Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, die Entschuldigung des Hohen Hauses dafür zu erbitten, daß ich bei der letzten Debatte über diesen Punkt der Tagesordnung nicht zugegen sein konnte. Ich war am Freitag erst am Mittag aus Straßburg zurückgekommen und war dann festgehalten durch eine Veranstaltung zu Ehren unseres Gastes, des spanischen Landwirtschaftsministers, und durch Besprechungen mit dem französischen und dem amerikanischen Hohen Kommissar.
Zur Sache möchte ich mich heute mit den Bemerkungen auseinandersetzen, die der Herr Abgeordnete D r. Lütkens zu dem Zustimmungsgesetz oder, genauer gesagt, zu der Erklärung gemacht hat, die der Herr Bundeskanzler in Bonn
*) Siehe Anlagen 1 und 2.
mündlich abgegeben hat und von der diesem Hohen Hause in einer Anlage zu dem Text des Gesetzes und des ihm beigefügten Abkommens Mitteilung gemacht worden ist. Ich darf dazu namens der Bundesregierung das folgende erklären.
Die mündliche Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 3. Juni vorigen Jahres lautet, daß die Bundesregierung nicht unter Berufung auf Art. I Abs. 4 des deutsch-amerikanischen Vertrages von 1923 die Rückgabe der zwischen dem 11. Dezember 1941 und entweder dem Inkrafttreten des Interimsabkommens oder dem Inkrafttreten des Bonner Vertrages von der amerikanischen Regierung enteigneten deutschen Vermögens fordern wird.
Ich habe zu der Bedeutung dieser Erklärung bereits einiges Aufklärende in einer Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten auf entsprechende Fragen des Herrn Abgeordneten Dr. Lütkens gesagt. Ich darf das dort Gesagte heute hier wiederholen.
Unter rechtlichen Gesichtspunkten hätte es der Abgabe jener Erklärung nicht bedurft, denn sie sagt rechtlich etwas aus, was selbstverständlich ist. Sie hat also, juristisch gesprochen, nur einen deklaratorischen Charakter. Daß sie dennoch abgegeben wurde, beruht auf einem Wunsch der amerikanischen Regierung, die aus Gründen ihres eigenen Verhältnisses zum Kongreß im Besitz einer Erklärung sein wollte, daß es auch die Auffassung der Bundesregierung ist, daß die Wiederinkraftsetzung des Art. I Abs. 4 des alten Vertrages keine rückwirkende Bedeutung hat.
Die Rechtslage ist folgende:
Mit dem Ausbruch des Krieges zwischen dem Deutschen Reich und den Vereinigten Staaten von Amerika am 11. Dezember 1941 ist der deutschamerikanische Vertrag von 1923, um dessen Wiederinkraftsetzung es sich hier handelt, in seiner Wirksamkeit suspendiert worden, soweit nicht einzelne Bestimmungen trotz des Krieges weiter gelten. Von dieser Weitergeltung aber ist Art. I Abs. 4 des Vertrages von 1923 nicht umfaßt.
Etwas Gegenteiliges kann auch nicht dem von dem Herrn Abgeordneten Dr. Lütkens am vergangenen Freitag hier vor diesem Hohen Hause zitierten Urteil des Supreme Court entnommen werden. Ich habe dieses Urteil daraufhin noch einmal nachgelesen. Der Supreme Court hat in dem Urteil vom 9. Juni 1947 in Sachen Clark versus Allen lediglich die Weitergeltung des Art. IV des Vertrages von 1923 während des Kriegszustandes bejaht, eines Artikels, aus dem sich ergibt, daß Deutsche in den Vereinigten Staaten erben können. Damit ist aber nichts gesagt über das weitere Schicksal einer solchen Erbschaft. Die Ansicht, die der Herr Abgeordnete hier vertreten hat, der Supreme Court habe in der genannten Entscheidung den deutsch-amerikanischen Vertrag von 1923 trotz des Krieges als weiter in Kraft befindlich erklärt, ist daher eine nicht zutreffende Verallgemeinerung des Inhalts dieses Urteils.
In der Tat würde es auch, wenn der Vertrag nicht suspendiert worden wäre, der ganzen Verabredung, daß er wieder in Kraft gesetzt werden sollte, nicht bedurft haben. Wir wären gar nicht in die Lage gekommen, einen solchen Interimsvertrag abzuschließen. Ich kann auch die Berner-
kung nicht unterdrücken, daß es nicht folgerichtig ist, wenn der Herr Abgeordnete einerseits den Standpunkt vertreten hat, daß der Vertrag weitergelte, andererseits aber sein Einverständnis damit erklärt hat, daß das Abkommen über die Wiederinkraftsetzung ratifiziert werde. Ich bitte, nicht mißverstanden zu werden: ich begrüße die Schlußfolgerung, aber ich halte die Weise, auf die man zu dieser Schlußfolgerung gekommen ist, für widerspruchsvoll. Vielmehr ist es rechtlich leider so, daß zahlreiche Urteile amerikanischer Gerichte vorliegen, die ergeben, daß die Feindgesetzgebung, die die Vereinigten Staaten während des Krieges erlassen haben, rechtsgültig ist.
Demnach galt also Art. I Abs. 4 des Vertrages von 1923 nicht während der Kriegszeit. Er gilt erst wieder, wenn die ausdrückliche Vereinbarung seiner Wiederinkraftsetzung ihrerseits in Kraft tritt. Demgemäß gibt die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers vom 3. Juni vorigen Jahres nur die jetzt bestehende Rechtslage wieder. Nichts anderes und nichts mehr enthält die Erklärung. Insbesondere liegt in dieser Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht eine Anerkennung der Feindmaßnahmen gegen das deutsche Vermögen während des Krieges. Ich glaube, ich kann es mir ersparen, in dieser Frage den Standpunkt der Bundesregierung noch einmal ausführlich darzulegen. Er ist bekannt; er ist unverändert.
Ebensowenig hat die Bundesregierung durch diese Erklärung auf irgendwelche privaten deutschen Vermögensansprüche verzichtet. Das ist ausdrücklich während der Verhandlungen, die zu dieser mündlichen Erklärung des Herrn Bundeskanzlers geführt haben — Verhandlungen zwischen unseren deutschen Vertretern und den Vertretern der amerikanischen Regierung —, in Washington zum Ausdruck gebracht worden. Eben deshalb fehlt auch jeglicher Zusammenhang mit Art. 14 Abs. 3 des Grundgesetzes, der in der letzten Sitzung angerufen worden ist. Vielmehr kann ungeachtet der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers sich die Bundesregierung nach wie vor auf die allgemeinen Vorschriften des Völkerrechts über die Beschlagnahme und Enteignung von feindlichen Vermögen im Kriege berufen, und sie tut es auch. Auch dies ist während der Verhandlungen in Washington im April 1953 ausdrücklich gesagt worden. Dort ist ausdrücklich auf die völkerrechtliche Unverletzlichkeit deutschen Eigentums auch im Kriege hingewiesen worden.
Aus alledem ergibt sich, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers nicht gemäß Art. 59 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes zustimmungsbedürftig ist. Eine solche Zustimmung ist auch von diesem Hohen Hause nicht erbeten worden. Ich glaube, es kann nach dem Wortlaut des Ihnen vorliegenden Zustimmungsgesetzentwurfs kein Zweifel darüber sein, daß die Erklärung des Herrn Bundeskanzlers von dem Zustimmungsbeschluß des Bundestages nicht mit gedeckt wird, und — Herr Präsident, ich bitte, mir zu erlauben, das mit einem Satz gleich zu sagen — aus diesem Grunde bittet die Bundesregierung auch, dem neu gestellten Entschließungsantrag der Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Umdruck 112 nicht zuzustimmen.