noch
nicht in dem Maße, wie wir es verlangen, unten ange-
kommen ist. Wir erwarten ja auch nicht, dass dieser Pro-
zess bereits morgen abgeschlossen ist. Jetzt müssen erst
einmal die politischen Kriterien, die Kopenhagener Kri-
terien, erfüllt werden. Wir sollten die Türkei unterstüt-
zen, sodass die Umsetzung ihrer Vorhaben dort auch ge-
lingt, und es nicht zu einem Prozess der Entmutigung
kommen lassen. Die Türkei hat die Schwächen selbst er-
kannt. Wenn Sie mit Herrn Erdogan gesprochen hätten,
dann wüssten Sie, dass er selbst sagt, dass noch nicht al-
les implementiert ist, dass sie das aber implementieren
werden.

Werfen Sie einen Blick auf die gesamte Geschichte
der Türkei in den letzten 70 Jahren. Dies ist ein islami-
sches Land mit einer Westorientierung und einem laizis-
tischen System. Da wir die Austarierung mit den islami-
schen Staaten suchen, sind wir gut beraten, die Türkei
als einen ganz engen Partner zu gewinnen, um diese Pro-
bleme, die bis hin zum Terrorismus reichen, zu bewälti-
gen.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sollen wir Israel auch aufnehmen?)


Wir werden diese Diskussion noch weiter führen müs-
sen; das sehe ich auch so.

In den letzten paar Minuten, die ich für meine Rede
noch habe, möchte ich noch ein paar Dinge zu anderen
politischen Themen sagen, die für die zukünftige Ent-
wicklung unserer Sicherheitspolitik eine Rolle spielen.

Ich bedauere es wirklich sehr, dass das Gesamtkon-
zept der Außen- und Sicherheitspolitik dieser Bundes-
regierung offensichtlich nicht wahrgenommen wird. Wir
diskutieren über bestimmte Teile. Es gibt aber immer
wieder Missverständnisse oder auch Nichtkenntnis. Des-
halb empfehle ich allen Kolleginnen und Kollegen die
Lektüre des vom Bundessicherheitsrat am 28. Juni die-
ses Jahres abgesegneten Gesamtkonzepts zur zivilen
Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsoli-
dierung.

Ich glaube, wenn wir die Dinge auf der militärischen
Seite und die zivilen Konzepte endlich einmal als ein
Gesamtkonzept betrachten, dann werden wir auch in an-
deren Dingen nicht mehr so stark differieren.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sagen Sie das doch einmal den drei betroffenen Ministerien, die gegeneinander arbeiten!)


– Das ist doch überhaupt nicht wahr.
Herr Fischer hat heute früh ausdrücklich gesagt, dass

bei der akuten Bekämpfung des internationalen Terro-
rismus auch militärische Instrumente benötigt werden.


(Dr. Gerd Müller [CDU/CSU]: Sie haben ja nicht einmal die Mittel dafür!)


Es gab eine große internationale Einigkeit bezüglich der
UN-Resolution in dieser Frage und darüber, dass Mas-

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(C (D envernichtungswaffen eine Bedrohung darstellen und ass die Verhütung von Proliferation eine der wichtigen ukunftsaufgaben für uns ist. Wir sind uns darüber eiig, dass wir alle uns dort engagieren müssen. Es gibt aber keinen Konsens über die Strategien, In trumente und Prioritäten. Wir plädieren dafür, multilaeral zu arbeiten, wenn man diese Gefährdungen bewäligen will. Man muss die staatlichen Akteure mit ultilateralen Abkommen erreichen. Wir wissen allerings auch, dass die nicht staatlichen Akteure mit andeen Maßnahmen erreicht werden müssen. Abrüstung, Rüstungskontrolle und Abrüstungshilfe ind wichtige Stichpunkte, wenn wir darüber reden, wie ir die Proliferation von Massenvernichtungswaffen erhindern können. Wir müssen in diesem Bereich zu eiem Konsens zurückkommen. Ich möchte noch einmal rwähnen, dass ich die globale Partnerschaft der G 8 für ine wichtige Aktion halte, um die Proliferation an nicht taatliche Akteure zu verhindern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Gesamtkonzept er Bundesregierung heißt Prävention statt Präempion. Ich glaube, wir sind an einer Stelle angekommen, n der wir keinen internationalen Konsens mehr haben, n der wir diesen internationalen Konsens aber dringend uchen müssen, weil wir eine gemeinsame Bedrohungsnalyse und eine multilaterale Kooperation brauchen. as geht nur, wenn wir gemeinsame Strategien haben, ie wir auch gemeinsam umsetzen. Ansonsten kann weer für den Irak noch für Afghanistan eine Strategie ntwickelt werden, die in dieser Zeit der Diskussion urch den Aufbau von Institutionen ein innenpolitisch icheres Umfeld schafft, in dem Rechtsstaatlichkeit, enschenrechte und Demokratie gelten. Ein letztes Stichwort: Der Aufbau der Wirtschaft ist ringend erforderlich. Ich bin der tiefen Überzeugung, ass nur wirtschaftliche Teilhabe die den Konflikten zurunde liegenden Probleme beseitigen kann. Keiner darf on der wirtschaftlichen Teilhabe ausgeschlossen weren. Wenn wir Ursachenbekämpfung wollen, dann müsen wir auch an dieser Stelle ansetzen. Organisierte Kriinalität und Korruption sind wichtige Stichworte, die n ein sicherheitspolitisches Konzept hineingehören. Um diesen Punkt abzuschließen: Ich halte das Kon ept, das die Bundesregierung für Afghanistan vorgelegt at, für richtig, weil es die sicherheitspolitische Kompoente und den zivilen Aufbau zusammenbindet. Wir üssen uns bemühen, im Konsens mit den Vereinten ationen ein Konzept für den Irak zu finden. Wir alle ind darauf angewiesen, die Gefahren, die uns sichereitspolitisch global drohen, gemeinsam zu bekämpfen. Danke. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505907800

Ich erteile der Kollegin Petra Pau das Wort.






(A) )



(B) )



Petra Pau (DIE LINKE.):
Rede ID: ID1505907900

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Haushalt ist in Zahlen gegossene Politik, heißt es. Die
PDS im Bundestag hat sich deshalb die Teile besonders
angesehen, die sich mit Verteidigungs-, Außen- und Ent-
wicklungspolitik befassen. Ich komme daher gleich auf
die politischen Differenzen zu sprechen, die sich anhand
der Zahlen und auch heute in der Debatte zeigen.

CDU/CSU drängen auf einen in absoluten Zahlen
größeren Verteidigungshaushalt.


(Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/ CSU]: So ist es!)


Rot-Grün hat einen relativ, also im Verhältnis zu den an-
deren Posten größeren Verteidigungshaushalt vorgelegt.
Wir aber wollen einen kleineren Verteidigungshaus-
halt – absolut und auch relativ.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Dr. Karl A. Lamers [Heidelberg] [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)


Das ist der erste Grund, warum wir diesen Haushalt ab-
lehnen.

Nun gehöre ich nicht zu den Linken, die die Mittel im
Verteidigungshaushalt zigmal verteilen wollen, um alle
Übel dieser Welt zu bekämpfen. Das ändert aber nichts
an der Frage, wofür wir die Milliarden ausgeben, wäh-
rend sie zugleich an allen Ecken und Enden fehlen. Der
Bundesrechnungshof hat dieser Tage den Eurofighter
moniert, weil er nicht die versprochenen militärtechni-
schen Parameter erfülle. Ich kritisiere nicht die Parame-
ter des Eurofighters, sondern den Eurofighter an sich
und die Milliarden Euro an Steuergeldern, die dafür
sinnlos hinausgeworfen werden. Dieselbe Rechnung
ließe sich noch an weiteren Posten aufmachen. Das ist
der zweite Grund, warum wir diesen Haushalt ablehnen.

Nun möchte ich an eine Debatte erinnern, die wir hier
vor knapp einem Jahr geführt haben. Ich habe sie gut in
Erinnerung, weil der Kollege Schäuble von der CDU/
CSU-Fraktion dafür plädierte, Präventivkriege, also An-
griffskriege künftig nicht mehr auszuschließen, sondern
sich im Gegenteil darauf vorzubereiten. Das war eine
Bundestagspremiere. Ich erinnere mich auch deshalb so
gut an die Debatte, weil bei Rot-Grün plötzlich das
große Schweigen ausbrach, als hätte man nichts gehört.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Hier kann jeder erzählen, was er möchte! Es muss aber im Rahmen bleiben!)


Inzwischen wurde die Präventivkriegsoption über den
Umweg EU politisch manifestiert. Sie wird auch mit die-
sem Haushalt verfolgt. Herr Minister Fischer, Sie haben
kürzlich auf der Botschafterkonferenz gesagt, dass Sie
den Status quo nicht mehr akzeptieren können und ein
neues Kapitel deutscher Außenpolitik begonnen habe.
Ich stelle besorgt fest: Die Differenz, die es wegen des
Irakkrieges mit den USA gab, schmilzt.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos] – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Keine Spur!)


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(C (D ie Politik wird militarisiert, das Völkerrecht verbogen nd die Vernunft immer mehr vertrieben. Das muss in ie Sackgasse führen und dafür können Sie von der PDS eine Zustimmung erwarten, ganz im Gegenteil. (Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Ich habe gerade in aktuellen Agenturmeldungen gele-
en, Minister Struck wolle einen Voraustrupp der Bun-
eswehr nach Kunduz in Afghanistan schicken – völlig
hne Mandat, wohlgemerkt. Wo sind wir hier eigentlich:
m Bundestag oder im Tollhaus? Noch gilt das Grundge-
etz und es ist höchste Zeit, dass der Bundeskanzler und
er Herr Innenminister die Verfassung vor diesem Ver-
eidigungsminister schützen.


(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [fraktionslos])


Gegen diesen Militärgeist, gegen dieses neue Kapitel
eutscher Außenpolitik und gegen dieses neue Europa
aben in diesem Jahr Millionen Menschen demonstriert,
uch die PDS. Das ist der dritte Grund, warum wir die-
en Haushaltsteil ablehnen.
Es gibt eine Grundoption, die auch diesen Haushalt

rägt. Sie wollen im Marschkonzert der mächtigen Mili-
ärmächte wenigstens die zweite Tuba spielen und welt-
eit mit auf Tournee gehen. Das ist kein Geheimnis. Das
agen die geltenden Militärdoktrinen. Sie sind der vierte
rund, warum die PDS im Bundestag diesen Haushalts-
eil ablehnt.
Schließlich, haben Sie schon einmal verglichen, wie

iele Milliarden Sie für Rüstung, für Bundeswehr und
uslandseinsätze planen und wie wenig Geld für Kon-
liktforschung, Prävention, Entwicklungshilfe oder, wie
ie Kollegin Zapf eben in ihrem letzten Redeteil gesagt
at, Abrüstungshilfe? Die absolut ungleichen Zahlen
erraten die tatsächlichen Schwerpunkte Ihrer Politik.
ir finden sie grundfalsch. Das ist der fünfte Grund, wa-

um wir diesen Haushalt ablehnen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [frak tionslos])



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505908000

Ich erteile dem Kollegen Lothar Mark, SPD-Fraktion,

as Wort.


Lothar Mark (SPD):
Rede ID: ID1505908100

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!

iebe Kollegin Pau, ich muss zumindest darauf hinwei-
en, dass der Voraustrupp, den Sie ansprachen, durch das
SAF-Mandat abgedeckt ist. Deswegen gehen diese An-
chuldigungen ins Leere.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will zum Haushalt des Auswärtigen Amtes reden,
er heute auf der Tagesordnung steht. Es wurde sehr viel
ndirekt dazu gesagt.


(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr indirekt!)







(A) )



(B) )


Lothar Mark

Bei weltweit über 8 000 Beschäftigten einschließlich
Orts- und Sicherheitskräften weist der Haushalt des Aus-
wärtigen Amtes einen überdurchschnittlich hohen Per-
sonalkostenanteil auf. Mehr als ein Viertel des Haus-
halts des Auswärtigen Amtes ist durch Pflichtbeiträge an
internationale Organisationen mit durchlaufenden Pos-
ten gebunden. Zusammen mit den Ansätzen für instituti-
onelle Förderungen, ebenfalls überwiegend Personalaus-
gaben, besteht der Haushalt des AA zu über zwei
Dritteln aus rechtlich gebundenen Ausgaben und damit
nicht disponiblen Mitteln.

Der AA-Haushalt liegt im laufenden Jahr mit einem
Gesamtvolumen von 2,24 Milliarden Euro um 83 Millio-
nen Euro bzw. 3,9 Prozent über dem Ansatz von 2002.
Der Anteil am Gesamthaushalt stieg damit von 0,85 auf
0,90 Prozent. Ursachen hierfür waren in erster Linie die
Veranschlagung von bisher im Einzelplan 60 etatisierten
Mitteln aus dem Antiterrorpaket im Einzelplan 05 sowie
die Neuveranschlagung von Mitteln für das G-8-Pro-
gramm „Globale Partnerschaft“ zur Beseitigung ehema-
liger Massenvernichtungswaffen und -materialien.

Der Haushaltsentwurf 2004 führt allerdings für das
AA zu einer Absenkung um 2,1 Prozent. Somit steht ein
Volumen von 2,18 Milliarden Euro zur Verfügung. Das
sind 0,87 Prozent des Gesamthaushalts. Diese Reduktion
ist ohne substanzielle und strukturelle Veränderung mög-
lich, da alleine im Beitrag an die Vereinten Nationen
durch Änderung des Wechselkurses über 45 Millionen
Euro gegenüber 2003 eingespart werden können und das
Haus durch Kosten-Leistungs-Rechnung in wesentlichen
Teilen sehr effizient wirtschaftet.

Während das Deutsche Archäologische Institut einen
Aufwuchs erfährt, werden die Mittel für das Goethe-In-
stitut im In- und Ausland leicht gekürzt. Die Mittel für
Stipendien und den Schulfonds werden jedoch verstetigt.

Probleme sehe ich derzeit bei der Ausstattung der
Botschaften in der Programmarbeit, die – schon jetzt
auf niedrigem Niveau – von 1,37 Millionen Euro auf
0,65 Millionen Euro halbiert wurde, und im Bereich Fa-
cility Management. Jetzt nicht vorgenommene Instand-
setzungen, Reparaturen und Erneuerungen rächen sich
später mit einem immens hohen Kostenaufwand, wenn-
gleich ich mit großer Freude zur Kenntnis nehme, dass
der Titel für Liegenschaften im Ausland um fast 7 Mil-
lionen Euro erhöht wurde. Das heißt, an dieser Stelle
stimmt die Linie.

Über die Stellungnahme des Bundesrechnungshofes
zum Facility Management des Auswärtigen Amtes wird
an anderer Stelle zu reden sein. Allerdings steht das
Thema – wenn auch nicht unter diesem Begriff, sondern
dem des Liegenschaftsmanagements – schon seit min-
destens 20 Jahren auf der Agenda und tangiert sicherlich
fast alle Ministerien. Das AA hat sehr schnell auf den
Bericht reagiert und für Abhilfe gesorgt.

Im Entwurf zum Einzelplan 05 scheinen zwei redak-
tionelle Fehler vorzuliegen. Auf Seite 41 sind in dem
Haushaltstitel zu den Stipendienfonds eine Erhöhung um
87 000 Euro für die Konrad-Adenauer-Stiftung und eine

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(C (D bsenkung um 35 000 Euro für die Friedrich-Ebert-Stifung vorgesehen. (Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was sagt denn der Fischer dazu?)


ach dem Protokoll des Stiftungsgesprächs vom 12. Fe-
ruar 2003 müsste es umgekehrt sein. Ich denke, das ist
in Versehen; hier muss eine Korrektur erfolgen.
Eine zweite Korrektur muss auf Seite 20 vorgenom-
en werden. In den Erläuterungen zum Haushaltstitel
Demokratisierungs- und Ausstattungshilfe“ wird ange-
ührt, dass für Minenbeseitigungsprogramme 4,75 Mil-
onen Euro vorgesehen sind. Tatsächlich sind es aber
,75 Millionen Euro.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Schlampiger Druck!)


nter diesem Haushaltstitel sind 5 Millionen Euro für
ie Ausstattungshilfe vorgesehen und die restlichen Mit-
l stehen der Demokratisierungshilfe zur Verfügung.
Die Leistungen im Rahmen des Stabilitätspakts für

üdosteuropa betrugen 2003 47 Millionen Euro. Für
004 sind sie vermeintlich auf null gesetzt, aber tatsäch-
ch sind sie beim BMZ etatisiert und stehen ebenso wie
ie Mittel für die Afghanistanhilfe dem AA zur Verfü-
ung.
Kritisch ist aus meiner Sicht anzumerken, dass die
ittel für die aktuelle Konfliktbewältigung im Rahmen
er Vereinten Nationen aufgrund zunehmender interna-
onaler Einsätze und Verpflichtungen zwar stetig an-
achsen, die finanzielle Ausstattung der Krisenpräven-
on demgegenüber aber nicht in der Größenordnung
ächst, wie sie angemessen und nachhaltig wäre. Ich
enke, in diesem Bereich muss über neue Konzepte und
trategien nachgedacht werden, da ich fest davon über-
eugt bin, dass letztendlich eine intelligente und mit den
artnern abgestimmte Prävention kostengünstiger wäre,
ehr Probleme dauerhaft gelöst und militärische Kon-
likte eher verhindert werden könnten.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505908200

Lieber Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.


Lothar Mark (SPD):
Rede ID: ID1505908300

Ich sehe gerade, dass meine Redezeit leider abgelau-

en ist.
Ich möchte abschließend festhalten, dass ich sehr er-

reut darüber bin, dass im Haushalt des AA die gegensei-
ige Deckungsfähigkeit und Übertragbarkeit großenteils
rreicht worden ist und dass der Haushalt insgesamt so-
ide ist und von großem Verantwortungsbewusstsein des
A gegenüber dem Gesamthaushalt zeugt.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ich weiß nicht! Da sind doch lauter Druckfehler drin!)

eswegen kann man ihm sehr wohl zustimmen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)







(A) )



(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505908400

Ich erteile dem Kollegen Joachim Hörster, CDU/

CSU-Fraktion, das Wort.


Joachim Hörster (CDU):
Rede ID: ID1505908500

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich

möchte mich nicht wie mein Vorredner konkret zum
Haushalt äußern, sondern einige Aspekte streifen, die
vorhin schon angesprochen worden sind, allerdings nicht
so intensiv.

Der Kollege Gloser hat vorhin in seinem Beitrag aus-
geführt, wir würden über den Beitritt der Türkei reden,
als stünde er unmittelbar bevor und als müsste man sich
direkt damit auseinander setzen.


(Gernot Erler [SPD]: Da hat er Recht!)

Das ist zweifelsohne nicht so. Aber die Türkei ist ein
langjähriger treuer Verbündeter innerhalb der NATO, der
in den Zeiten des Kalten Krieges verlässlich an unserer
Seite gestanden hat. Deshalb sollte man ehrlich mit ihr
umgehen. Ich finde, zur Ehrlichkeit gehört, dass man der
Türkei sagt, dass sie kein europäisches Land ist. Auch
die innere Beschaffenheit der Türkei lässt nicht die Hoff-
nung zu, dass sie auf absehbare Zeit beitrittsfähig wird.
Es gibt hier eine Reihe von Brüchen.

In den letzten Wochen ist mit großer Genugtuung
festgestellt worden, dass der Einfluss des Militärs auf die
türkische Politik – angeblich – zurückgegangen sei. Ich
möchte darauf hinweisen, dass es gerade dem türkischen
Militär weitestgehend zu verdanken ist, dass die Türkei
noch heute ein laizistischer Staat ist; denn es hat in der
Geschichte der Türkei zweimal eingegriffen, um die
Übernahme durch Islamisten zu verhindern. Hier gibt es
einen Widerspruch: Um die Stabilität des Landes zu ge-
währleisten, braucht man einerseits das Militär mögli-
cherweise auch im Innern. Auf der anderen Seite wollen
wir natürlich eine von staatlicher Macht unbeeinflusste
Demokratie. Dieser Widerspruch wird sich auf die
Schnelle nicht lösen lassen. Das sollte man auch unseren
türkischen Verbündeten deutlich machen.

Ich möchte nicht auf die Widersprüche zwischen Pan-
zerverkäufen, Auslieferungen und der Wertegemein-
schaft der Europäischen Union hinweisen, die jedem ge-
radezu ins Auge springen, der sich mit diesem Thema
befasst.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist aber ein interessanter Hinweis!)


Aber ich möchte auf einen Punkt näher eingehen: Die
Türkei hat eine gemeinsame Grenze mit dem Irak. Wenn
man also die Türkei als Verbündeten und künftiges Mit-
glied der Europäischen Union für denkbar hält, dann
kann man sich nicht einem Beitrag zur Ordnung der Ver-
hältnisse im Irak verweigern; denn sonst würde man
beim türkischen Verbündeten für Unsicherheit sorgen.
Auch die Türkei braucht sichere Verhältnisse im Irak.
Aber in diesem Zusammenhang sind die Beziehungen
ebenfalls spannungsgeladen. Zu diesem Schluss kommt
man, wenn man daran denkt, wie sich die amerikanische
Administration und die türkische Regierung unter ande-

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(C (D em über die Fragen zerstritten haben, welchen Beitrag ie Türkei zum Einsatz im Irak leisten soll und welchen influss ein solcher Beitrag auf die Kurdenfrage haben ird. In Anbetracht aller Schwierigkeiten muss man eststellen, dass es keinen Indikator gibt, der auch nur nnähernd die Hoffnung aufkommen lässt, dass die Türei eine Chance hat, der Wertegemeinschaft der Europäichen Union anzugehören. Im Übrigen hat die Türkei – man muss sich nur die andkarte genau anschauen – eine völlig andere geopotische Aufgabe. Sie hat gemeinsame Grenzen mit dem ran – es besteht also die Möglichkeit, auf die Turkvöler einzuwirken – und mit Syrien, das noch immer zur o genannten Achse des Bösen gehört. Es gibt also überaupt keinen vernünftigen Ansatzpunkt, der es rechtferigt, die Europäische Union in diesem Bereich auszuwein. Die Notwendigkeit, die Verhältnisse im Irak vernünf g zu regeln, betrifft uns alle. Ich kann die Bundesregieung nur auffordern, sich der dortigen Mithilfe nicht zu erweigern. Ich bin kein Anhänger des militärischen eils unserer Hilfe. Aber ich bin der Auffassung, dass ir als Deutsche aufgrund unseres Ansehens in dieser egion einen wichtigen Beitrag zum Aufbau ziviler trukturen leisten können; denn man bringt uns Verrauen entgegen, und zwar nicht nur in den „normalen“ evölkerungsschichten, sondern auch in den gebildeten reisen. Da Deutschland keine ehemalige Kolonialder Hegemonialmacht ist, können wir beim Aufbau der ivilen Infrastruktur sehr viel leisten. Ich bin deswegen er Auffassung, dass es gut wäre, wenn die UNO – ich ersönlich halte die Weltorganisation nicht für ein Alleilmittel; wenn man sich anschaut, wie viele Demokraien im Sicherheitsrat vertreten sind, dann müsste man igentlich manches hinterfragen – ein Mandat für den iederaufbau im Irak erteilen würde und wenn sich eutschland zusammen mit der Europäischen Union im ahmen eines solchen Mandats am Wiederaufbau im rak beteiligen würde. Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass die Pro leme nicht alleine mit Soldaten gelöst werden können. enn die Menschen im Irak nicht sehen, dass die Leensverhältnisse nach dem Sturz von Saddam Hussein pürbar besser werden, wenn also die Friedensdividende usbleibt, dann wird es dort keinen Frieden geben. Das Problem Irak hängt mit dem Problem Naher Os en immanent zusammen. Ich sage das, auch wenn das on einer bestimmten Seite nicht so gern gehört wird. ine Lösung des Nahostproblems ist nach den Entwickngen der letzten Tage kaum mehr zu erreichen. Die oadmap scheint im Prinzip gescheitert zu sein. Das beühmte Quartett aus USA, Russland, der UNO und der uropäischen Union hat einen wunderbaren Fahrplan ufgestellt, um Frieden zwischen Israelis und Palästinenern zu erreichen und um den Weg zu einem selbststänigen palästinensischen Staat bei gleichzeitiger Sichereit für Israel – wir haben uns für dieses Land verbürgt – u ebnen. Wir müssen aber leider Gottes feststellen, dass ieses Quartett nichts unternommen hat, um sozusagen Joachim Hörster durch eine Art Monitoring mit dafür zu sorgen, dass die Roadmap Schritt für Schritt umgesetzt wird. So hat man das Schicksal der Roadmap am Schluss den extremen Flügeln – sowohl der terroristischen Hamas auf der palästinensischen Seite als auch dem radikalen Flügel auf der israelischen Seite – überlassen. Es ist gut zwei Jahre her, dass Dr. Carlo Strenger, Psychologieprofessor an der Universität von Tel Aviv – er gehört zur israelischen Friedensbewegung –, in einem mahnenden Artikel, der in der „Welt“ erschienen ist, schrieb: „Ohne Druck von außen wird es keinen Frieden geben.“ Das heißt, sowohl die deutsche als auch die europäische Politik müssen sich der Frage annähern, ob es weiterhin bei gut gemeinten Erklärungen und traurigem Stirnrunzeln bleiben kann, wenn wieder ein oder, wie in den letzten Tagen, gar zwei Selbstmordattentate begangen worden sind oder wenn der palästinensische Regierungschef zurücktritt, weil er keine Chance für die Schaffung von Frieden sieht. Es stellt sich darüber hinaus die Frage, ob sich nicht auch die internationale Staatengemeinschaft auf diesem Gebiet in einer anderen Weise engagieren muss, als sie es bisher getan hat. Nur so kann dieser Teufelskreis – die gegenwärtige Situation kostet jeden Tag Menschenleben und erzeugt zusätzlich Hass, Neid und Misstrauen – beendet werden. Ich denke, dass sich die deutsche Außenpolitik im Rahmen der Europäischen Union mit dieser Frage intensiv befassen sollte. Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit. Weitere Wortmeldungen zu diesem Geschäftsbereich liegen nicht vor. Wir kommen damit zum Geschäftsbereich des Bun desministeriums der Verteidigung. Das Wort hat der Bundesminister der Verteidigung, Peter Struck. Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich will dem Kollegen Austermann nicht vorgreifen; aber ich will einmal prognostizieren, was er sagen wird. Er wird erstens sagen: Die Soldaten der Bundeswehr – gerade im Auslandseinsatz, aber auch im Inland – verdienen höchsten Respekt sowie Dank und Anerkennung für ihre Arbeit. Das sehe ich ganz genauso. (Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)


(Beifall bei der CDU/CSU)





(A) )


(B) )


(Beifall bei der CDU/CSU)


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505908600
Dr. Peter Struck (SPD):
Rede ID: ID1505908700

Er wird zweitens sagen: Aber dafür steht im Haushalt
nicht genügend Geld bereit.

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(C (D (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Jürgen Koppelin [FDP]: Selbst verschuldet!)


uch ich hätte natürlich gerne mehr Geld; aber jeder von
hnen weiß, dass wir in einer bestimmten Finanzsitua-
ion sind.
Ich würde sagen, wenn ich ihm antworten dürfte
aber ich bringe den Haushalt ein; deshalb rede ich als
rster –: Wenn Sie mir Vorschläge machen, wie Ihre zu-
ätzlichen Forderungen finanziert werden sollen, bin ich
mmer dabei. Ich weiß allerdings aus der letzten Haus-
altsberatung – die erste, die ich als Minister miterleben
urfte –, dass Ihre Finanzierungsvorschläge unseriös
ind.
Er wird dann drittens auf Veröffentlichungen von
echnungshofberichten zum Eurofighter und zu anderen
ingen hinweisen. Dazu will ich, um das gleich aufzu-
reifen, sagen: Wir werden eine Stellungnahme zum
echnungshofbericht abgeben. Wir werden im Haus-
altsausschuss darüber zu diskutieren haben. Wir kön-
en sicher auch, wenn Sie das wünschen, im Rechungs-
rüfungsausschuss darüber diskutieren. Manches von
em, was der Rechnungshof aufgeschrieben hat, ist ab-
olut nicht zu verantworten. Ich will es bei dieser Be-
erkung belassen. Wir werden es noch im Einzelnen zu
rörtern haben.
Die Situation der Bundeswehr wird durch folgende

unkte gekennzeichnet: Wir befinden uns in einer Re-
orm der Bundeswehr, die wir konsequent fortsetzen
erden; da werden wir auch nachjustieren. Unsere inter-
ationalen Einsätze werden fortgesetzt werden. Wir wer-
en internationale Verpflichtungen im Rahmen der
ATO und der Europäischen Union haben. Wir werden
uch zusätzlich gefordert werden, zum Beispiel bei der
m Aufbau befindlichen NATO-Response-Force, im Zu-
ammenhang mit den Dauervereinbarungen zwischen
ATO und EU über eine EU-Eingreiftruppe und über
ie Stärkung des europäischen Pfeilers der NATO sowie
m Zusammenhang mit der Umsetzung der von mir am
1. Mai dieses Jahres erlassenen verteidigungspoliti-
chen Richtlinien.
Ich habe in den vergangenen Wochen zahlreiche
ruppenbesuche durchgeführt und dabei Folgendes
estgestellt: Die Angehörigen der Bundeswehr haben die
otwendigkeit der umfassenden Reform akzeptiert und
nterstützen sie ausdrücklich. Ich habe hoch motivierte
oldatinnen und Soldaten sowie zivile Mitarbeiter ken-
en gelernt. Das gilt trotz schmerzlicher Eingriffe für
ausende Angehörige der Bundeswehr als Folge der not-
endigen Stationierungsentscheidungen. Das gilt auch
rotz der enormen Belastungen, die die laufenden Ein-
ätze für alle Verbände mit sich bringen, nicht nur für
ie, die im Auslandseinsatz sind, sondern auch für die,
ie zu Hause geblieben sind und die Aufgaben der ande-
en mit übernehmen müssen.
Wir sind im Augenblick mit etwa 8 200 Soldaten im
uslandseinsatz und damit nach wie vor einer der größ-
en Truppensteller für internationale Friedenseinsätze.
s geht nicht darum, sich überall und jederzeit an inter-






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Peter Struck

nationalen Einsätzen zu beteiligen, aber unser Engage-
ment ist wichtig – auch für unsere Sicherheit. Darum tun
wir das,


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


im weltweiten Kampf gegen internationalen Terrorismus
genauso wie auf dem Balkan oder beim Aufbau in Af-
ghanistan.

Über die aktuelle Situation in Afghanistan haben wir
heute Morgen und auch vorhin in der Debatte über den
Einzelplan des Kollegen Fischer diskutiert. Ich will dazu
deshalb nur noch auf die Entscheidung hinweisen, die
ich getroffen habe, nämlich ein so genanntes Standort-
untersuchungsteam zu entsenden. Ich habe die Obleute
des Auswärtigen Ausschusses und des Verteidigungsaus-
schusses sowie die Fraktionsvorsitzenden schriftlich
über die beabsichtigte Aufgabe informiert. Ich will die
Aufgabe auch dem Gesamtparlament noch einmal kurz
darstellen.

Es geht um die Frage: Können wir die derzeit durch
die USA genutzte Infrastruktur in Kunduz übernehmen?
In dem Zusammenhang stellen sich folgende Fragen:
Wie wird diese ISAF-Insel in Kunduz, wenn wir sie
denn installiert haben, mit Kommunikationseinrichtun-
gen, Führungsmitteln – Stichwort: Interoperabilität – an
das ISAF-Headquarter in Kabul sowie nach Deutschland
angebunden? Wie werden die Liegenschaften, die wir
dort in Kunduz nutzen werden – entweder die von den
Amerikanern übernommenen oder neu einzurichtende –,
versorgt und bewacht? Welchen Umfang brauchen wir
bei der sanitätsdienstlichen Versorgung? Es gibt auch
noch andere Fragen.

Der Kollege Lothar Mark hat schon darauf hingewie-
sen: Das ist durch den ISAF-Beschluss des Bundestags
eindeutig gedeckt, der Abstimmungsgespräche auch
außerhalb Kabuls erlaubt. Als Parlamentarier, der die
Rechte des Parlaments durchaus zu schätzen weiß, wie
die Kollegen bestätigen können, hielt ich es nur für rich-
tig, Sie vorher einzubinden, obwohl ich Sie überhaupt
nicht darüber informieren müsste. Ich habe das gestern
in den Ausschüssen und bei den Obleuten getan.

Die maximal bis zu 20 Soldaten werden so schnell
wie möglich auf den Weg nach Kunduz geschickt. Ich
erwarte dann innerhalb von neun bis zehn Tagen, nach-
dem sie zurückgekommen sein werden, eine Bewertung
der Situation von ihnen. Bis dahin werden wir vermut-
lich auch einen entsprechenden Beschluss des Sicher-
heitsrats der Vereinten Nationen haben, dem ein Be-
schluss des NATO-Rats folgen wird, sodass wir nach der
bisherigen Planung im Oktober hier im Parlament darü-
ber zu entscheiden haben, und zwar über Konkreteres als
das, was Inhalt der jetzt vom Kabinett getroffenen Vor-
entscheidung ist. Wir werden dem Parlament dann auch
sagen können – darauf werden die Haushaltsausschuss-
mitglieder zu Recht Wert legen –, um welches finan-
zielle Volumen und um welche Größenordnung der Zahl
der Soldaten es gehen wird. „Zwischen 250 und 450“ ha-
ben wir zunächst einmal festgelegt.

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(C (D Ich will an dieser Stelle eine Frage des Kollegen chäuble aus der vorherigen Debatte beantworten. (Gernot Erler [SPD]: Leider ist er nicht mehr da!)


Er hat gefragt: Gibt es denn Möglichkeiten der Betei-
gung anderer Nationen, entweder in unserem regio-
alen Wiederaufbauteam oder in Form eines eigenen
eams? Ich bin mit vielen europäischen Amtskollegen
Gespräch und – das habe ich auch gestern im Aus-
ärtigen Ausschuss vorgetragen – halte es durchaus für
enkbar, dass sich entweder ein europäischer Partner an
nserem Team in Kunduz beteiligt oder dass andere
uropäische Staaten eigene regionale Aufbauteams in
fghanistan installieren.
Ich bin – das habe ich dem Kollegen Hoyer eben auch

chon in einem privaten Gespräch gesagt – nicht glück-
ich darüber, dass die FDP einen Einsatz schon jetzt klar
blehnt. Ich halte diese Entscheidung für vorschnell und
alsch. Man sollte doch lieber zunächst abwarten, bis
an weiß, wie die konkrete Situation dort aussieht
möglicherweise können wir im Oktober auch schon sa-
en, welche anderen europäischen Nationen sich beteili-
en wollen –, und erst dann eine Entscheidung treffen.
Wir sind in Afghanistan in der Tat an einem Wende-

unkt. Niemand ist in der Lage – das haben Sie, Herr
ollege Hoyer, eben selbst in der Debatte aufgezeigt –,
0 000 bis 30 000 zusätzliche Soldaten nach Afghanis-
n zu schicken. Eine Alternative wäre demnach, das
andat für beendet zu erklären. Da wir das nicht können
es wurde ja auch von Ihnen ausgeführt, warum das
icht geht –, wählen wir den Mittelweg mit den Wieder-
ufbauteams. Wenn es gelingt, acht bis zwölf in Afgha-
istan zu installieren, bietet sich damit eine Chance. Ich
ill nicht verschweigen, dass wir damit Neuland betre-
n, zum einen mit der Art, denn Teams aus 250 bis
50 Soldaten stellen ja kein massives Truppenkontingent
ar, zum anderen, indem wir unsere Wiederaufbauteams
nders als die bisherigen vier der Amerikaner gestalten.
n diesen ist der Anteil von zivilen Personen ja sehr viel
eringer als der von Soldaten.
Wir wollen, dass der zivile Aufbau Afghanistans im

ordergrund der Arbeit unserer Teams steht. Deren
auptaufgabe soll es also sein, ordentliche zivile Struk-
ren in diesem Land zu schaffen. So sieht unsere Kon-
eption aus. Dabei wird es sicherlich auch Learning by
oing geben. Aber mit Ihrer Haltung, wie Sie es eben
ür die FDP-Fraktion erklärt haben, diese Chance über-
aupt nicht zu ergreifen und einen solchen Einsatz abzu-
hnen, nehmen Sie meiner Meinung nach keine verant-
ortliche politische Position ein.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich will noch einige kurze Bemerkungen machen, um
en Kollegen nicht Redezeit wegzunehmen. Das gehört
ich ja für einen Minister in einer ersten Lesung nicht.


(Dr. Werner Hoyer [FDP]: Das gilt auch für den Außenminister!)


Ich rede ja jetzt für mich.






(A) )



(B) )


Bundesminister Dr. Peter Struck

Wir befinden uns in der Phase der Nachjustierung

der Bundeswehrreform. Das heißt, wir wollen die Syn-
chronisierung von veränderten Aufgaben und der dazu
notwendigen Ausrüstung in Übereinstimmung mit den
verfügbaren Mitteln erreichen. Das ist das Ziel. In den
vergangenen Monaten habe ich vor diesem Hintergrund
bereits wichtige Rüstungs- und Standortentscheidungen
getroffen. Ich will hier ausdrücklich sagen: Es werden
noch weitere folgen; der Prozess ist noch nicht abge-
schlossen. Der Generalinspekteur hat von mir den Auf-
trag bekommen, bis Ende dieses Jahres die neue Kon-
zeption der Bundeswehr vorzulegen und auf dieser
Grundlage ein neues Material- und Ausrüstungskonzept
zu erarbeiten.

Eine Tatsache steht für mich fest – ich richte diese
Worte jetzt auch an den Koalitionspartner –: Eine Ab-
schaffung oder Aussetzung der Wehrpflicht oder eine
Verkürzung der Wehrdienstdauer ist für mich kein Be-
standteil der Modernisierung der Bundeswehr.


(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)


Die Grundwehrdienstleistenden mit einer Wehrdienst-
dauer von neun Monaten nehmen in den Streitkräften
wichtige Funktionen wahr. Sie leisten einen unverzicht-
baren Beitrag zur Aufrechterhaltung der Einsatzbasis
hier in Deutschland. Wir werden die Ausgestaltung des
Grundwehrdienstes ändern; dazu erwarte ich Vorschläge
vonseiten der Soldaten. Aber ich stelle den Grundwehr-
dienst von meiner Seite aus nicht zur Disposition. Darü-
ber müssen wir in der Koalition diskutieren und dann
entscheiden.

Wir leisten mit unserem Etatansatz in Höhe von
24,4 Milliarden Euro einen Beitrag zur Konsolidierung
und Festigung unseres Haushalts. Dass das praktisch we-
niger bedeutet als im Vorjahr, muss mir niemand erzäh-
len. Das hängt mit der Erhöhung der Besoldung und dem
Anstieg der Preise zusammen. Trotzdem werden wir
– wenn ich den Haushalt jetzt einmal zusammenfassend
bewerten darf, Herr Kollege Austermann – versuchen
müssen, die Effizienzsteigerung im Rahmen des Pla-
fonds von 24,4 Milliarden Euro zu erreichen, durch die
Überprüfung all dessen, was wir bisher tun. Sie haben
immer abgelehnt, Sie stimmen bei den Haushaltsbera-
tungen immer dagegen. Sie waren gegen die Maßnah-
men zur Zusammenarbeit von Bundeswehr und Wirt-
schaft, die mein Vorgänger Rudolf Scharping ergriffen
hat. Sie waren gegen die Einrichtung der GEBB und be-
antragen jedes Jahr in schöner Regelmäßigkeit ihre Ab-
schaffung, was jedes Jahr in schöner Regelmäßigkeit ab-
gelehnt wird.

Ich empfehle Ihnen: Gehen Sie einmal zu einem Mo-
bilitätszentrum der Bundeswehr und sehen Sie sich an,
was dieser neue Fuhrparkservice leistet. Sehen Sie sich
an, was die LH-Bekleidungsgesellschaft der Bundes-
wehr leistet. Durch diese Einrichtungen beginnen wir
jetzt Geld einzusparen, obwohl die Leistungsfähigkeit
und das Serviceangebot für die Soldaten in keiner Weise
verschlechtert worden sind. Es gibt natürlich Anlauf-
schwierigkeiten; das weiß jeder. Aber der Weg, durch

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(C (D ie Kooperation mit der Wirtschaft unsere Kostenlast zu eduzieren, ist ein richtiger Weg, von dem ich auch nicht bzuweichen gedenke – um Ihnen das gleich für die aushaltsberatungen mit auf den Weg zu geben. (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


Ich komme zu den Beschaffungsvorhaben, die an-
tehen. Ich vermute, dass Sie auch die Denkschrift des
eeres 2020 ansprechen werden. Wenn Sie es wollen,
önnen Sie es streichen, weil ich es jetzt schon erledige.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Dann brauche ich gar nicht mehr darüber zu reden!)


ch weiß, dass die Inspekteure der Teilstreitkräfte be-
timmte Wünsche haben. – Er streicht es schon heraus,
as habe ich mir gedacht. – Jeder hat Wünsche, aber je-
er Inspekteur des Heeres, der Marine, der Luftwaffe,
er Streitkräftebasis, der Sanität weiß, dass alles auf dem
rüfstand steht, was irgendwann vielleicht einmal in ei-
er Bundeswehrplanung aufgeschrieben worden ist. Ich
in nicht bereit, dem Parlament eine Bundeswehrpla-
ung vorzulegen, von der ich weiß, dass sie nicht abgesi-
hert ist, weil die finanziellen Grundlagen nicht stim-
en.


(Zuruf von der CDU/CSU: Im Gegensatz zum Gesamthaushalt!)


as kann man dem Parlament und auch der Bundeswehr
icht zumuten. Hier muss jetzt Klartext gesprochen wer-
en. Wir werden das tun.


(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das müssen Sie mit dem Finanzminister besprechen, nicht mit uns! Der Finanzminister ist Ansprechpartner!)


Ich sage das ja nur für den Fall, dass Sie wieder mit Ih-
en unrealistischen Forderungen kommen, was alles zu-
ätzlich gemacht werden soll.
Ich sage: Die Denkschrift des Heeres ist interessant,

ber sie ist überhaupt nicht verbindlich. Das weiß der In-
pekteur des Heeres und die anderen wissen es auch.
arüber werden wir zu entscheiden haben, wenn wir
ber die Ausrüstungs- und Materialplanung der Bundes-
ehr diskutieren. Deshalb können Sie die Denkschrift
ern zitieren und fragen: Warum wird all das, was in der
iste steht, nicht gemacht? Ich sage Ihnen nur: Alles,
as irgendwann irgendwo aufgeschrieben worden ist für
ie Zeit bis zum Jahre 20XY, steht auf dem Prüfstand.
arüber werden wir anhand von realistischen Daten hier
ntscheiden und wir werden uns nicht von Wunschden-
en leiten lassen.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505908800

Ich erteile dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/
SU-Fraktion, das Wort.






(A) )



(B) )



Dietrich Austermann (CDU):
Rede ID: ID1505908900

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin

dem Verteidigungsminister sehr dankbar für seine Aus-
führungen, nicht nur, weil er offensichtlich einen ganzen
Eimer Kreide zu sich genommen hat, bevor er ans Pult
gegangen ist, um die Debatte von sich aus zu harmoni-
sieren, sondern weil er schon auf einige Dinge hingewie-
sen hat, bei denen er mit Recht davon ausgeht, dass ich
sie anspreche. Ich will entsprechend antworten, aber ein
paar Dinge müssen schon klar gesagt werden.

Ich beginne zunächst mit der Frage: Wie steht es tat-
sächlich um die Finanzen der Bundeswehr? Es stimmt
ja nicht, Herr Minister, dass die Bundeswehr in diesem
und im nächsten Jahr 24,4 Milliarden Euro zur Verfü-
gung hat. Es fehlt in der Tat eine Viertelmilliarde Euro
durch Haushaltskürzung, globale Minderausgabe und
Einnahmen, die an anderer Stelle erbracht werden müs-
sen. Wenn Sie dann noch Besoldungserhöhung und In-
flationsrate ansprechen, dann wird das, was die Bundes-
wehr zur Verfügung hat, in der Tat ständig weniger. Und
wenn man ständig weniger zur Verfügung hat, wird es
immer schwieriger, die zu leistenden Aufgaben zu erfül-
len.

Im Klartext heißt das: Der Verteidigungsetat sinkt
nicht nur real, sondern auch nominal. Dieses Bild wird
auch nicht dadurch besser, dass Sie ankündigen, im
Jahre 2007 solle das besser werden. Da Sie dann mit Si-
cherheit nicht mehr an der Regierung sind, ist das ein
Versprechen, das Sie gar nicht zu halten brauchen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Es ist auch uninteressant für die Soldaten und die zivilen
Mitarbeiter, die heute auf die Lösung ihrer Probleme
warten.

Gleichwohl ist die Erkenntnis der Notwendigkeit ei-
ner Steigerung der Verteidigungsausgaben richtig. Auf
der anderen Seite muss man sich aber auch anschauen:
Wie haben sich innerhalb dieses Etats einzelne Ansätze
verändert? Dabei möchte ich auf die große Zahl von in-
ternationalen Einsätzen hinweisen. Natürlich dankt die
Union den vielen Tausend Soldaten und zivilen Mit-
arbeitern für das, was sie bei diesen Einsätzen leisten.


(Beifall im ganzen Hause)

Die Mittel für gepanzerte Fahrzeuge sanken in den

letzten vier Jahren um 59 Prozent, die für Munition um
24 Prozent, die für Entwicklung um 25 Prozent und die
für wehrtechnische Forschung um 28 Prozent. Dem-
gegenüber ist der Ansatz für Flugzeuge auf 2,1 Milliar-
den Euro verdoppelt worden.


(Rainer Arnold [SPD]: Die Sie bestellt haben!)

– Das bestreite ich überhaupt nicht. Vielleicht kann ich
dazu gleich mehr sagen, Herr Kollege.

Wir haben gemeinsam beschlossen, dieses Flugzeug
anzuschaffen; lediglich eine Abgeordnete aus Ihren Rei-
hen, die längst nicht mehr Mitglied dieses Parlaments ist,
wollte das verhindern. Das ist nicht das Problem. Als
Problem stellte sich allerdings im Nachhinein heraus:

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(C (D ie gehen wir mit diesem Auftrag um? Ist die Art der usammenarbeit mit der Industrie richtig? Hat nicht der ndustrielle Auftragnehmer einen Anspruch darauf, beüglich seiner Leistung, der Termine und vieler anderer inge ernst genommen zu werden? Alleine mit der reisgleitklausel für den Eurofighter, wie sie zurzeit geandhabt wird, können Sie die gesamten Wünsche von errn Gudera bis zum Jahre 2020 erfüllen. (Zuruf des Parl. Staatssekretärs Hans Georg Wagner)


Ich spreche von der Preisgleitklausel, wie sie jetzt ge-
andhabt wird, Kollege Wagner. Die Frage ist: Gehe ich
it dem Geld, das mir anvertraut wird, anständig um?
Wir haben den Bericht des Rechnungshofes im Ent-
urf vorliegen. Zuerst ist er übrigens im „Spiegel“ er-
chienen, wahrscheinlich sogar, bevor er dem Ministe-
ium vorlag. Wir müssen den Bericht ernst nehmen,
elbst wenn wir wissen, dass einer der Verfasser die Be-
chaffung immer skeptisch betrachtet hat. Aber die Män-
el, die in diesem Bericht aufgeführt werden, sind so
klatant, so gravierend, dass man sie nicht einfach weg-
ischen kann. Es reicht nicht, wenn Sie aufgrund des
erichtes jetzt eventuell bereit sind, einzelne Teile zu re-
arieren. Bevor nicht über die Mängel gesprochen wor-
en ist und nicht klare Aussagen getroffen worden sind,
ird es von uns keine Zustimmung für das zweite Los
eben.
Für mich ist Folgendes besonders entscheidend; der
ollege Kossendey wird auf das Thema gleich noch nä-
er eingehen. Wenn der Haushaltsausschuss im Jahre
001 Beschlüsse gefasst hat, um das in den Griff zu be-
ommen, Herr Kollege, die dann nicht eingehalten wer-
en, dann tragen diejenigen die Verantwortung, die das
inisterium zurzeit führen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Was hier zurzeit stattfindet, passt im Übrigen auch zu

inem anderen Thema, nämlich dem Verschenken von
3MiG-29-Jägern. Das haben Sie nicht erwähnt. Der
egenwert eines Eurofighters entspricht etwa 120 Mil-
ionen Euro. Wir „verkaufen“ jetzt 23 MiG-29-Jäger
um Preis von 1 Euro und reißen damit eine Lücke, die
urch den Eurofighter noch nicht geschlossen wird. Es
ar vereinbart, dass mit der deutschen Industrie im Ge-
enzug ein Wartungsvertrag für diese Flugzeuge abge-
chlossen werde. Aber dieser Wartungsvertrag kommt
un nicht zustande und die Polen, an die diese Flugzeuge
ozusagen verschenkt worden sind, lassen sie nun in den
SA warten. Das hat mit Sicherheit auch noch andere
ründe. Aber wenn dieser Wartungsvertrag mit der deut-
chen Industrie zustande gekommen wäre, wären die
lugzeuge zunächst einmal hier geblieben und wir hätten
ie Lücke geschlossen, die durch die Anschaffung des
urofighters entstanden ist. Auch das ist ein Versäumnis.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Verteidigungsetat benötigt auch eine substan-

ielle Erhöhung, um bekannte Defizite bei der Füh-
ungsfähigkeit, der Nachrichtengewinnung, der Aufklä-
ung, der Mobilität, der Wirksamkeit im Einsatz, der






(A) )



(B) )


Dietrich Austermann

Unterstützung und Durchhaltefähigkeit, der Überlebens-
fähigkeit, dem Transport und dem passiven Schutz der
Soldaten auszugleichen.

Die finanziellen Handlungsspielräume werden ange-
sichts langfristiger Verpflichtungen auch in Zukunft
gering sein. Auch die internationalen Forderungen, die
den Verteidigungsetat betreffen, werden uns belasten.
Angesichts dieser Situation bin ich der Meinung, dass
man bei neuen Auslandseinsätzen sehr kritisch hinterfra-
gen muss, ob wir uns diese noch leisten können.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)


Wenn wir ein Kunduz-Papier des Bundeskabinetts ha-
ben, dann ist es hinsichtlich dessen, was darin beschrie-
ben ist, interessant. Interessant ist aber auch die Tatsa-
che, dass das Finanztableau fehlt, dass die Frage, was
denn 250 bis 350 Soldaten im Auslandseinsatz und das,
was an Infrastruktur vorbereitet werden muss, zusätzlich
kosten, einfach nicht beantwortet worden ist.

Es gelingt bei dem Etat 2004 offensichtlich auch
nicht, eine Trendwende bei den Betriebsausgaben ein-
zuleiten. Die Mittel für Materialerhaltung stagnieren.
Die verteidigungsinvestiven Ausgaben sinken gegenüber
2003 um 140 Millionen Euro. Für internationale Ein-
sätze steht zu wenig Geld zur Verfügung. Für Sofortbe-
schaffungen, die Sie für diese internationalen Einsätze
brauchen, damit die Soldaten genügend gepanzert sind
– jeder weiß aus den Erfahrungen des letzten Jahres, wie
wichtig das ist –, stehen lediglich 240 Millionen Euro
zur Verfügung. Die Ausstattung unserer Soldaten mit
passivem Schutz ist dringend verbesserungsbedürftig.

Wenn ich das alles zusammenfasse, muss ich sagen,
dass die objektiven Angaben des Haushalts die Behaup-
tung einer erforderlichen Bundeswehrreform „am lau-
fenden Motor“ als Märchen entlarvt haben.

Herr Minister, Sie haben das Thema GEBB angespro-
chen. Ich hatte eigentlich den Eindruck, Sie seien da ein
ganzes Stückchen weiter, nicht ein Stückchen weiter,
was die Frage betrifft, dass wir neue zusätzliche Be-
schäftigungsfelder erschließen. Die Nibelungentreue ge-
genüber Ihrem Vorgänger sollte auch ihre Grenzen ha-
ben, wenn man feststellt, dass die GEBB nicht das
bringt, was sie eigentlich bringen sollte.

Stattdessen wachsen immer neue Reformorganisatio-
nen wie Pilze aus dem Boden und verbrennen Geld für
Gutachter und Zwischenlösungen. Auch dieses Geld
wäre sicherlich besser für Beschaffungen auszugeben.

Gerade wurde der frühere Büroleiter Rudolf
Scharpings nach für ihn lukrativen Jahren als Reform-
manager verabschiedet, da sitzt schon wieder ein so ge-
nannter Reformer als Geschäftsführer eines so genann-
ten Modernisierungsboards im gemachten Nest. Auch
das kostet natürlich Geld, das man im Verteidigungsetat
an anderer Stelle brauchte.

Das Flottenmanagement ist wesentlich teurer als der
Eigenbetrieb. Wenn man durch die Lande fährt, dann
sieht man eine Vielfalt von Autos, übrigens auch tsche-
chischer Produktion und aus anderen Ländern. Da frage

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(C (D ch mich, ob es wirklich Not tut für die Bundeswehr, ass jeder Fahrzeugtyp anders aussieht. Wenn ich einmal die Haushaltsansätze für die Fahr eughaltung der Bundeswehr im Jahre x, heute und im ächsten Jahr vergleiche, dann stelle ich fest, dass das lottenmanagement zum Betrieb dieser Autos, für die ann auch noch Soldaten erforderlich sind, die nicht ehr im Etat erscheinen – es wird ein bisschen herumgeogelt –, teurer ist. Muss das so sein? Das Bekleidungsmanagement verstößt gegen rt. 87 b des Grundgesetzes, hat das Oberlandesgericht üsseldorf gesagt. Beim Milliardenvorhaben „Herkules“, das seit eini er Zeit im Rohr ist und über 6 Milliarden Euro kosten oll, gibt es bis heute kein abschließendes Ergebnis. Der undesrechnungshof hat über 70 Fragen gestellt, wenn ch richtig gezählt habe, weil auch er nicht glaubt, dass as gigantische Projekt so in die Tat umgesetzt werden ann. Herr Minister, gucken Sie sich das Thema GEBB och einmal genau daraufhin an, ob es wirklich so weiergeht und ob es, wenn man schon das Vorhaben „Herules“ verwirklichen will, sinnvoll ist, an anderer Stelle ür Informationstechnik so viel Geld auszugeben. Die ufgabe ist zu groß, als dass sie so bewältigt werden ann, wie es geplant ist. Der Traum, durch Zusammenarbeit mit der Industrie ehr Geld zur Anschubfinanzierung für neue Beschafungen zu bekommen, scheint mir ausgeträumt zu sein. ie Bundesregierung verweigert sich dieser Erkenntnis nd trägt damit die Verantwortung für das sinkende Verrauen der Angehörigen der Bundeswehr in ihre politiche Führung sowie für das sinkende Vertrauen ihrer artner im Bündnis, was die Bereitschaft zur Solidarität ngeht, und das sinkende Vertrauen der Industrie in die bsicherung des Erhalts wehrtechnischer Handlungsfäigkeit. Nun haben Sie sich überlegt, dass man das eine oder ndere tun sollte, um den Firmen auf die Beine zu helen, die mit Aufträgen nicht üppig ausgestattet sind. Sie ollen jetzt aber zunächst nur die unternehmerische reiheit einschränken. Damit keine Geschäftsanteile von DW oder anderen an ausländische Firmen verkauft erden – als ob man Angst haben müsste, dass amerikaische Unternehmen Teile von HDW an Bin Laden oder emand Ähnlichen verkaufen –, soll ein Gesetz gemacht erden, durch das der Verkauf von Geschäftsanteilen eutscher wehrtechnischer Unternehmen unter bestimmen Voraussetzungen verboten wird. So helfen Sie weder en Firmen, die keine Aufträge haben und denen Sie uch noch den Export in bestimmte Länder verweigern, och tragen Sie zum Erhalt von Arbeitsplätzen in eutschland bei. Sie helfen also weder der Werftindusrie noch anderen. Ich warne davor, dass wir im Bereich U-Boote ein ranzösisches Monopol bekommen und sich dann eine ntwicklung abzeichnet, die bei der EADS eine leichte eformation in Richtung überlastiger Einflüsse, die icht aus Deutschland kommen, gebracht hat. Wenn sich Dietrich Austermann das bei den Werften wiederholt, wäre das sicherlich eine Entwicklung, die nicht gutzuheißen ist. Wenn wir uns den Regierungsentwurf für den Verteidigungsetat und die Absichtserklärungen, die wir bisher gehört haben, vor Augen führen, dann bietet sich aus meiner Sicht folgendes Bild: Die Reform der Bundeswehr, noch von Herrn Scharping geplant, ist gescheitert. Der Verwaltungsvollzug durch die Spitze des Ministeriums und insbesondere durch die Rüstungsabteilung verwirrt mehr, als dass klare Führung gezeigt wird. Das schadet unserem Land. Die großen Reformvorhaben laufen total aus dem Ruder. Weder der Haushalt insgesamt noch die Investitionen steigen. Die Diskussion in der Regierungskoalition um die zukünftige Wehrstruktur – an dieser Stelle danke ich für Ihre Klarstellung im Hinblick auf die Wehrpflicht – ist günstigstenfalls noch völlig offen. Herr Nachtwei wird sich sicherlich gleich dazu auslassen. Eine optimistische Zukunftsperspektive wird weder den Angehörigen der Bundeswehr noch unseren Bündnispartnern geboten. Die Signale an die Industrie sind mehr als ernüchternd. Die Entwicklung der Ausstattung des Heeres ist dramatisch. Sie werden sich sicherlich nicht wundern, dass ich trotz einiger einvernehmlicher Worte und trotz gemeinsamer Überzeugungen in bestimmten Bereichen zu dem Schluss komme: Der Haushaltsentwurf für den Verteidigungsbereich ist wie der gesamte Haushalt nicht beratungsund zustimmungsfähig. Wir erwarten, dass Sie in einzelnen Bereichen umsteuern und dafür sorgen, dass mehr Mittel im Haushalt für die Beschaffung umgeschichtet werden. Wir sollten uns gemeinsam bemühen, den Etat entsprechend zu verbessern. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Marianne Tritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ganz schwach!)





(A) )


(B) )



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505909000

Ich erteile dem Kollegen Reinhold Robbe, SPD-Frak-

tion, das Wort.


Reinhold Robbe (SPD):
Rede ID: ID1505909100

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollege
Austermann, ich weiß, wie risikobehaftet es ist, einem
Haushälter zu widersprechen. Gestatten Sie mir trotz-
dem zwei kurze Anmerkungen.

Erste Anmerkung. Wir sollten uns alle, die wir auf natio-
naler Ebene die Verantwortung für die Außen- und Sicher-
heitspolitik tragen, davor hüten, wichtige Rüstungs-
projekte durch populistische Äußerungen zu beschädigen.
Das dient weder den Projekten noch nutzt es denen in
den Betrieben, die auf ihre Leistungen stolz sind. Es
dient erst recht nicht den Exportchancen derjenigen Be-
triebe, die diese Rüstungsgüter nicht nur auf den natio-

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(C (D alen, sondern auch auf den internationalen Markt brinen wollen. Zweite Anmerkung. Eines sollte von vornherein verieden werden – ich sage das ganz bewusst vor dem intergrund, dass es über diesen Punkt im Verteidiungsausschuss des Deutschen Bundestages nie einen treit gegeben hat –: Die Sicherheit der Soldatinnen und oldaten, insbesondere der Soldatinnen und Soldaten in uslandseinsätzen, hat immer ganz oben gestanden. Es at weder unter der alten noch unter der jetzigen Bunesregierung irgendwelche Zweifel daran gegeben, dass as Geld, das für den Schutz der Soldaten notwendig ist, uch tatsächlich zur Verfügung gestellt wird. Auch das ollte an dieser Stelle einmal festgestellt werden. Der Entwurf zum Verteidigungshaushalt 2004 orien iert sich konsequent an dem Ziel, Auftrag, Fähigkeiten nd Ausrüstung unserer Bundeswehr mit den verfügbaen Mitteln in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen. er Finanzplan sieht bis 2007 eine kontinuierliche Steierung der Ausgaben auf rund 25 Milliarden Euro vor, ies alles trotz des Umstandes – der Minister hat schon arauf hingewiesen –, dass auch das Verteidigungsresort seinen Beitrag zur Konsolidierung des Haushalts eisten muss. Der Spagat zwischen der Verpflichtung, die Schul en abzubauen und gleichzeitig die Streitkräfte an die euen sicherheitspolitischen Herausforderungen anzuassen, sowie dem Vorhaben, die begonnene Reform eiterzubringen, wird nach meiner festen Überzeugung elingen. Die Bundeswehr muss bekommen, was sie nbedingt braucht. Die Menschen in der Bundeswehr ürfen dabei nicht vergessen werden. Es muss den treitkräften möglich sein, neben der Bewältigung aktuller Herausforderungen auch künftige Unwägbarkeien zu meistern. Für die Fortsetzung der Beteiligung der Bundeswehr an ternationalen Einsätzen sind im Einzelplan 14 Mittel Höhe von rund 870 Millionen Euro vorgesehen. inzu kommen weitere rund 223 Millionen Euro für die aterielle und personelle Vorbereitung auf internatioale Einsätze. Die Soldatinnen und Soldaten der Buneswehr sind bestmöglich ausgestattet. Dies gilt auch im nternationalen Vergleich. Das muss, wie ich gerade chon erwähnte, erste Priorität bleiben. Aber die aktuelen politischen Entwicklungen verdeutlichen, dass es imer wieder unabsehbare Ereignisse geben kann, für die uch mit einer bestmöglichen Finanzausstattung nur beingt vorgesorgt werden kann. Tatsache ist, dass sich das Einsatzspektrum der Bun eswehr grundlegend gewandelt hat. Das gilt auch für en Charakter der Auslandseinsätze, angefangen in ambodscha und Somalia über den Balkan bis hin zum ilitärischen Engagement im Rahmen der Operation Enduring Freedom“ am Horn von Afrika und im Rahen der ISAF in Afghanistan. Sie hatten und haben auschließlich den Auftrag der Friedensschaffung, der Frieenserhaltung und der Konfliktprävention. Reinhold Robbe Für Afghanistan bedeutet das: Die Unterscheidung zwischen Terrorismusbekämpfung einerseits und Stabilisierungsund Wiederaufbauarbeit andererseits entspricht der unterschiedlichen Schwerpunktsetzung der Mandate ebenso wie der Wahrnehmung der Interessen der afghanischen Bevölkerung. Dies alles sind Aufgaben, die aus dem Verteidigungshaushalt finanziert wurden und werden. Wenn es aber künftig verstärkt darum geht, eigene Konzepte für ein ziviles und ein militärisches Engagement zu entwickeln und umzusetzen, muss meines Erachtens über Finanzierungsalternativen nachgedacht werden. Ziel des deutschen Engagements in Afghanistan ist es, das Land bei seinen Anstrengungen zu unterstützen, wieder zu einem funktionierenden Staat zu werden. Sicherheit, wirtschaftliches Wachstum und das Wohl der Bevölkerung müssen dabei ganz obenan stehen. Militärisches Engagement ist damit untrennbar mit der Unterstützung des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaus verbunden. Es entfernt sich vom klassischen Einsatzauftrag der Bundeswehr, etwa dem Auftrag der Kampfflugzeuge der Luftwaffe über dem Balkan oder auch dem Auftrag der Marine zur Überwachung des Seegebietes am Horn von Afrika. Dies gilt beispielsweise für den jetzt geplanten erweiterten Einsatz der Bundeswehr im äußersten Nordosten Afghanistans. Wenn dies so ist, ist der Ansatz, die Finanzierung solcher Aufträge weiterhin ausschließlich aus dem ohnehin knapp bemessenen Verteidigungshaushalt zu bestreiten, aus meiner Sicht durchaus zu überdenken. Eine anderweitige Lösung würde zusätzliche finanzielle Belastungen im Einzelplan 14, insbesondere zulasten von Investitionen, vermeiden. Meine Damen und Herren, ein Schwerpunkt des Entwurfs zum Verteidigungshaushalt 2004 ist die effiziente Verbesserung und Modernisierung der materiellen Ausstattung der Streitkräfte. Die Anpassung der Fähigkeitsprofile aller Teilstreitkräfte an die neuen Aufgaben wird fortgesetzt. Das heißt konkret: weniger Panzer, weniger Flugzeuge, weniger Boote usw. Das darf aber auf gar keinen Fall zu einem Verlust von Kernfähigkeiten führen. Der Verteidigungsminister hat mit den verteidigungspolitischen Richtlinien die realistischen Perspektiven vorgegeben. Volkswirtschaftliche Überlegungen dürfen dabei aber nicht außen vor bleiben. Ich will das am Beispiel der Marine kurz verdeutlichen. Für die Überwachung von Seegebieten braucht man in Krisenzeiten notwendigerweise Kriegsschiffe, beispielsweise Fregatten, und das monate-, vielleicht sogar jahrelang. Sie müssen bei jedem Wetter in See bleiben können und eine entsprechende Durchhaltefähigkeit besitzen. Noch sind unsere Werften in der Lage, leistungsstarke Fregatten zu bauen. Aber diese Fähigkeit basiert auf Aufträgen, Beschäftigung und Umsätzen. Im Kampf hoch spezialisierter, effizienter und auf dem Weltmarkt führender Firmen kann Deutschland zumindest zurzeit noch gut mithalten. Allerdings fehlt es an Folgeaufträ g b f T F a g G d ü d p z i K v h V E W d s p k n a a D k n g t k d u u n l V S J (C (D en. Wir müssen das ganz klar erkennen. Sollte es dabei leiben, liegen Kapazitäten brach und es besteht die Geahr eines endgültigen Wegbrechens von hochwertiger echnologie und Know-how. Hierbei stellt sich die rage, ob Deutschland sich das leisten kann. Wenn es ber mehr und zunehmend parallel geführte Einsätze ibt, wird die Marine schon in wenigen Jahren an ihre renzen stoßen, wenn die Anforderungen an den Einsatz er Flotte erfüllt werden sollen. Meine Damen und Herren, bei allen Entscheidungen ber die zukünftige Ausrichtung der Bundeswehr muss ie Frage nach lebensund generationsfähigem Gerät ositiv gelöst sein. Das gilt für das Bataillon, die Flugeugstaffel und das Schiff ebenso wie für die Soldaten m Einsatz und für die Unternehmen, die industrielle ernfähigkeiten behalten müssen. Es muss als Aufgabe on uns allen verstanden werden, auf solche Zusammenänge zu achten. Es ist aus meiner Sicht auch unsere erpflichtung, erforderlichenfalls auf entsprechende ntscheidungen zu drängen. Meine Damen und Herren, abschließend ein Wort zur ehrpflicht. Ich danke dem Bundesminister der Verteiigung für sein klares Wort. Ich freue mich darüber, dass ich der Bundesminister für eine Beibehaltung der Wehrflicht ausgesprochen hat. Neben den hinlänglich beannten Vorteilen der Wehrpflicht ist an dieser Stelle icht zuletzt darauf hinzuweisen, dass eine Wehrpflichtrmee allemal kostengünstiger ist als eine Freiwilligenrmee. (Jürgen Koppelin [FDP]: Stimmt doch gar nicht! – Günther Friedrich Nolting [FDP] meldet sich zu einer Zwischenfrage)


(Beifall bei der SPD)





(A) )


(B) )


as wird in der allgemeinen Diskussion oftmals ver-
annt, auch wenn der Kollege Nolting offensichtlich
icht ganz mit dieser Aussage einverstanden ist.


Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505909200

Bitte schön, Kollege Nolting.


Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1505909300

Herr Kollege Robbe, Sie haben vorhin die verteidi-

ungspolitischen Richtlinien angesprochen. Im konven-
ionellen Bereich – so wird dort festgehalten – gibt es
eine Bedrohung mehr. Stimmen Sie mit mir überein,
ass man Wehrpflicht aber nur aus sicherheitspolitischen
nd aus außenpolitischen Gründen legitimieren kann
nd nicht mit den 31 Thesen, die der Verteidigungsmi-
ister zur Begründung der Wehrpflicht hat aufschreiben
assen? Wie stehen Sie zu den Äußerungen der Grünen-
orsitzenden Angelika Beer? Ich zitiere:

Es kann nicht sein, dass es eine Reformblockade
nur noch in einem Ressort gibt, nämlich im Vertei-
digungsministerium. Wir wollen raus aus der Wehr-
pflicht.

ie hat auch einen Zeitpunkt genannt, nämlich Ende des
ahres.






(A) )



(B)



Reinhold Robbe (SPD):
Rede ID: ID1505909400

Zunächst einmal, Kollege Nolting, ist für mich in die-

ser ganzen Debatte um die Wehrpflicht interessant, wel-
che Liaison es zwischen Ihrer Fraktion und anderen poli-
tischen Richtungen in diesem Hause gibt. Meine zweite
Feststellung: Ich stimme natürlich nicht mit Ihnen über-
ein, dass die Richtlinien des Bundesministers der Vertei-
digung nicht ganz klar und eindeutig definieren, dass die
Wehrpflicht unter einem neuen Blickwinkel betrachtet
werden muss. Ich möchte an dieser Stelle nicht alles
wiederholen, was der Bundesminister der Verteidigung
dazu gesagt hat. Ein Satz hat sich inzwischen aber einge-
prägt – den kennt jeder –, und zwar der, dass dieses Land
auch anderswo verteidigt wird, beispielsweise in Afgha-
nistan.


(Günther Friedrich Nolting [FDP]: Aber nicht mit Wehrpflichtigen! – Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber nicht mit Wehrpflichtigen!)


Vor diesem Hintergrund und angesichts der Tatsache,
dass sich die ganze sicherheitspolitische Situation in der
Welt – natürlich auch bei uns – verändert hat, ist die
Wehrpflicht durchaus auch heute zu begründen. Sie ist
auch bezogen auf die Verteidigung unseres Landes zu
begründen. Das hat sich alles geändert, das wissen wir.
Die ganze Welt hat sich verändert. Ich bin davon über-
zeugt, dass auch die FDP, also Ihre Fraktion, das irgend-
wann erkennen und daraus die richtigen Schlüsse ziehen
wird.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD – Günther Friedrich Nolting [FDP]: So hast du mehr Redezeit gehabt!)



Dr. h.c. Wolfgang Thierse (SPD):
Rede ID: ID1505909500

Ich erteile dem Kollegen Jürgen Koppelin, FDP-Frak-

tion, das Wort.


Dr. h.c. Jürgen Koppelin (FDP):
Rede ID: ID1505909600

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der

Verteidigungsetat ist sicherlich ein besonderer Etat, denn
er ist der Haushaltsplan für die Armee dieses Parla-
ments. Ich glaube, man muss die Bundesregierung in
dieser Debatte daran erinnern, dass unsere Bundeswehr
die Armee des Parlaments ist und nicht die Armee ei-
ner Regierung.

Ich sage das auch, weil ich kein Verständnis dafür
habe, wenn zum Beispiel die Inspekteure von Heer und
Luftwaffe das Parlament schriftlich informieren wollen
und der Verteidigungsminister das unterbindet. Herr
Bundesverteidigungsminister, es ist nicht in Ordnung,
finde ich, dass sich ein Abgeordneter des deutschen Par-
laments diese Papiere von außen, bei Journalisten, be-
schaffen muss. Nun steht hier auch noch drauf: „Für den
Dienstgebrauch“. Ich brauche das für meinen Dienst und
meine Fraktion braucht das auch.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D ie sind sicher damit einverstanden, dass ich das entprechend kopiere und an die Mitglieder der FDP-Frakion verteile; da habe ich sicherlich Ihre Zustimmung. Es st nicht in Ordnung, dass man sich das von außen holen uss und dass Sie solche Informationen unterbinden; enn wir, das Parlament, haben Anspruch darauf, ungechminkt die Situation und den Zustand der Bundeswehr u erfahren – wenn schon nicht von der Regierung, die azu anscheinend nicht in der Lage ist, dann doch zuindest von den Inspekteuren der Teilstreitkräfte. Liebe Kolleginnen und Kollegen, auch die FDP öchte natürlich allen Angehörigen der Bundeswehr ank sagen für den nicht immer einfachen Dienst. Beonderer Dank gilt natürlich all denen, die zurzeit in chwierigen Auslandseinsätzen sind. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Sie, Herr Minister, haben den Beschluss der FDP-
raktion, den wir in Nürnberg gefasst haben und den wir
m Zusammenhang mit den Auslandseinsätzen in
fghanistan angesprochen haben, nicht richtig gelesen.
ch bin gerne bereit, Ihnen ein Exemplar dieses Be-
chlusses zu geben – ich habe ihn auch hier, Sie bekom-
en ihn nachher von mir –, damit Sie ihn dann wirklich
esen können. Ich muss ehrlicherweise sagen, dass ich
in bisschen geschockt bin, dass ein Bundesminister so
chlecht über Beschlüsse anderer Fraktionen informiert
st.


(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

arin steht ganz klar: Wenn Sie den Auftrag in Afgha-
istan erweitern und Soldaten dorthin entsenden wollen,
ann müssen wir diese Entsendung zum jetzigen Zeit-
unkt ablehnen. – Das haben Sie noch richtig gesagt. –
ir haben auch eine Begründung dafür gegeben, die Sie
atürlich vergessen haben vorzutragen. Wir sagen, es
arf keine unkoordinierten, nicht zielführenden Sonder-
ktionen geben. Davon wollen wir Abstand nehmen. Be-
or weitere Soldaten nach Afghanistan entsandt werden,
üssen Sie die Afghanistanpolitik erst einmal mit den
uropäischen Partnern abstimmen. Es kann nicht ange-
en, dass Sie eine Entscheidung treffen, bevor Sie sich
bgestimmt haben.


(Beifall bei der FDP)

ir sind der Auffassung: Bevor der Bundeswehreinsatz

n Afghanistan ausgeweitet wird, muss es ein schlüssi-
es politisches Gesamtkonzept für Afghanistan geben.
as ist keine Kritik an Ihrer Position, sondern in erster
inie Kritik am Bundesaußenminister, der hier völlig
ersagt hat.


(Beifall bei der FDP – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Wo ist er eigentlich?)


Seit 1999 stehen Auftrag, Aufgaben und Mittel der
undeswehr nicht mehr im Einklang miteinander. Das
age nicht nur ich als ein Vertreter der Opposition in die-
er Debatte, das steht so auch in den Verteidigungspoliti-
chen Richtlinien des Bundesverteidigungsministers
om Mai dieses Jahres. Der jetzt vorgelegte Haushalts-
ntwurf für die Bundeswehr lässt nicht erkennen, dass
)






(A) )



(B) )


Jürgen Koppelin

sich in Zukunft an dieser Situation etwas verbessern
wird. Auftrag, Aufgaben und Mittel der Bundeswehr
sind im Bundeshaushalt 2004 nicht im Einklang mitei-
nander.

Wenn der Bundesverteidigungsminister öffentlich die
weitere Entsendung von deutschen Soldaten nach Af-
ghanistan diskutiert, dann fragt man sich, warum er sich
nicht erst einmal mit den Kernthemen der Bundeswehr
beschäftigt. Man fragt sich auch, was in dieser Koalition
verteidigungspolitisch eigentlich los ist, wenn die Vorsit-
zende der Grünen, Angelika Beer – Kollege Nolting hat
sie schon genannt –, über den Einsatz deutscher Soldaten
im Irak schwadroniert. Wird überhaupt nichts abge-
stimmt?


(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Blödsinn! Das stimmt doch nicht!)


Liebe Kolleginnen und Kollegen, jeder Soldat muss
wissen, wie die Zukunft der Bundeswehr aussieht. Frau
Beer, die Vorsitzende der Grünen, sagt heute in der „Ber-
liner Zeitung“ – Kollege Nolting hat eben schon daraus
zitiert –:

Es kann nicht sein, dass es eine Reformblockade
nur noch in einem Ressort gibt, nämlich im Vertei-
digungsministerium.

Ich finde, zu diesem Vorwurf einer Vorsitzenden einer
Koalitionspartei hätten Sie, Herr Bundesverteidigungs-
minister, heute Stellung nehmen müssen. Wir hätten
gerne gehört, was Sie zu diesen Aussagen einer Partei-
vorsitzenden gesagt hätten. Aber vielleicht wird der Kol-
lege Nachtwei gleich darauf eingehen.

Im Rahmen des Bundeshaushalts hätte der Bundes-
verteidigungsminister an die Kernthemen der Bundes-
wehr herangehen müssen. Die Kernthemen der Bundes-
wehr sind zurzeit die Probleme, die beim Personal
bestehen; das Personal ist erheblich vernachlässigt wor-
den. Wir haben eine mangelhafte Ausrüstung und Be-
waffnung der Bundeswehr zu verzeichnen. Im Bereich
Forschung und Entwicklung für die Bundeswehr beste-
hen ebenfalls erhebliche Vernachlässigungen. Und wir
haben – das muss ich Ihnen deutlich sagen – eine völlig
verkorkste Streitkräftestruktur.

Während die Verteidigungsetats von Frankreich und
Großbritannien bei rund 2,5 Prozent des jeweiligen Brut-
toinlandsproduktes liegen, erreicht Deutschland gerade
einmal 1 Prozent. Das sagt eigentlich fast alles. Warum,
Herr Bundesverteidigungsminister, haben Sie vergessen,
was Sie selbst am 21. Mai dieses Jahres in den Verteidi-
gungspolitischen Richtlinien geschrieben haben? Dort
heißt es unter Nr. 64:

Die strukturelle Neuausrichtung und die materielle
Modernisierung stehen aufgrund begrenzter Finanz-
mittel noch nicht in Übereinstimmung. Deshalb ist
eine Umschichtung innerhalb des Verteidigungs-
haushalts zugunsten von Investitionen notwendig.

Dort steht, es gibt noch keine Übereinstimmung. Wann
werden Sie es denn in Übereinstimmung bringen? Das
hätten Sie uns hier heute beantworten müssen.


(Beifall bei der FDP)


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(C (D Zum Thema Investitionen. Ich kann nicht erkennen, ass Sie bei den Investitionen umgeschichtet haben, obohl es dort zu lesen ist. Sie wollen eine Investitionsuote von 27 Prozent erreichen. Dafür hätten Sie selbsterständlich unsere Unterstützung. Aber warum tun Sie as nicht? Warum schreiben Sie darüber, warum reden ie davon, tun aber nichts? Das kritisieren wir. In der ichtung wären wir uns einig, wenn Sie es denn doch un tun würden. Der Verteidigungsetat 2004 gibt, was hre Aussagen angeht, nichts wieder. Sie haben nur daon gesprochen, aber nichts getan. Die Investitionen im tat steigen nämlich nicht, sondern sinken um 2,3 Proent. Wie wenig diese Bundesregierung für die Ausrüs ung, die die Sicherheit der Soldaten zu einem Teil ausacht, ausgibt, machen Vergleichszahlen deutlich. rankreich gibt für die Ausrüstung seiner Soldaten pro uro an Personalkosten 35 Cent aus, Großbritannien soar 50 Cent. Deutschland liegt pro Euro an Personalkosen bei 20 Cent für die Ausrüstung. Auch das spricht ine klare Sprache. Deutlicher können wir die Schwähen des Verteidigungsetats 2004 wohl nicht aufzeigen. Dieser Verteidigungsetat ist, wenn man zum Beispiel en Bereich Forschung und Entwicklung nimmt, so iedrig, dass wir uns bei den Haushaltsberatungen überegen müssen, was wir als Haushälter tun. Ich bin insoern erstaunt gewesen, dass die SPD-Bundestagsfraktion n ihrer Fraktionssitzung dem Haushalt schon vorab zuestimmt hat. Ich weiß nicht, Herr Kollege Robbe, wie ie sich zu diesem Etat verhalten haben. Ich habe nur die genturmeldung gelesen – es war etwa Mitte August –, ass Sie in Ihrer Fraktion dem Gesamtetat zugestimmt aben. Haben Sie in Ihrer Fraktion gesagt: Das geht icht, was ihr da mit der Bundeswehr macht? Davon abe ich nichts gehört. Bitte reden Sie nicht nur hier, ondern auch in der Fraktion, in der Sie Einfluss haben. bernehmen Sie dort Verantwortung und sprechen Sie in klares Wort. (Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


on Verantwortung für die Bundeswehr kann ich in die-
em Etat jedenfalls nicht viel erkennen.
Kollege Robbe – dafür bin ich sehr dankbar – und

uch Kollege Austermann haben die wehrtechnische
ndustrie angesprochen. Untrennbar mit der Bundes-
ehr verbunden ist die wehrtechnische Industrie in
eutschland. Wenn die bisherige Beschaffungspolitik
er Bundesregierung für die Bundeswehr so fortgesetzt
ird, werden wir bald kaum noch wehrtechnische Indus-
rie in Deutschland haben. Sie können doch nicht von
er wehrtechnischen Industrie erwarten, dass sie Perso-
al vorrätig hält, wenn Sie keine Aufträge bekommt.
enn dann die Unternehmen sagen: „Gut, dann verkau-

en wir ins Ausland, wenn wir hier keine Aufträge be-
ommen“, dann kommen Sie mit neuer Gesetzgebung
nd sagen: „Moment einmal, das geht natürlich nicht; da
ollen wir als Bundesregierung zustimmen können.“ So
eht das nicht. Darüber müssen wir auch bei den Haus-
altsberatungen reden. Ich denke, Sie müssen offen le-
en, warum Sie Gesetze einbringen wollen, durch die






(A) )



(B) )


Jürgen Koppelin

der Verkauf von wehrtechnischen Unternehmen ins Aus-
land genehmigungspflichtig werden soll.

Wir bedauern das sehr – Kollege Austermann hat das
Beispiel HDW angesprochen –, aber es sind politische
Entscheidungen. Sagen Sie einmal bestimmten Leuten
im Kanzleramt, was es mit Rüstungsexporten auf sich
hat. Wenn es da Möglichkeiten gibt, zum Beispiel im
Bereich U-Boote oder Schiffe, dann könnten unsere
Werften sicher existieren. Dann bräuchten sie keine Käu-
fer im Ausland zu suchen. Für andere Bereiche können
wir das Gleiche sagen.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Wir brauchen eine Bundeswehr, die gut ausgerüstet
und gut ausgebildet ist und die motivierte Soldaten hat.
Das trifft heute in keinem Bereich der Bundeswehr zu.
Es wird immer schlimmer. Insofern sage ich Ihnen, in
welche Richtung wir gehen. Dabei komme ich auch
gleich auf die Wehrpflicht zu sprechen. Wir als FDP sa-
gen: Wir brauchen heute keinen Verteidigungsumfang
mehr von 500 000 Soldaten.


(Zuruf von der FDP: Wohl wahr!)

Wir benötigen auch keine Depots, in denen teures Gerät
für einen überhöhten, völlig überflüssigen Verteidi-
gungsumfang gelagert wird. Vielleicht schauen Sie auch
noch einmal in das Konzept, das die Weizsäcker-Kom-
mission vorgelegt hat. Da sind wir als FDP ja in guter
Gesellschaft. Auch wir denken, dass wir die allgemeine
Wehrpflicht nicht mehr benötigen. Wir wollen sie aus-
setzen. Wir wollen sie nicht abschaffen, sondern ausset-
zen.

Kollege Robbe, ich sage, weil Sie es angesprochen
haben, an Sie gerichtet, aber auch in Richtung des Ver-
teidigungsministers: Lassen Sie uns ganz sachlich über
das Thema Wehrpflicht diskutieren. Sachlich, Herr
Bundesminister, ist es allerdings nicht, wenn Sie sagen:
Wehrpflicht heißt für mich, deutsche Soldaten sollen
nicht zu Söldnern werden. Ich mache es mir jetzt einmal
ganz einfach und sage: Die BGS-Angehörigen, die im
Ausland sind, sind auch keine Söldner. Oder stellen Sie
die auf die gleiche Linie? Für diese Thesen, die Sie, Herr
Bundesminister, und auch Sie, Herr Kollege Robbe, hier
heute vorgetragen haben, werden Sie kaum noch Unter-
stützung in der Bevölkerung bekommen, höchstens viel-
leicht bei der CDU/CSU-Fraktion. Aber in der Bevölke-
rung werden Sie dafür keinen Beifall mehr bekommen.


(Günter Friedrich Nolting [FDP]: Nur noch in Teilen! – Zuruf von der CDU/CSU: Immer vorsichtig!)


Wenn Sie den Aufgaben gerecht werden wollen,
wenn Sie eine Bundeswehr haben wollen, die für zu-
künftige Aufgaben gerüstet und ausgebildet ist, dann
reicht nach unserer Auffassung ein Personalumfang von
240 000 Soldaten. Sie werden es erleben: Die Wehr-
pflicht hat ausgedient. Sehen Sie sich nur einmal die
Diskussion an, die wir seit zehn Jahren über die Wehr-
pflicht führen. Sie haben die Dienstzeit immer wieder re-
duziert, auch wir haben sie reduziert, obwohl alle mögli-

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(C (D hen Verantwortlichen gesagt haben: Das kommt berhaupt nicht in Frage. Ich sage Ihnen: Bei diesem mfang der Wehrpflicht, bei diesen paar Monaten, acht sie keinen Sinn mehr. Die Wehrpflicht hat ausgeient. Wenn Sie der Auffassung sind, die Wehrpflicht sei otwendig, Kollege Robbe, dann stellen Sie sich hier hin nd sagen, sie sollte mindestens 15 Monate betragen. ann würde ich sagen, dass es ehrlich ist. Aber so, wie ie Wehrpflicht jetzt ist, ist sie nicht mehr machbar. Ich komme zum Schluss. Wir sind der Auffassung, ass dieser Haushalt des Verteidigungsministers erhebch nachgebessert werden muss. Die Fraktion der FDP ird sich intensiv an der Diskussion beteiligen. Ich habe orhin gesagt, dass die Bundeswehr unsere Armee ist, nsere Parlamentsarmee. Deswegen werden wir diese iskussion nicht aus der Rolle der Opposition heraus ühren, sondern einzig und allein in der Verantwortung ür unsere Soldaten. Vielen Dank für Ihre Geduld. Das Wort hat der Kollege Winfried Nachtwei, Bünd is 90/Die Grünen. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ge tatten Sie zunächst ein persönliches Wort. Zurück aus abul wurde unser Kollege Christian Schmidt in einen ürchterlichen Unfall verwickelt. Wir wünschen ihm von anzem Herzen vollständige und möglichst schnelle Geesung. Die Entwicklung der gesamten wirtschaftlichen Lage acht die Rahmenbedingungen für den Einzelplan 14 esonders schwierig und kompliziert. Es ist der erste aushaltsentwurf nach der Intensivierung der Bundesehrreform durch Minister Struck, nach seiner Entscheiung zur Stilllegung verschiedener Waffensysteme und ach der Veröffentlichung der Verteidigungspolitischen ichtlinien. Wesentliche Maßnahmen zur Reduzierung von Be riebskosten sind einschneidend, sie wirken sich zum roßen Teil aber erst mittelfristig aus. Vor der Tür stehen berdies die Hypotheken früherer Beschaffungsentscheiungen – besonders deutlich wird dies beim Euroighter –, deren Dimensionen einen zukunftsfähigen und usgewogenen Verteidigungshaushalt sprengen. Die notorische Forderung aus den Reihen der Opposi ion nach einer Erhöhung des Verteidigungshaushaltes st jenseits jeder Verantwortbarkeit und ohne Realisieungschance. Sie führt in die Sackgasse. Zwei Schlüsselragen gehören deshalb an die Spitze der Tagesordnung nd der Debatte: Erstens. Wie können die vorhandenen begrenzten ittel effizienter genutzt werden? Winfried Nachtwei Zweitens. Welche Aufgaben soll die Bundeswehr konkret übernehmen und welche nicht? Die Koalition hat sich vorgenommen, die Wehrform in den nächsten Monaten zu überprüfen. Hierbei ist in einer sachlichen Diskussion und Auseinandersetzung in der Koalition zu klären, ob die Wehrpflicht für die ausreichende Nachwuchsgewinnung der Bundeswehr noch unverzichtbar ist oder ob sie eine finanzierbare Bundeswehrreform durch die Absorption von Personal und Ressourcen blockiert. Ich kann Ihnen sagen – ich glaube, dass etliche andere von uns auch diese Erfahrung machen –, dass sich in der Bundeswehr und gerade bei Offizieren mit Einsatzerfahrungen die Stimmen in Richtung dieser zweiten Position deutlich mehren. Wie notwendig eine genauere Aufgabenbestimmung der Bundeswehr über die Aussagen der Verteidigungspolitischen Richtlinien hinaus ist, zeigt sich auf drei Ebenen. Erstens zeigt sie sich auf der Ebene der Risikound Bedrohungswahrnehmung. Unter Sicherheitspolitikern – wenn ich mich hier umsehe, dann stelle ich fest: unter uns allen – besteht Konsens darüber, dass der internationale Terrorismus heute zu den Hauptbedrohungen der internationalen Sicherheit und des Weltfriedens gehört. Der 11. September war und ist dafür ein Menetekel. Tatsache ist aber auch, dass 20 Prozent der deutschen Bevölkerung den al-Qaida-Hintergrund des 11. September anzweifeln bzw. abstreiten. Ich meine, dies ist ein krasses Beispiel dafür, wie die Risikowahrnehmungen in der Politik und in Teilen der Gesellschaft auseinander driften. Zweitens. Zwei Jahre nach den Ereignissen vom 11. September gerät die militärisch verkürzte Variante der Terrorismusbekämpfung immer mehr in eine katastrophale Sackgasse. Einerseits hat sie eine beispiellose militärtechnische Kriegsführungsfähigkeit gegenüber militärischen Gegnern entwickelt, andererseits findet sie ihre Grenzen bei asymmetrisch agierenden Gegnern und beweist zugleich eine bestürzende – das ist ehrlich gemeint – Friedensunfähigkeit. Deutlicher denn je erweisen sich schnelle Militärinterventionen als Illusion. Drittens. Die große Masse der Bundeswehreinsätze dient der Stabilisierung und dem Nation Building. Dass in den letzten Monaten verstärkt nach Kriterien und Grenzen von Bundeswehreinsätzen gefragt wird, ist berechtigt. Ich komme zum Thema Kongo. Wider manche Befürchtungen wurde der erste außereuropäische Kriseneinsatz der Europäischen Union in diesen Tagen tatsächlich abgeschlossen. Gemessen an seinem zeitlich und räumlich begrenzten Auftrag war dieser Einsatz erfolgreich. Zumindest in Bunia hörte das Morden auf und die UN-Truppe MONUC konnte zwischenzeitlich gestärkt werden. Das ist schon ein Erfolg. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


(Beifall bei der FDP)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505909700
Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505909800

(Beifall im ganzen Hause)





(A) )


(B) )


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


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(C (D Auf dem Land und jenseits der Kameras der internatinalen Fernsehstationen ging das Morden aber weiter. s ist noch offen, ob die gestärkte MONUC endlich irksame Autorität gewinnt. Es wäre verantwortungslos, enn es nach den wenigen Monaten der verstärkten Auferksamkeit Richtung Afrika wieder zu einem überwieenden Wegsehen der Staatengemeinschaft käme. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


n den Bürgerkriegen und in zerfallenen Staaten sind die
enschenrechte krass außer Kraft gesetzt und die Ver-
inten Nationen sind im Sinne von vereinten Nationen
elbstverständlich gefordert.
Ich nenne noch einen zweiten Punkt: Afrika gehört

ur europäischen Nachbarschaft. Damit meine ich auch
as Afrika jenseits der Sahara, nicht nur die berühmte
risenregion Maghreb. Die Entwicklung in Afrika
uch südlich der Sahara hat zumindest mittelfristig Aus-
irkungen auf die europäische Sicherheit. Vor diesem
intergrund ist es nicht nachvollziehbar, dass die westli-
hen Industriestaaten und – das müssen wir feststellen –
nsbesondere die Bundesrepublik die Vereinten Nationen
it den von ihr geführten Friedensmissionen in Afrika
m Wesentlichen hängen lassen.


(Beifall des Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Eine Delegation des Verteidigungsausschusses be-
uchte vor zwei Monaten New York. Der Untergeneral-
ekretär Guehenno hat uns deutlich darauf hingewiesen,
ass die Vereinten Nationen sichtbare Unterstützung
uch Deutschlands bei solchen Friedensmissionen brau-
hen, und zwar nicht durch größere Kontingente – nein,
arum geht es nicht –, sondern durch Spezialisten, die
leichfalls von manch anderen Ländern zur Verfügung
estellt werden. Ich meine, diesen Wunsch dürfen wir
icht länger beiseite schieben.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Horst Friedrich [Bayreuth] [FDP]: Wer stellt denn den Außenminister, Herr Kollege Nachtwei?)


Wir führen hier eine Diskussion, oder? Gut.
Vom Kongo zu Afghanistan. Am 17. Juni dieses Jah-

es richteten 85 internationale und hoch angesehene
ichtregierungsorganisationen einen Aufruf an die Staa-
engemeinschaft, ISAF unter NATO-Kommando auf an-
ere Regionen auszuweiten.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505909900

Herr Kollege, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage des
ollegen Nolting zuzulassen?


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505910000

Bitte schön, Herr Nolting. Sie wollen wahrscheinlich
eine Position unterstützen?






(A) )



(B) )



Günther Friedrich Nolting (FDP):
Rede ID: ID1505910100

Ich habe nur eine ganz kurze Frage. Herr Nachtwei,

Sie wissen, dass bei diesen Themen, die Sie gerade ange-
sprochen haben, der Außenminister federführend ist. Ha-
ben Sie denn Ihre Erkenntnisse, die Sie uns gerade nahe
gelegt haben, auch schon an den Außenminister heran-
getragen, der schließlich aus Ihrer Fraktion kommt?


Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505910200

Aber sicherlich. Bevor ich solche Anregungen hier im

Hohen Hause verkünde, habe ich sie an anderer und ge-
eigneter Stelle platziert. Ich habe sie auch in entspre-
chenden Kreisen bei der Botschafterkonferenz zur Spra-
che gebracht.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was hat er da gesagt?)


Aber Sie werden es sicher begrüßen, wenn ein auch in
der Koalition immer noch unabhängiger Abgeordneter
hier sinnvolle Anregungen gibt. Danke schön, Herr
Nolting.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Günther Friedrich Nolting [FDP]: Nur leider hört man vom Außenminister nichts!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505910300

Die Freude über sinnvolle Anregungen ist im ganzen

Hause breit gestreut. Bitte schön.

Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Rede ID: ID1505910400

Ich hatte zuletzt den Aufruf der 85 internationalen

Nichtregierungsorganisationen bezüglich einer ISAF-
Ausweitung angesprochen.

Im Sommer 2004 sollen in Afghanistan Wahlen statt-
finden, und zwar ausgehend von dem Rahmenkonzept,
das die internationale Gemeinschaft für Afghanistan sehr
wohl festgelegt hat. Insofern ist die Forderung nach ei-
nem schlüssigen Gesamtkonzept wohl einem sehr kur-
zen politischen Gedächtnis geschuldet. Wahlen sind also
das eine, das andere ist die teilweise bedrohliche Ent-
wicklung der Sicherheitssituation, vor allem in den östli-
chen und südlichen Provinzen Afghanistans. Diese bei-
den Entwicklungen und Daten machen es unabdingbar,
dass die Staatengemeinschaft ihr Stabilisierungsengage-
ment über Kabul hinaus ausweitet und verstärkt.

Dafür gibt es aber drei Hebel, nicht nur immer das Mi-
litärische. Erstens. Die Reform des Sicherheitssektors
muss angegangen werden. Dabei ist kurzfristig der Auf-
bau der Polizei auf dem Land besonders wichtig und
wirksam. Hier spielt die Bundesrepublik eine besondere
Rolle. Wir müssen dafür sorgen, dass das deutsche Poli-
zeikontingent deutlich aufgestockt wird.


(Beifall des Abg. Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])


Zweitens. Keine Sicherheit ohne Wiederaufbau! Auf
dem Land ist ein sichtbarer Wiederaufbau dringend er-
forderlich. Es reicht nicht, nur da und dort etwas aufzu-

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(C (D auen. Natürlich haben auch kleine Projekte als Grasurzelprojekte ihre Berechtigung, aber wir brauchen ichtbare und schnelle Wiederaufbauleistungen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)


Drittens. Wir brauchen in der Tat multinationale Stabi-
sierungskräfte. Hier spräche meiner Meinung nach vieles
ür eine tatsächliche ISAF-Ausweitung, aber – das ist
chon mehrfach festgestellt worden – die Staatenge-
einschaft ist nicht bereit, mindestens 10 000 Soldaten
der mehr dorthin zu schicken. Deshalb sind Wiederauf-
auteams die zweitbeste Lösung.
ier gibt es einige Missverständnisse, zum Beispiel dass
ie Soldaten direkt zivile Helfer schützen sollten. Darum
eht es gar nicht, auf keinen Fall. Es geht darum, dass et-
as Ähnliches wie in Kabul geschieht, nämlich dass
urch Präsenzpatrouillen und Verbindungsarbeit mit ver-
chiedenen Autoritäten eine Art Stabilitätswindschatten
eschaffen wird, in dem dann humanitäre Organisatio-
en und Nichtregierungsorganisationen in Unabhängig-
eit und Neutralität, die wichtig ist, arbeiten können.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sind die Leute bewaffnet?)


Ausgesprochen gut ist, dass die Bundesregierung
icht ein schwaches Team vorsieht, sondern ein solide
usgestattetes, also sehr kräftiges Team mit deutlichen
ivilen und polizeilichen Komponenten. Völlig richtig
st auch, dass dieses Team im Rahmen eines erweiterten
SAF-Mandates agieren soll.
Eine offene und kritische Frage bleibt allerdings, wie

tabilisierung und Wiederaufbau in den Paschtunenge-
ieten und heißen Krisenprovinzen Richtung Pakistan
eschehen können. Das ist eine Aufgabe der Staatenge-
einschaft insgesamt.
In der Öffentlichkeit werden immer wieder Stimmen

aut, die eine angebliche Intransparenz und Beliebigkeit
on Entscheidungen der Koalition zu Auslandseinsätzen
er Bundeswehr kritisieren, gar eine Art Kompensati-
nsgeschäft mit Washington – das ist vorhin von dem
ollegen Müller behauptet worden – unterstellen. Das
rifft eindeutig nicht zu. Man muss sich nur einmal die
ituation und die Rahmenbedingungen dieser in Diskus-
ion stehenden Einsätze bzw. des Einsatzes in Afghanis-
an angucken. Hier lässt sich zusammenfassend feststel-
en: Die laufenden Einsätze sind dringend notwendig,
eil es hier um zentrale, kollektive, europäische und
eutsche Sicherheitsinteressen geht. Sie sind eindeutig
echtmäßig, weil sie im Auftrag der Vereinten Nationen
eschehen. Sie haben eine Erfolgschance, weil sie zu-
indest in politische Rahmenkonzepte eingebunden
ind, bei denen es natürlich immer wieder Nachbesse-
ungsbedarf gibt. Sie sind multilateral und multidimensi-
nal, also zivil, polizeilich und militärisch angelegt. Sie
ind schließlich leistbar und verantwortbar angesichts ei-
ener Kapazitäten und der zu erwartenden Risiken und
ie sind von breiter Akzeptanz in Parlament und Gesell-
chaft getragen.






(A) )



(B) )


Winfried Nachtwei

Diese Kriterien machen deutlich, warum ein militäri-

scher Beitrag der Bundesrepublik Deutschland im Irak
nicht zur Diskussion steht, warum wir ihn nicht wollen.
Dass Deutschland sehr wohl wichtige Beiträge zur hu-
manitären Hilfe, zum Wiederaufbau, zur Polizeiausbil-
dung usw. im Irak leisten kann, haben Bundeskanzler
und Bundesaußenminister zugleich sehr deutlich festge-
stellt.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505910500

Ich erteile dem Kollegen Hans Raidel, CDU/CSU-

Fraktion, das Wort.

Hans Raidel (CSU):
Rede ID: ID1505910600

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und

Herren! Zuerst möchte ich Sie herzlich von Christian
Schmidt grüßen. Es geht ihm wieder besser und er hofft,
wieder bald bei uns zu sein.

Verehrter Herr Minister, bei aller persönlichen Wert-
schätzung: In Ihrer Bilanz und in Ihrem Ausblick auf die
Zukunft finden sich viele Ankündigungen und fromme
Wünsche, die der täglichen Realität in der Außen- und
Sicherheitspolitik und vor allem in Fragen der Bundes-
wehr nicht oder nur bedingt standhalten. Die Bundes-
wehrreform dümpelt, es fehlt der richtige Drive, zu
viele Baustellen sind auch von Ihnen aufgemacht wor-
den. Vieles ist dabei Stückwerk geblieben. Wir sind alle
gespannt, wie Sie Anspruch und Wirklichkeit zusam-
menführen wollen.

Ich möchte mich insbesondere mit den Folgen dieser
falschen Haushaltspolitik auseinander setzen. Bis 2006
bleibt der Haushalt gedeckelt. Dieser nominal stagnie-
rende Haushalt, real aber sinkende Etat, wird die Unter-
finanzierung der Bundeswehr fortsetzen.

Jeder weiß aber, dass wir zur Erfüllung unserer inter-
nationalen Verpflichtungen, für die Modernisierung der
Bundeswehr, für Rationalisierungsaufgaben und für die
Attraktivitätssteigerung mehr Haushaltsmittel brauchen.
Das In-Aussicht-Stellen für 2007 reicht dabei nicht aus.

Diesem Haushalt fehlt ein wirkliches Signal für die
dringend notwendige Modernisierung der Ausrüstung
und der Infrastruktur und den Abbau des Investitions-
staus. Rot-Grün verschließt die Augen davor, dass die
Sicherheit unseres Landes und unserer Bürger – auch
nach Meinung unserer Bündnispartner – mehr Investitio-
nen erfordert, als Sie zu geben bereit sind. Nach wie vor
ist – das ist die Schwierigkeit bei Ihnen – kein politi-
scher Wille erkennbar, der Verteidigungspolitik eine grö-
ßere Priorität einzuräumen. Deswegen können wir uns
nicht in der Lage sehen, diesem Haushaltsplanentwurf
und der mittelfristigen Finanzplanung zuzustimmen.

Bis heute liegen nur die Verteidigungspolitischen
Richtlinien vor. Es gibt weder ein verbindliches Weiß-
buch der Bundesregierung noch ein tragfähiges Gesamt-
konzept für die Verteidigung. Die Verzahnung der inne-

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(C (D en und äußeren Sicherheit ist nicht vorangekommen nd auch für das Parlamentsbeteiligungsgesetz für Ausandseinsätze liegt noch kein Entwurf vor. (Winfried Nachtwei [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir dran! Kollege Raidel, Sie kriegen den ganzen Prozess nicht mit!)


Sie sind vielleicht dran, aber wann werden Sie damit
ertig?
Dasselbe gilt für ein schlüssiges Reservistenkonzept.

ie hätten genügend Zeit gehabt, diese Fragen zu klären
nd entsprechende Entwürfe vorzulegen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle sind für die Beibehaltung der Wehrpflicht.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Das stimmt doch nicht!)


err Minister, Ihre persönliche Haltung in dieser Frage
hrt Sie sehr. Aber hat sie auch Bestand? Das ist eine
rage, die sich in nächster Zeit stellen wird.
Herr Kollege, Sie haben vorhin auf die Bevölkerung

erwiesen. Die Bevölkerung vertraut eher uns. In Bayern
eispielsweise wählen uns 60 Prozent der Bevölkerung.
ie bringen es gerade einmal auf 2 oder 3 Prozent. Wer
st also in Ihren Augen die Bevölkerung? Ich glaube,
ass wir mit unserer Aussage zur Wehrpflicht in diesem
usammenhang auf der sicheren Seite sind.
Herr Minister, Sie schieben wichtige Entscheidungen

or sich her. Ihnen fehlen die Mittel, um Entscheidungen
mzusetzen. Ein Ausrüstungs- und Materialkonzept
ehlt bis heute. Der Generalinspekteur soll es wohl bis
nde 2003 vorlegen. Unklar bleibt aber, welche neuen
üstungsprojekte vielleicht noch in diesem Jahr be-
chafft bzw. realisiert werden können.
Besonders bedenklich ist – alle Kollegen haben da-

auf hingewiesen –, dass Sie die Investitionen für For-
chung und Entwicklung um weitere 100 Millionen Euro
uf den Stand von 1984 senken.


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

ei einem statistischen Vergleich werden Sie das bestä-
igt finden.
Damit verspielt Rot-Grün nicht nur die Zukunft und

echnologiefähigkeit der Bundeswehr, sondern auch die
er deutschen wehrtechnischen Industrie. Bei der Lek-
üre des so genannten Grünen Buches, das Sie, Herr Mi-
ister, herausgegeben haben, kann jeder nachvollziehen,
ass Sie bei diesem Etat neue Vorhaben nur in einem
ehr geringen Umfang quer durch alle Teilstreitkräfte
inleiten können. Der Kollege Austermann ist in seinen
usführungen bereits ausführlich darauf eingegangen.
Damit – ohne Aufträge und entsprechende Mittel für

orschung und Entwicklung – machen Sie es der wehr-
echnischen Industrie unmöglich, sich am internationa-
en Markt zu behaupten.
Das Vetorecht ist doch ein Griff in eine uralte Kla-
ottenkiste. Wer ein Vetorecht platzieren will, muss
eld in die Hand nehmen, weil ein Vetorecht zur Folge






(A) )



(B) )


Hans Raidel

hätte, dass Firmen Pleite gehen. Wir brauchen stattdes-
sen – das wäre konsequent – Planungssicherheit in der
Beschaffungspolitik, eine Harmonisierung der europäi-
schen Rüstungsexportrichtlinien und eine verstärkte
Rüstungskooperation.

Auf das erheblich gestiegene Finanzrisiko bei Aus-
landseinsätzen ist bereits hingewiesen worden. Deshalb
nur so viel dazu: Wir haben die große Befürchtung, Herr
Minister, dass Sie bei künftigen Auslandseinsätzen wie-
der auf den Kosten im Einzelplan 14 sitzen bleiben wer-
den; Afghanistan lässt grüßen. Was im Irak noch auf uns
zukommt, wissen wir zwar nicht. Aber auch hier wird
wohl der Einzelplan 14 bluten müssen.

Um nicht weiter auf die schiefe Ebene zu geraten, ist
es deshalb erforderlich, endlich einmal die deutsche Si-
cherheitsinteressen zu definieren, damit Aufgaben und
Fähigkeiten wieder in Einklang gebracht werden kön-
nen, und für eine angemessene Finanzierung aus dem
Gesamthaushalt zu sorgen. Stattdessen werden – oft
ohne ausreichende politische Konzepte – Aufgaben in
NATO und EU im Rahmen der internationalen Friedens-
sicherung übernommen, denen die Soldaten immer we-
niger gerecht werden können. Schon heute sind wichtige
Teile der Bundeswehr personell überstrapaziert. Das
deutsche Heer kann mit 35 000 einsatzfähigen Soldaten
kaum mehr die Aufgaben schultern; denn durch das Re-
volving-Konzept sind rund 28 000 bis 30 000 Soldaten
jeweils gebunden.

Den zukünftigen Hauptlastträgern der Auslandsein-
sätze, der DSO und der DLO, fehlt schon heute das
Geld, um die notwendige Ausrüstung zeitgerecht zu be-
schaffen. Sie kennen ja die Zeitachse: Erst war von 2006
und dann von 2007 die Rede. Nun spricht man von 2010.
Noch offensichtlicher wird die auseinander klaffende
Schere bei einem Soll-Ist-Vergleich. Wenn Sie eine Ka-
serne besuchen, in der hauptsächlich Truppen unterge-
bracht sind, die im Inland eingesetzt werden, dann wer-
den Sie feststellen, dass die Verantwortlichen nur noch
über total veraltetes Gerät verfügen. Der sichtbare Nie-
dergang unserer Armee ist nicht mehr zu beschönigen.
Reden Sie mit Kommandeuren und schauen Sie sich ge-
nau an, wie sie leben müssen! Dabei sollten Sie nicht
vergessen, dass die Kommandeure nach außen nicht
über alles berichten dürfen; denn bevor Sie eine Kaserne
besuchen, bekommen alle einen Maulkorb verpasst.

Auch die soziale Lage der Soldaten im Einsatz hat
sich trotz der vollmundigen Versprechen bis heute nicht
entscheidend verbessert. Die von uns im Frühjahr im
Verteidigungsausschuss besonders unterstützte Neurege-
lung der so genannten Einsatzversorgung für Soldaten
im Auslandseinsatz ist noch nicht genügend vorange-
kommen. Das Familienbetreuungssystem der Bundes-
wehr im Inland ist personell und materiell noch immer
nicht ausreichend ausgestattet. Die finanziellen Anreize
für einen Auslandseinsatz sind gerade für Spezialkräfte
wenig attraktiv. Auch die ständigen Versuche, die Zula-
gen zu kürzen oder sogar ganz abzuschaffen, sorgen
nicht für gute Stimmung in der Truppe. Die letzte Wehr-

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(C (D olderhöhung ist im Übrigen bereits fünf Jahre her. Wir aben zwar die ganze Zeit darüber geredet. Aber getan aben wir nichts. Über erhoffte Erlöse, Rationalisierungsgewinne und rivatisierungserfolge wurde bereits ausreichend gereet. Ich glaube, dass die angesprochenen Projekte nicht as bringen werden, was man sich von ihnen verspricht. ir alle sind zwar der Meinung, dass das der richtige eg ist. Aber mittlerweile sind so viele Fehler gemacht orden, dass uns allmählich der Glaube an die Richtigeit fehlt. Hier wäre eine Nachsteuerung in die Richtung, ie Herr Kollege Austermann angesprochen hat, drinend notwendig. Eine verantwortliche Sicherheitspolitik wäre es, auch schwierigen finanziellen Zeiten die Auszehrung des erteidigungsetats zu stoppen und dem Sicherheitsbeürfnis unserer Bürger endlich wieder die notwendige riorität einzuräumen. Jeder weiß doch: Wer an der Veridigung spart, geht ein hohes Risiko ein. Der Herr Miister hat neulich in Fürth einen Vortrag mit dem Titel Quo vadis, Bundeswehr?“ gehalten. Herr Minister truck hat festgestellt, dass ein einziges Wort die Antort ausmacht: Ausland. Wir sind der Meinung, dass die erteidigungspolitischen Richtlinien zu kopflastig sind, a sie sich zugunsten der Auslandseinsätze und zulasten er Heimatverteidigung sowie der inneren Sicherheit uswirken. (Marianne Tritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gegen wen wollen Sie denn die Heimat verteidigen, Herr Raidel?)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Im selben Vortrag kündigte der Minister mit großer
este an, die wehrtechnische Industrie müsse wissen, er
aufe nichts, was er nicht brauche. Herr Minister, es
äre schon sehr viel gewonnen, wenn Sie kaufen könn-
n, was die Bundeswehr braucht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ehr verlangen wir doch überhaupt nicht! Wir verlan-
en nur das Geld, das notwendig ist, um Ihrem eigenen
nspruch zu genügen.
Strecken, Schieben, Streichen ist weiter an der Tages-

rdnung, zulasten der Soldaten, zulasten der wehrtechni-
chen Industrie und damit zulasten unserer Sicherheit.
ot-Grün lässt die Bundeswehr über die Haushaltspoli-
k austrocknen, um nicht zu sagen: ausbluten. Wir leh-
en diesen Haushaltsentwurf ab, weil von ihm keine po-
itiven Signale und keine Perspektive ausgehen.
Herzlichen Dank.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505910700

Nächste Rednerin ist die Kollegin Ulrike Merten,

PD-Fraktion.






(A) )



(B) )



Ulrike Merten (SPD):
Rede ID: ID1505910800

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege
Raidel, ich weiß nicht, welche Kasernen Sie besuchen.


(Hans Raidel [CDU/CSU]: Genügend!)

Möglicherweise sind es nur bayerische. Ich stelle bei
meinen Besuchen jedenfalls nicht fest, dass sich die Sol-
daten den Mund verbieten lassen. Im Übrigen habe ich
noch Augen im Kopf. Das heißt, es ist an mir, genau hin-
zuschauen, um zu erkennen, was ich eigentlich sehen
möchte. Außerdem kann ich nach dem fragen, worauf es
mir ankommt.

Herr Kollege Austermann, zu Beginn möchte ich
noch eine Bemerkung zu Ihren Ausführungen machen.
Sie haben hier im Gewand des seriösen Haushaltspoliti-
kers ganz besorgt gefragt, ob wir es uns angesichts die-
ser Haushaltslage überhaupt noch leisten können, ja ob
es überhaupt noch verantwortbar ist, zusätzliche Aus-
landseinsätze zu beschließen – sofern wir das überhaupt
tun. Sie haben an dieser Stelle vergessen, auf den Wider-
spruch zu der relativ forschen Haltung Ihrer Fraktions-
und Parteivorsitzenden in Fragen des Irakkonfliktes hin-
zuweisen. Ich hätte es gut gefunden, wenn Sie das getan
hätten.


(Beifall bei Abgeordneten der SPD des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Wollen Sie da auch noch hin?)


– Ich will da nicht hin. Das ist keine Frage.
Herr Kollege Austermann, Sie haben beklagt, dass

wir es mit einem Ausverkauf der deutschen wehrtechni-
schen Industrie zu tun haben. Gleichzeitig haben Sie die
angestrebte Lösung, die genau dies verhindern soll, an-
geprangert.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Was?)

Dazu sage ich Ihnen: Bei HDW, bei den Howaldtswer-
ken –, handelt es sich nicht um einen Verkauf, weil man
dort nicht rentabel ist und keine Gewinne macht. HDW
ist – natürlich – verkauft und gekauft worden, weil man
dort Gewinne macht. Ladenhüter bleiben in der Regel im
Regal liegen.

Herr Kollege Koppelin, Sie haben ein ähnliches Ar-
gument gebraucht.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Sie machen ja einen Rundumschlag!)


– Nun warten Sie einmal ab. – Sie haben in Ihrer Rede
beklagt, dass wir es mit verkorksten Strukturen zu tun
haben. Ich will Ihnen dazu Folgendes sagen: Es mag
einiges geben, was verbesserungswürdig ist, was auch
bei der Neuorientierung der Bundeswehr nachjustiert
werden muss. Das tun wir auch. Aber im Grunde genom-
men ist Ihre Klage eine Unverschämtheit: Sie waren in
der Verantwortung, als sich das Aufgabenspektrum der
Bundeswehr verändert hat, und Sie haben nichts unter-
nommen, um die Strukturen so auszurichten, dass wir
diesen Aufgaben gerecht werden können.

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(C (D (Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)


ass Sie jetzt in einer Situation, die, bezogen auf den
aushalt, insgesamt schwierig ist – wir sind in mannig-
altigen Einsätzen –, von uns verlangen, all das auf ein-
al zu bewältigen, was Sie uns an Problemen hinterlas-
en haben, weil Sie niemandem auf die Füße treten
ollten, ist eine Unverschämtheit.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich will noch ein paar Worte zum Einzelplan 14 ver-
ieren, den Sie in dieser Debatte wirklich pausenlos
chlechtreden. Ich will überhaupt nicht verschweigen,
ass der Einzelplan 14 natürlich in einem ganz schwieri-
en haushaltspolitischen Umfeld entstanden ist. Gleich-
eitig sage ich: Wenn man sich ihn genau ansieht, dann
t der schwierige Weg


(Jürgen Koppelin [FDP]: Dann doch wieder in Ordnung?)


er notwendigen nachhaltigen Haushaltskonsolidierung,
hne dabei auf gestaltende Politik zu verzichten, deut-
ich zu erkennen.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Nennen Sie mal ein Beispiel!)


ir wissen – Sie wissen das auch –, dass Sie, wie ich
inde, außerordentlich unrealistische und auch unseriöse
orderungen stellen. Auch für den Einzelplan 14 kann
nd darf es meines Erachtens keine Ausnahme geben,
enn wir die Staatsfinanzen auf Dauer in Ordnung brin-
en wollen. Darauf ist in den Debatten gestern und heute
ehrfach hingewiesen worden.
Wer wollte leugnen – wir tun es nicht –, dass der Weg

is 2007 natürlich schwierig bleibt? Erst dann werden
ir verantwortlich – ich lege jetzt das Gewicht auf „ver-
ntwortlich“ – eine deutliche Steigerung der Verteidi-
ungsausgaben um rund 950 Millionen Euro vorsehen
önnen.
Mit dem verfügbaren Volumen für 2004, das gegen-

ber 2003 konstant bleibt, und dem, was im Finanzplan
is 2007 vorgesehen ist, kommen wir dem Ziel der Bun-
esregierung, Auftrag, Fähigkeiten und Ausrüstung der
undeswehr und die zur Verfügung stehenden Mittel in
in ausgewogenes Verhältnis zu bringen, einen ganz er-
eblichen Schritt näher. Ich wünschte mir auch, es ginge
chneller. Ich wünschte mir auch, wir hätten mehr Geld
ur Verfügung. Aber es geht hier nicht um das Wünsch-
are, sondern um das Machbare.
Ich will darauf hinweisen, dass die Belastungen ge-

enüber dem Vorjahr nicht kleiner werden. Auf den Be-
rag, den wir für internationale Einsätze aufzubringen
aben, hat der Kollege Robbe hingewiesen. Wir beken-
en uns ganz ausdrücklich – auch das gehört zur Konti-
uität deutscher Außen- und Sicherheitspolitik – zu un-
erer Verantwortung gegenüber unseren Partnern im
ündnis und der internationalen Staatengemeinschaft.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Wissen die das?)







(A) )



(B) )


Ulrike Merten

Aber wir bekennen uns auch zu unserer Verantwor-

tung gegenüber den Soldaten, die wir stellvertretend in
die Einsätze schicken. Wir wissen nicht erst seit dem
Selbstmordanschlag an Pfingsten in Kabul, dass unsere
gut 8 000 Soldaten und Soldatinnen, die momentan im
Auslandseinsatz sind, ganz außerordentlichen Gefähr-
dungen ausgesetzt sind. Das ist mit Einsätzen im Frieden
nicht zu vergleichen.

Wir hoffen natürlich – ich denke, ich kann Sie da ein-
schließen –, dass Unfälle auch in Zukunft, wann immer
es geht, vermieden werden können. Bei einem Unfall,
der ja immer möglich ist, sollten wir den Soldaten und
Soldatinnen sowie ihren Angehörigen ersparen, sich in
einen für sie unerträglichen Rechtsstreit darüber einlas-
sen zu müssen, ob der Unfall im besonderen Auslands-
einsatz als qualifizierter Dienstunfall zu gelten hat oder
nicht. In diese Regelung sollten wir auch Soldaten auf
Zeit und solche, die freiwillig länger Dienst leisten, ein-
beziehen, die zurzeit bei gleichen Einsatzbedingungen
schlechter gestellt sind als ihre Kameraden, die den Sta-
tus des Berufssoldaten haben.

Um die Versorgungsleistungen für Soldaten und
Soldatinnen bei Auslandseinsätzen auszubauen, haben
wir einen interfraktionellen Antrag eingebracht, mitein-
ander beraten und darüber im Konsens entschieden. Wir
sind da auf einem guten Weg. Ich finde es gut und rich-
tig, an einer solchen Stelle – man hat ja selten die Gele-
genheit dazu – noch einmal darauf hinzuweisen, dass es
in wichtigen Fragen des Verteidigungshaushalts durch-
aus auch einen breiten Konsens geben kann. An dieser
Stelle war das so.

Aber nicht nur in Versorgungsfragen haben wir unse-
ren Soldaten und Soldatinnen gegenüber eine hohe Ver-
antwortung, wenn es um Auslandseinsätze geht, sondern
auch in der Frage der Betreuung, auch der Betreuung
und Begleitung ihrer Familien. Die Familien leiden ja
unter den langen Trennungszeiten. Wir haben nur ganz
langsam gemerkt, dass die sachgerechte Ausrüstung bei
Auslandseinsätzen nur eine Seite ist. Die andere Seite
ist, dass solche Einsätze in besonderer Weise begleitet
werden müssen. Ich bin sehr froh, dass wir den Fami-
lienbetreuungszentren zusätzliche Planstellen zur Verfü-
gung stellen konnten. Wir sind jetzt bei einer Zahl von
19 Betreuungszentren angelangt. Angestrebt sind 32, da-
mit das Netz wirklich flächendeckend ist. Das wird noch
ein bisschen dauern. Aber wenn man sich einmal die Ar-
beit in den Betreuungszentren, das hohe Engagement der
dort arbeitenden Soldaten und der ehrenamtlichen Kräfte
anschaut, dann wird man einsehen, wie wichtig es für die
Menschen, deren Männer oder Väter im Einsatz sind, ist,
dass sie kurze Wege haben und die Informationen wirk-
lich fließen und dass dieses Geld auch in Zukunft gut an-
gelegt ist.

Meine Damen und Herren, im Zuge der Neuausrich-
tung wird die Bundeswehr insgesamt kleiner, aber mo-
derner und leistungsfähiger. Wie mutig, aber auch wie
schwierig die Realisierung eines solchen Vorhabens in
einer Großorganisation wie der Bundeswehr ist, wissen
wir nicht erst seit dem Zeitpunkt, seit dem mit der Umset-
zung begonnen wurde. Natürlich sehen auch wir, dass

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(C (D um Beispiel der beabsichtigte Abbau der Zahl der Zivileschäftigten von circa 135 000 auf dann circa 90 000 angsamer vorangeht als erwartet. Aber zu Beginn haben ir ja gesagt: Betriebsbedingte Kündigungen wird es icht geben, der Personalabbau wird sozialverträglich getaltet. Es ist keine Frage, dass Modernität und Effizienz nabdingbar sind, wenn die Streitkräfte noch leistungsfäiger werden sollen. Aber im Mittelpunkt müssen die Ineressen der Beschäftigten stehen. Dies auch gegen den erechtigten Wunsch, an der einen oder anderen Stelle etas schneller voranzukommen, durchgesetzt zu haben, inde ich richtig. Das möchte ich an dieser Stelle noch inmal unterstreichen. Ich möchte zum Abschluss zusammenfassen: Dieser aushalt leistet einen wichtigen Beitrag zur weiteren onsolidierung der Staatsfinanzen. Das wichtige Ziel, nsere Streitkräfte weiter zu modernisieren und Beriebsstrukturen zu optimieren, bleibt ganz oben auf der agesordnung. Wir nehmen unsere Verantwortung, einen ngemessenen Beitrag bei der Bewältigung internationaer Krisen zu leisten, außerordentlich ernst. Die Politik er Bundesregierung ist hier wie in den vergangenen ahren von Verlässlichkeit und Kontinuität geprägt. Entscheidend ist aber auch: Die Soldatinnen und Sol aten müssen sich darauf verlassen können, dass sie ihre ufgaben sachgerecht und mit dem bestmöglichen chutz versehen erfüllen können. Dies stellt dieser aushalt sicher. Das ist ein ganz wichtiges Signal. Es eht also letzten Endes um mehr als nur um Geld. Es eht um die Sicherheit, die unsere Soldatinnen und Solaten brauchen. Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505910900

Letzter Redner in der Debatte zum Geschäftsbereich

es Bundesministeriums der Verteidigung ist der Kol-
ege Thomas Kossendey, CDU/CSU-Fraktion.

Thomas Kossendey (CDU):
Rede ID: ID1505911000

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
iese Debatte hat es gezeigt – auch die Vertreter der Ko-
lition haben es nicht abgestritten –: Dieser Haushalt
teht auf tönernen Füßen. Das beziehe ich nicht nur auf
en Haushalt 2004, wie er dem Parlament jetzt zur Be-
chlussfassung vorliegt, sondern auch auf die Haushalts-
age insgesamt. Daraus ergeben sich Risiken, in deren
olge nicht Nachbesserungen, sondern eher noch wei-
ere Verschlechterungen zu erwarten sein werden. Diese
erschlechterungen werden – wer Rot-Grün kennt, weiß
as – im Wesentlichen zulasten der Bundeswehr gehen.
as darf und kann nicht sein.
Selbst wenn der Haushaltsansatz bei nominell

4,4 Milliarden Euro bliebe, hieße das de facto jedes
ahr ein Minus von real 500 Millionen Euro, wegen des
nflationsausgleichs, wegen der Kosten der internationa-
n Einsätze, aber auch wegen des Ansteigens der Gehäl-
r der Soldaten und der Zahl der zivilen Mitarbeiterinnen






(A) )



(B) )


Thomas Kossendey

und Mitarbeiter. Der Minister selber hat ja – das ist noch
kein Jahr her – in der Führungsakademie in Hamburg
deutlich gesagt, dass er der Meinung sei, dass er zu we-
nig Geld für die Verteidigung habe. Er hat damals darauf
hingewiesen, dass er gute Beziehungen zu den Haushäl-
tern der Regierungskoalition unterhalte und es ihm
schon gelingen werde, das eine oder andere nachzubes-
sern. Nun, verehrter Herr Minister, wie gut es um ihre
Beziehungen zu den Haushältern bestellt ist, weist dieser
Haushalt eindeutig aus.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nun hat der Minister in den letzten Monaten einige

Sparmaßnahmen angekündigt: Er will Flugzeuge außer
Dienst stellen und er will Schiffe außer Dienst stellen.
Davon erhofft er sich einen Sparbeitrag. Richtig, das
wird eines Tages sicher kommen. Nur, im nächsten Jahr
wird uns das nicht helfen, weil bis dahin diese Einspa-
rungen nicht realisiert werden können.

Hier sind der Minister und letztendlich das gesamte
Kabinett so realitätsfern, wie es schon bei der Diskus-
sion um die Verteidigungspolitischen Richtlinien, die
dann auch in Kraft gesetzt wurden, zu erleben war.
Letztendlich, Herr Minister, ist von diesen Verteidi-
gungspolitischen Richtlinien nicht viel mehr hängen ge-
blieben als die Überschrift „Deutschland wird am Hin-
dukusch verteidigt“. Das ist eigentlich sehr schade; denn
es stehen eine Menge Dinge darin, die eine politische
Diskussion verdient hätten.

Ich will Ihnen ein Zitat aus dem Weißbuch von 1994
vorhalten. Darin hat Minister Rühe im Hinblick auf
deutsche internationale Einsätze geschrieben:

Dabei gilt, dass jeder konkrete Einsatz daraufhin zu
prüfen sein wird, ob ein politisches Konzept zur
Lösung des Konfliktes vorhanden ist und ob der
Einsatz militärischer Mittel geeignet ist, zur Kon-
fliktbewältigung beizutragen. Es wird auch in je-
dem Einzelfall zu prüfen sein, ob die Möglichkeiten
der friedlichen Konfliktlösung ausgeschöpft sind
und ob es deutschen Interessen und Wertvorstellun-
gen entspricht, mit militärischen Mitteln zur Kon-
fliktbewältigung beizutragen. Es gilt letztlich im-
mer, dass Deutschland nie allein, sondern nur mit
Verbündeten und Partnern handeln wird.

Viel besser kann man das nicht ausdrücken. Sie hätten
eigentlich in diesem Punkt das Weißbuch 1994 nehmen
sollen, vielleicht um einige aktuelle Zahlen ergänzt;


(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das Datum ändern!)


dann wären Sie besser davongekommen als mit diesen
Richtlinien.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Hauptkritikpunkt an diesen Richtlinien ist aus

meiner Sicht, dass sie eigentlich nur für Ihr Ministerium
verbindlich sind. Sie haben es vermieden, im Kabinett
und im Parlament darüber eine Debatte und eine Abstim-
mung herbeizuführen. Da fragt man sich natürlich: Wo-
ran hat das gelegen? Lag es vielleicht daran, dass die Zu-

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(C (D timmung einiger Minister im Kabinett zum Beispiel zur rage der Wehrpflicht nicht zu erreichen gewesen wäre? ag es vielleicht daran, dass einigen Ministern die ustimmung schwer gefallen wäre, weil dort sehr viele ositive Worte zum transatlantischen Bündnis, zu unseem Verhältnis zu Amerika, zu finden sind? In Ziffer 32 und 40 lesen wir: „Die USA bleiben für ie Sicherheit Europas unverzichtbar“ und „Die Transatantische Partnerschaft bleibt Grundlage unserer Sichereit.“ Wenn das so ist, Herr Minister, dann frage ich Sie: arum haben Sie es zugelassen, dass das Verhältnis zu merika im letzten Jahr zum Spielball kleinkarierter arteipolitischer Interessen geworden ist? Was haben Sie ersönlich eigentlich in den letzten Monaten unternomen, um diese Aussagen in den Verteidigungspolitichen Richtlinien mit Leben zu erfüllen? (Dr. Peter Struck, Bundesminister: Jeden Tag mit Rumsfeld telefoniert!)


Danke.
In den Nrn. 43 und 45 lesen wir über die wichtige
olle der Vereinten Nationen in den Krisengebieten der
elt und dass Deutschland mit substanziellen Beiträgen
ie Rolle der Vereinten Nationen stärken wolle. Wenn
as so ist, Herr Minister, warum gab es dann im Irakkon-
likt von vornherein die Festlegung, dass sich Deutsch-
and unabhängig von der Beschlusslage der Vereinten
ationen an keiner Aktion beteiligen werde?


(Rainer Arnold [SPD]: War das falsch?)

In diesen Wochen und Monaten laufen Sie übrigens
efahr, diesen Fehler zu wiederholen. Wenn Sie hier der
DP vorwerfen, sie hätte sich in Bezug auf Kunduz vor-
chnell festgelegt und das sei politisch unklug, dann gilt
as umso mehr für Fragen, die im internationalen Be-
eich von Deutschland zu beantworten sind.
Die Vereinten Nationen, Herr Minister, kann man ei-

entlich in zweierlei Hinsicht schwächen. Zum einen
ann man sagen: Was auch immer die beschließen, wir
achen es anders, weil es unseren eigenen Interessen
her entspricht. Das haben Sie den Amerikanern unter-
tellt. Man kann aber auch sagen: Was auch immer die in
ew York beschließen, wir werden uns nicht daran be-
eiligen. Das ist die Rolle, die Sie gespielt haben. Wer
raktisch die Vereinten Nationen auf gleiche Weise
chwächt, sollte sich hüten, die Amerikaner dafür zu kri-
isieren.


(Beifall bei der CDU/CSU)

In Ziffer 69 der Verteidigungspolitischen Richtlinien

önnen wir lesen, dass die Bundesregierung eine leis-
ungs- und wettbewerbsfähige Verteidigungsindustrie
ufrechterhalten möchte und dass das durch internatio-
ale Kooperation gut möglich sein wird. Das hört sich
rima an. Aber warum streichen wir dann gerade bei den
nternationalen Rüstungsvorhaben? Das Geeiere um den
400M ist uns allen noch gut in Erinnerung. Warum pla-
en Sie mittlerweile sogar ein Gesetz gegen den Ausver-
auf deutscher Rüstungstechnologie? Mir scheint das ein
erspäteter Reflex der alten Stamokap-Theorie zu sein,






(A) )



(B) )


Thomas Kossendey

nach dem Motto: Ein bisschen Sozialismus kann ja ei-
gentlich nie schaden.


(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Besser wäre gewesen, Sie hätten in der Vergangenheit

dafür gesorgt, dass der Verteidigungsindustrie in
Deutschland im Interesse einer vernünftigen Ausrüstung
der Bundeswehr eine verlässliche Perspektive gegeben
wird. Die Franzosen haben das mit ihrem Programmge-
setz hervorragend geregelt; wir hinken da hinterher.

Unsere Industrie kann sehr wohl mit einem geringe-
ren Verteidigungshaushalt leben, wenn er denn verläss-
lich ist und ihr Planungssicherheit gibt – auch zum Er-
halt der Arbeitsplätze und zum Erhalt des technischen
Know-hows. Hier ist in den letzten Jahren gesündigt
worden. In dem Verteidigungshaushalt, den Sie heute
vorgelegt haben, sind weitere Sündenfälle programmiert.

Die Themen HDW und EADS wurden hier angespro-
chen. Mir ist ein bisschen schwummerig, wenn ich daran
denke, was wir im Verteidigungsbereich industriepoli-
tisch alles gemeinsam mit den Franzosen machen sollen.
Wer einmal erlebt hat, wie der von Franz Josef Strauß
initiierte Airbus mittlerweile in Toulouse unter Abspie-
len der französischen Nationalhymne in Dienst gestellt
wird, der wird nie und nimmer auf die Idee kommen,
dass dieses Flugzeug seinen Ursprung in Deutschland
hatte. Ich möchte ungern erleben, Herr Minister, dass
deutsche U-Boote im Mittelmeer ihre Jungfernfahrt ma-
chen. Sorgen Sie also bitte dafür, dass Deutschland,
wenn es hier mit den Franzosen eine industriepolitische
Kooperation eingeht, die Führung in diesem Konsortium
erhält, damit wir nicht zum guten Schluss auch in diesem
Fall wieder am Ende der Tabelle stehen!


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Da hilft es Ihnen eigentlich auch nichts, wenn in

Ziffer 13 beschworen wird, dass Aufgaben und Ausrüs-
tungen in ein angemessenes Verhältnis zueinander ge-
bracht werden sollen. Ehrlicher wäre es gewesen, zu
schreiben, dass der Auftrag ausgeweitet und die Ausrüs-
tung entsprechend der reduzierten Mittel beschafft wer-
den soll. Diese Ehrlichkeit fordern sowohl die Soldaten
als auch wir im Parlament von Ihnen. Da haben Sie noch
einiges nachzuholen.

Sie haben sich hier über das Thema GEBB ausgelas-
sen. Manches, was Sie eingeleitet haben, gibt den Be-
fürchtungen, die wir vor drei Jahren geäußert haben,
Recht. Als Minister Scharping die GEBB eingerichtet
hat, war es eigentlich nicht mehr als eine Versorgungsan-
stalt für ausgemusterte SPD-Funktionäre. Diesen Punkt
haben wir kritisiert. Die GEBB hat in den Jahren seit ih-
rer Gründung mehr Geld verschlungen, als sie einge-
bracht hat.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn Sie die Protokolle des Verteidigungsausschus-

ses nachlesen, dann werden Sie feststellen, dass sich nie
auch nur einer aus unserer Fraktion gegen den Weg einer
besseren Kooperation mit der Wirtschaft ausgesprochen
hat. Aber die Art und Weise, in der das damals geschah,
entsprach nicht dem, was wir uns vorgestellt haben.

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(C (D elbst Sie haben inzwischen durch Ihr praktisches Haneln eingeräumt, dass es die falsche Art war. In den Ziffern 75 und 80 der Verteidigungspolitischen ichtlinien wird angesprochen, dass die Bundeswehr in ukunft auch im Inneren eingesetzt werden und einen eränderten Beitrag zur inneren Sicherheit leisten soll. abei bleibt allerdings die Frage offen, in welcher Beiehung, wo und vor allen Dingen auf welcher rechtlihen Basis ein veränderter Beitrag geleistet werden soll. s muss doch schon nachdenklich stimmen, dass es eies verwirrten Hobbypiloten bedurfte, um den Inneninister darauf aufmerksam zu machen, dass wir hier ringend eine gesetzliche Regelung brauchen. Ich laube, wir sind uns einig, dass das Gesetz zur Lufticherheit nur ein erster Schritt sein kann. Auch die Seeege und das Land müssen geschützt werden. Dazu gibt es einiges zu sagen. Ich erinnere nur der gu en Ordnung halber daran: Wenn unsere Phantom-Jäger n Wittmund aufsteigen, um ein Flugzeug zur Landung u veranlassen, haben sie noch nicht einmal Leuchtspurunition, um das dem Piloten jenes Flugzeuges anzuzeien. Ihr Vorgänger hat mir damals gesagt, es werde erogen, diese anzuschaffen, wenn der Eurofighter in ienst gestellt werde. Hoffentlich erinnern sich die Teroristen daran, wenn es einmal hart auf hart kommt. Ich glaube, Sie machen es sich zu leicht, wenn Sie lauben, durch das Ausklammern von Problemen und ie Negierung der Wirklichkeit Planungssicherheit zu rreichen. Können Sie sich eigentlich vorstellen, wie die otivation der Soldaten, der Wehrpflichtigen, der Zivilediensteten, der Zeitund Berufssoldaten aussieht, enn sie im täglichen Dienst viele kleine Übel feststelen müssen, die man mit wenig Geld beseitigen könnte, nd gleichzeitig in der Zeitung lesen, dass die beiden IP-Airbusse für 155 000 Euro neu gespritzt worden ind? Es gibt weder einen sachlichen noch einen politichen Grund dafür. Wenn dann gesagt wird, es gebe Läner, in denen das Flugzeug mit der Aufschrift „Luftaffe“ nicht landen könne, weil dadurch bei einigen euten komische Gefühle aufkämen, möchte ich gern issen: In welchem konkreten Fall ist das eigentlich pasiert? Ich kenne keinen solchen Fall. Ich glaube, weder onrad Adenauer noch Willy Brandt, Richard von eizsäcker oder Walter Scheel haben darunter gelitten, it so einem Flugzeug zu fliegen. Zu guter Letzt wird ns vielleicht noch irgendein Land das Gefühl vermiteln, es sei besser, wenn unsere Piloten ihre Flugzeuge in ivil fliegen, weil jemand negativ beeindruckt sein önnte, wenn sie in Luftwaffenuniform aus ihren Flugeugen aussteigen. Das ärgert die Leute: fünf Jahre keine Wehrsolderhö ung, in manchen Truppenteilen fehlt es am Notwenigsten, aber an anderer Stelle wird das Geld mit vollen änden zum Fenster hinausgeschmissen. Zum Schluss. Die in Ziffer 87 formulierte Forderung, ervorragend qualifiziertes und motiviertes Personal in er Bundeswehr einzusetzen, ist ein frommer Wunsch. as beginnt damit, dass wir die Kräfte selbst ausbilden Thomas Kossendey und guten und geeigneten Nachwuchs finden müssen. Ich lese Ihnen einmal die Zahlen der Wehrbereichsverwaltung Nord – auch der Kollege Robbe kommt von dort – vor: Im Jahre 2000 hatten wir im mittleren nicht technischen Dienst 114 Ausbildungsplätze, heute sind es 86. Im gehobenen nicht technischen Dienst waren es damals 255, heute sind es 136. Bei der Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten hatten wir 267, heute sind es 155. Woher nimmt diese Regierung eigentlich den Mut, öffentlich darüber zu schwadronieren, Betriebe mit Ausbildungsabgaben zu belasten, wenn sie selber über 10 Prozent der Ausbildungsstellen in diesem Bereich einspart? (Beifall bei der CDU/CSU – Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr guter Hinweis!)


(Beifall bei der CDU/CSU)





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Wollen Sie den Verteidigungshaushalt vielleicht auch
noch mit einer Ausbildungsabgabe belasten? Ich kann
mir eigentlich nicht vorstellen, dass das der tiefere Sinn
sein soll.

Ich kann Sie nur auffordern: Treten Sie endlich den
Marsch in die Realität an, sonst wird die Bundeswehr
Schaden nehmen! Den Aufbruch in eine bessere Zu-
kunft, Herr Minister, können wir in Ihrem Haushaltsent-
wurf nicht finden. Wenn es Ihnen nicht gelingt, hier we-
sentlich nachzubessern, dann werden wir diesen Entwurf
ablehnen, so Leid uns das im Einzelfall auch tun mag.

Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Uwe Küster [SPD]: Ungeprüft! Abgelehnt von der Haushaltsberatung!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505911100

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
Wir kommen nun zum Geschäftsbereich des Bundes-

ministeriums der Verteidigung. Als Erster erteile ich das
Wort der Bundesministerin – –


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Präsident, das hatten wir gerade!)


– Habe ich „Verteidigung“ gesagt? Ich bitte um Nach-
sicht. Beim Aufrufen der zuständigen Ministerin war ich
offenkundig auf der richtigen Fährte.


(Dr. Uwe Küster [SPD]: Internationale Verteidigung!)


Hier wird ein Sachzusammenhang hergestellt, der sich in
der Debatte ganz gewiss eindrucksvoll bestätigen wird.

Wir kommen also zum Geschäftsbereich des Bundes-
minsteriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit
und Entwicklung. Ich erteile das Wort der Bundesmi-
nisterin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-
wicklung, Frau Wieczorek-Zeul.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin für
wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Erstens möchte ich von dieser Stelle aus einen Gruß an

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(C (D en Kollegen Thilo Hoppe, den Sprecher für Entwickungspolitik der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen, ichten, der aus Krankheitsgründen nicht an der Sitzung eilnehmen kann. Ich denke, wir alle wünschen ihm, der nsere heutige Debatte sicherlich begleitet, gute Geneung. Liebe Kolleginnen und Kollegen, immer häufiger und mmer zahlreicher – das hat die Debatten am heutigen ag durchzogen – sind die politischen, wirtschaftlichen nd sozialen Krisen in den Entwicklungsländern, zumal n zerfallenen Staaten oder in Staaten, die zu zerfallen rohen. Das heißt für die internationale Politik, aber uch für die Entwicklungspolitik: Wir müssen schnell, lexibel und effizient auf veränderte Herausforderungen eagieren und das mit den langfristigen Aufgaben zuammenbringen, die uns allen gestellt sind, nämlich die rmut zu bekämpfen, die Globalisierung gerecht zu getalten und die Friedenssicherung voranzubringen. Gleichzeitig erkennt die internationale Gemeinschaft on Tag zu Tag mehr: Wir können Krisen nur bewältigen nd Entwicklungserfolge nur dann erreichen, wenn wir ls Weltgemeinschaft gemeinsam vorgehen. Wir brauhen eine kooperative Politik und müssen die Kräfte ündeln. Statt eines Rückfalls in Unilateralismus brauhen wir eine Renaissance des Multilateralismus. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Beifall)


arum geht es. Das spürt jeder Tag für Tag.
In den Ländern, in denen Regierungen auf Unilatera-

ismus gesetzt haben oder noch setzen, muss jetzt die
iskussion darüber geführt werden, dass kein Land, sei
s noch so mächtig, die Weltordnung bestimmen kann,
ondern dass die Zukunft der multilateralen Weltord-
ung gehört.
Ich bin heute Nachmittag von den Vortreffen zurück-

ekommen, die die WTO, die Europäische Union und
ie Entwicklungsländer in Cancun vor der Konferenz,
ie heute praktisch zum gleichen Zeitpunkt beginnt,
urchgeführt haben. Die in Cancun stattfindende WTO-
erhandlungsrunde ist eine Nagelprobe dafür, ob die
nternationale Gemeinschaft es mit ihren Versprechun-
en ernst meint, die sie den Entwicklungsländern in der
o genannten Doha-Runde gegeben hat.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Es geht auch um die Frage, ob Entscheidungen getrof-
en werden, durch die die Armut bekämpft wird. Die
eltbank hat zu Recht darauf hingewiesen, dass, wenn
ie Handelshemmnisse beseitigt würden, die sich heute
en Entwicklungsländern stellen, rund 144 Millionen
enschen aus extremer Armut befreit werden könnten.
eshalb kommt es sehr darauf an, dass diese Ungerech-
igkeit, die zulasten der Entwicklungsländer heute noch
n der Welthandelsstruktur besteht, beseitigt wird. Die
,7 Milliarden Menschen – das ist fast die Hälfte der
enschheit –, die von weniger als 2 Dollar am Tag le-
en, stehen vor doppelt so hohen Handelshindernissen






(A) )



(B) )


Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

und Handelsbarrieren wie die Reichen. Das ist eine dau-
ernde Diskriminierung von Entwicklungsländern, die
endlich beseitigt werden muss.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Die Gelegenheit dazu besteht jetzt. Wir fordern die
Beteiligten auf, ihre Verantwortung wahrzunehmen;
denn eine Globalisierung kann nicht nachhaltig sein,
wenn sie auf einem derartigen Unrecht basiert. Deshalb
müssen wir Veränderungen zugunsten der Entwicklungs-
länder vor allem durch ein Auslaufen von Exportsubven-
tionen im Agrarbereich, also durch eine Beseitigung der
handelsverzerrenden Subventionen, erreichen. Wir müs-
sen auch Fortschritte erreichen, indem den Entwick-
lungsländern ein besserer Zugang zu den Märkten ver-
schafft wird.

Ich bin in Cancun mit Vertretern von vier westafrika-
nischen Staaten – diesen Punkt möchte ich besonders er-
wähnen –, nämlich Mali, Tschad, Benin und Burkina
Faso, zusammengetroffen. Wir haben gemeinsam einen
„Cotton Day“ veranstaltet. Die vier Handelsminister die-
ser Länder haben dargestellt, wie 10 Millionen Men-
schen in ihren Ländern von Subventionen der USA
– zumal für ihre großen Farmer im Bereich der Baum-
wolle in Höhe von 3,7 Milliarden US-Dollar – betroffen
sind, weil sie keine Chance mehr haben, wettbewerbsfä-
hig ihre Produkte auf dem Weltmarkt abzusetzen.

Diese vier Länder wollen keine zusätzliche Entwick-
lungshilfe. Sie erwarten aber von der WTO – das haben
sie vorgetragen –, dass alle Staaten in gleicher Weise die
Spielregeln beachten. Hierdurch wird das Schicksal von
Menschen mehr bestimmt und ihnen besser geholfen als
durch allgemeine Erklärungen.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Deshalb unterstützt die Bundesregierung die so genannte
Baumwoll-Initiative. Die westafrikanischen Länder wol-
len, dass die entsprechenden Subventionen in anderen
Staaten auslaufen. Wie gesagt, sie verlangen, dass sich
alle an die Spielregeln halten.

Ich will Ihnen an einem Beispiel einmal aufzeigen,
welches Missverhältnis sich aufgrund der Handels-
hemmnisse ergeben kann. Mali hat im Jahr 2001 im
Rahmen der Entschuldungsinitiative einen Schuldener-
lass in Höhe von 41 Millionen Euro erhalten. Aber die-
sem Land entsteht ein Verlust bei den Exporterlösen in
Höhe von 43 Millionen Euro. Was auf handelspoliti-
schem Gebiet an Unrecht besteht, können wir also durch
finanzielle Hilfe nicht ausgleichen. Deshalb müssen
diese Wettbewerbsverzerrungen abgebaut werden. Da
gebe ich den vier westafrikanischen Ländern Recht.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Dieser Punkt muss in der heutigen Debatte erwähnt wer-
den.

Wie notwendig gemeinsames Vorgehen auch in ande-
ren Regionen ist, zeigt die Situation in Afghanistan. Ich

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(C (D ar vor anderthalb Jahren dort, zum Ende der Talibanerrschaft, also noch bevor die Regierung Karzai ins mt kam. Vor gut zwei Wochen war ich wieder in Kaul. Entgegen allen öffentlichen Berichten gibt es doch eeindruckende Wiederaufbauleistungen der afghanichen Bevölkerung, die wir nicht kleinreden dürfen. ichtig ist, was für die Frauen geschehen konnte. Die rauen haben nun eine Chance auf Ausbildung und die ädchen können wieder in die Schule gehen. Es gibt soar Polizistinnen, was vorher völlig undenkbar gewesen st. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit hat in usammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft azu beigetragen, dass in zehn Regionen außerhalb Kauls Gesundheitszentren und Schulen aufgebaut werden onnten. Diese große Leistung gewährleistet, dass nach ber 20 Jahren Bürgerkrieg, Zerstörung und Gewalt die enschen in diesem Land die Chance auf eine gute Zuunft haben. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


ch habe den Kindern, die ich dort getroffen habe, dieses
ersprechen gegeben. Wir sollten gemeinsam alles tun,
amit dieses Versprechen gehalten wird. Diese Kinder
aben es verdient, dass wir uns gemeinsam für ihre Zu-
unft engagieren.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


In der Debatte heute Nachmittag ist schon deutlich
eworden, dass sich an dem Erfolg beim Wiederaufbau
ie Frage entscheidet, ob der Kampf gegen den Terroris-
us gewonnen wird. Niemand kann sagen, dass es in an-
erthalb Jahren der Fall sein wird. Es bedarf vielmehr
es dauerhaften Engagements.
Ich will in diesem Zusammenhang darauf hinweisen,

ass die GTZ, unsere Durchführungsorganisation, am
eutigen Tag von der Weltbank auf Initiative der afgha-
ischen Regierung den Auftrag erhalten hat, in Afgha-
istan landesweit die dörflichen Strukturen aufzubauen,
usbildung und den Wiederaufbau voranzubringen. Das
eigt, wie sehr die deutsche Entwicklungszusammenar-
eit und die Arbeit unserer Durchführungsorganisation
n diesem Land anerkannt werden.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ich möchte an dieser Stelle ein Grundsatzproblem an-
prechen, das mir auf der Seele liegt. Wenn wir Soldaten
chicken, dann versuchen wir die Voraussetzungen dafür
u schaffen, dass sie sich schützen können. Ich danke
en vielen Menschen, die in solchen schwierigen Situa-
ionen ungeschützt als Entwicklungs- und Aufbau-
elfer tätig sind.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


eider ist es nicht mehr so, dass nicht angegriffen wird,
er ungeschützt ist. Das haben wir erlebt und das lastet






(A) )



(B) )


Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

mir bei Entscheidungen über solche Fragen auf der
Seele.

Ich werbe dafür, den Wiederaufbau und das Engage-
ment der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in
Kunduz zu unterstützen. Sie haben das heute im außen-
politischen Bereich und auch im Zusammenhang mit
dem Verteidigungsressort diskutiert. Die Kritik, die ich
im Vorfeld gehört habe, bezieht sich nur auf das US-
amerikanische Modell des PRT, bei dem die Militärs den
zivilen Aufbauhelfern sagen, was gemacht werden soll.
Das ist für uns völlig unvorstellbar. Wir haben ein eige-
nes Konzept: Militär und Wiederaufbauhelfer sind ge-
trennt. Niemand ist dem anderen untergeordnet. Jeder
nimmt seine Verantwortung wahr. An die Adresse derje-
nigen, die das grundsätzlich kritisieren, sage ich: Was in
Kabul richtig ist – dass die ISAF für ein Klima der Si-
cherheit sorgt, in dem die Wiederaufbauhelfer arbeiten –,
das kann doch in Kunduz nicht falsch sein.

Die Nichtregierungsorganisationen leisten eine klasse
Arbeit. Die Welthungerhilfe war in dieser Region schon
zu Zeiten tätig, als alle anderen das Land verlassen hat-
ten. Ich danke ausdrücklich für das Engagement.

Es wird niemand für irgendein Konzept vereinnahmt.
Aber ich möchte, dass verstanden wird: Es geht darum,
auch in dieser Region zur Stabilität beizutragen. Wir
müssen doch ein eigenes Interesse daran haben, dass ein
gemäßigtes, selbstbestimmtes Afghanistan erwächst, das
positiv auf andere Länder in der Region wirkt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Ein Schwerpunkt wird die Demobilisierung von Sol-
daten sein. Denn wenn die Reform der Streitkräfte vo-
rankommen soll, dann muss demobilisiert werden. Dann
braucht es auch Zukunftsperspektiven, „Cash for Work“
zum Beispiel. Der Aufbau in ländlichen Regionen soll
dazu beitragen, Zugang zu sauberem Trinkwasser zu
schaffen. Die Gesundheitszentren sollen die dramatisch
hohe Müttersterblichkeit zurückdrängen. Diese Aufga-
ben sind so wichtig für die Zukunft dieses Landes, dass
sich unser Engagement lohnt.

Wir möchten uns in dieser Region mit etwa 50 zusätz-
lichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Entwick-
lungszusammenarbeit engagieren. Ein großer Teil wer-
den örtliche Fachkräfte sein, mit denen wir gerne und
gut kooperieren. Ich bitte Sie alle, dieses Konzept des zi-
vilen Wiederaufbaus und eines Klimas der Sicherheit zu
unterstützen.

Zum Schluss: Es war bei diesem Haushalt schwierig,
hohe Steigerungen zu erreichen.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Jetzt geht es zur Sache!)


– Das Schicksal von Menschen ist für mich das Wich-
tigste, Herr Brauksiepe.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Das verbessern Sie aber nicht durch Ihre Reden!)


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(C (D Wir haben unsere Zusagen eingehalten. Trotz des parzwangs wächst unser Haushalt, wenn auch nur eicht. Wir halten das 0,33-Prozent-Ziel bis 2006 ein. er Plafond wird im Jahr 2007 sogar um 8,4 Prozent höer liegen. Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, öchte ich noch darauf hinweisen, dass die Diskussion n der Öffentlichkeit nicht immer so geführt wird, wie ie hier geführt wird. Ich finde es toll, wenn Sie sagen: ehr Geld in diesen Bereich! (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da sind wir alle dafür!)


as finde ich Klasse. Ich bedanke mich bei jedem, der
as unterstützt. Ich werfe das niemandem vor. Wir wis-
en aber auch, dass es viele im Land gibt, die im Mo-
ent andere Probleme sehen. An ihre Adresse möchte
ch sagen: Wir haben natürlich auch in unserem Land
robleme zu lösen. Wir dürfen aber unsere Verantwor-
ung für den Interessenausgleich zwischen den Regionen
nserer Erde und für die Überwindung der Kluft zwi-
chen Nord und Süd nicht vernachlässigen. Diese The-
en sind für die Zukunft und für die Sicherheit von gro-
er Bedeutung. Die Agenda 2010 und die Bekämpfung
er globalen Armut, also der Aktionsplan 2015, sind im
brigen zwei Seiten einer Medaille: der Zukunftsfähig-
eit einerseits unseres Landes, andererseits aber auch in-
ernational.
In diesem Sinne bedanke ich mich für die Unterstüt-

ung und hoffe, dass wir gemeinsam in den Fragen, die
ns doch allen am Herzen liegen, im Sinne der Gerech-
igkeit und im Sinne der Chancen der Menschen in den
ntwicklungsländern die Arbeit voranbringen.
Vielen Dank.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505911200

Nächster Redner ist der Kollege Jochen Borchert,
DU/CSU-Fraktion.


(Beifall bei der CDU/CSU)



Jochen Borchert (CDU):
Rede ID: ID1505911300

Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kol-

egen! Frau Ministerin, ich habe mit Interesse Ihren Be-
icht zu den WTO-Verhandlungen gehört. Es wäre si-
herlich spannend, darüber intensiver zu diskutieren. Ich
nterstreiche die Bedeutung, die die WTO-Verhandlun-
en für die Entwicklungshilfe und für die Entwicklung
erade der ärmsten Länder haben. Ich habe auch mit In-
eresse Ihren Bericht über Afghanistan gehört. Wir sind
ber in der ersten Lesung des Haushaltes 2004.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ich hätte natürlich vor allem interessiert, wie der Mit-

eleinsatz gerade für diese Probleme in Ihrem Haushalt
ussieht. Angesichts der Probleme Ihres Haushalts kann
ch natürlich verstehen, dass Sie lieber über die WTO






(A) )



(B) )


Jochen Borchert

und über Afghanistan reden als über die konkreten Fak-
ten Ihres Haushalts.

Der eingebrachte Etatentwurf zur Entwicklungspoli-
tik für das Jahr 2004 muss auch gemessen werden an den
Ankündigungen der rot-grünen Koalition und Ihren An-
kündigungen, Frau Ministerin, die in den vergangenen
Jahren immer wieder gemacht wurden. Trotz großer Er-
klärungen im Koalitionsvertrag von 1998 wurde der Etat
des Entwicklungshilfeministeriums im ersten Jahr, 1999,
drastisch gekürzt und hat auch mit dem Entwurf für das
Jahr 2004 das Volumen von 1998 noch nicht wieder er-
reicht. Er liegt immer noch über 100 Millionen Euro un-
ter dem Ansatz von 1998.

Der Etat 2004 ist gerade vor dem Hintergrund der
Probleme in Afghanistan und anderen Ländern kein Si-
gnal des Aufbruchs; er ist vielmehr ein Etat der Stagna-
tion. Bei den Risiken, die der Haushalt insgesamt hat, ist
offen, wie dieser Etat am Ende der Beratungen aussieht.
Mit diesem Entwurf wird die Koalition den Herausforde-
rungen in der Entwicklungspolitik nicht gerecht.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Diese Herausforderungen sind nach dem 11. September
2001 noch größer geworden.

Frau Ministerin, in Ihrer Rede zum Haushalt 1999 ha-
ben Sie erklärt – ich zitiere –:

Die Entwicklungspolitik steht vor der Aufgabe, ge-
meinsam mit der Außen- und Sicherheitspolitik,
dazu beizutragen, dass Krisen in der Welt erst über-
haupt nicht entstehen können.

Aber welche Konsequenzen hat die Bundesregierung
daraus für die Entwicklungspolitik gezogen?

Nach dem 11. September 2001 hat die Bundesregie-
rung, haben gerade Sie, Frau Ministerin, immer wieder
betont, zum Kampf gegen den Terror gehöre der Kampf
gegen die weltweite Armut. In einem Papier der Bun-
desregierung wurde ihre Bereitschaft zu einem New
Deal mit den Entwicklungsländern erklärt. Knapp zwei
Jahre später ist das Ergebnis des New Deal ein Haushalt
der Stagnation.

Frau Ministerin, es ist weder Ihnen noch der Bundes-
regierung gelungen, wenn Sie es denn überhaupt je ge-
wollt haben, die Bedeutung der Entwicklungspolitik als
Eckpfeiler der Sicherheitspolitik und als Politik der Kri-
senprävention in der politischen Debatte deutlich zu ma-
chen und im Bewusstsein der Menschen zu verankern.
Nach dem 11. September haben Sie zwar gut 100 Millio-
nen Euro aus dem Antiterrorpaket erhalten; heute müs-
sen Sie davon allerdings 80 Millionen Euro dem Aus-
wärtigen Amt zur Bewirtschaftung überlassen.

Wenn die Bundesregierung die Gebote der Haushalts-
wahrheit und -klarheit ernst nehmen würde, dann wären
diese 80 Millionen Euro nicht im Einzelplan 23, sondern
im Einzelplan 05 etatisiert. Es ist doch das Gegenteil von
Haushaltswahrheit und -klarheit, wenn Mittel, über die
Sie nicht verfügen können, in Ihrem Etat veranschlagt
werden. Damit das nur niemand merkt, damit die Fas-
sade Ihres Haushalts nicht noch mehr bröckelt, wird

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(C (D icht im Haushalt, sondern nur durch einen Kabinettsbechluss festgelegt, dass Ihr Kollege Fischer über 80 Milionen Euro aus Ihrem Etat verfügen darf. Aus dem anekündigten Abbau von Krisenursachen, aus dem ampf gegen den Terror durch Kampf gegen die welteite Armut ist in erster Linie ein Kampf mit dem Ausärtigen Amt geworden. (Beifall bei der CDU/CSU – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: So ein Quatsch!)


ieser Haushalt ist der New Deal gegenüber den Ent-
icklungsländern in kleinster Münze.
Auch in einem anderen Bereich der Darstellung der

ntwicklungspolitik wird geschönt. Um die deutsche
ntwicklungszusammenarbeit in ein möglichst rosarotes
icht zu rücken, verweisen Sie immer wieder auf den
ufwärtstrend der ODA-Quote, das heißt auf den stei-
enden Anteil der Ausgaben für Entwicklungshilfe am
ruttonationalprodukt.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Den Sie erst einmal runtergefahren haben!)


Ich komme noch darauf zu sprechen, wie er heute tat-
ächlich ist. – Dieser Anstieg soll das entwicklungspoli-
ische Engagement zum Ausdruck bringen. Der Anstieg
er ODA-Quote ist aber nicht auf einen höheren Etat des
MZ zurückzuführen, sondern auf den Schuldenerlass
m Rahmen der so genannten Kölner Schuldeninitiative.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist doch hervorragend!)


Hören Sie noch einen Augenblick zu! – Wird die
DA-Quote um den Schuldenerlass bereinigt, dann
eigt sich, dass die Quote nicht gestiegen, sondern weiter
esunken ist. Es besteht die Gefahr, dass die bereinigte
uote auf unter 0,20 Prozent absinkt. Das Ziel, bis zum
ahr 2006 eine ODA-Quote von 0,33 Prozent zu errei-
hen, wird mehr und mehr zu einer Utopie.
Bei der ersten Lesung des Haushalts 1999 haben Sie,

rau Ministerin, erklärt:
Mit dem jetzt vorgelegten Bundeshaushalt haben
wir den Abwärtstrend des Entwicklungshaushaltes
gestoppt und die Grundlage für eine Aufwärtsent-
wicklung geschaffen.

araus wurde in den folgenden Jahren bis heute ein im-
er weiterer Rückgang der Dotierung des Einzelplans 23.
Der Stellenwert, den die Entwicklungspolitik bei dieser
undesregierung hat, wird am Anteil des Einzelplans 23
m Bundeshaushalt deutlich. Dieser Anteil ist auch in
en Jahren von 1990 bis 1998, also in unserer Regie-
ungszeit, angesichts der finanziellen Herausforderun-
en der Wiedervereinigung zurückgegangen. Er betrug
998 aber immerhin noch 1,7 Prozent.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Um wie viel ist er denn zurückgegangen?)







(A) )



(B) )


Jochen Borchert

– Hören Sie weiter zu! – Im Haushalt 2004 sinkt der An-
teil des Einzelplans 23 auf 1,5 Prozent und, bereinigt um
die 80 Millionen Euro, erstmals auf unter 1,5 Prozent.
Der Anteil des Einzelplans 23 am Gesamthaushalt ist da-
mit auf einen Wert zurückgefallen, den er zum letzten
Mal 1965, also vor fast 40 Jahren, hatte. Dies zeigt den
Stellenwert der Entwicklungspolitik.


(Peter Weiß [Emmendingen] [CDU/CSU]: Traurig, traurig!)


Ernüchternd ist aber nicht nur die allgemein schlechte fi-
nanzielle Ausstattung der Entwicklungshilfe in Deutsch-
land, sondern auch die Aufteilung des Einzelplans 23. So
steigen im Haushalt 2004 die Mittel für die multilaterale
Entwicklungszusammenarbeit um über 95 Millionen
Euro weiter an, während die Mittel für die bilaterale Ent-
wicklungszusammenarbeit um 61 Millionen Euro zu-
rückgehen. Besonders problematisch ist der Rückgang
der Mittel für die finanzielle und die technische Zusam-
menarbeit. Im Bereich der finanziellen Zusammenarbeit
reicht der Baransatz gerade noch aus, um die bestehen-
den Verpflichtungen erfüllen zu können. Neue Maßnah-
men sind nicht möglich. Der Barmittelansatz und die
Verpflichtungsermächtigungen begrenzen den entwick-
lungspolitischen Handlungsspielraum sozusagen auf
null. Damit werden die Ziele bei der Armutsbekämpfung
und der Steigerung der ODA-Quote faktisch aufgegeben.

Dieser massive Rückgang der bilateralen Mittel geht
zulasten eines klaren Profils der deutschen Entwick-
lungspolitik. Unser nationaler Einfluss auf die Entwick-
lungspolitik nimmt kontinuierlich ab und immer mehr
Mittel werden ohne direkten deutschen Einfluss in den
großen multilateralen Fonds eingesetzt. Dabei geht die
spezifische Handschrift der deutschen Entwicklungspo-
litik verloren.

Positiv möchte ich beurteilen, dass Sie unseren Vor-
schlag aufgegriffen haben und den Haushaltstitel „Aktions-
programm 2015“ in Höhe von 40 Millionen Euro aufgelöst
und die Mittel wieder in die einzelnen Titel integriert haben.
Auch ist die Anzahl der Deckungsvermerke zurückge-
gangen; das ist erfreulich. Aber für meinen Geschmack
gibt es nach wie vor zu viele Deckungsvermerke.

Frau Ministerin, die Bundesregierung ist aufgefor-
dert, die Entwicklungshilfe nicht nur mit einem Lippen-
bekenntnis zu unterstützen, sondern den Einzelplan 23
so auszustatten – auch in seinem Anteil am Bundeshaus-
halt insgesamt –, dass die Entwicklungspolitik der Bun-
desrepublik Deutschland ihren Teil zum globalen Frie-
den beitragen kann. Mit diesem Etat wird die
Bundesregierung den Herausforderungen in der Ent-
wicklungspolitik nicht gerecht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord neten der FDP)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505911400

Ich erteile das Wort dem Kollegen Hans-Christian

Ströbele, Bündnis 90/Die Grünen.

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(C (D Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜEN)

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

ie müssen heute mit mir Vorlieb nehmen, weil der Kol-
ege Thilo Hoppe leider krank ist. Wir haben ihm ja
chon gute Besserung gewünscht.
Ich werde mich bemühen, zunächst zu erklären, Herr
ollege Borchert, warum ich glaube, dass Sie vieles ein-
ach nicht verstanden haben.


(Heiterkeit beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Was?)


ie Frau Ministerin hat völlig zu Recht – ich hatte das
uch vorgesehen und wollte mich jetzt eigentlich nur den
orten der Frau Ministerin anschließen; aber vielleicht
age ich doch ein paar Sätze dazu – an den Anfang und –
an kann fast sagen – in den Mittelpunkt gestellt, dass
as, was im Augenblick in Cancun stattfindet, wesent-
ich wichtiger oder sogar noch wichtiger ist als das, was
ir heute im Bundestag beraten.


(Lachen des Abg. Jochen Borchert [CDU/CSU])

elbst wenn wir auf diesen Etat, den wir im Zusammen-
ang mit dem Einzelplan 23 diskutieren, die eine oder
ndere Million oder sogar 10 oder 100 Millionen Euro
rauflegen würden, ist dies im Vergleich zu der Bedeu-
ung der Beschlüsse, die dort hoffentlich getroffen wer-
en oder vielleicht auch nicht getroffen werden, von un-
ergeordneter Bedeutung.
Ich hatte gestern Abend die Gelegenheit, die „Tages-

hemen“ zu sehen. Da konnte man verfolgen, dass die
SA durch ihre Subventionen des Mais erreicht haben,
ass sich im Mutterland des Mais, nämlich in Mexiko,
aisanbau heute nicht mehr lohnt. Die Maisbauern ge-
en dazu über, den Mais aus den Vereinigten Staaten zu
aufen, weil er dort um ein Drittel billiger ist, als sie
elbst ihn bei niedrigsten Löhnen herstellen können. Wir
ollen ja nicht immer alles auf die Amerikaner schie-
en. Das tun wir alle ja ganz gern, weil das so weit weg
st und wir meinen, wir hätten nicht so viel damit zu tun.


(Markus Löning [FDP]: Wir nicht! Sie tun das gern!)


Ja, ich mache das auch manchmal.
Jetzt bleiben wir aber einmal in Europa. Auch darauf

at die Ministern schon früher hingewiesen. In Europa
zum Beispiel in Bayern – zahlen wir pro Jahr pro
indvieh 913 Dollar.


(Markus Löning [FDP]: Wo ist Frau Künast?)

Die ist in Cancun, um das zu ändern. – In Afrika leben
ie Menschen im Durchschnitt – die meisten liegen weit
arunter – von der Hälfte dieses Betrages. Das ist nicht
ur eine Ungerechtigkeit, sondern wir machen damit
uch ganze Wirtschaften kaputt. Das konnten Sie vor ein
aar Tagen in den Zeitungen lesen. In Jamaika beispiels-
eise, wo es eine blühende Milchwirtschaft gab, ist die
ilchproduktion inzwischen nahezu zusammengebro-
hen, weil in Europa, in Deutschland das Milchpulver so






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(B) )


Hans-Christian Ströbele

billig und hoch subventioniert hergestellt wird, dass wir
es dorthin liefern. Die Menschen dort können die Milch
nicht zu dem Preis herstellen, den sie für deutsches
Milchpulver zahlen. Das ist ungerecht.

Herr Kollege Ruck, ich habe heute ein Interview mit
Ihnen in einer Zeitung gelesen, in dem Sie sagen, dass
die Globalisierung auch gewisse Risiken birgt. Nein,
ich sage Ihnen: Die heutige Globalisierung ist zutiefst
ungerecht. Das ist nicht nur ein Risiko. Ganze Volks-
wirtschaften, wie zum Beispiel die in Jamaika, sind
durch die ungerechten und unfairen Austauschbedingun-
gen ruiniert worden. Deshalb gehört in einer Rede zum
Haushalt über die Entwicklungszusammenarbeit dieser
Punkt auch an die erste Stelle. Hier müssen wir bei den
USA, in Europa und auch in Deutschland ansetzen und
etwas ändern.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Wenn wir das nicht tun, dann kommen wir nicht zu ge-
rechten Austauschverhältnissen. Dann könnten wir hier
1 Million Euro und dort 50 Millionen Euro mehr für die
Entwicklungszusammenarbeit zur Verfügung stellen – es
würde verpuffen und letztlich nicht wirken. Deshalb ist
das so wichtig und deshalb haben wir auch mehrere
Minister nach Cancun geschickt.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Da sind wir ja auf die Ergebnisse gespannt!)


Die Haushaltsrede von Renate Künast ist vorgezogen
worden, damit sie heute dort sein kann. Sie muss ver-
suchen, das Werk weiterzuführen, das sie begonnen hat.
Ich bin zwar skeptisch, aber ich hoffe, dass dabei etwas
herauskommt. Wir alle müssen daran weiterarbeiten.


(Markus Löning [FDP]: Nicht „wir alle“, Sie stellen doch die Regierung!)


Nun komme ich zu Ihrem zweiten Irrtum. Sie stellen
es hier so dar, als ob es allein darauf ankommt, dass der
Einzelplan 23 möglichst hoch dotiert ist. Das ist für Sie
das Wichtigste; dort schauen Sie hin. Anhand dieser
Zahlen stellen Sie fest, was diese Bundesregierung für
die Entwicklungszusammenarbeit und für die armen
Länder auf dieser Welt tut.


(Jochen Borchert [CDU/CSU]: Sie haben es doch angekündigt!)


– Nein. – Ich sage Ihnen: Der Etat ist zwar wichtig – auf
die Einzelheiten komme ich gleich noch –, wir müssen
aber alles zusammen sehen. Was tut die Bundesregie-
rung bzw. die Bundesrepublik Deutschland insgesamt
für die armen Länder des Südens? Hierbei müssen Sie zu
der Erkenntnis kommen, dass die frühere Bundesregie-
rung den Anteil der Gelder für die öffentliche Entwick-
lungszusammenarbeit von 0,42 Prozent auf 0,26 Prozent
zurückgeführt hat. Aufgrund der vielen Sparnotwendig-
keiten sind wir jetzt langsam – das ist mühsam – dabei,
diesen Anteil in diesem Jahr auf immerhin 0,27 Prozent
zu erhöhen.

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(C (D Sie müssen alles zusammen betrachten. Sie müssen ich fragen: Was leisten die Länder? Was leisten andere rganisationen? Was leistet das AA? Was wird bei andeen Haushaltstiteln in diesem Zusammenhang geleistet? as alles müssen Sie zusammenfassen; darauf kommt es n. Ich gebe Ihnen Recht, dass man hier nicht genug tun ann. Sie dürfen den Einzelplan 23 aber nicht alleine seen, sondern Sie müssen ihn im Zusammenhang berachten. Ich denke, hier sieht es inzwischen viel besser us als zu der Zeit, als Sie aufgehört haben, zu regieren. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Jochen Borchert [CDU/ CSU]: Zahlen anschauen!)


Nun komme ich zu diesem Etat. Ich war auch in der
etzten Legislaturperiode im AwZ und ich habe in allen
iskussionen – auch in den internen mit Vertretern der
nderen Ressorts und mit unseren Haushältern – keinen
ehl daraus gemacht, dass ich es für grundfalsch halte,
ass aufgrund der Sparnotwendigkeiten jetzt und in den
rüheren Jahren auch bei diesem Etat gespart werden
uss. Ich habe mich dagegen gewehrt, aber wir konnten
s nicht ändern.
Sie wissen ja, dass die Bundesregierung angetreten
t, um endlich die Schulden, die Sie gemacht haben, zu
enken.


(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

eswegen musste leider auch dieser Etat bluten. Das hat
ir immer wehgetan. Ich war einer derjenigen, die im-
er wieder – auch schriftlich – vorstellig geworden sind,
m dort eine Verbesserung zu erreichen.
Sie sagen, Sie haben das damals mit kritisiert. Dann

eien Sie doch jetzt ein bisschen zufriedener damit, dass
ir in diesem Jahr zum ersten Mal die Kurve genommen
nd langsam wieder in die andere Richtung fahren.


(Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Bei der Verschuldung?)


Schauen Sie sich an, was wir der Bevölkerung und
en anderen Haushalten, die hier diskutiert worden sind,
umuten. Ich denke, dies ist ein kleines Zeichen. Es wird
erstanden, dass wir jetzt mehr für die Stiftungen – auch
ür Ihre Stiftung –, für die NGOs und für den gesamten
ivilen Bereich tun.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)


Ich glaube, dieser zivile Bereich betreibt Entwick-
ngspolitik viel näher an den Nöten und Bedürfnissen
er Bevölkerung dort. Das sollten Sie mit uns gutheißen.
ie sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass wir nun zum
rsten Mal ein wenig draufgesattelt haben und dass wir
uf diesem Weg weitermachen werden.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505911500

Herr Kollege.






(A) )



(B) )



(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN)

So werden wir im Jahre 2006 auch zu dem Ergebnis

kommen, das wir uns vorgenommen haben, nämlich
0,33 Prozent zu erreichen.


(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Eckart von Klaeden [CDU/ CSU]: Die Lehrund Märchenstunde ist zu Ende! Wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505911600

Ich erteile das Wort dem Kollegen Markus Löning für

die FDP-Fraktion.


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1505911700

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Ströbele, das, was Sie ausgeführt haben, war sehr inte-
ressant. Sie haben zu Beginn Ihrer Rede, ohne es explizit
zu sagen, das Ziel, die ODA-Quote von 0,33 Prozent je-
mals zu erreichen, infrage gestellt.


(Karin Kortmann [SPD]: Da haben Sie falsch gehört! – Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo denn?)


– Sie haben sehr deutlich gesagt, dass eine vernünftige
Handelspolitik wichtiger als die eine oder andere Million
im Einzelplan 23 ist. Das ist eine sehr interessante An-
merkung, weil diese ODA-Quote hier immer sehr hoch
gehalten wird. In der Diskussion wird der ODA-Quote
im Gegensatz zur Handelspolitik oft zu viel Aufmerk-
samkeit gewidmet.

Sie haben geredet, als wären Sie nicht tragendes Ele-
ment dieser Bundesregierung. Sie und Ihre Minister sind
in Verantwortung. Sie können doch nicht die Ab-
schlüsse, die im Agrarrat in Luxemburg gemacht wer-
den, kritisieren. Sie und Ihre Ministerin haben sie doch
zu vertreten. Ihre Ministerin sitzt zurzeit in Cancun und
kann handeln.


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Handeln Sie, Herr Ströbele! Sie reden, als wären Sie in
der Opposition.


(Jürgen Koppelin [FDP]: Geistig ist er das auch! – Gegenruf des Abg. Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Da gibt es noch ein paar andere!)


Ich möchte etwas zur WTO sagen, was in der Diskus-
sion bisher etwas zu kurz gekommen ist. Die WTO muss
in Cancun Handlungsfähigkeit beweisen. Es ist außer-
ordentlich wichtig, dass die Staatengemeinschaft zeigt,
dass sie in der Lage ist, im Rahmen einer solch großen
Konferenz durch internationale Vereinbarungen inter-
nationales Recht zu setzen. Ein Rechtsrahmen muss ge-
schaffen werden, der gerade den Schwachen nutzt. Ich
wünsche mir von Ihnen, Herr Ströbele, dass Sie öfter
Globalisierungskritikern entgegentreten, die die WTO
angreifen.

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(C (D (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die haben Recht!)


ie WTO setzt nämlich einen Rechtsrahmen, der gerade
uch den Entwicklungsländern hilft. Hier gilt es, die
tärke des Rechts und nicht das Recht des Stärkeren
urchzusetzen. Ich vermisse es, dass Sie das einmal mit
er entsprechenden Verve vertreten.


(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)


Bundespräsident Rau hat bei einer Rede vor einigen
ochen, ähnlich wie Sie das gemacht haben, Frau
inisterin, auf die Bedeutung des Handels hingewiesen.
s ist der richtige und entscheidende Ansatz, gerade in
ancun über die Bedeutung des Handels zu reden. Wenn
ir uns anschauen, welche Länder in den letzten Jahr-
ehnten erfolgreich gewesen sind, dann werden wir se-
en: Es sind die Länder, die einen vernünftigen Rechts-
ahmen gesetzt, ihren Bürgern und Unternehmen ein
albwegs verlässliches Gerichtswesen und eine verläss-
iche Verwaltung gegeben und auf freien Handel gesetzt
aben. Sie haben darauf gesetzt, dass ihre Bürger ihre
reativität entfalten und dass durch unternehmerisches
andeln die Armut bekämpft wird.
Wir können mit Entwicklungshilfe nie das leisten,
as die Menschen aus eigener Kraft leisten können. Es
eht darum, diesen Kräften die Möglichkeit zur Entfal-
ung zu geben. Es ist falsch, in Form einer Weltsozialpo-
itik Geld zu verteilen und darauf zu hoffen, dass sich die
ituation verbessert. Man braucht die Initiative der Men-
chen vor Ort.


(Detlef Dzembritzki [SPD]: Das hat Herr Ströbele sehr schön ausgeführt!)


ir brauchen Entwicklung vor Ort. Wir brauchen den
illen der Menschen vor Ort. Wir brauchen die Rah-
enbedingungen in Bezug auf Rechtsstaatlichkeit und
emokratie in den betreffenden Staaten. Wir brauchen
nterstützung für Staaten, die ihren Menschen Bildung
nd Ausbildung und ihrer Wirtschaft freien Handel und
arktwirtschaft ermöglichen.
Genau das ist für die Freien Demokraten richtig ver-

tandene Globalisierung. Wenn es gelingt, diese Gedan-
en nicht nur vorzutragen, sondern in der Dritten Welt in
olitik umzusetzen, dann bringt genau das Entwicklung
nd bekämpft Armut.


(Beifall bei der FDP)

Ich möchte ausdrücklich darauf hinweisen, dass es mir

ei Ihnen manchmal am entschiedenen Entgegentreten
egen Leute mangelt, die genau dies kritisieren. Diese
eute kritisieren mit einem falschen Unterton, dass inter-
ationale Transparenz und Informationsfreiheit zwischen
en entwickelten und den nicht so entwickelten Ländern
errscht. Nur so können sich doch die Gedanken von
reiheit, von Bürgerrechten und Marktwirtschaft verbrei-
en und durchsetzen. Das ist Globalisierung und Globali-
ierung bekämpft Armut, wenn sie richtig gestaltet ist.


(Beifall bei der FDP – Detlef Dzembritzki [SPD]: Wenn sie richtig gestaltet ist!)







(A) )



(B) )



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505911800

Möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen

Ströbele zulassen?

Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1505911900

Bitte.

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505912000

Bitte schön.

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜ NEN)

Herr Kollege, wollen Sie bitte zur Kenntnis nehmen,

dass das Beispiel Jamaika, das ich gebracht habe, genau
zeigt, dass die Ordnung, die Sie dort einfach einführen
wollen, dieses gerade nicht leistet. Den Jamaikanern
können Sie nicht erklären, dass, nachdem 1992 die Welt-
bank von ihnen gefordert hat, alle Zollschranken zu be-
seitigen, das Ergebnis ist, dass die hoch subventionierten
Waren aus Deutschland und den USA dorthin gelangen
und ihre Wirtschaft ruinieren. Sind Sie mit mir der Mei-
nung, dass alle unsere Forderungen nach Transparenz,
Offenheit und Zollabbau verlogen sind, solange wir sel-
ber unsere eigenen Subventionen und Zollschranken
– mit „wir“ meine ich die Länder des Nordens – nicht
zuerst beseitigen?


Markus Löning (FDP):
Rede ID: ID1505912100

Herr Ströbele, ich bin völlig einer Meinung mit Ihnen.

Der Unterschied zwischen Ihnen und mir ist, dass Sie an
der Regierung sind und handeln können. Tun Sie es;
handeln Sie in diesem Bereich!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Was haben Sie denn beim Agrarkompromiss ausgehan-
delt? Das ist zu wenig. Die Übergangsfristen sind zu
lang, die Subventionen sinken zu langsam. Das Beispiel
Baumwolle, das die Ministerin genannt hat, ist richtig.
Aber sie sitzt in der Regierung und kann den Prozess be-
einflussen. Sie haben den Einfluss im Ministerrat in
Brüssel, sich dafür einzusetzen, dass die Subventionen
für Baumwolle gesenkt werden. Tun Sie es!


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich möchte zum Schluss noch etwas ansprechen, was

manchmal in der Diskussion vergessen wird. Wir müs-
sen in der Entwicklungspolitik dazu kommen, die
Entwicklungsländer stärker in die Verantwortung zu
nehmen. Wenn ein Land nicht rechtsstaatliche Rahmen-
bedingungen setzt, wenn ein Land die Menschenrechte
verletzt, wenn ein Land eine negative Wirtschaftspolitik
betreibt, die wirtschaftliche Entwicklung und damit die
Armutsbekämpfung behindert, dann müssen wir den
Mut aufbringen, zu sagen, dass es keinen Zweck hat zu
helfen. Wir können nicht mit ein paar Euro Entwick-
lungshilfe gegen eine konträre Politik arbeiten. Das zu
sagen, dazu fehlt uns noch zu oft der Mut. Wir sind zu
oft von einem schlechten Gewissen getrieben und glau-
ben, helfen zu müssen, obwohl eigentlich angesichts der
Tatsachen in vielen Ländern gesagt werden muss: Da ist

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(C (D icht zu helfen, wenn die Regierung oder das Volk des andes nicht selbst den Willen zur Entwicklung haben nd die richtigen Rahmenbedingungen setzen. Viele Länder tun das und diese Länder sollten wir viel tärker unterstützen als jene, die das nicht tun und ihren igenen Bürgern die Chance zur Entwicklung verweiern. Vielen Dank. Das Wort hat nun die Kollegin Karin Kortmann, SPD raktion. Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! eines Wissens war es heute Morgen das erste Mal, ass ein deutscher Bundeskanzler seine Ausführungen ur Regierungspolitik, die er im Rahmen der Haushaltseratungen vorstellte, mit Deutschlands Verantwortung n der einen Welt begann. Dafür, dass er diese Verantortung so prominent angesprochen hat, und vor allem uch dafür, dass sie zu einem wichtigen Leitmotiv der esamten Bundesregierung und damit ressortübergreiend geworden ist, dem Leitmotiv nämlich, Freiheit, Soidarität und Gerechtigkeit in der einen Welt innovativ nd verlässlich mitzugestalten, danke ich ihm und vor llem auch der Ministerin. (Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Kann man sich dafür etwas kaufen?)


(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505912200
Karin Kortmann (SPD):
Rede ID: ID1505912300

Pscht, Sie sind gleich dran.
Egal, ob wir hier die Begriffe von globaler Struktur-

olitik, von globaler Politikgestaltung, von Weltinnen-
olitik oder auch von Global Governance verwenden –
s geht um die Verantwortung der Staatengemeinschaft,
s geht um die internationalen Vereinbarungen und um
eren Überprüfung.
Am Beispiel von Cancun wird deutlich, welche Er-
artungen und hehre Vorstellungen damit verbunden
ind. Es bleibt zu hoffen, dass dieses zarte Pflänzchen
icht so schnell wieder vertrocknen wird.
Unabdingbar notwendig ist nach unserem Verständnis

ie Kooperation mit der Wirtschaft und mit den national
nd international tätigen Nichtregierungsorganisatio-
en. Dass sich dabei auf internationaler Ebene auch die
arlamentarier immer stärker vernetzen, hat beispiels-
eise in der vergangenen Woche die UN-Konferenz zur
ekämpfung der Desertifikation gezeigt. Dass wir dort
in Steering Committee einrichten konnten, belegt, dass
ie Desertifikation nicht nur die afrikanischen Länder
ngeht, sondern dass sie uns auch in Europa betrifft. Die
atsache, dass jedes Jahr eine Fläche wichtigen Bodens,
er zur Ernährung beiträgt, in der Größe von Belgien
ernichtet wird, macht deutlich, dass wir dafür eine Ge-
amtverantwortung wahrnehmen müssen.
Für uns – darin unterscheiden wir uns sehr, Herr
orchert – ist besonders die Stärkung der europäischen






(A) )



(B) )


Karin Kortmann

und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit her-
vorzuheben, die im Haushaltsentwurf angemessene Be-
rücksichtigung findet und die Arbeit der Vereinten Nati-
onen und der Weltbank – auch durch unseren
Exekutivdirektor – sehr erfolgreich unterstützt. Der uns
vorliegende Einzelplan 23 unterstützt diesen Politikan-
satz des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusam-
menarbeit und Entwicklung.

Es ist belegbar – das wissen Sie aus den Haushaltsbe-
ratungen, Herr Borchert –, dass bis zum Jahr 2007 durch
den jetzigen Haushaltsansatz und vor allem durch die
mittelfristige Finanzplanung die internationalen Verein-
barungen wie auch das 0,33-Prozent-Ziel schrittweise
umgesetzt werden.


(Jochen Borchert [CDU/CSU]: Daran erinnern wir Sie!)


Sie können aus der mittelfristigen Finanzplanung auch
ersehen, dass wir bis zum Jahr 2007 eine prozentuale Stei-
gerung um 8,5 Prozent gegenüber dem Haushalt 2003
vorgesehen haben.

Ich habe aber in allen Beratungen immer wieder da-
rauf hingewiesen, dass das Finanzvolumen an sich noch
kein Gütekriterium ist und wir uns nicht der Illusion hin-
geben sollten, dass die Steigerung der ODA-Quote be-
reits wie der Zaubertrank des Miraculix wirkt und auto-
matisch zur Stärkung der Entwicklungspotenziale in den
Partnerländern führt.

Was wir in der Finanzdiskussion brauchen, ist die
Verständigung über die überfälligen Reformen bei Welt-
bank und IWF sowie über den wirkungsvollen Einsatz
und die Mittelverwendung des Europäischen Entwick-
lungsfonds. Ich denke, darin stimmen wir überein, Herr
Brauksiepe. Auch wenn ich Ihren Tonfall nicht immer
nachvollziehen kann, glaube ich, dass wir in der Sache
weiterkommen.

Wir brauchen ferner eine Diskussion über die Über-
tragung von zusätzlichen und erweiterten Aufgaben,
die das BMZ – beispielsweise beim Wiederaufbau in
Afghanistan – zu erfüllen hat. Wenn die Ministerin über
Kunduz redet, bedeutet das mehr Einsatzkräfte, Know-
how und einen verstärkten Mitteleinsatz. Wenn es um
Hilfe für die Menschen im Irak geht, so wissen wir, dass
es mit dem bisherigen Haushaltsansatz nicht mehr getan
ist und dass wir die entsprechenden Ressourcen zur Ver-
fügung stellen müssen.


(Beifall bei der SPD – Zuruf von der CDU/ CSU: Sehr richtig!)


Wir müssen uns aber auch darüber verständigen, die
Verbundfinanzierung zu verstärken, damit es endlich zu
einem abgestimmten und effizienteren Mitteleinsatz
kommt.


(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


Haushaltsmittel und Marktmittel werden nämlich derzeit
noch in getrennten Tranchen gewährt. Unter finanz- wie
auch entwicklungspolitischen Kriterien sollte beides zu-
sammengefasst werden.

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(C (D Lassen Sie mich zum Schluss noch eines anmerken, eil mich Ihr rein bilateraler Ansatz bzw. die Diskussion ber die ODA-Quote ärgern. Das Center for Global Deelopment in Washington und die Zeitschrift „Foreign olicy“ haben in diesem Jahr erstmals einen Geberberaungsindex von 21 westlichen Geberländern veröffenticht. Bewertet wurden nicht nur die Höhe und die Qualiät der Hilfeleistungen, sondern es wurden fünf wichtige hemenfelder zentral in den Bewertungskatalog mit aufenommen und es wurde geprüft, ob sie den armen Länern eher helfen oder schaden. Ich möchte Ihnen diese ünf Punkte nennen. Frau Kollegin, darf ich Sie darauf aufmerksam ma hen, dass Sie die Punkte im Rahmen Ihrer Redezeit nur chwer im Einzelnen vortragen können? Vielleicht könen Sie sich auf die Schlussfolgerung beschränken. Bei en Redezeiten ist es immer so, dass einem die Zeit daonläuft. Lassen Sie mich die Punkte kurz anführen, damit wir ndlich von der ODA-Diskussion wegkommen. Es geht arum, ob die Offenheit der Grenzen für Importe gegeen ist. Ferner geht es um das Volumen der Direktinvesitionen in ärmeren Weltgegenden, um die Bereitschaft, igranten aufzunehmen, um das Engagement in Sachen riedenssicherung und um das ökologische Wohlverhalen. Dadurch – jetzt hören Sie gut zu – wurden erstmals ie rein quantitativen Messverfahren durch qualitative riterien ersetzt. Nach diesem Ranking – Herr Ruck, leen Sie das bitte nach – kommt Deutschland als einziger -7-Staat in das obere Drittel und damit auf Platz 6 der iste der so genannten Best-Practice-Länder. Das veranken wir unserer Ministerin; denn sie verfolgt seit 998 eine andere Strukturpolitik und einen anderen Frieensansatz als den, den Sie, Herr Borchert, gerade eben eschrieben haben und den wir wirklich nicht unterstüten können. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)

Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505912400
Karin Kortmann (SPD):
Rede ID: ID1505912500


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505912600

Ich erteile das Wort dem Kollegen Peter Weiß, CDU/
SU-Fraktion.


(Heidemarie Wieczorek-Zeul [SPD]: Ich habe eine Kurzintervention angemeldet!)


Jede angemeldete Kurzintervention nehme ich gerne
uf. Zu einer nicht angemeldeten Kurzintervention kann
ch schlecht das Wort erteilen.
Jetzt hat der Kollege Peter Weiß das Wort.


Peter Weiß (CDU):
Rede ID: ID1505912700

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!
ir erleben hier ein Musterbeispiel politischer Rhetorik:






(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)


Wenn einem der eigene Haushalt peinlich ist, redet man
von anderen Themen.


(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)


Keine Frage, die Welthandelsordnung ist von funda-
mentaler Bedeutung für die Entwicklungschancen der
Entwicklungsländer. Aber darüber zu reden exkulpiert
nicht, davon zu sprechen, wie es um den deutschen Bei-
trag in der Entwicklungszusammenarbeit bestellt ist.

Inhaltlich habe ich Folgendes anzumerken: Selbst
wenn es zu den gewünschten Liberalisierungen im Welt-
handel käme, hieße das nicht automatisch, dass die
Ärmsten der Armen in allen Entwicklungsländern eine
Chance bekämen. Dafür sind zusätzliche Maßnahmen
notwendig. Auch darüber muss in einer Haushaltsde-
batte gesprochen werden. Der Grund, warum Sie hier
ausweichen, ist, dass der Entwicklungshaushalt 2004
nur zum Schein wächst. In Wahrheit nimmt er weiter ab.
Rot-Grün ist verantwortlich für einen weiteren Abstieg
der deutschen Entwicklungszusammenarbeit.


(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Herr Weiß, Sie sind doch schlauer!)


Im Gegensatz zu den schönen Reden, die hier gehalten
werden, lügen die nackten Zahlen und Fakten nicht. Selbst
wenn man die im diesjährigen Haushalt integrierten Mittel
aus dem so genannten Antiterrorpaket, die Sie weiterhin für
den Einsatz in Afghanistan bereitstellen wollen – darüber
haben Sie, Frau Ministerin, gesprochen –, mit einrechnet,
stellt man fest, dass Sie im neuen Haushalt im Vergleich
zum alten 92 Millionen Euro verlieren. Hinzu kommt,
dass Sie 80 Millionen Euro unter Umgehung des Haus-
haltsrechts des Parlaments an das Auswärtige Amt ab-
führen müssen.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Für was denn?)


Dadurch verlieren Sie an finanzieller Schlagkraft. Das
können auch Sie in noch so schönen Reden nicht weg-
diskutieren.

Nun haben Sie sich hier noch einmal dazu bekannt,
dass die Umsetzung des Aktionsplans 2015, in dessen
Mittelpunkt die Armutsbekämpfung steht, ein zentrales
Ziel der deutschen Entwicklungszusammenarbeit sei.
Sie wollen einen substanziellen Beitrag dazu leisten,
dass die Zahl der in absoluter Armut lebenden Menschen
bis zum Jahr 2015 halbiert wird. Ich frage Sie, Frau Mi-
nisterin: Findet sich diese inhaltliche Zielsetzung denn
im Bundeshaushalt 2004 wieder? Gerade wenn man nur
begrenzte Finanzmittel zur Verfügung hat, bedarf es zur
Armutsbekämpfung einer klaren Konzentration auf die
Instrumente, die vorrangig helfen, Menschen aus einer
menschenunwürdigen Situation herauszuführen und ih-
nen Mittel zur Selbsthilfe an die Hand zu geben.

Ein zentraler Ansatzpunkt ist dabei die Bildung, vor
allem die Grundbildung für junge Männer und Frauen.
Genauso wichtig sind eine verbesserte gesundheitliche
Versorgung, der Zugang zu sauberem Wasser sowie der

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(C (D rhalt der natürlichen Umwelt und ihrer Ressourcen. erade für die Sektorprogramme Bildung, Gesundheit, asser sowie Umweltund Ressourcenschutz bringt der ntwurf des Bundeshaushalts 2004 einen zum Teil deutichen Rückgang des deutschen finanziellen Beitrags. ber mit diesem Haushaltsentwurf werden nicht nur fianziell, sondern auch inhaltlich falsche Akzente geetzt. Herr Ströbele, auch die Steigerung der Mittel für die icht staatlichen Träger der Entwicklungszusammenareit wie Kirchen und Stiftungen lässt sich nicht finden. (Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die Kirchen bilden! Die Stiftungen bilden!)


(Beifall bei der CDU/CSU)


Nein. Wenn Sie das aufgelöste Aktionsprogramm 2015
nd die daraus umgelegten Mittel hineinrechnen, werden
ie sehen, dass es sich um ein Nullsummenspiel handelt.
as heißt – der Kollege Borchert sagte es schon –, es ist
in Haushalt der Stagnation. Eine Steigerung ist nir-
endwo zu finden. Das ist die Wahrheit.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Besonders problematisch ist, dass Sie die Aktions-
öglichkeiten der deutschen staatlichen Entwick-
ungszusammenarbeit massiv beschädigen. Die Haus-
altsansätze für den Bereich der finanziellen
usammenarbeit – sie wird hauptsächlich über die KfW
bgewickelt – und für den Bereich der technischen Zu-
ammenarbeit – Sie haben die Deutsche Gesellschaft für
echnische Zusammenarbeit für ihre Projekte sehr ge-
obt – werden nicht erhöht, sondern gekürzt. Zusätzlich
erden jene 80 Millionen Euro, die Sie an das Auswär-
ige Amt abführen müssen, aus den Bereichen der finan-
iellen und der technischen Zusammenarbeit abgezogen.
in Bundesministerium, das seine rechte und seine linke
and amputiert, ist ein Torso, aber kein aktionsfähiges
aus mehr. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.
Wenn die FDP, wie ich annehme, in der zweiten und

ritten Lesung wieder ihren Antrag aus der Mottenkiste
olt, das BMZ in das Auswärtige Amt einzugliedern,
ann werden wir von der CDU/CSU das entschieden ab-
ehnen.


(Markus Löning [FDP]: Warum denn? Das ist doch vernünftig!)


rau Ministerin, ich muss Ihnen sagen: Mittlerweile lie-
ern Sie selbst mit Ihrer Politik und Ihrem Haushalt die
este Begründung für den FDP-Antrag.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Frau Ministerin, mittlerweile bin ich der Überzeu-

ung, dass Sie mit der Art und Weise, wie Sie reden und
ich öffentlich darstellen, einen bedeutenden Platz in der
nzwischen 40-jährigen Geschichte des Bundesminsteri-
ms für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwick-
ung einnehmen.


(Zuruf von der SPD: So ist es!)







(A) )



(B) )


Peter Weiß (Emmendingen)


Dieser Platz wird Sie aber als diejenige Ministerin aus-
weisen, die die größten öffentlichen Versprechungen ge-
macht hat und die davon am wenigsten gehalten und ein-
gelöst hat. Deswegen lehnen wir den Bundeshaushalt
2004 ab.


(Beifall bei der CDU/CSU – Karin Kortmann [SPD]: Wir müssen doch noch gar nicht zustimmen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das wird doch noch gar nicht beraten!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505912800

Nun hat die Abgeordnete Wieczorek-Zeul um eine

Kurzintervention gebeten, zu der ich ihr hiermit das
Wort erteile.


Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD):
Rede ID: ID1505912900

Ich will auf die konkrete Frage des Kollegen Löning

„Wie können eigentlich vonseiten der Europäischen
Union Subventionen für Baumwolle abgebaut werden?“
eingehen. Es ist realistisch, zu behaupten, dass mein
Vorschlag innerhalb der Europäischen Union umgesetzt
werden kann. Die USA geben Subventionen in Höhe
von 3,7 Milliarden US-Dollar und die EU gibt 0,7 Milli-
arden US-Dollar Subventionen. Diese Subventionen
fließen in zwei EU-Mitgliedsländer: Griechenland und
Spanien. Im Herbst wird die Baumwollmarktordnung
ohnehin beraten.

Jetzt liegen die Regelungen der Entkopplung von der
Produktsubventionierung vor. Es muss aus meiner Sicht
möglich sein, dass die Europäische Union einen
Schlussstrich in Bezug auf die Subventionierung des
Produktes zieht und die ländliche Entwicklung in den
jeweiligen Staaten – das hat sie sich ja auch vorgenom-
men – entsprechend fördert. Wenn das geschieht, dann
wäre der Druck auf die USA sehr viel stärker, dass auch
sie in diesem Bereich Konsequenzen ziehen. Das ist ein
ganz konkreter Vorschlag. Ich hoffe, Sie unterstützen
ihn.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wie bei der Milchkuh!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505913000

Nächster Redner ist der Kollege Detlef Dzembritzki

für die SPD-Fraktion.


Detlef Dzembritzki (SPD):
Rede ID: ID1505913100

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr

Weiß, als Sie hier von der Amputation der linken und der
rechten Hand sprachen, ist mir durch den Kopf gegan-
gen: Entwicklungspolitik hat viel mit Kopfarbeit zu tun.
Ich finde, dass die Köpfe des Ministeriums für wirt-
schaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung hervorra-
gend eingesetzt worden sind und dass wir gerade in den
letzten Jahren wesentliche Beiträge zu einer Strukturver-
änderung erlebt haben, die zu mehr Effektivität in der
Zusammenarbeit – ob im bilateralen oder im multilatera-
len Bereich – geführt haben.

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(C (D Ich möchte mich jetzt dem Thema zuwenden, das der anzler heute Morgen in die Diskussion eingebracht hat: icherheitspolitik. Damit ist mehr als der militärische spekt gemeint. Wenn man die Sicherheitspolitik berachtet, dann ist festzuhalten, dass Entwicklungspolitik afür eines der wichtigsten Instrumente ist. Das beginnt chon im Bereich der Prävention, in dem unsere Mögichkeiten weit über das Militärische hinausgehen. Wenn arüber gesprochen wird, dass dem Terror der Nährboen entzogen werden muss – das ist seit zwei Jahren imer wieder der Fall –, dann können wir selbstbewusst agen, dass das unser Tagesgeschäft ist. Genau darum eht es bei der Armutsbekämpfung, bei der Förderung es Zugangs zur Bildung, beim Schutz der natürlichen ebensgrundlagen, bei der Stärkung der Menschenrechte nd der Zivilgesellschaft, bei der menschlichen Gestalung der Globalisierung. Wenn man sich vorstellt, dass der amerikanische Prä ident für den Militäreinsatz vom Kongress zusätzlich 7 Milliarden Dollar erwartet, dann kann man eben ween jener Erkenntnis schon daran verzweifeln, nur ,8 Milliarden Euro für entwicklungspolitische Maßnahen zur Verfügung zu haben. Das ist bitter. Wenn man ich vor Augen hält, wie brüchig die Sicherheit im Irak och ist, dann erkennt man, dass dort inhaltlich mehr beegt werden muss. Ich will die Gelegenheit hier nutzen, einmal darzu tellen, wie aus entwicklungspolitischer Sicht ein erweierter Sicherheitsbegriff aussehen soll. Ich will dafür in Stufenmodell verwenden. Die erste Stufe: kein Krieg, kein Mord und keine will ürliche Gewalt mehr. Das wird ohne militärische Hilfe berhaupt nicht machbar sein; aber selbst davon ist der rak noch ein ganzes Stück entfernt. Die zweite Stufe: Versorgung mit Wasser, mit Nah ungsmitteln und mit Medikamenten. Erste Ansätze von olizei, Verwaltung und Infrastruktur sind nötig. Das chließt ein: funktionsfähige Schulen, Krankenhäuser, traßen und Stromversorgung. Wir versuchen, das alles it vereinten Kräften in Afghanistan aufzubauen. Die TZ hat von der Weltbank den Auftrag erhalten, das weentlich mit zu gestalten. Das ist genau der Dialog, der wischen multilateraler und bilateraler Arbeit entstehen oll. Dass eine funktionstüchtige effektive Durchfühungsorganisation diesen Auftrag bekommen hat, zeigt m Grunde, dass die rein fiskalische Diskussion, wie wir ie hier geführt haben, nicht ausreichend ist. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN)


(Markus Löning [FDP]: Und was heißt das?)


Die dritte Stufe: Bildung und Ausbildung müssen
ieder zum Tagesablauf gehören. Wir müssen Handel,
andwirtschaft und Steuersystem funktionsfähig ma-
hen. Politische Strukturen mit Parteien, Wahlen und
edien sollten existieren. Der Justiz- und Verwaltungs-
pparat muss arbeiten können. Für den Aufbau des Justiz-
pparats in Afghanistan ist Italien zuständig. Man sollte
infordern – auch öffentlich –, dass die Mittel, die dafür






(A) )



(B) )


Detlef Dzembritzki

notwendig sind, zur Verfügung gestellt werden. Auch
das ist eine Leistung, die erbracht werden muss.

Schließlich halte ich hierbei für wichtig, dass der
Austausch mit den Nachbarstaaten und die regionale Zu-
sammenarbeit funktionieren und als normal angesehen
werden. Wir sind in diesem Bereich in Südosteuropa in-
ternational sehr weit gekommen. Das macht deutlich,
wie notwendig der multilaterale Ansatz ist. Niemand
kann sich vorstellen, dass selbst ein Land wie Deutsch-
land mit einer so engagierten Entwicklungspolitik – das
gilt sowohl für das Parlament als auch für die
Regierung – in der Lage wäre, diese Aufgabe allein zu
schultern. Bei der Bedeutung, die das hat, wird es immer
darauf ankommen, eine vernünftige multilaterale Zu-
sammenarbeit zu begründen.

Als vierte und letzte Stufe der Sicherheit definiere ich
das, was wir an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ha-
ben. Das ist eigentlich die höchste Stufe, die man bei der
Sicherheit erreichen kann. Ich habe noch nicht erlebt,
dass von Demokratien Krieg, Zerwürfnisse und Zwie-
tracht ausgegangen sind.


(Dr. Ralf Brauksiepe [CDU/CSU]: Es ist wichtig, das einmal zu sagen!)


– Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Wenn man sich
diese Maßstäbe vor Augen führt, dann sieht man, wel-
cher Weg im Irak, aber auch in Afghanistan noch zu-
rückzulegen ist.

Wenn man sich mit Menschen unterhält, die in Af-
ghanistan Aufbauarbeit geleistet haben – wir haben das
im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung getan –, dann erfährt man, welche Vorstel-
lungen die Leute von Sicherheit haben. Man wird sehr
schnell begreifen, dass es diesen Menschen darum geht,
vor Ort ein Sicherheitsgefühl zu haben. Selbst die Dis-
kussion um beleuchtete Straßen lässt sich auf das Si-
cherheitsempfinden dieser Menschen zurückführen.
Dazu gehört, dass Schüler und insbesondere Schülerin-
nen ohne Angst Schulen besuchen können, dass Teil-
habe am öffentlichen Leben möglich ist, dass man
keine Angst mehr vor Bomben oder Attentaten haben
muss. Dazu braucht es Polizeikräfte. Gerade in der
Ausbildung dieser Kräfte zum Beispiel sind wir auf ei-
nem guten Weg.

Die Menschen wollen Getreide anbauen und Roh-
stoffe nutzen. Wenn das möglich wird, dann stellt der
Anbau von Drogen nicht mehr die einzige Alternative
dar, dann gibt es vernünftige Perspektiven.


Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505913200

Herr Kollege – –


Detlef Dzembritzki (SPD):
Rede ID: ID1505913300

Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Es kommt

darauf an, dass wir Perspektiven für ein Leben ohne
Angst eröffnen. Wir sehen daher einen wesentlichen
Maßstab für Sicherheitspolitik darin, wie Menschen ge-
holfen werden kann, ihr Haus, ihre Firma und ihre Fa-
brik zu erhalten sowie ihre Schule zu ertüchtigen. Eine

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(C (D olche Sicherheitspolitik wiederum kann nur umfassend eleistet werden. Ich appelliere auch an uns, Herr Präsident, liebe Kol eginnen und Kollegen, den Ressortund Ausschussegosmus zu überwinden, die Notwendigkeit zu übergreifener Arbeit in diesem Bereich zu erkennen und mehr ohärente Antworten einzubringen. Vielen Dank. (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Christian Ruck [CDU/CSU])



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505913400

Herr Kollege, der Appell ist beim Präsidenten ange-

ommen. Wie das beim Auditorium aussieht, kann ich
ur schwer feststellen.
Ich möchte zwischendurch noch gerne einen Hinweis

eben: Mich beeindruckt immer weniger, wenn Redner
it großer Geste ihr Manuskript zusammenpacken. In-
wischen habe ich nämlich immer häufiger die Erfahrung
emacht, dass dies die zweite Hälfte der vorbereiteten
ede ankündigt. Bei aller Neigung zur Großzügigkeit
uss ich darauf hinweisen, dass die jeweiligen Präsiden-
en darauf achten müssen, dass die von den Fraktionen
estgelegten Redezeiten wenigstens annäherungsweise
ingehalten werden.
Nach diesem fröhlichen Hinweis erteile ich nun als

etztem Redner in dieser Debatte dem Kollegen Dr. Ralf
rauksiepe für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.


Dr. Ralf Brauksiepe (CDU):
Rede ID: ID1505913500

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!
uch der Entwicklungshilfehaushalt ist symptomatisch
ür den Gesamthaushalt. Wie die Bundesregierung haus-
altspolitisch insgesamt vor die Wand gefahren ist, so
eisten die rot-grünen Entwicklungspolitiker auch mit
iesem Haushalt ihren entwicklungspolitischen Offenba-
ungseid.


(Beifall bei der CDU/CSU – Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: So ein Quatsch!)


eil Sie ja wissen, dass das so ist, reden Sie so wenig
ber den Haushalt. Wenn Sie überhaupt über den Haus-
alt reden, reden Sie deutlich anders darüber, als es noch
or Jahren der Fall gewesen ist. Das wollte ich schon
och einmal in Erinnerung rufen.
Ich beziehe mich dabei jetzt gar nicht auf das 0,7-Pro-

ent- oder das 0,33-Prozent-Ziel. Wenn Sie sagen wür-
en, Sie wollten diese Ziele erreichen, wäre das genauso
nglaubwürdig, als wenn Sie heute beteuerten, Sie hiel-
en die Maastricht-Kriterium ein. Darum geht es ja ei-
entlich.


(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

ie haben uns hier heute aber auch interessante Erkennt-
isse präsentiert. So sagten Sie, dass es eigentlich gar
icht so sehr darauf ankomme, wie hoch der BMZ-Etat
ei. Es wurde gesagt, da gebe es noch anderes, was in die






(A) )



(B) )


Dr. Ralf Brauksiepe

ODA-Quote einginge. Sie, Herr Kollege Ströbele, haben
sogar gesagt, das Ganze sei eigentlich gar nicht so wich-
tig.


(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Habe ich nicht gesagt! Können Sie nachlesen!)


Mit dieser Begründung könnten Sie am Ende auch eine
Entwicklungspolitik ohne Geld propagieren. Das wäre
im Grunde genommen die logische Konsequenz daraus.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie es uns nicht abnehmen, dass es wichtig ist,

auch in diesem Bereich finanziell mehr zu tun,

(Hans-Christian Ströbele [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr wichtig!)

sollten Sie sich doch wenigstens einmal an den von Ih-
nen selbst im Koalitionsvertrag festgeschriebenen An-
sprüchen messen. Allein dann, wenn Sie dem Koaliti-
onsvertrag treu bleiben wollten, müssten Sie schon
deutlich höhere Anstrengungen in diesem Bereich unter-
nehmen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

Jetzt will ich, da der Haushalt inhaltlich ja keine

neuen Akzente setzt, über die man hier streiten könnte,
noch einmal auf die Frage von bilateraler und multilate-
raler Entwicklungszusammenarbeit zu sprechen kom-
men, die auch die Kollegin Kortmann angesprochen hat.
Es steht überhaupt nicht infrage, dass Multilateralismus
notwendig ist und die schon erwähnten Exportsubventi-
onsprobleme multilateral gelöst werden müssen. Wir
sind in dieser Frage überhaupt nicht auseinander. Nur,
wir legen darüber hinaus Wert darauf, dass die Konse-
quenz nicht sein kann, den Entwicklungsländern zu
empfehlen, die Zollmauern zu erhöhen. Vielmehr müs-
sen wir überall auf der Welt entschlossen für den Abbau
von Subventionen und Zollschranken eintreten.

Aber dabei geht es um etwas völlig anderes als um die
Frage, wo wir in unserer entwicklungspolitischen Zu-
sammenarbeit im bilateralen und im multilateralen Be-
reich die Schwerpunkte setzen. Wenn Sie selber von Ih-
rem entwicklungspolitischen Konzept überzeugt wären,
müssten Sie auch ein Interesse daran haben, dass Ihr ei-
genes entwicklungspolitisches Profil deutlich wird.
Das ist nun einmal bei multilateraler Entwicklungszu-
sammenarbeit sehr viel schwieriger zu entwickeln als bei
der bilateralen. Von daher ist es schon bemerkenswert,
dass Sie nun mehr Geld für die Weltbank vorsehen, die
von Ihnen ja so häufig als Ausführungsorgan von US-
Politik kritisiert wurde. Ich bin nicht sicher, ob das wirk-
lich unser entwicklungspolitisches Profil schärft.

Sie wissen auch, dass der Etataufwuchs für den euro-
päischen Entwicklungsfonds nicht notwendig ist, um da-
für zu sorgen, dass die zur Verfügung gestellten Mittel
auch entwicklungspolitisch effizient abfließen können.
Durch eine Erhöhung dieses Ansatzes können wir unser
eigenes entwicklungspolitisches Profil nicht stärken,
wenngleich ich mit Interesse gehört habe, dass wir in-
haltlich offenbar etwa den gleichen Reformbedarf sehen.

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(C (D nsofern freue ich mich schon auf Ihre volle Unterstütung unseres Antrages, den wir zu diesem Thema noch u beraten haben. (Karin Kortmann [SPD]: Da muss ich Sie leider enttäuschen!)


Ich will aber doch noch einmal darauf hinweisen, dass
s aus unserer Sicht bei der bilateralen finanziellen und
echnischen Entwicklungszusammenarbeit sehr bedenk-
iche Fehlentwicklungen gibt. Diesen Hinweis kann man
hnen nicht ersparen, auch wenn Sie selber nur ungern
ber diese Fragen reden. Es gibt manchmal sehr bemer-
enswerte Differenzen zwischen der öffentlichen Wahr-
ehmung und der Realität. In der öffentlichen Wahrneh-
ung – dazu muss man Ihnen neidlos gratulieren –
errscht gelegentlich immer noch der Eindruck vor, Sie
äten etwas für Umwelt- und Ressourcenschutz sowie für
ildung. Die wenigsten Menschen in diesem Land ah-
en, dass Sie genau in diesen Bereichen die bilaterale
ntwicklungszusammenarbeit am stärksten zurückge-
ahren haben.


(Jörg Tauss [SPD]: Also, bitte!)

Die finanzielle Unterlegung dieser Bildungspolitik ist
urch Zwischenrufe des Kollegen Tauss nicht zu erset-
en.


(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

ie haben eine Rückführung des Ansatzes im Bereich
ildung von 146 Millionen im Jahr 1998 auf jetzt
2 Millionen und im Bereich Umwelt- und Ressourcen-
chutz von 420 Millionen auf 284 Millionen zu verant-
orten. Das ist das traurige, das erbärmliche Ergebnis
hrer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, das wir
ier noch einmal feststellen müssen.


(Beifall bei der CDU/CSU)

ir stimmen sicherlich grundsätzlich auch darin über-
in, dass man dies durch Medienpräsenz allein nicht aus-
leichen kann. Wir brauchen mehr als nur eine Politik
es internationalen Katastrophenhoppings.
Wir müssten auch gemeinsam ein Interesse daran ha-

en, dass die Entwicklungspolitik der Verteidigungspoli-
ik nicht nur hinterherläuft. Wir warten noch auf eine
lausible politische Begründung für den vom Bundes-
erteidigungsminister geplanten Einsatz in Kunduz.
ier sind noch jede Menge Fragen offen, die auch das
MZ beantworten muss. Der Hinweis darauf, dass die
egion militärisch angeblich relativ sicher ist, kann uns
ntwicklungspolitikern als Begründung nicht ausrei-
hen.
Alles in allem genommen halten wir in der Tat eine

rhöhung des BMZ-Etats politisch für dringend gebo-
en, wobei wir keinen Hehl daraus machen, dass wir uns
icht so ganz sicher sind, ob Sie höhere Mittel für die
ntwicklungszusammenarbeit am Ende wirklich sinn-
oll bewirtschaften würden.


(Lachen der Abg. Brigitte Schulte [Hameln] [SPD])







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Dr. Ralf Brauksiepe
Unsere Konzepte dazu und unsere entwicklungspoliti-
schen Richtlinien liegen auf dem Tisch. Wir fordern Sie
auf, dazu nicht einfach nur platt Nein zu sagen, sondern
sich damit nun endlich einmal ernsthaft auseinander zu
setzen,


(Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Das haben wir ja schon!)


zum Wohle und im Interesse der Menschen, für die wir
hier gemeinsam arbeiten sollten.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Brigitte Schulte [Hameln] [SPD]: Na ja, dann wollen wir mal gucken!)



Dr. Norbert Lammert (CDU):
Rede ID: ID1505913600

Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Der letzte

Redner hat mit dem Zusammenfalten seines Manuskripts
zeitgleich seine Rede beendet. Dafür danke ich ihm
herzlich.

Ich schließe die Aussprache. Wir sind damit am
Schluss unserer heutigen Tagesordnung.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages ein auf morgen, Donnerstag, den
11. September, 9 Uhr.

Die Sitzung ist geschlossen.