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ID0203108100

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 31. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954 1437 31. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1438 C, 1480 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr Becker (Hersfeld) 1438 D Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1438 D Mitteilung über Stellungnahme des Bundesrats zum Haushaltsgesetz 1954 (Drucksache 539) 1439 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Drucksache 223); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 419) . . 1439 A Frau Dr. Bleyler (Freiburg) (CDU/ CSU), Berichterstatterin 1439 A Könen (Düsseldorf) (SPD) 1440 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1440 D Sabel (CDU/CSU) 1441 B Frau Schanzenbach (SPD) 1442 B Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 1443 C Frau Dr. Brökelschen (CDU/CSU) . 1443 D Abstimmungen 1440 B, 1444 C Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der älteren Angestellten (Drucksache 346) . . 1444 C Frau Finselberger (GB/BHE), Antragstellerin 1444 C, 1456 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1446 D, 1453 B, 1456 B Hansen (Köln) (SPD) . . . . 1447 C, 1457 B Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) . 1450 C Becker (Hamburg) (DP) 1453 C Frau Wolff (Berlin) (SPD) 1455 A Sabel (CDU/CSU) 1457 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 1458 C Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksache 71); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 218, Anträge Umdrucke 71, 112) 1458D, 1509A, B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts . 1458 D, 1461 B, C, 1464 D Dr. Arndt (SPD) . . . 1459 D, 1461 C, 1463 B Dr. Lütkens (SPD) 1462 A Wehr (SPD) 1463 C Abstimmungen 1465 D Tatsächliche und persönliche Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung (betr. Berichterstattung in der 28. Sitzung zum Antrag auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Löhr): Ritzel (SPD) 1466 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderungsprogramm für die Zonenrandgebiete (Drucksache 293) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316, Umdruck 113), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 432), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Straßenbau im Zonenrandgebiet (Drucksache 433), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 434), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet (Drucksache 435) sowie mit der Beratung des Antrags der Abg. Wacher (Hof), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar u. Gen. betr. Beihilfe für Grenzbauern (Drucksache 529) 1467 B, 1509 D Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender 1467 C Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . 1470 D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft . . 1474 A 1497 C Frau Dr. BrökeLschen (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1477 B zur Sache 1489A, 1505 C Dr. Gülich (SPD): zur Geschäftsordnung 1478 A zur Sache 1503B, 1505 C Kurlbaum (SPD), Antragsteller . . 1478 A Hörauf (SPD), Antragsteller . . . . 1480 B Freidhof (SPD), Antragsteller . . . 1481 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Antragsteller 1482 D Behrisch (SPD), Antragsteller . . 1484 A Wacher (Hof) (CDU/CSU), Antrag- steller 1486 A Frau Korspeter (SPD) 1487 B Dr. Henn (FDP) 1493 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 1495 B Unertl (CDU/CSU) 1497 D Höhne (SPD) 1499 A Seiboth (GB/BHE) 1500 D Kahn (CDU/CSU) 1506 B Priebe (SPD) 1507 A Jacobs (SPD) 1507 C Dr. Starke (FDP) 1507 C Ausschußüberweisungen 1508 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache 540) 1509 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 1509 C Nächste Sitzung 1509 C Anlage 1: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 71) 1509 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 112) 1509 C Anlage 3: Antrag der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Umdruck 113) 1509 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage 1 Umdruck 71 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, nach der Wiederinkraftsetzung des Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen bemüht zu sein, baldigst diesen Vertrag gemäß Art. V des Abkommens durch einen zeitgemäßen und umfassenden Vertrag zu ersetzen und dafür Sorge zu tragen, daß Art. II in Verbindung mit Art. IX des Vertrages eine Auslegung findet, a) die die Diskriminierung der auf deutschen Schiffen tätigen deutschen Seeleute auf Grund der Handhabung des „Immigration and Nationality Act" beseitigt, b) die die Regelung der Einfuhr von Filmen der US-Produktion in die Bundesrepublik in eine angemessene Relation zur Produktion der Bundesrepublik bringt, c) daß bei der Regelung der Grundrechte nach Art. II und VIII die deutschen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik bei US-Dienststellen beschäftigt sind, ungeschmälert die Rechte aus den Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechtes in Anspruch nehmen können. Bonn, den 27. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 2 Umdruck 112 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die vom Bundeskanzler am 3. Juni 1953 mündlich abgegebene Erklärung ist nicht Bestandteil des Abkommens vom 3. Juni 1953 und des durch dieses Abkommen bestätigten Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 und kann daher Rechte aus dem Vertrage vom 8. Dezember 1923 nicht mindern. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 113 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316). Der Bundestag wolle beschließen, für kulturelle Hilfsmaßnahmen im Zonengrenzgebiet im Verlauf der nächsten fünf Jahre Bundeszuschüsse in Höhe von jährlich 25 Millionen DM zu gewähren. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Marie-Elisabeth Lüders


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)


    Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schmidt (Gellersen) zur Begründung des Antrags auf Drucksache 434 — Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet.
    Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Der Antrag auf Drucksache 434 wäre nicht notwendig gewesen, wenn der Herr Bundesfinanzminister seine Maßnahmen vom Jahre 1952 auch im Jahre 1953 und in diesem Jahre fortgesetzt hätte. Aber sein Veto gegen die Bemühungen des Ernährungsministeriums war wieder einmal stärker, und alle Erkenntnisse über sachliche Notwendigkeiten haben auch diesmal nichts genützt. Wie ich vernommen habe, ist man sogar im Bundeskanzleramt sehr erstaunt darüber gewesen, daß diese finanziellen Aufwendungen für die landwirtschaftlichen Betriebe, die unmittelbar durch die Zonensperrmaßnahmen betroffen worden sind, nicht fortgesetzt worden sind. Ich bedaure, sagen zu müssen, daß im Förderungsprogramm vom 3. Juli 1953 die Landwirtschaft keine Erwähnung gefunden hat. Es ist nur vergessen. Wir wollen das aber schleunigst nachholen, und daher unser Antrag.
    Sie gestatten, meine Damen und Herren, daß ich noch einmal die Tatbestände aufzeige, die damals im Zonengrenzgebiet gegeben waren. Durch die


    (Dr. Schmidt [Gellersen])

    Sperrmaßnahmen sind zirka 2200 landwirtschaftliche Betriebe, meistens kleinbäuerliche Betriebe, betroffen worden. Sie haben zum mehr oder weniger großen Teil ihre Betriebsgrundflächen verloren und haben für das verlorengegangene Land keinerlei Entschädigung erhalten. In der Ostzone ist es nicht üblich, daß die Bauern, die nunmehr derartige Flächen bewirtschaften, dafür einen gewissen Betrag auf ein Sperrkonto zahlen. Die Bauern diesseits der Zonengrenze sind an dem Ertrage der dortigen Bewirtschaftung nicht beteiligt. Diesseits der Grenze begann damals wenige Stunden und Tage nach den Sperrmaßnahmen ein Rennen auf das frei gewordene Land, auf das Land, das Ostzonenbauern gehört hatte. Infolge des vermehrten Landhungers sind bei Verpachtungen Preise genommen worden, die in keinem Verhältnis zu dem Ertrage stehen. Auf der andern Seite gibt es natürlich auch viele Stellen im Zonengrenzgebiet, wo ein Landerwerb durch Pacht in keinem Falle möglich war. Eine Lenkung der Verpachtungen durch die Behörden war nicht möglich. Es wäre vielleicht möglich und zweckmäßig gewesen, wenn man das Land, das hier zur Verfügung stand, denen gegeben hätte, die eben drüben Land verloren haben. Das Gesamtergebnis ist also: auf der einen Seite ganz abnorme Pachtpreise, die in keinem Verhältnis zum Ertrage stehen; auf der andern Seite ist das Gleichgewicht vieler Betriebe gestört. Es gibt viele Betriebe, die mehr als drei Viertel ihres Grund und Bodens verloren haben.
    Damals — im Jahre 1952 — mußte sich der Finanzminister dazu bequemen, eine Ernteausfallentschädigung bis zu 50 % zu gewähren. Das ist nicht leicht gewesen. Frau Kollegin Dr. Brökelschen, Sie wissen ganz genau: wir haben uns damals in vielen Stunden von Verhandlungen bemüht, die Auszahlung einer derartigen Entschädigung durch den Finanzminister zu erreichen. Die Folge der Tatsache, daß im Jahre 1953 keine solche Vergütung gezahlt worden ist, ist die, daß diese Betriebe ihr Vieh haben abstoßen müssen, daß sie damit in ihrer Existenz weitgehend bedroht sind.
    Von den indirekten Schäden will ich gar nicht weiter sprechen. Es gibt eine ganze Reihe von Betrieben, denen es unmöglich gemacht ist, ihre Forstnutzung für Brennholz in der Ostzone weiter zu erhalten. Von den wirtschaftlichen Erschwernissen allgemeiner Art will ich auch nicht reden. Ich will auch nicht davon reden, daß es vielen Betrieben unmöglich gemacht ist, ihre Produkte oder Betriebsmittel leichter und bequemer abzusetzen bzw. zu beziehen als heute. Auch von den persönlichen Verhältnissen und Erschwernissen will ich nicht ausführlich sprechen. Denken Sie doch einmal daran, was Bauern machen sollen, die 60 oder 65 Jahre alt sind, die Hälfte ihres Landes verloren haben und keine Möglichkeit haben, einen Nebenerwerb zu finden! Was sollen Bauern machen, die, sagen wir, noch Altenteiler zu versorgen haben usw. mehr? Daran sollte unser Herr Finanzminister einmal denken. Ich würde es begrüßen, wenn Sie alle einmal Gelegenheit nähmen, solche Betriebe zu besichtigen, damit Sie auch die menschliche Seite di eses Problems kennenlernen.
    Draußen, in den Dörfern, hat man für das Verhalten unseres Finanzministers kein Verständnis. Man ist schwer enttäuscht. Darum sollten wir als Bundestag die Courage aufbringen, die entsprechenden Maßnahmen zu treffen. Wir haben daher unseren Antrag gestellt, der vorsieht, daß Pachtaufwendungen für verlorengegangene Eigenflächen
    zu vergüten sind, und andererseits sollen Wirtschaftsbeihilfen für die Betriebe, die keine Pachtflächen auf dem Pachtmarkt erhalten konnten, gewährt werden. Wir wissen selbst, daß wir damit keine Generalentschädigung für die Bauern herbeiführen, wir wollen nur die Not lindern. Es ist selbstverständlich, daß diese Beihilfen und Vergütungen rückwirkend auch für das Jahr 1953 gewährt werden müssen.
    Ich gebe zu, daß es eine bessere Lösung gibt, die darin besteht, daß man versucht, die Bewirtschaftung dieser Flächen im kleinen Grenzverkehr wieder zu ermöglichen. Ich weiß, daß das Ernährungsministerium diesbezügliche Vorschläge an das Auswärtige Amt gemacht hat. Ich weiß aber nicht, was daraus geworden ist, ob überhaupt Schritte seitens der Bundesregierung unternommen worden sind, diese Bewirtschaftung wieder zu ermöglichen. Ich meine, unabhängig davon, ob etwas geschehen ist, sollte der Bundestag, sollten wir alle immer darauf bedacht sein, daß solche Versuche ständig unternommen werden.
    Wenn man das nicht kann, wenn man andererseits aber auch kein Geld im Sinne des Antrags bewilligen will, dann gibt es noch eine dritte Möglichkeit, die allerdings eine Zwangsmaßnahme ist. Man müßte dann eine Landbewirtschaftungsordnung speziell für diese Zonenrandgebiete einführen, mit der man erreichen kann, daß Land beschafft wird und daß andererseits die bestehenden Pachtverträge überprüft und rückgängig gemacht werden können, daß das Land also zwangsweise in die rechten Hände kommt. Da das aber schwierig und wahrscheinlich nicht durchsetzbar ist, bleibt uns kein anderer Weg, als finanzielle Unterstützung zu gewähren. — Deshalb haben wir unseren Antrag gestellt.
    Der Herr Kollege Wacher hat in Drucksache 529 einen ähnlichen Antrag gestellt. Er ist uns gestern zugegangen, sechs Wochen nachdem wir unseren Antrag eingebracht hatten. Ich bedaure außerordentlich, daß der Herr Kollege Horlacher nicht wieder der Spitzenreiter ist, aber es hat anscheinend auch Herrn Wacher nicht ruhen lassen, hier in Konkurrenz zu treten. Er tritt nicht nur mit uns in Konkurrenz, sondern er tritt auch mit seinem eigenen Fraktionskollegen, dem Herrn Dr. Dr. Müller, in Konkurrenz, der ja für die Gebiete an der Westgrenze ähnliche Regelungen gefordert hat.
    Ich darf Sie bitten, damit einverstanden zu sein, daß der Antrag federführend an den Ausschuß für Ernährung und Landwirtschaft und zur Mitbeteiligung an den Ausschuß für gesamtdeutsche Fragen überwiesen wird.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch eines sagen: Es wird gerade bei dem starren Verhalten des Herrn Finanzministers notwendig sein, daß wir hier zusammenstehen. Ich möchte schon heute an die Kollegen in der Regierungskoalition, insbesondere auch an Herr Wacher und an seine Mitunterschreiber, den Appell richten, daß sie zu ihrem Wort stehen und nicht, wenn es darauf ankommt, wieder in die Knie gehen, wie es so oft der Fall gewesen ist.

    (Beifall bei der SPD. — Gegenrufe von der Mitte und rechts.)



Rede von Dr. Marie-Elisabeth Lüders
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

Das Wort hat der Abgeordnete Behrisch zur Begründung der Drucksache 435 betreffend Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet.


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Arno Behrisch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich muß mit einem Bekenntnis beginnen. Ich hatte geglaubt, daß das Erscheinen des Herrn Bundesfinanzministers die Chancen der Streiter für das Zonengrenzland über alle Maßen erhöhen würde, ist er doch selbst ein Mann aus dem Grenzgebiet am Eisernen Vorhang. Ich hatte geglaubt, es habe ihn die Liebe zu seinem Bayerischen Wald hierhergeführt. Leider ist er nun verschwunden.

    (Abg. Kahn: Er ist im Ausschuß! — Er kommt wieder!)

    — Dann sei ihm verziehen. Wir haben aber nahezu die Situation wie am 2. Juli. Am 2. Juli war — ich erinnere daran — die Ministerbank leer, als wir hier einstimmige Beschlüsse faßten, und das Haus war sehr schütter besetzt. Nun, nach dem 2. Juli kam die Wahlzeit, und da änderte sich die Stimmung radikal. Wir hatten die umgekehrte Stimmung als in einem Vaterschaftsprozeß: alle wollten es gewesen sein. Alle knüpften an die Beschlüsse des 2. Juli an und alle gelobten: Aus dem Kind machen wir was.

    (Zurufe von der Mitte.)

    Die Beschlüsse des 2. Juli, so hieß es, sind nur ein Anfang. Herr Schäffer traf am 9. Juli in München mit Herrn Wirtschaftsminister Seidel und Herrn Staatssekretär Ringelmann zusammen, und bereits am 12. Juli war der Bundeskanzler in Regensburg.
    Da bin ich nun bei meinem Gebiet, bei meinem Antrag. In Regensburg ist dem Herrn Bundeskanzler in überzeugender Weise dargelegt worden, wie die Situation am Eisernen Vorhang ist. Der Herr Bundeskanzler hat erklärt, der Bund müsse
    alles tun, um eine große politische Gefahr zu bannen; die Sorge um die Stabilisierung der wirtschaftlichen Verhältnisse am Eisernen Vorhang beschäftige ihn schon lange. Die Bundesrepublik sei verpflichtet, Hilfe zu bringen. Er sagte, als man ihn auf die große politische Gefahr der Dauerarbeitslosigkeit hinwies, wörtlich:
    Daß darin eine politische Gefahr steckt, das ist für jeden, der die Dinge etwas zu überschauen vermag, eine Selbstverständlichkeit. Daß der Bund auch aus politischen. Gründen alles tun muß, was in seinen Kräften steht, damit diese politische Gefahr gebannt wird, das ist, glaube ich, so klar, daß ich keine Beteuerungen abzugeben brauche.
    Dann hat uns der Herr Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 20. Oktober 1953 von dieser Stelle aus versichert, daß er den Gebieten am Eisernen Vorhang seine besondere Aufmerksamkeit zuwenden werde. Inzwischen scheint er zurückgefunden zu haben zu der Weisheit Talley-rands: „Der Weise handelt nie!"
    Die Bundesregierung hat die Beschlüsse vom 2. Juli, man kann sagen, schleifen lassen. Da darf ich auf einen Mann aufmerksam machen, auf den die Bundesregierung sicher großes Gewicht legt. Herr Dr. Wilhelm Röpke hat in einem sehr beachteten Artikel die Verhältnisse am Eisernen Vorhang im allgemeinen und in Oberfranken im besonderen sehr eingehend analysiert. Herr Dr. Röpke kommt zu der Überzeugung, daß am Eisernen Vorhang langsam, aber sicher eine soziale Erosion um sich greift. Er sagt, daß wegen der besonders ernst zu nehmenden Gefahr der Menschen- und Betriebsabwanderung die Lage am
    Eisernen Vorhang nicht harmlos genug sei, um den Kräften der Selbstheilung überlassen zu werden. Er fordert Schutz- und Ausgleichsmaßnahmen.
    Nun, meine Damen und Herren, wie sieht das praktisch aus? Schauen Sie, da ist z. B. ein Schreiben des bayerischen Arbeitsministeriums an das Bundesarbeitsministerium. In ihm wird auf die großen Schwierigkeiten der finanzschwachen Länder bei der Bereitstellung des für die Inanspruchnahme der dargebotenen Förderungsmittel des Bundes und der Bundesanstalt notwendigen Anteils hingewiesen. Es wird darauf aufmerksam gemacht, daß die Länder ja gar nicht imstande sind, den halben Anteil zu den Förderungsmaßnahmen aufzubringen. Zugleich wird aber gesagt, daß man ohne die Notstandsarbeiten in den Randgebieten nicht auskommen kann.

    (Vizepräsident Dr. Jaeger übernimmt wieder den Vorsitz.)

    Ich erwähne ferner ein Schreiben von Herrn Staatssekretär Krehle an das Bundesarbeitsministerium, worin auf eine günstigere Gestaltung der Darlehnsbedingungen der Anstalt gedrängt wird.
    Nun möchte ich noch auf etwas verweisen, was den zuständigen Herren in Bonn wahrscheinlich nicht bekannt ist. Es gibt eine Verfügung der nordbayerischen Arbeitsverwaltung vom Mai 1954, in der es heißt: „Kreditbegehrende Betriebe sind ab sofort unzweideutig darauf hinzuweisen, daß Anträge auf Arbeitsplatzdarlehen wohl nach wie vor gestellt werden können, d. h. daß eine Antragssperre bislang nicht ausgesprochen wurde, aber bei der Vielzahl der bereits vorliegenden Anträge mit Rücksicht auf die augenblicklich unzureichende Mittelzuteilung kaum Aussicht auf Erfolg haben. Die Laufzeit für einen Antrag auf Gewährung eines Arbeitsplatzdarlehens muß erfahrungsgemäß in Bayern mit ein bis eineinhalb Jahren angesetzt werden."
    Warum sage ich das? Ich erwähne es deshalb, weil wir mit dem Antrag, den ich zu begründen habe, zusätzliche Mittel verlangt haben, damit in den Zonenrandgebieten Arbeiten durchgeführt werden können, die allen dort lebenden Menschen Luft unter die Flügel geben.
    Die Struktur des Zonenrandgebietes ist hier jedes Jahr eingehend erörtert worden. Ich kann mir deshalb eine Wiederholung ersparen. Dem Herrn Staatssekretär möchte ich aber zur Frage der Verlagerung von Betrieben ein Wort mit auf den Weg geben.
    Der Herr Wirtschaftsminister Seidel in München, ein Mann, der wegen seines Sachverstandes und seiner Mäßigung bekannt und beliebt ist, hat ausdrücklich erklärt, daß ihm das Gefährlichste in den Gebieten am Eisernen Vorhang im Augenblick gar nicht die Arbeitslosigkeit dünke, sondern die Tendenz zu Betriebsabwanderungen. Nun hat man so getan, als wenn so etwas gar nicht bestünde. Nach Mitteilung des Arbeitsministeriums sind bisher aus Oberfranken fünfzig Betriebe verlagert worden. Das sind keine kleinen Betriebe. Ich darf Ihnen als Beispiele folgende nennen: SiemensSchuckert-Werke, Kleinbauwerk Hof, mit 500 Beschäftigten, Siemens-Schuckert-Werke, Instawerk Hof, mit 900 Beschäftigten, Neue Baumwollspinnerei und Weberei Hof, die einen Zweigbetrieb mit 300 Leuten errichtet hat. Dem Herrn Wirtschaftsminister Seidel ist die Errichtung von Zweigbetrieben deshalb so bedenklich vorgekommen, weil sie zur Aushöhlung der Stammbetriebe


    (Behrisch)

    führt. Ich nenne weiter die Errichtung eines Zweigwerks der Firma Laubmann & Co. in Hof mit 150 Beschäftigten, die Vogtländische Baumwollspinnerei mit einem verlagerten Zweigbetrieb mit 120 Leuten, die Deutawerke in Schwarzbach im Wald mit 800 Leuten, Renz & Sohn in Stammbach mit 100 Leuten, Siemens-Schuckert-Werke, Stromrichterwerk Hof, mit 200 Leuten und die Möbelfabrik H. Schneider in Hof mit 400 Leuten, die pleite ging. Das sind nur einige Beispiele. Sie können noch mehr haben. Mein verehrter Kollege Egon Franke aus dem Kreise Helmstedt hat mir z. B. eine Liste gegeben, die neun Betriebe umfaßt. Es wird dabei festgestellt, daß in drei Jahren mindestens 3000 Arbeitsplätze verlorengegangen sind.
    Womit haben wir uns also zu befassen? Mit drei Dingen: mit Arbeitslosigkeit, mit Dauerarbeitslosigkeit — sie ist in den Ländern am Eisernen Vorhang mit Abstand am höchsten — und mit Kurzarbeit. Ich gebe zu bedenken, daß die Landstriche, um die es sich hier handelt, meist Gebiete sind, in denen fünf Monate Winter herrscht, was für die Saisonarbeit etwas bedeutet!
    Wenn die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung feststellt, die strukturelle Arbeitslosigkeit habe im Bund 29 % betragen, dann wüßte ich von dieser Anstalt gern, wieviel von diesen strukturellen Arbeitslosen auf die vier Länder am Eisernen Vorhang entfallen. Ich glaube, wir haben die „Ehre", den Löwenanteil zu haben. Der Herr Wirtschaftsminister denkt sicher, das pendelt sich bei uns auch aus. Ja, es pendelt sich auch im gewissen Sinne aus, nämlich dadurch, daß die besten Menschen von der Zonengrenze fortgehen. Fragen Sie einen Oberbürgermeister aus einer solchen Stadt, und er wird Ihnen sagen, daß jeden Tag Menschen zu ihm kommen, die ihm erklären: Seit Jahren laufe ich arbeitslos herum, hier ist es hoffnungslos, und ich muß fort. — Dabei handelt es sich nicht nur um wertvolle Facharbeiter, sondern meist auch um Leute, die politisch standfest sind und die das Grenzgebiet vor der politischen Infiltration mit bewahren könnten. Denn diejenigen, die weggehen, sind nicht die menschlichen Schlacken; es sind jene, die wir wirtschaftlich und politisch brauchen.
    Ich möchte die Frau Präsidentin bitten — —

    (Zurufe: Den Herrn Präsidenten!)

    — Es ist ein Wechsel erfolgt; ich bitte um Verzeihung. — Ich möchte den Herrn Präsidenten bitten, mir noch eine kurze Frist zu gewähren, um meinen Antrag so begründen zu können, wie es der Situation bei uns entspricht.