Ich habe Glückwünsche auszusprechen zum 66. Geburtstag am 25. Mai dem Herrn Abgeordneten Dr. Becker .
Die übrigen amtlichen Mitteilungen werden ohne Verlesung in den Stenographischen Bericht aufgenommen:
Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. Mai 1954 den nachstehenden Gesetzen zugestimmt bzw. einen Antrag gemäß Art. 77 Abs. 2 nicht gestellt:
Gesetz über das Internationale Zuckerabkommen vom 1. Oktober 1953;
Gesetz betreffend das Übereinkommen Nr. 45 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 21. Juni 1935 über Beschäftigung von Frauen bei Untertagarbeiten In Bergwerken jeder Art;
Gesetz über den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den vier Genfer Rotkreuz-Abkommen vom 12. August 1949;
Gesetz über die Feststellung des Bundeshaushaltsplanes für
das Rechnungsjahr 1954 .
Zum Haushaltsgesetz 1954 hat der Bundesrat weiter Ausführungen gemacht, die als Drucksache 539 verteilt werden.
Meine Damen und Herren! Ich komme zu Punkt 1 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 419).
Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Dr. Bleyler. Ich darf sie bitten, das Wort zu ergreifen.
Frau Dr. Bleyler (CDU/CSU), Berichterstatterin: Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Die Bundesregierung hat dem Hohen Haus einen Gesetzentwurf über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts vorgelegt. Der Entwurf ist vom Ausschuß für Arbeit in zwei Sitzungen eingehend beraten worden.
Worum geht es bei dieser Frage? Schon bei der Gründung der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung im Jahre 1927 hat man überlegt, ob und inwieweit man neben der öffentlich-rechtlichen Anstalt noch private Einrichtungen für diese Aufgaben zulassen sollte. Man hat die Frage dahin entschieden, daß auf Erwerb gerichtete Stellenbüros verboten wurden, daß aber gemeinnützige private Arbeitsnachweise auf Antrag unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen werden konnten. Davon haben sowohl die Berufsverbände wie auch karitative Einrichtungen aller Art weitgehend Gebrauch gemacht. Sie mußten den gesetzlichen Anforderungen entsprechen und standen unter Aufsicht der Reichsanstalt, der sie regelmäßig über ihre Arbeit zu berichten hatten.
Nach der Machtergreifung durch den Nationalsozialismus wurden die Berufsverbände sofort aufgehoben bzw. in die Arbeitsfront überführt. Die Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege bestanden weiter und übten auch zunächst noch die Stellenvermittlung aus. Im Jahre 1935 wurde dann ein Gesetz geschaffen über Arbeitsvermittlung, Berufsberatung und Lehrstellenvermittlung, das der Reichsanstalt den Monopolcharakter sicherte. Grundsätzlich bestand zwar noch die Möglichkeit, Einrichtungen außerhalb der Reichsanstalt für bestimmte Aufgaben auf Antrag zuzulassen. Praktisch wurden diese Anträge aber sämtlich ohne weitere Prüfung und Begründung abgelehnt. Zu dem nach staatspolitischen Ideen gelenkten Arbeitseinsatz paßten die privaten Stellennachweise nicht mehr. Nur geistig und körperlich behinderte Personen, an denen der nationalsozialistische Staat wenig Interesse hatte und deren Vermittlung in Arbeitsstellen vielleicht auch besondere Schwierigkeiten machte, durften nach wie vor — und auch heute noch — von Fürsorgevereinen und -verbänden verschiedenster Art vermittelt werden. Auch erhob man keinen Einspruch dagegen, daß die in eigenen Einrichtungen ausgebildeten pflegerischen Kräfte in Heimen und Organisationen der freien Wohlfahrtspflege untergebracht und
weiter vermittelt wurden. Aber die Vermittlung der Hausgehilfinnen, das Kernstück der Vermittlungstätigkeit, wurde den Verbänden untersagt.
Nach dem Kriege versuchten die freien Verbände ihre früheren Rechte wieder zu erlangen. Dem stand zunächst der Kontrollratsbefehl Nr. 3 im Wege, durch den die Besatzungsmächte den Monopolcharakter der Arbeitsämter noch weit über das bisherige Maß verstärkt haben. Erst nach der Auflockerung konnten die Verbände in einigen Landesarbeitsämtern für bestimmte Teilaufgaben wieder eine gewisse Genehmigung erhalten.
Maßgebend ist auch heute noch nach Gründung der Bundesanstalt das vorhin erwähnte Gesetz von 1935, das die Möglichkeit vorsieht, private Stellen auf Antrag mit der Vermittlung für besondere Personenkreise zu beauftragen. Da aber eine Genehmigung durch die Bundesanstalt von vornherein zweifelhaft erschien, ging es den karitativen Verbänden darum, eine globale Genehmigung zu erhalten.
Die Bundesregierung hat dieses Anliegen als berechtigt anerkannt und daher den vorliegenden Entwurf eingebracht, gegen den vom Bundesrat keine Einwendungen erhoben wurden. Dieses Gesetz soll den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege das Recht der Stellenvermittlung wiedergeben, soweit sie es vor dem 30. Januar 1933 gehabt haben. Sie haben danach der jetzigen Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten dieses Gesetzes anzuzeigen, wenn sie die Stellenvermittlung wieder aufnehmen wollen, und gleichzeitig Art und Umfang der früheren Tätigkeit nachzuweisen. Wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Inkrafttreten des Gesetzes die Arbeitsvermittlung nicht aufgenommen haben, gilt diese Genehmigung als erloschen.
In den Ausschußberatungen tauchte zunächst die Frage auf, ob man das ganze Problem der nichtgewerbsmäßigen Stellenvermittlung nicht bis zur Beratung der geplanten Novelle zum AVAVG zurückstellen solle. Die Mehrheit war jedoch der Auffassung, daß dieses Gesetz vorweggenommen werden solle, da die Novelle sicher noch länger auf sich warten lasse.
Die Mehrheit des Ausschusses lehnte auch den Antrag ab, eine schriftliche oder mündliche Stellungnahme der Bundesanstalt einzuholen, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß ja schon dem 1. Bundestag ein ähnlicher Gesetzentwurf vorgelegen habe und deshalb genügend Zeit und Gelegenheit gewesen wäre, sich zu diesem Fragenkomplex zu äußern.
Bedenken grundsätzlicher Art wurden geäußert, ob unter einer Ausweitung der privaten Stellenvermittlung nicht die Einheitlichkeit der öffentlichen Arbeitsvermittlung leiden müßte. Die Entwicklung zu einer zentralen öffentlich-rechtlichen Organisation ist ja nicht ein Produkt des Nationalsozialismus. Es zeigt sich hier vielmehr eine internationale Tendenz, die durch die Weltkriege mit ihren Massenwanderungen und großen Umsiedlungen noch gewaltig verstärkt wurde. Es geht ja längst nicht mehr nur um die Hilfe für den einzelnen Arbeitslosen, sondern darüber hinaus um den Versuch, die Grundlage für eine großangelegte Ordnung des Arbeitsmarktes zu schaffen, die regionale Verschiedenheiten ausgleichen, Schwierigkeiten der Wirtschaftskonjunkturen rechtzeitig erkennen und auffangen und so größere Massennotstände auf dem Arbeitsmarkt verhindern will.
Diese große Aufgabe einer zentral geordneten Arbeitsmarktpolitik soll nicht gefährdet werden. Bei den karitativen Stellenvermittlungen handelt es sich aber um eine ganz besondere Teilaufgabe, nämlich in der Hauptsache um die Vermittlung von Hausgehilfinnen, die als ein wichtiges Glied in der Kette der Jugendschutz- und Jugendhilfsarbeit angesehen wird.
Es ist heute wirklich keine leichte Aufgabe mehr, Hausgehilfinnen zu vermitteln. Die Vermittlung in einen Haushalt, in diesen engen Kreis menschlicher Zusammengehörigkeit ist eben etwas ganz anderes als die Vermittlung in eine Achtstundenarbeit. Hier spielen nicht so sehr fachliche Kenntnisse eine Rolle als vielmehr die menschlich-persönlichen Beziehungen, die charakterliche, oft auch weltanschauliche Eigenart, die Möglichkeit, sich in einem persönlichen Vertrauensverhältnis aufeinander abzustimmen und erzieherische Einflüsse auf die Kinder der Familie auszuüben. Die Haushaltsberufe gehören ja ebenso wie die pflegerischen Berufe heute nicht zu den beliebten Berufen. Vielleicht können die karitativen Verbände im Rahmen ihrer Jugendhilfe- und Jugendschutzarbeit mit ihrem Kreis ehrenamtlicher Helfer, mit ihrer großen Zahl eigener und befreundeter Heime, in denen Jugendliche vorübergehend oder für längere Zeit untergebracht und beobachtet, mitunter auch hauswirtschaftlich ausgebildet oder nachgehend betreut werden können, mit dazu beitragen, mancher kinderreichen Mutter, manchem arbeitslosen, vielleicht gefährdeten jungen Mädchen zu helfen. Es geht hier nicht um eine Kompetenzfrage, sondern es geht um eine Hilfe an Menschen, insbesondere an jungen Menschen.
Daher hat der Ausschuß auch die grundsätzlichen Bedenken zurückgestellt und die Mitwirkung der freien Wohlfahrtsverbände für diese besondere Aufgabe wieder ermöglichen wollen. Er hat dabei betont, daß es sich hierbei im wesentlichen um die Vermittlung von Pflegepersonal und Hausgehilfinnen handle und eine Ausweitung auf andere Berufe und Personenkreise nicht in Frage kommen solle. Die Frage, wieweit eine Wiedergutmachungspflicht vorliegt, wollte der Ausschuß dahingestellt sein lassen; er hat darum die Worte „zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts" in der Überschrift des Gesetzes gestrichen.
Der Ausschuß für Arbeit schlägt dem Hohen Hause vor, dem Gesetzentwurf Drucksache 223 mit den aus der Drucksache 419 ersichtlichen Änderungen zuzustimmen.