Rede von
Anton
Storch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir müssen uns doch darüber klar sein, daß man sich bei der Schaffung des AVAVG sehr ernste Gedanken gemacht hat, warum man den karitativen Verbänden auf diesem beschränkten Gebiet die Vermittlungstätigkeit möglich machen wollte. Die Frau Berichterstatterin hat schon weitgehend gesagt, wie das damals zustande gekommen ist. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß der Nationalsozialismus der Arbeiterwohlfahrt diese Vermittlungsmöglichkeit bereits im Jahre 1933 genommen hat und daß im Jahre 1936 den kirchlichen Wohlfahrtsinstitutionen ebenfalls die
Durchführung dieser freiwillig übernommenen und zum Teil sehr schweren Arbeit unmöglich gemacht worden ist.
Nun sagt man, das liege im Zuge der Zeit, bedenkt dabei aber gar nicht, daß man, wenn man einen jungen Menschen in einen Haushalt, in die engste Familiengemeinschaft gibt, letzten Endes mehr Dinge beobachten und berücksichtigen muß, als das bei einer Stellenvermittlung geschieht, die den Menschen nur für acht Stunden am Tag aus der Familie herausnimmt. Das soll man aber bedenken. Wenn wir schon bei der Schaffung des Gesetzes davon ausgegangen sind, daß hier eine sehr segensreiche Arbeit sowohl für die Jugend als auch für die in Frage kommenden Familien geleistet wird, dann sollte man jetzt wieder den früheren Zustand herstellen.
Es ist gesagt worden, von einer Wiedergutmachung könne man bei dieser Sache gar nicht sprechen. Das Gesetz will ja gar nicht, daß eine materielle Wiedergutmachung durchgeführt wird, sondern das Gesetz will einzig und allein, daß Rechte an Organisationen zurückgegeben werden, die ihnen durch den Nationalsozialismus genommen worden sind, sonst gar nichts.
Der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei hat soeben davon gesprochen, daß eine derartige Vermittlungstätigkeit dazu angetan sei, jugendliche Menschen vom Land in die Stadt zu holen, die dort sehr bald wieder aus der Hauswirtschaft ausschieden und auf dem industriellen Arbeitsmarkt erschienen. Dazu möchte ich Ihnen folgendes sagen. Wir alle wissen doch, daß es manchmal für junge Menschen geradezu ein Glück für das ganze Leben gewesen ist, wenn sie aus einem vielleicht sehr primitiven Haushalt einmal in der Stadt in ein anderes Lebensniveau hineingebracht worden sind. Wir sollten uns dieser Entwicklung doch nicht entgegenstellen. Derjenige, der seine Tochter vom Lande in die Stadt gehen lassen will, tut es sowieso. Er hat noch nicht einmal die Sicherheit, daß sie dann in eine Umgebung kommt, die auch Rücksicht darauf nimmt, daß man es bei diesen jungen Menschen eigentlich noch mit Kindern zu tun hat.
Ich bin deshalb der Meinung, wir sollten diesem Gesetz auf der breitesten Ebene zustimmen. Für das, was hier gewünscht wird, ist ein wirkliches Bedürfnis vorhanden. Vor allen Dingen muß man doch, wenn man vom rechtlichen Standpunkt ausgeht, sagen: Wenn der Nationalsozialismus, um über die Arbeitskraft eines jeden verfügen zu können, diese Vermittlungstätigkeit aufgehoben hat, dann sollten wir sie in der heutigen Zeit, da wir wieder normale Verhältnisse haben, wiederherstellen.