Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Äußerungen des Herrn Bundesarbeitsministers veranlassen mich, noch einiges zu dem Problem zu sagen, obwohl schon sehr viele Worte darüber gesagt worden sind und man erwarten muß, daß bald die Tat folgt.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie führten aus, daß der Herr Kollege Hansen über den Antrag des BHE und über Ihre ablehnende Stellungnahme gesprochen habe. Ich kann es sehr gut verstehen, daß Sie bei der Fülle der Aufgaben, die Ihnen so im Laufe des Jahres zufließen, einmal etwas in Rage kommen, wenn dauernd die Probleme, mit denen Sie zu tun haben, vor dem Plenum erscheinen; aber das läßt sich nicht ändern. Die Fragen, mit denen Sie sich zu beschäftigen haben, berühren eben den größten Teil unseres Volkes. Ich muß Ihnen aber sagen, Herr Bundesarbeitsminister, daß Sie sich geirrt haben. Der Herr Kollege Hansen hat nur von Ihrer Stellungnahme zu diesem Problem im allgemeinen und von den Stellungnahmen im Petitionsausschuß gesprochen.
Auf Grund meiner langjährigen Arbeit im Petitionsausschuß kenne ich viele Ihrer Stellungnahmen. Die Schwierigkeiten, in denen Sie sich befinden, verkennen wir nicht. Wir wissen, wie schwer es ist, den Belangen der Volksteile gerecht zu werden, die unverschuldet in große Not geraten und letzten Endes nichts anderes sind als ein Überbleibsel aus den zwölf Jahren, in denen die Diktatur aus Deutschland einen Trümmerhaufen gemacht hat. An den Petitionsausschuß gelangen dauernd Anträge von älteren Angestellten auf Wiedereinstellung. Überwiegend sind es Anträge von weiblichen Angestellten. Diesen geht es noch schlechter als den männlichen.
Gestatten Sie, Herr Präsident, daß ich aus der Petitionsausschußsitzung vom 2. März dieses Jahres eine Stellungnahme verlese, die eigenhändig von Ihnen, Herr Bundesarbeitsminister, unterzeichnet ist:
Wir kennen noch eine Reihe von Stellungnahmen älteren Datums, aber ich brauche sie nicht alle hervorzuholen. Trotzdem sage ich, daß ich Ihre Schwierigkeiten kenne und verstehe. Wenn es aber darum geht, solche Schwierigkeiten zu beheben, müssen wir alle gemeinsam daran arbeiten.
Herr Bundesarbeitsminister, Sie haben gesagt, daß Sie bewußt darauf verzichtet hätten, auf eine Lenkung des Arbeitsmarktes hinzuwirken, weil der Personenkreis der hier angesprochenen Angestellten dann doch nicht zum Zuge komme. Da muß ich Ihnen entgegenhalten: Sie haben resigniert, bevor Sie begonnen haben!
Ich darf Sie, Herr Bundesarbeitsminister, auf ein einziges Datum hinweisen. Ich meine das Datum der Petitionsausschußsitzung vom 2. März 1954. Hier habe ich diese' dicken Akten. Ich habe sie aber nicht mitgebracht, um ein Sonderreferat zu halten. Ich möchte nur sagen, daß an diesem 2. März 1954 dreizehn Einzelpetitionen vom Ausschuß durchgearbeitet worden sind, wovon eine allein acht Personen betroffen hat. Im Grunde genommen ist es bei allen um die Unterbringung älterer Angestellten in den Arbeitsprozeß gegangen.
Das ist doch ein Beweis dafür, wie notwendig es ist, eine Lösung dieses Problems zu finden.
Ich glaube, daß ich wohl die Meinung aller Anwesenden zum Ausdruck bringe, wenn ich sage, daß wir es begrüßen, wenn durch einen Gesetzentwurf der Berufsnot der älteren Angestellten durchgreifend gesteuert, ja wenn sie dadurch behoben werden könnte.
Man muß sich aber, wenn man einen solchen Gesetzentwurf bringen will, die Frage vorlegen, ob man durch einen solchen Antrag dem Personenkreis, dem man dadurch helfen will, wirklich auch eine durchgreifende Hilfe bringen kann.
— Ja, verehrter Herr Kollege, das glaube ich; denn wer wäre, wenn er guten Willens ist, nicht überzeugt davon, daß er das Richtige tut?
Wir sind der Meinung: wenn ein solcher Gesetzentwurf zum Tragen gebracht werden soll; dann muß er so aussehen,
daß er dem am meisten betroffenen Personenkreis auch wirklich hilft. Wir sind mit Ihnen der Meinung, daß etwas getan werden muß, aber das Wie wollen wir im Ausschuß gemeinsam herauskristallisieren.
Das bezieht sich vor allem auf den § 1. Verehrte Kollegin Finselberger, Ihr § 1 schränkt die Einstellung der älteren Angestellten ein, da gerade die von uns als am meisten betroffen angesehenen älteren weiblichen Angestellten von diesem Paragraphen nicht erfaßt werden, weil ja die Betrebe mit weniger als sieben Angestellten wegfallen. Lassen Sie mich das kurz skizzieren. Kleinhandel, Rechtsanwaltsbüros, Patentbüros und andere Büros beschäftigen viel weibliches Hilfspersonal. Bei den Frauen ist es aber leider noch schlimmer als bei den Männern, weil man fast in jeder Annonce, in der man weibliche Hilfskräfte sucht, die Altersgrenze mit angibt. Über das Warum wollen wir uns nicht streiten; es kann zweierlei Ursachen haben.
Die uns betreffende Ursache, Kollegin Finselberger, kennen wir beide aus der gewerkschaftlichen Arbeit ganz genau: sie besteht darin, daß man die höheren Tarife nicht zahlen will. Nun wollen Sie den großen Teil der weiblichen Angestellten — besonders im Verkauf — in den Betrieben nicht berücksichtigen, in denen weniger als sieben Angestellte beschäftigt sind.
Wir wollen uns mit diesen Fragen in den Ausschüssen gemeinsam beschäftigen; das ist notwendig. Notwendig ist fernerhin, daß wir alle Möglichkeiten ausschöpfen, um zu unterbinden, daß den älteren Angestellten und besonders den weiblichen Angestellten das Hineinkommen in einen Beruf erschwert wird. Wir müssen gegen das Chiffre-Unwesen vorgehen. Bei den Stellenausschreibungen unter irgendeiner Chiffre mit einem Anonymus schreiben sich die Angestellten die Finger lahm und bekommen dann nach einigen Wochen einen ablehnenden Bescheid. Wir sind der Meinung: in die Stellenausschreibungen gehört weder eine Altersbegrenzung hinein, noch sollten sie auf Chiffre geführt werden. Schließlich ist die Leistung des einzelnen maßgebend und nicht das Alter und die Jugend. Gleiches Recht für alle, die etwas können! Und nach dem Können sollen sie gewertet werden.
In diesem Sinne — das ist meine Ansicht und auch die meiner Fraktion — müssen wir Ihren Antrag, verehrte Kollegin Finselberger, behandeln. Wir wollen versuchen, einen Gesetzentwurf zu schaffen, der die Möglichkeit bietet, umfassend zu helfen, so daß er den älteren Angestellten und besonders auch den weiblichen Angestellten gerecht wird. Verehrter Herr Bundesarbeitsminister, wir rechnen auf Ihre Großzügigkeit und Ihre Güte und hoffen, daß Sie uns dabei helfen, diesem Kreis der Betroffenen gerecht zu werden.