Rede von
Fritz Wilhelm
Hörauf
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, ich will mich bemühen, die 10 Minuten nicht zu überschreiten.
Die von der Fraktion der SPD beantragte Kredithilfe für die mittleren Schichten der Wirtschaft im Zonenrandgebiet soll, wenn auch in bescheidenem Maße, so doch eine tatsächliche Hilfeleistung für die notleidenden kleinen und mittleren Handwerks-, Industrie- und Handelsbetriebe sein. Die von unserer Fraktion geforderte Aktion bedeutet die Anerkennung der gewerblichen Mittelschichten als eines tragfähigen und nicht hinwegzudenkenden Bestandteils unserer Volkswirtschaft. Es handelt sich hier durchweg um Hilfe für solide Klein- und Mittelunternehmungen in den Zonenrandgebieten.
Mein Fraktionskollege Dr. Bleiß hat Ihnen im wesentlichen die wirtschaftliche Situation in den Zonenrandgebieten dargelegt. Es ist hinzuzufügen, daß die Betriebe in den Zonenrandgebieten und im Grenzland nicht in der Lage waren, ihre Fabrikation auf einen solchen Stand zu bringen, daß sie mit der fortschreitenden Technisierung der Wirtschaft der westlichen Industrieländer Schritt halten konnten, und daß sie dadurch wirtschaftlich im Nachteil sind. Nunmehr soll ihnen auf dem Kreditwege die Möglichkeit der Anpassung und Umstellung ihrer Betriebe gegeben werden. Betriebe, die schon seit Generationen im Familienbesitz sind, sowie Betriebe, deren Inhaber durch die Kriegsereignisse aus ihrer Heimat vertrieben worden sind und sich durch ihrer Hände Fleiß redlich und rechtschaffen wieder eine Existenz aufgebaut haben, sollen über die existenzgefährdende Krise der Gegenwart hinwegkommen, sie sollen wieder leistungsfähig und wettbewerbsstark in die Wirtschaft eingegliedert werden, zur Gesundung ihrer eigenen Existenz und zum Wohle unseres volkswirtschaftlichen Gesamtgefüges.
Leber die Kreditbedingungen und -voraussetzungen wird man sich in den Ausschüssen unterhalten müssen. Zur Kreditgewährung selbst ist zu sagen: Die Kredite sollen mit 4 °/o verzinst und nach einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren in zehn gleichen Jahresraten zurückgezahlt werden. Das Wesentliche ist, daß die Kredite billig sind und eine sehr lange Laufzeit haben; denn nur so ist eine wirkliche Hilfe gewährleistet. Der Kredit soll gegeben werden
a) zur Investition, d. h. zur betrieblichen Verbesserung, zur Beschaffung oder zum Ausbau von Arbeitsräumen, Anschaffung von Maschinen, Werkzeugen usw.,
b) als Betriebsmittelkredit zum Einkauf von Rohstoffen und Material und zur Finanzierung der Aufträge und
c) schließlich als Umschuldungskredit, wenn in Sonderfällen die Handwerks-, mittleren Industrieoder Handelsbetriebe zunächst gezwungen waren, hochverzinsliche Kredite aufzunehmen, und die Wirtschaftlichkeit nur durch Umschuldung auf zinslich günstigeren Kredit erreicht werden kann.
Der einzelne Kreditbetrag soll sich in der Höhe bis zu 50 000 DM bewegen — Ausnahmen sind natürlich zulässig —; dies entspricht auch dem Ziel, möglichst vielen kleinen und Mittelbetrieben zu helfen.
Die Kredite sollen einmal an bedürftige und vertrauenswürdige Betriebe gegeben werden, die bereits Leistungen aufzuweisen haben, zum anderen aber auch an neu zu gründende Existenzen, damit sie sich mit Hilfe des Kredits zu leistungsstarken Gliedern ihres Berufszweiges entwickeln können.
Für die gewährten Kredite soll grundsätzlich Absicherung verlangt werden. Dort, wo dies nicht möglich ist, soll Staatsbürgschaft beantragt werden können. Ich denke dabei an eine eventuell zu schaffende Bundesgarantiekasse oder etwas ähnliches. Die Kredite dürfen nicht an überspannten Sicherungsklauseln scheitern. Die Mittel für den Kredit sollen in voller Höhe vom Bund zur Verfügung gestellt und 100 %ig an die Kreditnehmer ausbezahlt werden. Der Weg zur Kreditgewährung soll möglichst kurz sein und nicht durch bürokratische Hindernisse gehemmt werden..
Durch die Aufteilung des Gesamtkredits von 50 Millionen DM auf eine breite Schicht wird zweifellos der beste Erfolg erzielt und das Risiko verringert. Ich kann mir vorstellen, daß kleinen Handwerksbetrieben in vielen Fällen mit einem Kredit von 3 bis 5000 DM und mittleren Betrieben mit einem größeren Maschinenbedarf mit 15 bis 20 000 DM fühlbar geholfen werden kann.
Wie ich bereits eingangs erwähnte, hat sich die wirtschaftliche Lage des Handwerks in den Zonenrandgebieten und im Grenzland in den letzten Jahren laufend verschlechtert. Wesentlich ist, daß durch die Kriegs- und Nachkriegsereignisse das Handwerk vielfach stark überaltert ist. Die alten Handwerker haben meistens die Grundlage ihrer Altersversorgung in Form von Lebensversicherung, Sparkonten usw. verloren. Bei der altersbedingten geringeren Arbeitsleistung und der 1948 bis 1953 gegebenen übersetzten Steuerbelastung konnte der einzelne alte Handwerksmeister auch keine neuen Ersparnisse ansammeln. Wir treffen heute vielfach Handwerksmeister mit 70 bis 75 Jahren noch arbeitend in ihrer Werkstätte an. Dadurch wird den jungen tüchtigen Meistern der Aufbau oder die Übernahme eines alten Handwerksbetriebes erschwert. Mit einem Darlehen an den jungen Meister zum Zwecke der Übernahme eines alten Handwerksbetriebes könnte beiden Teilen wirksam geholfen werden.
Meine Damen und Herren! Besondere Verhältnisse erfordern zu allen Zeiten besondere Maßnahmen. Wenn es einerseits erforderlich war, mit der Investitionshilfe, zu welcher auch die größeren Betriebe des Handwerks beitragen mußten, der Grundstoffindustrie die erforderlichen großen Investierungen zu ermöglichen, so ist es wirklich nicht unberechtigt, für eine breite Schicht des not-leidenden Grenzgebietes eine Darlehensaktion der angestrebten Art zuzubilligen. Denn gute handwerkliche und gut funktionierende kleine und mittlere Industriebetriebe waren noch immer ein festes Rückgrat der deutschen Wirtschaft und des Staates. Deshalb ist es nach meiner Überzeugung volkswirtschaftliches Gebot, das weitere Absinken des Handwerks und der mittleren Betriebe im Grenzgebiet zu vermeiden und den Aufbau durch staatliche Kreditmittel zu stärken.
Aus diesem Grunde bitte ich Sie, den Antrag der SPD an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik — federführend — und an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen zur Mitberatung zu überweisen.