Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich werde es mir versagen, auf die rhetorische Frage des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts einzugehen;
denn er muß doch genau so gut wissen wie ich, daß die Gründe für eine formelle Wiederinkraftsetzung des Vertrages von 1923 in besonderen Umständen liegen, die mit der Gültigkeit, der Weitergültigkeit oder der etwaigen Nichtgültigkeit des Vertrages während der Kriegszeit nicht das Geringste zu tun haben. Wünscht denn die Regierung hier vor diesem Hohen Hause eine Debatte über die Verfahrensweise der amerikanischen Regierung auf dem Gebiet der unrechtmäßigen, nach Völkerrecht, nach amerikanischer Verfassung, nach dem Vertrag von 1923 mit dem Deutschen Reich ungültigen Enteignung, ohne Prozeß, ohne ordnungsmäßiges Rechtsverfahren und ohne Entschädigung?
Ich habe in der vorigen Sitzung dieses Hohen Hauses über das Problem, das uns vorliegt, im Zusammenhang mit der mündlichen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 3. Juni 1953 ausführlich gesprochen. Ich glaube, ich kann darauf verzichten, die einzelnen Gesichtspunkte, die ich damals dargelegt habe, hier noch anzuführen. Es bestand im Ausschuß unter den Vertretern aller Parteien und auch von seiten der Regierung Einverständnis — es wurde heute durch die Erklärung des Herrn Staatssekretärs des Auswärtigen Amts, in der er von einer Anlage sprach, die diese Erklärung vom 3. Juni darstelle, erneut bestätigt —, daß diese Erklärung dem Hohen Hause nicht zur Ratifizierung vorliegt und deshalb außerhalb des gesetzgeberischen Prozesses bleibt, den wir heute in der dritten Lesung haben. Der Herr Bundeskanzler hat durch die Erklärung darauf verzichtet — wenn es auch wahr sein mag, daß etwaige Rechte deutscher Staatsangehöriger freibleiben —, daß die Bundesregierung Rechte aus einem noch in Rechtskraft befindlichen Vertrage, den sie vom Deutschen Reich in der Beziehung zu der Regierung der Vereinigten Staaten als rechtsgültig übernommen hat, in Zukunft würde geltend machen können. Das ist die materielle Wirkung der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, und das ist eine Erklärung, die in jedem Falle der Zustimmung der gesetzgeberischen Körperschaften bedürfen würde, die aber nicht erbeten ist. Ich habe
mich in der letzten Sitzung — und mein Freund Arndt hat das eben eingehend getan — auf den Prozeß Clark versus Allen bezogen. Ich kann dem Herrn Staatssekretär — jedenfalls soweit ich von der Sache etwas verstehe — in keiner Weise zustimmen. Das Urteil des Obersten Gerichts ist nach meiner Ansicht völlig klar; es stellt völlig klar fest, daß der Vertrag in Gültigkeit geblieben ist. Es ist nur vorgesehen, daß während der Zeit eines Kriegsnotstands eine Regierung Modifikationen in der praktischen Ausübung der Rechte vornehmen kann. Das Urteil bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den Trading-with-the-enemy-Act. Das ist aber der Act, der gerade nicht die Enteignung, sondern nur die Beschlagnahme des Eigentums vorsah bis zu der Zeit, wo der Kriegszustand, d. h. der Notstand, der der Regierung der Vereinigten Staaten erlaubte, gewisse Modifikationen vorzunehmen, beendet sei.
Ich habe gar keinen Zweifel, daß die dritte Gewalt in dem verfassungsmäßigen Aufbau der Vereinigten Staaten, das Oberste Gericht, mit diesem Urteil, das, wenn ich nicht irre, im Juli 1947 gefällt worden ist, erklärt hat, daß der Vertrag in dem Sinne und mit der Modifikation, die ich eben ausgesprochen habe, dauernd in Gültigkeit geblieben ist. Das ist die Position, die mit der alten Verfassung der Vereinigten Staaten, mit allen großen Rechtsautoritäten und Richtern und auch mit der Völkerrechtsentwicklung in Übereinstimmung ist. Diese Institution des Obersten Gerichts ist in dem Verfassungsaufbau der Vereinigten Staaten der Verteidiger der individuellen Rechte. In dieser Eigenschaft hat der Supreme Court dieses Urteil gefällt.
Meine Damen und Herren, ich darf mich auf eine Autorität der amerikanischen konstitutionellen Entwicklung, den Professor Dr. Burgess, beziehen und Ihnen vorlesen, was er über die Stellung des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten im Verfassungsaufbau jenes Landes sagt:
Auf der entscheidenden Stellung der richterlichen Gewalt mehr als auf irgendeinem anderen Umstand ruht der dauernde Bestand der republikanisch-demokratischen Verfassung. Deren gewählte Regierung ist notwendigerweise Mehrheitsregierung. Wenn der Bereich der persönlichen Freiheit nicht durch eine unabhängige unpolitische Instanz geschützt wird, entartet eine solche Regierung schließlich im Cäsarismus.
Das ist es, was in diesem Fall, wie ich Ihnen in der vorigen Sitzung auszuführen versucht habe, geschehen ist. Ein bolschewistischer Spionagering von drei Personen — so sagt es der Dirksen-Untersuchungsausschuß in seinem offiziellen Bericht — hat diesen War Claims Act in dieser Weise durchgesetzt und damit gegen die Verfassung der Vereinigten Staaten, gegen das Völkerrecht und gegen den noch in Kraft befindlichen Vertrag von 1923 verstoßen.
Meine Damen und Herren, nicht nur die richterliche, sondern auch die politische Säule in dem Staatsaufbau der Vereinigten Staaten hat sich klar entschieden. Mein Freund Arndt hat gerade darauf hingewiesen, daß dem Gericht ein Schreiben des damaligen kommissarischen Außenministers der Vereinigten Staaten, nämlich des Herrn Joseph C. Grew, vorlag, der in einem Brief vom 21. 3. 1945 — und auf ihn nimmt das Hohe Gericht Bezug —
der Ansicht des State Department, also der Ansicht der amerikanischen Regierung, Ausdruck gab, daß der Vertrag von 1923 weiter in Kraft sei. Um eine solche Erklärung der Exekutive der Vereinigten Staaten kann die Bundesregierung oder der Herr Staatssekretär des Auswärtigen Amts doch nicht einfach herumkommen.
Die Sache ist also nicht nur auf dem Felde der Jurisprudenz ausgetragen worden, sondern es liegt eine ausdrückliche Erklärung der Exekutive, der amerikanischen Regierung selbst, vor. Ich vermag in keiner Weise einzusehen, wie sich die Bundesregierung auf den Standpunkt sollte stellen können, daß derartige offizielle Erklärungen nicht bestünden.
Meine Damen und Herren, ich bitte Sie, der von meiner Fraktion vorgelegten Entschließung zuzustimmen. In ihrem ersten Teil sagt sie nichts anderes, als was allgemeine Erkenntnis in diesem Hohen Hause ist. In der vorigen Sitzung hat mir der Herr Berichterstatter ausdrücklich bestätigt, es bestehe Einverständnis darüber, daß diese Erklärung nicht zur Ratifikation vorliegt, deren sie doch bedürfte, wenn sie materiell wirksam sein sollte.
Ich bitte Sie, auch dem letzten Halbsatz dieser Entschließung Ihre Zustimmung zu geben, denn er zieht nur die selbstverständliche Konsequenz. Wir haben über die Frage des deutschen privaten Eigentums und seiner Enteignung schon mehr als einmal hier gesprochen. Sie, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, haben dabei — und ich glaube Ihnen das — immer darauf hingewiesen, wie sehr Ihnen das Schicksal dieses deutschen Eigentums am Herzen liege. Sie werden durch die Zustimmung zu unserer Entschließung zeigen können, wie sehr es uns allen ernst damit ist, daß das Recht heil bleibe, und das wider das Recht enteignete, private Eigentum gegenüber dem Ausland verteidigt und auf seine Rückgabe hingewirkt werde.
Bleiben Sie nicht bei Worten stehen, sondern stimmen Sie unserer Entschließung zu! Sie werden dann Schritte ermöglichen, die den Bemühungen großer Kreise in den Vereinigten Staaten und gerade auch des Senats, diesen Dingen ein Ende zu setzen, zu Hilfe kommen und den geschädigten Deutschen zu ihrem Recht verhelfen.