Rede von: Unbekanntinfo_outline
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir, daß ich die Anfragen der SPD und der FDP gemeinsam beantworte, wobei ich um Ihre Erlaubnis bitte, daß ich zunächst zur Anfrage der SPD spreche, weil sich aus der Beantwortung dieser Anfrage schon einiges für die Anfrage der FDP ergeben wird.
Die Bundesregierung überwacht von jeher, und zwar laufend, die wirtschaftliche Entwicklung der gesamten Bundesrepublik sowohl als auch ihrer einzelnen Teilgebiete, und dabei widmet sie selbstverständlich den wirtschaftlich schwachen Räumen, vornehmlich den Zonenrandgebieten, die besondere, ihnen gebührende Aufmerksamkeit.
— Wenn Sie die Entwicklung sehr genau verfolgen, Herr Professor, werden Sie bestimmt auch bemerken, daß diese Maßnahmen ihre allerdings natürlich auch uns nicht voll befriedigenden Wirkungen ausgelöst haben und, wie wir hoffen, auch in Zukunft auslösen werden. Die letzten Ermittlungen über Art, Umfang und Größe der Notstände ergeben jedenfalls folgendes Bild. Die Zahl der beschäftigten unselbständigen Erwerbspersonen in den der sowjetischen Besatzungszone und der Tschechoslowakei vorgelagerten Arbeitsamtsbezirken insgesamt ist vom 30. September 1949 bis zum 30. September 1953 auf rund 109 % gestiegen. Dabei ist die. Entwicklung in keinem der Jahre zwischen 1949 und 1953 abwärts gerichtet gewesen; sie ist vielmehr ständig gestiegen, wenn auch mit verschiedener Intensität in den einzelnen Jahren. Die Beschäftigtenzahlen in der Bundesrepublik haben sich allerdings im gleichen Zeitraum um 18 Punkte erhöht. Die Steigerung ist also, relativ genommen, in der Bundesrepublik insgesamt besser als in den Zonenrandgebieten.
Ein ähnliches Bild ergibt die Entwicklung der Arbeitslosigkeit in den genannten Arbeitsamtsbezirken. Während die Belastungsziffer — das ist die Zahl der Arbeitslosen in vom Hundert der unselbständigen Erwerbspersonen - am 30. September 1949 16,1% betrug, erreichte sie am 30. September 1953 nur noch 9,9%.
— Darauf komme ich gleich zu sprechen. Die entsprechenden Zahlen im Bundesgebiet lauten 8,8 und 5,5 %. Auch hier ist also festzustellen, daß sich die Situation von Jahr zu Jahr ständig verbessert hat. Die beiden eben zitierten Daten, die durch Vergleichszahlen aus der Industrieberichterstattung über die Entwicklung der Beschäftig- ten, der geleisteten Arbeitsstunden, der Bruttosummen der Löhne und Gehälter sowie der Umsätze bestätigt werden, zeigen deutlich, daß die wirtschaftliche Entwicklung in den Zonenrandgebieten zwar nicht den Steigerungsgrad der Bundesrepublik in ihrer Gesamtheit, insbesondere natürlich nicht in den günstigen Wirtschaftsgebieten im Westen der Bundesrepublik, erreicht hat, daß sie aber trotzdem aufwärts gerichtet ist.
Es muß hier also festgehalten werden, daß der Rückgang der Arbeitslosenzahl entgegen einer weit verbreiteten Auffassung nicht überwiegend, geschweige denn allein auf die Abwanderung von Arbeitskräften zurückzuführen ist, daß vielmehr das Ansteigen der Beschäftigtenzahlen eine wesentliche Ursache für die Entlastung des Arbeitsmarkts in den Zonenrandgebieten gewesen ist. Dies geht eindeutig aus einem Vergleich der absoluten Steigerung der Beschäftigtenzahl mit dem Rückgang der Arbeitslosigkeit hervor. Die beschäftigten unselbständigen Erwerbspersonen in den Zonenrandgebieten haben in der Zeit vom 30. September 1949 bis zum 30. September 1953 um 118 000 zugenommen, während die Arbeitslosenzahl in der gleichen Zeit um 102 000 abgenommen hat. Man kann also von einer Verschlechterung der Wirtschaftslage in den Zonenrandgebieten keineswegs sprechen, wobei ich nicht abstreiten will, daß die Verbesserung in den günstigen Wirtschaftsgebieten der Bundesrepublik erheblicher war. Dies gilt nicht nur für den Durchschnitt der Zonenrandgebiete, sondern für alle Bezirke, auch für die wirtschaftlich besonders ungünstig liegenden Teilgebiete, wenn auch hier die Intensität der Entlastung unterschiedlich ist.
Über die in der Anfrage erwähnten Betriebsverlagerungen sind bisher trotz ernsten Bemühens überzeugende Nachweise nicht geführt worden. Im Rahmen der Betriebsbewegungen, die im gesamten Raum der Bundesrepublik in sehr begrenztem Umfang stattfinden, gibt es natürlich auch einige Betriebe aus den Zonenrandgebieten, die in günstigere Räume abgewandert sind.
— Ich glaube nicht, daß die dabei sind.
— Das wollen wir gern tun und dann darauf zurückkommen.
- Danke sehr für die Anregung.
Die Bundesregierung hat, um den Überblick über das Ausmaß dieser Abwanderungsbewegung zu erhalten, die Landesregierungen um einen Bericht über die Zahl und das Ausmaß der Betriebswanderungen gebeten. Die daraufhin eingegangenen Unterlagen konnten jedoch den Nachweis einer nennenswerten Entblößung der Zonenrandgebiete von leistungsfähigen Betrieben nicht erbringen. Allerdings ist sich die Bundesregierung darüber klar, daß über diesen Sachverhalt nur schwerlich ein eindeutiges statistisches Material erstellt werden kann; sie wird deshalb laufend in Verbindung mit den Landesregierungen die Entwicklung in diesen Zonenrandgebieten sorgfältig weiter beobachten.
Zur Frage b). Die Bundesregierung ist im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten bemüht, die Abwerbung von leistungsfähigen Betrieben aus den Zonenrandgebieten zu unterbinden. Sie hat in Zusammenarbeit mit den Landesregierungen Entschließungen der Landesinnenminister und der kommunalen Spitzenverbände herbeigeführt, in denen gegen die Abwerbungsmißstände scharf Stellung genommen wird. Der Bundesminister der Finanzen beabsichtigt, die Finanzminister der Länder zu bitten, nach Möglichkeit darauf hinzuwirken, daß das Werben der Gemeinden um Gewerbebetriebe auf ein vernünftiges Maß beschränkt wird, die Gewährung oder Zusage ungesetzlicher
steuerlicher Vergünstigungen unterbleibt und die Abwerbung von Betrieben aus den Zonenrand-und Notstandsgebieten unterlassen wird. Der Bundesminister des Innern wird gebeten werden, die gleiche Bitte an die Innenminister der Länder und die kommunalen Spitzenverbände zu richten.
Dabei ist sich die Bundesregierung bewußt, daß mit den angeführten Maßnahmen allein die Abwerbung nicht immer vollständig verhindert werden kann. Es kommt daneben vor allem darauf an, die Gemeinden in den Zonenrandgebieten wirtschaftlich und finanziell zu stärken und sie so zu befähigen, die ihnen obliegenden Aufgaben angemessen zu erfüllen, ohne die Hebesätze der Realsteuer überdurchschnittlich hoch festsetzen zu müssen.
Die Bundesregierung ist daher bestrebt, bei der Neuordnung des Finanzausgleichs unter den Ländern den Wirkungsbereich dieses Ausgleichs nicht auf die Länderhaushalte im eigentlichen Sinne zu beschränken, sondern auch die gemeindliche Finanzwirtschaft dabei zu berücksichtigen. Angesichts der Bedeutung der Kommunalfinanzen im Rahmen der Länderfinanzwirtschaft will die Bundesregierung dem Finanzausgleich die Zielsetzung geben, die leistungsschwachen Länder, in erster Linie also die Zonenrandländer, finanziell so zu stellen, daß auch sie die gemeindlichen Bedarfsunterschiede wirksam ausgleichen können.
— Vielleicht hat er nachher Gelegenheit, selbst dazu zu sprechen.
Selbstverständlich ist die Bundesregierung nicht nur bemüht, die Abwanderung von Betrieben zu verhindern; sie strebt darüber hinaus die Ansiedlung neuer Unternehmungen im Zonenrandgebiet an. So stellte sie und stellt noch für verschiedene Programme im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten Mittel bereit, die auf Vorschlag der Landesregierungen als Kredite an Firmen vergeben werden können, die sich in den Zonenrandgebieten niederlassen oder ihre dort vorhandenen Betriebe vergrößern wollen. Unter diesen Programmen nenne ich das Sanierungsprogramm, das 300-Millionen-Schwerpunktprogramm, das ja immer noch läuft, und die Sonderprogramme aus den ERP-Gegenwertmitteln. Die in diesem Sanierungsprogramm bereitgestellten Beträge beliefen sich z. B. in den Jahren 1952 und 1953 nach Abzug der Sonderausgaben für Kehl und Helgoland auf je 40 Millionen DM. Der weitaus größere Teil dieser Mittel fließt in die Zonenrandgebiete, weil dort ja der Schwerpunkt der Sanierungsgebiete liegt.
Außerdem hat die Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Laufe der letzten Monate mehrere Male Kreditmittel für die gewerbliche Wirtschaft in den Zonenrandgebieten zur Verfügung gestellt, und ich bedaure, dem Vorschlag von Herrn Dr. Bleiß nicht ganz folgen zu können, daß wir diese Mittel hier einfach unbeachtet und unerwähnt lassen. Denn wir möchten natürlich auch jene Mittel erwähnen, die wir zur Verfügung stellen konnten.
— Einverstanden!
— Die zur Verfügung gestellt werden konnten, darf ich dann vielleicht anonym sagen. — Die Zins-und Tilgungsbedingungen für die Mittel sowohl des Bundes als auch der Anstalt, will ich also sagen, sind günstiger als die allgemeinen Zins- und Tilgungsbedingungen des Kapitalmarktes.
Nicht zuletzt aber ist die Bundesregierung auch bemüht, dem Zonenrandgebiet die dort bestehenden Betriebe dadurch zu erhalten, daß sie für standortliche Benachteiligungen, die durch die Zonengrenzziehungen entstanden sind, wenigstens einen gewissen Ausgleich schafft. Hierzu dienen beispielsweise die Durchführung der schon erwähnten Frachthilfe und die Bevorzugung des Zonenrandgebietes bei der Vergabe öffentlicher Aufträge. Da möchte ich auch Herrn Dr. Bleiß etwas erwidern. Er erwähnte, es sei vielleicht ein Widerspruch zwischen der Antwort, die wir schriftlich gegeben haben und in der gesagt ist, daß eine wesentliche Bevorzugung stattfinde, und der Verordnung, in der es heiße, daß die Angebote, die aus den Zonenrandgebieten stammen, geringfügig über den andern Angeboten lägen. Meine Damen und Herren, die Erklärung hierfür liegt in folgendem. Es wird allerdings seitens der Bundesregierung als ein sehr wesentlicher Vorteil betrachtet, daß eine Vergabe von Aufträgen an die Zonenrandgebiete selbst dann erfolgen muß, wenn die Preise gleich hoch liegen. Aber auch dann, wenn die Preise bis zu 5 0/o höher liegen, werden die Zonenrandgebiete insofern noch bevorzugt, als die Erklärung — —
Das ist die obere Grenze. Aber das Wesentliche an Vorteilen, Herr Dr. Bleiß, sieht die Bundesregierung darin, daß ein Zwang zur Vergebung der Aufträge an die Zonenrandgebiete vorliegt, und zwar auch dann, wenn Angebote mit gleichen Preisen oder in geringfügigem Umfang auch mit höheren Preisen vorliegen.
Wir sind der Meinung, daß normalerweise der Auftraggeber die freie Wahl seiner Entscheidung hat, wenn Angebote mit gleichen Preisen vorliegen. Diese freie Wahl seiner Entscheidung ist ihm durch diese Verordnung genommen.
— Irgendwie ist es ein Ermessen, das gebe ich Ihnen zu. Aber wir betrachten es doch als einen echten wesentlichen Vorteil, daß hier dem Auftragserteiler die Möglichkeit der freien Entscheidung genommen wird, und zwar zugunsten der Zonenrandgebiete.
In Ergänzung des Ihnen vorliegenden schriftlichen Berichts der Bundesregierung ist noch zu sagen, daß, nachdem eine Einigung über die Beteiligung der Länder über die Aufbringung der Frachthilfe erzielt worden ist — diese Beteiligung war in unserem Bericht noch vorbehalten —, nunmehr die Voraussetzungen für das Anlaufen der Frachthilfe in allen Zonenrandländern, und zwar rückwirkend vom 1. Oktober 1953 an, gegeben sind. Die wesentlichsten Güterarten, die in diese Frachthilfe einbezogen werden sollen, sind bereits festgelegt, und somit stehen der Wirtschaft des Zonenrandgebiets für die Zeit vom 1. Oktober 1953 bis 31. März 1955 insgesamt 111/4 Millionen DM an Mitteln für diese Frachthilfe zur Verfügung.
— Leider ist das alles. Die Bundesregierung hofft, der Wirtschaft in den Zonenrandgebieten weitere erhebliche Beträge zuführen zu können, wenn sich ihr Vorschlag — und jetzt kommen wir zum Nervus rerum —, die 120 Millionen DM für die Grenzgebiete im Bundeshaushalt 1954 bereitzustellen, verwirklichen läßt.
Allerdings wäre es wenig sinnvoll, zu versuchen, mit diesen Mitteln durch Einräumung unverhältnismäßig günstiger Rationalisierungsbedingungen oder gar durch völligen Verzicht auf Absicherung und durch ähnliche außergewöhnliche Vorzüge Betriebe zur Ansiedlung bzw. Erweiterung in den Zonenrandgebieten zu veranlassen. Ein solches Verfahren würde wohl nach allgemeiner Auffassung aller an der Lösung des Zonenrandproblems mitwirkenden Stellen dazu führen, daß Betriebe angesetzt werden, die schließlich im Wettbewerb nicht bestehen können und ständig subventioniert werden müßten, wenn sie nicht zum Erliegen kommen sollen. Vom Standpunkt der Bundesregierung ist es im Interesse des Steuerzahlers nur zu verantworten, daß Haushaltsmittel — d. h. Steuermittel
— dazu verwendet werden, um gesunde und auf die Dauer leistungsfähige Betriebe in den Zonenrandgebieten anzusiedeln.
Ihre Frage erstreckt sich ferner auf den Fremdenverkehr in den Zonenrandgebieten. Dazu möchte ich auch noch ein paar Worte sagen. Im Zug der Förderungsaktion der Bundesregierung sind den wichtigsten Fremdenverkehrsgebieten im Osten der Bundesrepublik bereits erhebliche Mittel zugeflossen. Der Gesamtbetrag der Kredite und Zuschüsse für das Fremdenverkehrsgewerbe in den Sanierungsgebieten beläuft sich in den Jahren 1951 bis 1953 auf 4,7 Millionen DM. Diese Kredite wurden ebenfalls zu einem verbilligten Zinssatz gegeben, und zwar zu 5 %, also um 21/2 % billiger als die übrigen Sanierungskredite. Außerdem werden aus den Mitteln der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge, die in Verbindung mit den verschiedenen öffentlichen Kreditprogrammen zum Einsatz kommen, Straßenverbindungen in Fremdenverkehrsgebieten ausgebaut, was eine wesentliche Belebung des Fremdenverkehrs zur Folge haben wird. So sind z. B. in Bayern im Jahre 1953 im Rahmen des Sanierungsprogramms von der bayerischen Gesamtquote von rund 8 Millionen DM allein 2 Millionen DM für Straßenbauten verwendet worden. An diese Gelder wiederum waren rund 11/2 Millionen DM aus Mitteln der werteschaffenden Arbeitslosenfürsorge gebunden.
Schließlich hat die Bundesregierung — wie in dem Ihnen vorliegenden Bericht im einzelnen dargelegt ist — besondere Werbeaktionen für die Fremdenverkehrszentren im Zonenrandgebiet durchgeführt, auf die im einzelnen einzugehen ich mir versagen darf, da die Damen und Herren den Bericht vorliegen haben.
Nun zur Frage der Vergabe öffentlicher Aufträge in den Zonenrandgebieten! Ich glaube, ich darf es mir hier relativ leicht machen und Sie bitten, sich an Hand des Berichts noch einmal vor Augen zu führen, was die Bundesregierung in dieser Frage getan hat. Wir haben den Eindruck, daß zwar nicht alles geschehen ist, was auch uns wünschenswert zu sein scheint, daß jedoch alles geschehen ist, was uns augenblicklich möglich erscheint.
Nun fragen Sie: Warum hat die Bundesregierung nicht Mittel im Sinne des Bundestagsbeschlusses vom 2. Juli 1953 eingesetzt, um den kulturellen
Zwecken der Zonenrandgebiete zu dienen? Dazu ist
folgendes zu sagen: Die Bundesregierung hat bisher
— abgesehen von den Mitteln, die im Einzelplan des Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen zur Förderung von Schulbauten in den gefährdeten Grenzgebieten bereitgestellt wurden — keine besonderen Mittel für die Förderung kultureller Maßnahmen in den Grenzgebieten bereitstellen können.
— Ja, das bedauern wir auch sehr. Mit Hilfe der für die Durchführung regionaler Förderungsmaßnahmen zur Verfügung stehenden knappen Haushaltsmittel war es bisher nur möglich, solche Vorhaben zu unterstützen, die zur Erweiterung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit dieser Gebiete dienten. Dieses Verfahren war von der nach meiner Meinung begreiflichen Auffassung bestimmt, daß bei aller Würdigung der Bedeutung kultureller Hilfsmaßnahmen die Sicherung und Erweiterung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage in den bedrohten Gebieten in der Rangordnung der Dringlichkeit bei so starker, leider notwendiger Beschränkung der Mittel doch einen gewissen Vorrang haben müßte. Außerdem bestehen starke Zweifel, ob es sich bei der Durchführung derartiger Maßnahmen nicht um ein den Ländern vorbehaltenes Aufgabengebiet handeln könnte.
Bei dem unzweifelhaft politischen Gewicht solcher Maßnahmen wird aber auch der Bund versuchen, aus den vorhin erwähnten 120 Millionen DM, wenn sie verfügbar sind, einen bestimmten Betrag für die Durchführung dieser kulturellen Hilfsmaßnahmen abzuzweigen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, daß es sich der für die Verwendung dieser 120 Millionen DM vorgeschlagenen Zweckbestimmung entsprechend nur um die Förderung solcher kultureller Vorhaben handeln kann, die auch der Förderung der Wirtschaft dienen. Die wirtschaftliche Zweckbindung, die die Bundesregierung für die Verwendung der 120 Millionen DM aufgestellt hat, würde die Förderung des Schulwesens, des Fachschulwesens und des allgemeinen Ausbildungswesens selbstverständlich einschließen, und auch eine solche Förderung dürfte doch von großem politischen Nutzen sein.
Darf ich dann zu der Anfrage der Freien Demokratischen Partei übergehen. Der erste Abschnitt der Frage ist durch den dem Bundestag vorliegenden Bericht des Bundeswirtschaftsministeriums, soweit es überhaupt möglich ist, beantwortet. Zu dem zweiten Abschnitt betreffend die Verwendung der vorgesehenen 120 Millionen DM ist folgendes darzutun. Diese 120 Millionen DM dienen zunächst einmal nicht nur den Zonenrandgebieten, sondern auch — wenn auch nur zum kleineren Teil — besonders benachteiligten Gebieten an den übrigen Staatsgrenzen der Bundesrepublik. Soweit die Mittel in die Zonenrandgebiete fließen, sollen damit zunächst die nachweisbaren Mehrbelastungen abgedeckt werden, welche die Zonengrenze verursacht. Hierzu gehören vor allem die Mehrfrachten, die durch Verlagerung der Bezugs- und Absatzgebiete, sowie die Umwegfrachten, die durch das
Umfahren der sowjetischen Besatzungszone laufend entstehen. Schließlich ist auch an eine Ermäßigung der Energiepreise gedacht, soweit diese im Zonenrandgebiet durch die Abschneidung von den zunächst gelegenen mitteldeutschen Strom- und Kohleliefergebieten überdurchschnittlich gestiegen sind. Bisher war die Beseitigung dieser Nachteile, wie aus dem Bericht des Bundeswirtschaftsministers hervorgeht, nur teilweise möglich. Außerdem wird im Bundeswirtschaftsministerium zur Zeit eingehend geprüft, ob über die Fälle hinaus, in denen laufend zonengrenzbedingte Mehrkosten eindeutig nachgewiesen werden können, allgemeine Erleichterungen und Hilfen gewährt werden sollen wie Zinserleichterungen, Steuererleichterungen und ähnliches. Diese Maßnahmen würden gegebenenfalls dazu dienen, die auf den Zonenrandgebieten liegende, im einzelnen aber nicht nachweisbare Kostenbelastung der Wirtschaft zu mindern.
Schließlich ist beabsichtigt, nach dem Ausgleich der zonengrenzbedingten Mehrbelastungen strukturverbessernde Maßnahmen durchzuführen, wie sie aus den bereits laufenden Sanierungsprogrammen schon bekannt sind. Hierzu gehören die Bereitstellung von Rationalisierungskrediten an gewerbliche Unternehmen, der Ausbau von Straßen, die Verbesserung der Energieversorgung, der Wasserversorgung und sonstige gewerbliche und landwirtschaftliche Förderungsmaßnahmen. Bei der Auswahl dieser Maßnahmen soll und wird darauf geachtet werden, daß nur solche Vorhaben zum Zuge kommen, die von übergeordneter Bedeutung sind. Außerdem soll solchen Maßnahmen der Vorzug gegeben werden, die geeignet sind, zonengrenzbedingte Belastungen auszugleichen. Zum Beispiel sollen mit Vorrang Straßen gebaut werden, die als Ersatz für die weggefallenen großen Verkehrsverbindungen dienen können, die ehemals die Zonenrandgebiete mit ihren wirtschaftlichen Ergänzungsgebieten jenseits der Zonengrenze verbanden.
Die Bundesregierung wird bei der Festlegung von Art und Ausmaß der durchzuführenden Maßnahmen bestimmenden Einfluß nehmen. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, daß mit den 120 Millionen DM, soweit sie den Zonenrandgebieten zufließen, ausschließlich Maßnahmen finanziert werden, die den Zonenrandgebieten zugute kommen. Es wird außerdem mit allen Mitteln angestrebt, daß die Maßnahmen der einzelnen Länder aufeinander abgestimmt werden.
Soweit aus den 120 Millionen DM laufende Ausgaben finanziert werden, ist dafür Sorge zu tragen, daß die Fortführung der Maßnahmen in den zukünftigen Jahren sichergestellt wird. Dies kann geschehen, indem aus den 120 Millionen DM die gesamten Beträge, die für das Jahr 1954 und die folgenden beiden Jahre erforderlich sind, entnommen werden oder die Länder sich bereit erklären, die Fortsetzung der Maßnahmen aus ihren Haushalten zu finanzieren. Diese vorsichtige Disposition erscheint unvermeidlich, weil jetzt einerseits nicht davon ausgegangen werden kann, daß im Bundeshaushalt 1955 wiederum 120 Millionen DM bereitstehen, andererseits aber in den meisten Fällen die einmal eingeleiteten, laufenden Ausgaben über einen längeren Zeitraum hinweg geleistet werden müssen. Die vorbereitenden Arbeiten über die zukünftigen Hilfsmaßnahmen für die Zonenrandgebiete sind noch nicht so weit abgeschlossen, daß jetzt schon eine Aufgliederung auf bestimmte Verwendungszwecke und eine genaue Aufschlüsselung der 120 Millionen DM möglich ist. Außerdem soll die endgültige Entscheidung nur im Benehmen mit den Ländern getroffen werden.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, daß der Herr Bundesminister Kraft zur Zeit damit befaßt ist, ein Memorandum über die erforderlichen Maßnahmen zur Förderung der Zonenrandgebiete auszuarbeiten. Die Ergebnisse seiner Arbeit, die voraussichtlich in zwei bis drei Monaten vorliegen, sollen bei der endgültigen Auswahl der aus den 120 Millionen DM zu finanzierenden Maßnahmen zusammen mit den bisherigen Erfahrungen und Erkenntnissen verwendet werden.
Zur Frage 2 der Anfrage der FDP darf ich erneut auf den den Damen und Herren vorliegenden Bericht der Bundesregierung verweisen.
Gestatten Sie mir zum Schluß in Erwiderung dessen, was Herr Dr. Bleiß erwähnt hat, noch eine Bemerkung. Ich bitte Sie, die Versicherung entgegenzunehmen, daß sich die Bundesregierung keineswegs über jenen Bundestagsbeschluß hinwegsetzt oder ihn etwa mißachtet. Die Bundesregierung ist sich der ungeheuren politischen, sozialen und ökonomischen Bedeutung dieser Sache sehr bewußt. Aber bei der Begrenzung der im Haushalt gegebenen Möglichkeiten muß doch, glaube ich, gesagt werden, daß zumindest vieles geschehen ist. Ich darf in diesem Zusammenhang auf den Bericht verweisen. Auch die Bundesregierung weiß natürlich, daß noch sehr vieles zu geschehen hat.