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ID0203106200

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    2. Deutscher Bundestag — 31. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954 1437 31. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1438 C, 1480 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr Becker (Hersfeld) 1438 D Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1438 D Mitteilung über Stellungnahme des Bundesrats zum Haushaltsgesetz 1954 (Drucksache 539) 1439 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Drucksache 223); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 419) . . 1439 A Frau Dr. Bleyler (Freiburg) (CDU/ CSU), Berichterstatterin 1439 A Könen (Düsseldorf) (SPD) 1440 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1440 D Sabel (CDU/CSU) 1441 B Frau Schanzenbach (SPD) 1442 B Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 1443 C Frau Dr. Brökelschen (CDU/CSU) . 1443 D Abstimmungen 1440 B, 1444 C Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der älteren Angestellten (Drucksache 346) . . 1444 C Frau Finselberger (GB/BHE), Antragstellerin 1444 C, 1456 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1446 D, 1453 B, 1456 B Hansen (Köln) (SPD) . . . . 1447 C, 1457 B Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) . 1450 C Becker (Hamburg) (DP) 1453 C Frau Wolff (Berlin) (SPD) 1455 A Sabel (CDU/CSU) 1457 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 1458 C Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksache 71); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 218, Anträge Umdrucke 71, 112) 1458D, 1509A, B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts . 1458 D, 1461 B, C, 1464 D Dr. Arndt (SPD) . . . 1459 D, 1461 C, 1463 B Dr. Lütkens (SPD) 1462 A Wehr (SPD) 1463 C Abstimmungen 1465 D Tatsächliche und persönliche Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung (betr. Berichterstattung in der 28. Sitzung zum Antrag auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Löhr): Ritzel (SPD) 1466 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderungsprogramm für die Zonenrandgebiete (Drucksache 293) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316, Umdruck 113), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 432), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Straßenbau im Zonenrandgebiet (Drucksache 433), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 434), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet (Drucksache 435) sowie mit der Beratung des Antrags der Abg. Wacher (Hof), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar u. Gen. betr. Beihilfe für Grenzbauern (Drucksache 529) 1467 B, 1509 D Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender 1467 C Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . 1470 D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft . . 1474 A 1497 C Frau Dr. BrökeLschen (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1477 B zur Sache 1489A, 1505 C Dr. Gülich (SPD): zur Geschäftsordnung 1478 A zur Sache 1503B, 1505 C Kurlbaum (SPD), Antragsteller . . 1478 A Hörauf (SPD), Antragsteller . . . . 1480 B Freidhof (SPD), Antragsteller . . . 1481 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Antragsteller 1482 D Behrisch (SPD), Antragsteller . . 1484 A Wacher (Hof) (CDU/CSU), Antrag- steller 1486 A Frau Korspeter (SPD) 1487 B Dr. Henn (FDP) 1493 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 1495 B Unertl (CDU/CSU) 1497 D Höhne (SPD) 1499 A Seiboth (GB/BHE) 1500 D Kahn (CDU/CSU) 1506 B Priebe (SPD) 1507 A Jacobs (SPD) 1507 C Dr. Starke (FDP) 1507 C Ausschußüberweisungen 1508 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache 540) 1509 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 1509 C Nächste Sitzung 1509 C Anlage 1: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 71) 1509 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 112) 1509 C Anlage 3: Antrag der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Umdruck 113) 1509 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage 1 Umdruck 71 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, nach der Wiederinkraftsetzung des Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen bemüht zu sein, baldigst diesen Vertrag gemäß Art. V des Abkommens durch einen zeitgemäßen und umfassenden Vertrag zu ersetzen und dafür Sorge zu tragen, daß Art. II in Verbindung mit Art. IX des Vertrages eine Auslegung findet, a) die die Diskriminierung der auf deutschen Schiffen tätigen deutschen Seeleute auf Grund der Handhabung des „Immigration and Nationality Act" beseitigt, b) die die Regelung der Einfuhr von Filmen der US-Produktion in die Bundesrepublik in eine angemessene Relation zur Produktion der Bundesrepublik bringt, c) daß bei der Regelung der Grundrechte nach Art. II und VIII die deutschen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik bei US-Dienststellen beschäftigt sind, ungeschmälert die Rechte aus den Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechtes in Anspruch nehmen können. Bonn, den 27. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 2 Umdruck 112 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die vom Bundeskanzler am 3. Juni 1953 mündlich abgegebene Erklärung ist nicht Bestandteil des Abkommens vom 3. Juni 1953 und des durch dieses Abkommen bestätigten Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 und kann daher Rechte aus dem Vertrage vom 8. Dezember 1923 nicht mindern. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 113 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316). Der Bundestag wolle beschließen, für kulturelle Hilfsmaßnahmen im Zonengrenzgebiet im Verlauf der nächsten fünf Jahre Bundeszuschüsse in Höhe von jährlich 25 Millionen DM zu gewähren. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Dr. Marie-Elisabeth Lüders


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Der
    Herr Abgeordnete hat es also mißverstanden.
    Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender: Ja, ich hatte angenommen, daß gleich zu allen Anträgen Stellung genommen werden sollte. Aber, nun gut, machen wir das dann später!
    Große Sorgen bereiten uns in den Zonengrenzgebieten, wenn ich das noch sagen darf, die neuen Verkehrsgesetze. Die Zonengrenzgebiete werden dadurch erneut benachteiligt.
    Nunmehr möchte ich zum Schluß kommen. Die einzelnen Anträge werden ja begründet. In der Diskussion kann darüber gesprochen werden. Es tut mir leid, daß ich etwas vorgegriffen habe.
    Zusammenfassend darf ich sagen, daß nach unserer Auffassung zwar einiges getan worden ist, aber eben durchaus noch nicht genügend. Die Frage ist, wie man weiterkommt. Ich meine, man sollte mit den 120 Millionen DM, die nach dem Haushalt zur Verfügung stehen, schnellstens eine Aktion einleiten. Voraussetzung dafür ist eine gute Koordinierung zwischen den in Frage kommenden Stellen des Bundes und der Länder. Der Bund muß auf die Verwendung der 120 Millionen DM dauernden Einfluß nehmen.
    Andere Mittel des Bundes werden wahrscheinlich nicht vorhanden sein. Man wird mit diesen 120 Millionen DM also jetzt arbeiten müssen.

    (Zurufe von der SPD: Die sind doch auch nicht da! — Es ist überhaupt nichts da! Wissen Sie denn, an welche Bedingungen die geknüpft sind? An die 42 %!)

    — Nein! Die 120 Millionen werden wahrscheinlich

    (Zurufe von der SPD: Ja, ja, wahrscheinlich!)

    dasein. Wenn aber die 120 Millionen DM auch nicht dasind, dann wäre es ganz schlimm.

    (Abg. Wehner: Sie sind der erste, der sie gefunden hat! — Zuruf von der SPD: Die bringt der Weihnachtsmann! — Heiterkeit.)

    — Nein, ich bin kein Weihnachtsmann, das wäre dann Herr Schäffer! — Aber Sie werden mir zugeben, daß mit den 120 Millionen DM zunächst einmal gerechnet werden muß. Wir müssen verlangen, daß diese 120 Millionen zur Verfügung stehen; das ist also die primäre Frage. Wenn also die 120 Millionen vom Bunde zur Verfügung stehen

    (Abg. Kahn: Die gibt uns der Herr Finanzminister!)

    - die gibt uns der Herr Finanzminister —, dann ist es notwendig, daß wir mit diesem Betrag schnellstens aktiv werden.

    (Abg. Kahn: Aber die kommen doch vom Steuerzahler! — Zurufe von der SPD: Wo ist denn der Finanzminister? — Holen Sie doch Ihren Finanzminister mal her!)

    — Der Herr Finanzminister ist nicht da. — Ich sagte, wenn die 120 Millionen DM zur Verfügung stehen, dann müssen wir unbedingt sofort aktiv werden, und zwar durch den Unterausschuß Zonengrenzgebiete, der ja schon hervorragend gearbeitet hat.
    Ferner ist es notwendig, daß wir dann eine Koordinierung zwischen Bund und Ländern herbeiführen. Wer in diesen Zonengrenzgebieten Abgeordneter ist, kann sich dort schon allmählich gar nicht mehr sehen lassen. Die Versprechungen, die gemacht worden sind, sind ungeheuer, und erfolgt ist noch gar nichts.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Herr Finanzminister hat mir auf diesen Einwand hin erklärt, er stamme ebenfalls aus einem Grenzgebiet.

    (Abg. Kahn: Er ist dort gewählt! Er stammt aus München!)

    Vielleicht behandelt man prominentere Mitglieder dieses Hauses nicht so wie die einfachen oder, wenn ich so sagen soll, die aktiven Mitglieder, die sich in den kleineren Gemeinden und in den kleinen Restaurants mit den Leuten unterhalten müssen und dabei alles Mögliche zu hören bekommen.
    Wir sind also der Auffassung — und ich darf wohl unterstellen, daß das Haus in seiner Gesamtheit nach wie vor zu dem Bundestagsbeschluß vom 2. Juli 1953 steht —, daß nunmehr schneller und nachdrücklicher geholfen werden muß als bisher. Ich glaube, wenn wir die 120 Millionen DM weiterhin fordern, können wir mit diesen 120 Millionen und den zusätzlichen Mitteln der Länder auch etwas Positives für die Zonengrenzgebiete in die Wege leiten.

    (Beifall bei der FDP.)



Rede von Dr. Marie-Elisabeth Lüders
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bleiß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Paul Bleiß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege D r. Drechsel hat als Mitglied der Koalitionsparteien die etwas


    (Dr. Bleiß)

    schwierige Aufgabe gehabt, eine Große Anfrage begründen zu müssen, die, wie sich aus der Drucksache 293 ergibt, den Tatbestand einer weiteren Verzögerung der Bekanntgabe konkreter Absichten im Zonenrandgebiet beinhaltet. Herr Kollege Dr. Drechsel hat seine Aufgabe zu lösen versucht, indem er zunächst als Generalberichterstatter für alle Fraktionen und für sämtliche Anträge aufzutreten versuchte. Herr Kollege Dr. Drechsel, Sie haben das Ersuchen an uns gerichtet, daß wir niemandem weh tun mögen; Sie sind mit einigen sehr vorsichtigen Formulierungen auch auf Ihre eigene Anfrage eingegangen,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    und Sie haben dabei auch einige kräftige Seitenhiebe in Richtung der Länderregierungen ausgeteilt.
    Ich danke Ihnen für die Ermahnung, möchte aber sagen, daß wir als Opposition in der glücklichen Lage sind, nicht so viele Rücksichten wie Sie nehmen zu müssen. Wir können die Dinge ruhig beim Namen nennen.
    Nun zur Sache selbst! Der Bundestag hat in seiner 279. Sitzung am 2. Juli vergangenen Jahres das bekannte Förderungsprogramm beschlossen. Das Programm sollte dazu dienen, die Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten zu verbessern, die strukturelle Dauerarbeitslosigkeit zu mildern und die Ost-West-Verlagerung der Industrie abzustoppen. Ich darf Sie daran erinnern, daß das Programm sechs Punkte umfaßte, und zwar
    1. die Gewährung einer Frachtkostenbeihilfe von 15 Millionen DM,
    2. die Senkung der Gewerbesteuerhebesätze,
    3. die Bildung steuerfreier Investitionsrücklagen,
    4. die Zulassung von Sonderabschreibungen auf Anlagewerte,
    5. allgemeine Förderungsmaßnahmen und
    6. kulturelle Hilfsmaßnahmen auf die Dauer von fünf Jahren, jährlich mit einer Summe von 25 Millionen DM.
    Alle sechs Programmpunkte wurden damals nahezu einstimmig beschlossen, wobei das Hohe Haus der Meinung war, daß die Maßnahmen in ihrer Gesamtheit lediglich ein Minimalprogramm darstellen sollten.
    Das Bundeskabinett hat sich in seiner Sitzung vom 19. August mit diesen Programmpunkten beschäftigt. Aus der Verlautbarung, die nach der Sitzung erfolgt ist, ergibt sich, daß schon damals die Beschlüsse des Bundestags entscheidend reduziert wurden. So wurde beispielsweise die Frachtkostenhilfe von 15 Millionen DM auf 5 Millionen DM herabgesetzt, die Bildung steuerfreier Investitionsrücklagen wurde überhaupt nicht mehr erwähnt. Von dem gleichen Schicksal wurden die Aufwendungen für kulturelle Hilfsmaßnahmen ereilt. Bei der nächsten Gruppe von Hilfeleistungen — bei den steuerlichen Maßnahmen — beschränkte sich die Bundesregierung in ihrem Kommuniqué auf Empfehlungen. Sie empfahl zunächst den Ländern, bei Ermessensentscheidungen und Auslegungsfragen großzügig zu verfahren; sie empfahl den Gemeinden, die Gewerbesteuerhebesätze zu senken.
    Meine Damen und Herren, die Empfehlungen, die von der Bundesregierung ausgesprochen worden sind, hätten doch nur dann einen Sinn gehabt,
    wenn der Bund den Gemeinden gleichzeitig die Erstattung der Steuerausfälle garantiert hätte.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Denn es ist doch auch der Bundesregierung bekannt, daß die Gemeinden in den Grenzgebieten — bei der Fülle ihrer Aufgaben — aus eigener Kraft nicht in der Lage sind, Steuerausfälle zu tragen.

    (Zuruf von der SPD: Im Gegenteil!)

    Die Garantie einer Erstattung aber hat die Bundesregierung den Gemeinden nicht gegeben. Deshalb mußte sich auch diese Maßnahme negativ auswirken.
    Nicht viel anders hat sich die Bundesregierung bei den Sonderabschreibungen auf Anlagen verhalten. Der Bundestag hatte nach dem Wortlaut der Drucksache 4487 Sonderabschreibungen für a 11 e Betriebe im Zonenrandgebiet gefordert. Der Herr Bundesfinanzminister änderte diesen Beschluß ab und machte — durch seinen Erlaß vom 12. Oktober 1953 — die Gewährung von Sonderabschreibungen von dem Nachweis der Bedürftigkeit abhängig. Also — und das möchte ich hier feststellen — ist auch dieser Beschluß des Bundestags in seinen wesentlichen Merkmalen geändert worden.
    Schließlich noch ein Wort zu den allgemeinen Förderungsmaßnahmen! Der Bundestag hatte ein umfangreiches Programm angesprochen und unter anderem Maßnahmen zum Zwecke der Zinsverbilligung, Maßnahmen zum Zwecke der Förderung des Straßenbaues, zum Zwecke der Förderung des Wohnungsbaues verlangt. In der Kabinettsverlautbarung wurde aber dieser Programmteil mit der lapidaren Feststellung abgetan,
    daß man bei allen weiteren Förderungspro-
    grammen auf den Grenzstreifen entlang dem
    Eisernen Vorhang Rücksicht nehmen werde. Meine Damen und Herren, was nutzt ein solches Bekenntnis, wenn seit dem Kabinettsbeschluß Förderungsprogramme überhaupt nicht aufgestellt worden sind?! Ein solches Bekenntnis ist doch — unter den gegebenen Verhältnissen — weiter nichts als eine leere Deklamation. Angesichts dieser Tatsachen sind wir zu der Feststellung gezwungen, daß die Bundesregierung die Beschlüsse des 2. Juli vergangenen Jahres entweder überhaupt nicht oder nur teilweise realisiert hat.
    Es ist nicht das erste Mal, daß sich die Bundesregierung über Beschlüsse des Bundestages einfach hinwegsetzt.

    (Abg. Dr. Gülich: Nein, das ist nicht das erste Mal!)

    Wir Sozialdemokraten hatten mehrfach Anlaß, die in dieser Methode liegende Nichtachtung des Bundestages zu kritisieren. Wir legen heute erneut Verwahrung dagegen ein, daß Beschlüsse des Bundestages entweder überhaupt nicht oder mit großer Verzögerung realisiert werden.
    Von dem Minimalprogramm des 2. Juli ist also nur ein bescheidener Rest übriggeblieben, und dieser Rest wurde noch weiter dadurch reduziert, daß der Herr Bundesfinanzminister die Gewährung von Frachtkostenzuschüssen von einer 50%igen Beteiligung der Länder abhängig machte.

    (Abg. Dr. Gülich: Über 40%ige!)

    Wir finden diese Einstellung merkwürdig; denn
    die erhöhten Frachtkosten sind doch zweifellos
    echte Kriegsfolgelasten, von denen der Bund normalerweise 85% zu übernehmen hat. Durch den


    (Dr. Bleiß)

    Streit zwischen Bund und Ländern, der erst vor wenigen Tagen durch das Entgegenkommen der Länder beigelegt wurde, ist die Frachtkostenhilfe auf das Land Bayern beschränkt geblieben. Die 5 Millionen DM konnten nur etwa zur Hälfte ausgenutzt werden.

    (Abg. Frau Dr. Brökelschen: Aber Herr Bleiß, das ist doch nicht die Schuld der Bundesregierung!)

    — Aber gnädige Frau, ich wollte Ihnen nur sagen: Wenn der Bund 85% zu übernehmen hat, aber nur 50% bietet, glauben Sie, daß die Länder dann so schnell auf ihr Recht verzichten und der Forderung des Bundes nachgeben werden?

    (Erneuter Zuruf der Abg. Frau Dr. Brökelschen.)

    Die Verzögerung ist doch nicht die Schuld der Länder, sondern die des Bundesfinanzministers, der so hartnäckige Bedingungen stellt.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Zuruf von der SPD: Das ist verfassungswidrig!)

    Meine Damen und Herren, unter diesen Umständen, infolge der Verweigerung der Anreizmittel, ist es kein Wunder, daß die Abwanderung der Betriebe aus den Zonenrandgebieten unvermindert anhält. Allein aus den Randgebieten Schleswig-Holsteins sind — ich nenne diese Zahlen als ein symptomatisches Beispiel — weitere sieben Industriebetriebe abgewandert und Hunderte von Arbeitsplätzen verlorengegangen. Der Anteil der Arbeitslosen in diesem Grenzstreifen beläuft sich heute noch auf 20% der Beschäftigten. Ich muß leider sagen, daß in den anderen Zonenrandgebieten die Verhältnisse noch wesentlich ungünstiger liegen.
    Deshalb fragen wir in der Drucksache 316:
    Ist der Bundesregierung bekannt, daß sich die Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten weiter verschärft und daß die Betriebsverlagerungen von den Zonenrandgebieten in andere Gebiete der Bundesrepublik immer noch fortgesetzt werden?
    Wir fragen weiter:
    Was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um durch wirtschafts-, steuer- und verkehrspolitische Maßnahmen die Abwanderung von Betrieben zu verhindern und neue arbeitsintensive Unternehmungen in den Zonenrandgebieten anzusiedeln?
    Meine Damen und Herren, für besonders bedauerlich halten wir es, daß die Bundesregierung 25 Millionen. DM für kulturelle Hilfsmaßnahmen nicht zur Verfügung gestellt hat. Der Betrag sollte für Schulbauten und Schuleinrichtungen,

    (Abg. Samwer: Sehr schade!)

    insbesondere für Volks- und Berufsschulen, und für jugendfördernde Maßnahmen verwandt werden. Es drängt sich uns die Frage auf, warum die Bundesregierung dem kulturellen Sektor gerade an der Zonengrenze so wenig Beachtung schenkt. Wir hoffen, auf unsere Frage eine befriedigende Antwort zu erhalten.
    Vielleicht wird man uns darauf verweisen, daß im Einzelplan 60 des Haushalts 1954/55, wie Herr Dr. Drechsel schon erwähnte, ein Betrag von 120 Millionen für diese und andere Zwecke eingeplant worden sei. Aber, Herr Dr. Drechsel, gerade dieser Haushaltsposten ist doch stärkstens umstritten. Er
    wird doch erst dann voll wirksam, wenn der Bundesanteil an der Einkommen- und Körperschaftsteuer die Quote von 42% erreicht.

    (Abg. Pelster: Das war einmal!)

    In der Haushaltsdebatte ist die Verknüpfung der 120 Millionen Grenzlandhilfe mit der Erhöhung des Bundesanteils an der Einkommen- und Körperschaftsteuer von meinem Freund Gülich als unmoralisch bezeichnet worden, unmoralisch deswegen, weil ein Haushaltsposten, der der Linderung der Wirtschaftsnot in den Zonenrandgebieten dienen soll, benutzt wird, um einige Finanzminister kompromißfreudiger zu stimmen. Ich glaube, daß die Bevölkerung in den Zonenrandgebieten kein Verständnis dafür aufbringen wird, daß ihre Wirtschaftsnot als Handelsobjekt benutzt werden soll. Es ist doch einfach unmöglich, der Grenzbevölkerung zu sagen, daß sie bei einem 40 %igen Bundesanteil keine Hilfe, bei einem 41 %igen Bundesanteil halbe Hilfe

    (Zuruf rechts: Ist doch längst überholt!)

    und erst bei einem 42%igen Anteil eine noch immer nicht ausreichende Hilfe zu erwarten habe. Wenn das inzwischen überholt ist, nehmen' wir das gern zur Kenntnis.

    (Abg. Dr. Gülich: Es ist offiziell noch nicht bestätigt! Gerüchtweise ist es überholt!)

    — Ich höre gerade: „gerüchtweise" ist es überholt.

    (Abg. Pelster: Es ist überholt!)

    — Wollte Gott, Sie hätten recht!
    Ich glaube, daß man mit einseitig fiskalischem Denken Probleme in den Zonenrandgebieten nicht lösen kann. Sie sind auch nicht zu lösen mit Vertröstungen. So hat z. B. der Deutsche Uniondienst am 17. März 1954 verkündet, die CDU-Fraktion werde alles in ihrer Macht Stehende tun, um der gesamtdeutschen Frage gerecht zu werden. Meine Damen und Herren, ich möchte darauf antworten, daß die CDU-Minister in den vergangenen Monaten alles in ihrer Macht Stehende getan haben, um die Beschlüsse des Bundestags vom 2. Juli zu verniedlichen und zu verzögern.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat in seiner schriftlichen Beantwortung der Interpellationen eine umfassende Übersicht über die bisher im Laufe der Jahre, d. h. seit 1951, in die Sanierungsgebiete geflossenen Mittel gegeben. Es wäre uns mehr damit gedient gewesen, wenn der Herr Bundeswirtschaftsminister uns gesagt hätte, was nach den Beschlüssen vom Juli vergangenen Jahres getan worden ist. Ich wäre Ihnen, Herr Staatssekretär Westrick als Vertreter des Ministers, dankbar, wenn Sie — und darauf zielt ja unsere Große Anfrage ab — uns nachher vorexemplifizieren würden, was nach dem Kabinettsbeschluß vom 13. August an Bundesmitteln in die Zonenrandgebiete geflossen ist. Dabei müßten Sie allerdings die dankenswerte und großzügige Hilfeleistung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung — die ja nicht der direkten Einflußnahme der Bundesregierung unterliegt — außer acht lassen. Ich wäre Ihnen auch, Herr Staatssekretär Westrick, dankbar, wenn Sie den Betrag für Sontra außer acht lassen würden, der praktisch eine schon seit Jahren fließende Hilfe darstellt.


    (Dr. Bleiß)

    Ich wäre Ihnen, Herr Staatssekretär, aber noch für eine weitere Aufklärung dankbar. In Ihren Richtlinien für die Berücksichtigung bevorzugter Bewerber bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen vom 31. März 1954 wird unter § 4 Abs. 4 gesagt, daß ein Bewerber aus dem Zonenrandgebiet den Zuschlag dann erhalten soll, wenn sein Angebot geringfügig über dem wirtschaftlichsten Angebot liegt. In dem schriftlichen Bericht des Herrn Bundeswirtschaftsministers liest man es anders; darin steht, daß den Zonenrandgebieten eine wesentliche Vergünstigung zuteil werden soll. Nun, „geringfügig" und „wesentlich" sind in der Ermessensfrage zwei absolut unterschiedliche Begriffe.
    Herr Dr. Drechsel hat vorhin gesagt, daß schon die Verordnung vom 31. März 1954 eine große Erleichterung sei. Ich kann die Auffassung nicht teilen. Der jetzige Wortlaut beinhaltet eine solche große Erleichterung noch nicht. Ich wäre Ihnen daher, Herr Staatssekretär, im Interesse der Randgebiete für eine Erklärung darüber dankbar, ob die Drucksache 534 eine verbindliche Interpretation der Verordnung vom 31. März 1954 bedeutet.
    Meine Damen und Herren, die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung haben uns nicht befriedigt. Wir haben deswegen zur Behebung der Wirtschaftsnot in den Zonenrandgebieten fünf Anträge eingebracht, die von meinen Freunden im einzelnen begründet werden.
    Generell möchte ich im Zusammenhang mit der Großen Anfrage zu den Anträgen sagen, daß sie vor allem darauf abzielen, die Arbeitslosigkeit zu vermindern. Wir beantragen, für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen einen Betrag von 60 Millionen DM zur Verfügung zu stellen, um damit Notstandsarbeiten — Meliorationen usw. — zu finanzieren. Aus dem Betrag von 60 Millionen DM sollen auch Zuschüsse gewährt werden, Zuschüsse an finanzschwache Gemeinden und an sonstige Träger von Notstandsarbeiten, die — trotz der Dringlichkeit der Vorhaben — nicht in der Lage sind, die von der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung geforderte Eigenbeteiligung von 20% des Gesamtprojekts aufzubringen. Gerade an dem Erfordernis der Eigenbeteiligung von 20 % sind im vergangenen Jahre eine Reihe von Vorhaben gescheitert.
    Meine Damen und Herren! Wir beantragen weiter im Sinne des Förderungsprogramms vom 2. Juli vergangenen Jahres —, daß für den Straßenbau ein Betrag von 65 Millionen und zum Zwecke der Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet 50 Millionen DM zur Verfügung gestellt werden. In allen Fällen handelt es sich um die Finanzierung arbeitsintensiver Programme.
    Wir halten diese drei Sonderansätze neben den im Haushalt vermerkten 120 Millionen DM für notwendig, weil bei wirklich durchgreifender Hilfe die bisherigen Haushaltsansätze kaum ausreichen werden, um die im Förderungsprogramm vom 2. Juli festgelegten Maßnahmen wie z. B. die Frachtkostenhilfe, wie z. B. den Wohnungsbau, wie z. B. den Kulturfonds, wie z. B. die Erstattung von Gewerbesteuern, zu finanzieren. Aus diesem Fends müssen auch die Mittel für eine Hilfe der 2200 notleidenden landwirtschaftlichen Betriebe fließen.
    Neben den Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen halten wir es für erforderlich, die Wettbewerbsfähigkeit der Zonenrandgebiete durch eine Senkung der
    Umsatzsteuer zu erhöhen. Wir sehen gerade in dieser Maßnahme, die mein Freund Kurlbaum noch ausführlich begründen wird, ein wirksames Mittel, um endlich die Betriebsabwanderungen nach dem Westen abzustoppen.
    Meine Damen und Herren, bei den Vorschlägen, die ich hier angedeutet habe, werden Sie natürlich die Frage nach der Deckung der Ausgaben stellen.

    (Abg. Frau Dr. Brökelschen: Allerdings!)

    Nun, wir sind mitten in den Beratungen über die Steuer- und Finanzreform, bei der ja rund 2,3 Milliarden DM zur Diskussion stehen. Ich halte das Problem der Zonenrandgebiete für so vordringlich, daß auch die von uns vorgeschlagenen Maßnahmen bei den Steuerberatungen ihre Berücksichtigung finden sollten.
    Aber abgesehen davon sollte in den Ausschüssen auch ernsthaft geprüft werden, ob die Sanierung der Zonenrandgebiete nicht aus den Mitteln des Verteidigungshaushalts zu bestreiten ist; denn die strukturelle Arbeitslosigkeit in vielen Notstandsgebieten wächst sich zu einem echten politischen Problem aus. Aus dem Gebiet Salzgitter kommen alarmierende Nachrichten über die massive und leider auch erfolgreiche Propaganda antidemokratischer Kräfte. Ich bin der Meinung, daß jede Mark, die für die Sanierung der Zonenrandgebiete ausgegeben wird, mehr für die Verteidigung der westlichen Demokratie bedeutet als ihre Verwendung für einen überhöhten Besatzungsbedarf.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister vertritt in der Drucksache 534 die Auffassung, daß die Durchführung von Hilfsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet keineswegs allein die Aufgabe des Bundes, sondern gemeinsam von Bund und Ländern wahrzunehmen ist. Diese Auffassung ist hinsichtlich der Kompetenzverteilung absolut richtig. Sie setzt aber voraus, daß die Länder auch die finanziellen Möglichkeiten haben, ihre Aufgabe zu erfüllen.
    Um diese Voraussetzungen zu schaffen, fordert die SPD nach wie vor die zentrale Finanzverwaltung. Die Bundesregierung hat unsere Forderungen bisher stets abgelehnt. Sie hat sich damit zu einer Finanzpolitik bekannt, die den Interessen der Grenzländer nicht gerecht wird. Wir müssen dem Herrn Bundesfinanzminister den Vorwurf machen, daß er auf die besonderen wirtschaftlichen Notstände in den Randgebieten bei seinen haushaltsmäßigen Überlegungen nicht die erforderliche Rücksicht genommen hat. Unter den gegebenen Verhältnissen ist es für die Länder Bayern, Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein unzumutbar, mit der Problematik in den Zonenrandgebieten fertigzuwerden. Solange aber die zentrale Finanzverwaltung nicht hergestellt ist, hat die Bundesregierung die Verpflichtung, die zur Sanierung der Zonenrandgebiete erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen. Und das hat sie bisher nicht getan.
    Um diese klaffende Lücke auszufüllen, haben wir die Große Anfrage eingebracht. Sie soll dazu dienen, in der Richtung zur Behebung der Wirtschaftsnot und der Dauerarbeitslosigkeit in den Zonenrandgebieten ein gutes Stück weiterzukommen.

    (Beifall bei der SPD.)