Protokoll:
2031

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Metadaten
  • date_rangeWahlperiode: 2

  • date_rangeSitzungsnummer: 31

  • date_rangeDatum: 26. Mai 1954

  • access_timeStartuhrzeit der Sitzung: 09:01 Uhr

  • av_timerEnduhrzeit der Sitzung: 18:28 Uhr

  • account_circleMdBs dieser Rede
  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 31. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954 1437 31. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1438 C, 1480 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr Becker (Hersfeld) 1438 D Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1438 D Mitteilung über Stellungnahme des Bundesrats zum Haushaltsgesetz 1954 (Drucksache 539) 1439 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Drucksache 223); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 419) . . 1439 A Frau Dr. Bleyler (Freiburg) (CDU/ CSU), Berichterstatterin 1439 A Könen (Düsseldorf) (SPD) 1440 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1440 D Sabel (CDU/CSU) 1441 B Frau Schanzenbach (SPD) 1442 B Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 1443 C Frau Dr. Brökelschen (CDU/CSU) . 1443 D Abstimmungen 1440 B, 1444 C Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der älteren Angestellten (Drucksache 346) . . 1444 C Frau Finselberger (GB/BHE), Antragstellerin 1444 C, 1456 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1446 D, 1453 B, 1456 B Hansen (Köln) (SPD) . . . . 1447 C, 1457 B Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) . 1450 C Becker (Hamburg) (DP) 1453 C Frau Wolff (Berlin) (SPD) 1455 A Sabel (CDU/CSU) 1457 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 1458 C Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksache 71); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 218, Anträge Umdrucke 71, 112) 1458D, 1509A, B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts . 1458 D, 1461 B, C, 1464 D Dr. Arndt (SPD) . . . 1459 D, 1461 C, 1463 B Dr. Lütkens (SPD) 1462 A Wehr (SPD) 1463 C Abstimmungen 1465 D Tatsächliche und persönliche Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung (betr. Berichterstattung in der 28. Sitzung zum Antrag auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Löhr): Ritzel (SPD) 1466 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderungsprogramm für die Zonenrandgebiete (Drucksache 293) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316, Umdruck 113), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 432), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Straßenbau im Zonenrandgebiet (Drucksache 433), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 434), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet (Drucksache 435) sowie mit der Beratung des Antrags der Abg. Wacher (Hof), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar u. Gen. betr. Beihilfe für Grenzbauern (Drucksache 529) 1467 B, 1509 D Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender 1467 C Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . 1470 D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft . . 1474 A 1497 C Frau Dr. BrökeLschen (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1477 B zur Sache 1489A, 1505 C Dr. Gülich (SPD): zur Geschäftsordnung 1478 A zur Sache 1503B, 1505 C Kurlbaum (SPD), Antragsteller . . 1478 A Hörauf (SPD), Antragsteller . . . . 1480 B Freidhof (SPD), Antragsteller . . . 1481 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Antragsteller 1482 D Behrisch (SPD), Antragsteller . . 1484 A Wacher (Hof) (CDU/CSU), Antrag- steller 1486 A Frau Korspeter (SPD) 1487 B Dr. Henn (FDP) 1493 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 1495 B Unertl (CDU/CSU) 1497 D Höhne (SPD) 1499 A Seiboth (GB/BHE) 1500 D Kahn (CDU/CSU) 1506 B Priebe (SPD) 1507 A Jacobs (SPD) 1507 C Dr. Starke (FDP) 1507 C Ausschußüberweisungen 1508 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache 540) 1509 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 1509 C Nächste Sitzung 1509 C Anlage 1: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 71) 1509 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 112) 1509 C Anlage 3: Antrag der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Umdruck 113) 1509 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage 1 Umdruck 71 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, nach der Wiederinkraftsetzung des Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen bemüht zu sein, baldigst diesen Vertrag gemäß Art. V des Abkommens durch einen zeitgemäßen und umfassenden Vertrag zu ersetzen und dafür Sorge zu tragen, daß Art. II in Verbindung mit Art. IX des Vertrages eine Auslegung findet, a) die die Diskriminierung der auf deutschen Schiffen tätigen deutschen Seeleute auf Grund der Handhabung des „Immigration and Nationality Act" beseitigt, b) die die Regelung der Einfuhr von Filmen der US-Produktion in die Bundesrepublik in eine angemessene Relation zur Produktion der Bundesrepublik bringt, c) daß bei der Regelung der Grundrechte nach Art. II und VIII die deutschen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik bei US-Dienststellen beschäftigt sind, ungeschmälert die Rechte aus den Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechtes in Anspruch nehmen können. Bonn, den 27. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 2 Umdruck 112 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die vom Bundeskanzler am 3. Juni 1953 mündlich abgegebene Erklärung ist nicht Bestandteil des Abkommens vom 3. Juni 1953 und des durch dieses Abkommen bestätigten Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 und kann daher Rechte aus dem Vertrage vom 8. Dezember 1923 nicht mindern. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 113 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316). Der Bundestag wolle beschließen, für kulturelle Hilfsmaßnahmen im Zonengrenzgebiet im Verlauf der nächsten fünf Jahre Bundeszuschüsse in Höhe von jährlich 25 Millionen DM zu gewähren. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion
Gesamtes Protokol
Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203100000
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 31. Sitzung des 2. Deutschen Bundestages und bitte um Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.

Julie Rösch (CDU):
Rede ID: ID0203100100
Es suchen für längere Zeit um Urlaub nach die Abgeordneten Hahn für sechs Wochen wegen Krankheit, Dr. Bucerius für vier Wochen wegen dienstlicher Inanspruchnahme, Schoettle für weitere drei Wochen wegen Krankheit.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203100200
Ich nehme an, daß das Haus mit den Beurlaubungen, die über eine Woche hinausgehen, einverstanden ist.

Julie Rösch (CDU):
Rede ID: ID0203100300
Der Herr Präsident hat Urlaub erteilt für zwei Tage den Abgeordneten Stingl, Könen (Düsseldorf), Dr. Czaja, Leukert, Dr. Dresbach, Dr. Bartram, Dr. Kreyssig, Dr. Horlacher, Siebel, Dr. Conring, Richter, Leibfried, Dr. Schneider (Lollar).
Für die heutige Sitzung hat der Herr Präsident Urlaub erteilt den Abgeordneten Brockmann (Rinkerode), Müller-Hermann, Schneider (Bremerhaven), Ladebeck, D. Dr. Ehlers, Frau Niggemeyer, Dr. Siemer, Kühlthau, Hilbert, Neuburger, Schrader, Gockeln, Frau Dr. Kuchtner, Wehking, Dr. Keller, Brandt (Berlin), Weyer, Wagner (Ludwigshafen), Dr. Maier (Stuttgart).

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203100400
Ich habe Glückwünsche auszusprechen zum 66. Geburtstag am 25. Mai dem Herrn Abgeordneten Dr. Becker (Hersfeld).

(Beifall.)

Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Mai 1954 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 nicht gestellt:
Gesetz über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953;
Gesetz betreffend das Übereinkommen Nr. 45 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1935 über Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten In Bergwerken jeder Art;
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949;


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes für
das Rechnungsjahr 1954 (Haushaltsgesetz 1954).
Zum Haushaltsgesetz 1954 hat der Bundesrat weiter Ausführungen gemacht, die als Drucksache 539 verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Ich komme zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Drucksache 223);
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (27. Ausschuß) (Drucksache 419).

(Erste Beratung: 18. Sitzung.)

Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleyler. Ich darf sie bitten, das Wort zu ergreifen.
Frau Dr. Bleyler (Freiburg) (CDU/CSU), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Bundesregierung hat dem Hohen Haus einen Gesetzentwurf über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts vorgelegt. Der Entwurf ist vom Ausschuß für Arbeit in zwei Sitzungen eingehend beraten worden.
Worum geht es bei dieser Frage? Schon bei der Gründung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Jahre 1927 hat man überlegt, ob und inwieweit man neben der öffentlich-rechtlichen Anstalt noch private Einrichtungen für diese Aufgaben zulassen sollte. Man hat die Frage dahin entschieden, daß auf Erwerb gerichtete Stellenbüros verboten wurden, daß aber gemeinnützige private Arbeitsnachweise auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden konnten. Davon haben sowohl die Berufsverbände wie auch karitative Einrichtungen aller Art weitgehend Gebrauch gemacht. Sie mußten den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und standen unter Aufsicht der Reichsanstalt, der sie regelmäßig über ihre Arbeit zu berichten hatten.
Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus wurden die Berufsverbände sofort aufgehoben bzw. in die Arbeitsfront überführt. Die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege bestanden weiter und übten auch zunächst noch die Stellenvermittlung aus. Im Jahre 1935 wurde dann ein Gesetz geschaffen über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung, das der Reichsanstalt den Monopolcharakter sicherte. Grundsätzlich bestand zwar noch die Möglichkeit, Einrichtungen außerhalb der Reichsanstalt für bestimmte Aufgaben auf Antrag zuzulassen. Praktisch wurden diese Anträge aber sämtlich ohne weitere Prüfung und Begründung abgelehnt. Zu dem nach staatspolitischen Ideen gelenkten Arbeitseinsatz paßten die privaten Stellennachweise nicht mehr. Nur geistig und körperlich behinderte Personen, an denen der nationalsozialistische Staat wenig Interesse hatte und deren Vermittlung in Arbeitsstellen vielleicht auch besondere Schwierigkeiten machte, durften nach wie vor — und auch heute noch — von Fürsorgevereinen und -verbänden verschiedenster Art vermittelt werden. Auch erhob man keinen Einspruch dagegen, daß die in eigenen Einrichtungen ausgebildeten pflegerischen Kräfte in Heimen und Organisationen der freien Wohlfahrtspflege untergebracht und
weiter vermittelt wurden. Aber die Vermittlung der Hausgehilfinnen, das Kernstück der Vermittlungstätigkeit, wurde den Verbänden untersagt.
Nach dem Kriege versuchten die freien Verbände ihre früheren Rechte wieder zu erlangen. Dem stand zunächst der Kontrollratsbefehl Nr. 3 im Wege, durch den die Besatzungsmächte den Monopolcharakter der Arbeitsämter noch weit über das bisherige Maß verstärkt haben. Erst nach der Auflockerung konnten die Verbände in einigen Landesarbeitsämtern für bestimmte Teilaufgaben wieder eine gewisse Genehmigung erhalten.
Maßgebend ist auch heute noch nach Gründung der Bundesanstalt das vorhin erwähnte Gesetz von 1935, das die Möglichkeit vorsieht, private Stellen auf Antrag mit der Vermittlung für besondere Personenkreise zu beauftragen. Da aber eine Genehmigung durch die Bundesanstalt von vornherein zweifelhaft erschien, ging es den karitativen Verbänden darum, eine globale Genehmigung zu erhalten.
Die Bundesregierung hat dieses Anliegen als berechtigt anerkannt und daher den vorliegenden Entwurf eingebracht, gegen den vom Bundesrat keine Einwendungen erhoben wurden. Dieses Gesetz soll den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege das Recht der Stellenvermittlung wiedergeben, soweit sie es vor dem 30. Januar 1933 gehabt haben. Sie haben danach der jetzigen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuzeigen, wenn sie die Stellenvermittlung wieder aufnehmen wollen, und gleichzeitig Art und Umfang der früheren Tätigkeit nachzuweisen. Wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitsvermittlung nicht aufgenommen haben, gilt diese Genehmigung als erloschen.
In den Ausschußberatungen tauchte zunächst die Frage auf, ob man das ganze Problem der nichtgewerbsmäßigen Stellenvermittlung nicht bis zur Beratung der geplanten Novelle zum AVAVG zurückstellen solle. Die Mehrheit war jedoch der Auffassung, daß dieses Gesetz vorweggenommen werden solle, da die Novelle sicher noch länger auf sich warten lasse.
Die Mehrheit des Ausschusses lehnte auch den Antrag ab, eine schriftliche oder mündliche Stellungnahme der Bundesanstalt einzuholen, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß ja schon dem 1. Bundestag ein ähnlicher Gesetzentwurf vorgelegen habe und deshalb genügend Zeit und Gelegenheit gewesen wäre, sich zu diesem Fragenkomplex zu äußern.
Bedenken grundsätzlicher Art wurden geäußert, ob unter einer Ausweitung der privaten Stellenvermittlung nicht die Einheitlichkeit der öffentlichen Arbeitsvermittlung leiden müßte. Die Entwicklung zu einer zentralen öffentlich-rechtlichen Organisation ist ja nicht ein Produkt des Nationalsozialismus. Es zeigt sich hier vielmehr eine internationale Tendenz, die durch die Weltkriege mit ihren Massenwanderungen und großen Umsiedlungen noch gewaltig verstärkt wurde. Es geht ja längst nicht mehr nur um die Hilfe für den einzelnen Arbeitslosen, sondern darüber hinaus um den Versuch, die Grundlage für eine großangelegte Ordnung des Arbeitsmarktes zu schaffen, die regionale Verschiedenheiten ausgleichen, Schwierigkeiten der Wirtschaftskonjunkturen rechtzeitig erkennen und auffangen und so größere Massennotstände auf dem Arbeitsmarkt verhindern will.


(Frau Dr. Bleyler [Freiburg])

Diese große Aufgabe einer zentral geordneten Arbeitsmarktpolitik soll nicht gefährdet werden. Bei den karitativen Stellenvermittlungen handelt es sich aber um eine ganz besondere Teilaufgabe, nämlich in der Hauptsache um die Vermittlung von Hausgehilfinnen, die als ein wichtiges Glied in der Kette der Jugendschutz- und Jugendhilfsarbeit angesehen wird.
Es ist heute wirklich keine leichte Aufgabe mehr, Hausgehilfinnen zu vermitteln. Die Vermittlung in einen Haushalt, in diesen engen Kreis menschlicher Zusammengehörigkeit ist eben etwas ganz anderes als die Vermittlung in eine Achtstundenarbeit. Hier spielen nicht so sehr fachliche Kenntnisse eine Rolle als vielmehr die menschlich-persönlichen Beziehungen, die charakterliche, oft auch weltanschauliche Eigenart, die Möglichkeit, sich in einem persönlichen Vertrauensverhältnis aufeinander abzustimmen und erzieherische Einflüsse auf die Kinder der Familie auszuüben. Die Haushaltsberufe gehören ja ebenso wie die pflegerischen Berufe heute nicht zu den beliebten Berufen. Vielleicht können die karitativen Verbände im Rahmen ihrer Jugendhilfe- und Jugendschutzarbeit mit ihrem Kreis ehrenamtlicher Helfer, mit ihrer großen Zahl eigener und befreundeter Heime, in denen Jugendliche vorübergehend oder für längere Zeit untergebracht und beobachtet, mitunter auch hauswirtschaftlich ausgebildet oder nachgehend betreut werden können, mit dazu beitragen, mancher kinderreichen Mutter, manchem arbeitslosen, vielleicht gefährdeten jungen Mädchen zu helfen. Es geht hier nicht um eine Kompetenzfrage, sondern es geht um eine Hilfe an Menschen, insbesondere an jungen Menschen.
Daher hat der Ausschuß auch die grundsätzlichen Bedenken zurückgestellt und die Mitwirkung der freien Wohlfahrtsverbände für diese besondere Aufgabe wieder ermöglichen wollen. Er hat dabei betont, daß es sich hierbei im wesentlichen um die Vermittlung von Pflegepersonal und Hausgehilfinnen handle und eine Ausweitung auf andere Berufe und Personenkreise nicht in Frage kommen solle. Die Frage, wieweit eine Wiedergutmachungspflicht vorliegt, wollte der Ausschuß dahingestellt sein lassen; er hat darum die Worte „zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" in der Überschrift des Gesetzes gestrichen.
Der Ausschuß für Arbeit schlägt dem Hohen Hause vor, dem Gesetzentwurf Drucksache 223 mit den aus der Drucksache 419 ersichtlichen Änderungen zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203100500
Ich danke der Frau Berichterstatterin.
Ich rufe auf § 1, — § 2, — § 3, — Einleitung und Überschrift. — Ich bitte diejenigen, die den aufgerufenen Paragraphen, der Einleitung und der Überschrift ihre Zustimmung geben wollen, ihre Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur
dritten Beratung.
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Wird das Wort dazu gewünscht? — Herr Abgeordneter Könen!

Willy Könen (SPD):
Rede ID: ID0203100600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Entwurf findet nicht die Zustimmung der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei. Aus dem Bericht der Frau
Berichterstatterin geht schon hervor, daß die Frage der Wiedergutmachung in dieser Angelegenheit keine Rolle spielt und daß man sich mit den rein sachlichen Dingen auseinandersetzen kann. Die Tatsache, daß die Verbände wiederum eine Stellenvermittlung, insbesondere für Hauspersonal und Pflegepersonal vornehmen sollen, wird von uns als ein Einbruch in die immer wieder angestrebte öffentliche Stellenvermittlung angesehen, so daß wir aus grundsätzlichen Erwägungen dazu nein sagen müssen. Außerdem befürchten wir eine echte Interessenkollision zwischen den Verbänden bzw. ihren Einrichtungen und den öffentlichen Einrichtungen, da ja auch das Personal weitgehend von den Verbänden ausgebildet wird. Im übrigen besteht in der Bundesrepublik gerade bei pflegerischem Personal eine echte Sorge um den Nachwuchs. Diese Nachwuchssorge wird dadurch verstärkt, daß die Besoldung und überhaupt die wirtschaftliche Stellung dieses Personals allerlei zu wünschen übrig läßt. Wir befürchten, daß der Kampf um die Rechte dieser Gruppe der Arbeitnehmerschaft erschwert wird, wenn wir die Vermittlung der Arbeit durch private Institutionen in dem gewünschten Umfang wiederum zulassen. Außerdem ist zu bedenken, daß eine Abwanderung junger Mädchen vom Lande in die Stadt stattfinden wird, die — über irgendwelche Einrichtungen vermittelt — zunächst in den Haushalt gehen und sich nach einem Vierteljahr in der Stadt umgesehen haben, um dann die Arbeit in der Fabrik aufzunehmen. Damit würden wir eine unerwünschte Abwanderung der jungen Arbeitskräfte vom Lande in die Stadt unterstützen, ohne den Zweck zu erreichen, der für die Abwanderung ursprünglich vorgesehen war.
Im übrigen besteht auch heute noch auf Grund des geltenden Gesetzes die Möglichkeit zur Aufnahme der privaten Arbeitsvermittlung. Aus der Berichterstattung geht hervor, daß 37 Einrichtungen von dieser gesetzlichen Möglichkeit Gebrauch machen. Wir sind deshalb der Meinung, daß dort, wo es dringend erforderlich ist, auch bei der jetzigen Rechtslage die Möglichkeit zur Einrichtung der privaten Arbeitsvermittlung besteht.
Zum Schluß gestatten Sie mir noch eine Berner-kung. Wir sind einmal wieder dabei, ein Nazi-Gesetz zu korrigieren, und sehr oft kommt es vor, daß wir so etwas korrigieren, ergänzen oder streichen. Es wäre sehr schön, wenn wir eines Tages dahin kämen, daß wir die gesamte NS-Gesetzgebung durch vernünftige Gesetze der Bundesrepublik ersetzen könnten.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203100700
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0203100800
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen uns doch darüber klar sein, daß man sich bei der Schaffung des AVAVG sehr ernste Gedanken gemacht hat, warum man den karitativen Verbänden auf diesem beschränkten Gebiet die Vermittlungstätigkeit möglich machen wollte. Die Frau Berichterstatterin hat schon weitgehend gesagt, wie das damals zustande gekommen ist. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß der Nationalsozialismus der Arbeiterwohlfahrt diese Vermittlungsmöglichkeit bereits im Jahre 1933 genommen hat und daß im Jahre 1936 den kirchlichen Wohlfahrtsinstitutionen ebenfalls die


(Bundesminister Storch)

Durchführung dieser freiwillig übernommenen und zum Teil sehr schweren Arbeit unmöglich gemacht worden ist.
Nun sagt man, das liege im Zuge der Zeit, bedenkt dabei aber gar nicht, daß man, wenn man einen jungen Menschen in einen Haushalt, in die engste Familiengemeinschaft gibt, letzten Endes mehr Dinge beobachten und berücksichtigen muß, als das bei einer Stellenvermittlung geschieht, die den Menschen nur für acht Stunden am Tag aus der Familie herausnimmt. Das soll man aber bedenken. Wenn wir schon bei der Schaffung des Gesetzes davon ausgegangen sind, daß hier eine sehr segensreiche Arbeit sowohl für die Jugend als auch für die in Frage kommenden Familien geleistet wird, dann sollte man jetzt wieder den früheren Zustand herstellen.
Es ist gesagt worden, von einer Wiedergutmachung könne man bei dieser Sache gar nicht sprechen. Das Gesetz will ja gar nicht, daß eine materielle Wiedergutmachung durchgeführt wird, sondern das Gesetz will einzig und allein, daß Rechte an Organisationen zurückgegeben werden, die ihnen durch den Nationalsozialismus genommen worden sind, sonst gar nichts.
Der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei hat soeben davon gesprochen, daß eine derartige Vermittlungstätigkeit dazu angetan sei, jugendliche Menschen vom Land in die Stadt zu holen, die dort sehr bald wieder aus der Hauswirtschaft ausschieden und auf dem industriellen Arbeitsmarkt erschienen. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. Wir alle wissen doch, daß es manchmal für junge Menschen geradezu ein Glück für das ganze Leben gewesen ist, wenn sie aus einem vielleicht sehr primitiven Haushalt einmal in der Stadt in ein anderes Lebensniveau hineingebracht worden sind. Wir sollten uns dieser Entwicklung doch nicht entgegenstellen. Derjenige, der seine Tochter vom Lande in die Stadt gehen lassen will, tut es sowieso. Er hat noch nicht einmal die Sicherheit, daß sie dann in eine Umgebung kommt, die auch Rücksicht darauf nimmt, daß man es bei diesen jungen Menschen eigentlich noch mit Kindern zu tun hat.
Ich bin deshalb der Meinung, wir sollten diesem Gesetz auf der breitesten Ebene zustimmen. Für das, was hier gewünscht wird, ist ein wirkliches Bedürfnis vorhanden. Vor allen Dingen muß man doch, wenn man vom rechtlichen Standpunkt ausgeht, sagen: Wenn der Nationalsozialismus, um über die Arbeitskraft eines jeden verfügen zu können, diese Vermittlungstätigkeit aufgehoben hat, dann sollten wir sie in der heutigen Zeit, da wir wieder normale Verhältnisse haben, wiederherstellen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203100900
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.

Anton Sabel (CDU):
Rede ID: ID0203101000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir das angesprochene Problem recht beurteilen wollen, müssen wir in etwa die ganze Entwicklungsgeschichte der Arbeitsvermittlung kennen. Es war deshalb wertvoll, daß die Bundesregierung in der Begründung ihres Entwurfes auf die Entwicklungsgeschichte hingewiesen hat. Es ist richtig, daß das Gesetz über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Jahre 1927 ein gewisses Vermittlungsmonopol für die
Bundesanstalt, die damalige Reichsanstalt, für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geschaffen hat. Es ging weithin darum, die gewerbsmäßige Stellenvermittlung auszuschalten. Aber man hat damals bewußt gemeinnützigen Stellenvermittlungseinrichtungen ihre Aufgabe belassen, weil man wußte, daß in verschiedenen Bereichen solche Einrichtungen die gestellte Aufgabe besser als eine Verwaltung erfüllen konnten. Man hat dann im Jahre 1935 durch das Gesetz über die Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung diesen Grundsatz an sich beibehalten. In diesem Gesetz hat man die Möglichkeit geschaffen, daß Einrichtungen außerhalb der damaligen Reichsanstalt für die Arbeitsvermittlung bestehenblieben. Aber — und nun setzte das Unrecht ein — man hat dann in einer Verordnung zu diesem Gesetz bestimmt, daß Einrichtungen nach einem bestimmten Termin nicht mehr zugelassen sind, wenn nicht bis dahin eine neue Beauftragung erfolgt. Tatsache ist, daß eben nach dem 31. März 1936 — das war der Termin — keine neuen Beauftragungen mehr erfolgten, daß also dieses Arbeitsgebiet den betreffenden Organisationen, den karitativen Organisationen, völlig genommen wurde.
Das ist der Tatbestand. Man kann meines Erachtens wirklich nicht bestreiten, daß es sich hier um ein nationalsozialistisches Unrecht handelt. Ich bin deswegen eigentlich etwas erstaunt darüber, daß der Kollege Könen hier sagen zu müssen glaubt, die Wiedergutmachung spiele in diesem Falle keine Rolle.
Nun müssen wir uns allerdings auch über die Zweckmäßigkeit solcher Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege zur Stellenvermittlung unterhalten.
Ich glaube, der Fachmann weiß, daß für Teile der Arbeitsvermittlung, insbesondere bei der Vermittlung in hauswirtschaftliche und Pflegeberufe, die Einschaltung der karitativen Organisationen sehr wertvoll ist. Es ist schon einmal gesagt worden: die enge Verbindung zur Familie in der Hauswirtschaft zwingt dazu, manche Dinge zu berücksichtigen, die bei der allgemeinen Arbeitsvermittlung keiner besonderen Berücksichtigung bedürfen. Bei den Pflegeberufen macht die Bindung zu den Krankenanstalten usw. deutlich, daß karitative Organisationen hier eine wertvolle Hilfe leisten können. Es ist auch wiederholt gerade von der früheren Reichsanstalt und von Experten der Arbeitsvermittlung darauf hingewiesen worden, daß man diese Mitarbeit nicht entbehren kann. Es ist ja nicht so, als wollte man einem Gegeneinander das Wort reden. Nein, schon in der Vergangenheit haben diese Einrichtungen immer in enger Verbindung mit den amtlichen Stellen ihre Aufgabe erfüllt. Im Gesetz ist ein gewisses Aufsichtsrecht vorgesehen, und aus der Praxis weiß man, daß diese Zusammenarbeit immer sehr gut war.
Der Bundesrat hat erklärt, daß in der Tat ein echtes Bedürfnis für eine Sondervermittlung auf bestimmten Gebieten bestehe. Er meint aber, der Erlaß eines besonderen Gesetzes sei nicht notwendig, weil auf Grund des Gestzes von 1935 im Einzelfall eine Zulassung erfolgen könne. Wir wollen jedoch diese Einrichtungen in dem damaligen Ausmaß nunmehr gesetzlich generell zulassen. Dabei ist aber dafür Sorge getragen, daß nun nicht etwas zum Leben erweckt wird, was an sich nicht lebensfähig ist. Deswegen ist im Gesetz vorgesehen, daß eine bestimmte Frist zur Antragstellung eingehalten werden muß, und weiter, daß in einer bestimmten


(Sabel)

Zeit die Einrichtungen wieder entstanden sein müssen, wenn auf Grund dieses Gesetzes, das wir heute diskutieren, diese Einrichtungen neu geschaffen werden sollen.
Kollege Könen meinte, hier könne unter Umständen eine Interessenkollision entstehen. Er glaubt, die Einzelarbeitsverträge könnten in diesen Fällen ungünstig beeinflußt werden. Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Vermittlung mit der tarifvertraglichen Gestaltung der einzelnen Arbeitsverträge nichts zu tun hat. Gewiß, diese Arbeitsverhältnisse sind nicht immer so, wie wir alle sie wünschen. Aber ich glaube, daß diese Art der Stellenvermittlung keine nachteilige Wirkung auslöst. Wir müssen eben versuchen, durch entsprechende Regelungen diese ganze Materie, d. h. den Arbeitsvertrag in diesen Berufen, so zu gestalten, daß wir damit zufrieden sein können.
Ich gebe mich auch nicht der Illusion hin, daß der starke Mangel an Haushaltskräften und an Kräften aus Pflegeberufen durch eine solche Regelung plötzlich beseitigt werden könnte. Aber hier kann meines Erachtens doch vieles geschehen. Wer die Praxis kennt, weiß, daß wir heute überall einen Mangel an Menschen haben, die bereit sind, in der Hauswirtschaft tätig zu sein, an Menschen, die bereit sind, in Pflegeberufen tätig zu sein, weil diese Tätigkeiten mit manchen Unannehmlichkeiten verbunden sind, die man in anderen Berufen nicht kennt. Ich glaube, dieses Gesetz wird doch dazu verhelfen, manche Lücken auszufüllen, manche Vermittlung in die entsprechenden Arbeitsverhältnisse zu ermöglichen, die sonst nicht möglich wäre, und ich glaube, daß auch die Qualitätsvermittlung hierdurch doch recht günstig beeinflußt werden kann.
Alle diese Gründe veranlassen uns, Sie zu bitten, dem Gesetz in der vorgelegten Fassung Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203101100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schanzenbach.

Marta Schanzenbach (SPD):
Rede ID: ID0203101200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich den Gründen, die hier vom Herrn Arbeitsminister und von Herrn Sabel angeführt worden sind. keineswegs anschließen. Man geht davon aus, daß bei der Schaffung des AVAVG den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege gewisse Rechte eingeräumt worden sind. Gewiß! Wir standen damals vor Neuland. Aber heute wissen wir, daß die Arbeitsvermittlungen der Arbeitsämter sich bewährt haben, und wir sollten uns davor hüten, hier Einrisse zuzulassen, die bei einer Bevorrechtung der freien Wohlfahrtspflege anfangen, bei denen wir aber nicht wissen, wo sie aufhören.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn wir im Interesse der Arbeitnehmer handeln wollen, dann müssen wir die Vermittlung in einer Hand haben, und es ist ja seit 1945 der Beweis erbracht worden, daß die Arbeitsvermittlung bei den Arbeitsämtern wirklich in einer sehr ordentlichen Form durchgeführt wird; diese Vermittlung hat sich bewährt.
Wenn der Herr Arbeitsminister sagt, von der Arbeitsvermittlung der Arbeitsämter aus könne für die pflegerischen Berufe nicht genug getan werden, so bedaure ich, daß gerade der Herr Arbeitsminister das sagt. Denn dann wäre es bisher
schon seine Aufgabe gewesen, dafür zu sorgen, daß mehr getan wird,

(Beifall bei der SPD)

und niemand wäre ihm dankbarer gewesen als wir Sozialdemokraten; denn wir wissen, wie wenig gerade für die Berufsgruppe der Hausangestellten bisher getan worden ist. Die Hausangestellten leben doch unter unmöglichen arbeitsrechtlichen Verhältnissen.

(Beifall bei der SPD. — Lebhafter Widerspruch und Lachen in der Mitte und rechts.)

— Meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie glauben,

(anhaltende Zurufe von der CDU/CSU) daß Löhne von 30 und 40 Mark


(lebhafter Widerspruch und Lachen — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja nicht wahr!)

bei einer zehn- und zwölfstündigen Arbeitszeit heute gerecht sind,

(Abg. Sabel: Das ist ja eine Verallgemeinerung, die nicht zutrifft!)

dann täuschen Sie sich eben. Es gibt nur wenige Hausangestellte, die tariflich ordentlich bezahlt werden.

(Lebhafter Widerspruch in der Mitte und rechts. — Abg. Sabel: Haben Sie eine Ahnung!)

Hier liegen die Dinge sehr im argen, und, meine Damen und Herren, wenn Sie glauben, durch die Vermittlung der freien Wohlfahrtspflege hier etwas mehr tun zu können, so glaube ich, daß das nicht der richtige Weg ist.
Wir müssen dafür sorgen, daß gerade die pflegerischen und die hauswirtschaftlichen Berufe auf ein ganz anderes Niveau gehoben werden, daß nicht durch eine gewisse Betreuung die Menschen in die Familien hineinkommen, sondern daß die Angehörigen dieser Berufe eine gute Ausbildung erhalten, damit sie nachher im Haushalt wirklich auch eine sehr verantwortungsvolle selbständige Arbeit leisten können.

(Beifall bei der SPD.)

Genau so wie in anderen Ländern müssen auch wir dazu kommen, daß die Arbeitsverhältnisse der Hausangestellten und des Pflegepersonals besser werden. Da scheint mir der Schwerpunkt zu liegen, auf den die Arbeitsvermittlung wie auch die freie Wohlfahrtspflege ihr Augenmerk richten muß.
Sehen Sie, davon, daß die Dinge auf der Ebene anders werden müssen, haben die beiden Herren Vorredner nicht gesprochen.

(Abg. Sabel: Da hätten Sie zuhören sollen, dann hätten Sie es gehört! Sie können es aber im Protokoll nachlesen!)

Zwischen den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege und den Arbeitsämtern sollte eine sehr gute Zusammenarbeit bestehen. Es ist klar, daß der Beruf der Hausgehilfin in unserer Zeit ein Mangelberuf ist. Aber damit, daß wir die Vermittlung aus dem Arbeitsamt herausnehmen und den freien Wohlfahrtsverbänden zuführen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Tun wir ja gar nicht!)

haben wir gar nichts zur Lösung des Problems
getan. Wir müssen die freien Wohlfahrtsverbände
so weit bringen, daß sie mit den Arbeitsämtern


(Frau Schanzenbach)

zusammen dafür sorgen, daß die Ausbildung des Pflegepersonals und der Hausangestellten besser und daß dank dieser Zusammenarbeit auch die Lage der Hausangestellten in den einzelnen Familien erträglich wird.
Ich bin der Meinung, wir sollten die Dinge lassen, wie sie im Augenblick sind; denn die freie Wohlfahrtspflege hat die Möglichkeit, diese Aufgaben von den Arbeitsämtern delegiert zu bekommen, und von dieser Delegation ist auch weitgehend Gebrauch gemacht worden.
Wir haben dafür zu sorgen — jetzt spreche ich in erster Linie von den pflegerischen Berufen —, daß nicht nur die Krankenhäuser der freien Wohlfahrtspflege tüchtiges Pflegepersonal haben, sondern daß auch die öffentlichen Anstalten nach wie vor gutes pflegerisches Personal zugewiesen bekommen. Da ja die freien Wohlfahrtsverbände die Ausbildung der Schwestern und der Pflegerinnen übernehmen und seit Jahren übernommen haben, sehe ich, wenn wir keine öffentliche Arbeitsvermittlung mehr haben, die Gefahr, daß die besten Kräfte dort verbleiben und die Krankenanstalten, die von öffentlichen Trägern unterhalten werden, noch größere Personalschwierigkeiten haben werden als bisher.
Es scheint mir kein Unrecht zu sein, die Dinge so zu belassen, wie sie sind, und dort, wo es möglich und wo es notwendig ist, den freien Wohlfahrtsverbänden die Möglichkeit der Vermittlung zu geben, wie dies auch bisher schon der Fall war. Ich wiederhole noch einmal: Wenn wir jetzt diesen Einschnitt vornehmen, kommen morgen die Angestellten und wollen besondere Vermittlungen haben,

(Abg. Könen [Düsseldorf]: Liegt schon vor!)

es kommen weitere Berufsgruppen, und die ganze öffentliche Arbeitsvermittlung wäre damit einer Gefährdung ausgesetzt.
Die sozialdemokratische Fraktion wird daher, wie Herr Könen vorhin schon gesagt hat, diesem Gesetz nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Sabel: Das haben wir schon gehört!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203101300
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0203101400
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hier ist eben gesagt worden, für die in der Hauswirtschaft Beschäftigten sei bisher wenig oder gar nichts getan worden. Ich möchte Sie doch bitten, sich einmal die Richtlinien anzusehen, die wir vom Bundesarbeitsministerium für die in der Hauswirtschaft beschäftigten Menschen herausgegeben haben. Da werden Sie finden, daß wir einmal die Frage der Arbeitszeit zwar nicht. gesetzlich geregelt, aber doch in Richtlinien ganz klar behandelt haben, ebenso die Frage des Urlaubs und manches andere.

(Abg. Baur [Augsburg] : Wie hoch ist die Arbeitszeit, Herr Minister?)

— Die Beschäftigungszeit, nicht die Arbeitszeit, liegt bei 10 Stunden.

(Aha-Rufe von der SPD.)

Das heißt: von der Beschäftigungszeit geht die Mittagspause ab. Alle diese Fragen sind in den Richtlinien ganz klar herausgestellt worden.

(Lachen und Unruhe bei der SPD.)

— Ja, meine Damen und Herren, Sie schütteln mit dem Kopf und gestikulieren mit den Händen. Das nützt uns doch gar nichts. Sehen Sie sich doch diese Dinge an!

(Beifall bei der CDU/CSU.)

Ich kann Ihnen nur sagen, daß die Vereine der Dienstboten uns für diese Richtlinien sehr dankbar gewesen sind

(Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

und sie in hunderttausend Exemplaren vervielfältigt haben. Die Mädels, die sich irgendwo um eine Stelle bemühen, brauchen also nur die Hausfrau zu fragen: „Erkennen Sie diese Richtlinien an?" Wenn die Hausfrau dann ja sagt, haben diese Mädels immerhin eine vertragliche Basis, wie sie auch durch den Tarifvertrag nicht besser gegeben werden kann.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe von der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203101500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.

Erni Finselberger (GB/BHE):
Rede ID: ID0203101600
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Meine Fraktion wird diesem Antrag grundsätzlich zustimmen. Wir sind der Meinung, daß eine Aufgabe, die früher schon den Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege zugestanden hat, auch wieder in den Arbeitsbereich der freien Wohlfahrtspflege zurückgeführt werden sollte.
Die Frau Berichterstatterin hat schon gesagt, um welchen Personenkreis es sich dabei handelt. Wenn hier auch in so betonter Weise von den Hausgehilfinnen gesprochen wird, so möchte ich doch daran erinnern, daß es dabei auch um das pflegerische Personal geht und daß dadurch ein besonderer Kreis von Personen, nämlich die Körperbehinderten, um nicht das Wort Krüppel zu gebrauchen, betroffen wird. Daß dieser Personenkreis auch in der Arbeitsvermittlung eine besonders individuelle Behandlung erfahren sollte, ohne daß die Arbeitsvermittlung der Arbeitsämter ausgeschaltet wird,

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU) das möchte ich hier einmal herausstellen.


(Zuruf von der SPD: Das geschieht ja jeden Tag!)

Wir sind weiter der Meinung., daß die arbeitsrechtliche Wahrnehmung der Interessen dieses Personenkreises durch die nichtgewerbsmäßige Stellenvermittlung der freien Wohlfahrtsverbände in keiner Weise eingeengt wird. Diese Möglichkeit ist doch für diesen Personenkreis nach wie vor gegeben.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Aus diesem Grunde werden wir diesem Antrag zustimmen.

(Beifall beim GB/BHE und bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203101700
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0203101800
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich hatte nicht vor, mich zum Wort zu melden. Aber nach den Ausführungen von Frau Kollegin Schanzenbach glaube ich doch, daß ich als Hausfrau ein paar Worte zu ihren Ausführungen sagen muß. Ich


(Frau Dr. Brökelschen)

habe lange Jahre eine Hausgehilfin gehabt. Ich möchte wissen, wo heute ein Haushalt ist, der eine Hausgehilfin für 30 oder 40 DM hält.

(Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)

Soweit ich die Dinge kenne, sind die Tarife absolut befriedigend, und ich weiß nicht, wo eine Hausgehilfin bereit und eine Hausfrau töricht genug
wäre, eine Vergütung von 30 DM zu vereinbaren.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Nun ein Weiteres, meine Herren und Damen! Ich bedauere letzten Endes eine geheime Tendenz, die in den Ausführungen von Frau Kollegin Schanzenbach zum Ausdruck kam. Aus den Ausführungen klang, wenn ich nicht irre — ich wäre froh, wenn Frau Schanzenbach mich da beruhigen könnte —, eine gewisse Befürchtung heraus, daß die nicht befriedigende Lage der Hausgehilfinnen dadurch noch verschlechtert werden könnte, daß nicht offizielle Stellen, sondern die Wohlfahrtsverbände vermitteln.

(Zurufe von der CDU/CSU: „Auch"!)

Ich bin der Meinung, daß gerade die Wohlfahrtsverbände aus ihrer christlichen Verantwortung heraus alles tun werden, um insbesondere auch gehaltsmäßig das zu erreichen, was um der Menschenwürde willen erreicht werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.) Auch das möchte ich einmal sagen.

Meine Herren und Damen, ich möchte Frau Kollegin Korspeter hier zur Zeugin anrufen. Wer sich wie wir beide gemeinsam seit Jahren um eine wirkliche Eingliederung der jugendlichen Sowjetzonenflüchtlinge bemüht, der weiß ganz genau, wie schwer es ist, auf der einen Seite das arbeitsmarktmäßige Interesse und auf der andern Seite die menschliche Verpflichtung zu verbinden. Gerade die Frage der Vermittlung der jugendlichen weiblichen Zonenflüchtlinge rückt die Verantwortung individueller Vermittlung ins Blickfeld, und ich weiß aus einer ganzen Reihe von Fällen — ich bin sowohl von der einen wie von der andern Seite darauf hingewiesen worden —, daß diese individuelle Vermittlung mindestens so gut oder in einer ganzen Reihe von Fällen besser gemacht werden könnte als über die Arbeitsämter.

(Zustimmung in der Mitte.)

Nun ein Letztes. Ich glaube nicht, daß mein Kollege Sabel die Vermittlungstätigkeit der Arbeitsämter irgendwie hat einschränken wollen. Ich wüßte gar nicht, wie er dazu käme. Was er gemeint und meiner Meinung nach auch ganz klar ausgeführt hat, ist vielmehr, daß die Tätigkeit der Arbeitsämter für ganz bestimmte schwierige Probleme durch die individuelle Vermittlung der Wohlfahrtsverbände ergänzt werden soll.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Meine Herren und Damen, Sie werden nicht abstreiten können, daß häufig Schwierigkeiten gegeben sind; Sie werden aber ebensowenig abstreiten können, daß gerade in gemeinsamer Arbeit von Wohlfahrtsverbänden und Arbeitsämtern an die Beseitigung dieser Schwierigkeiten herangegangen werden kann. Gerade weil uns diese Schwierigkeiten am Herzen liegen und weil wir auf der einen Seite in dieser Situation die Aufgabe sehen, Mädchen wieder in den Haushalt hineinzuführen, und auf der andern Seite die unendliche Not der Hausfrauen kennen, sind wir bereit, jeden Weg zu gehen, der zur Lösung dieser Schwierigkeiten führt. Wir sind allerdings der Meinung, daß
ein Stück dieses Weges durch die Einschaltung der freien Wohlfahrtsverbände bewältigt werden könnte.

(Beifall bei der CDU/CSU, bei der FDP und beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203101900
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache der dritten Beratung.
Ich rufe auf zur Abstimmung § 1, — § 2, — § 3,
— Einleitung und Überschrift. — Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die den aufgerufenen Bestimmungen zustimmen wollen, die Hand zu heben. — Das ist die Mehrheit.
Ich komme zur Schlußabstimmung. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die dem Gesetzentwurf als Ganzem ihre Zustimmung geben wollen, sich zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Stimmenthaltungen? — Der Gesetzentwurf ist gegen die Stimmen der sozialdemokratischen Fraktion mit Mehrheit angenommen worden.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der
älteren Angestellten (Drucksache 346).
Das Wort zur Begründung hat Frau Abgeordnete Finselberger.
Frau Finselberger (GB/BHE), Antragstellerin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Erfreulicherweise haben wir ganz besonders in den letzten Monaten und Wochen immer wieder feststellen können, daß die Öffentlichkeit auf den großen Notstand der älteren arbeitslosen Angestellten hingewiesen worden ist. Das ist besonders deshalb bemerkenswert, weil über das Schicksal dieser Menschen in den letzten Jahren doch mit einem gewissen Gleichmut hinweggegangen worden ist. Wenn wir zu diesem Problem einmal selbst Stellung nehmen wollen, dann müssen wir uns auch daran erinnern, daß dieses Problem bereits nach 1918, also nach dem ersten Weltkrieg, eine erhebliche Rolle gespielt hat. Beim Ausbruch des zweiten Weltkrieges, als jede Arbeitskraft gebraucht wurde, ist dieses Problem dann gewissermaßen gewaltsam gelöst worden. Man kann nicht davon sprechen, daß die damals begonnenen Bemühungen, diese Menschen einzugliedern, gescheitert seien; die Eingliederung wurde nur zurückgestellt, weil eine ganz bestimmte Vielzahl von Kräften benötigt wurde. Ich glaube, es ist allerhöchste Zeit, daß wir uns dieses Problems annehmen, und darf daran erinnern, daß in der Plenarsitzung am Freitag voriger Woche die Vorsitzende des Petitionsausschusses, Frau Albertz, im Rahmen ihrer Berichterstattung darauf hingewiesen hat, daß eine Flut von Zuschriften aus dem Kreis der älteren Angestellten auch den Petitionsausschuß erreicht hat. Sämtliche Mitglieder dieses Ausschusses müssen doch sehr stark davon beeindruckt gewesen sein; denn sie kamen einmütig zu der Feststellung, daß hier seitens der Regierung, des Bundestages und seitens der maßgeblichen Stellen überhaupt unbedingt etwas getan werden müßte.

(Anhaltende Unruhe. — Glocke des Präsidenten.)



Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203102000
Meine Damen und Herren, ich möchte Sie bitten, der Frau Rednerin doch ihre Aufgabe dadurch zu erleichtern, daß Sie nach Möglichkeit Ruhe bewahren.
Frau Finselberger (GB/BHE), Antragstellerin: Meine Stimme wird ausreichen, Herr Präsident!

(Heiterkeit.)

Ich möchte doch daran erinnern, daß der Herr Staatssekretär Sauerborn am 12. März auf eine Anfrage der DP zu dieser Frage der älteren Angestellten Stellung genommen hat. Er ist von einer Zahl von 75 000 älteren arbeitslosen Angestellten ausgegangen. Ich kann die hier genannte Zahl nicht als richtig anerkennen. Nach dem mir zur Verfügung gestellten Zahlenmaterial müßte immerhin von 80 000 Angestellten ausgegangen werden. Der Herr Staatssekretär Sauerborn sagte, daß für eine Vielzahl dieser 75 000 Angestellten gar nicht mehr die Voraussetzungen beständen, sie in den Arbeitsprozeß einzugliedern, da ein großer Teil von ihnen nur vorübergehend Angestelltentätigkeit ausgeübt habe. Ich möchte mich jedoch auf eine Zahl der Deutschen Angestelltengewerkschaft verlassen, die davon ausgeht, daß etwa 6 bis 61/2% als Angestellte vielleicht nicht mehr einsatzfähig seien. Ich komme dann auf die Zahl von 75 000. Dabei sind allerdings nicht die vielen Tausende älterer Angestellter berücksichtigt, die im Laufe der letzten Jahre in berufsfremde Tätigkeiten abgewandert sind, weil sie es nicht mehr ertragen konnten, Jahr um Jahr stempeln zu gehen und Alu- und Alfuempfänger sein zu müssen. Ihre Zahl wird auf mindestens 20 000 geschätzt; es gibt aber auch Schätzungen von 30 000 und mehr. Daher dürften wir mit immerhin mindestens 90 000 älteren arbeitslosen Angestellten zu rechnen haben.
Das ist auch für meine politischen Freunde die Veranlassung gewesen, sich gleich zu Beginn unserer Arbeit hier im Bundestag mit diesem Problem zu beschäftigen. Wir waren der Meinung, daß mit all dem, was in den letzten Jahren auf diesem Gebiet geschehen ist — im wesentlichen handelte es sich um den Appell, diese Menschen freiwillig einzustellen —, doch nichts Erhebliches erreicht werden konnte. Vor einigen Monaten, als man in der Öffentlichkeit begann, von diesem Gesetzesvorschlag zu sprechen, ging eine Meldung durch die Presse — und einige Pressevertreter teilten mir das auch mit —, daß das Bundesarbeitsministerium einem solchen Gesetz ablehnend gegenüberstehe. Diese Tatsache hat auf die Kreise dieser älteren arbeitslosen Angestellten sehr beunruhigend gewirkt. Dazu möchte ich mir persönlich eine Bemerkung erlauben. Zu dem damaligen Zeitpunkt steckte dieses Gesetz noch in den Kinderschuhen, und ich finde es nicht gerade ganz freundlich, wenn man hier nach der Rezeptur handelt: Ich kenne zwar Ihre Absichten nicht, aber ich mißbillige sie. Es wäre mir im Interesse dieser älteren Angestellten lieber gewesen, das Bundesarbeitsministerium hätte diesen Gesetzentwurf zunächst einmal vollkommen kennengelernt und sich vielleicht dann dazu geäußert. Ich habe diesen Gesetzentwurf allen Kreisen zugänglich gemacht, vor allen Dingen den Sozialpartnern, und ich habe zu meiner Freude feststellen können, daß er zum Teil sehr spontan, aber immerhin doch von allen anerkennend aufgegriffen worden ist. Wenn überhaupt Einwendungen erfolgt sind, dann haben sich diese eigentlich immer nur auf die Quote selbst bezogen.
Man hat auch versucht, hier einen Vergleich mit dem Schwerbeschädigtengesetz anzustellen. Dazu ist festzustellen, daß der Charakter des Schwerbeschädigtengesetzes ein ganz anderer ist als der dieses Gesetzentwurfs. Hier können wir höchstens von einer gesetzlichen Regelung sprechen, aber nicht etwa von einer Zwangsmaßnahme. Wir haben auch ganz offen und sehr deutlich gesagt, daß uns bei der Erarbeitung dieses Gesetzentwurfs neuestes Zahlenmaterial nicht zur Verfügung stand. Mir wurde z. B. zunächst Zahlenmaterial aus dem August 1950 zur Verfügung gestellt. Wir sind durchaus der Meinung und haben das auch schon in den früheren Wochen immer gesagt, daß die hier festgesetzte Quote von 40 vom Hundert auf Grund neuesten Zahlenmaterials nochmals überprüft werden müsse. Dazu sind wir gern bereit. Wir müssen wirklich an die Notstände herankommen und sie durch eine angemessene Quote beheben.
Man wirkt auf diesen großen Kreis der älteren Angestellten nicht beruhigend, wenn man sagt, man könne dieses Problem ohne eine solche gesetzliche Regelung lösen. Auf dem Wege über die Freiwilligkeit sind in der Vermittlung keine erheblichen Erfolge erzielt worden. Sonst wäre die Zahl der älteren arbeitslosen Angestellten zweifellos nicht so gewachsen,

(Sehr richtig! beim GB/BHE)

und der Notstand dieser Menschen wäre nicht so außerordentlich groß, wie wir es doch immer wieder feststellen müssen.
Man kann auch nicht davon sprechen, daß, wie es mir von einer maßgeblichen Arbeitgeberorganisation mitgeteilt wurde, in diesem Gesetzentwurf eine Bevorzugung eines bestimmten Berufsstandes liege. Dieser Berufsstand der älteren Angestellten ist seit Jahr und Tag benachteiligt worden, und wir möchten ihn mit den übrigen Berufen gleich behandelt sehen. Daher möchten wir zu dieser gesetzlichen Regelung kommen, die ja nicht etwa ein Dauerzustand sein soll, sondern die wir ja selbst bis zum 31. Dezember 1957 befristet haben. Niemand wäre glücklicher als meine Fraktionskollegen und ich, wenn wir dieses Gesetz, weil es seine Aufgabe erfüllt hat, schon zu einem früheren Zeitpunkt wieder außer Kraft setzen könnten.
Ich möchte dann noch auf einige andere Punkte eingehen. Wir haben auch Einwendungen nach der Richtung gehört, daß in vielen Betrieben und besonderen Branchen und Wirtschaftszweigen die Quote von 40 vom Hundert schon erreicht, ja sogar teilweise überschritten worden sei. Dazu ist zu sagen, daß wir auch nicht jene Betriebe erfassen wollen, die aus einer freiwillig übernommenen sozialen Verpflichtung heraus, einem inneren Gesetz folgend, schon Wesentliches auf diesem Gebiet geleistet haben. Wir glauben aber, daß doch gerade jene Betriebe erfaßt werden müssen — und Arbeitgeber im Sinne dieses Gesetzes sind auch juristische Personen, also auch Behörden —, die sich um die Einstellung älterer Angestellter noch nicht gekümmert haben.
Wir brauchen ja nur einmal auf jene bekannten Erscheinungen zu verweisen, die sich in den letzten Jahren bis in die jüngste Zeit hinein doch immer wieder gezeigt haben. Immer wieder findet man im Inseratenteil der Tageszeitungen Anzeigen dieser älteren Angestellten. Und die andere Seite: Vor ein paar Tagen erhielt ich wieder ein Inserat zugeschickt, das in einer großen Tageszeitung erschienen ist. Danach wurde ein Auslandskaufmann gesucht


(Frau Finselberger)

— nicht älter als 25 Jahre —, der französisch, englisch, spanisch und portugiesisch sprechen sollte und von dem man außerdem eine lange Auslandserfahrung erwartete. Ich weiß nicht, wann dieser 25jährige mit seiner Ausbildung hat beginnen müssen, um in diesem Alter solche Kenntnisse vorweisen zu können, wahrscheinlich bereits im Steckkissen.

(Heiterkeit.)

Die Reihe solcher Anzeigen ließe sich beliebig fortsetzen.
Die zweite, für die älteren Angestellten ganz besonders nachteilige Seite des ganzen Problems ist aber die Tatsache, daß diese Menschen durch die jahrelange Arbeitslosigkeit berufsfremd geworden sind oder sich zumindest sehr weit von ihrem beruflichen Aufgabenkreis entfernt haben. Sie finden daher in diesem Gesetz auch die Möglichkeit, diesen Menschen eine echte und tragende Lebenschance, einen neuen Lebensstart in ihre Berufswelt zu geben. Dies wollen wir dadurch erreichen, daß den Arbeitgebern Mittel aus der Arbeitslosenversicherung und -unterstützung zufließen, mit denen sie solchen Angestellten eine längere Einarbeitungszeit ermöglichen können. Wir möchten überhaupt die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitlosenversicherung mehr im Sinne der Arbeitsvermittlung tätig sehen — darauf stellt auch dieses Gesetz ab —, wobei wir hoffen, daß gerade im Hinblick auf den Kreis der älteren Angestellten aus dieser Arbeits vermittlung eine Berufs vermittlung werden möge. Gerade diesem Kreis der älteren Angestellten wird durch das Abwandern in andere Tätigkeiten die Rückkehr in ihren eigentlichen Angestelltenberuf erschwert.
Wir müssen auch die weiteren Auswirkungen sehen: Diese Menschen werden später mit einen Angestelltenruhegeld zu rechnen haben, das besonders dadurch geschmälert ist, daß während ihrer jahrelangen Berufslosigkeit die Rechte und Pflichten der Angestelltenversicherung ruhten.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Dadurch wird, wie gesagt, das Angestelltenruhegeld auch um einen erheblichen Betrag vermindert.
Bei dieser Gelegenheit darf ich darauf hinweisen, daß die Rechtsgleichheit bei den Angestellten innerhalb der Bundesrepublik noch nicht hergestellt ist. Im Gegensatz zu den Angestellten in der britischen Besatzungszone können ältere Angestellte in anderen Gebieten der Bundesrepublik schon im 60. Lebensjahr ihr Angestelltenruhegeld beantragen, wenn sie länger als ein Jahr arbeitslos sind. Diese Möglichkeit besteht leider nicht für die älteren Angestellten der britischen Besatzungszone. Auch in dieser Beziehung also wäre es möglich, durch geeignete Maßnahmen eine positive Wirkung auf den Lebensstandard dieser Menschen auszuüben.
So häufig wird gesagt, daß man sich auf irgendwelche zusätzliche Maßnahmen verlassen solle, die eine gesetzliche Regelung überflüssig machten. Ich weiß, daß sich der Herr Bundesvertriebenenminister z. B. bei der Umsiedlung ganz besonders auch des Kreises der älteren Angestellten erinnern wird. Wir begrüßen das sehr; aber die Voraussetzung muß doch sein, daß diesen älteren Angestellten auch im Rahmen der Umsiedlung dann durch eine gerechte Verteilung ein Arbeitsplatz zugesichert wird. Es ist sehr erstaunlich und sehr betrüblich für mich gewesen, hier im Raume Nordrhein-Westfalen sehr häufig ältere Angestellte aus Vertriebenenkreisen zu treffen, die aus ländlichen Kreisen umgesiedelt worden waren, wo der Lebensstandard für sie immer noch günstiger war als etwa in einer nordrhein-westfälischen Stadt; denn hier mußten sie noch weiterhin ein Jahr und länger stempeln gehen. Wir sehen, daß es mit der verstärkten Umsiedlung allein auch nicht getan ist, obwohl wir nicht verkennen wollen, daß sich die Umsiedlung außerordentlich unterstützend und hilfebringend auswirken kann.
Von dem Herrn Präsidenten Scheuble der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wurde in einem Artikel einer Fachzeitschrift gesagt, daß nunmehr in verstärktem Maße die individuelle Vermittlung älterer Angestellter Platz greifen solle. Das scheint mir eine Möglichkeit zu sein. Zu Ehren der Arbeitsämter sei gesagt, daß sie von ihnen sicherlich schon längst angewendet wurde, um dadurch ältere Angestellte wieder in den Arbeitsprozeß einzugliedern. Wenn man allerdings die vielen Briefe von älteren Angestellten liest, dann wird man sehr bald feststellen, daß unter den zumutbaren Arbeiten, die man diesen älteren Angestellten zuweist, sehr häufig, ja in den allermeisten Fällen völlig berufsfremde Tätigkeiten zu finden sind. Daß das für diese Kreise nicht gerade erfreulich und befriedigend ist, das können wir doch wohl alle durchaus verstehen. Es scheint mir notwendig, daß in Zukunft bei der Vermittlung einer Arbeit in bezug auf die Zumutbarkeit doch ein etwas anderer Maßstab angelegt wird, um diese Menschen ihrer Berufswelt und einem ihrer Eignung entsprechenden Beruf zu erhalten. Dazu soll auch dieses vorliegende Gesetz verhelfen; es soll vor allem diesem Kreis von Menschen dienen.
Wir haben heute von einer Zahl von etwa 90 000 älteren arbeitslosen Angestellten — Männer und Frauen — auszugehen. Dabei muß festgestellt werden, daß darunter außerordentlich viele Familienväter sind, aber auch ältere weibliche Angestellte, die für Kinder oder sonstige Angehörige zu sorgen haben. Wenn wir das alles zusammenrechnen, dann können wir uns vorstellen, daß heute — nach meiner geringen Schätzung — mindestens 400 000 Menschen hier nach Bonn sehen. Sie erhoffen von unseren Beratungen, daß ihre Lebenslage in der nächsten Zukunft sich um ein Wesentliches bessert. Ich möchte Sie daher bitten, sich allen Ernstes dieser Aufgabe in der von diesem Gesetzentwurf angezeigten Richtung anzunehmen und unseren Antrag zu unterstützen.
Ich darf beantragen, daß dieser Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik überwiesen wird.

(Beifall beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203102100
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0203102200
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Abgeordnete Finselberger, darf ich Ihnen eine Frage vorlegen. Wer hat im Auftrag des Bundesarbeitsministeriums, ehe Ihre Vorlage da war, gesagt, daß wir ein derartiges Gesetz ablehnen?

(Abg. Frau Finselberger: Das hat in der Zeitung gestanden, Herr Bundesarbeitsminister!)



(Bundesarbeitsminister Storch)

— Es hat in der Zeitung gestanden! Dann muß doch auch dringestanden haben, von wem eine derartige Erklärung abgegeben worden ist.

(Zurufe vom GB/BHE: Vom Ministerium!)

— Gott im Himmel, wenn Sie in dieser Form hier auftreten, Frau Finselberger und meine Herren vom BHE, und sagen, das Arbeitsministerium hat erklärt, es kenne den Inhalt zwar nicht, aber es lehne das Gesetz ab, dann ist es doch klar, daß man sich fragen muß: wer hat es denn eigentlich gesagt?

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Ich sage Ihnen in aller Offenheit: eine derartige Erklärung ist vom Bundesarbeitsministerium nicht abgegeben worden!
Bei der Frage der älteren Angestellten haben wir es mit einem Problem zu tun, das kaum lösbar ist. Mein Herr Staatssekretär hat in einer der letzten Sitzungen auf Grund einer Anfrage das Problem sehr weitgehend behandelt. Ich weiß nicht, ob er dem Hohen Hause dabei gesagt hat, daß in der Zeit der nationalsozialistischen Zwangswirtschaft und nach dem Krieg viele Menschen zu Angestellten gemacht wurden. Aus der Statistik ersieht man, daß die Zahl der Angestellten von 1933 bis 1950 um 35 %, die Zahl der gewerblichen Arbeiter dagegen nur um 18 % gestiegen ist. Das ist meines Erachtens eine ungesunde Entwicklung gewesen. Infolge der Zwangsbewirtschaftung sind ungeheuer viele und große Büros eingerichtet worden, und darin sind die Leute eben zu Angestellten geworden. Mit der Umstellung auf eine freie Wirtschaft sind sie dann frei geworden.
Dazu kommt ein anderes. Es ist heute ein ungeheurer Zustrom der Jugend zu den Angestelltenberufen festzustellen. Er hat ein solches Ausmaß, daß nicht alle Leute später in unserer Volkswirtschaft die entsprechende Beschäftigung als Angestellte finden können.
Frau Finselberger, wir werden uns im Ausschuß gerne mit Ihnen über all diese Fragen unterhalten. Bestimmt werden Sie dann auch die Schattenseiten einer derartigen Gesetzgebung erkennen. Mit der Vorlage eines Gesetzentwurfes wird ja die Zahl der Stellen für Angestellte in unserer Wirtschaft und im öffentlichen Leben nicht größer. Wenn zusätzlich Angestellte, die ein gewisses Alter überschritten haben, eingestellt werden, müssen wir damit rechnen, daß andere dafür freigestellt werden, d. h. auf die Straße kommen.
Denken wir doch einmal an all diese Sonderregelungen der dreißiger Jahre zurück! Damals haben wir zum Teil alte Leute in den Betrieben festgehalten und dafür unsere Jugend auf die Straße gejagt, und die ist dann mit der Fahne und mit dem Lied „Die Fahne hoch . . ." durch die Straßen gezogen. Das war der Anfang vom Ende.
Meine sehr verehrten Damen und Herren. Sie müssen sich doch einmal über folgendes im klaren sein. Der Mangel in der Vergangenheit war, daß keine Möglichkeit bestand, den älteren Angestellten vor einer Entlassung zu schützen. Wir haben im 1. Bundestag das Kündigungsschutzgesetz verabschiedet. Ich bin der Überzeugung, daß wir gerade durch dieses Gesetz verhindern können, daß in der Zukunft ältere Angestellte mit 45 oder 50 Jahren auf die Straße geworfen werden. Das ist doch der tiefere Sinn des Gesetzes. Ich erblicke darin auch eine bessere Hilfsmaßnahme für die älteren Angestellten, als wenn wir Sondergesetze
für sie schaffen. Wenn wir uns in einem Kreise von sehr gut orientierten Leuten über das Problem intensiv unterhalten, werden wir auch gemeinsam einen Weg finden, wie wir den älteren Angestellten helfen können.

(Abg. Samwer: Das war aber sehr wenig!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203102300
Das Wort hat der Abgeordnete Hansen.

Werner Hansen (SPD):
Rede ID: ID0203102400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird der Ausschußüberweisung des vom GB/BHE beantragten Gesetzentwurfs zustimmen, macht allerdings den Vorschlag, ihn nicht nur dem Sozialpolitischen Ausschuß, sondern auch dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.

(Abg. Sabel: Der ist ja an sich zuständig!) Jedenfalls möchten wir empfehlen, daß beide Ausschüsse damit beschäftigt werden.

Die Frau Abgeordnete Finselberger hat in einer sehr scharmanten und eindrucksvollen Form dargestellt, daß hier ein echtes Problem vorliegt. Ich glaube, es ist niemand in diesem Hause, der der Frau Abgeordneten nicht darin zustimmt, daß bei den älteren Angestellten eine Notlage vorliegt und daß ihnen in irgendeiner Form geholfen werden muß. Meine Fraktion ist allerdings der Meinung, daß der Entwurf, wie er jetzt vorliegt, nicht ausreichend ist, um den stellenlosen älteren Angestellten eine wirksame Hilfe zu geben. Während wir uns in diesem Hause mit dem Problem beschäftigen, beschäftigt sich in Genf der Beratende Ausschuß für Angestellte und geistig Schaffende mit der gleichen Frage. Damit ist .gezeigt, daß es sich nicht nur um eine Angelegenheit handelt, die in der deutschen Bundesrepublik eine Rolle spielt, sondern daß es sich um ein internationales Problem handelt.
Herr Bundesminister Storch hat soeben erklärt, in seinem Ministerium sei bisher niemals die Meinung vertreten worden, daß eine gesetzliche Regelung nicht erforderlich sei. Ich muß den Herrn Bundesminister Storch darauf hinweisen, daß dem Petitionsausschuß gegenüber eine solche Erklärung aus seinem Ministerium schriftlich abgegeben worden ist.

(Lebhafte Rufe bei der SPD und beim GB/BHE: Hört! Hört!)

Ich bitte den Herrn Minister, sich diese schriftliche Erklärung doch einmal anzusehen.

(Zuruf von der SPD: Das weiß er nicht!)

Wir freuen uns allerdings, daß in dem Ministerium offenbar inzwischen ein Meinungswechsel stattgefunden hat, — wenn wir berücksichtigen, was wir aus dem Munde des Herrn Ministers selber soeben gehört haben.

(Zuruf von der SPD: Das soll schon mal vorkommen!)

Wir stimmen, wie gesagt, der Ausschußüberweisung zu. Wir sind allerdings der Meinung, daß der vorliegende Gesetzentwurf des BHE nicht geeignet ist, die Not der stellenlosen älteren Angestellten wirksam zu beheben. Das möchte ich Ihnen an einigen Beispielen darstellen. Aus einer Untersuchung der Altersgliederung der beschäftigten Angestellten z. B. in Nordrhein-Westfalen geht hervor, daß der Gesamtdurchschnitt des Anteils der beschäftigten männlichen älteren Angestellten in allen Wirtschaftszweigen im November 1951 39,7% betrug.


(Hansen [Köln])

In den strukturbestimmenden Wirtschaftszweigen dieses Landes ist der vom BHE gewünschte Anteil von 40 % bereits jetzt wesentlich überschritten.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Im Bergbau, bei der Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden und in der Energiewirtschaft beträgt der Anteil der über 45 Jahre alten beschäftigten Angestellten nicht nur 40 %, sondern
hören Sie genau hin! — 54,3%.

(Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

In der Eisen- und Metallerzeugung und -verarbeitung beträgt dieser Anteil 43,5 %, in der sonstigen verarbeitenden Industrie 41,2 %, in der Verkehrswirtschaft — ohne die Bundespost, Bundesbahn und Schiffahrt — 51%.
Für diese im Rahmen der Gesamtwirtschaft bestimmenden Wirtschaftszweige hat der von dem BHE eingebrachte Gesetzentwurf also keinerlei praktische Bedeutung. Er könnte den älteren .Angestellten in keiner Weise helfen, jedenfalls soweit es das Land Nordrhein-Westfalen angeht. Wir halten es im Gegenteil — das müssen wir Ihnen offen erklären — sogar für möglich, daß, wenn der Entwurf in dieser Form Gesetz wird, die Gefahr heraufbeschworen wird, daß man in diesen Wirtschaftszweigen zu der Überlegung kommt, die über den gesetzlich geforderten Anteil hinaus beschäftigten Angestellten abzubauen.
Nun gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Industriezweig, der etwas unter der 40-%-Grenze liegt, und zwar das Bau- und Bauhilfsgewerbe mit 38,3%. Der wichtigste Wirtschaftszweig für die Beschäftigung älterer Angestellter bleiben Handel, Banken und Versicherungen. Hier beträgt der Anteil der über 45 Jahre alten beschäftigten Angestellten nur 29,8 %.

(Abg. Samwer: Das ist sehr bedauerlich!)

Der vorliegende Antrag des BHE würde also im wesentlichen diesen Wirtschaftszweig betreffen. Aber da heißt es wieder in § 1 des Entwurfs, daß die Bestimmungen des Gesetzes nur auf Betriebe mit mehr als sieben beschäftigten Angestellten anwendbar sind. Das bedeutet nichts anderes, als daß gerade in dem noch übrigbleibenden Zweig des Handels mit den vielen Kleinbetrieben mit weniger als sieben Angestellten die Anwendung des Gesetzes nicht in Frage kommt.

(Abg. Samwer: Natürlich, weil es den Kleinbetrieben schwer zugemutet werden kann!)

Auch hier zeigt sich also, wenn man etwas genauer hinsieht, daß der Gesetzentwurf des BHE den älteren Angestellten eine bloße Fata Morgana vorgaukelt.

(Widerspruch beim GB/BHE. — Abg. Frau Finselberger: Dann hätten Sie ja mal was Besseres vorlegen können!)

Die Prozentzahlen, die ich für Nordrhein-Westfalen genannt habe, treffen aber nicht nur für dieses Gebiet zu. Sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund als auch die Deutsche Angestelltengewerkschaft haben sich bereits mit dieser Frage befaßt und kommen zu dem Ergebnis, daß auch für das Bundesgebiet die Erfüllung einer Pflichtquote von 40% unzureichend wäre. So schreibt z. B. die DAG-Zeitschrift „Der Angestellte" auf Grund einer umfassenden Erhebung, deren Auswertung allerdings noch nicht abgeschlossen ist, daß der Anteil älterer Angestellter höher sei als allgemein angenommen werde, so daß es fraglich erscheine, ob
man mit dem Mittel einer 40%igen Pflichtquote die Not der älteren Angestellten tatsächlich spürbar mildern könnte.

(Abg. Samwer: Setzen Sie doch die Quote höher!)

Es kommt also darauf an, daß wir uns den Gesetzentwurf des BHE im Ausschuß einmal sehr genau ansehen und zur Grundlage für eine ausführliche Beratung nehmen. Wir müssen allerdings feststellen, daß jedenfalls der Entwurf, wie er vorliegt, offenbar noch nicht sehr viel geistige Anstrengung verrät, das Problem in irgendeiner vernünftigen Weise zu lösen.

(Abg. Samwer: Vielleicht kommt Ihre hinzu!)

Was bei der vorgeschlagenen Global quote von 40 % ebenfalls völlig unberücksichtigt bleibt, ist der erhebliche Unterschied in der Lage der technischen und der kaufmännischen oder der weiblichen und männlichen Angestellten. Die Beschäftigungslage der älteren Techniker z. B. ist weitaus günstiger als die der älteren kaufmännischen Angestellten. Im ganzen sehr viel ungünstiger erscheinen die Beschäftigungsaussichten für die älteren weiblichen Angestellten. Hier sinkt der Anteil vom 35. Lebensjahr ab ständig unter den entsprechenden Anteil dieser Altersklassen an der Gesamtheit der Erwerbspersonen. Das bedeutet, daß wir, wenn wir überhaupt eine Lösung finden wollen, nicht mit einer Globalquote für alle auskommen werden, sondern daß wir differenzieren müssen. Ich weise also zunächst nur darauf hin, daß es mit dem Entwurf, so wie er vorliegt, nicht geht.

(Lachen beim GB/BHE. — Abg. Samwer: Kleine Abänderungen!)

Eine andere Frage, die natürlich sehr genau zu überlegen wäre, ist, ob es überhaupt sinnvoll erscheint, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung ein weiteres Gesetz aufzuerlegen, durch das neue Zwangsquoten im Interesse einer bestimmten Personengruppe bei der Beschäftigung festgelegt werden. Ich erinnere daran, daß das Schwerbeschädigtengesetz in seiner Durchführung bereits auf größere Schwierigkeiten stößt. Frau Abgeordnete Finselberger hat zwar gesagt, daß es sich hier um etwas grundsätzlich anderes handle als beim Schwerbeschädigtengesetz, doch ist ihr meines Erachtens die Begründung nicht ganz gelungen. Im Prinzip haben wir es bei dem vorliegenden Gesetz mit etwas Ähnlichem zu tun, nämlich mit einer Zwangsquote, wie sie auch das Schwerbeschädigtengesetz vorsieht. Ich weise außerdem darauf hin, daß es auch einige andere solcher Gesetze gibt, z. B. das 131er Gesetz, das in seinen Auswirkungen vor allen Dingen auf die Nachwuchspolitik der öffentlichen Verwaltung sehr schwerwiegende Bedeutung hat. Ich glaube, auch dieses Problem muß man im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sehr gründlich überlegen.
Meine Damen und Herren, was darüber hinaus der Überlegung wert wäre, ist die Frage, ob es überhaupt zweckmäßig erscheint, für Beschäftigte einer bestimmten Personengruppe bereits vom 45. Lebensjahre an mit irgendeiner Art fürsorgerischer Maßnahme zu beginnen, die in ihrer Konsequenz noch dazu eine Subvention solcher Betriebe bedeuten würde, die sich in ihrer Beschäftigungspolitik bisher nicht sozial benommen haben. Wie würde im übrigen die Auswirkung auf solche


(Hansen [Köln])

Betriebe und Wirtschaftszweige sein, die, wie ebenfalls eingangs erwähnt, heute bereits mehr als 40 % über 45 Jahre alte Angestellte beschäftigen? Ich stelle die Frage, ob nicht nach dem Gesetzentwurf des BHE bei der künftigen Beschäftigungspolitik dieser Betriebe und Wirtschaftszweige ein ausgesprochen unsoziales Gefälle, geschaffen wird, das für unsere gesamte Wirtschaft gefährliche Konsequenzen haben könnte.

(Abg. Samwer: Na, na!)

Meine Fraktion vertritt die Ansicht, daß der qualifizierte Angestellte wie auch der Facharbeiter auf Grund seines umfassenden Könnens keine Belastung, sondern einen Gewinn für jeden wirtschaftlich geleiteten Betrieb darstellt. Wenn wir ältere Angestellte und als Konsequenz dann auch andere ältere Berufsangehörige nach einem solchen Gesetz als Fürsorgefälle behandeln, müssen wir uns darüber klar sein, daß damit möglicherweise die Grundlage einer vernünftigen Berufspolitik überhaupt gefährdet wird.
Frau Abgeordnete Finselberger hat auch die Arbeitsverwaltung angesprochen. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß die Arbeitsverwaltung gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden seit Jahren versucht hat, sich dieses Problems der älteren Angestellten besonders anzunehmen.

(Abg. Samwer: Ist aber leider nicht erreicht worden!)

Es ist unseren gemeinsamen Bemühungen, z. B. in Nordrhein-Westfalen, tatsächlich gelungen, die Zahl der dort arbeitslosen älteren Angestellten auf etwa die Hälfte herabzudrücken. Aber ich will damit nicht sagen, daß nun alle Anstrengungen
gemacht seien und nicht mehr getan werden könne. Ich bin der Überzeugung, daß mehr getan werden muß, als bisher getan worden ist.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Samwer: Hätte längst geschehen können!)

Im übrigen müssen wir uns aber darüber klar sein, daß wir, wenn wir diesem Entwurf in der vorliegenden Form folgen, das Problem nicht vernünftig lösen werden.

(Abg. Samwer: Ihre Ansicht!)

Wenn man sich die Arbeitslosenzahl etwas näher
ansieht, kann man feststellen, daß sich auch
Arbeitslose aus anderen Berufszweigen in einer
ähnlichen Situation wie die älteren Angestellten
befinden; denn obwohl es gelungen ist, die Zahl
der Arbeitslosen insgesamt zu senken, ist doch allgemein der Prozentsatz der Unterstützungsempfänger, die über 45 Jahre alt sind, stetig gestiegen.

(Abg. Samwer: Na also!)

Insofern dürfte also nicht nur ein Problem der Hilfeleistung für ältere Angestellte vorliegen, sondern ein Komplex, der sich auf alle Berufszweige in unserer modernen Wirtschaft erstreckt, ein Problem, das ebenfalls einer eingehenden Untersuchung bedürfte. Ich hoffe, daß wir in den Beratungen des Ausschusses auch an diese Frage herangehen können. Sie hat natürlich auch für die Art, in der wir das Problem der älteren Angestellten lösen, Konsequenzen, weil wir selbstverständlich nicht Präzedenzfälle schaffen können, sondern eine Gleichberechtigung aller fordern müssen.

(Abg. Samwer: „Gleichberechtigung"?)

Eine andere Schwierigkeit, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht behoben wird, besteht darin, daß die verwendbaren stellenlosen
älteren Angestellten sehr oft nicht an den Orten ansässig sind, an denen sie Arbeit finden können. Bei den qualifizierten älteren Angestellten handelt es sich durchweg um Kräfte mit Spezialkenntnissen, für die an ihren Wohnorten manchmal keine Verwendung besteht. Für diese Menschen ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Hilfe vorgesehen. Jedenfalls wäre für alle diese Fälle eine finanzielle Zuwendung an die Unternehmungen weniger wichtig als die finanzielle Unterstützung der in Frage kommenden Personen selber, damit sie in die Orte übersiedeln können, wo ihnen eine Stellung vermittelt werden kann. An den Unterhaltsliosten der Familie, der Wohnungsbeschaffung und den Umzugskosten scheitern heute noch häufig aussichtsreiche Anstellungsverhandlungen.

(Abg. Samwer: Alles bekannt!)

Gewiß können heute schon manchmal reine Umzugskosten übernommen werden, andere Unkosten aber nicht. Wir haben im Rahmen der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auch dieses Problem sehr eingehend diskutiert. Im Augenblick sind wir dabei, die Frage zu überprüfen, ob solchen Stellenlosen, die im überbezirklichen Ausgleich vermittelt werden sollen, für die Beschaffung einer Wohnung ein Darlehen oder ein Zuschuß oder sonst etwas gegeben werden kann. In den bevorstehenden Ausschußberatungen gilt es zu überlegen, ob größere Erleichterungen für solche erforderlichen Umsiedlungen möglich sind oder ob dafür neue gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssen bzw. ob z. B. noch eine Erweiterung des AVAVG erforderlich ist.
Meine Damen und Herren, waren in der Mitte der 20er Jahre die stellenlosen älteren Angestellten überwiegend qualifizierte Kräfte, so haben wir es in der heutigen Situation daneben mit einer nicht geringen Zahl von stellenlosen Angestellten zu tun, die aus anderen Berufen in ein Angestelltenverhältnis übergewechselt sind und heute mangels umfassender Berufskenntnisse keine Beschäftigung als Angestellte finden können. Nach der Bildung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat die Selbstverwaltung immer wieder darauf gedrängt, der Berufsfortbildung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Im diesjährigen Etat der Bundesanstalt ist für Berufsfortbildungsmaßnahmen ein Betrag von 31/2 Millionen DM eingesetzt. Dadurch wird es möglich sein, in 1400 Lehrgängen mit einer Teilnehmerzahl von insgesamt 28 000 gewissen Mängeln abzuhelfen, die heute ebenfalls noch die Vermittlung erschweren.
Der Verwaltungsrat, also die Selbstverwaltung der Bundesanstalt hat darüber hinaus als eine seiner ersten Arbeiten die Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme geändert, um sie den augenblicklichen wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen und um eine möglichst großzügige Ausnutzung der Möglichkeiten des AVAVG zu erreichen. Auf Grund dieser Richtlinien ist es heute möglich, beim Antritt einer Beschäftigung einen Reisekostenzuschuß zu geben, Überbrückungsgelder zu bewilligen, falls es bis zur ersten Gehaltszahlung zu finanziellen Schwierigkeiten kommt, und Trennungsbeihilfen bis zu 52 Wochen zu gewähren, die bis zu dem Unterstützungssatz gehen können, den der Arbeitslose bisher bezogen hat. Bei der Beratung dieser Richtlinien haben wir uns ebenfalls überlegt — das sagte ich auch schon —, ob es möglich sei, Wohnungsbaudarlehen in solchen Fäl-


(Hansen [Köln])

len zu geben, in denen auswärtige Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden können. Aber darüber hinaus wird es gerade bei der Arbeitsverwaltung z. B. erforderlich sein, die überbezirkliche Vermittlung mehr auszubauen, als das bisher der Fall gewesen ist, um für die Vermittlung der älteren Angestellten im überbezirklichen Ausgleich mehr tun zu können. Insgesamt hat die Bundesanstalt für solche Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme im diesjährigen Etat bereits einen Betrag von etwa 10 Millionen DM ausgeworfen.
Ich möchte also im Hinblick auf den vom BHE vorgelegten Gesetzentwurf auch davor warnen,

(Abg. Samwer: Alter Warner!)

nun zu Lasten der Bundesanstalt Entscheidungen
zu treffen, ohne daß die finanziellen Konsequenzen
solcher gesetzlichen Festlegungen genau durchdacht werden. Ich habe auch bei dem Gesetzentwurf des BHE den Eindruck, daß die finanziellen
Auswirkungen nicht genau durchdacht worden
sind; denn es handelt sich hier nicht nur — darauf
habe ich vorhin schon hingewiesen — um das Problem der älteren Angestellten. Wenn wir für die
älteren Angestellten etwas tun, werden wir sehr
wahrscheinlich in der Konsequenz ähnliche Maßnahmen auch für Angehörige anderer Berufszweige
treffen müssen, die in einer gleichen Situation sind.

(Abg. Samwer: Bitte, beweisen Sie das!)

Wir sollten uns also davor hüten, diesen noch gesunden Zweig der Sozialversicherung so anzusägen, daß er unter Umständen zum Vertrocknen kommen muß. Ich weise darauf hin, daß es bereits jetzt Bienen gibt, die aus diesem Versicherungszweig finanziellen Honig zu saugen suchen.

(Abg. Samwer: Das ist aber kein Beweis!)

Meiner Fraktion kommt es darauf an, daß dieser und andere Gesichtspunkte bei der sachlichen Beratung des Gesetzentwurfs berücksichtigt werden. Wir sind überzeugt, daß sich nicht ohne weiteres — leider! — solche Patentlösungen finden lassen, wie es sehr wahrscheinlich in dem Gesetzentwurf des BHE gedacht ist. Dafür ist das Problem zu komplex, als daß es

(Abg. Samwer: Die Hauptsache: Helfen Sie!)

in der Weise gelöst werden könnte, wie es dem BHE vorschwebt.
Und nun, meine Damen und Herren vom BHE, kann ich Ihnen auch noch sagen, daß Sie offenbar einen mächtigen Verbündeten gefunden haben. Ich habe gerade in diesen Tagen eine Pressemeldung gelesen, daß sich künftig der Herr Bundeskanzler im Kabinett selber für die Interessen der älteren Angestellten einsetzen werde

(Abg. Horn: Das ist nicht neu! — Abg. Samwer: Das ist erfreulich!)

und daß er dem Herrn Bundesarbeitsminister offenbar eine kleine Abteilung aus seinem Ministerium herausbrechen will, weil er wohl nicht will, daß das Problem der älteren Angestellten in der gleichen Weise „gelöst" wird wie das Problem der Sozialreform. Wir können uns also über die mächtige Hilfe freuen, die wir hier bekommen. Ich hoffe, daß wir dann auch noch in gleicher Weise die Hilfe des Bundesfinanzministers bekommen werden. Aber ich glaube, daß, wenn der Herr Bundeskanzler selber hier mitmacht, wir da auch einiges an Unterstützung erfahren. Ich hoffe, daß es uns dann in gemeinsamer sachlicher Beratung
gelingt, für die älteren Angestellten eine vernünftige Lösung zu finden. Aber noch einmal: was hier vorgeschlagen wird, ist noch völlig unzureichend.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203102500
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider.

Georg Schneider (CDU):
Rede ID: ID0203102600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angestellten und insbesondere die älteren Angestellten werden es sicherlich dankbar begrüßen, daß an sichtbarster Stelle der Öffentlichkeit wieder einmal, wie auch schon früher an dieser Stelle, eines der brennendsten Probleme des heutigen sozialen Lebens erörtert wird. Aber der Bundestag wird auch mit Verantwortungsbewußtsein an die Erledigung der Frage herangehen müssen und wird nicht Hoffnungen erwecken dürfen, die dann am Ende enttäuscht werden müßten.

(Abg. Samwer: Müßten?)

Das Problem ist heute hier auch nach der zahlenmäßigen Größe angesprochen worden, und es ist eine Meinungsverschiedenheit aufgetaucht, ob es nun 70 000, 80 000 oder 100 000 Menschen seien, um die es sich hier handle. Es kommt ganz darauf an, mit welchem Alter man beginnen will, wenn man von den „älteren Angestellten" spricht. Wir wissen ja aus der Praxis, daß nicht nur die über 45jährigen Angestellten es sehr schwer haben, wieder eine Stellung zu bekommen, und seit vielen Jahren größtenteils arbeitslos sind, sondern daß das eigentlich schon mit 35 Jahren beginnt. Wenn man also die Grenze mit 35 Jahren setzen wollte, würde die Zahl eine vielfach höhere sein.

(Abg. Samwer: Ein Zeichen der Krankheit unserer Zeit!)

Die Besonderheit dieses Problems liegt darin, daß es sich um jahrelange, also nicht nur um kurzfristige, vorübergehende Arbeitslosigkeit handelt. Darin liegt eben die große Hoffnungslosigkeit für die Betroffenen. Das Problem hat eine menschliche, es hat eine volkswirtschaftliche und es hat eine politische Bedeutung.
Die menschliche Seite: diese 80 000 oder 100 000 oder 150 000 Menschen stehen nun seit Jahren auf der Schattenseite des Lebens und müssen sich mit der kümmerlichen Arbeitslosenunterstützung begnügen.
Das Problem hat aber auch eine politische Bedeutung. Es ist ganz klar, daß Menschen, die jahrelang in tiefster materieller Not leben, für politischen Radikalismus besonders anfällig sein können.
Volkswirtschaftlich hat die Frage insofern eine Bedeutung, als Arbeitskraft, das kostbarste Kapital des deutschen Volkes, brachliegt, ja daß es das deutsche Volk allerlei Geld gekostet hat, diese Arbeitskraft überhaupt zu erzeugen; denn die Angestelltenberufe erfordern zum erheblichen Teil eine ziemlich kostspielige Ausbildung. Das weiterhin Betrübliche ist, daß diese kostbare Arbeitskraft durch die lange Arbeitslosigkeit naturgemäß verkümmert und dann, wenn sie vielleicht wieder eingesetzt werden könnte, nicht mehr von der Qualität ist, die man verlangt.
Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Problem der älteren Angestellten kein spezifisch deutsches Problem ist; es ist ein internationales Problem. Mein Herr Vorredner hat auch


(Schneider [Hamburg])

darauf hingewiesen, daß dieses Problem kürzlich auf einer Spezialtagung der Angestellten in Genf auf internationaler Basis besprochen worden ist. Aber man kam nach den vielfachen Erfahrungen in allen Teilen der Welt und auch auf Grund der Urteile von Sachverständigen von Arbeitnehmer-und Arbeitgeberseite wie auch von Regierungsseite immer wieder zu der Feststellung: Leider, leider läßt sich dieses Problem durch ein Schlüsselgesetz nicht lösen.

(Abg. Samwer: Warum nicht?)

Nun fragt es sich: wie ist es denn überhaupt zu diesem Überangebot von Angestellten gekommen?

(Abg. Pelster: Wir können keinen Zwang zur Einstellung mehr ausüben!)

Primär ist es dazu gekommen, weil wir zwei Weltkriege hinter uns haben, d. h. nicht nur wir, sondern die ganze Welt.

(Abg. Samwer: Das ist doch kein Argument!)

Mit diesen Weltkriegen war die Zwangswirtschaft verbunden und damit ein Riesenbedarf von Arbeitskräften. Nunmehr ist diese Zwangswirtschaft — wir sagen: Gott sei Dank! — abgebaut worden; sie ist nicht mehr da, und nun ist diese Masse von Angestellten nicht mehr notwendig.
Es kommt aber auch hinzu, daß die Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge das Problem verschärft haben; denn die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sind vielfach in ländliche Bezirke gekommen, und soweit sie Angestellte sind, sitzen sie vielfach schon seit Jahren fest in Bezirken, in denen Angestelltentätigkeit wenig gefragt ist.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat schon ganz kurz angedeutet, woran es außerdem noch liegt, daß wir so viele überzählige Angestellte haben. Es ist eben leider in den letzten Jahren, j a schon seit Jahrzehnten ein allzu starker Andrang von seiten der jungen Leute in die Angestelltenberufe zu verzeichnen gewesen, und nun ist seit Jahren eine Störung des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage eingetreten. Das Gleichgewicht wiederherzustellen, das ist die Aufgabe.
Die BHE-Fraktion, und insbesondere Frau Finselberger, versucht es nun mit dem Einstellungszwang im Wege eines Gesetzes. Nun, der Gedanke ist nicht originell, womit ich nicht etwa sagen will, man sollte nicht erneut diskutieren, ob es nicht auf diese Weise ginge. Aber originell ist der Gedanke deshalb nicht, weil man sich schon nach dem ersten Weltkrieg — das weiß Frau Finselberger genau so wie ich, weil sie wie ich auch damals schon auf demselben Gebiet beruflich tätig war — bemüht hat, zu erforschen, ob es denn nicht mit einem solchen Gesetz geht. Nach jahrelangen Beratungen kam man immer wieder zu der Feststellung — nicht etwa nur auf Arbeitgeberseite oder auf seiten der Regierungen und der Parlamente, sondern auch auf seiten der Gewerkschaften —, daß man leider, leider das Problem mit einem solchen Schlüsselgesetz nicht lösen, wahrscheinlich aber noch verschärfen würde. Darauf hat ja auch mein Herr Vorredner schon hingewiesen.

(Abg. Samwer: In keiner Weise überzeugend!)

— Wir werden uns ja im Ausschuß noch sehr ausführlich darüber unterhalten. Ich möchte schon vorweg bemerken: die Beratungen müssen nach meiner Meinung und nach Meinung meiner Fraktion primär im Ausschuß für Arbeit durchgeführt
werden. Das ist der an sich zuständige Ausschuß. Wenn überhaupt erwogen werden sollte, noch einen zweiten Ausschuß hinzuzuziehen,

(Abg. Samwer: Ausschuß für Sozialpolitik!) dann käme eventuell der Wirtschaftsausschuß in Frage,


(Abg. Horn: Nur Ausschuß für Arbeit!)

aber der Ausschuß für Sozialpolitik meiner Meinung nach auf keinen Fall.
Nun ist hier jetzt die Frage aufgeworfen worden — und ich will versuchen, sie zu beantworten —, warum es denn mit einer Schlüsselung nicht ginge. Nun, einmal deshalb nicht, weil nach neuesten statistischen Feststellungen, und zwar auf Grund einer repräsentativen Erhebung der Deutschen Angestelltengewerkschaft, die Schlüsselzahlen viel höher gesetzt werden müßten, wenn ein solches Gesetz überhaupt Erfolg haben sollte.

(Abg. Samwer: Kein Hindernis!)

Es liegt gerade in dieser Stunde das ziemlich endgültige Ergebnis einer in den letzten Wochen durchgeführten Repräsentativerhebung der Deutschen Angestelltengewerkschaft vor. Es sind 2632 Betriebe der privaten Wirtschaft und 435 Dienststellen der öffentlichen Verwaltung in allen Ländern der Bundesrepublik untersucht worden. Erfaßt worden sind 182 953 männliche Angestellte und 98 200 weibliche Angestellte in der Privatwirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung 45 655 männliche Angestellte und 26 575 weibliche Angestellte.
Diese Zahlen sind dann, soweit die Privatwirtschaft in Frage kommt, für den Handel, die Industrie, Banken und Versicherungen und „sonstige" Wirtschaftszweige gegliedert worden, und da stellen wir fest — darauf ist von den Vorrednern schon hingewiesen worden —, daß die Schlüsselzahlen höher liegen müßten, als der BHE sie annehmen möchte. Im Handel sieht es am traurigsten aus. Und doch ist bekannt, daß gerade im Handel ein solches Schlüsselgesetz am schwersten durchzuführen wäre. Dort werden nur 32,10 % Angestellte, die über 46 Jahre alt sind, beschäftigt. In der Industrie dagegen sind es 44,20 %, bei Banken und Versicherungen 42,80 % und in den „sonstigen" Wirtschaftszweigen, die noch erfaßt worden sind, 46,80 %, im Durchschnitt also 42,90 %. Das sind die Zahlen für die männlichen Angestellten.
Bei den weiblichen Angestellten sieht es katastrophal aus. Da ist ein Durchschnittssatz von 17,1 % zu verzeichnen. Wir sehen also, daß bei den weiblichen Angestellten zwar durch das Gesetz sehr wirksam, theoretisch gesehen, geholfen werden könnte; aber Sie werden selbst zugeben müssen, daß gerade in dem Wirtschaftszweig, in dem die weiblichen Angestellten ganz besonders stark beteiligt sind, nämlich im Handel — bekanntlich sind 80 % aller Angestellten im Handel weiblich —, ein solches Schlüsselgesetz am allerwenigsten allgemein angewendet werden kann. Ich will nicht im einzelnen auf die Gründe eingehen; ich glaube, eine solche Andeutung genügt.
Bei den öffentlichen Verwaltungen sind 48,1% männliche Angestellte über 46 Jahre und 30,5 % weibliche Angestellte über 46 Jahre beschäftigt.
Wir sehen also auf Grund der hier genannten Schlüsselzahlen einer Repräsentativerhebung, die immerhin etwa 10 % der Angestellten, gestreut über das ganze Bundesgebiet, erfaßt, daß mit einer


(Schneider [Hamburg])

Schlüsselzahl den Dingen leider — ich sage persönlich immer wieder: leider — nicht zu Leibe gegangen werden kann.
Eine Untersuchung der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg ist im vorigen Jahre zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Da ist in sehr fleißiger monatelanger wissenschaftlicher Arbeit untersucht worden, wie man dem Problem der älteren Angestellten beikommen könnte, und insbesondere ist auch untersucht worden, ob hier mit einem Schlüsselgesetz Wandel geschaffen werden könnte. Ich will auf Einzelheiten des Gutachtens, einer sehr ausführlichen Schrift, nicht eingehen; es ist wahrscheinlich verschiedenen Kollegen hier im Hause bekannt. Jedenfalls kommt das Gutachten zu einem negativen Ergebnis. Gegenwärtig ist auch die Hochschule für Wirtschaft und Sozialwissenschaft in Nürnberg mit der gleichen Frage beschäftigt. Aber das, was man bisher an Zwischenergebnissen erfahren hat, ermuntert einen auch nicht etwa in der Meinung, daß die Dinge besser ausgehen werden, und, wie gesagt, im Ausland ist man ebenfalls einstimmig zu genau so negativen Feststellungen gekommen wie bei uns in Deutschland. Mit einem Schlüssel ist dem Problem nicht zu Leibe zu rücken.
Nun wird mit Recht gesagt werden: Aber etwas muß doch geschehen. Ich persönlich könnte mir denken, daß mancherlei geschehen könnte. Und es ist ja auch schon mancherlei geschehen; aber es müßte noch viel mehr geschehen. Ich verweise auf die Verhandlungen, die von seiten der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände mit Regierungsstellen wiederholt stattgefunden haben. Ich verweise weiter auf eine Teilaktion, die im vorigen Jahre in Baden-Württemberg durchgeführt worden ist, wo ohne gesetzlichen Zwang durch ein systematisches Einwirken, in Zusammenarbeit auch mit den Arbeitsämtern, 3000 Arbeitsplätze für ältere Angestellte an den verschiedensten Orten vermittelt werden konnten. Nach dieser Richtung hin wird natürlich noch viel mehr geschehen müssen.
Ich möchte, um Ihre Aufmerksamkeit nicht zu lange in Anspruch nehmen zu müssen, nur andeuten, in welcher Richtung die Beratungen im Ausschuß für Arbeit gehen sollten. Ich persönlich bin der Meinung, daß es zunächst wichtig wäre, die Wiederherstellung und Hebung der beruflichen Leistungsfähigkeit durch Auffrischungs- und Fortbildungskurse und durch Umschulung durch die Dienststellen der Bundesanstalt in Nürnberg zu erreichen. Die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände müßten dabei selbstverständlich mitwirken, insbesondere bei der Auswahl der Lehrgangsteilnehmer und bei der Festlegung der Lehrpläne.
Dann ist hier schon von der Notwendigkeit einer inneren Umsiedlung gesprochen worden. Viele Angestellte sitzen in Gebieten, wo es beim besten Willen keine Arbeitsplätze für Angestellte gibt. Damit ist natürlich die Wohnraumbeschaffung für die Betreffenden, die umgesiedelt werden sollen, verbunden. Des weiteren ist dann auch, vorübergehend wenigstens, die Frage der doppelten Haushaltsführung zu regeln.
Ein weiterer Weg ist die Ausstattung mit der erforderlichen Berufskleidung, um den Angestellten auch äußerlich wettbewerbsfähig zu machen und Minderwertigkeitskomplexe auszuschalten. Zu dieser sehr wichtigen Frage ist festzustellen, daß bei Angestellten die Berufskleidung mit dem
Straßenanzug identisch ist. Das gilt vom Anzug, Mantel, Hut, von den Schuhen und auch von der Unterkleidung. Wir wissen ja, daß die Angestellten nach jahrelanger Arbeitslosigkeit mit ihrer Kleidung mehr oder weniger herunter sind. Mögen sie noch so qualifiziert sein, dem äußeren Eindruck nach erwecken sie, wenn sie sich vorstellen, nicht allzuviel Vertrauen und werden dann meistens nicht angestellt.
Ein weiterer Weg ist die Verfeinerung der Arbeitsvermittlung bei den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern, die Schaffung von Angestelltenvermittlungen und die Angliederung von Sonderausschüssen für Angestelltenfragen an die Verwaltungsausschüsse der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter. Von dieser gesetzlichen Möglichkeit ist an verschiedenen Orten und in verschiedenen Bezirken in der letzten Zeit erfreulicherweise mehr und mehr Gebrauch gemacht worden. Die statistischen Ergebnisse ermutigen uns zu der Annahme, daß, wenn allgemein dem betreffenden Paragraphen des Gesetzes stattgegeben und solche Einrichtungen geschaffen würden, mindestens einem sehr großen Teil dieser Ärmsten der Armen geholfen werden könnte.
Vorzuschlagen ist ferner die Beschleunigung der überbezirklichen Vermittlung, gegebenenfalls durch Schaffung einer Bundesvermittlungsstelle für Angestellte, wie sie für Akademiker und qualifizierte Techniker auf der Bundesebene in der Zentralausgleichsstelle für Arbeitsvermittlung in Köln-Mülheim bereits besteht.
Was die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen aus Mitteln des Lastenausgleichs anlangt, haben wir festgestellt, daß etwa 3000 Arbeitsplätze in diesem Rahmen bereits geschaffen worden sind. Auch aus den Mitteln der Bundesanstalt in Nürnberg müssen Dauerarbeitsplätze gefördert werden. Hierbei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß bei den Arbeitsplätzen der Anteil der Dauerarbeitsplätze für Angestellte wesentlich erhöht wird. Bei den zuletzt geschaffenen Dauerarbeitsplätzen betrug der Anteil der Dauerarbeitsplätze für Angestellte nur 5 %. Dieser Anteil sollte auf mindestens 12% gehoben werden.
Es wäre auch an echte Angestellten-Notstandsarbeiten, meinetwegen in öffentlichen Büchereien, Museen usw. zu denken, wo nach unseren Kenntnissen eine ganze Menge von Arbeiten ansteht, die mangels Etatmittel nicht erledigt werden können. Hier sollten aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherungsanstalt in Nürnberg entsprechende Gelder für echte Notstandsarbeiten für Angestellte hergegeben werden.
Es ist natürlich auch notwendig, daß von gewerkschaftlicher Seite noch mehr darauf gedrungen und von Arbeitgeberseite dem stattgegeben wird, daß in Tarifverträgen die Endgehälter in den einzelnen Stufen nicht mit 35 und 40 Jahren erst erreicht werden, sondern daß diese Endgehälter, vor allen Dingen in den unteren Gruppen, schon mit 25, höchstens mit 30 Jahren festgelegt werden, damit das Interesse eines Arbeitgebers — wegen der Höhe des Gehalts — nicht beim Alter des betreffenden Angestellten liegt.
Wichtig wäre es auch — und ich möchte die Gelegenheit benutzen, den Herrn Bundesarbeitsminister daran zu erinnern —, daß endlich einmal der § 397 zur Durchführung kommt, ein Thema, das hier seit Jahren behandelt wird. Es ist auf die Dauer ein unerträglicher Zustand, daß ein arbeits-


(Schneider [Hamburg])

loser Angestellter, der ein Jahr arbeitslos und über 60 Jahre alt ist, wenn er in der französischen und amerikanischen Zone wohnt, seine Angestelltenversicherungsrente erhält, sie aber nicht bekommt, wenn er in der britischen Zone wohnt.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Das führt vielfach dazu, daß der Betreffende scheinbar in die französische oder amerikanische Zone hinüberzieht, um dann eben dort die Rente beziehen zu können. Man kann einem solch armen Teufel nach meiner Meinung derartige Manipulationen gar nicht verübeln. Einem Teil der arbeitslosen älteren Angestellten könnte mit dem § 397 geholfen werden.
Zum Schluß möchte ich aber noch eines sagen, und das sage ich hier als Mann der Gewerkschaftsbewegung. Es handelt sich hier in erster Linie um eine echte Aufgabe der Betriebsräte. Sie haben doch heute ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen in den Betrieben. Sie müssen in jedem einzelnen Fall der Entlassung oder Einstellung prüfen, ob nicht von den vorliegenden Bewerbungen der älteren Angestellten Gebrauch gemacht werden kann.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Ich glaube, daß man das Problem auf diese individuelle Weise überhaupt am besten anpackt. Es läßt sich eben nicht schematisch regeln. Deshalb möchte ich die Gelegenheit benützen, an alle Betriebsräte in der Bundesrepublik den Appell zu richten, sich um diese Frage in der Zukunft in verstärktem Maße zu kümmern..
Ich sagte schon eingangs: das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Stellenmarkt der
Angestellten wird wiederhergestellt werden müssen. Wir werden nicht darauf warten können, bis etwa so viele Angestellte gestorben sind, daß sich das Problem von selbst gelöst hat. In den Angestelltenberufen muß eine echte Berufslenkung durchgeführt werden, damit das Überangebot von Angestellten nach und nach schwindet.
Ich komme zum Schluß. Auch die CDU/CSU ist bereit, im Ausschuß für Arbeit mit aller Liebe zur Sache an der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs mitzuarbeiten. Wir sind allerdings der Meinung, daß der dort gewiesene Weg nicht- wird gegangen werden können. Wir hoffen aber, daß wir, in gemeinsamer Arbeit der Mitglieder des Ausschusses für Arbeit, einen Weg finden, um das Problem der älteren Angestellten in kürzester Zeit zu mildern, in absehbarer Zeit aber auch restlos zu lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203102700
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0203102800
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Hansen hat vorhin unter großem Beifall seiner Parteifreunde ausgeführt, daß wir vom Bundesministerium für Arbeit in einem Schreiben an den Petitionsausschuß den Gesetzentwurf des BHE abgelehnt hätten.

(Abg. Hansen [Köln] : Das habe ich nicht gesagt! Ich habe gesagt, daß Sie überhaupt eine gesetzliche Regelung nicht für erforderlich halten!)

— Nein, nein! Es handelt sich hier darum, daß Frau Finselberger soeben gesagt hat, wir hätten ja diesen Gesetzentwurf schon vorher abgelehnt; und Sie haben dann unter großem Beifall gesagt — —

(Abg. Hansen [Köln] : Ich habe gesagt, daß Sie in Ihrem Ministerium eine gesetzliche Regelung ablehnen!)

Ich möchte Sie deshalb dringend darum bitten, Herr Kollege Hansen, mir doch die Aktennummer und das Zeichen dieses Schreibens aus meinem Ministerium zu geben und das Schriftstück nachher auch dem Bundestag in derselben Form, wie Sie es vorher getan haben,

(Abg. Hansen [Köln]: Ich habe gesagt, daß Sie eine gesetzliche Regelung ablehnen!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203102900
Das Wort hat der Abgeordnete Becker (Hamburg).

Fritz Becker (DP):
Rede ID: ID0203103000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu Beginn der heutigen Sitzung hat der Herr Präsident wieder einem Mitglied dieses Hohen Hauses seinen Glückwunsch zum Geburtstag aussprechen können. Dieses Mitglied war inzwischen 66 Jahre alt geworden. Diese hohe Ehre wird ja nur den Mitgliedern des Hauses zuteil, die das 60. Lebensjahr überschritten haben. Wir haben schon Sitzungen gehabt, wo gleich ein halbes Dutzend dieser Glückwünsche verlesen wurden. Die berufliche Zusammensetzung dieses Bundestages ist so, daß der Anteil der Angestellten und noch mehr natürlich der Beamten ein ziemlich hoher ist. Das ist eigentlich ein Beweis für die Durchsetzungskraft der älteren Jahrgänge. Nun werde ich im nächsten Jahr 45 Jahre alt, werde also nicht die Freude haben, vom Herrn Präsidenten beglückwünscht zu werden. Im gleichen Jahre aber werde ich, wenn man dem Antrag des Gesamtdeutschen Blocks folgt, als „älterer Angestellter" abgestempelt sein.

(Zuruf von der CDU/CSU: Leider schon viel früher!)

- Sehr gut möglich. Ich habe nicht die Absicht, Berufspolitiker zu werden.
Ich möchte mit dieser Feststellung klarmachen, daß man den Jahrgängen um 45 Jahre herum und den etwas älteren keinen Dienst damit erweist, wenn man sie nun auch kraft Gesetzes — falls dieser Antrag Gesetz werden sollte — in die Kategorie der älteren Angestellten einstuft.

(Abg. Samwer: Das ist doch eine Tatsache!)

Ich stelle das deshalb fest, um darauf hinzuweisen, welche Problematik gerade auch bei dem einzelnen darin liegt, wenn nun durch eine gesetzliche Zwangsmaßnahme eine neue Einteilung nach Kategorien oder Gruppen erfolgen soll.

(Abg. Samwer: Das ist eine geistige Spielerei!)

Es ist im lebendigen Leben der Wirtschaft tatsächlich nicht so, daß etwa die Zäsur von 45 Jahren den Arbeitgeber davon abhält, den betreffenden Angestellten oder die weibliche Angestellte einzustellen. Es ist vielmehr gerade im Angestelltenberuf


(Becker [Hamburg])

so, daß derjenige — das ist in anderer Form schon gesagt worden —, der über die Fähigkeiten verfügt, die nun einmal notwendig sind, um auch in einem vorgerückteren Lebensalter seinen Beruf auszuüben, nach wie vor eine Möglichkeit der Einstellung findet, es sei denn, daß durch die Kriegs-und Nachkriegsereignisse ein Bruch in seiner beruflichen Laufbahn eingetreten ist.
Das Problem ist hier in Westdeutschland im Vergleich zu den anderen Staaten so besonders schwierig zu lösen, weil eine große Anzahl der betroffenen Personen nicht arbeitslos sind, weil sie in ihrem Beruf unfähig sind oder weil die Arbeitgeber nicht willens sind, diese Leute zu beschäftigen, sondern deshalb, weil die allgemeinen Ereignisse sie einfach aus der Bahn geworfen haben.
Ich weise darauf hin, daß sich ein immerhin erheblicher Prozentsatz dieser sogenannten älteren Angestellten aus Personen zusammensetzt, die früher nicht Angestellte gewesen sind, sondern die einen selbständigen Beruf gehabt haben. Sehr häufig haben sie einen Einzelhandel, ein Export-Importgeschäft oder irgendeinen anderen selbständigen Beruf gehabt. In dem Augenblick, in dem sie Konkurs anmelden, gehen sie zum Arbeitsamt und lassen sich in der Sparte „Angestellte" als Arbeitsuchende eintragen.
Auch diese Feststellung treffe ich aus einem ganz bestimmten Grund. Ich hatte auch vor, an der Vorlage des Gesamtdeutschen Blocks eine gewisse Kritik zu üben, weil ich leider auch unter dem Eindruck stehe, daß die Maßnahmen in der Form, wie sie hier vorgeschlagen wird, auf die Dauer gesehen eher zum Nachteil als zum Vorteil des in Frage stehenden Personenkreises ausschlagen werden, dem geholfen werden soll. Nachdem aber nun der Sprecher der SPD den Entwurf des BHE in einer Weise behandelt hat, die mir nicht gefallen hat, möchte ich mir diese Kritik ersparen. Der Sprecher der SPD, Herr Hansen, hat nach meinem Empfinden mit einer gewissen Freude die negativen Seiten dieses Antrags sehr stark unterstrichen. Dabei hat er eine gewisse Formulierung verwandt, die dem guten Willen der Antragsteller in keiner Weise entspricht. Auf der anderen Seite hat er doch verhältnismäßig wenig im positiven Sinne gesagt.
Es scheint mir notwendig, auf folgendes hinzuweisen. Wenn jetzt die Ausschüsse mit diesem Antrag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE befaßt werden, dann sollte man unbedingt auch jene Herren zu Rate ziehen, die an sich sonst auch in unserem Kollegenkreise mit diesen speziellen sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen nichts zu tun haben. Ich denke an die Mitglieder des Ausschusses für Geld und Kredit.

(Abg. Samwer: Wirtschaft!)

Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich in der Vergangenheit und auch im vorigen Bundestag vorwiegend mit Fragen befassen müssen, die die pflegliche Behandlung des Kapitalmarkts und alle die Dinge, die damit zusammenhängen, betreffen. Ich glaube aber, es wäre sehr gut, wenn sich gerade dieser Ausschuß auch einmal damit befassen könnte, ob nicht Mittel und Wege gefunden werden könnten — ohne die Staatshilfe anzurufen —, die etwa den Banken und Sparkassen ermöglichen, in Zukunft ihre Kreditrichtlinien anders zu gestalten. Aus genauer Kenntnis der Lage dieser arbeitslosen Angestellten — hauptsächlich auch gerade der männlichen Angestellten — weiß ich, daß, wie man
vielleicht sagen kann, etwa 25 % dieser Angestellten durchaus befähigt sind, einen selbständigen Beruf auszuüben. Es liegt lediglich an den fehlenden Kreditmöglichkeiten, daß sie nicht dazu kommen, den entweder schon früher ausgeübten Beruf oder den neu zu ergreifenden Beruf selbst auszuüben. Gerade von den Vorrednern wurde darauf hingewiesen, daß es im Spezialbereich des Handels so schwer ist, diese wünschenswerte Regelung der Einstellung auch älterer Angestellter durchzuführen. Demgegenüber sollte gerade im Handel seiner ganzen Struktur nach die berufliche Laufbahn von Rechts wegen so aussehen, daß in den ersten Jahrzehnten eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, während im etwas höheren Lebensalter ein Übergang zu einer selbständigen Tätigkeit stattfindet. Es sollte also bei den ganzen Beratungen sehr intensiv untersucht werden, ob nicht über die — ich möchte sagen — engen Sicherheitsvorstellungen hinaus, die heute innerhalb des Kreditwesens herrschen und die in erster Linie dingliche Sicherheiten fordern, eine Ausweitung solcher Richtlinien möglich ist, die es dann manchen Angestellten oder auch Arbeitern oder sonstigen Berufstätigen, Handwerkern usw., die bisher nicht selbständig waren, erleichtern, sich selbständig zu machen. Ich glaube, dort sollte in erster Linie der Hebel angesetzt werden, denn dort geht man der ganzen Sache an die Wurzel. Alle anderen Maßnahmen, vor allen Dingen, wenn sie zwangsmäßiger Art sind, wie das hier vorgeschlagen wird, verschieben letzten Endes das Problem, tragen aber nicht zu einer endgültigen Lösung bei. Sehr interessant ist doch, wie der Kollege Hansen mit Recht ausführte, daß in Nordrhein-Westfalen der angestrebte Satz von 40% in bezug auf die Einstellung der älteren Angestellten schon überschritten worden ist, ausgerechnet in dem Lande, in dem insgesamt gesehen die Arbeitslosigkeit am geringsten ist. Das bedeutet also auf unseren Spezialfall übertragen, daß auch das Problem der Einstellung der älteren Angestellten letzten Endes ein Problem der Belebung der Wirtschaft und der Behebung der Arbeitslosigkeit überhaupt ist. Man kann die gute Hoffnung hegen — wir werden ja im Anschluß daran in der nächsten Stunde die Frage der Zonenrandgebiete behandeln —, daß, wenn es gelingen sollte, den wirtschaftlichen Aufschwung, der in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen ist, allmählich nach Osten weiter fortzupflanzen, dann auch ganz von selbst auf organische Art und Weise die Behebung der Not der älteren Angestellten zustande kommt.

(Abg. Samwer: Sehr zweifelhaft!)

Abschließend darf ich sagen, daß mir die Bestimmungen des Entwurfs des Gesamtdeutschen Blocks, die im § 3 niedergelegt sind, trotz der Bedenken, die selbstverständlich auch dagegen angemeldet werden können, noch weitaus sympathischer sind als diejenigen, die in den §§ 1 und 2 stehen. Ich glaube allerdings, daß aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auch dann den Arbeitgebern noch etwas zufließen sollte, wenn diese sich jetzt dazu entschließen, zusätzlich über den bisherigen Rahmen hinaus ältere Angestellte einzustellen. Ich glaube, daß dieser Punkt doch wirklich noch sehr genau beraten werden sollte. Wir begrüßen es deswegen, wenn der Antrag auch dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird. Ich möchte nicht so weit gehen, auch noch eine Überweisung an den Ausschuß Geld und Kredit vorzuschlagen. Das würde sicherlich abgelehnt werden. Ich möchte nur vor-


(Becker [Hamburg])

schlagen, daß bei den Ausschußberatungen auch die Finanzexperten zu Worte kommen, damit auch von dieser Seite das Problem beleuchtet wird. Ich bin fest überzeugt, daß der Antrag des BHE mit dazu beitragen wird, die Lage der älteren Angestellten wirklich zu verbessern, weil sich unsere Ausschüsse durch ihn gezwungen sehen, sich intensiv mit diesem Problem zu befassen.

(Beifall bei der DP und beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203103100
Das Wort hat Frau Abgeordnete Wolff.

Jeanette Wolff (SPD):
Rede ID: ID0203103200
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Äußerungen des Herrn Bundesarbeitsministers veranlassen mich, noch einiges zu dem Problem zu sagen, obwohl schon sehr viele Worte darüber gesagt worden sind und man erwarten muß, daß bald die Tat folgt.

(Abg. Samwer: Sehr schön!)

Herr Bundesarbeitsminister, Sie führten aus, daß der Herr Kollege Hansen über den Antrag des BHE und über Ihre ablehnende Stellungnahme gesprochen habe. Ich kann es sehr gut verstehen, daß Sie bei der Fülle der Aufgaben, die Ihnen so im Laufe des Jahres zufließen, einmal etwas in Rage kommen, wenn dauernd die Probleme, mit denen Sie zu tun haben, vor dem Plenum erscheinen; aber das läßt sich nicht ändern. Die Fragen, mit denen Sie sich zu beschäftigen haben, berühren eben den größten Teil unseres Volkes. Ich muß Ihnen aber sagen, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie sich geirrt haben. Der Herr Kollege Hansen hat nur von Ihrer Stellungnahme zu diesem Problem im allgemeinen und von den Stellungnahmen im Petitionsausschuß gesprochen.

(Abg. Samwer: Das stimmt!)

Auf Grund meiner langjährigen Arbeit im Petitionsausschuß kenne ich viele Ihrer Stellungnahmen. Die Schwierigkeiten, in denen Sie sich befinden, verkennen wir nicht. Wir wissen, wie schwer es ist, den Belangen der Volksteile gerecht zu werden, die unverschuldet in große Not geraten und letzten Endes nichts anderes sind als ein Überbleibsel aus den zwölf Jahren, in denen die Diktatur aus Deutschland einen Trümmerhaufen gemacht hat. An den Petitionsausschuß gelangen dauernd Anträge von älteren Angestellten auf Wiedereinstellung. Überwiegend sind es Anträge von weiblichen Angestellten. Diesen geht es noch schlechter als den männlichen.
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich aus der Petitionsausschußsitzung vom 2. März dieses Jahres eine Stellungnahme verlese, die eigenhändig von Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, unterzeichnet ist:

(Abg. Samwer: Hört! Hört! — Abg. Horn: Sehr richtig!)

Wir kennen noch eine Reihe von Stellungnahmen älteren Datums, aber ich brauche sie nicht alle hervorzuholen. Trotzdem sage ich, daß ich Ihre Schwierigkeiten kenne und verstehe. Wenn es aber darum geht, solche Schwierigkeiten zu beheben, müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben gesagt, daß Sie bewußt darauf verzichtet hätten, auf eine Lenkung des Arbeitsmarktes hinzuwirken, weil der Personenkreis der hier angesprochenen Angestellten dann doch nicht zum Zuge komme. Da muß ich Ihnen entgegenhalten: Sie haben resigniert, bevor Sie begonnen haben!
Ich darf Sie, Herr Bundesarbeitsminister, auf ein einziges Datum hinweisen. Ich meine das Datum der Petitionsausschußsitzung vom 2. März 1954. Hier habe ich diese' dicken Akten. Ich habe sie aber nicht mitgebracht, um ein Sonderreferat zu halten. Ich möchte nur sagen, daß an diesem 2. März 1954 dreizehn Einzelpetitionen vom Ausschuß durchgearbeitet worden sind, wovon eine allein acht Personen betroffen hat. Im Grunde genommen ist es bei allen um die Unterbringung älterer Angestellten in den Arbeitsprozeß gegangen.

(Hört! Hört! beim GB/BHE.)

Das ist doch ein Beweis dafür, wie notwendig es ist, eine Lösung dieses Problems zu finden.
Ich glaube, daß ich wohl die Meinung aller Anwesenden zum Ausdruck bringe, wenn ich sage, daß wir es begrüßen, wenn durch einen Gesetzentwurf der Berufsnot der älteren Angestellten durchgreifend gesteuert, ja wenn sie dadurch behoben werden könnte.
Man muß sich aber, wenn man einen solchen Gesetzentwurf bringen will, die Frage vorlegen, ob man durch einen solchen Antrag dem Personenkreis, dem man dadurch helfen will, wirklich auch eine durchgreifende Hilfe bringen kann.

(Abg. Samwer: Davon sind wir überzeugt!)

— Ja, verehrter Herr Kollege, das glaube ich; denn wer wäre, wenn er guten Willens ist, nicht überzeugt davon, daß er das Richtige tut?

(Abg. Samwer: Tun S i e das Richtige?)

Wir sind der Meinung: wenn ein solcher Gesetzentwurf zum Tragen gebracht werden soll; dann muß er so aussehen,

(Abg. Samwer: Wenn alle zusammenarbeiten!)

daß er dem am meisten betroffenen Personenkreis auch wirklich hilft. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß etwas getan werden muß, aber das Wie wollen wir im Ausschuß gemeinsam herauskristallisieren.
Das bezieht sich vor allem auf den § 1. Verehrte Kollegin Finselberger, Ihr § 1 schränkt die Einstellung der älteren Angestellten ein, da gerade die von uns als am meisten betroffen angesehenen älteren weiblichen Angestellten von diesem Paragraphen nicht erfaßt werden, weil ja die Betrebe mit weniger als sieben Angestellten wegfallen. Lassen Sie mich das kurz skizzieren. Kleinhandel, Rechtsanwaltsbüros, Patentbüros und andere Büros beschäftigen viel weibliches Hilfspersonal. Bei den Frauen ist es aber leider noch schlimmer als bei den Männern, weil man fast in jeder Annonce, in der man weibliche Hilfskräfte sucht, die Altersgrenze mit angibt. Über das Warum wollen wir uns nicht streiten; es kann zweierlei Ursachen haben.


(Frau Wolff [Berlin])

Die uns betreffende Ursache, Kollegin Finselberger, kennen wir beide aus der gewerkschaftlichen Arbeit ganz genau: sie besteht darin, daß man die höheren Tarife nicht zahlen will. Nun wollen Sie den großen Teil der weiblichen Angestellten — besonders im Verkauf — in den Betrieben nicht berücksichtigen, in denen weniger als sieben Angestellte beschäftigt sind.
Wir wollen uns mit diesen Fragen in den Ausschüssen gemeinsam beschäftigen; das ist notwendig. Notwendig ist fernerhin, daß wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um zu unterbinden, daß den älteren Angestellten und besonders den weiblichen Angestellten das Hineinkommen in einen Beruf erschwert wird. Wir müssen gegen das Chiffre-Unwesen vorgehen. Bei den Stellenausschreibungen unter irgendeiner Chiffre mit einem Anonymus schreiben sich die Angestellten die Finger lahm und bekommen dann nach einigen Wochen einen ablehnenden Bescheid. Wir sind der Meinung: in die Stellenausschreibungen gehört weder eine Altersbegrenzung hinein, noch sollten sie auf Chiffre geführt werden. Schließlich ist die Leistung des einzelnen maßgebend und nicht das Alter und die Jugend. Gleiches Recht für alle, die etwas können! Und nach dem Können sollen sie gewertet werden.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

In diesem Sinne — das ist meine Ansicht und auch die meiner Fraktion — müssen wir Ihren Antrag, verehrte Kollegin Finselberger, behandeln. Wir wollen versuchen, einen Gesetzentwurf zu schaffen, der die Möglichkeit bietet, umfassend zu helfen, so daß er den älteren Angestellten und besonders auch den weiblichen Angestellten gerecht wird. Verehrter Herr Bundesarbeitsminister, wir rechnen auf Ihre Großzügigkeit und Ihre Güte und hoffen, daß Sie uns dabei helfen, diesem Kreis der Betroffenen gerecht zu werden.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203103300
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Arbeit.

Anton Storch (CDU):
Rede ID: ID0203103400
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin der Frau Abgeordneten Wolf f für ihre Ausführungen sehr dankbar. Sie hat dadurch, daß sie ein Originalschreiben vorgelegt hat, alle die Nebel, die hier entstanden sind, beseitigt. Gerade aus dem Schreiben, das Frau Wolff vorgelesen hat, ergibt sich doch ganz klar, daß wir auf Grund von Anträgen und Petitionen Verhandlungen mit den Sozialpartnern geführt haben. Dabei war auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, Herr Hansen! Auch die Arbeitnehmer, also auch der Deutsche Gewerkschaftsbund, haben sich dagegen ausgesprochen, daß wir von Amts wegen einen Gesetzentwurf vorlegen.

(Abg. Samwer: Sehr bedauerlich!)

Das steht in dem Schreiben. Frau Finselberger hat etwas ganz anderes angesprochen, und ich glaube, Frau Finselberger hat mich auch verstanden. Also, Herr Hansen, wenn man an der einen Stelle nein sagt, dann soll man an anderer Stelle nicht sagen, man habe sich für die Sache eingesetzt, und so tun, als wäre man der Vertreter der Angestellten.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203103500
Das Wort hat Frau Abgeordnete Finselberger.

Erni Finselberger (GB/BHE):
Rede ID: ID0203103600
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich bin sehr froh darüber, daß wir am heutigen Vormittag so ausführlich über das Problem der älteren arbeitslosen Angestellten haben diskutieren können. Ich darf zunächst einmal Sie ansprechen, Herr Bundesarbeitsminister, weil Sie meinten, daß es auf irgendeinem Irrtum beruhen müsse, wenn in der Presse Meldungen über eine ablehnende Haltung Ihrerseits erschienen seien. Ich persönlich habe es in den verschiedensten Tageszeitungen gelesen, und das wird sich auch noch feststellen lassen. Es ist mir auch tatsächlich von mehreren Pressevertretern, an deren richtiger Auffassung ich in keinem Fall zu zweifeln brauche, mitgeteilt worden. Aber einmal davon abgesehen: ich freue mich, Herr Bundesarbeitsminister, aus Ihren Worten entnehmen zu können, daß Sie uns mit den Herren Ihres Ministeriums mit Rat und Tat zur Seite stehen werden. Vor allen Dingen wird das auch notwendig sein — das habe ich ja in meiner Begründung in besonders betonter Weise angesprochen —, wenn wir uns mit der Quote zu beschäftigen haben. Denn damals war keine Stelle in der Lage, mir neuestes, aktuelles Zahlenmaterial zur Verfügung zu stellen.

(Hört! Hört! beim GB/BHE.)

Was ich von maßgeblicher Seite bekommen hatte, stammte aus dem Jahre 1950. Deswegen mußten wir von Anfang an Zweifel daran haben, ob die Quote von 400/0 ausreichend sein würde. Ich habe in der Begründung auch gesagt, daß diese Quote das erste sein wird, womit wir uns in der Ausschußarbeit zu beschäftigen haben werden.
Im übrigen haben wir in der Fraktion des Gesamtdeutschen Blocks/BHE doch gar nichts dagegen, wenn jeder Abgeordnete im Plenum durch Anregungen dazu beiträgt, echte, praktische Hilfe den Menschen zuteil werden zu lassen, die darauf warten und keine Hoffnung mehr hegen, daß ihnen mit den Appellen, die zu freiwilligen Hilfsmaßnahmen aufrufen und mit denen sie seit Jahren getröstet werden, geholfen wird.

(Beifall beim GB/BHE.)

Es wird Aufgabe des Plenums des Bundestages und der zuständigen Ausschüsse sein müssen, nach einem Ausweg zu suchen.
Nun möchte ich auf das eingehen, was der Herr Kollege Hansen gesagt hat. Ich muß sagen, Herr Kollege Hansen — Sie haben mich einmal persönlich angesprochen bezüglich des Komplexes, der uns hier beschäftigt —, ich glaube, dieses Problem verdient es angesichts seiner großen Tragik nicht, daß man in einem solchen Ton darüber spricht.

(Lebhafter Beifall beim GB/BHE. — Zuruf von der SPD: Nur keine Komplexe!)

Sie haben Ihrer Kollegin Frau Wolff sehr dankbar dafür zu sein, daß sie trotz unserer verschiedenen Standpunkte in einer vorbildlich kollegialen Weise hierzu Stellung genommen hat. Ich glaube, so einfach sollte man sich das nicht machen. Es kommt mir fast so vor — und da muß ich Herrn Kollegen Becker zitieren, der genau das gleiche Empfinden gehabt hat wie ich —, als hätten Sie es nicht gern gesehen, daß dieser Antrag von uns gekommen ist. Ihre Partei ist schon während der ersten Legislaturperiode im Bundestag vertreten gewesen, und Sie persönlich sind seit Jahren im


(Frau Finselberger)

Gewerkschaftsbund tätig. Sie hätten also schon sehr viel eher Gelegenheit gehabt als wir, nun einmal etwas vorzulegen, um dem Kreis der älteren Angestellten zu helfen. Da sollte man nicht in einer solchen nicht ganz fairen Art und Weise dieses Anliegen, um das wir uns ehrlich bemüht haben, zerpflücken wollen. Man kann ebensowenig davon sprechen, daß damit eine Fata Morgana erzeugt würde.
Aus der Aussprache kann ich das Resümee ziehen, daß wir uns alle darüber klar sind, daß hier endlich einmal geholfen werden muß und daß man es nicht allein bei dem Appell, diese Menschen freiwillig einzustellen, belassen darf. Wir werden sicherlich sehr viele Anregungen aufgreifen können, wenn auch viele davon in gar keiner Weise neu sind. Ich muß nochmals betonen, daß diese Möglichkeiten schon seit Jahr und Tag bestehen und schon längst hätten aufgegriffen werden müssen.
Ich möchte dabei noch eines sagen. Man kann nicht von Nordrhein-Westfalen ausgehen, Herr Hansen.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

In Schleswig-Holstein, in Niedersachsen und im Bayrischen Wald sehen die Dinge ganz anders aus. Man kann ebensowenig den Vergleich ziehen — ich glaube, Herr Schneider nannte die Zahlen —, daß in den letzten Jahren 3000 ältere Angestellte durch diese freiwilligen Maßnahmen untergebracht worden seien. Ich kann mich dazu nicht äußern, Herr Schneider, weil ich ja nicht weiß, wie viele ältere Angestellte in Baden-Württemberg arbeitslos sind. Ich muß doch eine gewisse Relation feststellen können, um zu beurteilen, ob die Unterbringung dieser 3000 auch wirklich einen erheblichen Erfolg darstellt. Ich habe ja im Eingang meiner Begründung gesagt: ich bin an Hand der Zahlen, die mir zur Verfügung stehen, nicht davon überzeugt, daß man auf diesem Wege überhaupt weiterkommen kann.
Aber wir haben uns hier zu einer gemeinsamen Arbeit zusammenzufinden. Ich bin dankbar dafür, daß wir alle der Meinung sind, an dieser Aufgabe solle in den Ausschüssen weiter gearbeitet werden. Wir sind für jede Anregung dankbar. Der Ausgangspunkt ist doch nun einmal dieser Gesetzentwurf. Wir hätten es freudig begrüßt, wenn schon zu einem viel früheren Zeitpunkt, auch schon im 1. Bundestag, aus einer dieser Fraktionen heraus eine Initiative ergriffen worden wäre.
Vorhin habe ich beantragt, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuß für Sozialpolitik zu verweisen. Herr Sabel hat mich nun freundlicherweise belehrt, daß zunächst einmal der Ausschuß für Arbeit dafür zuständig ist. Ich möchte insoweit meinen Antrag berichtigen, Herr Präsident, und bitten, daß der Ausschuß für Arbeit als federführender in Anspruch genommen wird, als mitberatend dann allerdings auch der Ausschuß für Sozialpolitik und der Ausschuß für Wirtschaftspolitik.

(Beifall beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203103700
Das Wort hat der Abgeordnete Hansen.

Werner Hansen (SPD):
Rede ID: ID0203103800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß mich ja nun bemühen, einer Kollegin, einer Dame gegenüber höflich
und liebenswürdig zu bleiben. Ich meine, wir sollten uns im allgemeinen nicht so verhalten, wie es hier eben getan worden ist.

(Abg. Samwer: Auch nicht, wie Sie gesprochen haben!)

- Es ist das Recht einer kritischen Stellungnahme, jemanden darauf hinzuweisen, daß ein Gesetzentwurf dem nicht genügt, was zu tun ist.

(Beifall bei der SPD.)

Ich hoffe, auch Frau Finselberger macht weder uns noch irgendeinem anderen Abgeordneten das Recht einer solchen Kritik streitig.

(Abg. Frau Finselberger: Der Ton macht die Musik, Herr Hansen! — Zuruf von der SPD: Er hat Sie „charmant" genannt!)

Ich habe Sie sogar als eine charmante,

(Abg. Frau Finselberger: Ich spreche über das Problem und nicht über meine Person!)

überzeugend ihr Problem darstellende Dame bezeichnet, die, soweit es die sachliche Seite angeht, die Notlage zutreffend geschildert hat. Aber in bezug auf die Lösungsmöglichkeiten — das möchte ich nochmals ausdrücklich feststellen - ist das, was uns hier vorgelegt worden ist, dilettantenhaft.

(Beifall bei der SPD. — Abg. Samwer: Der liebe Gott weiß alles, und der Herr Hansen weiß alles besser! — Zuruf von der SPD: Das merkt man!)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203103900
Das Wort hat der Abgeordnete Sabel.

Anton Sabel (CDU):
Rede ID: ID0203104000
Herr Präsident! Meine Damen und Heren! Jedem, der die Diskussion aufmerksam verfolgt hat, wird es deutlich geworden sein, daß es sich hier leider nicht um ein einfaches Problem handelt. Das möchte ich doch einmal zum Ausdruck bringen. Meine Damen und Herren von der Fraktion des BHE, Sie haben diesen Entwurf eingebracht, und wir werden uns mit ihm beschäftigen müssen. Ich möchte Ihnen aber in aller Deutlichkeit sagen, daß man sich mit dieser Frage bisher wiederholt beschäftigt hat und leider immer wieder einsehen mußte, daß es keine leichte Aufgabe ist, hier zu helfen. Ich sage das in aller Offenheit.

(Abg. Hansen [Köln] : Kündigungsschutz für ältere Angestellte!)

— Ja, wir haben ein Kündigungsschutzgesetz für ältere Angestellte, wir haben ein allgemeines Kündigungsschutzgesetz geschaffen, was alles zweifellos doch auch mit dazu beigetragen hat, hier manche Hilfe zu geben.

(Abg. Samwer: Aber die Notlage ist doch da!)

— Herr Kollege Samwer ich habe jetzt schon den ganzen Tag beobachtet, daß Sie ständig Zwischenrufe machen. Ich habe allerdings nicht den Eindruck, daß Sie sich schon ernsthaft

(Abg. Samwer: Sehr ernsthaft!)

mit all den Schwierigkeiten beschäftigt haben, die nun einmal in der Materie liegen.

(Sehr richtig! in der Mitte. — Abg. Samwer: Warum behaupten Sie das gegen mich? — Zurufe von der SPD.)

— Ich habe gesagt: ich habe den Eindruck.

(Abg. Samwer: Dann haben Sie einen falschen Eindruck!)



(Sabel)

Die Kollegen Schneider und Hansen haben heute morgen manches interessante Zahlenmaterial vorgetragen. Es sind eine ganze Reihe von Gesichtspunkten dargelegt worden, die man bei der Diskussion des Problems nicht übersehen darf.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wenn man das sagt, dann soll man daraus aber nicht die Schlußfolgerung ziehen — und daß muß auch einmal gesagt werden —, es sei nicht der gute Wille vorhanden, das Problem zu diskutieren.

(Abg. Samwer: Sehr schön!)

Jawohl, dieser Gesetzentwurf bietet uns wieder einmal eine Grundlage dazu. Wir sollten aber nicht ignorieren, daß auch in der Vergangenheit der gute Wille zum Helfen weithin vorhanden war. Wir wollen allerdings prüfen, ob man nicht noch etwas Besonderes tun kann, um der Lösung des Problems vielleicht doch noch ein Stück näher zu kommen.
Ich möchte nun dem bisher Gesagten noch einige Betrachtungen hinzufügen. Denken Sie einmal über die Frage nach, ob nicht die Gestaltung mancher tariflichen Regelungen auch ein Anlaß dazu war in stärkerem Maße oder zu leicht ältere Angestellte freizustellen. Vielleicht ist zu überlegen, ob man nicht zu einer Regelung kommen sollte, die nicht so viel Anreiz bietet, sich von einem älteren Angestellten zu trennen.
Dann etwas, was hier auch schon angesprochen worden ist — wer die Praxis kennt, weiß es —: unter den älteren Angestellten, die zur Zeit dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen, gibt es leider eine große Zahl, deren Ausbildung sehr einseitig ist, die also nur in einer bestimmten Verwaltung oder in einem bestimmten Betrieb waren. Nun ist meinetwegen diese Verwaltung gar nicht mehr existent; denken Sie nur an die Wehrmachtsdienststellen und ähnliche Dienststellen. Es ist tatsächlich sehr schwer, diese Menschen nun in eine Arbeit zu vermitteln, für die ganz andere Voraussetzungen verlangt werden.
Weiter ist, ich glaube, auch von Frau Kollegin Finselberger, gesagt worden, daß eine Reihe von Leuten zwar vermittelt worden seien, aber nicht in ihren Beruf, sondern zum Teil fremdberuflich, zum Teil in manuelle Arbeit. Ich gebe zu, daß das für die Betroffenen in vielen Fällen nicht recht befriedigend ist. Wir sollten aber einmal mit dem Vorurteil aufräumen, daß die Betätigung in manueller Arbeit einer Deklassierung gleichzusetzen sei.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Frau Finselberger: Herr Sabel, das wollte ich damit auch gar nicht gesagt haben! Das hat damit doch nichts zu tun!)

— Gut, Frau Kollegin Finselberger, das gebe ich zu. Man hat nur manchmal den Eindruck, als ob jede manuelle Tätigkeit als eine gesellschaftliche Deklassierung angesehen wird. Ich glaube, davon sollten wir uns freihalten.
Nun hat Frau Kollegin Finselberger gemeint, man solle den Gesetzentwurf außer an den Ausschuß für Arbeit auch noch an den Ausschuß für Sozialpolitik überweisen. Ich möchte davon abraten. Es besteht ja die Möglichkeit, im Bedarfsfalle Mitglieder der Ausschüsse auszutauschen. Der Ausschuß für Arbeit hat diese Fragen immer behandelt. Würden wir den Ausschuß für Sozialpolitik auch noch damit beschäftigen, so würden wir praktisch zweigleisig fahren. Ich halte das nicht für gut. Im übrigen sind die Ausschüsse
ohnehin mit Arbeit sehr stark belastet. Wenn man noch einen anderen Ausschuß dazunimmt, wäre es schon sinnvoller, den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zu nehmen, um in diesem Ausschuß meinetwegen mitzuhelfen, die wirtschaftlichen Möglichkeiten zu ergründen. Dagegen hätten wir keine grundsätzlichen Bedenken.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203104100
Meine Damen und Herren, es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Nach den Beratungen im Ältestenrat wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf an den Ausschuß für Arbeit — federführend — und außerdem an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik - mitberatend — zu überweisen. Frau Abgeordnete Finselberger hat zudem beantragt, den Gesetzentwurf dem Ausschuß für Sozialpolitik zur Mitberatung zu überweisen. Diesem Antrag ist widersprochen worden.
Ich darf festhalten, daß Einmütigkeit im Hause besteht bezüglich der Überweisung an den Ausschuß für Arbeit als federführenden Ausschuß und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik als mitberatenden Ausschuß.
Ich bitte dann diejenigen Damen und Herren, die dem Antrag der Frau Abgeordneten Finselberger zustimmen wollen, den Gesetzentwurf zur Mitberatung auch dem Ausschuß für Sozialpolitik zu überweisen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe Punkt 3 der Tagesordnung auf:
Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom S. Dezember 1923 mit
seinen Abänderungen (Drucksache 71); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (4. Ausschuß). (Drucksache 218; Anträge Umdrucke 71, 112*)).

(Erste Beratung: 7. Sitzung; zweite und dritte Beratung: 30. Sitzung.)

Wir fahren in der Aussprache fort. Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203104200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, die Entschuldigung des Hohen Hauses dafür zu erbitten, daß ich bei der letzten Debatte über diesen Punkt der Tagesordnung nicht zugegen sein konnte. Ich war am Freitag erst am Mittag aus Straßburg zurückgekommen und war dann festgehalten durch eine Veranstaltung zu Ehren unseres Gastes, des spanischen Landwirtschaftsministers, und durch Besprechungen mit dem französischen und dem amerikanischen Hohen Kommissar.
Zur Sache möchte ich mich heute mit den Bemerkungen auseinandersetzen, die der Herr Abgeordnete D r. Lütkens zu dem Zustimmungsgesetz oder, genauer gesagt, zu der Erklärung gemacht hat, die der Herr Bundeskanzler in Bonn
*) Siehe Anlagen 1 und 2.


(Staatssekretär Dr. Hallstein)

mündlich abgegeben hat und von der diesem Hohen Hause in einer Anlage zu dem Text des Gesetzes und des ihm beigefügten Abkommens Mitteilung gemacht worden ist. Ich darf dazu namens der Bundesregierung das folgende erklären.
Die mündliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 3. Juni vorigen Jahres lautet, daß die Bundesregierung nicht unter Berufung auf Art. I Abs. 4 des deutsch-amerikanischen Vertrages von 1923 die Rückgabe der zwischen dem 11. Dezember 1941 und entweder dem Inkrafttreten des Interimsabkommens oder dem Inkrafttreten des Bonner Vertrages von der amerikanischen Regierung enteigneten deutschen Vermögens fordern wird.
Ich habe zu der Bedeutung dieser Erklärung bereits einiges Aufklärende in einer Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten auf entsprechende Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Lütkens gesagt. Ich darf das dort Gesagte heute hier wiederholen.
Unter rechtlichen Gesichtspunkten hätte es der Abgabe jener Erklärung nicht bedurft, denn sie sagt rechtlich etwas aus, was selbstverständlich ist. Sie hat also, juristisch gesprochen, nur einen deklaratorischen Charakter. Daß sie dennoch abgegeben wurde, beruht auf einem Wunsch der amerikanischen Regierung, die aus Gründen ihres eigenen Verhältnisses zum Kongreß im Besitz einer Erklärung sein wollte, daß es auch die Auffassung der Bundesregierung ist, daß die Wiederinkraftsetzung des Art. I Abs. 4 des alten Vertrages keine rückwirkende Bedeutung hat.
Die Rechtslage ist folgende:
Mit dem Ausbruch des Krieges zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika am 11. Dezember 1941 ist der deutschamerikanische Vertrag von 1923, um dessen Wiederinkraftsetzung es sich hier handelt, in seiner Wirksamkeit suspendiert worden, soweit nicht einzelne Bestimmungen trotz des Krieges weiter gelten. Von dieser Weitergeltung aber ist Art. I Abs. 4 des Vertrages von 1923 nicht umfaßt.
Etwas Gegenteiliges kann auch nicht dem von dem Herrn Abgeordneten Dr. Lütkens am vergangenen Freitag hier vor diesem Hohen Hause zitierten Urteil des Supreme Court entnommen werden. Ich habe dieses Urteil daraufhin noch einmal nachgelesen. Der Supreme Court hat in dem Urteil vom 9. Juni 1947 in Sachen Clark versus Allen lediglich die Weitergeltung des Art. IV des Vertrages von 1923 während des Kriegszustandes bejaht, eines Artikels, aus dem sich ergibt, daß Deutsche in den Vereinigten Staaten erben können. Damit ist aber nichts gesagt über das weitere Schicksal einer solchen Erbschaft. Die Ansicht, die der Herr Abgeordnete hier vertreten hat, der Supreme Court habe in der genannten Entscheidung den deutsch-amerikanischen Vertrag von 1923 trotz des Krieges als weiter in Kraft befindlich erklärt, ist daher eine nicht zutreffende Verallgemeinerung des Inhalts dieses Urteils.
In der Tat würde es auch, wenn der Vertrag nicht suspendiert worden wäre, der ganzen Verabredung, daß er wieder in Kraft gesetzt werden sollte, nicht bedurft haben. Wir wären gar nicht in die Lage gekommen, einen solchen Interimsvertrag abzuschließen. Ich kann auch die Berner-
kung nicht unterdrücken, daß es nicht folgerichtig ist, wenn der Herr Abgeordnete einerseits den Standpunkt vertreten hat, daß der Vertrag weitergelte, andererseits aber sein Einverständnis damit erklärt hat, daß das Abkommen über die Wiederinkraftsetzung ratifiziert werde. Ich bitte, nicht mißverstanden zu werden: ich begrüße die Schlußfolgerung, aber ich halte die Weise, auf die man zu dieser Schlußfolgerung gekommen ist, für widerspruchsvoll. Vielmehr ist es rechtlich leider so, daß zahlreiche Urteile amerikanischer Gerichte vorliegen, die ergeben, daß die Feindgesetzgebung, die die Vereinigten Staaten während des Krieges erlassen haben, rechtsgültig ist.
Demnach galt also Art. I Abs. 4 des Vertrages von 1923 nicht während der Kriegszeit. Er gilt erst wieder, wenn die ausdrückliche Vereinbarung seiner Wiederinkraftsetzung ihrerseits in Kraft tritt. Demgemäß gibt die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 3. Juni vorigen Jahres nur die jetzt bestehende Rechtslage wieder. Nichts anderes und nichts mehr enthält die Erklärung. Insbesondere liegt in dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht eine Anerkennung der Feindmaßnahmen gegen das deutsche Vermögen während des Krieges. Ich glaube, ich kann es mir ersparen, in dieser Frage den Standpunkt der Bundesregierung noch einmal ausführlich darzulegen. Er ist bekannt; er ist unverändert.
Ebensowenig hat die Bundesregierung durch diese Erklärung auf irgendwelche privaten deutschen Vermögensansprüche verzichtet. Das ist ausdrücklich während der Verhandlungen, die zu dieser mündlichen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers geführt haben — Verhandlungen zwischen unseren deutschen Vertretern und den Vertretern der amerikanischen Regierung —, in Washington zum Ausdruck gebracht worden. Eben deshalb fehlt auch jeglicher Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes, der in der letzten Sitzung angerufen worden ist. Vielmehr kann ungeachtet der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers sich die Bundesregierung nach wie vor auf die allgemeinen Vorschriften des Völkerrechts über die Beschlagnahme und Enteignung von feindlichen Vermögen im Kriege berufen, und sie tut es auch. Auch dies ist während der Verhandlungen in Washington im April 1953 ausdrücklich gesagt worden. Dort ist ausdrücklich auf die völkerrechtliche Unverletzlichkeit deutschen Eigentums auch im Kriege hingewiesen worden.
Aus alledem ergibt sich, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes zustimmungsbedürftig ist. Eine solche Zustimmung ist auch von diesem Hohen Hause nicht erbeten worden. Ich glaube, es kann nach dem Wortlaut des Ihnen vorliegenden Zustimmungsgesetzentwurfs kein Zweifel darüber sein, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers von dem Zustimmungsbeschluß des Bundestages nicht mit gedeckt wird, und — Herr Präsident, ich bitte, mir zu erlauben, das mit einem Satz gleich zu sagen — aus diesem Grunde bittet die Bundesregierung auch, dem neu gestellten Entschließungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Umdruck 112 nicht zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203104300
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0203104400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion ver-


(Dr. Arndt)

mag sich den Rechtsausführungen des Herrn Staatssekretärs, die soeben vorgetragen worden sind, in keiner Weise anzuschließen. Gerade der Schluß der Ausführungen von Herrn Staatssekretär Hallstein zeigt doch in seiner eigenen Argumentation das, was der Jurist ein venire contra factum proprium nennt,

(Beifall bei der SPD)

d. h. einen Widerspruch in sich selbst. Denn wenn es wahr wäre, Herr Staatssekretär, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nur eine deklaratorische Bedeutung hätte, und wenn es wahr wäre, daß eine Berufung auf den alten Vertrag nicht mehr in Betracht käme, so wäre gar nicht einzusehen, welchen Schaden eigentlich die von uns vorgeschlagene Entschließung anrichten könnte.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Sie müssen also ein Interesse daran haben, daß diese Entschließung nicht gefaßt wird; sonst würden Sie nicht namens der Regierung bitten, ihr nicht zuzustimmen.
Aber auch sonst ist das, was Sie dargetan haben, in keiner Weise zutreffend. Zunächst einmal darf ich Sie an den Wortlaut dessen erinnern, was der Herr Bundeskanzler am 3. Juni 1953 anläßlich der Unterzeichnung des Abkommens erklärt hat. Es lautet wörtlich:
Die Regierung der Bundesrepublik Deutschland wird sich nicht auf die Bestimmung des Art. I Abs. 4 des Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrages zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 beruf e n.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Also ist doch vorausgesetzt, daß dieser Vertrag noch gültig war, auch gültig geblieben war; denn ich kann sinnvollerweise die Erklärung, daß ich mich auf etwas nicht berufen werde, nur dann abgeben, wenn das, worauf ich mich berufen könnte, noch vorhanden ist. Die Erklärung selbst ergibt, daß auch der Herr Bundeskanzler vom Fortgelten des Vertrages während der ganzen Zeit, insbesondere während des Krieges, ausgegangen sein muß. Andernfalls nämlich hätte man die Erklärung so formuliert — und Sie formulieren ja Erklärungen meistens ganz genau —, daß gesagt worden wäre, man sei sich darüber einig, daß der Vertrag während des Krieges nicht gegolten hätte und erst jetzt wieder in Kraft treten sollte. Das steht gerade nicht drin. Also die Erklärung selbst ergibt, daß es sich um einen Verzicht handelt, und zwar um einen Verzicht aus einem noch bestehenden Vertrage.
Am meisten erstaunt bin ich aber über das, was Sie dem Hohen. Hause als Inhalt des vom Supreme Court am 9. Juni 1947 gefällten Urteils vorzutragen den Mut haben. Ich habe die Originalausgabe des Urteils da und ,bin bereit, sie, wie man das so nennt, auf dem Tisch des Hauses niederzulegen. Das Urteil besagt zu dem Vertrage, und zwar zu dem Vertrage im ganzen und auch zum Art. IV genau das Gegenteil dessen, was Sie hier auszuführen beliebt haben.

(Lebhafte Rufe bei der SPD: Hört! Hört!)

Es wird als Leitsatz aufgestellt: Der Ausbruch
eines Krieges führt nicht notwendig zur Suspendierung oder Aufhebung von Vertragsvorschriften.
Das ist der Kern des Urteils, und dieser Kern des Urteils hat ja eine Vorgeschichte, nämlich die, daß während des ersten Weltkrieges schon, nach unserer Auffassung unter Verletzung der allgemeinen Vorschriften des Völkerrechts, leider eine amerikanische Gesetzgebung das deutsche Privateigentum in den Vereinigten Staaten angetastet hatte. Diese Vorgeschichte führte dazu, daß man erklärtermaßen durch den Vertrag vom Jahre 1923 der beiderseitigen Überzeugung Ausdruck geben wollte und sich auch dahin geeinigt hat: Wir wollen jetzt einen Freundschaftsvertrag machen, der Bestand haben soll, und zwar gerade auch für den Fall solcher kriegerischen Verwicklungen, wie sie 1914/18 bestanden haben. Aus dieser Vorgeschichte heraus ist schon zu ersehen, daß hier ein beständiges Vertragswerk beabsichtigt war.
Diese Frage kam dann im Jahre 1947 zur Entscheidung des Supreme Court, und zwar auf Grund einer gewissen Ironie der Rechtsgeschichte. Der Anlaß war nämlich der, daß in Kalifornien eine Erbschaft an einen deutschen Erbberechtigten nur unter der Voraussetzung fallen konnte, daß dem kalifornischen lokalen Recht nach der bekannten Supreme-Law-of-the-Land-Klausel in der Unionsverfassung der deutsch-amerikanische Freundschaftsvertrag vom Jahre 1923 vorging. Nur also, wenn jener Vertrag noch bestand, fiel die Erbschaft an einen Deutschen, und nur dann konnte der von der amerikanischen Regierung durch die Gesetzgebung — Verbot eines Handels mit dem Feind — eingesetzte Treuhänder an diese Erbschaft heran.
Es war also eine völlig umgekehrte Interessenlage. Man hatte damals in Amerika ein Interesse daran, zu behaupten, daß der Freundschaftsvertrag vom Jahre 1923 noch bestehe, und in dieser Situation fragte man beim amerikanischen Außenministerium an, wie sich das State Department zur Fortgeltung des Vertrages stelle. Der amtierende stellvertretende Außenminister, Mr. Joseph C. Grew, gab die amtliche Auskunft, daß das State Department ungeachtet des Krieges den Vertrag noch als in Geltung betrachte.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Diese Auskunft liegt dann auch dem Urteil des Supreme Court vom 9. Juli 1947 zugrunde, das zu dem Leitsatz geführt hat: Der Ausbruch eines Krieges führt nicht notwendig zur Suspendierung oder Aufhebung von Vertragsvorschriften. In der Begründung wird dann — ich kann es ungefähr wörtlich auf deutsch zitieren — gesagt: Wir — der Supreme Court — sind nicht der Meinung, daß die in der ergänzten Trading-with-the-Enemy-Act ausgedrückte nationale Politik mit dem durch Art. IV des Vertrages deutschen Ausländern garantierten Erbrechte unvereinbar ist. Es wird vor allen Dingen erklärt: Aber das Gesetz — nämlich dieses Gesetz über den Handel mit dem Feind — und die Durchführungsverordnungen zeigen nicht eine solche Feindlichkeit gegenüber dem Eigentum der Staatsangehörigen feindlicher Staaten, als daß sie implizieren würden, daß die Erwerbung von Eigentum durch deutsche Staatsangehörige mit der nationalen Politik in Konflikt steht. Im Grundsatz also, nicht bloß für die Frage des Erbfalles, hat der höchste amerikanische Gerichtshof zwei Sätze aufgestellt: den einen, daß der Krieg einen solchen Vertrag keineswegs außer Kraft setzt, und den andern, daß speziell dieser Vertrag und sein ganzer Art. IV in Geltung geblieben sind.
Sie haben sich dann darauf berufen, daß zahlreiche Urteile im übrigen die Gültigkeit der amerikanischen Beschlagnahme- und Liquidierungs-


(Dr. Arndt)

gesetze bejaht hätten. Das ist bekannt, schließt ja aber nicht aus, daß gleichwohl dieser Vertrag bestand und daß jene Maßnahmen unter Verletzung des Vertrages erfolgten. Sie haben aber kein Urteil nennen können, welches dahin geht, daß dieser Vertrag während des Krieges nicht mehr in Geltung gewesen sei. Es stimmt also nicht, daß mit Ausbruch des Krieges der Freundschaftsvertrag suspendiert worden wäre, wie Sie behauptet haben.
Unter diesen Umständen kommt der Erklärung, die der Herr Bundeskanzler abgegeben hat, keine nur deklatorische Bedeutung zu. Es ist eine völlig unwirksame Erklärung, weil die Regierung durch einen einseitigen Akt und ohne Zustimmung des Parlaments sowie ohne Bevollmächtigung durch den Herrn Bundespräsidenten zum Erlaß von solchen Kabinettsordern oder allerhöchsten Entschließungen nicht befugt ist. Dies bürgert sich zwar heute immer mehr ein, steht aber mit dem Grundgesetz nicht im Einklang. Denn nach dem Grundgesetz vertritt allein der Herr Bundespräsident die Bundesrepublik Deutschland dem Auslande gegenüber, und er bedarf, um solche Angelegenheiten zu regeln, die Sache der Gesetzgebung sind, wie es hier die Frage des Eigentums ist, einer in Gesetzesform zu erteilenden Ermächtigung durch die gesetzgebenden Körperschaften. Infolgedessen ist die von dem Herrn Bundeskanzler am 3. Juni 1953 mündlich abgegebene Erklärung ohne Rechtsbedeutung.
Zuletzt haben Sie dann noch die Frage aufgeworfen, warum wir denn hier durch diese Maßnahmen den Freundschaftsvertrag wieder in Geltung setzen wollten, wenn er ungeachtet des Krieges noch gültig gewesen wäre. Sie wissen ganz genau, Herr Staatssekretär, daß das lediglich eine rhetorische Frage ist — um mich höflich auszudrücken —; denn wir haben z. B. auch die deutschen Auslandsschulden bestätigt, gerade weil wir von der Auffassung ausgingen und ausgehen, daß das Deutsche Reich mit sich identisch heute in Gestalt der Bundesrepublik Deutschland fort-existiert und es durchaus Veranlassung geben kann, eine solche Rechtsauffassung durch Bestätigungen bereits existierender Rechte und Pflichten geltender Verträge zum Ausdruck zu bringen. Auch hier besagt das Abkommen, dem wir gern zustimmen, ja lediglich, daß dieser Freundschaftsvertrag aus dem Jahre 1923 bestätigt wird und wir als der deutsche Staat uns aus diesem Vertrage berechtigt und verpflichtet fühlen.
Ich glaube, es ist nicht sehr schön, wie Sie es getan haben, letzten Endes aus der Kompliziertheit des von vier Besatzungsmächten gespaltenen Deutschlands zu argumentieren. Für uns ist Deutschland derselbe Staat, der es im Jahre 1923 war, und nach der eigenen Rechtsprechung der Amerikaner, ihres Supreme Court in Washington, ist der Vertrag jederzeit gültig geblieben. Der Herr Bundeskanzler ist nicht berechtigt, durch eine einseitige, vom Parlament nicht gebilligte und nicht ratifizierte Erklärung auf das Auslandsvermögen zu verzichten und damit vor allen Dingen auch unter Verletzung des Art. 14 des Grundgesetzes in private Rechte einzugreifen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203104500
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203104600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, drei Bemerkungen zu dieser Erwiderung
des Herrn Abgeordneten D r. Arndt machen zu dürfen. Zunächst habe ich die letzte Bemerkung, daß ich mich in meiner Argumentation in irgendeiner Weise auf die Gespaltenheit Deutschlands bezogen hätte, nicht verstanden. Ich bin mir nicht bewußt, das an irgendeiner Stelle meiner Darlegung getan zu haben.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0203104700
Das bedarf noch der Bestätigung nur deshalb, weil diese Komplikation in Deutschland existiert! Sonst würde man doch zu solchen Akten gar nicht greifen müssen.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203104800
Nein, das ist ganz sicher unschlüssig, Herr Abgeordneter. Wenn dieses Abkommen noch gilt, so ist es ganz sicher, daß es noch im Verhältnis zur Bundesrepublik gilt, ohne daß es aus dem Grunde, daß die Bundesrepublik nicht ganz Deutschland umfaßt, einer Bestätigung bedürfte.
Aber ich entnehme aus Ihrer Bemerkung ein methodisches Zugeständnis, das ich gerne aufgreife, weil es dafür spricht, daß der Herr Bundeskanzler diese Erklärung abgegeben hat. Es kann Situationen geben — das will ich Ihnen gar nicht bestreiten —, wo es sich empfiehlt, etwas zu bestätigen, was auch ohne die Bestätigung wirksam sein würde. Eben das hat der Herr Bundeskanzler getan. Es war der Sinn meiner Bemühungen von vorhin, das Hohe Haus zu überzeugen, daß es sich darum und um nicht mehr handelt.
Drittens möchte ich mit Entschiedenheit dem widersprechen, was Sie über den Inhalt des Urteils des amerikanischen Obersten Gerichts ausgeführt haben. Ich bedaure, sagen zu müssen: Niemand würde glücklicher sein als die Bundesregierung, wenn das richtig wäre, was Sie sagen, wenn also in der Tat der deutsch-amerikanische Freundschafts- und Handelsvertrag von 1923 in seinem vollem Umfang — darauf kommt es an — in Geltung geblieben wäre und wenn wir nicht genötigt gewesen wären, Verhandlungen wegen eines Interimsvertrags zu führen, durch den er wieder in Kraft gesetzt wird. Aber — es tut mir leid, das sagen zu müssen —: In allen wesentlichen Punkten haben Sie das Urteil des amerikanischen Obersten Gerichts unrichtig ausgelegt. Es ist richtig, daß dort ein Grundsatz steht, daß Verträge in Kraft bleiben. Das ist ein alter Grundsatz des englischen Common Law, der vom amerikanischen Recht übernommen worden ist. Aber die Tatsache selbst, daß sich die amerikanische Regierung mit der deutschen in Verbindung gesetzt hat, um einen Interimsvertrag wegen der Wiederinkraftsetzung des alten Freundschaftsvertrags abzuschließen, beweist — ich drücke mich jetzt sehr vorsichtig aus —, daß dieser Grundsatz mindestens nicht für die Aufrechterhaltung dieser alten Verträge in ihrem vollen Umfang in Anspruch genommen werden kann. Und das ist der springende Punkt!
Die Zitate, die Sie, Herr Abgeordneter, selber angeführt haben, bestätigen das, was ich vorgetragen habe, daß sich nämlich der dezisive, der entscheidende, der verfügende Teil des Urteils ausschließlich auf die Anerkennung der Möglichkeit beschränkt, daß trotz der Feindgesetzgebung Deutsche in den Vereinigten Staaten haben erben können und noch erben können.
Aber schließlich, selbst wenn alles richtig wäre, was Sie sagen, was würde denn daraus gegen die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers folgen? Aus Ihren eigenen Ausführungen, Herr Abgeordneter, ergibt sich, daß die Erklärung des Herrn Bundes-


(Staatssekretär Dr. Hallstein)

kanzlers nicht die Bedeutung haben kann, die Rechtslage zuungunsten der privaten Vermögensrechte deutscher Bürger zu verändern.
In diesem Punkt stimmen wir völlig überein. Das heißt: es bleibt deutschen Privatpersonen, die durch die Feindgesetzgebung der Vereinigten Staaten betroffen sind, unbenommen, dagegen anzugehen. Es bleibt ihnen unbenommen, sich dabei auf die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze und die Grundsätze innerstaatlichen Rechts, amerikanischen Rechts, die Sie soeben als die nach Ihrer Auffassung richtigen vorgetragen haben, zu berufen. Es bleibt ihnen sogar unbenommen, sich auf den Art. I Abs. 4 des alten Vertrages zu berufen. Infolgedessen verstehe ich nicht recht, wie sich aus den Argumenten, die Sie selber vorgetragen haben, irgend etwas dagegen ergeben soll, daß der Herr Bundeskanzler diese Erklärung abgegeben hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203104900
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lütkens.

Dr. Gerhard Lütkens (SPD):
Rede ID: ID0203105000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde es mir versagen, auf die rhetorische Frage des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts einzugehen;

(Zurufe von der Mitte)

denn er muß doch genau so gut wissen wie ich, daß die Gründe für eine formelle Wiederinkraftsetzung des Vertrages von 1923 in besonderen Umständen liegen, die mit der Gültigkeit, der Weitergültigkeit oder der etwaigen Nichtgültigkeit des Vertrages während der Kriegszeit nicht das Geringste zu tun haben. Wünscht denn die Regierung hier vor diesem Hohen Hause eine Debatte über die Verfahrensweise der amerikanischen Regierung auf dem Gebiet der unrechtmäßigen, nach Völkerrecht, nach amerikanischer Verfassung, nach dem Vertrag von 1923 mit dem Deutschen Reich ungültigen Enteignung, ohne Prozeß, ohne ordnungsmäßiges Rechtsverfahren und ohne Entschädigung?
Ich habe in der vorigen Sitzung dieses Hohen Hauses über das Problem, das uns vorliegt, im Zusammenhang mit der mündlichen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 3. Juni 1953 ausführlich gesprochen. Ich glaube, ich kann darauf verzichten, die einzelnen Gesichtspunkte, die ich damals dargelegt habe, hier noch anzuführen. Es bestand im Ausschuß unter den Vertretern aller Parteien und auch von seiten der Regierung Einverständnis — es wurde heute durch die Erklärung des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, in der er von einer Anlage sprach, die diese Erklärung vom 3. Juni darstelle, erneut bestätigt —, daß diese Erklärung dem Hohen Hause nicht zur Ratifizierung vorliegt und deshalb außerhalb des gesetzgeberischen Prozesses bleibt, den wir heute in der dritten Lesung haben. Der Herr Bundeskanzler hat durch die Erklärung darauf verzichtet — wenn es auch wahr sein mag, daß etwaige Rechte deutscher Staatsangehöriger freibleiben —, daß die Bundesregierung Rechte aus einem noch in Rechtskraft befindlichen Vertrage, den sie vom Deutschen Reich in der Beziehung zu der Regierung der Vereinigten Staaten als rechtsgültig übernommen hat, in Zukunft würde geltend machen können. Das ist die materielle Wirkung der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, und das ist eine Erklärung, die in jedem Falle der Zustimmung der gesetzgeberischen Körperschaften bedürfen würde, die aber nicht erbeten ist. Ich habe
mich in der letzten Sitzung — und mein Freund Arndt hat das eben eingehend getan — auf den Prozeß Clark versus Allen bezogen. Ich kann dem Herrn Staatssekretär — jedenfalls soweit ich von der Sache etwas verstehe — in keiner Weise zustimmen. Das Urteil des Obersten Gerichts ist nach meiner Ansicht völlig klar; es stellt völlig klar fest, daß der Vertrag in Gültigkeit geblieben ist. Es ist nur vorgesehen, daß während der Zeit eines Kriegsnotstands eine Regierung Modifikationen in der praktischen Ausübung der Rechte vornehmen kann. Das Urteil bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den Trading-with-the-enemy-Act. Das ist aber der Act, der gerade nicht die Enteignung, sondern nur die Beschlagnahme des Eigentums vorsah bis zu der Zeit, wo der Kriegszustand, d. h. der Notstand, der der Regierung der Vereinigten Staaten erlaubte, gewisse Modifikationen vorzunehmen, beendet sei.
Ich habe gar keinen Zweifel, daß die dritte Gewalt in dem verfassungsmäßigen Aufbau der Vereinigten Staaten, das Oberste Gericht, mit diesem Urteil, das, wenn ich nicht irre, im Juli 1947 gefällt worden ist, erklärt hat, daß der Vertrag in dem Sinne und mit der Modifikation, die ich eben ausgesprochen habe, dauernd in Gültigkeit geblieben ist. Das ist die Position, die mit der alten Verfassung der Vereinigten Staaten, mit allen großen Rechtsautoritäten und Richtern und auch mit der Völkerrechtsentwicklung in Übereinstimmung ist. Diese Institution des Obersten Gerichts ist in dem Verfassungsaufbau der Vereinigten Staaten der Verteidiger der individuellen Rechte. In dieser Eigenschaft hat der Supreme Court dieses Urteil gefällt.
Meine Damen und Herren, ich darf mich auf eine Autorität der amerikanischen konstitutionellen Entwicklung, den Professor Dr. Burgess, beziehen und Ihnen vorlesen, was er über die Stellung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten im Verfassungsaufbau jenes Landes sagt:
Auf der entscheidenden Stellung der richterlichen Gewalt mehr als auf irgendeinem anderen Umstand ruht der dauernde Bestand der republikanisch-demokratischen Verfassung. Deren gewählte Regierung ist notwendigerweise Mehrheitsregierung. Wenn der Bereich der persönlichen Freiheit nicht durch eine unabhängige unpolitische Instanz geschützt wird, entartet eine solche Regierung schließlich im Cäsarismus.
Das ist es, was in diesem Fall, wie ich Ihnen in der vorigen Sitzung auszuführen versucht habe, geschehen ist. Ein bolschewistischer Spionagering von drei Personen — so sagt es der Dirksen-Untersuchungsausschuß in seinem offiziellen Bericht — hat diesen War Claims Act in dieser Weise durchgesetzt und damit gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten, gegen das Völkerrecht und gegen den noch in Kraft befindlichen Vertrag von 1923 verstoßen.

(Sehr richtig! rechts.)

Meine Damen und Herren, nicht nur die richterliche, sondern auch die politische Säule in dem Staatsaufbau der Vereinigten Staaten hat sich klar entschieden. Mein Freund Arndt hat gerade darauf hingewiesen, daß dem Gericht ein Schreiben des damaligen kommissarischen Außenministers der Vereinigten Staaten, nämlich des Herrn Joseph C. Grew, vorlag, der in einem Brief vom 21. 3. 1945 — und auf ihn nimmt das Hohe Gericht Bezug —


(Dr. Lütkens)

der Ansicht des State Department, also der Ansicht der amerikanischen Regierung, Ausdruck gab, daß der Vertrag von 1923 weiter in Kraft sei. Um eine solche Erklärung der Exekutive der Vereinigten Staaten kann die Bundesregierung oder der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts doch nicht einfach herumkommen.
Die Sache ist also nicht nur auf dem Felde der Jurisprudenz ausgetragen worden, sondern es liegt eine ausdrückliche Erklärung der Exekutive, der amerikanischen Regierung selbst, vor. Ich vermag in keiner Weise einzusehen, wie sich die Bundesregierung auf den Standpunkt sollte stellen können, daß derartige offizielle Erklärungen nicht bestünden.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der von meiner Fraktion vorgelegten Entschließung zuzustimmen. In ihrem ersten Teil sagt sie nichts anderes, als was allgemeine Erkenntnis in diesem Hohen Hause ist. In der vorigen Sitzung hat mir der Herr Berichterstatter ausdrücklich bestätigt, es bestehe Einverständnis darüber, daß diese Erklärung nicht zur Ratifikation vorliegt, deren sie doch bedürfte, wenn sie materiell wirksam sein sollte.
Ich bitte Sie, auch dem letzten Halbsatz dieser Entschließung Ihre Zustimmung zu geben, denn er zieht nur die selbstverständliche Konsequenz. Wir haben über die Frage des deutschen privaten Eigentums und seiner Enteignung schon mehr als einmal hier gesprochen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben dabei — und ich glaube Ihnen das — immer darauf hingewiesen, wie sehr Ihnen das Schicksal dieses deutschen Eigentums am Herzen liege. Sie werden durch die Zustimmung zu unserer Entschließung zeigen können, wie sehr es uns allen ernst damit ist, daß das Recht heil bleibe, und das wider das Recht enteignete, private Eigentum gegenüber dem Ausland verteidigt und auf seine Rückgabe hingewirkt werde.
Bleiben Sie nicht bei Worten stehen, sondern stimmen Sie unserer Entschließung zu! Sie werden dann Schritte ermöglichen, die den Bemühungen großer Kreise in den Vereinigten Staaten und gerade auch des Senats, diesen Dingen ein Ende zu setzen, zu Hilfe kommen und den geschädigten Deutschen zu ihrem Recht verhelfen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203105100
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Arndt.

Dr. Adolf Arndt (SPD):
Rede ID: ID0203105200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt mir fern, mich durch die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts veranlaßt zu sehen, Ihnen die Entscheidung des Supreme Court in Washington in allen Einzelheiten auseinanderzusetzen. Jeder, der daran interessiert ist, mag sie selber einsehen. Er wird feststellen, daß die Auslegung des Herrn Staatssekretärs nicht zutrifft. Ich sehe auch überhaupt nicht ein, warum wir eine gerade für uns nachteilige Auslegung eines solchen Gerichtsurteils machen müssen!

(Zustimmung bei der SPD.)

Ich will nur noch einen einzigen Satz aus diesem Gerichtsurteil zitieren, der zeigt, daß es sich nicht bloß um die Möglichkeit zu erben handelt, wie der Herr Staatssekretär immer behauptet. Der Supreme Court hat wörtlich — in deutscher Übersetzung — gesagt:
Das Gericht bestätigt daher noch einmal die generelle Regel, zu der es sich bereits im Falle Karnutz contra United States bekannt hat, daß Vertragsbestimmungen, die Bürgern oder Schutzbefohlenen einer der vertragschließenden Mächte das Recht geben, im Gebiet der anderen Vertragsmacht Grundstückseigentum zu besitzen
— es heißt im englichen Text „to hold" —
und zu übertragen, den Ausbruch des Krieges überleben.
Das ist der Kernsatz, der sich nicht auf die Fähigkeit zu erben beschränkt, sondern auf die Fähigkeit, Eigentum zu halten, und zwar auf Grund des Freundschaftsvertrages vom Jahre 1923.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203105300
Das Wort hat der Abgeordnete Wehr.

Philipp Wehr (SPD):
Rede ID: ID0203105400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu unserem Entschließungsantrag Umdruck 71 *), den wir Ihnen zu diesem Abkommen vorgelegt haben, eine kurze Begründung zu geben. Nach Art. V des Abkommens ist vorgesehen, daß Verhandlungen über einen neuen, zeitgemäßeren Vertrag geführt werden sollen, einen Vertrag, der auch wieder als FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag laufen soll. Mir liegt daran, ein paar spezielle Gebiete anzuschneiden, die bei dieser Neuaushandlung unbedingt berücksichtigt werden müssen.
Wenn dieser Vertrag tatsächlich ein Freundschaftsvertrag sein und wenn diese Freundschaft so verankert werden soll, daß sie die Völker wirklich berührt, dann darf diese Freundschaft nicht nur den Handelsvertretern, den reisenden Kaufleuten oder den zu tätigenden Geschäften zugute kommen, sondern dann sollte man diejenigen nicht aus dem Auge lassen, die das Bindeglied dieser Freundschaft sind. Ich denke dabei an die Arbeitnehmer, die als Besatzungen auf unseren Schiffen die völkerverbindenden Meere befahren und die nun durch die Entwicklung der gerade ihren Beruf berührenden Beziehungen erheblich betroffen worden sind. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das McCarran-Gesetz in Kraft, das die Einwanderung und das Betreten amerikanischen Bodens für Ausländer regelt. Nach diesem Gesetz müssen die Seeleute, die bisher auf Grund ihres Seefahrtbuchs jederzeit von Schiff an Land gehen konnten, ein Visum vorlegen, das ihnen bei den Konsulaten in Bremen und Hamburg ausgestellt wird. Um dieses Visum zu erlangen, haben die Seeleute einen 80 Fragen umfassenden Fragebogen auszufüllen. Damit die Antworten beweiskräftig sind, müssen sie durch Dokumente belegt werden. Die Handhabung dieses inneramerikanischen Gesetzes hat zu erheblichen Schwierigkeiten geführt. Ich glaube, das ist auch dem Auswärtigen Amt durchaus geläufig; denn der Schriftwechsel, der in dieser Frage geführt worden ist, dreht sich allerdings nur um die technischen Dinge, nicht aber darum, wie sich dieses Gesetz auf unsere Seeleute überhaupt auswirkt.
Mir ist bekannt, daß andere große seefahrende Nationen — Engländer und Franzosen — auf Grund der Aussagen der Vertreter des Konsulats erhebliche Einsprüche erhoben haben. Wenn der zukünftige Vertrag ausgehandelt wird, wird es notwendig sein, eine Regelung zu treffen, die es
*) Siehe Anlage 1.


(Wehr)

vermeidet, daß die Seeleute durch die volle Schwere dieses Gesetzes getroffen werden, das ja eigentlich auf einen dauernden oder längeren Aufenthalt in den USA zugeschnitten ist. Wir haben es bei der Wiederindienststellung eines ersten großen Passagierschiffes erleben müssen, daß gleich auf den ersten Anhieb 35 Mann von Bord gewiesen wurden, weil sie nicht in den Besitz des Visums gelangen konnten. Der Grund hierfür war nicht etwa, daß es sich um Menschen gehandelt hätte, die eine Gefahr für USA darstellten, sondern daß z. B. die Verurteilung vor einem amerikanischen Gericht in der Besatzungszone wegen des Besitzes von einem Stück Toilettenseife, einer Dose Milch, die der Betreffende in den Hungerjahren aus dem Hafen an sich genommen hatte — Wert 57 Cents —, jemanden zu einer moralisch verworfenen Person stempelte. Das hindert ihn, seinem Beruf nachzugehen, denn man kann es keinem Reeder verdenken, wenn er Schwierigkeiten mit einer Besatzung vermeiden will. Denn auch die Trampschiffahrt, bei der nicht unbedingt auf USA gefahren wird, kann den an Bord befindlichen Seemann in die Verlegenheit bringen, daß doch ein amerikanischer Hafen angelaufen wird, und die Schiffsführung setzt sich dadurch erheblichen Schwierigkeiten aus.
Ich möchte daher bitten, dem Teil unserer Entschließung, der sich der Seeleute annimmt, in der Form Rechnung zu tragen, daß bei der Neufassung des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags eine Formulierung gesucht wird, die den Interessen beider Nationen gerecht wird. Jedenfalls sollte der deutsche Seemann auf einem deutschen Schiff die Rechte genießen, die jeder deutsche Arbeitnehmer an einer deutschen Arbeitsstelle für sich in Anspruch nehmen kann: seinen Beruf frei auszuüben.
Zum Zweiten hat sich unsere Entschließung der Frage der Einfuhr amerikanischer Filme angenommen. Diese Frage hat mein Parteifreund Kalbitzer bereits in der Debatte am 2. April vor diesem Hause behandelt. Ich kann mich daher kurz fassen. Selbstverständlich soll ein Freundschaftspakt die Möglichkeit geben, Kulturgüter auszutauschen, Kulturgüter einander zukommen zu lassen, sie den Völkern kenntlich zu machen. Aber es sollte auch auf Verständnis dafür gedrungen werden, daß eine Überschwemmung des deutschen Marktes mit amerikanischen Produkten, wie es in der vergangenen Zeit geschehen ist, einer vernünftigen Relation zur deutschen Produktion weichen sollte.
Zum Dritten ist die Frage der Behandlung deutscher Arbeitnehmer im Lande aufgenommen worden, die in Arbeitsstätten bei US-Dienststellen
tätig sind und unter der Kommandogewalt der Besatzungsmacht stehen. Wir mußten leider Gottes feststellen, daß von den sozialen Rechten den Rechten, die ihm das Arbeitsrecht gibt, diesen Arbeitnehmern bisher noch sehr wenig zugebilligt ist. Man könnte sagen, außer der Angleichung der Bezahlung an die TOA und dem Mutterschutzgesetz ist das gesamte soziale, arbeitsrechtliche Gebäude hiervon berührt. Da wird es notwendig sein, daß die Grundrechte, die uns einmal gegeben worden sind, nun auch so im Volke Fuß fassen, daß auch derjenige davon überzeugt ist, daß ihm das Grundgesetz, daß ihm das Arbeitsrecht zur Seite steht, dessen Arbeitgeber amerikanische Dienststellen oder amerikanisch beaufsichtigte Betriebe sind.
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang aber noch auf ein Weiteres hinweisen. Freundschaft sollte nicht eine leere Deklamation sein, sollte nicht bloß eine Vokabel, nicht bloß eine Präambel über einem Vertrag darstellen, sie sollte nicht bloß von Regierungen, Dienststellen und Behörden, sondern tatsächlich von den Völkern getragen werden. Aus diesem Grunde sollte auch der Handhabung des Besatzungsrechts ein Augenmerk gewidmet werden. Selbstverständlich, das Besatzungsstatut ist noch in Kraft. Wir haben die Auswirkungen in den jüngsten Tagen zu spüren bekommen, als in Bremerhaven über 100 Grundbesitzer und 50 Familien mit ihren Wohnungen von einer Requisitionsanordnung betroffen worden sind, nach der sie ihr Eigentum verlieren müssen, damit für die Unterbringung der Familienangehörigen der Besatzungstruppen Gebäude errichtet werden. Es dürfte durchaus notwendig sein, auch von Regierungsseite die mittleren und unteren Dienststellen einmal darauf hinzuweisen, daß das Besatzungsrecht auf keinen Fall einen Ersatz für schwierig zu handhabende deutsche Gesetze darstellen soll, wie es in dem Falle Bremerhaven geschehen ist. Hier haben sich deutsche Dienststellen das Besatzungsrecht zunutze gemacht, um der nunmehr befreundeten Macht klarzumachen, daß die Requisition die beste Möglichkeit ist, Schwierigkeiten aus deutschen Gesetzen zu umgehen. Ich möchte nur diesen kleinen Hinweis geben. Zu anderer Zeit wird sich noch Gelegenheit finden, auf eine solche Praxis hinzuweisen.
Ich möchte Sie nun bitten, meine Damen und Herren, unserem Entschließungsantrag auf Umdruck 71 zuzustimmen, damit der zukünftige Vertrag auch tatsächlich ein Vertrag werde, der die Freundschaft dokumentiert.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203105500
Das Wort hat der Herr Staatssekretär des Äußeren.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203105600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf einige Bemerkungen zu dem Entschließungsentwurf Umdruck 71 machen. Der Entschließungsentwurf enthält zunächst die Aufforderung an die Bundesregierung, gemäß Art. V des Abkommens einen zeitgemäßen und umfassenden neuen Vertrag abzuschließen. Ich darf namens der Bundesregierung sagen, daß wir diesen Teil des Entschließungsentwurfs für überholt halten, da bereits seit geraumer Zeit Verhandlungen über den Abschluß eines solchen Vertrages, und zwar in einem guten und freundschaftlichen Geist, schweben.
Erheblichere Bedenken bestehen gegen die Punkte a bis c des Entschließungsentwurfs. Zunächst zum Punkt a, der eine Auslegung wünscht, „die die Diskriminierung der auf deutschen Schiffen tätigen deutschen Seeleute auf Grund der Handhabung des ,Immigration and Nationality Act' beseitigt". Es ist richtig, daß dieses Act, das sogenannte McCarran Act, Erschwerungen bringt. Es fordert eine sehr umständliche individuelle Visierung jedes Passes und nunmehr auch jedes Seefahrtsbuches, während bisher für Seeleute, die ja oft nur auf Stunden an Land gehen, der sogenannte Besatzungslisten-Sichtvermerk genügte. Das neue Gesetz bedeutet also in der Tat ohne Zweifel eine erhebliche Erschwerung, da es längere Zeit in Anspruch nimmt, bis die neu geforderten Visen er-


(Staatssekretär Dr. Hallstein)

teilt sind. Aber es handelt sich hier nicht um eine Diskriminierung deutscher Seeleute. Vielmehr gilt die Bestimmung für alle Ausländer. Der Grundgedanke des McCarran Act ist es, eine kommunistische Infiltration auch auf diesem Wege zu verhindern. Deswegen ist auch keine Chance vorhanden, im Wege von Verhandlungen die amerikanische Regierung und den amerikanischen Kongreß zu bewegen, dieses Act irgendwie zu ändern.
Zu b wird eine Auslegung verlangt, „die die Regelung der Einfuhr von Filmen der US-Produktion in die Bundesrepublik in eine angemessene Relation zur Produktion der Bundesrepublik bringt". Dazu ist zu sagen, daß Filmeinfuhrfragen in dem Handelsvertrag von 1923 nicht geregelt sind. Vielmehr ist die Grundlage der Regelung der Einfuhr ausländischer Filme jetzt der Art: IV des GATT-Abkommens, dem die Bundesrepublik bekanntlich beigetreten ist. Danach ist die Einfuhr ausländischer Filme grundsätzlich liberalisiert. Eine Begrenzung der Einfuhr darf nur in der Form von Spielzeitquoten erfolgen, die der Nationalproduktion der Mitgliedstaaten eine bevorzugte Belieferung der Theater mit inländischen Filmen sichern. Praktisch liegt es so, daß ungeachtet dieser Liberalisierungsverpflichtung auf Grund freiwillig übernommener Bindungen Beschränkungen der Filmeinfuhr bestehen. In bezug auf Frankreich, Italien und Großbritannien geschieht das in der Form von Kontingenten, die weitergelten, und zwar in den drei genannten Ländern in Höhe von je 30 Filmen. Dieselbe Grundlage ist für Osterreich gewählt worden mit einer Begrenzung auf 20 Filme. Was die Vereinigten Staaten anlangt, so ist die Begrenzung auf eine andere Weise erreicht, nämlich in Gestalt einer Selbstbeschränkung der amerikanischen Filmindustrie, der Verleihfirmen nämlich, die in der Motion Picture Association of America zusammengeschlossen sind. Das sind die zehn größten amerikanischen Verleihfirmen. Sie haben sich verpflichtet, im Verleihjahr nicht mehr als 200 Filme nach der Bundesrepublik einzuführen. Die tatsächliche Entwicklung ist die, daß im Verleihjahr 1952/53 184 Filme eingeführt worden sind, im jetzt laufenden Verleihjahr bisher 182 Filme, wozu noch eine Anzahl von Filmen unabhängiger Verleihfirmen trat, deren Filme auf insgesamt rund 40 zu veranschlagen sind. Diese nicht unwesentliche Einfuhr von Filmen aus den Vereinigten Staaten mußte im Hinblick auf die Liberalisierungsverpflichtung, die wir durch unseren Beitritt zu GATT übernommen haben, hingenommen werden. Ich darf aber ausdrücklich sagen, daß diese Einfuhr einer kräftigen Aufwärtsentwicklung des deutschen Films bisher keinen Abbruch getan hat.
Zu c) wird eine Auslegung gewünscht, daß bei der Regelung der Grundrechte nach Art. II und VIII die deutschen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik bei US-Dienststellen beschäftigt sind, ungeschmälert die Rechte aus den Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechts in Anspruch nehmen können. Auch hier besteht kein Zusammenhang zwischen der aufgeworfenen Frage und den Tatbeständen, die in den angeführten Artikeln behandelt sind. Die Grundsätze, die in Art. II und VIII des Vertrages von 1923 geregelt sind, beziehen sich auf folgende Tatbestände: Art.II regelt das Klagerecht eines Staatsangehörigen bei einer Körperverletzung, die er im Dienst der anderen Vertragschließenden Partei erleidet, und Art. VIII regelt die Gleichbehandlung von Staatsangehörigen
und Waren innerhalb der Gebiete der Vertragsteile im Hinblick auf die inneren Abgaben, Zölle usw. Auch diese Regelung bezieht sich lediglich auf die Rechte eines Staatsangehörigen im Lande des anderen Vertragsteiles, nicht aber auf die Rechte der Staatsbürger innerhalb ihres eigenen Hoheitsbereichs.
Dazu kommt das folgende. Die Rechtsstellung der deutschen Arbeitnehmer in der Bundesrepublik, die bei den Besatzungsmächten beschäftigt sind, wird im Zusammenhang mit dem Tarifvertrag für die Besatzungsbediensteten einheitlich geregelt werden. Zwischen der Bundesregierung und den Gewerkschaften besteht grundsätzliche Übereinstimmung über die weitere Behandlung der Angelegenheit. Es ist insbesondere beabsichtigt, daß in einem Notenwechsel mit der Alliierten Hohen Kommission die Anwendung des deutschen Arbeitsrechts und die Zuständigkeit der deutschen Arbeitsgerichtsbarkeit im Grundsatz anerkannt werden. Über den Entwurf einer solchen Note wird gegenwärtig zwischen der deutschen und der alliierten Seite verhandelt. Nach Inkrafttreten der Bonner Verträge wird Art. 44 des Truppenvertrages die Rechtsgrundlage bilden, der vorsieht, daß deutsches Arbeitsrecht Anwendung findet und die Bundesrepublik vor den Arbeitsgerichten verklagt werden kann.
Ich glaube, daß unter diesen Umständen weder eine Notwendigkeit noch eine Möglichkeit besteht, das Abkommen vom 3. Juni 1953 in dem in dem Entschließungsentwurf vorgesehenen Sinne zu erweitern. Ich darf daher namens der Bundesregierung darum bitten, diesem Entschließungsentwurf nicht zuzustimmen.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203105700
Meine Damen und Herren, Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache der dritten Beratung.
Ich rufe zur Abstimmung auf Art. I, — Art. II, — Art. III, — Art. IV, — Einleitung und Überschrift und bitte diejenigen, die den aufgerufenen Bestimmungen zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
Eine Schlußabstimmung entfällt gemäß § 88 Satz 4 der Geschäftsordnung.
Ich komme zur Abstimmung über die Entschließungen, zuerst über den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 71*), der dem Hohen Hause vorliegt. Das Wort wird nicht mehr gewünscht. Wer dem Entschließungsantrag in Umdruck 71 zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe.
Ich darf die Abstimmung wiederholen. Ich bitte noch einmal diejenigen, die dem Entschließungsantrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Ich rufe auf den Entschließungsantrag der Fraktion der SPD auf Umdruck 112**), der ebenfalls dem Hohen Hause vorliegt. Wer zuzustimmen wünscht, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Meine Damen und Herren, der Herr Abgeordnete Ritzel hatte um das Wort zur Abgabe einer
*) Siehe Anlage 1 **) Siehe Anlage 2


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Erklärung gemäß § 36 der Geschäftsordnung gebeten. Ich erteile ihm das Wort zur Abgabe dieser Erklärung.

Heinrich Georg Ritzel (SPD):
Rede ID: ID0203105800
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bedauere, daß Veranlassung besteht, gestützt auf § 36 der Geschäftsordnung eine tatsächliche und persönliche Erklärung folgenden Inhalts abzugeben:
In der 28. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. Mai 1954 hat der Berichterstatter des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität, Herr D r. Klötzer, bei Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Wahlprüfung und Immunität betreffend Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abgeordneten Dr. Löhr gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 11. Januar 1954 eine Begründung abgegeben, die mich zu einer Richtigstellung zwingt, da diese Begründung — erstmals in diesem Hohen Hause — nicht den Gegenstand der Anschuldigung, der zu dem Ersuchen auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Löhr geführt hat, wiedergibt, sondern die abschwächende Darstellung des angeschuldigten Abgeordneten Dr. Löhr.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Der Sachverhalt ist folgender: Der mit der Wahrung meiner Interessen beauftragte Rechtsanwalt Otto Wolf in Michelstadt hat am 15. September 1953 in meinem Auftrage Strafantrag gegen Dr. Löhr in Darmstadt wegen Beleidigung und übler Nachrede gestellt. Der Strafantrag gründet sich auf vier eidesstattliche Bekundungen, die auch bereits in zwei Verfahren betreffend Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen Dr. Löhr vorgelegen haben. Diese eidesstattliche Bekundung der vier Zeugen lautet:
Es ist nichts dagegen einzuwenden — habe Dr. Löhr erklärt —, daß sich Ritzel im Jahre 1933 dem Zugriff der NSDAP durch seine Flucht ins Ausland entzogen hat. Jedoch verüble ich ihm, daß dieser sich im Jahre 1938 in einem Brief an den „Völkischen Beobachter" der NSDAP angeboten hat, wenn er wieder zurück nach Deutschland kehren dürfe.
So weit die beschworene Aussage.
Der Ausschuß für Wahlprüfung und Immunität hat die Frage der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Dr. Löhr in seiner fünften Sitzung vom 1. April 1954 behandelt. Das Ausschußprotokoll Seite 7 deckt sich inhaltlich mit dem durch Zeugeneid bekundeten Vorbringen laut Strafantrag.
In der 28. Sitzung des Deutschen Bundestages vom 6. Mai 1954 hat der Berichterstatter laut stenographischem Protokoll abweichend von der dem Strafantrag zugrunde liegenden zeugeneidlichen Bekundung die abgemilderte Darstellung des Abgeordneten Dr. Löhr zum Inhalt seines Berichtes an den Bundestag gemacht, indem er erklärte:
In der Privatklage ist dem Abgeordneten Dr. Löhr zur Last gelegt, auf einer Wahlversammlung seiner Partei im vergangenen Bundestagswahlkampf in einer Gemeinde des Odenwalds erklärt zu haben, daß er es dem Abgeordneten Ritzel nicht verüble, im Jahre 1933 aus Deutschland emigriert zu sein, daß er es ihm aber übelnehmen würde, wenn eine angebliche Meldung des „Völkischen Beobachters", der Abgeordnete Ritzel habe sich im Jahre 1938 der NSDAP angeboten, falls er wieder nach Deutschland zurückkönne, der Wahrheit entspräche.
Entspricht schon diese abgeschwächte Darstellung nicht dem Akteninhalt und der Anklage, so ist es noch erstaunlicher, daß der Herr Berichterstatter den Beschluß des Bundestages entgegen der bisherigen parlamentarischen Praxis beeinflußte, indem er laut Protokoll erklärte:
Der Abgeordnete Löhr hat in seiner Stellungnahme zu dieser Beschuldigung erklärt und durch Zeugen unter Beweis gestellt, daß er diese Äußerung nicht in der behaupteten Form getan habe, sondern mit dem ausdrücklichen Hinweis darauf, daß man dieser Meldung des „Völkischen Beobachters", falls sie überhaupt erschienen sein sollte, keinen Glauben schenken könne.
Damit wurde der eigentliche Wortlaut des Strafantrags dem Bundestag vorenthalten. Der Bundestag wurde in ganz anderer Weise informiert, als es der Aktenlage entspricht. Ich stelle anheim, gegebenenfalls die fraglichen Akten zuzuziehen.
Ich stelle aber ergänzend folgendes fest. Die 1. Zivilkammer des Langerichts Darmstadt hat am 27. August 1953 eine einstweilige Verfügung erlassen, die von vorliegenden eidesstattlichen Bekundungen ausging, wonach Dr. Löhr in öffentlicher Versammlung erklärt habe, daß ich mich im Jahre 1938 in einem Brief an den „Völkischen Beobachter" der NSDAP angeboten hätte. Das Landgericht, 1. Zivilkammer, hat nach Anhörung der Zeugen — Gegenzeugen wurden von Dr. Löhr nicht beigebracht — festgestellt, Dr. Löhr habe über meine Person unwahre Behauptungen aufgestellt, die geeignet sind, mich in der öffentlichen Meinung herabzusetzen. Der inzwischen zum Bundestagsabgeordneten gewählte Herr Dr. Löhr von Darmstadt hat daraufhin Einspruch gegen diese einstweilige Verfügung beim Landgericht Darmstadt erhoben. Die 1. Zivilkammer des Landgerichts hat am 16. Oktober 1953 für Recht erkannt — ich zitiere —:
Die am 27. August 1953 von der 1. Zivilkammer des Landgerichts in Darmstadt erlassene einstweilige Verfügung wird bestätigt. Auch die weiteren Kosten des Rechtsstreites werden dem Antragsteller Dr. Löhr auferlegt.
In der Begründung stellt das Landgericht unter anderem fest:
Die von dem Antragsteller glaubhaft gemachte Äußerung des Antragsgegners stellt nicht nur in bezug auf den Wahlkampf eine Beleidigung dar; sie ist darüber hinaus im allgemeinen geeignet, das Ansehen des Antragstellers in der Öffentlichkeit herabzusetzen und zu schädigen, da ihm der Vorwurf gemacht wird, er habe sich einem politischen Gegner angeboten.
So weit das Gericht.
In dem Bericht des Berichterstatters wird erklärt, daß Abgeordneter Dr. Löhr durch Zeugen unter Beweis gestellt habe, daß er die Äußerungen nicht in der in dem Strafantrag behaupteten Form getan habe. Dazu stelle ich fest, daß die 1. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt in ihrer Entscheidung vom 16. Oktober 1953 in den


(Ritzel)

Entscheidungsgründen erklärt hat, daß das Verhalten Dr. Löhrs nicht erkennen läßt — und jetzt zitiere ich wieder —,
daß er ernstlich beabsichtigt, die Richtigkeit seiner Behauptungen glaubhaft zu machen. Wäre ihm daran gelegen gewesen, so hätte er seine Zeugen zur mündlichen Verhandlung sistieren können.
So weit das Gericht.
Der Strafantrag, der dem Ausschuß und dem Herrn Berichterstatter vorgelegen haben muß, sagt unter anderem:
Es kann somit keinerlei Zweifel unterliegen, daß die eingangs erwähnte und durch die benannten Zeugen unter Beweis gestellte Äußerung des Beschuldigten in der Lützel-Wiebelsbacher Wahlversammlung der CDU sowohl objektiv wie subjektiv den Tatbestand der Beleidigung und üblen Nachrede im Sinne der
185, 186 StGB unter den erschwerenden Voraussetzungen und Umständen des § 187 a Abs. 1 StGB voll und ganz erfüllt. Die Frage zu klären, ob der Beschuldigte seine inkriminierten Behauptungen nicht sogar wider besseres Wissen aufgestellt hat und deshalb eine Bestrafung aus §§ 187, 187a Abs. 2 StGB Platz zu greifen hätte, muß den von der Strafverfolgungsbehörde anzustellenden Ermittlungen überlassen bleiben.
Das wurde alles dem Hohen Hause nicht gesagt! Schlußfolgerung meinerseits: ich habe festzustellen, das der Beschluß des Deutschen Bundestages auf Nichtaufhebung der Immunität` des Abgeordneten Dr. Löhr auf eine den Tatsachen nicht gerecht werdende Berichterstattung zurückzuführen ist.
Erlauben Sie mir einen Satz zum Abschluß, um jedem Mißverständnis vorzubeugen. Ich bin bis zum Jahre 1933 Reichstagsabgeordneter gewesen, wurde als Hitler-Gegner verhaftet, stand vor meiner Verbringung nach Dachau und habe mich dieser durch die Flucht entzogen. Ich glaube, daß das Hohe Haus bei der Entscheidung über Anträge auf Aufhebung der Immunität Anspruch auf eine sachlich einwandfreie Berichterstattung hat.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203105900
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
a) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Förderungsprogramm für die Zonenrandgebiete (Drucksache 293),
b) Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316, Umdruck 113),
c) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510),
d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 432),
e) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Straßenbau im Zonenrandgebiet (Drucksache 433),
f) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 434),
g) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet (Drucksache 435),
h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Wacher (Hof), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar und Genossen betreffend Beihilfe für Grenzbauern (Drucksache 529).
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, die Beratung der aufgerufenen Punkte in der Form zu verbinden, daß zuerst sämtliche Punkte begründet werden, hierauf die Regierung antwortet und dann die allgemeine Aussprache über sämtliche Punkte stattfindet. Besteht auf allen Seiten Einverständnis? — Dies ist der Fall. Dann erteile ich das Wort zur Begründung des Punktes 4 a — Große Anfrage der Fraktion der FDP betreffend Förderungsmaßnahmen für die Zonenrandgebiete — Herrn Abgeordneten Dr. Drechsel.
Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, es ist zur Begründung der Großen Anfrage meiner Fraktion nicht notwendig, noch einmal alle die Dinge zur Sprache zu bringen, die zu den Notständen in den Zonengrenzgebieten geführt haben und deren Ursachen und wirtschaftliche und politische Folgen ja genügend in der Bundestagssitzung im Juli vergangenen Jahres diskutiert worden sind. Ich bin der Auffassung, daß wir uns heute nicht mehr mit diesen Dingen zu befassen brauchen, da man wohl voraussetzen darf, daß sie dem Hohen Hause noch genügend bekannt sind.

(Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders übernimmt den Vorsitz.)

Die Verhältnisse in den Zonengrenzgebieten haben sich in dieser Hinsicht nicht wesentlich geändert. Heute sollten wir die einzelnen Anfragen und die einzelnen Anträge mehr nüchtern und real betrachten und nicht etwa demagogisch polemisieren; denn das führt für die Bevölkerung dieser Zonengrenzgebiete zu keinem besseren Erfolg.

(Abg. Dr. Gülich: Das ist auch früher nicht geschehen!)

— Doch, zum Teil ist es geschehen!
Unsere Anfrage datiert vom 26. Februar 1954. Darauf ist besonders hinzuweisen; denn die Antwort des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist erst in diesen Tagen eingegangen. Ich persönlich habe sie erst am Montag dieser Woche erhalten, also immerhin mit einem erheblichen Abstand.
Bei unseren Betrachtungen haben wir von dem Bundestagsbeschluß vom 2. Juli 1953 auszugehen, in dem ein langfristiges Förderungsprogramm mit verschiedenen Punkten einstimmig beschlossen worden ist. Diese Beschlüsse haben dann auch zu sehr vielen Denkschriften, zu sehr vielen Kommissionen, zu Bereisungen und interministeriellen Ausschüssen geführt, aber die praktischen Folgerungen sind sehr kläglich gewesen. In dem Programm der Bundesregierung vom 19. August 1953 sind bereits einige Punkte der Beschlüsse des Bundestages ausgelassen worden, beispielsweise die kulturellen Maßnahmen und die Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft. Trotzdem kann man wohl feststellen, daß die Bundesregierung ihr Interesse


(Dr.-Ing. Drechsel)

für die Zonenrandgebiete nach wie vor bekundet hat, was sie auch in der Regierungserklärung am 20. Oktober 1953 bestätigt hat.
Endlich ist dann ein Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums als des federführenden Ministeriums zum 15. Februar 1954 angefordert worden. In diesem Bericht, der wahrscheinlich den gleichen Inhalt hat wie der Bericht, der uns hier mit Drucksache 534 vorliegt, ist nun im einzelnen aufgeführt, was von der Bundesregierung vorgesehen ist. Darin steht auch, daß dem Ersuchen des Bundestages zum Teil nicht entsprochen worden ist. Man begründet diese Auslassungen mit den entstandenen sachlichen Schwierigkeiten. Dabei hatte man wahrscheinlich die sachlichen Schwierigkeiten mit den Ländern im Auge, weil der Bundestagsbeschluß von vornherein bei den einzelnen Programmpunkten eine Beteiligung der Länder vorsah. Zum anderen wird zur Begründung die Haushaltslage des Bundes angeführt. Hier entsteht bereits eine grundsätzliche Frage. Inwieweit ein solcher Beschluß eines Hohen Hauses, wie es dieser Bundestag doch ist, von der Exekutive mit der Begründung, die Haushaltslage des Bundes lasse dies nicht zu, nicht durchgeführt zu werden braucht, würde auf einem anderen Blatt stehen.
Hinsichtlich der einzelnen Maßnahmen haben die Länder verschieden mitgezogen. Bayern hat sich sehr willig gezeigt und beispielsweise die Frachthilfe bereits von vornherein mit zugestanden. Die anderen Länder, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Hessen, haben das nicht getan. Sie haben mit dem Bund verhandelt und dabei die Auffassung vertreten, daß es sich hier um Kriegsfolgelasten handele, für die in erster Linie der Bund einzustehen habe. Nach dem Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers ist nunmehr vereinbart worden, daß ab 1. April 1954 eine Aufteilung dieser Frachthilfe — ein Drittel auf die Länder und zwei Drittel auf den Bund — erfolgen solle. Damit tritt aber erstens eine erhebliche Verzögerung der an sich schon für 1953 vorgesehenen Unterstützung ein, und zweitens werden die im Programm eingesetzten Mittel in Höhe von 5 Millionen DM nicht erhöht, obwohl der Anteil des Bundes jetzt zwei Drittel betragen soll.
Inzwischen sind wohl in wirtschaftlicher Hinsicht in den Zonenrandgebieten gewisse Besserungen zu verzeichnen, aber keineswegs etwa so kräftige, wie man es auf Grund des Beschlusses des Bundestages vom Juli 1953 hätte erwarten sollen. Der Abstand zu den übrigen, vor allen Dingen zu den besser gestellten und glücklicheren Gebieten unserer Bundesrepublik ist derselbe geblieben. Ausgelassen ist auch nach wie vor noch der Ausgleich der überhöhten Gewerbesteuerbeträge, die vor allem in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein belastend sind. Man könnte darüber streiten, ob das immer eine Belastung ist, die durch die Verhältnisse in den Zonengrenzgebieten begründet ist, oder ob das nicht vielleicht auch auf die Politik einzelner Gemeinden zurückzuführen ist. Jedenfalls haben wir nach wie vor zu beobachten, daß immer wieder Betriebe abwandern und immer wieder Klage über Abwerbung geführt wird. Ich persönlich bin allerdings der Auffassung, daß man diese Abwerbung nicht so ernst nehmen sollte,

(Abg. Dr. Gülich: Was?!)

weil die Betriebe meistens selbst den Drang nach Westen haben.

(Abg. Dr. Gülich: Warum denn?)

— Warum? Weil das wirtschaftliche Klima in den Zonenrandgebieten ihnen ein wirtschaftliches Arbeiten nicht zuläßt!

(Abg. Dr. Gülich: Das ist der Gegenstand unserer Diskussion!)

— Das ist der Gegenstand unserer Diskussion. Da sind wir uns vollkommen einig. Ich persönlich und meine Freunde sind absolut der Auffassung: Solange man das wirtschaftliche Klima in den Zonenrandgebieten nicht grundsätzlich verändert und so gestaltet, daß dort ein wirtschaftliches Arbeiten möglich ist, kann man auch die Abwanderung und Abwerbung nicht vermeiden. Sie haben vollkommen recht, daß unsere Diskussion heute dahin gehen müßte. An sich hätten schon auf Grund der Beschlüsse des Bundestags vom Juli 1953 Schritte getan werden sollen, um das wirtschaftliche Klima in den Zonenrandgebieten zu verbessern. Wir haben festzustellen, daß das noch nicht geschehen ist.

(Abg. Dr: Gülich: Reden Sie heute etwas zur Verbesserung des Klimas!)

— Jetzt kommt also die Frage: Wie kann man das Klima in den Zonenrandgebieten verbessern? Darauf werde ich noch zu sprechen kommen. Ich wollte nur zunächst noch auf den Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers im einzelnen eingehen. Die Voraussetzungen dafür, daß das Klima, wie wir es hier genannt haben, richtig wird, scheinen mir jedenfalls in keiner Weise gegeben zu sein.
Was ist denn eigentlich geschehen? Gewiß sind verschiedene Maßnahmen durchgeführt worden, die in dem vorliegenden Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers erwähnt werden; aber es scheint mir in keiner Weise erwiesen zu sein, daß diese Maßnahmen eine Bevorzugung der Zonenrandgebiete gebracht haben. Jedenfalls sind das einzelne Dinge, die ja auch für die ganze Bundesrepublik gelten. So kann ich in Anbetracht dieser Verhältnisse z. B. für Niedersachsen die Unterstützung durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zahlenmäßig einigermaßen ergründen, da der Bevölkerungsanteil in den Zonenrandgebieten in Niedersachsen 32 % beträgt, der Anteil der Arbeitnehmer 34 % und der der Arbeitslosen ebenfalls 34 °/o des ganzen niedersächsischen Raumes. Dagegen sind nur 24,9 % der Mittel für die verstärkte Förderung nach Niedersachsen geflossen. Ich befürchte, daß sich bei näherer Untersuchung der einzelnen Maßnahmen, die man für die Zonengrenzgebiete ergriffen hat, wenigstens in einigen Fällen zeigen wird, daß damit durchaus keine Bevorzugung der Zonenrandgebiete verbunden ist.
Die Behinderung der Hilfe durch die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung liegt auch noch darin, daß es sich ausgerechnet immer um die ärmeren Länder, um die ärmeren Gemeinden handelt, die dazu beitragen müssen, als Träger für die einzelnen Projekte noch Eigenmittel aufzubringen, die sie zum Teil nicht haben oder sich zum Teil auch nicht einmal auf dem Darlehenswege beschaffen können, weil die Zinsen so hoch sind, die sie dann wieder tragen müssen und die zu einem weiteren Defizit führen müssen.
Ebenfalls fehlen noch die Regelungen für die Sonderabschreibungen, die zunächst so gefaßt waren, daß die Betriebe, die solche steuerlichen Vorteile in Anspruch nehmen wollten, schon bis zum Hals


(Dr.-Ing. Drechsel)

oder gar bis zum Mund im Wasser stehen mußten, während in dem vorliegenden Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers allerdings gesagt ist, daß man an eine generelle Regelung für die Sonderabschreibungen denke. Allerdings ist die Einschränkung gemacht, „unter bestimmten Voraussetzungen" werde die erforderliche Zustimmung für Sonderabschreibungen generell erteilt. Dieser Begriff „bestimmte Voraussetzungen" ist wieder sehr auslegungsfähig. Man weiß nicht genau, Was darunter nun wirklich verstanden werden soll.
Im übrigen scheint mir die Bemerkung in dem Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers, daß die Länder den Empfehlungen des Herrn Bundesfinanzministers gerade in den steuerlichen Dingen schon weitgehend gefolgt seien, reichlich optimistisch zu sein. Wesentliche Auswirkungen sind jedenfalls in den Zonenrandgebieten selbst kaum zu beobachten.
Die Auswirkungen der Zuweisung öffentlicher Aufträge, die durch den Erlaß vom 31. März 1954 eigentlich erst in die Wege geleitet worden sind, sind überhaupt noch nicht zu übersehen. Diese Maßnahme wird aber zweifellos zu einer wesentlichen Hilfe für die Wirtschaft und die Betriebe in den Zonenrandgebieten führen. Wir werden uns noch darum zu bemühen haben, die Zuweisung öffentlicher Aufträge auf die Besatzungsaufträge auszudehnen, was auch schon in dem Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers als möglich dargestellt ist. Offensichtlich hat man auch schon hierüber günstige Verhandlungen geführt. Wir hoffen, daß sie in diesem Sinne fortgesetzt werden.
Nun komme ich zu etwas praktischeren Dingen. Zunächst handelt es sich um die 120 Millionen DM, die in dem Haushaltsplan 1954 für Hilfsmaßnahmen in den Grenzgebieten eingesetzt sind. Die Damen und Herren werden sich erinnern, daß wir bei der Haushaltsdebatte über das fragliche Kapitel einen Antrag gestellt haben, das darin ausgesprochene Junktim, daß diese 120 Millionen DM nur gezahlt oder aufgebracht werden sollten, wenn die Regelung zwischen Bund und Ländern über den 42 %igen Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer durchgeführt werden könne, aufzuheben, da wir der Auffassung sind, daß der Bund durch den Bundestagsbeschluß vom Juli 1953 zu einer solchen Hilfe unter allen Umständen verpflichtet ist.
Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat dann am 30. April 1954 eine Erklärung abgegeben. Er hat die Meinung ausgedrückt, daß diese 120 Millionen eigentlich gar nicht mit dem Beschluß des Bundestags vom Juli 1953 in Zusammenhang stünden.

(Abg. Dr. Gülich: Das behauptet er!)

— er hat der Meinung Ausdruck gegeben, habe ich gesagt —, und hat weiter hinzugefügt, daß der Betrag von 120 Millionen deshalb gewählt sei, weil nach Überzeugung der Bundesregierung der horizontale Finanzausgleich unter den Ländern nicht dazu ausreiche, den Ländern, in denen diese Grenzgebiete liegen, die nötige wirtschaftliche Kraft zu geben, um diesen Grenzgebieten genügend Hilfe zu leisten. Offensichtlich haben also sowohl die Mitglieder des Finanz- und Steuerausschusses als auch andere Damen und Herren dieses Hohen Hauses diesen Ansatz von 120 Millionen im Haushaltsplan 1954 falsch verstanden; ich persönlich ebenfalls. Daraus ergibt sich doch nun wohl, daß diese 120 Millionen DM nach einem bestimmten Schlüssel, der im Plan ebenfalls aufgeführt ist und über
den zu streiten hier nicht der Platz ist, auf diese vier Länder aufgeteilt werden und in die Kassen dieser Länder fließen.

(Abg. Dr. Gülich: Das steht ja in Drucksache 201 drin!)

— Ja, das steht so drin. — Das scheint aber nun wirklich nicht im Sinne der ganzen Angelegenheit zu liegen. Ich will gar nicht bestreiten, daß diese 120 Millionen DM einen ganz namhaften Betrag darstellen und daß man mit ihnen schon ins Gewicht fallende Projekte in Angriff nehmen kann. Es scheint uns aber, wenn man überhaupt diese 120 Millionen DM für die Zonenrandgebiete geben will, erforderlich zu sein, daß dann auch eine Zweckbindung für sie vorgesehen wird, und zwar auch in den Länderhaushalten, damit sie dort nicht verschwinden. Was wollen wir denn? Wir müssen doch in den Zonenrandgebieten ein langfristiges Förderungsprogramm durchführen. Es muß klar sein, welche Mittel zu welchen Zwecken zur Verfügung stehen und unter welchen Bedingungen sie gegeben werden, ob sie etwa nur in einem Haushaltsjahr fließen und in diesem Haushaltsjahr auch ausgegeben werden müssen, oder ob auch im nächsten Haushaltsjahr mit eben solchen Mitteln gerechnet werden kann. Nur wenn diese präzisen Angaben vorliegen, sind die in intensiver Tätigkeit begriffenen Ausschüsse und Kommissionen der Gemeinden usw. in der Lage, ihre schon vorliegenden Vorschläge zu wirklichen Planungen auszuarbeiten und diese Planungen dann auch in die Tat umzusetzen. Hier, meine ich, müssen wir also eine konkretere Auskunft von dem Herrn Bundeswirtschaftsminister erbitten.
In diesem Zusammenhang liegen nun noch verschiedene Anträge vor. Da ist einmal der Vorschlag zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, wonach für die Zonenrandgebiete diese Steuer auf die Hälfte ermäßigt werden soll. Meine Freunde sind der Auffassung, daß man einem solchen generellen Antrag nicht folgen kann. Es handelt sich ja bei den Zonengrenzgebieten nicht etwa um einen abgeschlossenen Bereich wie beispielsweise Berlin, sondern die Grenzen sind hier ziemlich willkürlich gezogen. Man müßte irgendwelche Abgrenzungen vornehmen, um das Gebiet überhaupt erst einmal erfassen und bezeichnen zu können. Es sind aber keine klaren Grenzen vorhanden, sondern sie fließen ineinander über. So kann es vorkommen, daß Betriebe nur eine Straßen- oder Bachbreite voneinander entfernt sind und der eine dann eine steuerliche Vergünstigung erhält, der andere nicht.
Glücklicherweise sind, wie wir feststellen können, nicht alle Betriebe in den Zonenrandgebieten notleidend. Es gibt schon Betriebe, die einigermaßen durchkommen. Man müßte daher zum Ausdruck bringen, daß nur solchen Betrieben Unterstützung gewährt wird, die infolge der unglücklichen Zonengrenze besonders notleidend geworden sind. Man kann die Frage also nicht so generell regeln. Überhaupt sind wir der Meinung, daß man der Not in den Zonengrenzräumen nicht mit generellen Maßnahmen zu Leibe rücken kann; vielmehr ist ein individuelles Vorgehen notwendig. Das ist natürlich wesentlich schwieriger, wie zuzugeben ist, aber es ist unerläßlich.
Die Frage der Kredithilfe ist wiederholt aufgeworfen worden. Wir sind der Meinung, daß man alle Bemühungen unterstützen sollte, der Wirtschaft eine Kredithilfe zu geben. Dabei steht nicht einmal so sehr der Kredit als solcher im Vorder-


(Dr.-Ing. Drechsel)

grund, sondern es handelt sich mehr um die Bedingungen, insbesondere darum, zu welchem Zins fuß solche Kredite zur Verfügung gestellt werden können.
Es liegt dann noch der Antrag der Fraktion der SPD wegen des Straßenbaus in den Zonenrandgebieten vor. Wie der Herr Bundeswirtschaftsminister in seinem Bericht schon ausgeführt hat, berührt diese Frage in erster Linie die Länder. Es kommen kaum bundeseigene Straßen in Betracht.
Ich habe bereits erwähnt, daß die Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft weggefallen sind. Wir stehen aber auf dem Standpunkt, daß man sie weiter im Auge behalten muß, besonders dann, wenn landwirtschaftliche Betriebe in ihrer Existenz gefährdet sind, worauf der eine Antrag auch hinweist.
Nun ist noch der Antrag Umdruck 113 gekommen, der kulturelle Hilfsmaßnahmen fordert. Da besteht ja ein alter Streit: Die kulturellen Hilfsmaßnahmen zu treffen, sei Sache der Länder und nicht des Bundes. Hierüber wird in der Diskussion wohl noch etwas zu sagen sein.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203106000
Herr Abgeordneter, Sie haben nicht zu allen Anträgen zu sprechen.
Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender: Mir ist gesagt worden, ich solle alle begründen.

(Lachen und Zurufe. — Abg. Wehner: Sie begründen ja gleich sämtliche Anträge der Fraktionen!)

— Ich hatte nur gedacht, daß ich zu allen Anträgen Stellung nehmen sollte. Wenn ich das aber nicht tun soll, gut, in Ordnung!

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203106100
Der
Herr Abgeordnete hat es also mißverstanden.
Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender: Ja, ich hatte angenommen, daß gleich zu allen Anträgen Stellung genommen werden sollte. Aber, nun gut, machen wir das dann später!
Große Sorgen bereiten uns in den Zonengrenzgebieten, wenn ich das noch sagen darf, die neuen Verkehrsgesetze. Die Zonengrenzgebiete werden dadurch erneut benachteiligt.
Nunmehr möchte ich zum Schluß kommen. Die einzelnen Anträge werden ja begründet. In der Diskussion kann darüber gesprochen werden. Es tut mir leid, daß ich etwas vorgegriffen habe.
Zusammenfassend darf ich sagen, daß nach unserer Auffassung zwar einiges getan worden ist, aber eben durchaus noch nicht genügend. Die Frage ist, wie man weiterkommt. Ich meine, man sollte mit den 120 Millionen DM, die nach dem Haushalt zur Verfügung stehen, schnellstens eine Aktion einleiten. Voraussetzung dafür ist eine gute Koordinierung zwischen den in Frage kommenden Stellen des Bundes und der Länder. Der Bund muß auf die Verwendung der 120 Millionen DM dauernden Einfluß nehmen.
Andere Mittel des Bundes werden wahrscheinlich nicht vorhanden sein. Man wird mit diesen 120 Millionen DM also jetzt arbeiten müssen.

(Zurufe von der SPD: Die sind doch auch nicht da! — Es ist überhaupt nichts da! Wissen Sie denn, an welche Bedingungen die geknüpft sind? An die 42 %!)

— Nein! Die 120 Millionen werden wahrscheinlich

(Zurufe von der SPD: Ja, ja, wahrscheinlich!)

dasein. Wenn aber die 120 Millionen DM auch nicht dasind, dann wäre es ganz schlimm.

(Abg. Wehner: Sie sind der erste, der sie gefunden hat! — Zuruf von der SPD: Die bringt der Weihnachtsmann! — Heiterkeit.)

— Nein, ich bin kein Weihnachtsmann, das wäre dann Herr Schäffer! — Aber Sie werden mir zugeben, daß mit den 120 Millionen DM zunächst einmal gerechnet werden muß. Wir müssen verlangen, daß diese 120 Millionen zur Verfügung stehen; das ist also die primäre Frage. Wenn also die 120 Millionen vom Bunde zur Verfügung stehen

(Abg. Kahn: Die gibt uns der Herr Finanzminister!)

- die gibt uns der Herr Finanzminister —, dann ist es notwendig, daß wir mit diesem Betrag schnellstens aktiv werden.

(Abg. Kahn: Aber die kommen doch vom Steuerzahler! — Zurufe von der SPD: Wo ist denn der Finanzminister? — Holen Sie doch Ihren Finanzminister mal her!)

— Der Herr Finanzminister ist nicht da. — Ich sagte, wenn die 120 Millionen DM zur Verfügung stehen, dann müssen wir unbedingt sofort aktiv werden, und zwar durch den Unterausschuß Zonengrenzgebiete, der ja schon hervorragend gearbeitet hat.
Ferner ist es notwendig, daß wir dann eine Koordinierung zwischen Bund und Ländern herbeiführen. Wer in diesen Zonengrenzgebieten Abgeordneter ist, kann sich dort schon allmählich gar nicht mehr sehen lassen. Die Versprechungen, die gemacht worden sind, sind ungeheuer, und erfolgt ist noch gar nichts.

(Zustimmung bei der SPD.)

Der Herr Finanzminister hat mir auf diesen Einwand hin erklärt, er stamme ebenfalls aus einem Grenzgebiet.

(Abg. Kahn: Er ist dort gewählt! Er stammt aus München!)

Vielleicht behandelt man prominentere Mitglieder dieses Hauses nicht so wie die einfachen oder, wenn ich so sagen soll, die aktiven Mitglieder, die sich in den kleineren Gemeinden und in den kleinen Restaurants mit den Leuten unterhalten müssen und dabei alles Mögliche zu hören bekommen.
Wir sind also der Auffassung — und ich darf wohl unterstellen, daß das Haus in seiner Gesamtheit nach wie vor zu dem Bundestagsbeschluß vom 2. Juli 1953 steht —, daß nunmehr schneller und nachdrücklicher geholfen werden muß als bisher. Ich glaube, wenn wir die 120 Millionen DM weiterhin fordern, können wir mit diesen 120 Millionen und den zusätzlichen Mitteln der Länder auch etwas Positives für die Zonengrenzgebiete in die Wege leiten.

(Beifall bei der FDP.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203106200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.

Dr. Paul Bleiß (SPD):
Rede ID: ID0203106300
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege D r. Drechsel hat als Mitglied der Koalitionsparteien die etwas


(Dr. Bleiß)

schwierige Aufgabe gehabt, eine Große Anfrage begründen zu müssen, die, wie sich aus der Drucksache 293 ergibt, den Tatbestand einer weiteren Verzögerung der Bekanntgabe konkreter Absichten im Zonenrandgebiet beinhaltet. Herr Kollege Dr. Drechsel hat seine Aufgabe zu lösen versucht, indem er zunächst als Generalberichterstatter für alle Fraktionen und für sämtliche Anträge aufzutreten versuchte. Herr Kollege Dr. Drechsel, Sie haben das Ersuchen an uns gerichtet, daß wir niemandem weh tun mögen; Sie sind mit einigen sehr vorsichtigen Formulierungen auch auf Ihre eigene Anfrage eingegangen,

(Heiterkeit bei der SPD)

und Sie haben dabei auch einige kräftige Seitenhiebe in Richtung der Länderregierungen ausgeteilt.
Ich danke Ihnen für die Ermahnung, möchte aber sagen, daß wir als Opposition in der glücklichen Lage sind, nicht so viele Rücksichten wie Sie nehmen zu müssen. Wir können die Dinge ruhig beim Namen nennen.
Nun zur Sache selbst! Der Bundestag hat in seiner 279. Sitzung am 2. Juli vergangenen Jahres das bekannte Förderungsprogramm beschlossen. Das Programm sollte dazu dienen, die Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten zu verbessern, die strukturelle Dauerarbeitslosigkeit zu mildern und die Ost-West-Verlagerung der Industrie abzustoppen. Ich darf Sie daran erinnern, daß das Programm sechs Punkte umfaßte, und zwar
1. die Gewährung einer Frachtkostenbeihilfe von 15 Millionen DM,
2. die Senkung der Gewerbesteuerhebesätze,
3. die Bildung steuerfreier Investitionsrücklagen,
4. die Zulassung von Sonderabschreibungen auf Anlagewerte,
5. allgemeine Förderungsmaßnahmen und
6. kulturelle Hilfsmaßnahmen auf die Dauer von fünf Jahren, jährlich mit einer Summe von 25 Millionen DM.
Alle sechs Programmpunkte wurden damals nahezu einstimmig beschlossen, wobei das Hohe Haus der Meinung war, daß die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit lediglich ein Minimalprogramm darstellen sollten.
Das Bundeskabinett hat sich in seiner Sitzung vom 19. August mit diesen Programmpunkten beschäftigt. Aus der Verlautbarung, die nach der Sitzung erfolgt ist, ergibt sich, daß schon damals die Beschlüsse des Bundestags entscheidend reduziert wurden. So wurde beispielsweise die Frachtkostenhilfe von 15 Millionen DM auf 5 Millionen DM herabgesetzt, die Bildung steuerfreier Investitionsrücklagen wurde überhaupt nicht mehr erwähnt. Von dem gleichen Schicksal wurden die Aufwendungen für kulturelle Hilfsmaßnahmen ereilt. Bei der nächsten Gruppe von Hilfeleistungen — bei den steuerlichen Maßnahmen — beschränkte sich die Bundesregierung in ihrem Kommuniqué auf Empfehlungen. Sie empfahl zunächst den Ländern, bei Ermessensentscheidungen und Auslegungsfragen großzügig zu verfahren; sie empfahl den Gemeinden, die Gewerbesteuerhebesätze zu senken.
Meine Damen und Herren, die Empfehlungen, die von der Bundesregierung ausgesprochen worden sind, hätten doch nur dann einen Sinn gehabt,
wenn der Bund den Gemeinden gleichzeitig die Erstattung der Steuerausfälle garantiert hätte.

(Zustimmung bei der SPD.)

Denn es ist doch auch der Bundesregierung bekannt, daß die Gemeinden in den Grenzgebieten — bei der Fülle ihrer Aufgaben — aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, Steuerausfälle zu tragen.

(Zuruf von der SPD: Im Gegenteil!)

Die Garantie einer Erstattung aber hat die Bundesregierung den Gemeinden nicht gegeben. Deshalb mußte sich auch diese Maßnahme negativ auswirken.
Nicht viel anders hat sich die Bundesregierung bei den Sonderabschreibungen auf Anlagen verhalten. Der Bundestag hatte nach dem Wortlaut der Drucksache 4487 Sonderabschreibungen für a 11 e Betriebe im Zonenrandgebiet gefordert. Der Herr Bundesfinanzminister änderte diesen Beschluß ab und machte — durch seinen Erlaß vom 12. Oktober 1953 — die Gewährung von Sonderabschreibungen von dem Nachweis der Bedürftigkeit abhängig. Also — und das möchte ich hier feststellen — ist auch dieser Beschluß des Bundestags in seinen wesentlichen Merkmalen geändert worden.
Schließlich noch ein Wort zu den allgemeinen Förderungsmaßnahmen! Der Bundestag hatte ein umfangreiches Programm angesprochen und unter anderem Maßnahmen zum Zwecke der Zinsverbilligung, Maßnahmen zum Zwecke der Förderung des Straßenbaues, zum Zwecke der Förderung des Wohnungsbaues verlangt. In der Kabinettsverlautbarung wurde aber dieser Programmteil mit der lapidaren Feststellung abgetan,
daß man bei allen weiteren Förderungspro-
grammen auf den Grenzstreifen entlang dem
Eisernen Vorhang Rücksicht nehmen werde. Meine Damen und Herren, was nutzt ein solches Bekenntnis, wenn seit dem Kabinettsbeschluß Förderungsprogramme überhaupt nicht aufgestellt worden sind?! Ein solches Bekenntnis ist doch — unter den gegebenen Verhältnissen — weiter nichts als eine leere Deklamation. Angesichts dieser Tatsachen sind wir zu der Feststellung gezwungen, daß die Bundesregierung die Beschlüsse des 2. Juli vergangenen Jahres entweder überhaupt nicht oder nur teilweise realisiert hat.
Es ist nicht das erste Mal, daß sich die Bundesregierung über Beschlüsse des Bundestages einfach hinwegsetzt.

(Abg. Dr. Gülich: Nein, das ist nicht das erste Mal!)

Wir Sozialdemokraten hatten mehrfach Anlaß, die in dieser Methode liegende Nichtachtung des Bundestages zu kritisieren. Wir legen heute erneut Verwahrung dagegen ein, daß Beschlüsse des Bundestages entweder überhaupt nicht oder mit großer Verzögerung realisiert werden.
Von dem Minimalprogramm des 2. Juli ist also nur ein bescheidener Rest übriggeblieben, und dieser Rest wurde noch weiter dadurch reduziert, daß der Herr Bundesfinanzminister die Gewährung von Frachtkostenzuschüssen von einer 50%igen Beteiligung der Länder abhängig machte.

(Abg. Dr. Gülich: Über 40%ige!)

Wir finden diese Einstellung merkwürdig; denn
die erhöhten Frachtkosten sind doch zweifellos
echte Kriegsfolgelasten, von denen der Bund normalerweise 85% zu übernehmen hat. Durch den


(Dr. Bleiß)

Streit zwischen Bund und Ländern, der erst vor wenigen Tagen durch das Entgegenkommen der Länder beigelegt wurde, ist die Frachtkostenhilfe auf das Land Bayern beschränkt geblieben. Die 5 Millionen DM konnten nur etwa zur Hälfte ausgenutzt werden.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Aber Herr Bleiß, das ist doch nicht die Schuld der Bundesregierung!)

— Aber gnädige Frau, ich wollte Ihnen nur sagen: Wenn der Bund 85% zu übernehmen hat, aber nur 50% bietet, glauben Sie, daß die Länder dann so schnell auf ihr Recht verzichten und der Forderung des Bundes nachgeben werden?

(Erneuter Zuruf der Abg. Frau Dr. Brökelschen.)

Die Verzögerung ist doch nicht die Schuld der Länder, sondern die des Bundesfinanzministers, der so hartnäckige Bedingungen stellt.

(Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das ist verfassungswidrig!)

Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen, infolge der Verweigerung der Anreizmittel, ist es kein Wunder, daß die Abwanderung der Betriebe aus den Zonenrandgebieten unvermindert anhält. Allein aus den Randgebieten Schleswig-Holsteins sind — ich nenne diese Zahlen als ein symptomatisches Beispiel — weitere sieben Industriebetriebe abgewandert und Hunderte von Arbeitsplätzen verlorengegangen. Der Anteil der Arbeitslosen in diesem Grenzstreifen beläuft sich heute noch auf 20% der Beschäftigten. Ich muß leider sagen, daß in den anderen Zonenrandgebieten die Verhältnisse noch wesentlich ungünstiger liegen.
Deshalb fragen wir in der Drucksache 316:
Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten weiter verschärft und daß die Betriebsverlagerungen von den Zonenrandgebieten in andere Gebiete der Bundesrepublik immer noch fortgesetzt werden?
Wir fragen weiter:
Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um durch wirtschafts-, steuer- und verkehrspolitische Maßnahmen die Abwanderung von Betrieben zu verhindern und neue arbeitsintensive Unternehmungen in den Zonenrandgebieten anzusiedeln?
Meine Damen und Herren, für besonders bedauerlich halten wir es, daß die Bundesregierung 25 Millionen. DM für kulturelle Hilfsmaßnahmen nicht zur Verfügung gestellt hat. Der Betrag sollte für Schulbauten und Schuleinrichtungen,

(Abg. Samwer: Sehr schade!)

insbesondere für Volks- und Berufsschulen, und für jugendfördernde Maßnahmen verwandt werden. Es drängt sich uns die Frage auf, warum die Bundesregierung dem kulturellen Sektor gerade an der Zonengrenze so wenig Beachtung schenkt. Wir hoffen, auf unsere Frage eine befriedigende Antwort zu erhalten.
Vielleicht wird man uns darauf verweisen, daß im Einzelplan 60 des Haushalts 1954/55, wie Herr Dr. Drechsel schon erwähnte, ein Betrag von 120 Millionen für diese und andere Zwecke eingeplant worden sei. Aber, Herr Dr. Drechsel, gerade dieser Haushaltsposten ist doch stärkstens umstritten. Er
wird doch erst dann voll wirksam, wenn der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Quote von 42% erreicht.

(Abg. Pelster: Das war einmal!)

In der Haushaltsdebatte ist die Verknüpfung der 120 Millionen Grenzlandhilfe mit der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von meinem Freund Gülich als unmoralisch bezeichnet worden, unmoralisch deswegen, weil ein Haushaltsposten, der der Linderung der Wirtschaftsnot in den Zonenrandgebieten dienen soll, benutzt wird, um einige Finanzminister kompromißfreudiger zu stimmen. Ich glaube, daß die Bevölkerung in den Zonenrandgebieten kein Verständnis dafür aufbringen wird, daß ihre Wirtschaftsnot als Handelsobjekt benutzt werden soll. Es ist doch einfach unmöglich, der Grenzbevölkerung zu sagen, daß sie bei einem 40 %igen Bundesanteil keine Hilfe, bei einem 41 %igen Bundesanteil halbe Hilfe

(Zuruf rechts: Ist doch längst überholt!)

und erst bei einem 42%igen Anteil eine noch immer nicht ausreichende Hilfe zu erwarten habe. Wenn das inzwischen überholt ist, nehmen' wir das gern zur Kenntnis.

(Abg. Dr. Gülich: Es ist offiziell noch nicht bestätigt! Gerüchtweise ist es überholt!)

— Ich höre gerade: „gerüchtweise" ist es überholt.

(Abg. Pelster: Es ist überholt!)

— Wollte Gott, Sie hätten recht!
Ich glaube, daß man mit einseitig fiskalischem Denken Probleme in den Zonenrandgebieten nicht lösen kann. Sie sind auch nicht zu lösen mit Vertröstungen. So hat z. B. der Deutsche Uniondienst am 17. März 1954 verkündet, die CDU-Fraktion werde alles in ihrer Macht Stehende tun, um der gesamtdeutschen Frage gerecht zu werden. Meine Damen und Herren, ich möchte darauf antworten, daß die CDU-Minister in den vergangenen Monaten alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um die Beschlüsse des Bundestags vom 2. Juli zu verniedlichen und zu verzögern.

(Zustimmung bei der SPD.)

Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner schriftlichen Beantwortung der Interpellationen eine umfassende Übersicht über die bisher im Laufe der Jahre, d. h. seit 1951, in die Sanierungsgebiete geflossenen Mittel gegeben. Es wäre uns mehr damit gedient gewesen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister uns gesagt hätte, was nach den Beschlüssen vom Juli vergangenen Jahres getan worden ist. Ich wäre Ihnen, Herr Staatssekretär Westrick als Vertreter des Ministers, dankbar, wenn Sie — und darauf zielt ja unsere Große Anfrage ab — uns nachher vorexemplifizieren würden, was nach dem Kabinettsbeschluß vom 13. August an Bundesmitteln in die Zonenrandgebiete geflossen ist. Dabei müßten Sie allerdings die dankenswerte und großzügige Hilfeleistung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung — die ja nicht der direkten Einflußnahme der Bundesregierung unterliegt — außer acht lassen. Ich wäre Ihnen auch, Herr Staatssekretär Westrick, dankbar, wenn Sie den Betrag für Sontra außer acht lassen würden, der praktisch eine schon seit Jahren fließende Hilfe darstellt.


(Dr. Bleiß)

Ich wäre Ihnen, Herr Staatssekretär, aber noch für eine weitere Aufklärung dankbar. In Ihren Richtlinien für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vom 31. März 1954 wird unter § 4 Abs. 4 gesagt, daß ein Bewerber aus dem Zonenrandgebiet den Zuschlag dann erhalten soll, wenn sein Angebot geringfügig über dem wirtschaftlichsten Angebot liegt. In dem schriftlichen Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers liest man es anders; darin steht, daß den Zonenrandgebieten eine wesentliche Vergünstigung zuteil werden soll. Nun, „geringfügig" und „wesentlich" sind in der Ermessensfrage zwei absolut unterschiedliche Begriffe.
Herr Dr. Drechsel hat vorhin gesagt, daß schon die Verordnung vom 31. März 1954 eine große Erleichterung sei. Ich kann die Auffassung nicht teilen. Der jetzige Wortlaut beinhaltet eine solche große Erleichterung noch nicht. Ich wäre Ihnen daher, Herr Staatssekretär, im Interesse der Randgebiete für eine Erklärung darüber dankbar, ob die Drucksache 534 eine verbindliche Interpretation der Verordnung vom 31. März 1954 bedeutet.
Meine Damen und Herren, die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung haben uns nicht befriedigt. Wir haben deswegen zur Behebung der Wirtschaftsnot in den Zonenrandgebieten fünf Anträge eingebracht, die von meinen Freunden im einzelnen begründet werden.
Generell möchte ich im Zusammenhang mit der Großen Anfrage zu den Anträgen sagen, daß sie vor allem darauf abzielen, die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Wir beantragen, für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Betrag von 60 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, um damit Notstandsarbeiten — Meliorationen usw. — zu finanzieren. Aus dem Betrag von 60 Millionen DM sollen auch Zuschüsse gewährt werden, Zuschüsse an finanzschwache Gemeinden und an sonstige Träger von Notstandsarbeiten, die — trotz der Dringlichkeit der Vorhaben — nicht in der Lage sind, die von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geforderte Eigenbeteiligung von 20% des Gesamtprojekts aufzubringen. Gerade an dem Erfordernis der Eigenbeteiligung von 20 % sind im vergangenen Jahre eine Reihe von Vorhaben gescheitert.
Meine Damen und Herren! Wir beantragen weiter im Sinne des Förderungsprogramms vom 2. Juli vergangenen Jahres —, daß für den Straßenbau ein Betrag von 65 Millionen und zum Zwecke der Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet 50 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. In allen Fällen handelt es sich um die Finanzierung arbeitsintensiver Programme.
Wir halten diese drei Sonderansätze neben den im Haushalt vermerkten 120 Millionen DM für notwendig, weil bei wirklich durchgreifender Hilfe die bisherigen Haushaltsansätze kaum ausreichen werden, um die im Förderungsprogramm vom 2. Juli festgelegten Maßnahmen wie z. B. die Frachtkostenhilfe, wie z. B. den Wohnungsbau, wie z. B. den Kulturfonds, wie z. B. die Erstattung von Gewerbesteuern, zu finanzieren. Aus diesem Fends müssen auch die Mittel für eine Hilfe der 2200 notleidenden landwirtschaftlichen Betriebe fließen.
Neben den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen halten wir es für erforderlich, die Wettbewerbsfähigkeit der Zonenrandgebiete durch eine Senkung der
Umsatzsteuer zu erhöhen. Wir sehen gerade in dieser Maßnahme, die mein Freund Kurlbaum noch ausführlich begründen wird, ein wirksames Mittel, um endlich die Betriebsabwanderungen nach dem Westen abzustoppen.
Meine Damen und Herren, bei den Vorschlägen, die ich hier angedeutet habe, werden Sie natürlich die Frage nach der Deckung der Ausgaben stellen.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Allerdings!)

Nun, wir sind mitten in den Beratungen über die Steuer- und Finanzreform, bei der ja rund 2,3 Milliarden DM zur Diskussion stehen. Ich halte das Problem der Zonenrandgebiete für so vordringlich, daß auch die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen bei den Steuerberatungen ihre Berücksichtigung finden sollten.
Aber abgesehen davon sollte in den Ausschüssen auch ernsthaft geprüft werden, ob die Sanierung der Zonenrandgebiete nicht aus den Mitteln des Verteidigungshaushalts zu bestreiten ist; denn die strukturelle Arbeitslosigkeit in vielen Notstandsgebieten wächst sich zu einem echten politischen Problem aus. Aus dem Gebiet Salzgitter kommen alarmierende Nachrichten über die massive und leider auch erfolgreiche Propaganda antidemokratischer Kräfte. Ich bin der Meinung, daß jede Mark, die für die Sanierung der Zonenrandgebiete ausgegeben wird, mehr für die Verteidigung der westlichen Demokratie bedeutet als ihre Verwendung für einen überhöhten Besatzungsbedarf.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister vertritt in der Drucksache 534 die Auffassung, daß die Durchführung von Hilfsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet keineswegs allein die Aufgabe des Bundes, sondern gemeinsam von Bund und Ländern wahrzunehmen ist. Diese Auffassung ist hinsichtlich der Kompetenzverteilung absolut richtig. Sie setzt aber voraus, daß die Länder auch die finanziellen Möglichkeiten haben, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Um diese Voraussetzungen zu schaffen, fordert die SPD nach wie vor die zentrale Finanzverwaltung. Die Bundesregierung hat unsere Forderungen bisher stets abgelehnt. Sie hat sich damit zu einer Finanzpolitik bekannt, die den Interessen der Grenzländer nicht gerecht wird. Wir müssen dem Herrn Bundesfinanzminister den Vorwurf machen, daß er auf die besonderen wirtschaftlichen Notstände in den Randgebieten bei seinen haushaltsmäßigen Überlegungen nicht die erforderliche Rücksicht genommen hat. Unter den gegebenen Verhältnissen ist es für die Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein unzumutbar, mit der Problematik in den Zonenrandgebieten fertigzuwerden. Solange aber die zentrale Finanzverwaltung nicht hergestellt ist, hat die Bundesregierung die Verpflichtung, die zur Sanierung der Zonenrandgebiete erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Und das hat sie bisher nicht getan.
Um diese klaffende Lücke auszufüllen, haben wir die Große Anfrage eingebracht. Sie soll dazu dienen, in der Richtung zur Behebung der Wirtschaftsnot und der Dauerarbeitslosigkeit in den Zonenrandgebieten ein gutes Stück weiterzukommen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203106400
Das
Wort hat Herr Staatssekretär Westrick vom Wirtschaftsministerium.


Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203106500
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich die Anfragen der SPD und der FDP gemeinsam beantworte, wobei ich um Ihre Erlaubnis bitte, daß ich zunächst zur Anfrage der SPD spreche, weil sich aus der Beantwortung dieser Anfrage schon einiges für die Anfrage der FDP ergeben wird.
Die Bundesregierung überwacht von jeher, und zwar laufend, die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Bundesrepublik sowohl als auch ihrer einzelnen Teilgebiete, und dabei widmet sie selbstverständlich den wirtschaftlich schwachen Räumen, vornehmlich den Zonenrandgebieten, die besondere, ihnen gebührende Aufmerksamkeit.

(Abg. Dr. Gülich: Davon merken nur die Zonenrandgebiete nichts!)

— Wenn Sie die Entwicklung sehr genau verfolgen, Herr Professor, werden Sie bestimmt auch bemerken, daß diese Maßnahmen ihre allerdings natürlich auch uns nicht voll befriedigenden Wirkungen ausgelöst haben und, wie wir hoffen, auch in Zukunft auslösen werden. Die letzten Ermittlungen über Art, Umfang und Größe der Notstände ergeben jedenfalls folgendes Bild. Die Zahl der beschäftigten unselbständigen Erwerbspersonen in den der sowjetischen Besatzungszone und der Tschechoslowakei vorgelagerten Arbeitsamtsbezirken insgesamt ist vom 30. September 1949 bis zum 30. September 1953 auf rund 109 % gestiegen. Dabei ist die. Entwicklung in keinem der Jahre zwischen 1949 und 1953 abwärts gerichtet gewesen; sie ist vielmehr ständig gestiegen, wenn auch mit verschiedener Intensität in den einzelnen Jahren. Die Beschäftigtenzahlen in der Bundesrepublik haben sich allerdings im gleichen Zeitraum um 18 Punkte erhöht. Die Steigerung ist also, relativ genommen, in der Bundesrepublik insgesamt besser als in den Zonenrandgebieten.
Ein ähnliches Bild ergibt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den genannten Arbeitsamtsbezirken. Während die Belastungsziffer — das ist die Zahl der Arbeitslosen in vom Hundert der unselbständigen Erwerbspersonen - am 30. September 1949 16,1% betrug, erreichte sie am 30. September 1953 nur noch 9,9%.

(Zuruf von der SPD: Aber die Abgewanderten?!)

— Darauf komme ich gleich zu sprechen. Die entsprechenden Zahlen im Bundesgebiet lauten 8,8 und 5,5 %. Auch hier ist also festzustellen, daß sich die Situation von Jahr zu Jahr ständig verbessert hat. Die beiden eben zitierten Daten, die durch Vergleichszahlen aus der Industrieberichterstattung über die Entwicklung der Beschäftig- ten, der geleisteten Arbeitsstunden, der Bruttosummen der Löhne und Gehälter sowie der Umsätze bestätigt werden, zeigen deutlich, daß die wirtschaftliche Entwicklung in den Zonenrandgebieten zwar nicht den Steigerungsgrad der Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit, insbesondere natürlich nicht in den günstigen Wirtschaftsgebieten im Westen der Bundesrepublik, erreicht hat, daß sie aber trotzdem aufwärts gerichtet ist.
Es muß hier also festgehalten werden, daß der Rückgang der Arbeitslosenzahl entgegen einer weit verbreiteten Auffassung nicht überwiegend, geschweige denn allein auf die Abwanderung von Arbeitskräften zurückzuführen ist, daß vielmehr das Ansteigen der Beschäftigtenzahlen eine wesentliche Ursache für die Entlastung des Arbeitsmarkts in den Zonenrandgebieten gewesen ist. Dies geht eindeutig aus einem Vergleich der absoluten Steigerung der Beschäftigtenzahl mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit hervor. Die beschäftigten unselbständigen Erwerbspersonen in den Zonenrandgebieten haben in der Zeit vom 30. September 1949 bis zum 30. September 1953 um 118 000 zugenommen, während die Arbeitslosenzahl in der gleichen Zeit um 102 000 abgenommen hat. Man kann also von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten keineswegs sprechen, wobei ich nicht abstreiten will, daß die Verbesserung in den günstigen Wirtschaftsgebieten der Bundesrepublik erheblicher war. Dies gilt nicht nur für den Durchschnitt der Zonenrandgebiete, sondern für alle Bezirke, auch für die wirtschaftlich besonders ungünstig liegenden Teilgebiete, wenn auch hier die Intensität der Entlastung unterschiedlich ist.
Über die in der Anfrage erwähnten Betriebsverlagerungen sind bisher trotz ernsten Bemühens überzeugende Nachweise nicht geführt worden. Im Rahmen der Betriebsbewegungen, die im gesamten Raum der Bundesrepublik in sehr begrenztem Umfang stattfinden, gibt es natürlich auch einige Betriebe aus den Zonenrandgebieten, die in günstigere Räume abgewandert sind.

(Abg. Dr. Schöne: Haben Sie da die Untersuchungen vom Institut für Raumforschung mit herangezogen?)

— Ich glaube nicht, daß die dabei sind.

(Abg. Dr. Schöne: Das würde ich aber empfehlen!)

— Das wollen wir gern tun und dann darauf zurückkommen.

(Abg. Dr. Schöne: Das ist ein ausgezeichnetes Material!)

- Danke sehr für die Anregung.

(Abg. Dr. Schöne: Bitte!)

Die Bundesregierung hat, um den Überblick über das Ausmaß dieser Abwanderungsbewegung zu erhalten, die Landesregierungen um einen Bericht über die Zahl und das Ausmaß der Betriebswanderungen gebeten. Die daraufhin eingegangenen Unterlagen konnten jedoch den Nachweis einer nennenswerten Entblößung der Zonenrandgebiete von leistungsfähigen Betrieben nicht erbringen. Allerdings ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß über diesen Sachverhalt nur schwerlich ein eindeutiges statistisches Material erstellt werden kann; sie wird deshalb laufend in Verbindung mit den Landesregierungen die Entwicklung in diesen Zonenrandgebieten sorgfältig weiter beobachten.
Zur Frage b). Die Bundesregierung ist im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bemüht, die Abwerbung von leistungsfähigen Betrieben aus den Zonenrandgebieten zu unterbinden. Sie hat in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen Entschließungen der Landesinnenminister und der kommunalen Spitzenverbände herbeigeführt, in denen gegen die Abwerbungsmißstände scharf Stellung genommen wird. Der Bundesminister der Finanzen beabsichtigt, die Finanzminister der Länder zu bitten, nach Möglichkeit darauf hinzuwirken, daß das Werben der Gemeinden um Gewerbebetriebe auf ein vernünftiges Maß beschränkt wird, die Gewährung oder Zusage ungesetzlicher


(Staatssekretär Dr. Westrick)

steuerlicher Vergünstigungen unterbleibt und die Abwerbung von Betrieben aus den Zonenrand-und Notstandsgebieten unterlassen wird. Der Bundesminister des Innern wird gebeten werden, die gleiche Bitte an die Innenminister der Länder und die kommunalen Spitzenverbände zu richten.
Dabei ist sich die Bundesregierung bewußt, daß mit den angeführten Maßnahmen allein die Abwerbung nicht immer vollständig verhindert werden kann. Es kommt daneben vor allem darauf an, die Gemeinden in den Zonenrandgebieten wirtschaftlich und finanziell zu stärken und sie so zu befähigen, die ihnen obliegenden Aufgaben angemessen zu erfüllen, ohne die Hebesätze der Realsteuer überdurchschnittlich hoch festsetzen zu müssen.
Die Bundesregierung ist daher bestrebt, bei der Neuordnung des Finanzausgleichs unter den Ländern den Wirkungsbereich dieses Ausgleichs nicht auf die Länderhaushalte im eigentlichen Sinne zu beschränken, sondern auch die gemeindliche Finanzwirtschaft dabei zu berücksichtigen. Angesichts der Bedeutung der Kommunalfinanzen im Rahmen der Länderfinanzwirtschaft will die Bundesregierung dem Finanzausgleich die Zielsetzung geben, die leistungsschwachen Länder, in erster Linie also die Zonenrandländer, finanziell so zu stellen, daß auch sie die gemeindlichen Bedarfsunterschiede wirksam ausgleichen können.

(Abg. Dr. Gülich: Was sagt Herr Schäffer dazu?! — Heiterkeit bei der SPD.)

— Vielleicht hat er nachher Gelegenheit, selbst dazu zu sprechen.
Selbstverständlich ist die Bundesregierung nicht nur bemüht, die Abwanderung von Betrieben zu verhindern; sie strebt darüber hinaus die Ansiedlung neuer Unternehmungen im Zonenrandgebiet an. So stellte sie und stellt noch für verschiedene Programme im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Mittel bereit, die auf Vorschlag der Landesregierungen als Kredite an Firmen vergeben werden können, die sich in den Zonenrandgebieten niederlassen oder ihre dort vorhandenen Betriebe vergrößern wollen. Unter diesen Programmen nenne ich das Sanierungsprogramm, das 300-Millionen-Schwerpunktprogramm, das ja immer noch läuft, und die Sonderprogramme aus den ERP-Gegenwertmitteln. Die in diesem Sanierungsprogramm bereitgestellten Beträge beliefen sich z. B. in den Jahren 1952 und 1953 nach Abzug der Sonderausgaben für Kehl und Helgoland auf je 40 Millionen DM. Der weitaus größere Teil dieser Mittel fließt in die Zonenrandgebiete, weil dort ja der Schwerpunkt der Sanierungsgebiete liegt.
Außerdem hat die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Laufe der letzten Monate mehrere Male Kreditmittel für die gewerbliche Wirtschaft in den Zonenrandgebieten zur Verfügung gestellt, und ich bedaure, dem Vorschlag von Herrn Dr. Bleiß nicht ganz folgen zu können, daß wir diese Mittel hier einfach unbeachtet und unerwähnt lassen. Denn wir möchten natürlich auch jene Mittel erwähnen, die wir zur Verfügung stellen konnten.

(Abg. Dr. Bleiß: Aber keine Mittel des Bundes, Herr Staatssekretär!)

— Einverstanden!

(Abg. Dr. Schöne: Herr Westrick, die Sie zur Verfügung stellen konnten, aber nicht die andern!)

— Die zur Verfügung gestellt werden konnten, darf ich dann vielleicht anonym sagen. — Die Zins-und Tilgungsbedingungen für die Mittel sowohl des Bundes als auch der Anstalt, will ich also sagen, sind günstiger als die allgemeinen Zins- und Tilgungsbedingungen des Kapitalmarktes.
Nicht zuletzt aber ist die Bundesregierung auch bemüht, dem Zonenrandgebiet die dort bestehenden Betriebe dadurch zu erhalten, daß sie für standortliche Benachteiligungen, die durch die Zonengrenzziehungen entstanden sind, wenigstens einen gewissen Ausgleich schafft. Hierzu dienen beispielsweise die Durchführung der schon erwähnten Frachthilfe und die Bevorzugung des Zonenrandgebietes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Da möchte ich auch Herrn Dr. Bleiß etwas erwidern. Er erwähnte, es sei vielleicht ein Widerspruch zwischen der Antwort, die wir schriftlich gegeben haben und in der gesagt ist, daß eine wesentliche Bevorzugung stattfinde, und der Verordnung, in der es heiße, daß die Angebote, die aus den Zonenrandgebieten stammen, geringfügig über den andern Angeboten lägen. Meine Damen und Herren, die Erklärung hierfür liegt in folgendem. Es wird allerdings seitens der Bundesregierung als ein sehr wesentlicher Vorteil betrachtet, daß eine Vergabe von Aufträgen an die Zonenrandgebiete selbst dann erfolgen muß, wenn die Preise gleich hoch liegen. Aber auch dann, wenn die Preise bis zu 5 0/o höher liegen, werden die Zonenrandgebiete insofern noch bevorzugt, als die Erklärung — —

(Abg. Dr. Bleiß: Ist das die obere Grenze?)

Das ist die obere Grenze. Aber das Wesentliche an Vorteilen, Herr Dr. Bleiß, sieht die Bundesregierung darin, daß ein Zwang zur Vergebung der Aufträge an die Zonenrandgebiete vorliegt, und zwar auch dann, wenn Angebote mit gleichen Preisen oder in geringfügigem Umfang auch mit höheren Preisen vorliegen.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch keine wesentliche Hilfe!)

Wir sind der Meinung, daß normalerweise der Auftraggeber die freie Wahl seiner Entscheidung hat, wenn Angebote mit gleichen Preisen vorliegen. Diese freie Wahl seiner Entscheidung ist ihm durch diese Verordnung genommen.

(Zuruf von der SPD.)

— Irgendwie ist es ein Ermessen, das gebe ich Ihnen zu. Aber wir betrachten es doch als einen echten wesentlichen Vorteil, daß hier dem Auftragserteiler die Möglichkeit der freien Entscheidung genommen wird, und zwar zugunsten der Zonenrandgebiete.
In Ergänzung des Ihnen vorliegenden schriftlichen Berichts der Bundesregierung ist noch zu sagen, daß, nachdem eine Einigung über die Beteiligung der Länder über die Aufbringung der Frachthilfe erzielt worden ist — diese Beteiligung war in unserem Bericht noch vorbehalten —, nunmehr die Voraussetzungen für das Anlaufen der Frachthilfe in allen Zonenrandländern, und zwar rückwirkend vom 1. Oktober 1953 an, gegeben sind. Die wesentlichsten Güterarten, die in diese Frachthilfe einbezogen werden sollen, sind bereits festgelegt, und somit stehen der Wirtschaft des Zonenrandgebiets für die Zeit vom 1. Oktober 1953 bis 31. März 1955 insgesamt 111/4 Millionen DM an Mitteln für diese Frachthilfe zur Verfügung.

(Abg. Dr. Bleiß: Ist das alles, Herr Staatssekretär?)



(Staatssekretär Dr. Westrick)

— Leider ist das alles. Die Bundesregierung hofft, der Wirtschaft in den Zonenrandgebieten weitere erhebliche Beträge zuführen zu können, wenn sich ihr Vorschlag — und jetzt kommen wir zum Nervus rerum —, die 120 Millionen DM für die Grenzgebiete im Bundeshaushalt 1954 bereitzustellen, verwirklichen läßt.

(Abg. Dr. Schöne: Reptilienfonds!)

Allerdings wäre es wenig sinnvoll, zu versuchen, mit diesen Mitteln durch Einräumung unverhältnismäßig günstiger Rationalisierungsbedingungen oder gar durch völligen Verzicht auf Absicherung und durch ähnliche außergewöhnliche Vorzüge Betriebe zur Ansiedlung bzw. Erweiterung in den Zonenrandgebieten zu veranlassen. Ein solches Verfahren würde wohl nach allgemeiner Auffassung aller an der Lösung des Zonenrandproblems mitwirkenden Stellen dazu führen, daß Betriebe angesetzt werden, die schließlich im Wettbewerb nicht bestehen können und ständig subventioniert werden müßten, wenn sie nicht zum Erliegen kommen sollen. Vom Standpunkt der Bundesregierung ist es im Interesse des Steuerzahlers nur zu verantworten, daß Haushaltsmittel — d. h. Steuermittel
— dazu verwendet werden, um gesunde und auf die Dauer leistungsfähige Betriebe in den Zonenrandgebieten anzusiedeln.
Ihre Frage erstreckt sich ferner auf den Fremdenverkehr in den Zonenrandgebieten. Dazu möchte ich auch noch ein paar Worte sagen. Im Zug der Förderungsaktion der Bundesregierung sind den wichtigsten Fremdenverkehrsgebieten im Osten der Bundesrepublik bereits erhebliche Mittel zugeflossen. Der Gesamtbetrag der Kredite und Zuschüsse für das Fremdenverkehrsgewerbe in den Sanierungsgebieten beläuft sich in den Jahren 1951 bis 1953 auf 4,7 Millionen DM. Diese Kredite wurden ebenfalls zu einem verbilligten Zinssatz gegeben, und zwar zu 5 %, also um 21/2 % billiger als die übrigen Sanierungskredite. Außerdem werden aus den Mitteln der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge, die in Verbindung mit den verschiedenen öffentlichen Kreditprogrammen zum Einsatz kommen, Straßenverbindungen in Fremdenverkehrsgebieten ausgebaut, was eine wesentliche Belebung des Fremdenverkehrs zur Folge haben wird. So sind z. B. in Bayern im Jahre 1953 im Rahmen des Sanierungsprogramms von der bayerischen Gesamtquote von rund 8 Millionen DM allein 2 Millionen DM für Straßenbauten verwendet worden. An diese Gelder wiederum waren rund 11/2 Millionen DM aus Mitteln der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge gebunden.
Schließlich hat die Bundesregierung — wie in dem Ihnen vorliegenden Bericht im einzelnen dargelegt ist — besondere Werbeaktionen für die Fremdenverkehrszentren im Zonenrandgebiet durchgeführt, auf die im einzelnen einzugehen ich mir versagen darf, da die Damen und Herren den Bericht vorliegen haben.
Nun zur Frage der Vergabe öffentlicher Aufträge in den Zonenrandgebieten! Ich glaube, ich darf es mir hier relativ leicht machen und Sie bitten, sich an Hand des Berichts noch einmal vor Augen zu führen, was die Bundesregierung in dieser Frage getan hat. Wir haben den Eindruck, daß zwar nicht alles geschehen ist, was auch uns wünschenswert zu sein scheint, daß jedoch alles geschehen ist, was uns augenblicklich möglich erscheint.
Nun fragen Sie: Warum hat die Bundesregierung nicht Mittel im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 2. Juli 1953 eingesetzt, um den kulturellen
Zwecken der Zonenrandgebiete zu dienen? Dazu ist
folgendes zu sagen: Die Bundesregierung hat bisher
— abgesehen von den Mitteln, die im Einzelplan des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen zur Förderung von Schulbauten in den gefährdeten Grenzgebieten bereitgestellt wurden — keine besonderen Mittel für die Förderung kultureller Maßnahmen in den Grenzgebieten bereitstellen können.

(Abg. Samwer: Sehr bedauerlich!)

— Ja, das bedauern wir auch sehr. Mit Hilfe der für die Durchführung regionaler Förderungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden knappen Haushaltsmittel war es bisher nur möglich, solche Vorhaben zu unterstützen, die zur Erweiterung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit dieser Gebiete dienten. Dieses Verfahren war von der nach meiner Meinung begreiflichen Auffassung bestimmt, daß bei aller Würdigung der Bedeutung kultureller Hilfsmaßnahmen die Sicherung und Erweiterung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage in den bedrohten Gebieten in der Rangordnung der Dringlichkeit bei so starker, leider notwendiger Beschränkung der Mittel doch einen gewissen Vorrang haben müßte. Außerdem bestehen starke Zweifel, ob es sich bei der Durchführung derartiger Maßnahmen nicht um ein den Ländern vorbehaltenes Aufgabengebiet handeln könnte.

(Abg. Wehner: Zum Schluß kommt man immer auf die Zuständigkeitsfrage! Die deutsche Spaltung ist auch keine Länderangelegenheit!)

Bei dem unzweifelhaft politischen Gewicht solcher Maßnahmen wird aber auch der Bund versuchen, aus den vorhin erwähnten 120 Millionen DM, wenn sie verfügbar sind, einen bestimmten Betrag für die Durchführung dieser kulturellen Hilfsmaßnahmen abzuzweigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich der für die Verwendung dieser 120 Millionen DM vorgeschlagenen Zweckbestimmung entsprechend nur um die Förderung solcher kultureller Vorhaben handeln kann, die auch der Förderung der Wirtschaft dienen. Die wirtschaftliche Zweckbindung, die die Bundesregierung für die Verwendung der 120 Millionen DM aufgestellt hat, würde die Förderung des Schulwesens, des Fachschulwesens und des allgemeinen Ausbildungswesens selbstverständlich einschließen, und auch eine solche Förderung dürfte doch von großem politischen Nutzen sein.

(Abg. Samwer: Sehr richtig!)

Darf ich dann zu der Anfrage der Freien Demokratischen Partei übergehen. Der erste Abschnitt der Frage ist durch den dem Bundestag vorliegenden Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums, soweit es überhaupt möglich ist, beantwortet. Zu dem zweiten Abschnitt betreffend die Verwendung der vorgesehenen 120 Millionen DM ist folgendes darzutun. Diese 120 Millionen DM dienen zunächst einmal nicht nur den Zonenrandgebieten, sondern auch — wenn auch nur zum kleineren Teil — besonders benachteiligten Gebieten an den übrigen Staatsgrenzen der Bundesrepublik. Soweit die Mittel in die Zonenrandgebiete fließen, sollen damit zunächst die nachweisbaren Mehrbelastungen abgedeckt werden, welche die Zonengrenze verursacht. Hierzu gehören vor allem die Mehrfrachten, die durch Verlagerung der Bezugs- und Absatzgebiete, sowie die Umwegfrachten, die durch das


(Staatssekretär Dr. Westrick)

Umfahren der sowjetischen Besatzungszone laufend entstehen. Schließlich ist auch an eine Ermäßigung der Energiepreise gedacht, soweit diese im Zonenrandgebiet durch die Abschneidung von den zunächst gelegenen mitteldeutschen Strom- und Kohleliefergebieten überdurchschnittlich gestiegen sind. Bisher war die Beseitigung dieser Nachteile, wie aus dem Bericht des Bundeswirtschaftsministers hervorgeht, nur teilweise möglich. Außerdem wird im Bundeswirtschaftsministerium zur Zeit eingehend geprüft, ob über die Fälle hinaus, in denen laufend zonengrenzbedingte Mehrkosten eindeutig nachgewiesen werden können, allgemeine Erleichterungen und Hilfen gewährt werden sollen wie Zinserleichterungen, Steuererleichterungen und ähnliches. Diese Maßnahmen würden gegebenenfalls dazu dienen, die auf den Zonenrandgebieten liegende, im einzelnen aber nicht nachweisbare Kostenbelastung der Wirtschaft zu mindern.
Schließlich ist beabsichtigt, nach dem Ausgleich der zonengrenzbedingten Mehrbelastungen strukturverbessernde Maßnahmen durchzuführen, wie sie aus den bereits laufenden Sanierungsprogrammen schon bekannt sind. Hierzu gehören die Bereitstellung von Rationalisierungskrediten an gewerbliche Unternehmen, der Ausbau von Straßen, die Verbesserung der Energieversorgung, der Wasserversorgung und sonstige gewerbliche und landwirtschaftliche Förderungsmaßnahmen. Bei der Auswahl dieser Maßnahmen soll und wird darauf geachtet werden, daß nur solche Vorhaben zum Zuge kommen, die von übergeordneter Bedeutung sind. Außerdem soll solchen Maßnahmen der Vorzug gegeben werden, die geeignet sind, zonengrenzbedingte Belastungen auszugleichen. Zum Beispiel sollen mit Vorrang Straßen gebaut werden, die als Ersatz für die weggefallenen großen Verkehrsverbindungen dienen können, die ehemals die Zonenrandgebiete mit ihren wirtschaftlichen Ergänzungsgebieten jenseits der Zonengrenze verbanden.
Die Bundesregierung wird bei der Festlegung von Art und Ausmaß der durchzuführenden Maßnahmen bestimmenden Einfluß nehmen. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, daß mit den 120 Millionen DM, soweit sie den Zonenrandgebieten zufließen, ausschließlich Maßnahmen finanziert werden, die den Zonenrandgebieten zugute kommen. Es wird außerdem mit allen Mitteln angestrebt, daß die Maßnahmen der einzelnen Länder aufeinander abgestimmt werden.
Soweit aus den 120 Millionen DM laufende Ausgaben finanziert werden, ist dafür Sorge zu tragen, daß die Fortführung der Maßnahmen in den zukünftigen Jahren sichergestellt wird. Dies kann geschehen, indem aus den 120 Millionen DM die gesamten Beträge, die für das Jahr 1954 und die folgenden beiden Jahre erforderlich sind, entnommen werden oder die Länder sich bereit erklären, die Fortsetzung der Maßnahmen aus ihren Haushalten zu finanzieren. Diese vorsichtige Disposition erscheint unvermeidlich, weil jetzt einerseits nicht davon ausgegangen werden kann, daß im Bundeshaushalt 1955 wiederum 120 Millionen DM bereitstehen, andererseits aber in den meisten Fällen die einmal eingeleiteten, laufenden Ausgaben über einen längeren Zeitraum hinweg geleistet werden müssen. Die vorbereitenden Arbeiten über die zukünftigen Hilfsmaßnahmen für die Zonenrandgebiete sind noch nicht so weit abgeschlossen, daß jetzt schon eine Aufgliederung auf bestimmte Verwendungszwecke und eine genaue Aufschlüsselung der 120 Millionen DM möglich ist. Außerdem soll die endgültige Entscheidung nur im Benehmen mit den Ländern getroffen werden.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Herr Bundesminister Kraft zur Zeit damit befaßt ist, ein Memorandum über die erforderlichen Maßnahmen zur Förderung der Zonenrandgebiete auszuarbeiten. Die Ergebnisse seiner Arbeit, die voraussichtlich in zwei bis drei Monaten vorliegen, sollen bei der endgültigen Auswahl der aus den 120 Millionen DM zu finanzierenden Maßnahmen zusammen mit den bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen verwendet werden.

(Lachen links.)

Zur Frage 2 der Anfrage der FDP darf ich erneut auf den den Damen und Herren vorliegenden Bericht der Bundesregierung verweisen.
Gestatten Sie mir zum Schluß in Erwiderung dessen, was Herr Dr. Bleiß erwähnt hat, noch eine Bemerkung. Ich bitte Sie, die Versicherung entgegenzunehmen, daß sich die Bundesregierung keineswegs über jenen Bundestagsbeschluß hinwegsetzt oder ihn etwa mißachtet. Die Bundesregierung ist sich der ungeheuren politischen, sozialen und ökonomischen Bedeutung dieser Sache sehr bewußt. Aber bei der Begrenzung der im Haushalt gegebenen Möglichkeiten muß doch, glaube ich, gesagt werden, daß zumindest vieles geschehen ist. Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Bericht verweisen. Auch die Bundesregierung weiß natürlich, daß noch sehr vieles zu geschehen hat.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203106600
Das
Wort hat die Abgeordnete Frau Korspeter.

(Abg. Frau Korspeter: Nein, das ist nicht richtig! Erst sollen die anderen Anträge begründet werden!)

— Aber Sie haben sich anders gemeldet. — Dann hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Brökelschen.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Nein!)

— Was ist denn nun?

(Abg. Dr. Gülich: Ich schlage vor, daß erst die anderen Anträge begründet werden!)

— Verzeihen Sie, es liegen jetzt keine Wortmeldungen vor. Ich kann mich nur nach der Rednerliste richten, die mir vorgelegt worden ist. Danach käme jetzt Frau Abgeordnete Brökelschen.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Zur Geschäftsordnung!)

— Zur Geschäftsordnung Frau Abgeordnete Brökelschen!

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0203106700
Wenn ich das vorhin richtig verstanden habe, dann sollten jetzt erst die Einzelanträge, die von der SPD gestellt worden sind, begründet werden und dann sollte die Diskussion generell eröffnet werden.

(Abg. Dr. Menzel: So war es im Ältestenrat vereinbart! Erst die Begründung!)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203106800
Frau Kollegin, Sie haben vollkommen recht; aber ich kann niemanden zur Begründung aufrufen, wenn sich niemand gemeldet hat.

(Zurufe von der SPD.)



(.Alterspräsidentin Frau Dr. Dr. h. c. Lüders)

—Dann müssen Sie erst dem Präsidium mitteilen,
wer die Absicht hat, zu begründen!

(Abg. Dr. Gülich: Ich darf ums Wort zur Geschäftsordnung bitten!)

— Bitte sehr!

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0203106900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir haben unter Punkt 4 zunächst die Großen Anfragen. Die sind begründet und vom Herrn Staatssekretär beantwortet worden. Dann kommen die Anträge der SPD. Ich schlage vor, daß zunächst diese Anträge der Reihe nach begründet werden.

(Abg. Dr. Menzel: Das war ja längst vereinbart!)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203107000
Ich rufe also erneut auf Punkt 4 c:
Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510).
Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Kurlbaum.

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0203107100
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zur Begründung unseres Antrags betreffend Änderung des Umsatzsteuergesetzes ist es notwendig, daß ich mit einigen Worten auf das eingehe, was der Herr Staatssekretär soeben gesagt hat. Wenn man gewisse Stichdaten günstig wählt, kann man natürlich zu einem verhältnismäßig günstigen Bild kommen. Ich halte es auch für eine schlechte Sache, wenn man z. B. die Entwicklung der Beschäftigtenzahl in den Zonenrandgebieten nur mit dem Bundesdurchschnitt in ein Verhältnis setzt. Um ein klares Bild der unterschiedlichen Entwicklung zu geben, müßte man selbstverständlich die Entwicklung der Beschäftigtenzahl in den Zonenrandgebieten mit jener in den günstigen Gebieten im Bundesgebiet in Vergleich stellen.

(Zustimmung bei der SPD.)

Dabei ergeben sich dann natürlich ganz andere Zahlen. Ich unterstelle einmal, daß die Zahlen des Herrn Staatssekretärs richtig sind, nach denen der Bundesdurchschnitt vom Herbst 1949 bis zum Herbst 1953 um ungefähr 20% heraufgegangen und die Durchschnittszahl in den Zonenrandgebieten um ungefähr 10 % gestiegen ist. Zieht man aber die günstigen Gebiete der Bundesrepublik zum Vergleich heran, so ergibt sich ungefähr eine Verdreifachung des Entwicklungstempos in den begünstigten Gebieten im Verhältnis zu den Zonenrandgebieten.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Außerdem ist noch folgendes zu berücksichtigen. Natürlich ist auch das Stichdatum vom 30. September 1949 ein sehr willkürlich gewähltes Datum; denn gerade in der Zeit zwischen der Währungsreform und diesem Datum ist in den Zonenrandgebieten und in den Ländern am Eisernen Vorhang ein außerordentlicher Rückgang der Beschäftigung eingetreten. Mir stehen leider die Ziffern für die Notstandsgebiete allein nicht zur Verfügung, weil wir ja — und das ist auch eine sehr bedauerliche Tatsache — auf diesem Gebiet außerordentlich schlecht mit statistischem Material versorgt werden. Wenn ich einmal die Zahl für ganz
Bayern nehme, dann stelle ich fest, Herr Staatssekretär, daß sich z. 13. vom März 1949 bis März 1953 in ganz Bayern die Beschäftigtenzahl um weniger als 5 % erhöht hat, im Durchschnitt des Bundesgebietes dagegen um 25 %. Das sind also sehr große Unterschiede, und ich glaube, Ihre verhältnismäßig günstigen Daten haben zweifellos etwas mit einer gewissen Frisierung der Statistik zu tun.
Wenn Sie bestreiten, daß Abwanderungen in nennenswertem Umfang stattgefunden haben, wird es uns nicht schwerfallen, das zu widerlegen. Einer meiner Fraktionsfreunde wird Ihnen nachher im einzelnen dazu Material liefern. Ich glaube daher — insbesondere nach dem, was der Vertreter der FDP gesagt hat —, wir können hier im Hause allgemein davon ausgehen, daß die bisherige Methode, den Notstandsgebieten und den Zonenrandgebieten zu helfen, wirklich als unzureichend betrachtet werden muß. Die bisher angewendeten Einzelmaßnahmen haben nicht die Abwanderung verhindern können, und sie haben diese Gebiete nicht zu einer Wirtschaftsentfaltung bringen können, die auch nur annähernd mit der normalen Entwicklung in sonstigen Gebieten, z. B. am Rhein, verglichen werden könnte. Uns stellt sich ja gerade der unglückselige Sog vom Osten nach dem Westen als das entscheidende Problem dar, mit dem wir uns befassen müssen.
Wir sind nun der Meinung, daß wir hier mit Einzelmaßnahmen allein nicht mehr weitermachen können. In diesem Zusammenhang wundere ich mich ganz besonders über die Ausführungen, die der Vertreter der FDP, Herr D r. Drechsel, hier gemacht hat. Er hat sich für individuelle Maßnahmen ausgesprochen. Wir befürchten gerade bei nur individuellen Maßnahmen, daß dann sehr oft dem Untüchtigen geholfen wird, und mich wundert aufrichtig, daß dieser Gedankengang und diese Argumentation aus den Kreisen der FDP kommen.

(Heiterkeit bei der SPD.)

Das ist um so erstaunlicher — ich weiß nicht, ob Dr. Drechsel sich dessen bewußt war —, als sich der Bundestag im Juli 1953 schon zu der Auffassung durchgerungen hatte, daß mit individuellen Maßnahmen allein nichts mehr zu machen ist. Vielmehr hieß es damals in der Entschließung, daß allen Betrieben im Zonengrenzgebiet mit gewissen steuerlichen Maßnahmen geholfen werden solle. Ich weiß nicht, ob sich die FDP mit dem, was Dr. Drechsel gesagt hat, von dem damaligen Beschluß distanzieren und nur zu individuellen Maßnahmen übergehen will.
Wir glauben auch — und daß hat mein Fraktionskollege Dr. Bleiß schon gesagt —, daß das ganze Problem der steuerlichen Förderung der Zonenrandgebiete gerade jetzt von uns behandelt werden muß, weil es zum Zeitpunkt der sogenannten Steuerreform am besten in Angriff genommen werden kann. Wir hoffen, daß ein wesentlicher Teil dieses Hauses mit uns zusammen versuchen wird, auch die Lösung dieses Problems im Rahmen einer echten Steuerreform vorwärtszutreiben.
Es ist nun von den Maßnahmen gesprochen worden, die der Bundestag im Juli beschlossen hatte, und es ist auch schon festgestellt worden, daß nur ein ganz bescheidener Teil davon von der Bundesregierung tatsächlich durchgeführt worden ist. Ich habe mit einem gewissen Staunen in dem Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers in


(Kurlbaum)

Drucksache 534 gelesen, daß für diese sehr bescheidene Verwirklichung der Beschlüsse des Bundestags gerade auf steuerlichem Gebiet die angespannte Haushaltslage verantwortlich gemacht werden soll. Jeder, der die Steuergesetzvorschläge des Bundesfinanzministers sorgfältig gelesen hat, weiß aber, daß dort sehr erhebliche Zugeständnisse gemacht werden. Ich glaube deshalb, daß die Begründung, die der Bundeswirtschaftsminister gegeben hat, außerordentlich schlecht ist.
Wir haben nun einen Vorschlag gemacht, der in gewisser Beziehung, jedenfalls unter den Vorschlägen, die im Bundestag gemacht worden sind, neu ist. Wir haben eine wesentliche Herabsetzung der Umsatzsteuer für alle Betriebe der Zonengrenzgebiete vorgeschlagen. Lassen Sie mich einmal die zahlreichen sehr entscheidenden Vorteile, die ein solcher Vorschlag beinhaltet, aufzählen. Erstens wird dadurch den Betrieben im Zonenrandgebiet ein echter und allgemeiner Konkurrenzvorteil gegenüber den Betrieben außerhalb der Zonenrandgebiete gegeben. Sie können mit diesem Konkurrenzvorteil dann in einen echten Wettbewerb mit den Betrieben außerhalb des Zonenrandgebiets eintreten. Das ist doch das, was gerade Sie, meine Herren von den Koalitionsparteien, begrüßen müssen, und das ist nur möglich, wenn wir uns weitgehend von den individuellen Subventionen lösen.
Zweitens glaube ich, daß eine solche Maßnahme, die zu einer wesentlichen Erleichterung der finanziellen Lasten dieser Gebiete führt, auch eine allgemeine Belebung der Wirtschaftstätigkeit in diesen Gebieten zur Folge haben wird, eine Belebung, die sich zweifellos dann auch beim Steueraufkommen dieser Gebiete auswirken kann.
Drittens haben wir den großen Vorteil, daß Maßnahmen hinsichtlich der Umsatzsteuer sofort wirksam werden. Der Betrieb braucht nicht bis zu seiner Steuererklärung zu warten. Die Umsatzsteuerermäßigung ist vielmehr eine sofort wirksame Maßnahme. Sie ist insbesondere auch geeignet, die Kreditfähigkeit der Betriebe zu erhöhen.
Im Grundsatz ist das auch gar kein neuer Vorschlag. Einen ähnlichen Weg ist der Bundestag schon bei den Exportförderungsmaßnahmen und kürzlich bei den besonderen Förderungsmaßnahmen für Berlin gegangen. Es sollte uns also nicht sehr schwerfallen, uns nunmehr zur Realisierung dieses Vorschlages durchzuringen.
Ein besonderer Vorteil ist schließlich noch, daß von dieser Maßnahme, der Herabsetzung der Umsatzsteuer, gerade die notleidenden Gemeinden und die notleidenden Länder nicht betroffen werden. Das war ja gerade das besondere Problem, das bisher bezüglich der Gewerbesteuer so große Schwierigkeiten gemacht hat. Der Bund wird hier eine Gelegenheit haben, nun wirklich einmal selbst etwas zu tun und nicht nur immer die Länder und Gemeinden oder die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu eigenen Leistungen freundschaftlich zu ermutigen.
Nun zu den Bedenken, die teilweise hier schon geäußert worden sind oder noch geäußert werden können. Es ist mit Recht gesagt worden, daß die Frage der Abgrenzung des Gebietes ein Problem darstellt. Aus diesem Grunde haben wir in unserem Vorschlag die Ermächtigung der Bundesregierung eingebaut, das Gebiet zweckentsprechend abzugrenzen.
Über die Deckungsfrage hat mein Freund Dr. Bleiß schon einige Bemerkungen gemacht.
Selbstverständlich haben wir uns als verantwortungsbewußte Parlamentarier über diese Dinge Gedanken gemacht. Ich möchte dazu nur eins sagen. Es ist doch wirklich nicht einzusehen, warum man in einem Augenblick, in dem der Bundesfinanzminister sich entschließt, sehr erhebliche Steuererleichterungen zu bewilligen — er selbst hat sie ja bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 2,3 Milliarden DM beziffert —, diesen Segen der Steuererleichterungen völlig gleichmacherisch auf die Bereiche unserer Wirtschaft mit verhältnismäßig kleinen Sorgen und auf die Bereiche mit sehr großen Sorgen verteilen will.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Ich glaube also — das ist überhaupt unsere Auffassung von einer konstruktiven Finanzpolitik —, daß sie es sich zum Ziel setzen sollte, eine gewisse Differenzierung der verschiedenen Wirtschaftsgebiete vorzunehmen.
Man könnte auch noch den Einwand erheben, daß mit einer solchen Steuer, die Erleichterungen für einen begrenzten Kreis von Betrieben bringt, technische Schwierigkeiten verbunden sein könnten. Ich möchte dieses Argument auch gleich widerlegen und Sie darauf hinweisen, daß noch bis zum Jahre 1950 für die Umsatzsteuer der Ort der Lieferung maßgebend war. Man braucht also nur zu den Methoden, die wir bis 1950 in den Notstandsgebieten angewendet haben, zurückzukehren, um die Schwierigkeiten, die man hier vielleicht vermuten könnte, zu beseitigen.
Das, was die Bundesregierung an Steuererleichterungen bisher effektiv durchgeführt hat, ist — das ist schon gesagt worden — außerordentlich bescheiden. In dem Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers wird auf die Erleichterung der Stundung und des Erlasses hingewiesen. Meine Damen und Herren, jeder von Ihnen weiß doch ganz genau, daß solche Erleichterungen erst dann für einen Betrieb wirksam werden, wenn er sich in akuten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. Mit einer solchen Maßnahme wird man wohl kaum jemanden in Zukunft in das Notstandsgebiet locken können.
Dann zu den Erleichterungen der Abschreibungen. Sie haben sehr wesentliche Nachteile. Es ist durchaus nicht sicher, daß die Konkurrenznachteile der Betriebe in den Zonenrandgebieten in der Mehrzahl der Fälle durch Neuinvestitionen beseitigt werden können. Von dieser Voraussetzung geht aber der Vorschlag aus. Ich könnte mir eine Menge von Fällen vorstellen, in denen die mangelnde Konkurrenzfähigkeit durchaus nicht nur durch Neuinvestitionen beseitigt werden kann.
Das zweite Argument: Wenn man die Betriebe in den Zonenrandgebieten nur begünstigen will, wenn sie investieren, dann kommen nur die Betriebe in Frage, die zumindest einen wesentlichen Teil dieser Neuinvestitionen aus eigenen oder fremden Mitteln finanzieren können. Das war aber bisher eines der entscheidenden Probleme. Wenn wir ferner in Zukunft zu einer Herabsetzung der Steuersätze kommen, dann wird die Förderung durch Abschreibungserleichterungen in ihrer Wirkung noch außerordentlich stark absinken.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203107200

Gehört das noch zur Begründung, Herr Abgeordneter?


Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0203107300
Das gehört zur Begründung, weil die Kritik an den Maßnahmen der Bundesregierung zur Debatte steht. Wir wollten statt dessen einen eigenen konstruktiven Vorschlag machen.

Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203107400

Es handelt sich hier nur um die Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes.

Georg Kurlbaum (SPD):
Rede ID: ID0203107500
Ja, diese Umsatzsteuerermäßigung soll an die Stelle der Abschreibungserleichterungen treten. Das ist unsere Auffassung.
Nun möchte ich noch ein allgemeines Bedenken äußern. Der Herr Bundesfinanzminister hat sich bei seinen steuerpolitischen Maßnahmen teilweise nur auf den § 131 der Reichsabgabenordnung gestützt. Wir halten ein solches Verfahren für außerordentlich bedenklich. Wir halten es insbesondere nicht für richtig, daß solche wirtschaftspolitischen Maßnahmen allein im Rahmen von Ermessensmöglichkeiten oder auch allein im Rahmen von ministeriellen Erlassen durchgeführt werden. Wir glauben, daß für solche weitreichenden Maßnahmen. eine gesetzliche Grundlage notwendig ist. Insbesondere halten wir es für notwendig, daß solche Maßnahmen nicht innerhalb der Ministerien vollzogen werden, sondern im breitesten Licht der Öffentlichkeit. Wir haben einen konkreten Anlaß, gerade darauf Wert zu legen.
Ich habe eine Reihe sehr gewichtiger Argumente für unseren Vorschlag auf Herabsetzung der Umsatzsteuer vorgetragen. Ich hoffe, daß sich die Mehrheit dieses Hauses diesen Argumenten anschließen und unseren Antrag unterstützen wird. Im Namen meiner Fraktion beantrage ich, diesen Antrag dem Finanzausschuß — federführend — und dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik sowie dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zur Mitberatung zu überweisen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203107600

Ehe ich das Wort weiter erteile, möchte ich zweierlei mitteilen. Erstens: Der Ausschuß für Finanz-und Steuerfragen tritt, wie vorgesehen, um 15 Uhr zusammen. Das wollte ich den Mitgliedern des Ausschusses sagen.
Zweitens muß ich darauf aufmerksam machen, daß im Ältestenrat eine Vereinbarung getroffen worden ist, wonach 10 Minuten zu den einzelnen Begründungen gesprochen werden soll. Ich habe ein bißchen den Eindruck, daß diese 10 Minuten reichlich ausgeweitet werden, und möchte doch im Interesse des ganzen Hauses und der fristgemäßen Erledigung der Tagesordnung herzlich bitten, sich an diese Redezeit zu halten. Ich gebe zu, es ist sehr schwer, weil ja die Dinge, über die gesprochen wird, alle miteinander verhakt sind. Trotzdem möchte ich bitten, sich freundlichst an die Redezeit von 10 Minuten zu halten.
Das Wort hat als nächster der Abgeordnete Hörauf zur Drucksache 432.

Fritz Wilhelm Hörauf (SPD):
Rede ID: ID0203107700
Meine Damen und Herren, ich will mich bemühen, die 10 Minuten nicht zu überschreiten.
Die von der Fraktion der SPD beantragte Kredithilfe für die mittleren Schichten der Wirtschaft im Zonenrandgebiet soll, wenn auch in bescheidenem Maße, so doch eine tatsächliche Hilfeleistung für die notleidenden kleinen und mittleren Handwerks-, Industrie- und Handelsbetriebe sein. Die von unserer Fraktion geforderte Aktion bedeutet die Anerkennung der gewerblichen Mittelschichten als eines tragfähigen und nicht hinwegzudenkenden Bestandteils unserer Volkswirtschaft. Es handelt sich hier durchweg um Hilfe für solide Klein- und Mittelunternehmungen in den Zonenrandgebieten.
Mein Fraktionskollege Dr. Bleiß hat Ihnen im wesentlichen die wirtschaftliche Situation in den Zonenrandgebieten dargelegt. Es ist hinzuzufügen, daß die Betriebe in den Zonenrandgebieten und im Grenzland nicht in der Lage waren, ihre Fabrikation auf einen solchen Stand zu bringen, daß sie mit der fortschreitenden Technisierung der Wirtschaft der westlichen Industrieländer Schritt halten konnten, und daß sie dadurch wirtschaftlich im Nachteil sind. Nunmehr soll ihnen auf dem Kreditwege die Möglichkeit der Anpassung und Umstellung ihrer Betriebe gegeben werden. Betriebe, die schon seit Generationen im Familienbesitz sind, sowie Betriebe, deren Inhaber durch die Kriegsereignisse aus ihrer Heimat vertrieben worden sind und sich durch ihrer Hände Fleiß redlich und rechtschaffen wieder eine Existenz aufgebaut haben, sollen über die existenzgefährdende Krise der Gegenwart hinwegkommen, sie sollen wieder leistungsfähig und wettbewerbsstark in die Wirtschaft eingegliedert werden, zur Gesundung ihrer eigenen Existenz und zum Wohle unseres volkswirtschaftlichen Gesamtgefüges.
Leber die Kreditbedingungen und -voraussetzungen wird man sich in den Ausschüssen unterhalten müssen. Zur Kreditgewährung selbst ist zu sagen: Die Kredite sollen mit 4 °/o verzinst und nach einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren in zehn gleichen Jahresraten zurückgezahlt werden. Das Wesentliche ist, daß die Kredite billig sind und eine sehr lange Laufzeit haben; denn nur so ist eine wirkliche Hilfe gewährleistet. Der Kredit soll gegeben werden
a) zur Investition, d. h. zur betrieblichen Verbesserung, zur Beschaffung oder zum Ausbau von Arbeitsräumen, Anschaffung von Maschinen, Werkzeugen usw.,
b) als Betriebsmittelkredit zum Einkauf von Rohstoffen und Material und zur Finanzierung der Aufträge und
c) schließlich als Umschuldungskredit, wenn in Sonderfällen die Handwerks-, mittleren Industrieoder Handelsbetriebe zunächst gezwungen waren, hochverzinsliche Kredite aufzunehmen, und die Wirtschaftlichkeit nur durch Umschuldung auf zinslich günstigeren Kredit erreicht werden kann.
Der einzelne Kreditbetrag soll sich in der Höhe bis zu 50 000 DM bewegen — Ausnahmen sind natürlich zulässig —; dies entspricht auch dem Ziel, möglichst vielen kleinen und Mittelbetrieben zu helfen.
Die Kredite sollen einmal an bedürftige und vertrauenswürdige Betriebe gegeben werden, die bereits Leistungen aufzuweisen haben, zum anderen aber auch an neu zu gründende Existenzen, damit sie sich mit Hilfe des Kredits zu leistungsstarken Gliedern ihres Berufszweiges entwickeln können.


(Hörauf)

Für die gewährten Kredite soll grundsätzlich Absicherung verlangt werden. Dort, wo dies nicht möglich ist, soll Staatsbürgschaft beantragt werden können. Ich denke dabei an eine eventuell zu schaffende Bundesgarantiekasse oder etwas ähnliches. Die Kredite dürfen nicht an überspannten Sicherungsklauseln scheitern. Die Mittel für den Kredit sollen in voller Höhe vom Bund zur Verfügung gestellt und 100 %ig an die Kreditnehmer ausbezahlt werden. Der Weg zur Kreditgewährung soll möglichst kurz sein und nicht durch bürokratische Hindernisse gehemmt werden..
Durch die Aufteilung des Gesamtkredits von 50 Millionen DM auf eine breite Schicht wird zweifellos der beste Erfolg erzielt und das Risiko verringert. Ich kann mir vorstellen, daß kleinen Handwerksbetrieben in vielen Fällen mit einem Kredit von 3 bis 5000 DM und mittleren Betrieben mit einem größeren Maschinenbedarf mit 15 bis 20 000 DM fühlbar geholfen werden kann.
Wie ich bereits eingangs erwähnte, hat sich die wirtschaftliche Lage des Handwerks in den Zonenrandgebieten und im Grenzland in den letzten Jahren laufend verschlechtert. Wesentlich ist, daß durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse das Handwerk vielfach stark überaltert ist. Die alten Handwerker haben meistens die Grundlage ihrer Altersversorgung in Form von Lebensversicherung, Sparkonten usw. verloren. Bei der altersbedingten geringeren Arbeitsleistung und der 1948 bis 1953 gegebenen übersetzten Steuerbelastung konnte der einzelne alte Handwerksmeister auch keine neuen Ersparnisse ansammeln. Wir treffen heute vielfach Handwerksmeister mit 70 bis 75 Jahren noch arbeitend in ihrer Werkstätte an. Dadurch wird den jungen tüchtigen Meistern der Aufbau oder die Übernahme eines alten Handwerksbetriebes erschwert. Mit einem Darlehen an den jungen Meister zum Zwecke der Übernahme eines alten Handwerksbetriebes könnte beiden Teilen wirksam geholfen werden.
Meine Damen und Herren! Besondere Verhältnisse erfordern zu allen Zeiten besondere Maßnahmen. Wenn es einerseits erforderlich war, mit der Investitionshilfe, zu welcher auch die größeren Betriebe des Handwerks beitragen mußten, der Grundstoffindustrie die erforderlichen großen Investierungen zu ermöglichen, so ist es wirklich nicht unberechtigt, für eine breite Schicht des not-leidenden Grenzgebietes eine Darlehensaktion der angestrebten Art zuzubilligen. Denn gute handwerkliche und gut funktionierende kleine und mittlere Industriebetriebe waren noch immer ein festes Rückgrat der deutschen Wirtschaft und des Staates. Deshalb ist es nach meiner Überzeugung volkswirtschaftliches Gebot, das weitere Absinken des Handwerks und der mittleren Betriebe im Grenzgebiet zu vermeiden und den Aufbau durch staatliche Kreditmittel zu stärken.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Antrag der SPD an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — und an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zur Mitberatung zu überweisen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203107800

Das Wort hat der Abgeordnete Freidhof zur Begründung der Drucksache 433.

Rudolf Freidhof (SPD):
Rede ID: ID0203107900
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte den sozialdemokratischen Antrag begründen, der die Bundesregierung ersucht, zur Beseitigung der verkehrswirtschaftlichen Schwierigkeiten, die durch die Blockierung der Straßenverbindungen im Zonenrandgebiet entstanden sind, für Bau und Verbesserung der Straßen, insbesondere auch der Landstraßen erster und zweiter Ordnung, 65 Millionen DM bereitzustellen. Ich glaube, es besteht keine Notwendigkeit, eine ins einzelne gehende Begründung zu geben. Den Abgeordneten, die in den Zonengrenzkreisen gewählt sind, ist der Zustand der Straßen und der übrigen Verkehrseinrichtungen hinlänglich bekannt,

(Sehr richtig! rechts)

und einem großen Teil der Abgeordneten, die nicht in den Zonengrenzkreisen gewählt sind, aber mitunter dort gesprochen haben, wird der Zustand der Zonengrenzstraßen ebenfalls bekannt sein.
Es ist nun die Frage aufgeworfen worden, was der Bund bisher getan hat, um den schlechten Straßenzustand in den Zonenrandgebieten zu beseitigen. Wir haben gestern oder vorgestern die Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums erhalten, in der ein Überblick über den Stand der Hilfsmaßnahmen für die Zonenrandgebiete gegeben wird. Darin wird festgestellt, daß der Bund im Haushaltsjahr 1953 für die laufende Unterhaltung der Bundesfernstraßen in den Zonenrandgebieten 10 Millionen DM aufgewendet hat. Ich darf darauf hinweisen, daß der Hessische Landtag vorgestern seinen Staatshaushaltsplan verabschiedet hat und daß das Land Hessen danach für die Herstellung der Straßen in den Zonenrandgebieten etwa 10,4 Millionen DM aufbringt.
In der Antwort des Wirtschaftsministeriums ist weiter gesagt worden, daß die Maßnahmen zur Verbesserung des Landstraßen- und Wegenetzes für die Zonenrandgebiete nur mittelbar den Bund angingen, weil die Zuständigkeit dafür bei den L ä n d e r n liege. Ich bin der Meinung, daß die durch die Teilung Deutschlands und den Eisernen Vorhang entstandene schwierige Situation den Ländern allein nicht überlassen werden darf, sondern daß der Bund als echte Kriegsfolgelast erhebliche Mittel aufwenden muß, um auf diese Weise dort die Interessen der Wirtschaft und des Verkehrs wahrzunehmen. Wir halten es deshalb für notwendig, daß in verstärktem Umfange Sondermittel für den Ausbau der Straßen in den Zonenrandgebieten zur Verfügung gestellt werden, um so mehr als ein Teil der Straßen durch die Zonengrenze gesperrt ist, so daß der Verkehr auf eine Reihe von anderen Straßen umgelagert worden ist, die bisher Landstraßen 1. und 2. Ordnung gewesen sind. Die Länder, und zwar nicht nur Hessen, sondern auch die anderen Länder, haben bereits Mittel zur Verfügung gestellt; aber man darf nicht verkennen, daß an der Zonengrenze die armen Länder liegen und daß diese Länder durch andere Maßnahmen, die mit dem Eisernen Vorhang zusammenhängen, bereits außerordentlich stark belastet sind.
In diesem Zusammenhang möchte ich betonen, daß die Landstraßen 2. Ordnung durch die Absperrungsmaßnahmen sehr stark belastet sind. Die Finanzkraft der Gemeinden und Kreise reicht aber nicht dazu aus, diese Straßen in den Zustand zu versetzen, den wir für notwendig erachten. Dazu kommt — und das ist ein sehr schwie-


(Freidhof)

riges und dringendes Problem —, daß durch die Sonderabschreibungen, die für die Wirtschaft der Zonenrandgebiete genehmigt sind und die wir absolut begrüßen, die Gewerbesteuererträge der Gemeinden und Kreise erheblich geschmälert werden. Mir ist aus einer nordhessischen Kreisstadt mit- geteilt worden, daß allein die Sonderabschreibungen bei der Gewerbesteuer für diese Kreisstadt einen Ausfall von rund 80 000 DM mit sich bringen. Schon diese Tatsache zwingt uns, hier vom Bund aus etwas zu tun. Es kommt hinzu, daß infolge der wirtschaftlichen Schwierigkeiten die Gewerbesteuererträge in den wirtschaftlich schwachen Gebieten und Betrieben sowieso außerordentlich gering sind.
Nun hat Herr Staatssekretär Westrick darauf hingewiesen, daß die Bundesanstalt aus dem Arbeitsstock Mittel zur Verfügung stellen könnte, um diese Maßnahmen im Interesse der Verbesserung der Straßen durchzuführen. Ich möchte darauf hinweisen, daß, auch wenn diese Mittel zur Verfügung gestellt werden, die einzelnen Baulastträger 20 % der Baulast aufzubringen haben und daß dies für die finanzarmen Gemeinden und Kreise sehr schwierig ist. Dies würde also eine weitere schwere Belastung bedeuten.
Ich möchte mich kurz fassen und daher nur noch folgendes sagen. Unser Antrag hat nicht nur eine verkehrspolitische und eine verkehrstechnische Seite, sondern er soll Arbeitsmöglichkeiten schaffen. Ferner soll er die Finanzkraft der Kreise stärken, und schließlich soll er erreichen, daß auch der Handel, das Gewerbe und insbesondere auch das Verkehrsgewerbe die Stärkung erfahren, die in diesen Zonengrenzkreisen absolut notwendig ist.
Wir haben uns nun die Mühe gemacht, einige dringende Projekte in den Zonengrenzkreisen zusammenzustellen. Dabei möchte ich bemerken, daß sie keineswegs erschöpfend sind und daß von den einzelnen Ländern wahrscheinlich eine Reihe von anderen Projekten noch vorgeschlagen werden wird. Wir hoffen, daß mit der Durchführung un- serer Projekte eine Verbesserung der verkehrstechnischen Einrichtungen in den Zonenrandgebieten erreicht wird.
In Schleswig-Holstein müßte nach unserer Auffassung die Kreuzung der Bundesstraße 77 mit dem Nordostseekanal in Rendsburg durch eine Untertunnelung verbessert werden. Ferner müßte der Ausbau der aus Teilen der Bundesstraßen 209 und 207 bestehenden Verbindung von Lübeck nach Lauenburg zum einzigen schleswig-holsteinischen Grenzübergang nach Lauenburg und zur Elbbrücke Lauenburg durchgeführt werden.
In Niedersachsen ist der Ausbau der auf rund 170 km in mehr oder weniger großem Abstand längs der Zonengrenze führenden Bundesstraße 4 über Lüneburg, Uelzen, Gifhorn, Braunschweig, Vienenburg, Bad Harzburg und Braunlage besonders wichtig.

(Sehr gut! rechts.)

Auf dieser Straße rollt ja ein erheblicher Teil des Schwerlastverkehrs von Norden nach Süden. Weiter ist anzustreben, daß die noch unvollendet gebliebene Landstraße 1. Ordnung BraunschweigLebenstedt, die sogenannte Städtestraße, möglichst rasch ausgebaut wird.
In Hessen ist Verbesserung und Ausbau der Bundesstraße 27 notwendig, die außerordentlich stark belastet ist, weil ein Teil des Nord-Süd-Verkehrs
von der Autobahn heruntergeht, insbesondere die schwerbelasteten Lastkraftwagen, die die großen Steigungen über den Gipfel des Vogelbergs scheuen und auf der Bundesstraße 27 fahren, um von dort aus nach Bayern herunterzukommen.
Ebenso müßten die Landstraßen um den Hohen Meißner im Ringau und im Schemern Grund verbessert werden.

(Einzelner Beifall bei der SPD.) — Das war ein Hesse!


(Heiterkeit.)

In Bayern wäre der Ausbau von Straßenzügen notwendig, vor allen Dingen die Ost-West-Verbindung der Landstraße 1. Ordnung von Kronach nach Coburg.

(Aha!-Rufe von der CDU/CSU. — Bravo! rechts.)

— Das sind die. Bayern! - Die Bundesstraße 279 ist notwendig als einzige Verbindung, die von der Bundesstraße 227 nach Hessen führt, wo der Verkehr von Norden nach Süden, nach Bayern rollt. Dann die Landstraße 1. Ordnung von Mellrichstadt nach Königshofen, die Straße von Bayreuth nach Bamberg, um zu erreichen, daß dort eine Querverbindung geschaffen wird.
Zum Schluß meiner Betrachtungen noch eins. In dem Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums ist darauf hingewiesen worden, daß auch für den Fremdenverkehr in den einzelnen Gebieten — es werden Harz und Bayern angeführt - etwas getan worden ist. Ich möchte darum bitten, daß auch das schöne Werra-Tal und das schöne Fulda-Tal in Zukunft mit einbezogen werden, damit auch diese Gebiete für den Fremdenverkehr in größerem Maße erschlossen werden. Ich möchte diese dringende Bitte an die Bundesregierung richten und das Hohe Haus gleichzeitig ersuchen, unsern Antrag anzunehmen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203108000

Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen) zur Begründung des Antrags auf Drucksache 434 — Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet.
Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache 434 wäre nicht notwendig gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister seine Maßnahmen vom Jahre 1952 auch im Jahre 1953 und in diesem Jahre fortgesetzt hätte. Aber sein Veto gegen die Bemühungen des Ernährungsministeriums war wieder einmal stärker, und alle Erkenntnisse über sachliche Notwendigkeiten haben auch diesmal nichts genützt. Wie ich vernommen habe, ist man sogar im Bundeskanzleramt sehr erstaunt darüber gewesen, daß diese finanziellen Aufwendungen für die landwirtschaftlichen Betriebe, die unmittelbar durch die Zonensperrmaßnahmen betroffen worden sind, nicht fortgesetzt worden sind. Ich bedaure, sagen zu müssen, daß im Förderungsprogramm vom 3. Juli 1953 die Landwirtschaft keine Erwähnung gefunden hat. Es ist nur vergessen. Wir wollen das aber schleunigst nachholen, und daher unser Antrag.
Sie gestatten, meine Damen und Herren, daß ich noch einmal die Tatbestände aufzeige, die damals im Zonengrenzgebiet gegeben waren. Durch die


(Dr. Schmidt [Gellersen])

Sperrmaßnahmen sind zirka 2200 landwirtschaftliche Betriebe, meistens kleinbäuerliche Betriebe, betroffen worden. Sie haben zum mehr oder weniger großen Teil ihre Betriebsgrundflächen verloren und haben für das verlorengegangene Land keinerlei Entschädigung erhalten. In der Ostzone ist es nicht üblich, daß die Bauern, die nunmehr derartige Flächen bewirtschaften, dafür einen gewissen Betrag auf ein Sperrkonto zahlen. Die Bauern diesseits der Zonengrenze sind an dem Ertrage der dortigen Bewirtschaftung nicht beteiligt. Diesseits der Grenze begann damals wenige Stunden und Tage nach den Sperrmaßnahmen ein Rennen auf das frei gewordene Land, auf das Land, das Ostzonenbauern gehört hatte. Infolge des vermehrten Landhungers sind bei Verpachtungen Preise genommen worden, die in keinem Verhältnis zu dem Ertrage stehen. Auf der andern Seite gibt es natürlich auch viele Stellen im Zonengrenzgebiet, wo ein Landerwerb durch Pacht in keinem Falle möglich war. Eine Lenkung der Verpachtungen durch die Behörden war nicht möglich. Es wäre vielleicht möglich und zweckmäßig gewesen, wenn man das Land, das hier zur Verfügung stand, denen gegeben hätte, die eben drüben Land verloren haben. Das Gesamtergebnis ist also: auf der einen Seite ganz abnorme Pachtpreise, die in keinem Verhältnis zum Ertrage stehen; auf der andern Seite ist das Gleichgewicht vieler Betriebe gestört. Es gibt viele Betriebe, die mehr als drei Viertel ihres Grund und Bodens verloren haben.
Damals — im Jahre 1952 — mußte sich der Finanzminister dazu bequemen, eine Ernteausfallentschädigung bis zu 50 % zu gewähren. Das ist nicht leicht gewesen. Frau Kollegin Dr. Brökelschen, Sie wissen ganz genau: wir haben uns damals in vielen Stunden von Verhandlungen bemüht, die Auszahlung einer derartigen Entschädigung durch den Finanzminister zu erreichen. Die Folge der Tatsache, daß im Jahre 1953 keine solche Vergütung gezahlt worden ist, ist die, daß diese Betriebe ihr Vieh haben abstoßen müssen, daß sie damit in ihrer Existenz weitgehend bedroht sind.
Von den indirekten Schäden will ich gar nicht weiter sprechen. Es gibt eine ganze Reihe von Betrieben, denen es unmöglich gemacht ist, ihre Forstnutzung für Brennholz in der Ostzone weiter zu erhalten. Von den wirtschaftlichen Erschwernissen allgemeiner Art will ich auch nicht reden. Ich will auch nicht davon reden, daß es vielen Betrieben unmöglich gemacht ist, ihre Produkte oder Betriebsmittel leichter und bequemer abzusetzen bzw. zu beziehen als heute. Auch von den persönlichen Verhältnissen und Erschwernissen will ich nicht ausführlich sprechen. Denken Sie doch einmal daran, was Bauern machen sollen, die 60 oder 65 Jahre alt sind, die Hälfte ihres Landes verloren haben und keine Möglichkeit haben, einen Nebenerwerb zu finden! Was sollen Bauern machen, die, sagen wir, noch Altenteiler zu versorgen haben usw. mehr? Daran sollte unser Herr Finanzminister einmal denken. Ich würde es begrüßen, wenn Sie alle einmal Gelegenheit nähmen, solche Betriebe zu besichtigen, damit Sie auch die menschliche Seite di eses Problems kennenlernen.
Draußen, in den Dörfern, hat man für das Verhalten unseres Finanzministers kein Verständnis. Man ist schwer enttäuscht. Darum sollten wir als Bundestag die Courage aufbringen, die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Wir haben daher unseren Antrag gestellt, der vorsieht, daß Pachtaufwendungen für verlorengegangene Eigenflächen
zu vergüten sind, und andererseits sollen Wirtschaftsbeihilfen für die Betriebe, die keine Pachtflächen auf dem Pachtmarkt erhalten konnten, gewährt werden. Wir wissen selbst, daß wir damit keine Generalentschädigung für die Bauern herbeiführen, wir wollen nur die Not lindern. Es ist selbstverständlich, daß diese Beihilfen und Vergütungen rückwirkend auch für das Jahr 1953 gewährt werden müssen.
Ich gebe zu, daß es eine bessere Lösung gibt, die darin besteht, daß man versucht, die Bewirtschaftung dieser Flächen im kleinen Grenzverkehr wieder zu ermöglichen. Ich weiß, daß das Ernährungsministerium diesbezügliche Vorschläge an das Auswärtige Amt gemacht hat. Ich weiß aber nicht, was daraus geworden ist, ob überhaupt Schritte seitens der Bundesregierung unternommen worden sind, diese Bewirtschaftung wieder zu ermöglichen. Ich meine, unabhängig davon, ob etwas geschehen ist, sollte der Bundestag, sollten wir alle immer darauf bedacht sein, daß solche Versuche ständig unternommen werden.
Wenn man das nicht kann, wenn man andererseits aber auch kein Geld im Sinne des Antrags bewilligen will, dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, die allerdings eine Zwangsmaßnahme ist. Man müßte dann eine Landbewirtschaftungsordnung speziell für diese Zonenrandgebiete einführen, mit der man erreichen kann, daß Land beschafft wird und daß andererseits die bestehenden Pachtverträge überprüft und rückgängig gemacht werden können, daß das Land also zwangsweise in die rechten Hände kommt. Da das aber schwierig und wahrscheinlich nicht durchsetzbar ist, bleibt uns kein anderer Weg, als finanzielle Unterstützung zu gewähren. — Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt.
Der Herr Kollege Wacher hat in Drucksache 529 einen ähnlichen Antrag gestellt. Er ist uns gestern zugegangen, sechs Wochen nachdem wir unseren Antrag eingebracht hatten. Ich bedaure außerordentlich, daß der Herr Kollege Horlacher nicht wieder der Spitzenreiter ist, aber es hat anscheinend auch Herrn Wacher nicht ruhen lassen, hier in Konkurrenz zu treten. Er tritt nicht nur mit uns in Konkurrenz, sondern er tritt auch mit seinem eigenen Fraktionskollegen, dem Herrn Dr. Dr. Müller, in Konkurrenz, der ja für die Gebiete an der Westgrenze ähnliche Regelungen gefordert hat.
Ich darf Sie bitten, damit einverstanden zu sein, daß der Antrag federführend an den Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft und zur Mitbeteiligung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen überwiesen wird.
Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen: Es wird gerade bei dem starren Verhalten des Herrn Finanzministers notwendig sein, daß wir hier zusammenstehen. Ich möchte schon heute an die Kollegen in der Regierungskoalition, insbesondere auch an Herr Wacher und an seine Mitunterschreiber, den Appell richten, daß sie zu ihrem Wort stehen und nicht, wenn es darauf ankommt, wieder in die Knie gehen, wie es so oft der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der SPD. — Gegenrufe von der Mitte und rechts.)


Dr. Marie-Elisabeth Lüders (FDP):
Rede ID: ID0203108100

Das Wort hat der Abgeordnete Behrisch zur Begründung der Drucksache 435 betreffend Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet.


Arno Behrisch (SPD):
Rede ID: ID0203108200
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muß mit einem Bekenntnis beginnen. Ich hatte geglaubt, daß das Erscheinen des Herrn Bundesfinanzministers die Chancen der Streiter für das Zonengrenzland über alle Maßen erhöhen würde, ist er doch selbst ein Mann aus dem Grenzgebiet am Eisernen Vorhang. Ich hatte geglaubt, es habe ihn die Liebe zu seinem Bayerischen Wald hierhergeführt. Leider ist er nun verschwunden.

(Abg. Kahn: Er ist im Ausschuß! — Er kommt wieder!)

— Dann sei ihm verziehen. Wir haben aber nahezu die Situation wie am 2. Juli. Am 2. Juli war — ich erinnere daran — die Ministerbank leer, als wir hier einstimmige Beschlüsse faßten, und das Haus war sehr schütter besetzt. Nun, nach dem 2. Juli kam die Wahlzeit, und da änderte sich die Stimmung radikal. Wir hatten die umgekehrte Stimmung als in einem Vaterschaftsprozeß: alle wollten es gewesen sein. Alle knüpften an die Beschlüsse des 2. Juli an und alle gelobten: Aus dem Kind machen wir was.

(Zurufe von der Mitte.)

Die Beschlüsse des 2. Juli, so hieß es, sind nur ein Anfang. Herr Schäffer traf am 9. Juli in München mit Herrn Wirtschaftsminister Seidel und Herrn Staatssekretär Ringelmann zusammen, und bereits am 12. Juli war der Bundeskanzler in Regensburg.
Da bin ich nun bei meinem Gebiet, bei meinem Antrag. In Regensburg ist dem Herrn Bundeskanzler in überzeugender Weise dargelegt worden, wie die Situation am Eisernen Vorhang ist. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, der Bund müsse
alles tun, um eine große politische Gefahr zu bannen; die Sorge um die Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse am Eisernen Vorhang beschäftige ihn schon lange. Die Bundesrepublik sei verpflichtet, Hilfe zu bringen. Er sagte, als man ihn auf die große politische Gefahr der Dauerarbeitslosigkeit hinwies, wörtlich:
Daß darin eine politische Gefahr steckt, das ist für jeden, der die Dinge etwas zu überschauen vermag, eine Selbstverständlichkeit. Daß der Bund auch aus politischen. Gründen alles tun muß, was in seinen Kräften steht, damit diese politische Gefahr gebannt wird, das ist, glaube ich, so klar, daß ich keine Beteuerungen abzugeben brauche.
Dann hat uns der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 20. Oktober 1953 von dieser Stelle aus versichert, daß er den Gebieten am Eisernen Vorhang seine besondere Aufmerksamkeit zuwenden werde. Inzwischen scheint er zurückgefunden zu haben zu der Weisheit Talley-rands: „Der Weise handelt nie!"
Die Bundesregierung hat die Beschlüsse vom 2. Juli, man kann sagen, schleifen lassen. Da darf ich auf einen Mann aufmerksam machen, auf den die Bundesregierung sicher großes Gewicht legt. Herr Dr. Wilhelm Röpke hat in einem sehr beachteten Artikel die Verhältnisse am Eisernen Vorhang im allgemeinen und in Oberfranken im besonderen sehr eingehend analysiert. Herr Dr. Röpke kommt zu der Überzeugung, daß am Eisernen Vorhang langsam, aber sicher eine soziale Erosion um sich greift. Er sagt, daß wegen der besonders ernst zu nehmenden Gefahr der Menschen- und Betriebsabwanderung die Lage am
Eisernen Vorhang nicht harmlos genug sei, um den Kräften der Selbstheilung überlassen zu werden. Er fordert Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen.
Nun, meine Damen und Herren, wie sieht das praktisch aus? Schauen Sie, da ist z. B. ein Schreiben des bayerischen Arbeitsministeriums an das Bundesarbeitsministerium. In ihm wird auf die großen Schwierigkeiten der finanzschwachen Länder bei der Bereitstellung des für die Inanspruchnahme der dargebotenen Förderungsmittel des Bundes und der Bundesanstalt notwendigen Anteils hingewiesen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Länder ja gar nicht imstande sind, den halben Anteil zu den Förderungsmaßnahmen aufzubringen. Zugleich wird aber gesagt, daß man ohne die Notstandsarbeiten in den Randgebieten nicht auskommen kann.

(Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt wieder den Vorsitz.)

Ich erwähne ferner ein Schreiben von Herrn Staatssekretär Krehle an das Bundesarbeitsministerium, worin auf eine günstigere Gestaltung der Darlehnsbedingungen der Anstalt gedrängt wird.
Nun möchte ich noch auf etwas verweisen, was den zuständigen Herren in Bonn wahrscheinlich nicht bekannt ist. Es gibt eine Verfügung der nordbayerischen Arbeitsverwaltung vom Mai 1954, in der es heißt: „Kreditbegehrende Betriebe sind ab sofort unzweideutig darauf hinzuweisen, daß Anträge auf Arbeitsplatzdarlehen wohl nach wie vor gestellt werden können, d. h. daß eine Antragssperre bislang nicht ausgesprochen wurde, aber bei der Vielzahl der bereits vorliegenden Anträge mit Rücksicht auf die augenblicklich unzureichende Mittelzuteilung kaum Aussicht auf Erfolg haben. Die Laufzeit für einen Antrag auf Gewährung eines Arbeitsplatzdarlehens muß erfahrungsgemäß in Bayern mit ein bis eineinhalb Jahren angesetzt werden."
Warum sage ich das? Ich erwähne es deshalb, weil wir mit dem Antrag, den ich zu begründen habe, zusätzliche Mittel verlangt haben, damit in den Zonenrandgebieten Arbeiten durchgeführt werden können, die allen dort lebenden Menschen Luft unter die Flügel geben.
Die Struktur des Zonenrandgebietes ist hier jedes Jahr eingehend erörtert worden. Ich kann mir deshalb eine Wiederholung ersparen. Dem Herrn Staatssekretär möchte ich aber zur Frage der Verlagerung von Betrieben ein Wort mit auf den Weg geben.
Der Herr Wirtschaftsminister Seidel in München, ein Mann, der wegen seines Sachverstandes und seiner Mäßigung bekannt und beliebt ist, hat ausdrücklich erklärt, daß ihm das Gefährlichste in den Gebieten am Eisernen Vorhang im Augenblick gar nicht die Arbeitslosigkeit dünke, sondern die Tendenz zu Betriebsabwanderungen. Nun hat man so getan, als wenn so etwas gar nicht bestünde. Nach Mitteilung des Arbeitsministeriums sind bisher aus Oberfranken fünfzig Betriebe verlagert worden. Das sind keine kleinen Betriebe. Ich darf Ihnen als Beispiele folgende nennen: SiemensSchuckert-Werke, Kleinbauwerk Hof, mit 500 Beschäftigten, Siemens-Schuckert-Werke, Instawerk Hof, mit 900 Beschäftigten, Neue Baumwollspinnerei und Weberei Hof, die einen Zweigbetrieb mit 300 Leuten errichtet hat. Dem Herrn Wirtschaftsminister Seidel ist die Errichtung von Zweigbetrieben deshalb so bedenklich vorgekommen, weil sie zur Aushöhlung der Stammbetriebe


(Behrisch)

führt. Ich nenne weiter die Errichtung eines Zweigwerks der Firma Laubmann & Co. in Hof mit 150 Beschäftigten, die Vogtländische Baumwollspinnerei mit einem verlagerten Zweigbetrieb mit 120 Leuten, die Deutawerke in Schwarzbach im Wald mit 800 Leuten, Renz & Sohn in Stammbach mit 100 Leuten, Siemens-Schuckert-Werke, Stromrichterwerk Hof, mit 200 Leuten und die Möbelfabrik H. Schneider in Hof mit 400 Leuten, die pleite ging. Das sind nur einige Beispiele. Sie können noch mehr haben. Mein verehrter Kollege Egon Franke aus dem Kreise Helmstedt hat mir z. B. eine Liste gegeben, die neun Betriebe umfaßt. Es wird dabei festgestellt, daß in drei Jahren mindestens 3000 Arbeitsplätze verlorengegangen sind.
Womit haben wir uns also zu befassen? Mit drei Dingen: mit Arbeitslosigkeit, mit Dauerarbeitslosigkeit — sie ist in den Ländern am Eisernen Vorhang mit Abstand am höchsten — und mit Kurzarbeit. Ich gebe zu bedenken, daß die Landstriche, um die es sich hier handelt, meist Gebiete sind, in denen fünf Monate Winter herrscht, was für die Saisonarbeit etwas bedeutet!
Wenn die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung feststellt, die strukturelle Arbeitslosigkeit habe im Bund 29 % betragen, dann wüßte ich von dieser Anstalt gern, wieviel von diesen strukturellen Arbeitslosen auf die vier Länder am Eisernen Vorhang entfallen. Ich glaube, wir haben die „Ehre", den Löwenanteil zu haben. Der Herr Wirtschaftsminister denkt sicher, das pendelt sich bei uns auch aus. Ja, es pendelt sich auch im gewissen Sinne aus, nämlich dadurch, daß die besten Menschen von der Zonengrenze fortgehen. Fragen Sie einen Oberbürgermeister aus einer solchen Stadt, und er wird Ihnen sagen, daß jeden Tag Menschen zu ihm kommen, die ihm erklären: Seit Jahren laufe ich arbeitslos herum, hier ist es hoffnungslos, und ich muß fort. — Dabei handelt es sich nicht nur um wertvolle Facharbeiter, sondern meist auch um Leute, die politisch standfest sind und die das Grenzgebiet vor der politischen Infiltration mit bewahren könnten. Denn diejenigen, die weggehen, sind nicht die menschlichen Schlacken; es sind jene, die wir wirtschaftlich und politisch brauchen.
Ich möchte die Frau Präsidentin bitten — —

(Zurufe: Den Herrn Präsidenten!)

— Es ist ein Wechsel erfolgt; ich bitte um Verzeihung. — Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, mir noch eine kurze Frist zu gewähren, um meinen Antrag so begründen zu können, wie es der Situation bei uns entspricht.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203108300
Eine kurze Frist!

Arno Behrisch (SPD):
Rede ID: ID0203108400
Ja, ich werde Sie nicht unnötig strapazieren, Herr Präsident!
Ich möchte auf folgendes aufmerksam machen. Die Maßnahmen der Behörden sowohl des Bundes als auch der Länder widersprechen sich. Hier ist gesagt worden, man solle den Gemeinden am Eisernen Vorhang im Hinblick auf das Gewerbesteueraufkommen entgegenkommen. Ich möchte fragen: wo denn? Die Stadt Hof hat auf ausdrückliches Drängen des Finanzministeriums ihre Gewerbesteuer unlängst erhöht.

(Abg. Sabel: Das bayerische Finanzministerium!)

Soll ich Ihnen vorlesen, wie die Wirtschaftskapitäne in dieser Industriestadt diesen einstimmigen Beschluß kommentiert haben? Die Situation ist doch so, daß z. B. diese eine Stadt in einem Jahre eine Verminderung ihres Gewerbesteueraufkommens um 2 Millionen DM zu verzeichnen hat.
Ich will Ihnen zeigen, wo sich die Dinge schneiden und wo wir helfend eingreifen müssen. Die Stadt Hof — Sie können das sicher, wenn Sie andere Namen und andere Industriezweige nehmen, auf andere Orte am Eisernen Vorhang beliebig ausdehnen; ich nehme meinen Modellfall, weil ich ihn beherrsche —, diese Stadt hat, wie gesagt, im letzten Jahr 2 Millionen DM Gewerbesteuer weniger eingenommen. Sie möchte aber ihre gewerbliche Struktur erhalten. Welches ist ihre gewerbliche Struktur? Die Textilindustrie! In dieser Stadt drehen sich 500 000 Spindeln. Es sind eine Menge Heimatvertriebene und eine Menge Sowjetzonenflüchtlinge zu uns gekommen. Die Länder am Eisernen Vorhang sind ja nicht nur die Länder mit der höchsten Dauerarbeitslosenzahl; sie sind auch die Länder mit der mit Abstand höchsten Zahl von Heimatvertriebenen. Das muß man im Verhältnis sehen, mit all den Forderungen und Strapazen, die das mit sich bringt. Diese Stadt Hof möchte ihre gewerbliche Struktur wahren. Sie ist bereit, diese wertvollen Menschen, ,die aus Mitteldeutschland kommen, auch wirtschaftlich seßhaft zu machen. Das würde im Hinblick auf die Textilindustrie bedeuten: Verarbeitungsbetriebe, z. B. Färberei, Appretur und was man sonst braucht. Dazu braucht man Wasser. Die Stadt Hof muß ihre Brunnen zumachen, weil sie seuchenverdächtig sind. Sie müßte eine Wasserleitung mit 7 Millionen DM bauen. Wissen Sie denn, daß die Städte und Gemeinden am Eisernen Vorhang alle miteinander eine, gemessen an ihrer Kopfzahl, viel zu hohe Schuldenlast haben? Sie haben Schulden pro Kopf von 140 bis 200 DM. Eine solche Stadt kann also einen Bankkredit von 7 Millionen DM nicht aufnehmen. Aber kann sie das nicht, dann wandert die Industrie eben weiterhin ab, wie wir das bisher schon zu verzeichnen haben. Die Sünde der Zweigwerke wird sich weiter ausbreiten. Fragen Sie den Kollegen Starke von der Industrie- und Handelskammer Bayreuth! Der wird Ihnen aus absolutem Sachverstand ein Lied darüber singen können, wie er die Situation am Eisernen Vorhang nicht heute, sondern in fünf oder zehn Jahren beurteilt. Was er weiß, hat ihn zu der Ansicht gebracht, daß, wenn nicht etwas Grundlegendes geschieht, sich das Schwergewicht immer mehr von den alten Betrieben, die bei uns stehen, auf die modernen Zweigbetriebe verlagern wird. Denn wird die Auftragsdecke geringer, dann werden sich die Industriellen aus rein finanziellen, kaufmännischen Überlegungen auf das gesunde, starke Bein stellen, und wir werden am Eisernen Vorhang ein Armenhaus ohnegleichen haben.
Wenn ich sage „Armenhaus am Eisernen Vorhang", möchte ich auch ein Wort mit in die Debatte werfen, das bisher noch nicht gefallen ist: das Wort „Spionage". Am Eisernen Vorhang werden jeden Tag von unseren Sicherheitsorganen Menschen gefaßt. Sie sollten sich einmal dafür interessieren, unter welchen Umständen und Bedingungen diese Art „Verkehr" vor sich geht und wie man die Arbeitslosen beim Stöckeroden im Grenzwald auffordert, für 500 DM z. B. eine Fahrt mit einem Brief von Hof nach Köln zu machen. Nun,


(Behrisch)

welcher Arbeitslose verdient sich nicht gern auf diese Weise 500 DM?
Warum habe ich das alles gesagt? Ich habe das gesagt, weil ich glaube, daß wir unsere Maßnahmen so zusammenordnen müssen, daß Bund, Länder und Gemeinden — denn in den Gemeinden leben die Menschen — in einem sinnvollen Gleichklang stehen. Die 60 Millionen DM, die die sozialdemokratische Bundestagsfraktion fordert, sollen ja der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen am Eisernen Vorhang dienen, das heißt Meliorationen, Vorflutungen, Bau von Wasserleitungen, Bau von Kanalisationen und Wohnungen usw.
Ich möchte abschließend sagen, wenn wir hier in der Bundesrepublik eine Summe von 9 bis 11 Milliarden DM für die Verteidigung haben, dann sollten wir doch wohl 200 Millionen DM zur Verfügung haben, um die Frontlinie — und das ist der Eiserne Vorhang von Lübeck über Hof nach Passau — sozial und politisch stark zu machen. Ich frage Sie, meine Damen und Herren, allen Ernstes: sind 200 Millionen DM wirklich zuviel für solch eine ernste Angelegenheit?!

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203108500
Das Wort zur Begründung des Antrags unter Punkt 4 h der Tagesordnung hat der Abgeordnete Wacher (Hof).
Wacher (Hof) (CDU/CSU), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt mir wirklich nicht leicht, nach der Begründung von zwei Großen Anfragen und sechs Anträgen noch Ihre Aufmerksamkeit für einen weiteren Antrag zu erbitten. Aber glauben Sie uns Abgeordneten aus den Zonengrenzgebieten, die wir die Sorgen und Nöte dieser Landstriche kennen, daß es sehr notwendig ist, sich über diese Probleme zu unterhalten. Wie notwendig es ist, das hat immerhin heute die Diskussion schon zum Teil gezeigt.
Gestatten Sie mir bitte eine kurze Vorbemerkung. Alle Mitglieder dieses Hauses sehen es laufend als ihre vordringliche Aufgabe und Pflicht an, ihre politischen Entscheidungen im Hinblick auf eine friedliche Wiedervereinigung Deutschlands zu treffen. Aber ich meine, wir alle müßten jetzt weit mehr als bisher daran denken, daß dieser Weg in das sowjetisch besetzte Gebiet über die Zonengrenzen geht und gehen wird. Wir müßten jetzt die Schwierigkeiten an den Staats- und an den Zonengrenzen bereinigen. Wir wünschen alle, daß wir bald unsere wirtschaftlichen Kräfte dafür einsetzen können, der jetzt sowjetisch besetzten Zone Hilfe zu leisten. Aber im Augenblick haben wir die Aufgabe, eine Wirtschaftsordnung an den Grenzen zu gestalten.
Ich habe mich mit der Drucksache 529 zu beschäftigen. Wir haben in diesem Antrag verlangt, daß den Landwirten des Bundesgebietes, die Grundstücke im Ausland, also meistens im Westen, oder in der sowjetisch besetzten Zone haben, die sie wegen politischer Maßnahmen, die sie ja nicht zu vertreten haben, nicht bewirtschaften können, eine Beihilfe gewährt wird. Diese Beihilfe, so meinen wir, kann nur dann gewährt werden, wenn diese Betriebe in ihrer Existenz gefährdet sind. Ich kenne im fränkischen Raum Kleinbetriebe mit 7, 8 ha, deren Besitzer drei oder vier Kinder haben und die von den 7, 8 ha 2, 3 ha in der sowjetisch besetzten Zone verloren haben, so daß die Leute von dem Restbetrieb leben müssen. Hier ist es notwendig, einzugreifen. Diese Verhältnisse bestehen auch an der Westgrenze. Ich kenne viele Fälle, in denen die Lage ähnlich ist.
Bei unserem Antrag denkt niemand daran, eine endgültige Entschädigung zu verlangen oder auch nur eine Abschlagszahlung auf diese Entschädigung zu fordern. Das wäre Aufgabe und Sache des Kriegsfolgenschlußgesetzes. Wir meinen, man muß lediglich die Härten mildern, von denen unsere Bauern betroffen sind, die — das hat auch Kollege Schmidt schon ausgeführt — Teilflächen ihrer Betriebe für die Bewirtschaftung verloren haben. Nach den mir vorliegenden Unterlagen liegen am Eisernen Vorhang ungefähr 2200 ha, die nicht bewirtschaftet werden können. Im Westen beträgt die Gesamtfläche zirka 8000 ha. Hierher gehören selbstverständlich auch die sogenannten Traktatländereien. Herr Dr. Schmidt, machen Sie sich keine Sorgen, ich werde keineswegs mit Herrn Dr. Dr. Müller in Konkurrenz kommen. Wir haben die Dinge bereits abgesprochen, weil wir der Ansicht sind, daß den Besitzern dieser Traktatländereien in unserem Sinne geholfen werden muß.
Ich begrüße es außerordentlich, daß sich auch Ihre Fraktion in ihrem Antrag Drucksache 434 mit diesem Problem befaßt hat. Ich bin der Ansicht: wir werden uns über den Weg zu unterhalten haben; denn ich glaube nicht, daß wir Maßnahmen in Fortführung der Maßnahme von 1952, wie Sie sich ausgedrückt haben, ergreifen können. Wir haben ja immerhin jetzt völlig geänderte Verhältnisse vorliegen. Seinerzeit handelte es sich doch darum, Aufwendungen zu ersetzen. Heute müssen wir daran gehen, existenzgefährdeten Betrieben zu helfen. Die Aufwendungen — man kann das nur roh schätzen — dürften nach unserem Antrag bei zirka einer Million DM liegen. Das ist im Verhältnis zu den Zahlen, die wir heute gehört haben, sicher ein geringer Betrag. Aber wir wissen, daß wir gerade mit diesen Mitteln eine wirksame Hilfe für einen recht großen Personenkreis werden erreichen können. Wir können uns nur nicht dazu entschließen, eine generelle Hilfe zuzusagen, weil das unbedingt eine Diskrepanz mit anderen Maßnahmen mit sich bringen würde.
Eine Bemerkung des Herrn D r. Bleiß veranlaßt mich aber doch noch, einige Sätze anzufügen.

(Abg. Behrisch: Sprechen Sie für die Bundesregierung, Herr Wacher, weil sie „wir" sagen? — Abg. Frau Dr. Brökelschen: Nein, aber für die CDU-Fraktion!)

— Für die CDU-Fraktion, Herr Behrisch, der ich
die Ehre habe anzugehören.

(Abg. Behrisch: Ich wollte das nur feststellen!)

Herr Dr. Bleiß, Sie meinten sich etwas kritisch mit den CDU-Ministern der ersten Regierung auseinandersetzen zu müssen, denen Sie — wenn ich Sie recht verstanden habe — vorwarfen, sie hätten gebremst. Herr Dr. Bleiß, ich bin der Ansicht, daß das Grenzproblem zu allerletzt dazu verwendet werden sollte, Parteipolitik zu betreiben.

(Sehr richtig! bei der CSU.)

Ich meine, das ist das ungeeignetste Objekt dazu; wir sollten das nicht tun.

(Abg. Dr. Bleiß: Aber man kann doch Feststellungen treffen!)



(Wacher)

— Dann lassen Sie mich auch eine Feststellung treffen. Wenn man erstmalig, wie ich, die Ehre hat, an der Verabschiedung des Haushalts mitzuarbeiten, dann versucht man, etwas Einblick in die Hohe Schule der Haushaltspolitik zu gewinnen. Glauben Sie mir, meine Damen und Herren von der Opposition, es ist nicht ganz leicht, hinter gewisse Dinge zu kommen, so z. B. dahinter, warum die sozialdemokratische Fraktion im Rahmen der Haushaltsberatungen Anträge gestellt hat in Höhe von zirka 2,3 Milliarden DM und warum sich bei diesen Anträgen keine Anträge für die Grenzgebiete gefunden haben, während uns jetzt auf den Tisch des Hauses Anträge gelegt werden, die sich so ungefähr in der Höhe von 500 bis 600 Millionen DM bewegen.

(Abg. Behrisch: Ist ein Irrtum!)

Mit überspannten Forderungen nutzt man denen, denen man helfen will, nichts. Wie die Erfahrung gelehrt hat oder wenigstens gelehrt haben sollte, ist dabei auch parteipolitisch wenig zu erreichen.
Ich sagte schon, daß wir zur Verwirklichung unseres Antrages wohl eine Million DM benötigen werden. Wir meinen, daß diese eine Million DM aus den bewilligten 120 Millionen DM für die Grenzlandhilfe genommen werden sollte. Wir sollten uns alle gemeinsam dafür einsetzen, daß diese 120 Millionen DM optimal richtig angelegt werden. Ich bin mit Ihnen der Ansicht, daß wir mit den 120 Millionen DM nicht auskommen können.

(Abg. Dr. Bleiß: Wieviel wollen Sie denn haben?)

— Ich könnte mir vorstellen, daß wir auch mit 2 Milliarden DM nicht auskämen. Aber wir müssen doch mit den Füßen auf der Erde bleiben. Wir dürfen nicht Forderungen anmelden, die man wirklich nur als irreal bezeichnen kann.

(Abg. Behrisch: Das ist interessant!)

Lassen Sie mich bitte abschließend sagen, daß sich die Hilfe für das Grenzland künftig nicht ausschließlich auf die gewerbliche Wirtschaft beziehen darf. Gerade die Landwirtschaft in den Grenzgebieten — dabei fasse ich Staatsgrenzen und Zonengrenzen zusammen — befindet sich in besonders schwieriger Lage, wie ja Grenzgebiete immer der Landwirtschaft keinen besonders günstigen Boden schaffen.
Ich beantrage Überweisung des Antrags meiner politischen Freunde an den Haushaltsausschuß — federführend — sowie zur Mitberatung an den Ernährungsausschuß, den Ausschuß für Grenzland-fragen und den Unterausschuß Zonenrandgebiet. Ich bitte das Hohe Haus, dem Antrag die Zustimmung geben zu wollen.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203108600
Das Wort zur Begründung des Antrags der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete, Umdruck 113*), der in Verbindung mit der Großen Anfrage zu Punkt 4 b behandelt wird, hat Frau Abgeordnete Korspeter.

Lisa Korspeter (SPD):
Rede ID: ID0203108700
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! In der Drucksache 534 wird mit einem sehr kurzen Satz über die von uns beschlossenen kulturellen Hilfsmaßnah-
*) Siehe Anlage 3
men hinweggegangen. Auch Herr Staatssekretär Westrick hat sich sehr kurz gefaßt. Ich möchte daher im Auftrage meiner Fraktion bei gleichzeitiger Begründung unseres Umdrucks 113 auf diese Frage eingehen. Es heißt in der Drucksache 534: „Insbesondere konnten die vom Bundestag für kulturelle Hilfsmaßnahmen vorgesehenen 25 Millionen DM nicht bereitgestellt werden". Das ist dazu alles. Ich glaube nicht, daß wir uns damit abfinden oder gar zufriedengeben können. Erinnern wir uns doch einmal der Situation, in der wir unseren Beschluß faßten! Der Beschluß des Bundestages vom 2. Juli 1953 sah in Punkt 6 vor, für kulturelle Hilfsmaßnahmen im Zonenrandgebiet im Verlauf der nächsten 5 Jahre Bundeszuschüsse in Höhe von jährlich 25 Millionen DM zu gewähren. Nach sehr sorgfältiger Beratung war der Unterausschuß des gesamtdeutschen Ausschusses, der dieses Programm erarbeitet hatte, wie auch anschließend das Plenum darin einig, daß wir um unserer gesamtdeutschen Verpflichtung willen vom Bund aus alles tun müssen, um das Zonenrandgebiet in seinen wichtigen kulturpolitischen Aufgaben zu unterstützen. Herr Dr. Henn hat als Berichterstatter im Auftrag des Ausschusses sehr ausführlich auf die großen Mißstände im Volksschulwesen, auf die Schulraum- und Schulausstattungsnot im Zonenrandgebiet hingewiesen. Wir hatten Unterlagen, die uns die Länder zur Verfügung stellten, und es war uns daher bekannt, daß die Zahl der Kinder in den einzelnen Klassen in diesem Gebiet sehr viel höher liegt als in anderen Gebieten, daß die Klassen zum Teil überfüllt sind und daß in einigen Teilen des Zonenrandgebietes Volksschulen überhaupt fehlen, die notwendigerweise gebaut werden müßten. Herr Dr. Henn stellte fest, daß dieselben Schwierigkeiten wie im Volksschulwesen auch im Bereich des Mittelschulwesens und der höheren Lehranstalten vorhanden sind und daß auch hier vieles ergänzungs- und erneuerungsbedürftig sei.

(Abg. Samwer: Richtig!)

Genau so steht es mit den Berufs- und den Berufsfachschulen, die in vielen Kreisen des Zonenrandgebiets überhaupt völlig fehlen. So besteht die Gefahr, meine Damen und Herren, daß der notwendige Facharbeiternachwuchs nicht richtig ausgebildet werden kann und die dortige Industrie in gewisse Schwierigkeiten geraten wird. Der Mangel an Volkshochschulen und der schlechte Zustand der Volksbüchereien wurden gleichfalls herausgestellt, und die Forderung nach Erstellung von Jugendbüchereien, Jugendheimen, Herbergen, Wanderhütten, Turnhallen und Sportplätzen wurde hier von uns erhoben. Darüber wurde eine Förderung der Kunst auf allen Gebieten für dringend notwendig gehalten.
Dieser Bericht wurde von allen Fraktionen bejaht. Es wurde in der Debatte deutlich zum Ausdruck gebracht, und Frau Dr. Brökelschen hat diese Ausführungen gemacht, daß dieses Programm nur ein Minimalprogramm sei, das im Interesse des Zonenrandgebietes unbedingt durchgeführt werden müsse. Herr Kollege Brockmann erklärte, dieses Programm sei in der Tat gut und solide und könne Anspruch darauf erheben, verwirklicht zu werden.
Das Plenum gab durch seinen einstimmigen Beschluß — ich glaube, nur die Kommunisten enthielten sich der Stimme oder stimmten dagegen, das weiß ich im Augenblick nicht mehr genau — seiner Auffassung Ausdruck, daß die kulturelle


(Frau Korspeter)

Situation an der Zonengrenze dringend einer Änderung und einer Hilfe des Bundes bedürfe, wenn wir den Beeinflussungsmethoden von jenseits des Eisernen Vorhangs bei der Bevölkerung des Zonenrandgebiets erfolgreich begegnen wollten. Wir waren uns alle darüber einig, daß der wirtschaftliche Notstand in diesen Gebieten zwangsläufig auch einen kulturellen Notstand nach sich gezogen habe und daß diese Gebiete nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in kultureller Hinsicht aufs äußerste gefährdet seien. Wir waren uns auch darüber einig, daß durch den wirtschaftlichen Schrumpfungsprozeß infolge der Zurückverlegung einer Reihe von großen Betrieben in andere Gegenden der Bundesrepublik und die dadurch immer größer werdende Arbeitslosigkeit im Zonenrandgebiet und auch durch die große Masse der Flüchtlinge, die nicht wirksam verteilt worden waren, den Gemeinden so hohe soziale Lasten auferlegt wurden, daß sie einfach unfähig waren, die notwendigen kulturellen Maßnahmen, zu denen sie eigentlich nach dem Gesetz verpflichtet waren, aus eigener Kraft durchzuführen.

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Wir erkannten weiterhin an, daß die Länder, zu deren Zuständigkeit normalerweise die kulturellen Fragen gehören, mit diesen kulturellen Notständen nicht allein fertig werden können und der Hilfe des Bundes bedürfen, wenn wirklich durchgreifende Maßnahmen zum Zuge kommen sollen. Uns war allen bekannt, daß die Hilfe und Betreuung durch das Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen, auf die sich Herr Staatssekretär Westrick vorhin bezogen hat, für diese Gebiete nur ein Tropfen, und zwar nur ein sehr kleiner Tropfen, auf einen heißen Stein bedeutet.

(Abg. Behrisch: So ist es!)

So weit der Bundestag, und daher sein einstimmiger Beschluß. An diesen Beschluß, meine Herren und Damen, knüpften sich Hoffnungen, knüpften sich Wünsche der Gemeinden und der Länder im Zonenrandgebiet.

(Abg. Behrisch: Weil er einstimmig war! Es waren alle dabei!)

Es war selbstverständlich, daß auf diesen Beschluß hin eine große Zahl von Gesuchen und Anträgen an die zuständigen Kultusministerien herangetragen wurde, weil die Gemeinden, weil die Länder hofften, daß man nun einmal darangehen könnte, die dringendst notwendigen Maßnahmen auf kulturellem Gebiet durchzuführen.
Um so eigenartiger, um so befremdender muß es deshalb empfunden werden, daß das Bundeskabinett in seinem Beschluß vom 19. August 1953 über Förderungsmaßnahmen an der Zonengrenze den Punkt 6, nämlich diese kulturellen Hilfsmaßnahmen, überhaupt nicht erwähnt hat, so daß dieses Übergehen einer Ablehnung unseres einstimmig gefaßten Beschlusses gleichkommt. Alle Hilfsmaßnahmen auf diesem Gebiet, die so dringend notwendig waren, unterblieben, und es wurde nichts getan.
Dieser Beschluß des Kabinetts wurde von den vier Ländern nicht widerspruchslos hingenommen. Sie bildeten einen kulturellen Arbeitskreis, der die Aufgabe hatte — ausgehend von dem Beschluß des Bundestags, den Ländern jährlich 25 Millionen DM auf die Dauer von fünf Jahren zur Verfügung zu stellen —, ein Programm auszuarbeiten. Ziel dieses
Programms sollte es selbstverständlich sein, die finanzielle Beteiligung des Bundes zur Behebung des kulturellen Notstands zu erreichen. Auch die Länder sehen die Schwerpunkte der Zuschüsse und Hilfe in derselben Richtung, wie sie der Ausschuß hier im Plenum vorgetragen hatte und wie ich sie vorhin noch einmal kurz erwähnte.
Auch das Plenum, so scheint es uns, meine Herren und Damen, hätte die Pflicht, von der Bundesregierung zu verlangen, daß der vom Hause einstimmig gefaßte Beschluß durchgeführt wird. Auch wir können dieses Übergehen eines Beschlusses, der hier gefaßt wurde, nicht widerspruchslos hinnehmen. Wir können uns auch nicht damit zufrieden geben, daß in der Drucksache 534 erklärt wurde, die Gründe für das Übergehen des Bundestagsbeschlusses im Hinblick auf kulturelle Hilfsmaßnahmen lägen neben sachlichen Schwierigkeiten in der angespannten Haushaltslage des Bundes. Wir sind vielmehr der Ansicht, daß dieses Verhalten der Bundesregierung den Willen des Bundestages in einzigartiger Weise verletzt und mißachtet hat und daß es unsere Pflicht ist, alles zu tun, um diesen Beschluß wiederherzustellen. Wollen wir bei der dortigen Bevölkerung den zum Teil schon bestehenden Eindruck, sie sei bereits ein verlassenes Vorfeld oder sie sei von den zentralen Stellen bereits abgeschrieben, nicht noch mehr verstärken, dann muß nach unserer Ansicht auf diesem Gebiet etwas Entscheidendes getan werden.
Dieser Beschluß kann auch nicht in den 120 Millionen DM untergehen, sondern die 25 Millionen für die kulturellen Hilfsmaßnahmen müssen zweckgebunden festgehalten werden. Um dieses Ziel zu erreichen, haben wir den Antrag Umdruck 113 noch einmal gestellt.

(Abg. Dr. Menzel: Sehr richtig!)

Meine Herren und Damen! Wir haben im Haushalt 30 Millionen DM für Informationszwecke und für Propaganda. Vorhin wurde schon einmal der Zwischenruf „Reptilienfonds" laut. Der Herr Bundeskanzler hat einen Fonds von 10 Millionen DM für Zwecke, die wir nicht kennen und die das Parlament nicht kontrollieren kann. Kann man sich dann mit der Erklärung zufrieden geben, die angespannte Haushaltslage des Bundes gestatte keine kulturellen Hilfsmaßnahmen an der Zonengrenze? Wir sind der Ansicht, nur eine Bereitwilligkeit des Bundes, auch auf dem kulturellen Sektor etwas zu tun, wird die Beeinflussungsversuche von jenseits des Eisernen Vorhangs auf die Bevölkerung des Zonenrandgebietes abschwächen und die Menschen politisch festigen. Schließlich sollten wir daran denken, daß wir nur durch eine aktive und positive Politik auch in diesen Fragen unsere gesamtdeutsche Verpflichtung erfüllen. Proklamationen und Deklamationen helfen nicht, wenn keine Taten folgen, und wir sind der Ansicht, unsere Beschlüsse in dieser Frage werden zu bloßen Deklamationen, wenn sie durch die praktische Politik der Bundesregierung mißachtet werden. Deshalb haben wir unsern Antrag auf Umdruck 113 noch einmal vorgelegt. Wir bitten, ihn dem Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zur Beratung zu überweisen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203108800
Meine Damen und Herren! Die Reihe der Redner und Rednerinnen zur Begründung der vorliegenden Anträge ist beendet. Wir kommen damit zur Aussprache über


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

diese Anträge, für die bereits acht Wortmeldungen vorliegen. Ich möchte mir erlauben, an die Rednerinnen und Redner die Bitte zu richten, sich dessen zu erinnern, daß wir über diesen sicherlich sehr wichtigen Punkt nun schon drei Stunden verhandeln und daß die Beratungen heute abgeschlossen werden sollen.

(Abg. Behrisch: Herr Präsident! „Schon drei Stunden" über gesamtdeutsche Fragen? Das betrifft doch ein Siebentel der Bevölkerung der Bundesrepublik!)

— Verzeihen Sie bitte; das ist eine rein geschäftsordnungsmäßige Bemerkung. Der Ältestenrat hat beschlossen, heute um 18 Uhr abzuschließen und ein sehr wichtiges Gesetz, das über Straffreiheit, bis dahin auch noch zu erledigen. Ich sehe mich verpflichtet, das Hohe Haus auf diesen geschäftsordnungsmäßigen Sachverhalt hinzuweisen.

(Beifall in der Mitte.)

Wir treten also in die Aussprache ein. Das Wort hat Frau Dr. Brökelschen.

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0203108900
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Ich persönlich bedauere, daß die Debatte über die Fragen des Zonenrandgebietes jetzt unter Zeitdruck gerät. Ich möchte deswegen sagen, daß ich nicht der Meinung bin, daß in der Aussprache nun vor allen Dingen die sich beschränken sollen, die noch nicht zu Wort gekommen sind. Ich halte es für vollkommen untragbar, daß die Opposition die Anträge unter weitgehender Überschreitung der Redezeit begründet hat

(Abg. Sabel: Sehr richtig!)

und daß wir deswegen jetzt unsere Redezeit abkürzen sollen.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU. Zuruf von der SPD: Warum haben Sie keine Anträge gestellt?)

Ich möchte sagen, daß ich bereit bin, mich so kurz wie möglich zu fassen, daß ich mich aber ebenso für verpflichtet halte, hier zu sagen, was gesagt werden muß.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zurufe von der SPD. — Glocke des Präsidenten.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203109000
Meine Damen und Herren! Sie werden dadurch, daß Sie der Rednerin ruhig zuhören, die Verhandlungen sehr beschleunigen.

(Zuruf von der SPD: Aber das kann man sich doch nicht anhören!)


Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0203109100
Das kann man sich nicht anhören? Ich habe mir bei Ihnen auch sehr vieles schweigend angehört, und ein klein wenig Geduld können Sie vielleicht auch haben, Herr Dr. Bleiß, oder wer da sonst gerufen hat!
Meine Herren und Damen! Herr Dr. Schmidt hat dazu aufgerufen, in der ganzen Frage des Zonenrandgebietes einmütig zusammenzustehen. Ich mache mir diese Bitte absolut zu eigen. Ich bin der Meinung, daß wir bis jetzt in diesen Dingen tatsächlich einmütig zusammengestanden haben. Augenblicklich allerdings macht sich bei allen berechtigten Einwendungen, die hier erhoben worden sind, doch auch so etwas wie die erregte Atmosphäre im Vorfeld eines Wahlkampfes geltend. Es
wäre das Unguteste, was wir tun könnten, wenn wir die Fragen der Zonenrandgebiete jetzt unter Wahlkampfgesichtspunkten sehen wollten.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Das tun wir ja gar nicht!)

Meine Herren und Damen von der Opposition, ich bin absolut bereit, mich mit Ihnen auf einer Linie zu einigen, wenn diese Linie die Gerechtigkeit ist. Allerdings scheint mir heute in sehr vielem, was hier gesagt worden ist, diese Gerechtigkeit nicht beachtet worden zu sein. Wir wollen uns doch sachlich bemühen. Das ganze Bestreben der Damen und Herren von der Opposition, die heute gesprochen haben, hat doch den Tenor gehabt, klarzumachen, daß die Bundesregierung wieder einmal in einer wichtigen nationalen Angelegenheit versagt habe; die Opposition habe infolgedessen die Rolle des nationalen Wächters, der darauf aufmerksam machen müsse, was nun endlich zu tun sei.
Meine Herren und Damen, ich habe mir die Vorschläge, die von der SPD in bezug auf Lösungsmöglichkeiten heute gemacht worden sind, sehr genau angehört. Ich muß allerdings sagen, daß im Kernpunkt ja Gott sei Dank auch bei Ihnen die Frage steht: Was kostet die ganze Geschichte, und wie können wir mit den Kosten fertig werden?

(Sehr richtig! bei der SPD.)

Da berührt es schon etwas merkwürdig, daß Herr Kollege Freidhof sagt: Wir begrüßen all die Begünstigungen, die der gewerblichen Wirtschaft im Zonenrandgebiet eingeräumt werden sollen und eingeräumt worden sind, während Herr Kollege Kurlbaum der Meinung ist, das Ganze solle abgebaut werden, statt dessen solle nun als die große Lösung die Senkung der Umsatzsteuer kommen.

(Abg. Dr. Schöne: Eine der Lösungen!)

— Eine der Lösungen? Dann, Herr Schöne, wird mir die reale Grundlage Ihrer Vorschläge noch problematischer.

(Sehr gut! bei der CDU/CSU.)

Wenn ich mir Ihre Anträge einmal im einzelnen betrachte, dann sieht das so aus: 65 Millionen DM zusätzlich für Straßen, 60 Millionen DM für die Erhaltung der Arbeitsplätze, 25 Millionen DM für kulturelle Zwecke, macht 150 Millionen DM. Die Beträge, die man nicht übersehen kann, hat man vorsichtigerweise nicht eingesetzt: das, was nun noch infolge der Senkung der Umsatzsteuer hinzukommt, und man hat auch schamhaft verschwiegen, was die Entschädigung für die Landwirtschaft kostet, die ja nun nicht nach Bedürftigkeit, sondern generell geregelt werden soll. Wir kommen bei vorsichtiger Rechnung mit dem, was die SPD vorschlägt, auf die „geringe" Summe von 600 bis 700 Millionen DM.

(Zustimmung. — Zuruf von der SPD: Na und? — Zurufe von der CDU und Gegenrufe von der SPD.)

Nun möchte ich auf folgendes hinweisen. Wenn Sie in der Weise weitermachen — es wurde vorhin schon die Summe von 2,4 Milliarden DM im Zusammenhang mit dem Bundeshaushalt genannt —, werden wir am Ende der Wahlkämpfe — ich glaube, der letzte wird in Niedersachsen sein —
so weit sein, daß die SPD Anträge in der Höhe eingebracht hat, in der die gesamten Ausgaben des Haushalts heute erscheinen, mit anderen Worten, daß sich die ganze Ausgabeseite verdoppelt hat,


(Frau Dr. Brökelschen)

ohne daß auch nur eine Spur von echter Lösung der Kostenfrage angegeben wird.

(Zuruf von der SPD: Das ist doch nur Phantasie!)

An die Lösung, Herr Kollege Kurlbaum, die Sie vorgeschlagen haben, glauben Sie im Ernst ja selber nicht, weil Sie doch selbst wissen,

(Zuruf von der SPD: Was wollen Sie damit sagen? — weitere Zurufe von der SPD)

daß auf keinen Fall nun eine völlig andere Systematik in die Steuergesetzgebung hineinkommen kann, wie sie Ihr Vorschlag auf Senkung der Umsatzsteuer zur Folge hätte.
Sie haben uns weiter eine Verringerung des Verteidigungsbeitrags vorgeschlagen. Meine Herren und Damen, ich möchte eine Debatte über Kostenfragen in den letzten Monaten sehen, bei der nicht der Deckungsvorschlag auftauchte, die Verteidigungslasten zu senken.

(Sehr richtig! bei der CDU/CSU.)

Das ist doch von vornherein ein völlig irrealer Fall, und Sie wissen ganz genau, daß die Senkung der Besatzungskosten ernsthaft nicht in unsere Hand gegeben ist. Sie stünden vor denselben Schwierigkeiten wie wir, wenn Sie heute den Finanzminister oder den Bundeskanzler stellen würden.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Aber nein, das ist Ihr Irrtum! — Abg. Dr. Gülich: Wir würden verhandeln!)

Wir hatten uns im vorigen Jahr bei der Beratung des Förderungsprogramms darauf geeinigt, daß wir den Versuch machen wollten, für dieses Programm eine ausreichende Summe zur Verfügung zu bekommen. Jetzt hat der Bundesfinanzminister das, was im Augenblick im Rahmen des Möglichen geschehen konnte, getan. Er hat 120 Millionen DM zugesichert. Nun sagen Sie, das Ganze hänge in der Luft.

(Zurufe von der SPD.)

Der Finanzminister—und das möchte ich hier ganz deutlich sagen — steht uns mit den 120 Millionen im Wort.

(Zuruf von der SPD: Aber nein!)

Ich meine, wir sollten das nicht verkleinern und jetzt mit Fragezeichen versehen, sondern wir sollten uns freuen, daß wir nun für das Zonenrandgebiet einen klaren und festen Ausgangspunkt haben.

(Abg. Kurlbaum: Soll er doch hierherkommen und das sagen! — Abg. Dr. Gülich: Titel 950, da steht alles genau drin!)

Nun eine weitere Frage an die SPD: Wollen Sie die Umsatzsteuersenkung, wollen Sie die ganzen Förderungsmaßnahmen für die gewerbliche Wirtschaft, die 25 Millionen DM für kulturelle Zwecke, und was ich hier sonst noch zusammengestellt habe, alles zusätzlich zu den 120 Millionen DM, oder wollen Sie das irgendwie in die 120 Millionen DM hineinbeziehen? Ich glaube, darüber hat sich heute nach allem, was Sie gesagt haben, keine Klarheit ergeben.

(Zuruf von der SPD: Wir haben ja gar keine Zusage für die 120 Millionen! — Gegenruf von der Mitte: Doch, ist längst genehmigt!)

— Wir haben die Zusage des Finanzministers, und ich glaube, wenn wir die haben, können wir uns auf sie verlassen. Denn es ist noch nicht bewiesen, daß Herr Schäffer in Zusagen, die er gemacht hat, nicht loyal gewesen ist.

(Beifall bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Gülich: Er hat sie ja nicht gemacht!)

Ein Weiteres. Es ist heute immer wieder gesagt worden, es sei nichts geschehen. Ich bin nicht der Meinung, daß wir uns mit dem, was geschehen ist, zufrieden geben könnten. Aber wir wollen doch nicht sagen, es sei gar nichts geschehen. Vergegenwärtigen wir uns doch nur einmal folgende Zahlen. Herr Freidhof, Ihnen ist leider ein Irrtum unterlaufen. Sie haben gesagt, der Bund stelle 10 Millionen für die Straßen zur Verfügung, und Sie haben demgegenüber die freigebige Hand des hessischen Staates gerühmt. Ich möchte nur sagen: 10 Millionen für laufende Unterhaltung, daneben aber für Umbau und Aufbau 30 Millionen,

(Hört! Hört! in der Mitte) macht nicht 10, sondern 40 Millionen.


(Abg. Dr. Schöne: Aber die kommen nicht vom Bund!)

Und ich möchte Frau Korspeter sagen, daß unter den Ausgaben doch auch immerhin fast 3 Millionen DM für Lehrlingswerkstätten gewesen sind, also gerade für das Anliegen, das wir gemeinsam haben. Und von den 208 Millionen DM, die die Bundesanstalt zur Verfügung gestellt hat, ist doch auch ein großer Teil ins Zonenrandgebiet geflossen. Ich verstehe nicht, weshalb man heute hier in der Debatte eine scharfe Trennung zwischen den Mitteln der Bundesanstalt und denen der Bundesregierung gemacht hat.

(Zurufe von der SPD.)

Weiter stehen in dem Bericht der Bundesregierung 4,7 Millionen für den Fremdenverkehr. Ich meine, auch das sollte etwas gewürdigt werden.
Heute ist verschiedentlich wieder, ich glaube, vor allen Dingen von Herrn Kollegen Behrisch der Ausdruck „Armenhaus" gefallen. Ich wehre mich ganz entschieden dagegen, daß dieser Ausdruck immer wieder fällt.

(Zustimmung in der Mitte.)

Das Zonenrandgebiet ist kein Armenhaus, und wir
werden dafür sorgen, daß es kein Armenhaus wird.

(Beifall in der Mitte. — Abg. Dr. Arndt: Dann kommen Sie bitte mal mit mir, Frau Brökelschen!)

— Herr Arndt, ich brauche nicht mitzukommen; ich kenne die Verhältnisse ganz genau.

(Abg. Dr. Arndt: Dann werden Sie auch wissen, daß es ein Armenhaus ist!)

Aber mit dem Ausdruck „Armenhaus" treffen Sie nicht das, was uns wirkliches Anliegen ist.

(Abg. Sabel: Das glaubt er ja auch selber nicht!)

— Das will ich nicht sagen. Ich will mir keinen Ordnungsruf wegen einer Beleidigung zuziehen.

(Abg. Sabel: Das ist eine der üblichen Agitationspflaumen!)

Ich hatte vor, die Bundesregierung in der Fragestunde zu fragen, ob ihr bekannt ist, daß von gewisser Seite der Versuch gemacht werde, die Ver-


(Frau Dr. Brökelschen)

Legung des Gmelin-Instituts nach Köln zu erreichen. Das Gmelin-Institut, ein international anerkanntes Institut mit 100 wissenschaftlichen Mitarbeitern, ist seit einer Reihe von Jahren in Claustal-Zellerfeld. Das Bestreben, dieses Institut nach Nordrhein-Westfalen zu bekommen, ist von dem Vorsitzenden einer großen Fraktion des nordrhein-westfälischen Landtags sehr unterstützt worden. Es ist nun charakteristisch, daß der betreffende Vorsitzende, nachdem ihm eine Delegation aus Claus-tal — bestehend aus Rats- und Verwaltungsvertretern — einmal die Dinge wirklich klargemacht hatte, sagte, daß er die Angelegenheit von dieser Warte aus überhaupt noch nicht gesehen habe. Er sei erstaunt, und er werde, nachdem ihm die wirtschaftliche und kulturelle Seite der Angelegenheit klargemacht worden sei, nun nichts mehr in der Angelegenheit tun. Er habe sie nur aus Gründen einer wünschenswerten Unterstützung der Forschung gefördert. — Meine Herren und Damen, eben darum geht es! Man hat weithin im Westen keine rechte Vorstellung von dem, was man dem Zonenrandgebiet zumuten darf und was nicht, und man hat keine rechte Vorstellung von den Verpflichtungen, die man dem Zonenrandgebiet gegenüber hat.

(Abg. Dr. Gülich: Eben! — Weiterer Zuruf von der SPD: Wem sagen. Sie das?)

Sehen Sie, Frau Korspeter, wir haben nach einer monatelangen gemeinsamen Arbeit in dem Unterausschuß „Zonenrandgebiet" das heute ja schon mehrmals angesprochene Programm im Ju 1953 verabschiedet. Ich stimme den Herren und Damen von der Opposition absolut darin zu, daß dieses Programm im Zonenrandgebiet eine große Hoffnung erweckt hat. Und nun stellen wir alle miteinander fest, daß an die Stelle dieser Hoffnung weithin Hoffnungslosigkeit getreten ist und daß eine Reaktion eingesetzt hat, die wir aus einer Reihe von Gründen, vor allen Dingen aus politischen Gründen, nicht für wünschenswert halten.
Das ist aber nicht allein — und darin unterscheide ich mich von dem Standpunkt der Opposition — Schuld der Bundesregierung. Zweifellos hat die Empfehlung des Herrn Bundesfinanzministers vom Oktober, die ja eine weitreichende Möglichkeit finanzieller Erleichterungen vorsah, nicht genügt, um diese Erleichterungen tatsächlich zu bringen.

(Zuruf von der SPD: Na also!)

Die Richtlinien des Herrn Bundeswirtschaftsministers vom 31. März betreffend Vergabe öffentlicher Aufträge sind reichlich spät gekommen, und, Herr Staatssekretär Westrick, ich füge hinzu, auch der Bericht, den wir heute als Ausgangspunkt der Debatte haben, ist reichlich spät gekommen.

(Zustimmung beim GB/BHE.)

Ich verkenne nicht die Schwierigkeiten, die mit der Abfassung dieses Berichts verbunden gewesen sein mögen; immerhin hat diese Verspätung sehr viel zu der augenblicklichen Stimmung im Zonengrenzgebiet beigetragen.

(Abg. Dr. Schöne: Nun kommt ja der von Herrn Kraft, der wird besser!)

Aus dem Bericht und aus der Antwort des Herrn Staatssekretärs Westrick hat sich ergeben, daß tatsächlich — und das möchte ich noch einmal betonen — beträchtliche Summen aus Sanierungsmitteln, ERP-Mitteln und Mitteln der Bundesanstalt ins Zonenrandgebiet hineingeflossen sind. Ich bin der Meinung, wenn wir jetzt die 120 Millionen DM bekommen, können wir tatsächlich mit Hilfe
dieser Summe für den Anfang etwas für das Zonengrenzgebiet erreichen. Aber, meine Herren und Damen, ich wundere mich, daß sich die Vertreter der SPD heute immer wieder zu leidenschaftlichen Verfechtern der These von der Notlage der Länder und der Kommunen gemacht haben, daß jedoch von ihrer Seite auch nicht mit einem einzigen Wort die Sprache auf die tatsächlich angespannte finanzielle Lage des Bundes gekommen ist.

(Zurufe von der SPD.)

In dem Bericht der Bundesregierung und auch in der Antwort des Herrn Staatssekretärs sind uns eine Reihe von Maßnahmen mitgeteilt worden, die die Bundesregierung in Angriff genommen und durchgeführt hat. Was uns völlig fehlt, ist irgendeine Ubersicht über das, was nun die Länder für das Zonenrandgebiet tatsächlich getan haben. Wenn ich z. B. in dem Bericht der Bundesregierung lese, daß für Wohnungsbauten im Zonenrandgebiet aus den verschiedenen Fonds des Wohnungsbauministeriums 101/2 Millionen DM zweckgebunden hingegeben worden sind, so frage ich mich, in welcher Höhe Ländermittel für Wohnungsbauten im Zonenrandgebiet eingesetzt worden sind. Frau Korspeter, bei unserer gemeinsamen Sympathie für Niedersachsen darf ich Sie an den gemeinsamen Antrag aller Fraktionen im Landtag erinnern, der verlangte, daß von den vorgesehenen 40 Millionen DM für Verwaltungsbauten zunächst einmal ein Abzug in Höhe von fünf Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau gemacht werden sollte.

(Abg. Heiland: Da könnten Sie ein gutes Beispiel geben!)

Ich würde mich sehr freuen, wenn ich hörte, daß von diesen fünf Millionen DM tatsächlich ein entsprechend wichtiger Anteil ins Zonenrandgebiet gegeben worden ist.

(Abg. Frau Korspeter: Was sagen Sie zu den Verwaltungsbauten in Bonn?!)

- Frau Korspeter, ich habe von 101/2 Millionen DM geredet, die das Wohnungsbauministerium zur Verfügung gestellt hat, und wollte wissen, welche Beträge Niedersachsen und die anderen Länder zur Verfügung gestellt haben. Wenn ich das sage, dann geschieht das vor allen Dingen unter einem bestimmten Gesichtspunkt.
Wenn wir die 120 Millionen DM jetzt zur Verfügung bekommen und davon ein Großteil für das Zonenrandgebiet vorgesehen ist, dann bin ich allerdings der Meinung, daß wir vom Bund aus alles Interesse daran haben, über die Verwendung dieser 120 Millionen DM eine Kontrolle zu haben. Es ist, glaube ich, von einer Seite schon angeklungen, es sei völlig untragbar, daß diese Summen etwa für — ich drücke mich sehr vorsichtig aus — Haushaltsmanipulationen der Länder gebraucht werden könnten. Ich habe vor mir eine Entschließung des Landkreistages liegen, in der dieselbe Befürchtung ausgesprochen wird. Ich möchte deswegen dringend darum bitten, für die Sicherung zu sorgen, daß diese zusätzlichen Mittel auch tatsächlich zweckentsprechend verwandt werden.

(Sehr gut! in der Mitte.)

Was heute die Diskussion etwas verschärft hat, das ist vielleicht das, daß sowohl der Bericht wie auch Ihre Ausführungen, Herr Staatssekretär, sehr kühl und sehr sachlich gewesen sind. Man kann


(Frau Dr. Brökelschen)

Dinge so und so darstellen. Ich muß sagen: Wenn ich jetzt als Vertreter eines Zonenrandgebietes auf der Tribüne säße, dann hätte ich erwartet, daß in der Debatte einmal so etwas wie ein Schuß leidenschaftlicher Anteilnahme an dem Schicksal der Zonenrandgebiete spürbar geworden wäre. Ich muß leider sagen, daß ich das nicht gespürt habe.

(Zuruf von der SPD: Noch besser wäre Geld vom Bund!)

Es ist doch so, daß alles, was das Zonenrandgebiet betrifft, ein Stück Kalten Krieges darstellt. Es wäre mir sehr lieb gewesen, wenn ich heute von der Regierungsbank gehört hätte, daß alle diese Maßnahmen dem Ziel unterstellt werden, dieses Stück Kalten Krieges zu gewinnen.
Der Herr Staatssekretär hat dann davon gesprochen, daß die Abwanderung der Betriebe — er ist dabei auf die Opposition der sozialdemokratischen Fraktion gestoßen — nicht sonderlich bedrohlich sei und sich im wesentlichen überhaupt nicht anders darstelle als die Verlagerung der Betriebe im Bundesgebiet. Herr Staatssekretär, diese Parallele sollte man nicht ziehen. Die Abwanderung eines Betriebs aus dem Zonenrandgebiet be- deutet mehr als die Verlagerung eines Betriebs in einem andern Gebiet der Bundesrepublik. Aber in Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär, ist letztlich doch auch eine kleine Sorge mit angeklungen. Zwischen Ihren ersten Ausführungen mit einer gewissen Bagatellisierung der Situation und Ihren sehr deutlichen Erklärungen, die Sie zuletzt abgegeben haben, daß etwas geschehen müsse, sogar vielleicht bis hin zu einem Verbot für die Gemeinden, Betriebe anzulocken, besteht doch ein kleiner Widerspruch. Entschuldigen Sie, daß ich das sage.
Als ein typisches Beispiel für die Situation im Zonenrandgebiet möchte ich nun folgenden Fall vor Ihnen ausbreiten. Kürzlich ist den Vertretern des Bundesvertriebenenministeriums von einem Betriebsinhaber mitgeteilt worden, daß sich in Nordrhein-Westfalen eine Gemeinde bereit erklärt habe, seinem Werk ein Fabrikgrundstück zu schenken, ein fix und fertiges Gebäude mit allem Zubehör; das Werk läge an einem Gleisanschluß, außerdem an einer Fernverkehrsstraße, und nicht einen Pfennig solle die Firma für dieses Projekt bezahlen. Die Gemeinde habe sich im Gegenteil bereit erklärt, vor dem Einzug der Firma in die Fabrik aus den Mitteln des Fonds zur Beschaffung von Arbeitsplätzen weitere 150 000 DM zu investieren. Der Bürgermeister habe weiter erklärt — und jetzt kommt das Interessante —, daß mit Hilfe des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen Mittel aufgebracht würden, um 200 Stammarbeiter aus dem Ort, in dem der Betrieb jetzt ist, mit ihren Familien in neuen Wohnungen unterzubringen.
Meine Herren und Damen, das ist gerade das, was nicht sein darf. Dazu dürfen auf keinen Fall irgendwelche Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden.
Auch die Bemerkungen des Herrn Staatssekretärs zur Arbeitslosigkeit haben mich nicht befriedigt. Sie müssen ergänzt werden. Herr Staatssekretär, Ihre Statistiken mögen richtig sein, aber damit allein kann man uns nicht kommen, denn Sie beziehen sich zum großen Teil auf Arbeitsämter, bei denen manche Orte im Zonenrandgebiet liegen, andere jedoch nicht. Schließlich sagen die Statistiken auch gar nichts bezüglich jener Orte, die unsere wirklichen Sorgenkinder sind, in denen wir nämlich seit Jahren eine strukturell massierte Arbeitslosigkeit haben.
Wir sind freilich dankbar, wenn wir die Möglichkeit haben, im Zonenrandgebiet Notstandsarbeiten durchzuführen und damit die Arbeitslosenziffer herunterzudrücken, aber das ist noch keine echte Eingliederung in den Arbeitsprozeß. Wie viele Facharbeiter werden z. B. unter den Hunderten von Arbeitern an der Okertalsperre an völlig falscher Stelle beschäftigt sein! Von einer echten Eingliederung in den Arbeitsprozeß kann für diese also keine Rede sein. Unsere Sorge ist, daß im Zuge dieser Entwicklung die wirklichen Facharbeiter abwandern und die ungelernten Arbeiter und das, was auf dem Arbeitsmarkt überhaupt noch schwer einzusetzen ist, bei uns hängenbleiben.
Ich darf jetzt noch ein paar Einzelfragen ansprechen. Ich habe zwar nicht vor, ins einzelne zu gehen, weil ich der Meinung bin, daß wir im Ausschuß, wenn die Anträge dorthin überwiesen werden, die Fragen in einer ruhigeren und sachlicheren Atmosphäre als heute hier im Plenum beraten können. Ich möchte aber doch einige Bemerkungen zur Frage der öffentlichen Aufträge machen. Zweifellos haben die Richtlinien Ihres Ministeriums, Herr Staatssekretär, einen langgehegten Wunsch des Zonenrandgebietes erfüllt. Aber diese Richtlinien können sich ja nur auf die Bundesaufträge beziehen. Die Aufträge der Länder fehlen völlig. Infolgedessen taucht die Frage auf, ob erreicht werden kann — und ob schon Schritte nach dieser Richtung getan worden sind —, daß auch d Länder diesen Richtlinien folgen, mit anderen Worten, ob die Länder bereit sind, eventuell einer Verwaltungsanordnung zuzustimmen, die die Anwendung auch auf ihr Gebiet sicherstellt. Wenn das gelänge, wäre hier genau wie bei der Beendigung der Abwerbung ein echter Föderalismus praktiziert, was wir im Zonenrandgebiet, glaube ich, um der gesamten Aufgabe willen erwarten dürfen.
Aus Ihren Ausführungen, Herr Staatssekretär, über die Anwendung der Richtlinien auf die Besatzungsmächte hörte man aus allem nur das Nein. Ich habe den Eindruck, daß es bislang nicht geglückt ist, die Besatzungsmächte zu bewegen, diesem Anliegen weitgehend Rechnung zu tragen. Sie scheinen bislang nicht bereit gewesen zu sein, sich in ihre Entscheidungsfreiheit hineinreden zu lassen. Wir sollten — und darüber besteht wohl im ganzen Hause Einmütigkeit — die Bundesregierung dringend ersuchen, darauf hinzuwirken, daß diesem Anliegen des Bundestags Rechnung getragen wird, wenn die Verhandlungen über diese Frage demnächst wieder aufgenommen werden.
Ich will die Frage der Kreditgebarung auslassen, obschon die Meinungen darüber weithin einheitlich sind, daß ohne eine Lösung der Kreditfrage, und zwar zu annehmbaren Bedingungen, ohne eine Regelung der großen Frage der bankmäßigen Absicherung und endlich ohne eine Lösung der Frage der langfristigen Kredite eine wirkliche Hilfe für die Wirtschaft nicht gegeben werden kann.
Unbefriedigend bleibt für mich — da stimme ich Frau Korspeter zu — die völlige Außerachtlassung der kulturellen Belange. Herr Staatssekretär, es ist sicher richtig, daß die Kulturpolitik direkt oder indirekt auch der Wirtschaft dient; aber wir sollten gerade im Hinblick auf die Zonengrenze und auf das, was sich jenseits der Zonengrenze tut, doch


(Frau Dr. Brökelschen)

auch ein ganz eindeutiges Bekenntnis zu dem Eigenwert der Bildung und zu dem Eigenwert der Kultur ablegen!

(Zustimmung in der Mitte.)

Es fragt sich nur, wer die Kosten für die kulturellen Bedürfnisse übernimmt. Frau Korspeter, Sie haben sehr stark die Aufgabe des Bundes angesprochen. Ich folge Ihnen weithin, soweit es sich um Kriegsfolgelasten und um Folgen der Grenzziehung handelt. Ohne die Grenzziehung wäre es z. B. nicht dahin gekommen, daß in Eckertal der Schulunterricht im Wartesaal abgehalten werden muß. Wir können j a eine ganze Reihe solcher Beispiele nennen. Die Länder können aber andererseits nicht aller Verpflichtungen nach dieser Richtung enthoben werden. Die Kulturautonomie ist nicht nur ein Recht, sondern sie begründet auch eine Pflicht, die unter Umständen sehr große Lasten bringt. Ich habe kein Verständnis dafür, wenn z. B. in einer Großstadt auf Kosten eines Landes ein Riesenerziehungsinstitut aufgemacht wird, das Millionen kostet, während im Grenzgebiet die Mittel für die primitivsten Volksschulbauten usw. fehlen.
Ich will zum Schluß kommen. Die Verkehrsprobleme müssen sehr vorsichtig angepackt werden. Gerade nach den Darlegungen des Herrn Kollegen Freidhof, die zweifellos gut gemeint waren, haben wir alle doch die Auffassung, daß hier sehr viel Sachkenntnis und vor allen Dingen auch Überblick über die finanziellen Lasten notwendig ist. Denn ich weiß nicht, wie Herr Freidhof auch nur einen kleinen Teil seiner Verkehrswünsche mit den 60 Millionen DM befriedigen will, die er zusätzlich für Verkehrsaufgaben fordert.
Für mich ist das Entscheidende, daß die 120 Millionen DM so schnell wie möglich vom Himmel auf die Erde gezogen werden und daß man dann mit der Ausarbeitung der Vorschläge im einzelnen, die heute Herr Staatssekretär Westrick angedeutet hat, heginnt, damit so schnell wie möglich den Reden Taten folgen.
Ich weiß nicht, ob die Pressenachrichten richtig sind, daß man jetzt einen Herrn des Bundeskabinetts beauftragen will, ein Memorandum über das Zonenrandgebiet zu schreiben, damit daraus ersehen werden kann, was zu geschehen hat. Meine Herren und Damen, wir brauchen keine Memoranda mehr von irgendeiner Seite, auch nicht — verzeihen Sie das — von einem Mitglied des Bundeskabinetts.

(Zustimmung bei der CDU/CSU, bei der SPD und rechts.)

Wir haben mehr Memoranda, als wir lesen können. Jeder von uns weiß, was notwendig ist. Was nottut, ist, daß die Mittel bereitgestellt werden und daß im Rahmen der Mittel das geschieht, was geschehen muß und was von uns allen sachlich verantwortet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203109200
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Henn.

Dr. Hans Henn (FDP):
Rede ID: ID0203109300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers hat uns an sich eine Liste von Maßnahmen gebracht, die sehr eindrucksvoll war. Wir, die wir im vorigen Jahr in dem Unterausschuß „Zonengrenzgebiet" gearbeitet haben, sind stolz, daß diese ganze Entwicklung von der Arbeit dieses Ausschusses ausgelöst worden ist. Aber weil das so ist, sind wir auch bedrückt, daß im Zonenrandgebiet immer noch eine Mißstimmung herrscht, die an sich nicht vorhanden sein dürfte, wenn alles das, was in den Beschlüssen, Erlassen und Richtlinien niedergelegt ist, zur Durchführung gekommen wäre. Es muß doch wohl so sein, daß sehr vieles Form geblieben ist und der Inhalt noch fehlt. Tatsächlich ist der Bundestagsbeschluß vom 2. Juli vergangenen Jahres nicht oder nur zum Teil verwirklicht worden. Deswegen mußte heute auch der Bericht des Bundeswirtschaftsministers so unbefriedigend sein. Frau Kollegin Brökelschen hat schon eindrucksvoll darauf hingewiesen, daß andererseits wieder die heute hier beliebte Methode, Anträge über Anträge zu stellen, doch wohl auch nicht das Richtige ist.
Ich habe mir als Obmann des Unterausschusses „Zonengrenzgebiet", der ich nun seit zwei Jahren in unmittelbarem Erleben feststellen konnte, wie die Dinge abgelaufen sind, immer wieder Gedanken gemacht, woran es eigentlich liegt, daß bei so gutem Willen allseits die Dinge so schlecht vorankommen. Ich möchte vorab eines einmal ganz deutlich feststellen: alle Sachbearbeiter in den Ministerien des Bundes und der Länder, mit denen ich in Sachen Zonenrandgebiete zu tun hatte, waren besten Willens. Sie alle sind fest entschlossen, dem Zonenrandgebiet zu helfen. Trotzdem kommen wir nur sehr zögernd oder gar nicht voran. Ich glaube, das liegt an zwei sehr wesentlichen Dingen, auf die ich doch einmal hinweisen möchte. Wir haben immer wieder feststellen müssen, daß es die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Bund und Ländern waren, die Frage, wer denn nun eigentlich für die Hilfe im Zonenrandgebiet zuständig ist, die allen guten Willen nicht praktisch wirksam werden ließen. Die These, daß die Hilfe für das Zonenrandgebiet unter die Kriegsfolgenschädenbeseitigung falle, ist umstritten. Das Grundgesetz und die Überleitungsgesetze enthalten keine Regelung dieser Frage. Es scheint mir wichtig zu sein, daß wir hier vom Bundestag aus zunächst einmal dafür sorgen, daß durch eine Ergänzung der Verfassungsbestimmungen für die Zukunft klargestellt wird, wer denn nun eigentlich für diese Hilfe für das Zonenrandgebiet kompetent ist. Sonst bleibt es so, wie es bisher gewesen ist, daß alle unsere Beschlüsse, alle Richtlinien und alle Erlasse bei der verwaltungsmäßigen Durchführung in den Anfängen steckenbleiben.
Dann das zweite, was im Verlauf dieser zwei Jahre festzustellen war, weshalb die Dinge nicht vorankommen. Eine weitere Ursache des Nichtfunktionierens sind die Finanzschwierigkeiten, die Frage: Woher sollen denn nun die Mittel für die Durchführung dieses Programms und aller dieser Anträge, die da gestellt werden, kommen? Die alte Diskussion, ob Bund und Länder zu je 50%, zu zwei Dritteln und einem Drittel oder zu 85 und 15 % beteiligt werden sollen, hätte ja gar nicht diese Bedeutung bekommen, wenn die Frage der Beschaffung der Mittel nicht so schwierig wäre. Ich glaube, es ist unser aller Pflicht, den Gesamthaushalt einmal daraufhin zu überprüfen, ob nicht anderweit Mittel freigemacht werden können, ob nicht zur Zeit noch Mittel für weniger wichtige Aufgaben ausgegeben werden, die jetzt für diese neuen, großen Aufgaben in Frage kommen, die für uns so bedeutsam sind. Die Notwendigkeit der


(Dr. Henn)

Hilfe für das Zonenrandgebiet tritt nicht allein an uns heran, auch wenn man die Grenzländer am Eisernen Vorhang mit einschließt. Dieses Zonenrandgebiet gehört zu einer Gruppe von neuen nationalpolitischen Aufgaben, auf die ich gleich kommen werde.
Wir hatten als wesentlichen Grundgedanken unserer ganzen Arbeit für das Zonenrandgebiet, nur solche Schäden zu beseitigen, die durch die Ziehung und die anschließende Sperrung der Zonengrenze entstanden sind. Der Antrag der SPD: Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, scheint mir diesem Grundgedanken, der bisher auch von allen Kollegen Ihrer Fraktion, die mit uns gearbeitet haben, anerkannt war, zu widersprechen. Es ist eine Forderung, die, soweit ich unterrichtet bin, vor Monaten erstmals vom Landkreistag erhoben wurde. In der Zwischenzeit hat aber der Landkreistag selber diesen Vorschlag zurückgezogen, soweit ich unterrichtet bin. Die Schatzungen gehen dahin, daß, wenn man die Umsatzsteuer für das Zonenrandgebiet um etwa 50 °/o ermäßigt, ein Betrag von 300 bis 400 Millionen DM anfallen wird. Die Mittel, die insgesamt zur Verfügung gestellt werden, sind ja begrenzt, und es ist sehr die Frage, ob es gut ist, diese anfallenden 300 oder 400 Millionen DM in Form der Umsatzsteuerermäßigung oder auf andere Weise anzulegen. Man muß sich weiterhin, wenn man diese Dinge prüft, zweifellos überlegen, ob man den Kreis der Unternehmer, die in den Genuß der Umsatzsteuerermäßigung kommen sollen, einschränken kann oder ob man die Ermäßigung auf alle Unternehmungen ausdehnen soll. Das sind alles Fragen, die wir in dem Unterausschuß sehr eingehend werden prüfen müssen.
Ich glaube, es ist auch nicht zweckmäßig, das Problem des West-Ost-Gefälles mit diesem Problem der Zonengrenzlandhilfe jetzt und sofort so stark zu vermengen. Es sind doch — das ist allgemein bekannt — weithin alte Notstandsgebiete im Zonenrandgebiet, und die Probleme, die dort seit Jahrzehnten bestehen, kann man nicht mit dieser Hilfe für das Zonenrandgebiet in kurzer Zeit lösen.
Es ist davon die Rede gewesen, daß mit den 120 Millionen DM für das Zonenrandgebiet gerechnet werden kann. Da möchte ich mich durchaus dem anschließen, was Frau Kollegin Brökelschen ausgeführt hat. Wir müssen entscheidenden Wert darauf legen, daß dieser Betrag dann auch tatsächlich für eine echte Hilfe im Zonenrandgebiet verwendet wird und daß die Mittel nicht etwa im allgemeinen Haushalt der betreffenden Länder versickern, wie uns das aus einem Land schon angekündigt worden ist. Ich halte es auch für dringend erforderlich — und da stimme ich dem zu, was Herr Staatssekretär Westrick erklärt hat —, unsererseits darauf zu achten, daß in den Ländern die Maßnahmen aufeinander abgestimmt werden, so daß eine einigermaßen einheitliche Politik im Zonengrenzland zustande kommt.
Ich will mich nicht mit den einzelnen Anträgen befassen, die hier erwähnt worden sind. Es ist mit Recht darauf hingewiesen worden, daß die Zeit schon sehr weit vorgeschritten ist. Aber ich möchte doch noch einiges zu der kulturellen Hilfe sagen, die wir im Juli vergangenen Jahres in unserem Förderungsprogramm als so wesentlich angesehen haben. In dem Bericht wird der Standpunkt vertreten, es sei zunächst darauf angekommen, im Zonenrandgebiet wirtschaftliche Hilfe zu leisten. Ich glaube, dieser Gesichtspunkt erfaßt die Situation im Zonenrandgebiet nicht ganz. Es ist durchaus nötig, wirtschaftliche und soziale Hilfe, gleichzeitig aber auch kulturelle Hilfe zu leisten. Ich möchte auf meine Berichterstattung vor dem Hohen Hause am 2. Juli des vergangenen Jahres Bezug nehmen und mit Genehmigung des Herrn Präsidenten nur einige wenige Sätze aus diesem Bericht wiederholen, die sich auf diese Frage beziehen. Ich sagte:
Aus der sowjetischen Besatzungszone heraus wird ein hartnäckiger Kampf gegen die staatliche, wirtschaftliche, soziale und, was in diesem Zusammenhang besonders wichtig ist, kulturelle Ordnung der Bundesrepublik geführt.
Im Zonengrenzgebiet sind diese Beeinflussungsversuche besonders spürbar. Ich zitiere weiter: Alle diese Bezirke und Personenkreise gilt es deshalb, wie schon gesagt, wirtschaftlich und sozial, aber auch geistig und seelisch so zu stärken, daß sie die wahren Absichten der östlichen Propagandisten erkennen und ihren Beeinflussungsversuchen widerstehen können....
Der Tatsache des Bestehens eines kulturellen
Notstandes von beträchtlichem Ausmaß in den
Zonengrenzgebieten kommt eine hervorragende politische Bedeutung zu. Es erscheint
dringend erforderlich, zur Abwendung auch
der hieraus drohenden Gefahren alsbald umfangreiche Hilfsmaßnahmen einzuleiten.
Nun, meine Damen und Herren, wenn wir uns vergegenwärtigen, was auf diesem so wichtigen Gebiet in dem ganzen vergangenen Jahr nicht getan worden ist, so sind wir doch leider zu der Feststellung gezwungen, daß sowohl der Bund wie die Länder — ich betone ausdrücklich: auch die Länder — gegenüber dieser kulturellen Aufgabe im Zonenrandgebiet versagt haben. Man fragt sich, ob das nicht doch irgendwie mit unserer heutigen staatlichen Struktur zusammenhängt, die in diesem entscheidenden Punkt — kulturelle Hilfe im Zonenrandgebiet — ihre Bewährungsprobe zweifellos nicht bestanden hat.
Der Herr Bundesfinanzminister hat am 20. Mai dieses Jahres in diesem Haus ausgeführt, daß man heute wenigstens einen Überblick über die grundsätzlichen Größenordnungen nach den ersten fünf Jahren des Aufbaus in der Bundesrepublik habe. Er sagte: wir können im großen und ganzen sagen, welches etwa das Verhältnis der Sozialleistungen zu den Verwaltungsaufgaben der Länder und auch zu den Verteidigungslasten ist. Nun, ich glaube, es ist inzwischen eine Größenordnung hinzugekommen, die meiner Meinung nach in Zukunft getrennt anzusetzen ist. Das sind alle die Lasten, die uns aus der Spaltung Deutschlands entstehen. Das ist ein Gesamtkomplex, der hier unbedingt einmal zusammenhängend angesprochen werden muß. Dabei handelt es sich erstens um all das, was mit der Förderung und Vorbereitung der Wiedervereinigung Deutschlands zusammenhängt, es handelt sich zweitens um die Hilfe für Berlin, es handelt sich drittens um die Betreuung der Zonenflüchtlinge, und es handelt sich viertens um die Hilfe für das Zonenrandgebiet; ich betone: einschließlich der Hilfe für die Grenzländer am Eisernen Vorhang.
Es ist meine feste Überzeugung, daß wir alles tun sollten, um dafür zu sorgen, daß die Mittel für die Lasten, die uns aus der Spaltung Deutschlands entstehen, irgendwie aus dem Etat genom-


(Dr. Henn)

men werden. Die 120 Millionen DM, die jetzt vorgesehen sind, dürfen in keiner Weise nur eine einmalige Leistung sein, sondern müssen auch als Leistung in den kommenden Jahren wiederkehren, desgleichen die Mittel für die Berlin-Hilfe und für die Zonenflüchtlinge. Ich sagte: wir müssen meiner Meinung nach darangehen, alle Etatansätze zu überprüfen, ob aus ihnen heraus für diese eminent wichtigen nationalpolitischen vier Aufgaben, die ich Ihnen nannte, Mittel freizumachen sind. Wir müssen irgendwie dafür sorgen, daß der Etat, der sich von Jahr zu Jahr mehr versteinert, im Interesse dieser neuen großen Aufgabengruppen aufgelockert wird. Wenn das nicht gelingt, meine Damen und Herren, müssen wir, glaube ich, zwangsläufig zu anderen, weittragenden Überlegungen kommen, und ich könnte mir denken, daß es dann dazu käme, daß Vorschläge etwa der Art erörtert werden, daß man die ausreichenden Mittel ja sofort schaffen kann, wenn man an die Rationalisierung der Finanzverwaltung und an die Beseitigung der dezentralisierten Steuerverwaltung geht. Es ist doch unbestritten, daß nach Einführung einer zentralen Finanzverwaltung das verfügbare Steueraufkommen höher sein würde. Wir wissen ja, daß die Schätzungen über Hunderte von Millionen bis zu einem sehr hohen Betrag gehen. Auch würden sicherlich die Steuerstundungen, die heute durchgeführt werden, bei einer zentralen Finanzverwaltung gerechter vorgenommen werden. Es ist eine altbekannte Tatsache, daß in den Ländern, die im Westen des Bundesgebiets liegen, die Steuerstundungen sehr viel großzügiger gehandhabt werden als in den an sich schwachen Ländern im Zonenrandgebiet. Alle diese Dinge könnten dann sehr leicht und sehr schnell beseitigt werden.

(Abg. Kurlbaum: Sehr richtig!)

Wir erleben ja, ich sagte das, diese Schwierigkeiten bei der Mittelbeschaffung nicht nur jetzt im Rahmen der Hilfe für das Zonenrandgebiet. Es ist heute nicht der Platz, darüber zu sprechen. Seit Monaten ist das Problem in der gleichen Weise da bei der Betreuung der Zonenflüchtlinge. Hinsichtlich der Berlin-Hilfe werden wir ja sowieso in den nächsten Tagen über diese Dinge sprechen müssen, und ich glaube, es wird unter Umständen von uns allen bald zu entscheiden sein, was uns politisch wichtiger ist: die vier genannten neuen nationalpolitischen Aufgaben erster Ordnung, die verschiedenen Hilfsmaßnahmen, die wir hier treffen müssen, oder eine kostspielige dezentralisierte Steuerverwaltung. Diese Frage wird auch dann irgendwie an unsere bayerischen Freunde herantreten, die Frage, was ihnen wichtiger ist, die dezentralisierte Finanzverwaltung oder eine durchschlagskräftige Hilfe für das Grenzland in Bayern.
Ich möchte damit schließen. Ich möchte zum Schluß nur beantragen, daß alles, was heute an Berichten und Anträgen hier vorgetragen worden ist, ausnahmslos dem Gesamtdeutschen Ausschuß bzw. seinem Unterausschuß „Zonenrandgebiet" zur Beratung und zur Berichterstattung an das Plenum zugewiesen wird.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203109400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Dittrich.

Dr. Stefan Dittrich (CSU):
Rede ID: ID0203109500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sprecher dieses Hohen Hauses haben heute den Hilferuf der Zonenrandgebiete weitergeleitet und Möglichkeiten zur Behebung der Not aufgezeigt. Wenn meine ostbayerischen Landsleute heute hier zugehört hätten, hätten sie sicher neuen Mut geschöpft, und sicher wäre mancher auf den Gedanken gekommen, daß nun die Not ein für allemal behoben werden könne. So leicht ist aber das Problem der Zonenrandgebiete bei weitem nicht zu lösen.
In Bayern sind die Verhältnisse so, daß ein Teil, nämlich der Norden und der Nordosten, durch den Eisernen Vorhang von den bisherigen Rohstoffquellen und Absatzgebieten abgeschnitten ist. Ein anderer Teil, nämlich derjenige entlang der tschechoslowakischen Grenze, gehört schon seit Jahrzehnten zu einem wirtschaftlich schwachen Gebiet.
Die Grenzlandfahrten der Minister, Ministerialbeamten, Abgeordneten und Wirtschaftsexperten dürften wohl aufgezeigt haben, daß den Zonenrandgebieten unter allen Umständen geholfen werden muß. Das ist aber keine Angelegenheit nur der Grenzlandabgeordneten, das ist auch keine Angelegenheit nur einer Partei, sondern das müßte an und für sich Angelegenheit dieses ganzen Hauses sein.

(Zustimmung.)

Wir haben unlängst in diesem Hause zusätzliche Leistungen für Berlin beschlossen, und wir haben das gern getan; einmal, weil wir die schwierigen Verhältnisse in Berlin kennen, zum zweiten deshalb, weil wir, die wir aus dem Grenzland stammen, schon aus diesem Grunde besonderes Verständnis dafür haben. Man braucht ja nur an die Ecke von Hof zu denken, wo im Norden die sowjetische Zone und im Osten die Tschechoslowakei ist. Wir haben das gern getan und hoffen nunmehr, daß auch die Anliegen, die die Grenzgebiete haben, vom ganzen Hause unterstützt werden.
Meine Damen und Herren! Ein Vater, der ein krankes Kind hat oder ein Kind hat, das schon von Geburt aus leidend ist, wird es ganz besonders pflegen. Die gleiche Verpflichtung hat der Vater Staat im Falle der Gebiete, die ohne die Schuld der Bewohner zu wirtschaftlich äußerst schwierigen Gebieten geworden sind.
Ich sagte schon, daß in Bayern neben den Zonenrandproblemen, die schon von zahlreichen Rednern aufgezeigt wurden, besonders schwierige Verhältnisse an der Grenze zur Tschechoslowakei bestehen. Bei dieser Gelegenheit möchte ich eines sagen: vergessen wir über den Fragen des Zonenrandprogramms nicht die Gebiete, insbesondere in Schleswig-Holstein, in Niedersachsen, aber auch in Bayern, die zwar nicht unmittelbar an der Grenze liegen, die aber wirtschaftlich in den denkbar schlechtesten Verhältnissen leben!
Die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse, die im Gebietsdurchschnitt des ostbayerischen Grenzraums bestehen, haben in der Bundesrepublik kaum eine Parallele. Immer dann, wenn ich die Fahrt von meinem Grenzlandwahlkreis nach Bonn unternehme, kommt mir ein kleiner Neid. Denn bei uns ist die Not zu Hause. Bei uns im Bayerischen Wald ist eine Arbeitslosenzahl, auf die ich später noch zurückkommen werde, die mit den Berichten des Ministeriums in keiner Weise übereinstimmt.

(Abg. Dr. Strosche: Richtig!)

Immer dann, wenn ich hierher fahre, fahre ich von einem Gebiet, das nach Arbeit ruft, in ein Gebiet, in dein man nach dem Arbeiter ruft.


(Dr. Dittrich)

Gestatten Sie mir deshalb, Ihnen trotz der vorgeschrittenen Zeit ganz wenige Zahlen hinsichtlich der Arbeitslosen zu geben. Der Durchschnitt ist im Bunde im Dezember 1953 bei 8,9 % gelegen, in Bayern betrug der Durchschnitt 14,3 %. Im Arbeitsamtsbezirk Cham sind von 100 arbeitsfähigen und arbeitswilligen Kräften 35,8 arbeitslos gewesen.

(Hört! Hört! rechts.)

Im Arbeitsamtsbezirk Deggendorf haben wir 33,1 % Arbeitslose. Auf die einzelnen Landkreise übertragen, stellt sich das Verhältnis noch weit ungünstiger dar. So beträgt der Prozentsatz der Arbeitslosen beispielsweise im Landkreis Oberviechtach 39%, im Landkreis Kötzting 41,6%, im Landkreis Viechtach 39 %, im Landkreis Grafenau 39,6% und im Landkreis Wolfstein 44,6%. Diese Zahlen sind besorgniserregend, und ich glaube, die Minister und die Ministerialbeamten, die die Besichtigungsfahrten in unserm Grenzgebiet mitgemacht haben, hätten diese Zahlen unter allen Umständen erfahren müssen. Sie hätten aber auch etwas tun müssen, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu meistern; denn das ist das Problem, das uns an der Ostgrenze Bayerns am meisten bedrückt. Ich muß hier ganz offen sagen: wenn die Verhältnisse so bleiben, wie sie bisher sind, befürchte ich, daß die Bevölkerung weiterhin resigniert und keine Hoffnung auf einen Wiederaufstieg mehr hat. Ich habe schon einmal zum Ausdruck gebracht, daß die Beseitigung dieser Not nicht eine Frage der Parteien oder einzelner Abgeordneten, sondern eine Frage unseres Hauses und des ganzen deutschen Volkes ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und beim GB/BHE.)

Es kann nicht daran gezweifelt werden, daß die 120 Millionen DM, die im Haushaltsjahr 1954 für diese Zonenrandgebiete eingesetzt sind, tatsächlich zur Auszahlung kommen. Dieses Wort hat mir der Herr Bundesfinanzminister gegeben, und daran zweifle ich nicht.

(Zuruf von der SPD: Wenn Sie das Geld nur schon hätten!)

Ich würde mich außerordentlich freuen, wenn noch weitere Mittel zur Verfügung gestellt werden könnten.
Ihre Anträge, meine Damen und Herren von der SPD, werden wir in den Ausschüssen gewissenhaft prüfen. Sofern wir irgendeine Möglichkeit sehen, ihnen zuzustimmen, werden wir dies tun, weil wir auf dem Standpunkt stehen, daß diese Grenzgebiete unbedingt eine Stützung benötigen. Es geht jedoch nicht so, wie Sie es getan haben. Ich habe mir die Zahlen annähernd aufgeschrieben und komme zu dem Ergebnis, daß man auf einen Betrag von etwa 200 Millionen DM oder, wenn man die Umsatzsteuerermäßigung von etwa 400 Millionen DM hinzurechnet, von etwa 600 Millionen DM kommt. Es geht nicht so sehr um die Höhe dieses Betrages; aber ich möchte dazu folgende Gedanken vortragen. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, zu sagen: Arbeitsbeschaffung 60 Millionen DM, Kredithilfe für die mittelständische .Wirtschaft 50 Millionen DM, Straßenbau 65 Millionen DM, Kultur 25 Millionen DM. Weil ich die Verhältnisse an der Zonengrenze sehr genau kenne und weiß, daß die Wirtschaftsverhältnisse dort differenziert sind, würde ich es, vor allem mit meinem föderalistischen Herzen, lieber sehen, wenn diese Mittel den
Ländern möglichst global zur Verfügung gestellt werden könnten, weil die Länder nämlich am besten wissen, wo die einzelnen Gebiete der Schuh drückt. Das ist auch ein Wunsch, den die bayerische Staatsregierung hat und den ich hier zum Ausdruck bringen möchte. Ich befürchte nicht so sehr, daß diese Mittel in irgendeine Kasse des Landes gelangen könnten; ich befürchte vielmehr, daß wir durch eine Direktive von oben nicht in der Lage sind, den einzelnen Grenz- und Zonenrandgebieten wirksam da zu helfen, wo ihnen etwas fehlt.
Ich habe einige Vorschläge zu unterbreiten und mich kurz mit den Anträgen der SPD auseinanderzusetzen. Ich sagte schon, wir werden die Anträge in den Ausschüssen gründlich überprüfen und werden versuchen, das Gute herauszuholen. Da ist zunächst einmal der Antrag auf Ermäßigung der Umsatzsteuer um die Hälfte. Meine Damen und Herren, das ist nicht neu, was hier die SPD gebracht hat. Das ist eine Ausarbeitung der Wirtschaftskreise, die schon seit Jahren besteht. Ich weiß aber nicht, ob diese Herabsetzung der Umsatzsteuer wirklich in die Tat umgesetzt werden kann. Das wird man prüfen müssen. Ich weiß nicht, ob man sie technisch durchführen kann und ob es zweckmäßig ist, sie allen Teilen und allen Betrieben des Zonenrandgebietes zugute kommen zu lassen; denn es gibt darunter auch Gebiete, die einen Vergleich mit anderen wirtschaftlich unterentwickelten oder schwach entwickelten Gebieten gar nicht zulassen.

(Abg. Kurlbaum: Das können Sie ja entsprechend abgrenzen!)

Im übrigen habe ich bereits gesagt, daß Schätzungen ergeben haben, daß dadurch ein Steuerausfall von 400 Millionen DM eintritt. Ich würde eher den bisherigen Weg der Bezuschussung gehen, weil dadurch individuelle Hilfe geleistet werden kann.
Ich möchte weiterhin gern von der Bundesregierung und diesem Hohen Hause erbitten, daß die 1953 bis 1955 für das Zonenrandgebiet geltenden Sonderabschreibungen für bewegliche und unbewegliche Wirtschaftsgüter für eine längere Zeitdauer bewilligt werden. Ich möchte hier einen Zeitraum von etwa 10 Jahren vorschlagen, und zwar deshalb, weil die Wirtschaft dann besser und zweckmäßiger disponieren kann.
Unsere Forderungen gerade in bezug auf unsere ostbayerische und nordbayerische Grenze gehen dahin, daß zinsgünstige mittel- und langfristige Kredite für das wirtschaftsschwache Grenzgebiet zur Verfügung gestellt werden. Ich kann mich hier mit diesem Plan nicht weiter auseinandersetzen, möchte ihn nur kurz andeuten.
Ein Punkt scheint mir von besonderer Wichtigkeit zu sein. Bei der Erteilung von Staatsaufträgen soll auf das Zonenrandgebiet besondere Rücksicht genommen werden. Obwohl ich mich um diese Frage sehr eingehend bemüht habe, muß ich offen gestehen, daß in dieser Hinsicht bisher noch nicht alles geschehen ist, was geschehen könnte und was geschehen müßte. Ich möchte deshalb fragen, ob wir nicht in Form einer Vermittlungsstelle für öffentliche Aufträge, die weiß Gott nicht die Form eines Kommissariats haben soll, in etwa helfen können.
Bayern hat bisher als einziges Land von der Frachtenhilfe Gebrauch gemacht. Ich muß gestehen, daß wir damit gute Erfahrungen gemacht haben. Wir wünschen nur, daß diese Frachtenhilfe noch weiter erhöht werden könnte oder daß die anderen


(Dr. Dittrich)

Länder der Bundesrepublik darauf verzichten zugunsten der Verhältnisse in Bayern, die ja weiß Gott in verkehrsmäßiger Hinsicht schwer genug sind.
Unser besonderes Augenmerk werden wir auf die Ausarbeitung der Verkehrsgesetze lenken müssen. Ich möchte jetzt nicht auf die besonders schlechten Straßenverhältnisse zu sprechen kommen, weil ich vermute, daß das noch mancher Nachredner tun wird. Ich möchte aber einige Verkehrsprobleme herausgreifen. Da ist einmal die Erweiterung der 50-km-Luftlinie für den Güternahverkehr aller Grenzlandbetriebe. Es ist ungerecht, daß die Unternehmer des Güternahverkehrs oder des Güterwerkverkehrs, die an einer Zonen- oder anderen Grenze liegen, nur ein en Halbkreis zur Verfügung haben, während der andere Halbkreis der 50-km-Zone jenseits des Eisernen Vorhangs oder jenseits der Grenze ist. Man kann dieses Problem des § 2 Abs. 4 des Güterkraftverkehrsgesetzes, in dem der Herr Bundesverkehrsminister ermächtigt wird, für diese Zonenrandgebiete Ausnahmen zu schaffen, nicht so lösen, daß man hier, wie das unlängst ein Ministerialbeamter getan hat, zum Ausdruck bringt: Dafür haben ja diese Fuhrunternehmer und die sonstigen Unternehmer jenseits keine Konkurrenz. Das scheint mir doch nicht der richtige Weg zu sein.
Wir fordern außerdem eine bevorzugte Zuteilung von Mitteln aus dem Sozialen Wohnungsbauprogramm zur Erstellung von Eigenheimen für die Arbeitnehmer der Grenzlandwirtschaft. Hier ist mir bei der Beantwortung der Großen Anfragen etwas sehr Böses aufgefallen, nämlich daß man sich auf den Standpunkt stellt, man solle Wohnungen nur dort bauen, wo die Arbeitsmöglichkeiten vorhanden seien. Meine Damen und Herren, dann werden wir gerade in den Zonenrandgebieten und gerade in den wirtschaftlich unterentwickelten ostbayerischen Gebieten niemals zu vom Staat geförderten Wohnungen kommen.
Das Hauptproblem ist das Heranschaffen von Arbeit an die Menschen in diesem Gebiet. Hier muß der Staat meiner Überzeugung nach alles tun, was getan werden kann, um zunächst einmal die bestehenden Betriebe gesund zu erhalten und auszuweiten und allenfalls neue Betriebe anzusiedeln.
Auf die Frage der Ausbildung unserer Facharbeiter, der Ausbildung unserer Schuljugend brauche ich in diesem Zusammenhang nicht weiter einzugehen. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß wir hier im ostbayerischen Raum vieles nachholen müssen. Die Mittel, die der Bund dafür zur Verfügung stellt, scheinen mir bei weitem nicht ausreichend zu sein. Denn mit einem Betrag von 400 000 DM für das Rechnungsjahr 1954 kann man in Bayern weiß Gott nicht allzu viele Schulen fördern.
Freilich ist es richtig, wir haben zunächst einmal 120 Millionen DM. Wir haben aber auch einen Bundesfinanzminister Fritz Schäffer, der ja Abgeordneter eines Grenzlandwahlkreises ist. Wir wollen hoffen, daß er weitere Möglichkeiten aufzeigt und vor allem dafür sorgt, daß diese Zuschüsse des Bundes auch in den ferneren Jahren gewährleistet werden können.
Lassen Sie mich zum Schluß in diesem Zusammenhang auch noch ein Wort an die Länder richten. Das Zonenrandproblem ist nicht allein durch den Bund zu lösen, sondern die Länder müssen hier tatkräftig mittun. Es ist eine Gemeinschaftsaufgabe von Bund u n d Ländern. Uns aber bleibt die Hoffnung, daß uns unsere gemeinsame Arbeit, die wir hier in diesem Bundestag leisten wollen, die Möglichkeit gibt, vor unsere Bevölkerung hinzutreten und ihr zu sagen: Wir haben alles getan, was im Bereich des Möglichen lag. Uns bleibt weiter zu hoffen übrig, daß dieser unselige Eiserne Vorhang recht bald verschwindet. Dann haben große Teile unseres Vaterlandes die wirtschaftliche Not überwunden.

(Beifall bei der CDU/CSU.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203109600
Das Wort hat der Herr Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft.

Rede von: Unbekanntinfo_outline
Rede ID: ID0203109700
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir ein ganz kurzes Wort. Frau Abgeordnete Brökelschen hat in meinem Vortrag die Leidenschaft vermißt. Sie mag vielleicht recht haben.

(Heiterkeit. — Abg. Dr. Gülich: Staatssekretäre haben keine Leidenschaft!)

Sie mögen vielleicht alle recht haben, wenn Sie sagen, daß ein Vortrag, der mit solchen statistischen Ermittlungen gespickt ist und gespickt sein muß, einem Zuhörer aus den Zonengebieten vielleicht nicht das Gefühl gegeben habe, daß wir mit ganzem Herzen bei der Sache seien. Ich verspreche Ihnen, daß ich mich bemühen werde, mich im Rahmen meiner sehr bescheidenen oratorischen Begabungen zu bessern — wenn Sie überhaupt einem Staatssekretär gestatten, auch mit Leidenschaft zu sprechen.

(Heiterkeit. — Zuruf von der SPD: Geld wäre uns lieber!)

Die Schlußfolgerung aber, daß aus dem nüchternen Vortrag zu entnehmen sei, die Bundesregierung und auch ich persönlich — das darf ich in aller Bescheidenheit sagen — seien nicht mit dem Herzen bei der Sache, wäre eine ganz und gar falsche Schlußfolgerung.

(Abg. Kunze [Bethel]: Sehr richtig!)

Wir fühlen uns mit aller inneren Anteilnahme mit den Zonengrenzgebieten verbungen und wir halten es für eine der vornehmsten Pflichten der Bundesregierung, zur Minderung der Not alles, aber auch alles zu tun, was in unseren Kräften ist. Aber, meine Damen und Herren, nicht „an irren Vorträgen", sondern „an ihren Früchten mögt ihr sie erkennen" ! Frau Abgeordnete Brökelschen sagte vorhin, der wichtigste Schritt sei der, nun mal vom Himmel 120 Millionen DM auf die Erde herunterzuholen. Ich habe zwar keine engelhaften Qualitäten, daß ich ein solches Mandat erfüllen könnte, freue mich aber, dem Hohen Hause sagen zu dürfen, es ist jetzt geregelt, die 120 Millionen DM stehen zur Verfügung.

(Beifall bei den Regierungsparteien.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203109800
Das Wort hat der Abgeordnete Unertl.

Franz Xaver Unertl (CSU):
Rede ID: ID0203109900
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Anscheinend ist auch im Deutschen Bundestag die moderne Zeitkrankheit „Zeitdruck" zu Hause. Deswegen ist bei der Debatte der ganzen Grenzlandfragen der Wunsch geäußert worden, die noch kommenden Redner —


(Unertl)

und zu denen zähle ich auch — mögen sich möglichst kurz fassen. Vielleicht ist der Wunsch berechtigt, und man könnte sich kurz fassen; denn im allgemeinen ist das, was zu sagen ist, von den meisten Vorrednern schon gesagt worden.
Man muß doch auch bedenken, daß das Grenzlandproblem neben all den Fragen, die sich für die Regierung, für die Abgeordneten und die Ausschüsse stellen, ein ganz großes und wichtiges politisches Problem ist. Ich komme aus einem Wahlkreis, in dem zur Zeit die Kommunistische Partei
— und ich bitte die Damen und Herren, sich das wirklich einmal zu überlegen — mit aller Schärfe daran geht, in den Gebieten, in denen die Arbeitslosenziffern nun einmal, wie mein Kollege Dittrich ausgeführt hat, über dem Durchschnitt liegen, Propaganda zu machen. In der Gegend von Passau und in dem Bezirk Grafenau, in Wegscheid und Wolfstein ist man intensiv am Werk. Man verteilt
— ich habe mir die Exemplare mitgenommen, sie können bei mir eingesehen werden — in den- Betrieben Zeitungen. Ich bitte, auch einmal daran zu denken, daß auch der Leipziger Sender, der nahe am Eisernen Vorhang ist, einen maßgebenden Einfluß auf die Bevölkerung an dieser Zonengrenze ausübt. Es ist deshalb notwendig, daß wir uns mit allem Ernst, über die Parteien hinweg, mit den Zonengrenzfragen beschäftigen und auseinandersetzen.
Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit ist ebenfalls ein sehr maßgebender Faktor. Ich muß an das anknüpfen, was die Vorredner gesagt haben, und möchte Herrn Staatssekretär Westrick darauf aufmerksam machen, daß die Arbeitslosenziffern in unseren Gebieten und Kreisen seit 1948 nicht im Absinken sind, sondern wesentlich zugenommen haben. Wir hatten — ich möchte nur einen Kreis herausgreifen — in dem Arbeitsamtsbereich des bereits erwähnten Kreises Deggendorf 1948 10,8 % Arbeitslose, 1953 21,4 % und heuer, und zwar mit dem Stand vom 20. März 1954, 35,8 % Arbeitslose. Der Landkreis Grafenau liegt wohl mit 42,4% Arbeitslosen an der Spitze. Das sind Argumente und Tatsachen, über die wir keinesfalls hinweggehen dürfen. Wir müssen alle Anstrengungen machen und zunächst einmal dafür sorgen, daß die Menschen, die in diesen Gebieten leben, staatstreu bleiben. Es ist hier an das Wort erinnert worden, das der Herr Bundeskanzler in Regensburg geprägt hat. Ich möchte auch daran erinnern — und habe mich speziell bei der letzten Debatte um die Hilfe für Berlin daran erinnert —: wir verkennen das Politikum Berlins nicht. Aber die Zahlen der Arbeitslosigkeit, die sich bei uns hier auftun, sind doch enorm höher als die in Berlin.
Man muß sich nun fragen, ob es außer den Maßnahmen des Bundes, des Sanierungsprogramms, Länder auch andere Mittel gibt, um diesen Gebieten des Zonengrenzprogramms und den Mitteln der zu helfen. Da möchte ich darauf verweisen, daß ich in der Ausweitung und Hebung des Fremdenverkehrs eine sehr wichtige Hilfestellung sehe. Die heutige Zeit kennt doch so viele nervöse Menschen. Die Nervosität, die doch heute die größte Zeitkrankheit und die Krankheit vieler Menschen ist, wäre vielleicht zu überwinden, wenn die Menschen, die Erholung suchen, sich in ihrem Urlaub in die bewaldeten Gebiete des bayerischen oder oberpfälzischen Waldes zurückzögen.

(Beifall bei der CSU.)

Gehen Sie, meine Damen und Herren Kollegen des
Bundestages, meine sonstigen Bekannten, die Referenten, die Regierungsbeamten auf der Bonner Ebene, mit gutem Beispiel voran.

(Erneuter Beifall bei der CSU.)

Folgen Sie, meine Damen und Herren, dem Landesvater! Ich möchte von dieser Stelle aus heute schon Herrn Bundespräsidenten Heuss danken, daß er sich bereit erklärt hat, seinen heurigen Sommerurlaub in diesen Gebieten zu verbringen.
Andererseits muß hier noch gesagt werden: treten wir der Reisewut ins Ausland etwas entgegen!

(Abg. Kahn: Sehr gut!)

Erziehen wir dazu auch unsere Jugend.

(Zuruf des Abg. Stücklen.)

— Ja, lieber Stücklen, ich weiß, man könnte hier mit dem Argument in Konflikt kommen, daß das Reisen wieder Gegenreisen bringt. Da hast du recht; das weiß ich ja auch. Ich glaube, es sollte doch bei uns noch Menschen geben, die nicht zuerst Italien und vielleicht Spanien und wenn möglich auch noch Jugoslawien besser kennen als ihre engere Heimat, geschweige den Bayerischen Wald.

(Sehr gut! rechts.)

Ich habe mich gefreut, als heute mittag Bonner Journalisten erklärten, sie hätten es satt, ins Ausland zu fahren, sie suchten nun eine ruhigere Stätte, und auch sie würden — einige Herren haben das Versprechen abgegeben — ihren Urlaub im Bayerischen Wald verbringen.

(Beifall bei der CSU.)

Bleiben wir alle etwas mehr bei diesen Gepflogenheiten und lernen wir unsere schöne bayerische und deutsche Heimat kennen. Dann, glaube ich, haben wir später immer noch Möglichkeiten genug, uns ins Ausland zu begeben.
Meine Damen und Herren, die Zeit ist beschränkt, und mir steht nicht viel davon zur Verfügung. Ich möchte aber kurz noch etwas sagen, was heute von dieser Stelle aus noch nicht gesagt wurde. Wir müssen bei der Betrachtung der Grenzlandverhältnisse auch einmal die Zahlen unserer Geburtenstatistik betrachten. Wir wissen aus den Bevölkerungsstatistiken, daß die Geburtenziffer heute im Bundesdurchschnitt bei 16,2 Promille liegt, dagegen in den Gebieten, von denen seit heute früh gesprochen wird, bei 22 Promille. Ein Familienvater weiß, was Kinder kosten, bis sie arbeitsfähig werden. Wenn nun bei Eintritt der Arbeitsfähigkeit infolge der betrüblichen Verhältnisse keine Beschäftigung da ist, muß das wertvolle Menschenmaterial dieser Gegenden nach dem Westen abwandern. Die Leute sind heimattreu, und man sollte sie dafür belohnen und die Arbeit an sie heranbringen. Ich möchte darum ersuchen, einmal ernsthaft über dieses Problem nachzudenken.
Ich sagte schon eingangs, daß wir uns alle bemühen müssen, gemeinsam das beste zu finden, um dem Zonengrenzgebiet zu helfen. Wenn wir das tun, vollbringen wir ein großes politisches Werk. Dann, wenn es mal zu spät ist, helfen selbst Milliarden nichts mehr. Heute ist es noch früh genug. Ergreifen wir deswegen jetzt die Initiative! Ich bin mit meinem Vorredner, dem Herrn Kollegen Dittrich, der Meinung, daß wir uns gemeinsam in den Ausschüssen bemühen sollten, die heute gegebenen Anregungen so weit wie möglich zu verwirklichen und etwas Positives zu schaffen. An der Grenze des bayerischen und deutschen Gebiets

[Unertl)
lebt eine brave und fleißige Bevölkerung. Sorgen wir dafür, daß aus dem wirtschaftlichen Notstand von heute nicht der politische Notstand von morgen wird!

(Beifall in der Mitte.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203110000
Das Wort hat der Abgeordnete Höhne.

Franz Höhne (SPD):
Rede ID: ID0203110100
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Sozialdemokratische Partei hat Ihnen mit der heutigen Großen Anfrage und ihren Anträgen die Notwendigkeit einer Hilfe für die Zonengrenzgebiete dargelegt. Alle Damen und Herren der Regierungsparteien sind sich auch darin einig, daß in den Zonengrenzgebieten etwas geschehen müsse. In leidenschaftlichen Ausführungen haben wir gehört, daß jetzt Millionen notwendig seien, weil sonst später Milliarden fruchtlos sein könnten. Es mutet mich aber eigenartig an, daß Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, trotzdem zu behaupten wagen, wir betrieben Wahlpropaganda.

(Lachen und Zurufe in der Mitte.)

Unser ernsthaftes Zonengrenzprogramm zur Lösung der Zonengrenzprobleme bezeichnen Sie von dieser Stelle aus als Wahlpropaganda.

(Zuruf von der Mitte: Das hat ja niemand gesagt!)

— Frau Brökelschen hat hier behauptet, daß die Sozialdemokratie mit ihren Anträgen Wahlpropaganda betreiben wolle. Es handelt sich hier um höchst aktuelle Fragen, an deren Lösung die Bevölkerung draußen sehr interessiert ist. Da brauchen wir keine Wahlpropaganda zu betreiben. Wir haben es nicht nötig, anderen die Ehre abzuschneiden und Wahlverleumdungen zu starten.

(Lebhafte Zurufe von der Mitte.)

Wir sind uns bewußt, daß den Zonengrenzgebieten geholfen werden muß. Ich möchte aber jetzt schon darauf hinweisen, daß es die Grenzländer keineswegs hinnehmen können, wenn die Zonengrenzprobleme — und diese Tendenz ist hier leise angeklungen — in zwei Teile aufgegliedert werden. Das eine Teilgebiet hat vorhin der Herr Abgeordnete Dr. Henn andeutungsweise genannt. Das andere Teilgebiet soll das Zonengrenzprogramm sein, weil sich die Gebiete entlang der tschechoslowakischen Grenze keinesfalls und in nichts von den Zonengrenzgebieten unterscheiden. Denken Sie an die verhärteten Grenzzustände, die wir entlang der tschechoslowakischen Grenze bis hinauf nach Tirschenreuth haben!
Der Herr Staatssekretär hat gesagt, es fehlten die überzeugenden Beweise, daß Betriebsverlegungen vorgenommen worden seien. Mein Parteifreund Behrisch hat Ihnen schon eine Reihe dieser Betriebe genannt. Ich möchte Ihnen auch noch einige anführen,

(Zurufe rechts: Warum?)

und empfinden Sie es bitte nicht als langweilige Darstellung! Siemens in Regensburg haben sich verlagert, die Glaswerke Tettau mit 100 Mann Belegschaft, Klaus Christian Hammerschmitt, KleinTettau, mit 100 Mann Belegschaft, Karl August Hein, Klein-Tettau, mit 100 Mann, Kleiderfabrik Kaltelesdorf, Landkreis Staffelstein, mit 50 Mann, Komet-Stahlhalter-Fabrik Neustadt bei Coburg mit 60 Mann, Firma Kletzer Kerzenfabrik mit ebenfalls
60 Mann, der Betrieb Bitweiler mit über 500 Mann Belegschaft, die Farbglaswerke—ehemalige Jenaer Schottwerke — in Zwiesel usw. usw., — die Liste ist damit noch lange nicht beendet.
Es hat also sehr wohl eine Verlegung von Betrieben stattgefunden, und auch in Zukunft ist damit zu rechnen. Allein in dem Landkreis Cham, in dem arbeitsschwachen Gebiet, sind in den letzten zwei Jahren 27 Betriebe stillgelegt worden. Stillgelegt worden sind in der letzten Zeit auch — und das ist gerade für unsere holzverarbeitende Industrie sehr gefährlich - nicht weniger als sieben Sägewerke, die nunmehr nicht mehr imstande sind, ihre Leute zu beschäftigen. Die Verlesung einer Liste der beabsichtigten Stillegungen möchte ich mir ersparen. Ich bin aber bereit, sie dem Herrn Staatssekretär zuzuleiten, wenn er dafür Interesse hat.
Unterstrichen werden muß noch die Not in diesen Gebieten und damit die Notwendigkeit einer schnellen Hilfeleistung. Der Herr Staatsekretär hat uns Zahlen über die Arbeitslosigkeit genannt: sie sei im Zonendurchschnitt vom Jahre 1949 mit 16,1 % zum Jahre 1953 auf 9,9% gesunken. Ich möchte Ihnen dazu sagen: den Leuten in den betroffenen Gebieten ist dieser statistische Durchschnitt höchst uninteressant. Interessant ist für die Menschen, die in diesen Gebieten wohnen, die Arbeitslosenzahl in dem Raume, in dem sie leben. Da kommen wir auf ganz andere Ergebnisse, Herr Staatssekretär! Da lesen wir: Cham im Jahre 1949 30,8 %, im Jahre 1953 40,2 %; in Deggendorf — immer von 1949 zu 1953 — Erhöhung von 30% auf 38 %. Dann Passau! Ich nenne hier nur die Zonenrandgebiete, die in der 40-km-Zone liegen.

(Zurufe von der Mitte und rechts.)

— Passau, das ist alles schon festgestellt, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition! Das haben wir schon vor vier Jahren festgestellt, Sie können es nachlesen! Warum haben Sie denn nichts getan?

(Zuruf rechts: Das steht genau fest!)

Ihre Worte helfen nichts. Sie reden von Taten. Bitte sehr: warum haben Sie in den letzten vier Jahren im Zonengrenzausschuß nicht durch die Regierung und von diesem Pult aus die notwendigen Voraussetzungen geschaffen?

(Beifall bei der SPD. — Abg. Spies [Emmenhausen]: Geben Sie den Leuten die politische Sicherheit, dann wandern sie nicht ab!)

Das Volk wird es Ihnen eines Tages vorhalten, daß man mit Worten Taten nicht ersetzen kann.
Ich fahre in der Aufzählung fort. In Weiden hatten wir 1949 7,1 %, heute nach einer vier- oder fünfjährigen Entwicklung im Zeichen des deutschen Wirtschaftswunders haben wir 22,8% an Erwerblosen. Meine Damen und Herren, sind das nicht erdrückende Zahlen, und schlägt Ihnen nicht das Gewissen ein wenig?

(Zurufe rechts.) Werden Sie nicht rot vor Ihrem -


(Lachen, lebhafter Widerspruch und Zurufe rechts und in der Mitte. — Beifall bei der SPD.)

— Ja, so rot können Sie niemals werden, dazu fehlt Ihnen die Verantwortung.

(Abg. Spies [Emmenhausen] : Ihnen fehlt sie, Sie konnten die politische Sicherheit schon längst geben!)



(Höhne)

— Wie uns die Verantwortung fehlt, kann ich Ihnen sagen: haben Sie regiert, oder haben wir regiert?

(Sehr gut! bei der SPD.)

Herr Dr. Dittrich, Sie haben das Zonengrenzgebiet Kötzting zu vertreten. In Kötzting waren in den letzten vier, fünf Jahren 49 % der Bevölkerung Fürsorgeempfänger — also aus der Arbeitslosenversicherung Ausgesteuerte —, die in den nächsten vier, fünf Jahren mit Ihrer Politik auch zu keiner Arbeit kommen werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Aber mit Ihrer wird es besser!!)

Im Durchschnitt von Passau bis Hof haben wir eine
Fürsorgeziffer von 30 % in den Grenzlandgebieten.
Das sind alarmierende Zahlen, die aber nicht erst heute erkennbar werden. Lesen Sie die Protokolle von 1950 und 1951 nach! Ich habe 1951 ähnliche Ausführungen gemacht und eigenartigerweise Sie auch. Sie haben es bisher nur bei ganz lapidaren Versprechungen gelassen. 50 Millionen DM setzen Sie in den Bundeshaushalt ein. Jetzt hören wir von dem Herrn Staatssekretär, daß uns die 120 Millionen DM zugesichert sind. Ja, meine Damen und Herren, bemühen Sie sich doch erst einmal, festzustellen, wo die 120 Millionen DM herkommen! Sind das Bundesmittel, oder sind das Mittel, die den Ländern abgezwackt werden?

(Zuruf rechts: Bundesmittel sind es!)

— Nein, das ist nicht wahr. Da sehen Sie, wie wenig Sie von den Dingen verstehen.

(Zurufe von der Mitte und rechts.)

Sie stellen hierorts Ansprüche und wissen gar nicht, daß die Länder die 120 Millionen DM bezahlen.

(Sehr richtig! bei der SPD. — Widerspruch in der Mitte.)

— Selbstverständlich, die Länder bezahlen, und das in dem Augenblick der Abzweigung der 120 Millionen DM durch die Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf 42 %. Es heißt ausdrücklich, mit 40 % komme eine Zonengrenzhilfe vom Bund her nicht in Frage. Es müßten, so fordert der Bundesfinanzminister, die 42 % gewährt werden; erst dann tritt ein Hilfsprogramm und treten Hilfsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet in Kraft.

(Zuruf von der Mitte: Das ist ein Irrtum!)

Sie schwächen also dadurch, daß Sie den Ländern Beträge abziehen und zum Bunde leiten, die Länder in ihrem Vermögen, von sich aus Zonengrenzmaßnahmen durchzuführen. Das ist doch ganz klar. Was z. B. Bayern bisher an Grenzlandhilfe dadurch hat leisten können, daß nicht 42% in Anspruch genommen wurden, kann es in Zukunft nicht mehr leisten; da werden Sie mir zustimmen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es stehen 10 Millionen im Etat!)

— Na also! Man soll sich nichts vormachen und sollte vor allen Dingen keine solchen Täuschungsmanöver starten, die die Menschen draußen in den Glauben versetzen: Nun haben wir 50 Millionen DM im Etat stehen, 120 Millionen DM gibt der Bund außerdem, er gibt also 170 Millionen DM; damit läßt sich schon etwas anfangen. — Wenn sie aber fragen, was die Länder in Zukunft weniger tun, werden sie feststellen, daß im Schnitt gesehen
die Bereitschaft sogar noch schwächer sein wird, als sie in der Vergangenheit gewesen ist.

(Abg. Sabel: Das ist ja Milchmädchenrechnung!)

Man mag nun Selbsthilfemaßnahmen erwägen. Das tun wir auch. Wir sind verantwortungsbewußt genug, die Menschen in unseren Gebieten auf die Selbsthilfe hinzuweisen. Aber man sollte bei solchen wirklich politischen Notwendigkeiten, wie es die Hilfsmaßnahmen für das Zonengrenzgebiet sind, nicht mit Fünferln und Zehnerln, wie man bei uns sagt, rechnen. Die Frau Abgeordnete Brökelschen sagte: der eine Antrag erfordert 65 Millionen DM, der andere 60 Millionen DM; was nunmehr vorliegt, ergibt alles in allem 200 Millionen DM. Ja, meine Damen und Herren, Sie haben sogar von 600 Millionen gesprochen.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: 120 Millionen DM, dazu 25 Millionen für kulturelle Zwecke, plus nicht genannte Millionen für die Entschädigung der Bauern, und die Senkung der Umsatzsteuer!)

Meine Damen und Herren, wollen wir das Politikum Zonengrenze von Geld abhängig machen oder von dem guten Willen, den wir alle haben?

(Abg. Spies [Emmenhausen]: Beides! — Abg. Sabel: Der gute Wille wird nirgendwo gewechselt!)

Der gute Wille muß natürlich zum Ausdruck kommen durch das Bekenntnis, zu leisten. Das, meine Damen und Herren, sind S i e jedenfalls bisher schuldig geblieben.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203110200
Das Wort hat der Abgeordnete Seiboth.

Frank Seiboth (GB/BHE):
Rede ID: ID0203110300
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst das tiefe Bedauern meiner Fraktion darüber aussprechen, daß es erst Großer Anfragen und einer Reihe von Anträgen bedurft hat, bis der Bericht der Bundesregierung über die eingeleiteten und durchgeführten Maßnahmen im Zonengrenzgebiet, der bereits zum 15. Februar dieses Jahres vorliegen sollte, dem Hohen Hause vorgelegt worden ist.

(Hört! Hört! bei der SPD.)

Wenn dieser Bericht der Regierung rechtzeitig oder nur mit geringer Verzögerung hier vorgelegen hätte, dann wäre Gelegenheit gewesen, daß der Gesamtdeutsche Ausschuß bzw. sein Unterausschuß für die Zonengrenzgebiete und vielleicht auch der Finanzausschuß

(Abg. Samwer: Haushaltsausschuß!)

zu den Fragen, die heute hier erörtert wurden, eine einheitliche Stellungnahme hätten erarbeiten können. Die Erörterungen im Plenum wären dann vielleicht etwas anders, vielleicht auch etwas sachlicher verlaufen. als es der Fall gewesen ist.
Wir haben — das sagen wir offen — sehr ernste Bedenken ob der schleppenden Behandlung dieser so wichtigen Angelegenheit durch den federführenden Bundesminister, Herrn Professor Erhard.

(Abg. Behrisch: Sehr gut!)

Es stellt sich für uns alle die Frage, ob die Ursachen für diesen schleppenden Gang nicht vielleicht zum großen Teil in dem Umstande zu suchen sind, daß Herr Minister Professor Erhard


(Seiboth)

als leidenschaftlicher Vertreter der freien Wirtschaft ein eingeschworener Gegner selbst des leisesten Lenkungs- und Planungsversuchs und auch des leisesten Versuchs des Dirigismus ist, wie er beim Zonenrandgebiet aber nun einmal nötig ist.

(Sehr richtig! beim GB/BHE. — Hört! Hört! bei der SPD.)

Wir können, wenn wir dem Zonenrandgebiet helfen wollen, auch bei Bejahung des Prinzips der freien Wirtschaft nicht darauf verzichten, in gewissem notwendigem und vertretbarem Umfange Lenkungsmaßnahmen ins Auge zu fassen.
Diese Sorgen hinsichtlich der Person des federführenden Ministers sind uns gekommen, als wir die Rede des Herrn Bundeswirtschaftsministers Erhard am 14. Februar dieses Jahres in Kassel hörten.

(Abg. Behrisch: Ausgezeichnet!)

Damals wurde ein eben neu errichtetes Gebäude der Wirtschaft eröffnet. Herr Bundeswirtschaftsminister Professor Erhard ist dort sowohl von dem Vertreter der hessischen Regierung wie von den Vertretern der Industrie- und Handelskammer Kassel besonders auf die Fragen des Zonennotstandsgebiets im hessischen Raum angesprochen worden. Er hat aber in einer fast eineinhalbstündigen Rede darauf keinerlei Antwort gegeben, sondern einen Vortrag allgemein wirtschaftlicher Art gehalten, der wohl recht interessant war, aber vom Zonengrenzgebiet nicht ein Wort enthielt. Und das, obwohl Herr Professor Erhard damals bereits zehn Wochen lang mit der Federführung für die Fragen des Zonengrenzgebietes betraut gewesen war! Erst ganz zum Schluß seiner Rede hat damals der Herr Bundeswirtschaftsminister mit einem Blick auf die Uhr erklärt, leider müsse er nun zum Bahnhof eilen, er könne deshalb die angeschnittenen Fragen bezüglich des Zonengrenzgebiets hier nicht mehr behandeln,

(Hört! Hört! bei der SPD)

aber man könne sich darüber ja am grünen Tisch unterhalten.

(Abg. Dr. Bleiß: „Am grünen Tisch" ist gut!)

Ich bin nun der Meinung und mit mir die Kollegen meiner Fraktion, daß gerade Kassel als die Hauptstadt des hessischen Zonennotstandsgebietes, wenn ich das so nennen darf, ein geeigneterer Ort gewesen wäre

(Sehr gut! bei der SPD)

als der verrufene grüne Tisch, von dem wir außerdem nicht einmal wissen, ob er in dieser Frage bisher überhaupt in Anspruch genommen worden ist.

(Beifall beim GB/BHE. — Abg. Behrisch: Weil nämlich die Hauptstadt links vom Rhein liegt!)

Wir betrachten es als ein dringendes Anliegen an den Chef der Bundesregierung, den Herrn Bundeskanzler, ernstlich zu erwägen, ob nicht die Notwendigkeit besteht, die Kompetenz für die Behandlung der Fragen des Zonenrandgebiets neu und sinnvoller zu regeln.
Hierbei darf ich vielleicht darauf hinweisen, daß auch wir vom Gesamtdeutschen Block/BHE in dem Auftrag, der vor wenigen Wochen an Herrn Bundesminister Kraft erteilt worden ist, eine Denkschrift über die Zonenrandgebiete auszuarbeiten, durchaus nicht eine Maßnahme sehen, die geeignet wäre, Wandel zu schaffen. Die Erklärung des Herrn Staatssekretärs Westrick, diese Denkschrift werde in etwa drei bis vier Monaten vorliegen, möchten wir in keinem Fall so ausgelegt wissen, daß wir erst in drei oder vier Monaten mit den noch ausstehenden Maßnahmen im Grenzgebiet beginnen können. Die Verantwortlichkeit für alles bisher Geschehene und auch für das bisher nicht Geschehene muß aber — das möchten wir von unserer Fraktion besonders herausstellen — trotz des an Herrn Minister Kraft erteilten Auftrags natürlich nach wie vor beim Herrn Bundeswirtschaftsminister liegen.
Zur Sache selbst gestatten Sie mir, daß ich einige grundsätzliche Fragen behandle. Ich möchte mich im wesentlichen auf Grundsatzfragen beschränken, da Detailfragen, vielleicht nicht so sehr des Wahlkampfes wegen, aber damit sie in den Kreiszeitungen draußen entsprechende Aufnahme finden,

(Heiterkeit — Zuruf vom GB/BHE: So ist es!)

zur Genüge behandelt worden sind.
Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat zum Schluß seines Berichts, der uns liebenswürdigerweise gestern mittag in die Fächer gelegt worden ist, erklärt, die Meinung sei nicht begründet, es handle sich bei der Regelung der wirtschaftlichen Hilfe für das Zonengrenzgebiet um eine Behebung von Kriegsfolgeschäden; folglich müßten Bund und Länder gemeinsam an diesen Aufgaben beteiligt werden. Nun, diese Frage ist offen. Aber wir sollten doch, wie es auch schon zum Ausdruck kam, niemals übersehen, daß gerade die Zonengrenzländer Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die ärmsten Länder der Bundesrepublik sind. Deshalb sollten wir auch im allgemeinen — das ist unsere übereinstimmende Meinung in der Fraktion — das sonst bei der Behebung von Kriegsfolgeschäden übliche Beteiligungsverhältnis von 85 % für den Bund und 15 % für die Länder berücksichtigen. Dabei sollten wir auch bedenken, daß es sich bei all diesen Fragen, wie Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen im Vorjahr in der Debatte hier zum Ausdruck gebracht hat, um das sogenannte dritte gesamtdeutsche Problem neben denen der Zone und Berlins handelt.
Im Haushalt Berlins beispielsweise sind Aufwendungen enthalten für Maßnahmen, die eigentlich gar nichts mit Berlin zu tun haben, die nicht ureigene Berliner Angelegenheiten sind, sondern typisch gesamtdeutsche Maßnahmen bzw. Angelegenheiten darstellen. Aus dieser Tatsache entsteht aber bei Berlin kein besonderes Problem, weil der Bund ja verpflichtet ist, den Fehlbedarf des Berliner Haushalts zu decken.
Bei den Zonengrenzgebieten liegen die Dinge aber ähnlich. Auch dort müssen die Kommunen und die betreffenden Länder aus eigener Kraft Aufgaben bewältigen, besonders auf dem sozialen und dem kulturellen Sektor, die in Wahrheit gar nicht Gemeindeangelegenheiten oder Angelegenheiten der betreffenden Länder, sondern gesamtdeutsche Angelegenheiten sind.

(Sehr richtig! beim GB/BHE und bei der SPD.)

Unter gesamtdeutscher Verantwortung stehen aber nicht nur diese Zonengrenzgemeinden oder die Zonengrenzländer, sondern es müssen alle deutschen Bundesländer und besonders auch der Bund unter gesamtdeutscher Verantwortung stehen.


(Seiboth)

Der Beschluß des Deutschen Bundestages vom Juli vorigen Jahres ist ja auch ein Beweis dafür, daß sich die Volksvertretung ihrer gesamtdeutschen Verpflichtung durchaus bewußt war. Es ist aber bedauerlich, daß wir heute; zehn Monate nach diesem Bundestagsbeschluß, fragen müssen, was denn eigentlich in Verfolg des vorjährigen Bundestagsbeschlusses an wesentlichen Maßnahmen veranlaßt worden ist.
Wir betrachten als Kernstück des von der Bundesregierung am 19. August des Vorjahres verkündeten Programms für die Notstandsgebiete die Zusicherung, 120 Millionen DM für Zwecke der Wirtschaftsförderung und zur Behebung von Wirtschaftsschäden in den Haushalt des Jahres 1954 einzusetzen. Über diese 120 Millionen DM war bis heute irgendwie ein mysteriöser Schleier gebreitet, und noch mein Herr Vorredner hat hier, obwohl Herr Staatssekretär Westrick vorhin erklärt hat, die 120 Millionen DM ständen zur Verfügung, angezweifelt, daß sie auch tatsächlich zur Verfügung gestellt werden. Es ist uns im Laufe dieser nachmittägigen Debatte zwar nicht offiziell, aber sozusagen durch Späher aus dem Finanzausschuß, die Mitteilung zugegangen, daß Herr Bundesfinanzminister Schäffer praktisch das Junktim, das ja immer noch bestand, gelöst hat und erklärt haben soll, die 120 Millionen DM würden nun endgültig zur Verfügung stehen. Darüber sind wir sehr glücklich; denn ohne diese 120 Millionen DM hätte das von der Bundesregierung in Aussicht genommene Programm überhaupt nicht in ausreichendem Umfange durchgeführt werden können.
Aber es ist nun an der Zeit, daß man uns nicht nur erklärt: „Die 120 Millionen DM werden auf alle Fälle bereitgestellt", sondern auch sagt, wann diese 120 Millionen DM denn zur Verfügung stehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: In diesem Haushaltsjahr!)

Es kann im Zonenrandgebiet mit den Maßnahmen, die beschlossen worden sind, nicht länger zugewartet werden. Wir würden deshalb den Herrn Bundesfinanzminister oder den Herrn Staatssekretär dringend darum bitten, bei nächster Gelegenheit diesem Hohen Hause zu erklären, von wann ab die Förderungsmaßnahmen im Rahmen dieser 120 Millionen DM tatsächlich im Grenzgebiet draußen anlaufen können.
Im Zusammenhang mit diesen 120 Millionen ist uns aber noch wichtig, auf folgendes hinzuweisen. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat auf Seite 6 seines Berichts seinem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß die Bundesregierung nicht alle vom Bundestag seinerzeit beschlossenen bzw. empfohlenen Maßnahmen habe realisieren können. Er führt dort im einzelnen auf: die Bereitstellung von 25 Millionen DM für kulturelle Förderungsmaßnahmen, dann die ebenfalls nicht in die Wege geleitete und ermöglichte steuerfreie Rücklage und die Ermäßigung der überhöhten Gewerbesteuersätze in den Gemeinden des Zonenrandgebiets; und dann heißt es dort: deshalb, weil diese Maßnahmen also wahrscheinlich nicht durchgeführt werden konnten, habe die Bundesregierung 120 Millionen DM in den Haushalt 1954 eingesetzt. Wir müssen hier fragen: Was soll dieses „deshalb" bedeuten? Doch nicht etwa, daß mit der Hingabe oder Bereitstellung dieser 120 Millionen DM die Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten in absehbarer Zeit so zum Guten hin verändert werden
kann, daß alle diese bisher nicht in Angriff genommenen und durchgeführten Maßnahmen überflüssig werden bzw. die Zonengrenzgebiete und die Länder dann so gestärkt werden, daß sie diese Maßnahmen aus Eigenem finanzieren könnten?
Wir sind der Meinung, daß gerade die kulturellen Hilfsmaßnahmen unbedingt außerhalb der 120 Millionen DM durchzuführen sind.

(Abg. Dr. Strosche: Sehr richtig!)

Unsere Fraktion hat während der zweiten und auch während der dritten Lesung des Haushalts jenen Antrag gestellt, der diesmal von der sozialdemokratischen Fraktion wiederholt wird, nämlich die seinerzeit vom Bundestag beschlossenen 25 Millionen DM für kulturelle Förderungsmaßnahmen noch zu bewilligen. Leider ist unser Antrag damals abgelehnt worden, und wir befürchten, daß nunmehr der Antrag der Sozialdemokratischen Partei, wenn es einmal darüber zur Abstimmung kommt, dasselbe Schicksal erleiden wird wie unser gleichlautender Antrag während der Haushaltsdebatte.

(Zuruf von der SPD: Aber ihr stimmt doch mit!)

In diesem Zusammenhang möchten wir darauf hinweisen, daß wir schon in der Debatte zur dritten Lesung des Haushalts durch unseren Kollegen Gille hier zum Ausdruck gebracht haben: Wenn es auf gar keinen Fall 25 Millionen sein können, dann soll man doch wenigstens einen Betrag von 10 oder selbst von 5 Millionen für diese kulturellen Förderungsmaßnahmen zur Verfügung stellen, damit im Zonengrenzgebiet auf dem kulturellen Sektor überhaupt etwas geschehen kann. Deshalb sollten bei den Beratungen im Ausschuß — denn wir hoffen ja und werden dafür stimmen, daß alle heute gestellten Anträge an die Ausschüsse überwiesen werden — für den Fall, daß dieser Antrag der SPD keine Chance zur Realisierung hat, alle Parteien gemeinsam zumindest versuchen, zu erreichen, daß für kulturelle Förderungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet ein entsprechender Betrag zur Verfügung gestellt wird.
Ich will zu den Maßnahmen, die hier schon besprochen wurden, im einzelnen nichts mehr sagen. Gestatten Sie aber, daß ich noch auf zwei Dinge besonders hinweise.
Hier ist von der Frachthilfe die Rede gewesen. Im Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers steht zu lesen, daß sich nunmehr die bisher mit dem Bund streitenden Länder Hessen und Niedersachsen mit dem Bund dahingehend geeinigt hätten, daß das Verhältnis nun nicht mehr 1:1, sondern 2 für den Bund und 1 für die Länder sein soll. Hier entsteht nun die Frage, ob dann aber — da die 5 Millionen DM, die der Bund dafür zur Verfügung stellt, wie es in dem Bericht heißt, nicht erhöht werden sollen — die vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel noch ausreichend sind. Diese Frage ist für uns deshalb besonders interessant, weil bekanntlich die Hälfte der vom Bund zur Verfügung gestellten Mittel allein für Kohle und da wieder fast ausschließlich für Bayern zur Verfügung stand, während die anderen Länder, insbesondere Niedersachsen und Hessen, Wert darauf legen, daß neben der Ausweitung der Frachthilfe auf andere Verkehrs- oder Transportmittel vor allem auch andere Transportgüter mit einbezogen werden. Dieses Problem ist für die betroffenen Länder wichtig, und hier bleibt, wenn man das neue Verhältnis zugrunde legt, nach


(Seiboth)

unserem Dafürhalten für die Finanzierung der Frachthilferegelung zuwenig übrig, als daß noch tatsächlich genügende und ausreichende Maßnahmen ins Auge gefaßt werden könnten. Deshalb wird es notwendig sein, sowohl von seiten der Bundesregierung als auch von seiten der zuständigen Ausschüsse zu untersuchen und zu erwägen, ob es nicht doch möglich ist, hier eine gewisse Erhöhung vorzunehmen.
Zu den steuerlichen Maßnahmen möchte ich noch sagen: Wenn die Umsatzsteuersenkung, die hier von der sozialdemokratischen Fraktion beantragt worden ist, aus technischen oder anderen Schwierigkeiten, die erwähnt wurden, nicht realisiert werden kann, dann müßte aber insbesondere ein verstärktes Augenmerk auf eine Senkung der überhöhten Gewerbesteuersätze gerichtet werden. Wir möchten in diesem Zusammenhang aber auch darauf hinweisen, daß die Wünsche, die von der Landwirtschaft vorgetragen wurden, nämlich auch in gewissen Gemeinden des Zonennotstandsgebietes die Grundsteuerhebesätze, soweit sie überhöht sind und bis an 300 % heranreichen, billigerweise ebenfalls in die Betrachtungen zur Senkung dieser Steuern einbezogen werden müssen.
Ich darf abschließend noch eines sagen, was hier nicht erwähnt worden ist. Sie alle wissen, daß uns von vielen Kreisen aus den Zonengrenzländern, und zwar von Kreisen, die nicht in das Zonengrenzgebiet einbezogen sind, vorgetragen wird, sie fühlten sich durch ihre Nichteinbeziehung besonders benachteiligt. Nun sind wir der Auffassung, daß es notwendig und richtig war, irgendeine Begrenzung des zu fördernden Zonengürtels vorzunehmen. Aber wir meinen, man sollte bei der Ziehung der neuerlichen Grenze vor dem Zonengürtel doch nicht gar zu engherzig vorgehen; denn es ist tatsächlich so, daß die negativen Ausstrahlungen in wirtschaftlicher, sozialer und auch kultureller Hinsicht, die infolge der Ziehung der Zonengrenze vorhanden sind, viel weiter als nur 40 oder 50 km reichen. Ich möchte also anregen, daß wir bei den Beratungen im Ausschuß auch die Frage erörtern sollten, ob man derzeit vor dem Zonengürtel liegende Kreise, in denen zum Teil wegen der Zonengrenzziehung eine besonders große Arbeitslosigkeit herrscht und in denen eine besonders niedrige Kopfsteuerquote festzustellen ist, nicht ebenso, wie es vereinzelt in Niedersachsen gemacht worden ist, auch in das Gebiet des zu fördernden Zonengrenzgürtels einbeziehen kann.
Meine Damen und Herren, wir haben uns hier auf einige wesentliche Fragen beschränkt, die uns erwähnenswert schienen. Wir werden den Anträgen auf Überweisung an die Ausschüsse zustimmen.

(Beifall beim GB/BHE.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203110400
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Gülich.

Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0203110500
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es schien heute nachmittag manchmal so, als ob die Diskussion eine Angelegenheit der Abgeordneten aus den Zonenrandgebieten gewesen wäre.

(Sehr richtig! beim GB/BHE.)

Es ist sogar die Verdächtigung ausgesprochen worden, es handle sich um parteipolitische Anliegen; aber das auszusprechen, ist falsch und entspricht einfach nicht der politischen Wirklichkeit und der Bedeutung der Aufgabe, um die es geht.
Vor einer Woche ist die vorzügliche Denkschrift des Instituts für Raumforschung zur Frage regionaler Wirtschaftspolitik herausgekommen. Ich habe sie in der vorvorigen Woche bei meiner Rede zur Finanz- und Steuerreform bereits zitiert, und ich möchte Ihnen, nachdem ich dasselbe früher ja oft genug gesagt habe, mitteilen, welche Feststellung dieses Institut auf Grund sorgfältiger Untersuchungen trifft:
Es kann, wenn schon in der sowjetischen Besatzungszone ein breiter toter Streifen entlang der Zonengrenze geschaffen wird, nicht die Aufgabe einer Wirtschaftspolitik der Bundesregierung sein, diesseits des Eisernen Vorhangs gleichfalls einen Streifen wirtschaftlicher Verödung zuzulassen.

(Sehr gut! beim GB/BHE.)

Der Ausgleich des Wirtschaftsgefälles von Westen nach Osten muß also einen wesentlichen Teil einer regionalen Wirtschaftspolitik bilden, die sich dabei keineswegs auf den östlichen Grenzstreifen der Bundesrepublik beschränken darf.
Ich empfehle auch Herrn Staatssekretär Westrick und seinem Ministerium die Lektüre dieser vorzüglichen Denkschrift; denn Herr Staatssekretär Westrick ist in den Fehler verfallen, heute wieder mit großen Zahlen zu operieren. Die statistische große Zahl sagt uns aber hier, wo es sich um regionale Differenzierungen handelt, gar nichts. Die Einheit des Landes oder gar die Einheit der Bundesrepublik bedeutet im statistischen Durchschnitt nichts, damit kann man keine wirklichkeitstreue Aussage machen. Wir haben bei unseren Betrachtungen von der regionalen Verschiedenartigkeit der Bundesrepublik auszugehen.
Nun ein Wort zu der Antwort der Bundesregierung. Die Bundesregierung gibt in Drucksache 534 sehr interessante Überblicke. Sie wird die Länder bitten, bei der Erhebung von Steuern und Abgaben im Zonenrandgebiet, bei Ermessensentscheidungen, Stundungen, Erlassen, Beitreibungsangelegenheiten und Auslegungsfragen, soweit möglich, großzügig zu sein. Das ist ein Appell an die armen Länder, die ohnehin nicht wissen, wie sie mit ihrer geringen Steuerkraft ihre Wirtschaft in Ordnung halten sollen. Die Bundesregierung wird die Länder bitten, in Abschreibungsfragen im Rahmen des § 131 der Abgabenordnung entgegenzukommen. Abschreiben kann nur jemand, der seine Abschreibungen verdient hat. Aus Denkschriften von Industrie- und Handelskammern, die auch dem Wirtschaftsministerium vorliegen, geht klar und deutlich hervor, daß diese Empfehlungen von vielen Industrie- und Handelsunternehmungen als, wie es in einem Bericht heißt, „tatsachenfremd" empfunden werden, weil sie nicht einmal das Maß, der bisher erlaubten Abschreibungen in Anspruch nehmen konnten. Wie kann also die Industrie dieser notleidenden Zonenrandgebiete aus dieser Empfehlung irgendwelchen Gewinn ziehen?
Den Zonenrandländern soll weiterhin nahegelegt werden, ihren Gemeinden in den Randgebieten im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs zu ermöglichen, bei der Festsetzung der GewerbesteuerHebesätze und sonstiger Abgaben den besonderen wirtschaftlichen Verhältnissen Rechnung zu tragen. Nun, es wird auch dem Bundeswirtschaftsministerium bekannt sein, daß durch die erfolgten Abschreibungen der Gewinn gemindert und infolgedessen auch das Gewerbesteueraufkommen redu-


(Dr. Gülich)

ziert worden ist. Einzelne Gemeinden haben einen so erheblichen Gewerbesteuerausfall, daß ihnen eine solche Empfehlung wiederum gar nichts nützt. Ich habe vor mehr als einem Jahr vorgeschlagen, daß man den Gemeinden aus Bundesmitteln den Gewerbesteuerausfall garantieren solle. Damit sind sie in der Lage, ihre Hebesätze der tatsächlichen Wirtschaftskraft der Gemeinde und ihrer Unternehmungen anzupassen. Ich will die Antwort der Bundesregierung der fortgeschrittenen Zeit wegen nicht weiter kritisieren. Es ließe sich ja zu jedem einzelnen Punkt etwas sagen, was den Wert dieser Antwort, zu der viele Monate gebraucht worden sind — Herr Kollege Seiboth hat das schon ausgeführt —, eben doch sehr fragwürdig macht.
Nur auf einen Punkt möchte ich noch eingehen. Die Antwort sagt, und auch Herr Staatssekretär Westrick sagte es heute, daß nach dem Grundgesetz gar nicht der Bund zuständig sei und daß diese Auffassung auch von einigen Länderregierungen vertreten werde. Nun, wir wissen alle, welche Länderregierungen aus ihrem krassen Länderegoismus die Meinung vertreten, es handele sich nicht um Kriegsfolgen nach Art. 120 des Grundgesetzes. Als Argument für diese Auffassung wird weiter verwendet, auch im Ersten und Zweiten Überleitungsgesetz sei diese Not der Zonenrandgebiete überhaupt nicht als Kriegsfolgelast angesprochen worden. Nun, da liegt der Jammer! Das entscheidende Versäumnis der Bundesrepublik hat 1949 damit begonnen, daß sie sich damals nicht der Zonenrandgebiete angenommen hat.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wir sind doch damals die Rufer im Streite, die Prediger in der Wüste gewesen. Aber wir sind nicht gehört worden — ja, Herr Pelster, Sie schütteln dauernd den Kopf —,

(Abg. Pelster: Ich habe doch noch nichts gesagt!)

weil Sie so erfüllt waren .von dem „Wirtschaftswunder", daß Sie gar nicht bemerkt haben,

(Abg. Pelster: Das können Sie doch gar nicht bestreiten, das Wirtschaftswunder!)

daß bei dieser Gelegenheit viele wichtige Gebiete
in der Bundesrepublik wirklich zugrunde gingen.

(Zuruf vom GB/BHE: Richtig! — Abg. Pelster: Bis jetzt ist das nicht der Fall; wir haben wesentlich unterstützt!)

— Wenn Sie sagen: „Wir haben wesentlich unterstützt", dann sagen Sie dasselbe, was Herr Staatssekretär Westrick auch ausgeführt hat.

(Abg. Pelster: Der Bund kann doch nicht die Ländersteuern und die Gemeindesteuern zahlen, und die Länder wollen dem Bunde dann nichts geben! Das geht doch auch nicht!)

— Ich sage, wenn Sie sich einmal diese Grenzgebiete ansehen — —

(Abg. Pelster: Das habe ich auch getan!)

— Ich lade Sie ein, mit mir einmal ein bißchen herumzufahren, Herr Pelster.

(Abg. Pelster: Nicht notwendig! Kann ich aus eigenem! Dazu brauche ich Sie nicht!)

— Aus Ihrer Haltung diesen Fragen gegenüber sehe ich, daß es sehr notwendig ist, so notwendig,
daß man Ihnen sogar noch einen gewissen Elementarunterricht auf diesem Gebiete erteilen müßte.

(Zurufe von der Mitte: Schulmeister! — Unerhört! — Abg. Pelster: Dafür sind Sie nicht kompetent!)

— Aber ich wäre dazu fähig.

(Abg. Pelster: Auch nicht, auch wenn Sie Professor sind!)

— Aber ich wäre dazu fähig und in der Lage, (Abg. Pelster: Wird meinerseits bestritten!) wenn Sie mir die Kompetenz dazu einräumten.

(Abg. Pelster: Für mich sind Sie dafür nicht kompetent!)

Im übrigen will ich diese Frage wahrhaftig nicht zum Gegenstand einer solchen Auseinandersetzung machen.

(Zuruf von der Mitte: Das haben Sie aber getan!)

Vielmehr ist es tatsächlich so, daß das Verständnis für die Not der Zonenrandgebiete in weitesten Kreisen Westdeutschlands ganz einfach nicht vorhanden ist.

(Beifall bei der SPD und beim GB/BHE. — Abg. Samwer: Leider nicht ausreichend! — Zuruf des Abg. Pelster.)

Herr Staatssekretär Westrick sagte eben unter Hinweis auf die großen Zahlen, die wirtschaftliche Entwicklung gehe aufwärts. Ich kann Ihnen nur sagen: Fahren Sie hin! Ich kann Ihnen zeigen, was dort im einzelnen geschehen ist. Daß einzelne Unternehmungen florieren, wird ja nicht bestritten. Deswegen ist auch die ganze globale Zuweisung von Mitteln etwas fragwürdig. Wir würden zweifellos viel weiter kommen, wenn man von konkreten Objekten ausginge. Das erfordert allerdings eine sehr intensive Beschäftigung mit diesen Dingen. Ich bin persönlich gar nicht unglücklich darüber, daß Herr Kraft jetzt diese Aufgabe bekommen hat. Er wird schon etwas aus dieser Aufgabe machen; denn er hat ja immerhin eine Vorstellung, und zwar eine gute Vorstellung zumindest von den Zonenrandgebieten in Schleswig-Holstein. Wenn uns da — allerdings nicht erst in vier Monaten — eine kurze, prägnante Denkschrift vorgelegt wird, so kann das der Sache nur dienlich sein.
Im übrigen will ich mit Herrn Staatssekretär West r i c k nicht mehr polemisieren; denn man soll politische Kritik am Minister nicht am Staatssekretär auslassen.

(Beifall bei der SPD.)

Aber das Herz und die Leidenschaft dürfen wir auch bei Herrn Westrick getrost unterstellen. Nur, was die Früchte betrifft, die aus dem Wirtschaftsministerium kommen sollen, da sehe ich vorläufig noch ein bißchen trübe in die Zukunft.

(Zustimmung bei der SPD.)

Wenige Worte zu Frau Brökelschen! Frau Brökelschen sagte, die SPD stünde der Situation bei den Verteidigungslasten genau so gegenüber. Ich habe mich bereits neulich klar ausgedrückt —

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Ja, darüber werden wir uns nie verständigen!)

— hören Sie doch mal zu! — ich habe es neulich
schon gesagt: wenn der Herr Bundesfinanzminister
von vornherein, bevor die Verhandlungen begin-


(Dr. Gülich)

nen, sagt: „Ich komme mit den Besatzungsmächten doch nicht zurecht", dann kommt er nicht zurecht! Ich habe neulich gesagt, er sollte sich nicht mit den Alliierten gegen den Bundestag verbünden, sondern den Bundestag zu seinem Verbündeten gegen die Alliierten machen. Dann kämen wir schon weiter.

(Beifall bei der SPD.)

Denn in diesen sogenannten Verteidigungslasten
— das habe ich neulich bei der Behandlung des Einzelplans 35 ausgeführt und keinen Widerspruch dafür bekommen — liegt so viel Leerlauf, so viel Unfug, so viel Mutwillen, daß ein zäher Verhandler schon etwas erreichen könnte.
Vorhin wurde von Herrn Staatssekretär Westrick mitgeteilt, die 120 Millionen DM stünden jetzt zur Verfügung. Schön. Das habe ich auch heute gerüchtweise gehört. Bis dahin stand klar und deutlich im Einzelplan 60 des Bundeshaushaltsplans bei Tit. 950 — und das haben Sie gegen mein sehr entschiedenes Votum neulich beschlossen —, daß die Hilfe von 120 Millionen DM für die Zonenrandgebiete nur gegeben werden sollte, wenn der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer mehr als 40 %, nämlich 42 %, betrüge. Das steht im Dispositiv im Tit. 950 drin.

(Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ja längst überholt!)

— Das ist nicht längst überholt. Bis heute ist es offiziell noch nicht überholt; es ist jetzt nur gerüchtweise überholt. Der Herr Finanzminister soll sich mit einigen Ländern geeinigt haben. Wohlgemerkt: mit einigen. Er kann nunmehr hoffen, auf der nunmehr abgewandelten Basis 40 % statt 42 %
— die Differenz wird praktisch durch die Bundesbahnanleihe gedeckt — im Bundesrat mit der Sache durchzukommen. Aber Sie konnten nicht davon ausgehen, daß das schon geschehen wäre, was noch nicht geschehen ist und wofür jetzt nur die Vorverhandlungen des Bundesfinanzministers geführt worden sind.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Die Zusicherung von Staatssekretär Westrick liegt doch vor!)

— Ich freue mich darüber, wenn es so ist, wenn der Bundesfinanzminister sich mit den Ländern geeinigt hat.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Das ist ja so!)

Frau Brökelschen sagte ferner, die Länder hätten nichts getan

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Das habe ich nicht gesagt!)

für die Not der Gemeinden in den Zonenrandgebieten. Sehen Sie sich die Finanzausgleichsgesetze der Länder an! Frau Kollegin, sehen Sie sich den Finanzausgleich in Niedersachsen an! Da werden Sie feststellen, daß in den letzten Jahren 60 bis 80 oder 81 % der gesamten Bedarfszuweisungen im Finanzausgleich an Gemeinden in den Zonenrandgebieten gegangen sind.

(Sehr wahr! bei der SPD.)

Man darf also keine Vorwürfe erheben, die nicht berechtigt sind.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203110600
Frau Dr. Brökelschen hat das Wort zu einer Zwischenbemerkung.

Dr. Else Brökelschen (CDU):
Rede ID: ID0203110700
Herr Professor Gülich, ich habe nicht gesagt, die Länder hätten nichts getan, sondern ich habe gesagt, ich möchte einmal einen genauen Überblick darüber haben, was auf den einzelnen Gebieten von den Ländern an Leistungen gegeben worden ist, und ich habe auf den Wohnungsbau exemplifiziert.

(Lebhafte Rufe von der CDU/CSU: Hört! Hört! — Abg. Huth: Das ist etwas ganz anderes!)


Dr. Wilhelm Gülich (SPD):
Rede ID: ID0203110800
Dem Tenor nach kam das so heraus,

(lebhafter Widerspruch in der Mitte)

zumal es ja von Ihnen mit Leidenschaft vorgetragen wurde. — Ich habe Ihnen einen Teil der Zahlen
bereits genannt, und die niedersächsische Landesregierung kann Ihnen ja weiteres Material geben.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Ich werde froh sein, wenn ich das Material bekomme!)

Wenn Sie es nicht bekommen sollten, dann sagen Sie es mir; ich besorge es Ihnen.

(Lachen in der Mitte.)

— Verzeihen Sie, meine Damen und Herren, es handelt sich doch um veröffentlichte Materialien der Finanzstatistik. Wenn Frau Kollegin Brökelschen nicht weiß, woher sie es bekommen soll — das war ganz offen und ehrlich von mir gemeint —, dann besorge ich ihr das Material; ich habe es nämlich.

(Zuruf: Es ist 18 Uhr!)

Ich empfehle auch, bei den Mitteln, die gegeben werden, von der Zentrale her keine allzu starke Zweckbindung vorzunehmen, sondern die Verteilung der Mittel zusammen mit den örtlichen Stellen vorzunehmen.

(Abg. Frau Dr. Brökelschen: Das ist interessant!)

Noch ein letztes Wort! Mit Geld allein kann man die Sache nicht machen. Es kann sich nicht nur darum handeln, daß neue Bundesmittel zur Verfügung gestellt werden, sondern auch darum, daß die verfügbaren Mittel richtig und zeitgerecht ausgenutzt werden. Da möchte ich an alle Adressen, die es angeht, folgendes sagen: Es muß schneller gearbeitet werden. Worunter leiden denn die einzelnen Unternehmungen so sehr? Ich habe beispielsweise gerade einen Brief einer großen Firma bekommen, die monatlich mehrere Millionen Mark an Steuern abführt und die lastenausgleichsberechtigt ist. Seit dem Januar 1953 führt sie einen verzweifelten Kampf um einen Betriebsmittelkredit. Ich kenne solche Finanzierungsfragen genau; ich muß mich häufig mit den Dingen befassen, weil ich um Rat gefragt werde. Es ist einfach unerträglich, daß die Erledigung dieser Anträge so schrecklich lange dauert, mag es sich nun um Investitionskredite oder um Betriebsmittelkredite handeln.
Und dann noch ein Weiteres.

(Abg. Spies [Emmenhausen] : Aber ein allerletztes Wort!)

Wir haben wiederholt von den Steuerkraftunterschieden unter den Ländern und der dadurch bedingten Attraktionskraft der wohlhabenden Länder gegenüber den armen Ländern gesprochen. Da ist es so, daß alle Kreise der Wirtschaft sich bemühen müßten, den Industrien in den notleidenden


(Dr. Gülich)

Ländern zu helfen. Ich habe mir in Schleswig-Holstein Mühe gegeben, große Firmen zu veranlassen, ihren Bedarf beispielsweise an Norm- und Gewindeteilen bei einer hervorragenden Firma in Geesthacht zu decken. Die Firmen sind dazu kaum bereit, weil sie auf ihre alten Verbindungen in Nordrhein-Westfalen eingespielt sind. Haben wir schon diese Länder mit den enormen Steuerkraftunterschieden, dann muß auch jedes Land und jeder Industrielle in jedem Lande zur Hebung der Steuerkraft seines eigenen Landes beitragen. Es ist ja nicht so, daß wir etwa fordern, man soll unbesehen Aufträge vergeben. Es genügt uns vom Bunde aus vollkommen, wenn man bei der Vergebung öffentlicher Aufträge Angebote bei den Firmen in den Zonenrandgebieten einholt.
Ich habe am 2. Juli 1953 im Bundestag gesagt: „Die Beschlüsse, die wir heute fassen werden, sind gut. Es kommt aber alles auf die Ausführung an." Ich habe gesagt, daß alle Beschlüsse, die wir fassen werden, völlig in der Luft hängen werden, daß sie irrealistisch sein werden, wenn nicht Menschen mit Verstand und Herz und Verantwortungsgefühl in den Amtsstuben sitzen. Daran hapert es so sehr. Wie viele Korinthenkacker sitzen da und kujonieren die Wirtschaft, lassen sie nicht sich entwickeln, gewähren wegen tausend überflüssiger Nachfragen keine Kredite! Wir sollten mehr Menschen haben, die ihre Aufgaben in eigener Verantwortung erfüllen könnten.
Es sind also nicht nur Fragen der Organisation, um die es hier geht, sondern es ist nötig, daß alle, die in großen Industriegebieten und damit in einer satteren Welt leben, ihre Gesinnung ändern. Das Bewußtsein von der Einheit unseres Volkes in unserem Staat sollte in uns lebendig gemacht werden. Ohne das wird keine gesetzgeberische und keine organisatorische Maßnahme durchgreifend die Struktur unserer Wirtschaft ändern können und das verhängnisvolle West-Ost-Gefälle beseitigen. Es muß das große Ziel der Wirtschaftspolitik der Bundesrepublik sein, durch wirtschaftspolitische Maßnahmen dieses West-Ost-Gefälle zu mindern. Was dann noch fehlt, müssen wir durch eine neue Staatsgesinnung hinzufügen.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203110900
Meine Damen und Herren, der Vorsitzende des Haushaltsausschusses bittet mich, mitzuteilen, daß die Sitzung des Haushaltsausschusses nicht, wie vorgesehen, um 18 Uhr beginnt — dieser Zeitpunkt ist ja schon vorbei —, sondern erst unmittelbar nach der Plenarsitzung.
Das Wort hat der Abgeordnete Kahn.

Karl Kahn (CSU):
Rede ID: ID0203111000
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will mich ganz kurz fassen und völlig sachlich bleiben. Während der stundenlangen Debatte dachte ich an zwei Redner des Altertums: an Demosthenes und an Cicero. Beide waren nicht nur erstklassige Redner, sondern auch Staatsmänner. Ihre Reden hatten staatsmännischen Inhalt, waren kurz und sachlich. Manchmal hat man den Eindruck gehabt, daß dieses Hohe Haus auf einem Plafond stand, der ungefähr der einer Wahlversammlung ist.
Ein so ernstes Problem, wie es die Frage der Sanierung der Zonengrenzgebiete darstellt, das wir unter Punkt 4 der heutigen Tagesordnung behandeln, soll weder mit übergroßem Mut noch mit
banger Sorge betrachtet werden. Man soll sachlich daran gehen.

(Beifall in der Mitte.)

Das allein hat mich bewogen, einige kurze Sätze anzufügen.
Das positive Ergebnis der heutigen Aussprache — darin müssen wir uns alle einig sein in diesem Hohen Hause, die Damen und Herren der Opposition wie die Damen und Herren der Koalitionsparteien — war die Erklärung des Herrn Staatssekretärs Dr. Westrick, daß die 120 Millionen DM im Haushalt eingeplant sind.

(Sehr richtig! in der Mitte.)

Denn, meine Damen und Herren, was helfen Beschlüsse, wenn sie an der Realität des Materiellen scheitern! Wer im 1. Bundestag war, der weiß, wie wir schon damals bestrebt waren, den Zonengrenzgebieten zu helfen.
Lassen Sie mich noch einen Gedanken aussprechen — dabei wende ich mich an die Damen und Herren der Opposition —: ich gelte im allgemeinen als ein Mann der Sachlichkeit, der im politischen Kampf nicht den stumpfen Degen schlägt, sondern mit dem Florett ficht.

(Lachen bei der SPD.)

Meine Damen und Herren, haben Sie sich überlegt, warum sich Fabriken, Anlagen, Werksunternehmungen aus den notleidenden Zonengrenzgebieten verlagern? Es geschieht nicht allein wegen der Absatzschwierigkeiten und nicht allein wegen der schlechten oder ungesunden Transportverhältnisse. Es ist noch ein anderer Grund, meine Damen und Herren von der Opposition. Wenn der EVG-Vertrag heute Realität wäre — ich nehme an, daß er Realität wird —, dann hätten die Unternehmungen in den notleidenden Grenzgebieten einen militärischen Schutz. Über all das, worüber in diesem Hause schon so oft gesprochen wurde — z. B. die Angst vor dem Satellismus —, bräuchten wir dann nicht mehr zu reden.

(Zuruf von der SPD: Was machen schon 40 km?!)

Ich möchte noch einen Gedanken hier zum Ausdruck bringen und dabei den Herrn Staatssekretär persönlich ansprechen. Bei der Betrachtung der Notlage im Zonengrenzgebiet muß unser Blick auch weiter gehen. Neben den Zonengrenzgebieten gibt es auch in Bayern und in Gesamtdeutschland wirklich sanierungsbedürftige Kreise und Gemeinden und Städte. Ich nenne da die Teile der westlichen Oberpfalz, die Juragebiete, Teile der mittleren Oberpfalz, das Maxhütten-Gebiet, und ich muß auch Regensburg erwähnen, die alte freie Reichsstadt, einst die Metropole an der Donau im bayerischen Raum, einst die Metropole des politischen Lebens in Deutschland. Sie ist heute leider zu einer Metropole der Not geworden. Herr Staatssekretär Westrick, mit dem Dank für das, was das Wirtschaftsministerium alles plant und tut, und mit dem Dank meiner Freunde für die Erklärung, daß die 120 Millionen DM für die Realisierung dieser Absichten eingeplant sind, verbinde ich heute eine Bitte und einen Wunsch. Ich werde mit einigen Freunden heuer im Sommer oder im Herbst die Frage der Notstandsgebiete und der Maßnahmen, die außerhalb der Zonengrenzgebiete zu treffen sind, im Bundestag vortragen. Ich glaube, daß dann auch für diese Gebiete — ich habe nur ein kleines Gebiet genannt; es gibt sie außerhalb Bayerns


(Kahn)

ebenso — eine Lösung gefunden wird, die uns alle befriedigt.

(Beifall bei der CDU/CSU. — Zuruf von der SPD: Also sprach Cicero! — Heiterkeit links.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203111100
Das Wort hat der Abgeordnete Priebe.

Moritz-Ernst Priebe (SPD):
Rede ID: ID0203111200
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wegen der vorgeschrittenen Zeit nur fünf Minuten! Ich will keine Betrachtungen anstellen, sondern durch ein Beispiel auf Sie einzuwirken versuchen. Frau Dr. Brökelschen sagte vorhin: „Das Zonenrandgebiet ist kein Armenhaus." Stimmt, es ist es nicht; aber im Zonenrandgebiet gibt es regional unterschiedlich große und kleine Zonen des Notstandes, eine Unzahl von kleinen und großen Armenhäusern. Sie lassen sich nur beseitigen, wenn neben den generellen Hilfsmaßnahmen auch individuelle durchgeführt werden können,

(Aha! in der Mitte)

die wir ja beabsichtigen.
Nun mein Beispiel! Im Südteil des Ihnen bekannten Zonengrenzkreises Uelzen gibt es ein solches Armenhaus, das Kirchspiel Bodenteich. Es umfaßt mit seinen Randdörfern rund 30 Gemeinden. Es hat magere Sandböden, saure Wiesen, eine notleidende Landwirtschaft. Es hat in einer demontierten Munitionsanstalt eine Anhäufung von Flüchtlingen, ein Flüchtlingswohnheim. Rund 800 Dauerarbeitslose sind die Sorgenkinder des zuständigen Arbeitsamts. Der Regierungspräsident versuchte pflichtgemäß, Unternehmer heranzuziehen. Die Nähe der Grenze, die schlechten Straßen, die ungünstigen Verkehrsverhältnisse, der Mangel an Rohstoffen schreckten alle Unternehmer ab. Jahrelang leben die Leute in ihrer Not. Wie groß sie ist, wie groß die demoralisierende Wirkung dieser materiellen Not ist, kann nur der beurteilen, der die Verhältnisse kennt. Der Kreis versuchte, ein Programm aufzustellen, um der Bevölkerung zu helfen. Das Programm sieht 111 000 Tagewerke vor. Das würde praktisch die Beseitigung der Arbeitslosigkeit bedeuten. Es sieht weiter Meliorationen vor, durch die der Landwirtschaft ermöglicht würde, nach vorsichtigen Schätzungen etwa tausend Stück Großvieh mehr zu halten als bisher. Wird es möglich sein, dieses Programm durchzuführen? Nur dann, meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie sich die Mühe machen — soweit es notwendig ist —, die einzelnen Armenhäuser im Zonengrenzgebiet gründlich kennenzulernen, und zwar mit allem Eifer, der Ihnen zur Verfügung steht, mit aller Leidenschaft, deren Sie fähig sind. Dann werden Sie in dem, was wir verlangen, ein Mindestprogramm sehen, das unbedingt durchgeführt werden muß.

(Beifall bei der SPD.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203111300
Das Wort hat der Abgeordnete Jacobs.

Peter Jacobs (SPD):
Rede ID: ID0203111400
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bitte, Ihnen versichern zu dürfen, daß Sie bezüglich der Dauer meiner Anwesenheit hier oben nichts zu befürchten haben, da ich nur eine Bemerkung zur Sache zu machen habe, und auch die nur infolge eines Hinweises in der Begründung des Antrags Drucksache 529 betreffend Beihilfe für Grenzbauern durch den verehrten Kollegen Wacher. Er hat unter anderem erklärt, daß die Beihilfe, die durch diesen Antrag für beschlagnahmte Grenzgrundstücke, allerdings auch für Grundstücke im Ausland, erbeten wird, selbstverständlich nun unter das Kriegsfolgenschlußgesetz fallen könnte. Gegen diese mir gefährlich erscheinende Präjudizierung wehre ich mich. Mein Schweigen hätte unter Umständen Zustimmung bedeutet. Ich bin der Auffassung, daß durch rechtswirksam gewordene Wegnahme deutschen Eigentums im Ausland sich gewisse Konsequenzen aus dem Londoner Schuldenabkommen für die Bunresrepublik ergeben, die, soweit ich es als Nichtjurist aus dem Abkommen herauslesen kann, die Verpflichtung übernommen hat, die durch die Beschlagnahme deutschen Eigentums im Ausland geschädigten Deutschen im Inland ihrerseits zu entschädigen.
Ich habe hier die Abschrift eines Antrags einer Gemeinde aus meinem Landkreis an den Petitionsausschuß. Es handelt sich um die Beschlagnahme von 10 ha Weinberg durch die luxemburgische Sequesterverwaltung. Ich bin der Auffassung, daß die Entschädigung für die davon Betroffenen auf deutscher Seite nicht unter das Kriegsfolgenschlußgesetz fallen kann, sondern nach dem Londoner Schuldenabkommen vorab und in voller Höhe zu erfolgen hat.

Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203111500
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Starke.

Dr. Heinz Starke (CSU):
Rede ID: ID0203111600
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem uns mitgeteilt worden ist, daß die 120 Millionen DM zur Verfügung stehen, glaube ich im Gegensatz zu Herrn Kollegen Gülich, daß damit der Bundesfinanzminister seine Erklärung von neulich eingelöst hat. Denn er hat uns zugesagt, daß er das Junktim löst, wenn der Haushalt ausgeglichen ist. Wir haben das erwartet und sind deshalb auf die 120 Millionen DM losgegangen und sehen uns nun in der angenehmen Situation, damit etwas erreicht zu haben. Denn mit diesen 120 Millionen DM erscheint zum erstenmal eine Position im Bundeshaushalt für die Gebiete, über die wir heute so lange gesprochen haben. Vielleicht ist über diesem langen Sprechen verloren gegangen, wie viele sich bemüht haben, das zu erreichen, und wie viele Vorbereitungen sehr ernster Art dazu notwendig waren. Ich glaube, daß wir auf diesem Weg werden weitergehen können und daß wir dann — wenn auch nicht sofort und nur wenn uns die Gesamtwirtschaftslage dazu verhilft, die ja ein sehr wesentlicher Träger auch der Konjunktur in den Grenzgebieten ist — im Laufe der Jahre tatsächlich zu Besserungen in den Gebieten kommen, die schwächer sind.
Meine Freunde und ich hatten es begrüßt, daß wir heute einmal über diese Fragen an Hand der Anfrage, die die FDP seinerzeit gestellt hatte, um noch vor den Haushaltsberatungen das Problem hier zu erörtern, sprechen konnten. Diese Debatte hat heute in aller Breite stattgefunden. Ich glaube, daß die Anträge der Opposition, die neben den 120 Millionen DM hohe Beträge forderten, der Sache nicht dienen. Denn mit 600 Millionen DM sind das doch keine sachlichen Anträge mehr.

(Abg. Behrisch: Das müssen Sie mal in Hof erzählen!)

— Das werde ich in Hof erzählen, Herr Behrisch.

(Abg. Behrisch: Das ist doch kalter Kaffee!)

— Das ist kein kalter Kaffee, sondern es sind
120 Millionen DM, die uns zur Verfügung stehen.

(Abg. Behrisch: Die vorher geklaut sind!)



(Dr. Starke)

Wo kämen wir hin, wenn wir alle so gehandelt und Milliardenbeträge beantragt hätten! Denn vergessen Sie nicht, die 120 Millionen DM sind in Konkurrenz zu den 2,3 Milliarden DM, die in den SPD-Anträgen zum Haushalt gefordert wurden, in den Bundeshaushalt eingestellt worden.

(Sehr richtig! bei der FDP.)

Der Vorwurf, die Koalitionsparteien und meine politischen Freunde hätten das Problem nicht ernst genommen, trifft nicht zu. Das ergibt sich schon aus der Anfrage, die wir gestellt haben, und aus der Tatsache, daß es sich für uns um das handelt, was ich aus persönlicher Erfahrung kenne und was man früher das Ostproblem nannte, und zwar in seiner ganzen Schärfe heute viel weiter westlich.
Noch eins ist mir heute aufgefallen, und dazu möchte ich ein Wort sagen. Hier ist zum Ausdruck gebracht worden, das deutsche Wirtschaftswunder habe so sehr in die Augen gestochen, und dabei habe man übersehen, daß eine ganze Anzahl von Gebieten dabei besonders schlecht führen. Nun habe ich aus eigener Erfahrung in Erinnerung, daß immer gesagt worden ist: Die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung ist schuld, daß die Zonengrenzgebiete nicht auf einen grünen Zweig kommen. Nun, unterdessen hört man es ja anders, die Meinungen über diese Wirtschaftspolitik sind heute nicht mehr so geteilt wie bisher. Dann wird aber wieder gesagt, daß man mit dieser Wirtschaftspolitik den Grenzgebieten anscheinend doch nicht helfen könne. Für mich steht dagegen fest, daß es ohne diese Wirtschaftspolitik, ohne das, was man so das Wirtschaftswunder nennt, zu den Hilfen, die jetzt einsetzen, gar nicht hätte kommen können.

(Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe von der SPD.)

Für meine politischen Freunde und mich kann ich wohl sagen: Wir werden an dieser Wirtschaftspolitik selbstverständlich festhalten, weil sie Erfolg hatte, und wir werden den Zonengrenzgebieten helfen, gerade weil wir aus diesem Aufschwung die Mittel dafür gewinnen.

(Abg. Wehner: Eine nationalpolitische Aufgabe und keine Agitationsangelegenheit! — Lebhafte Gegenrufe von der FDP.)

— Ich glaube nicht, daß ich agitatorisch gesprochen habe. Ich habe Ihre Agitation nur zurückgewiesen. Über die Einzelheiten, die ich angedeutet habe, wird in den Ausschüssen gesprochen werden.
Mir liegt noch an einem, was zum Ausdruck gebracht worden ist. Ein neues Memorandum kann der Sache dienen, damit wir neue Aufschlüsse erhalten. Eines aber ist ein Fortschritt, den wir erzielt haben: daß sich im Laufe von zwei Jahren insbesondere die Frage der Zonengrenzgebiete auch in der Verwaltung einen Raum erobert hat. Man sollte dabei größten Wert darauf legen, daß sich aus neuen Dingen keine Verwaltungsschwierigkeiten ergeben, die der Sache schaden könnten.
Was die Länder betrifft, so möchte ich sagen, daß natürlich manche Maßnahmen der Länder — wie auch des Bundes, wie wir es ja fordern — noch mehr auf diese Zonengrenzgebiete abgestellt werden könnten.
Vorhin ist zum Ausdruck gebracht worden, das Problem sei nicht parteigebunden. Das ist mir immer klar gewesen; denn ich habe dort, wo ein Minister im Bunde dieser Partei angehörte, und
dort, wo ein Minister in einem Lande jener Partei angehörte, am Anfang immer dieselben Schwierigkeiten gehabt, mich mit diesen neuen Anliegen des Zonengrenzgebietes durchzusetzen.
Ich glaube also — wenn ich das zum Schluß sagen darf —, daß mit der Verankerung der 120 Millionen DM für das Zonengrenzgebiet im Bundeshaushalt am heutigen Tage ein echter Fortschritt in unserem gemeinsamen Anliegen erzielt ist. Wir können hoffen, .mit diesen Mitteln in den weiteren Jahren wirklich Nützliches für diese Gebiete, die uns allen am Herzen liegen, zu erreichen.

(Beifall in der Mitte und rechts.)


Dr. Richard Jaeger (CSU):
Rede ID: ID0203111700
Meine Damen und Herren, die Rednerliste ist erschöpft.

(Beifall und Zurufe; Gott sei Dank! — Abg. Huth: W i r sind erschöpft!)

Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. — Ich schließe die Aussprache.
Wir kommen zu den Abstimmungen. Zu Punkt 4 b liegt vor der Antrag der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete, Drucksache 316. Es wird beantragt, ihn dem Haushaltsausschuß — federführend — sowie dem Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — mitberatend — zu überweisen. —Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Es liegt vor der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes, Drucksache 510, Antrag der SPD. Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen — federführend — sowie an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Dann Antrag der Fraktion der SPD betreffend Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet, Drucksache 432. Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — federführend — sowie an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik zur Mitberatung. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Dann Antrag der Fraktion der SPD betreffend Straßenbau im Zonenrandgebiet, Drucksache 433. Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — federführend — sowie — mitberatend — an den Ausschuß für Verkehr.

(Abg. Dr. Bleiß: Herr Präsident, Wirtschaft federführend!)

— Hier ist vorgeschlagen, Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen. Von Wirtschaft steht hier gar nichts nach dem Beschluß des Ältestenrates. Besteht damit Einverständnis?

(Zustimmung.)

— Ja, es besteht damit Einverständnis; dann ist so beschlossen.
Antrag der Fraktion der SPD betreffend Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet, Drucksache 434. Es ist vorgeschlagen Überweisung — federführend — an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen und — mitberatend — an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.


(Vizepräsident Dr. Jaeger)

Antrag der Fraktion der SPD betreffend Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet, Drucksache 435. Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen — federführend — sowie — mitberatend
— an den Ausschuß für Arbeit.

(Abg. Dr. Bleiß: Herr Präsident, Wirtschaft federführend!)

— Auch hier ist nach dem Beschluß des Ältestenrats von Wirtschaft nichts vorgesehen. Sollen wir den Ausschuß für Wirtschaft mitberatend hinzunehmen? Ist auf dieser Basis eine Einigung möglich?

(Zustimmung.)

— Jawohl, dann ist so beschlossen.
Antrag der Abgeordneten Wacher (Hof), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar und Genossen betreffend Beihilfe für Grenzbauern, Drucksache 529. Es ist vorgeschlagen Überweisung an den Haushaltsausschuß — federführend — sowie zur Mitberatung an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, den Ausschuß für Grenzlandfragen und den Ausschuß für Gesamtdeutsche und Berliner Fragen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung abgeschlossen.
Meine Damen und Herren, ich schlage Ihnen vor, den Punkt 5, Entwurf eines Gesetzes über die Gewährung von Straffreiheit, als Punkt 2 auf die Tagesordnung der Sitzung am Freitag unmittelbar nach der Fragestunde zu setzen. — Es erfolgt kein Widerspruch; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 6 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache 540).
Die Begründung liegt gedruckt vor. Das Wort wird nicht gewünscht. Ich schlage vor Überweisung an den Haushaltsausschuß. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, im Hinblick auf die fortgeschrittene Zeit — es war ja beabsichtigt, heute schon um 18 Uhr zu schließen — mache ich Ihnen den Vorschlag, die Punkte 7 und 8 auf die Tagesordnung der Sitzung vom Freitag zu setzen. — Widerspruch erfolgt nicht; es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren, ich berufe die nächste, die 32. Sitzung des Deutschen Bundestages auf Freitag, den 28. Mai 1954, 9 Uhr, und schließe die 31. Sitzung des Deutschen Bundestages.