Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch zu Beginn der heutigen Sitzung hat der Herr Präsident wieder einem Mitglied dieses Hohen Hauses seinen Glückwunsch zum Geburtstag aussprechen können. Dieses Mitglied war inzwischen 66 Jahre alt geworden. Diese hohe Ehre wird ja nur den Mitgliedern des Hauses zuteil, die das 60. Lebensjahr überschritten haben. Wir haben schon Sitzungen gehabt, wo gleich ein halbes Dutzend dieser Glückwünsche verlesen wurden. Die berufliche Zusammensetzung dieses Bundestages ist so, daß der Anteil der Angestellten und noch mehr natürlich der Beamten ein ziemlich hoher ist. Das ist eigentlich ein Beweis für die Durchsetzungskraft der älteren Jahrgänge. Nun werde ich im nächsten Jahr 45 Jahre alt, werde also nicht die Freude haben, vom Herrn Präsidenten beglückwünscht zu werden. Im gleichen Jahre aber werde ich, wenn man dem Antrag des Gesamtdeutschen Blocks folgt, als „älterer Angestellter" abgestempelt sein.
- Sehr gut möglich. Ich habe nicht die Absicht, Berufspolitiker zu werden.
Ich möchte mit dieser Feststellung klarmachen, daß man den Jahrgängen um 45 Jahre herum und den etwas älteren keinen Dienst damit erweist, wenn man sie nun auch kraft Gesetzes — falls dieser Antrag Gesetz werden sollte — in die Kategorie der älteren Angestellten einstuft.
Ich stelle das deshalb fest, um darauf hinzuweisen, welche Problematik gerade auch bei dem einzelnen darin liegt, wenn nun durch eine gesetzliche Zwangsmaßnahme eine neue Einteilung nach Kategorien oder Gruppen erfolgen soll.
Es ist im lebendigen Leben der Wirtschaft tatsächlich nicht so, daß etwa die Zäsur von 45 Jahren den Arbeitgeber davon abhält, den betreffenden Angestellten oder die weibliche Angestellte einzustellen. Es ist vielmehr gerade im Angestelltenberuf
so, daß derjenige — das ist in anderer Form schon gesagt worden —, der über die Fähigkeiten verfügt, die nun einmal notwendig sind, um auch in einem vorgerückteren Lebensalter seinen Beruf auszuüben, nach wie vor eine Möglichkeit der Einstellung findet, es sei denn, daß durch die Kriegs-und Nachkriegsereignisse ein Bruch in seiner beruflichen Laufbahn eingetreten ist.
Das Problem ist hier in Westdeutschland im Vergleich zu den anderen Staaten so besonders schwierig zu lösen, weil eine große Anzahl der betroffenen Personen nicht arbeitslos sind, weil sie in ihrem Beruf unfähig sind oder weil die Arbeitgeber nicht willens sind, diese Leute zu beschäftigen, sondern deshalb, weil die allgemeinen Ereignisse sie einfach aus der Bahn geworfen haben.
Ich weise darauf hin, daß sich ein immerhin erheblicher Prozentsatz dieser sogenannten älteren Angestellten aus Personen zusammensetzt, die früher nicht Angestellte gewesen sind, sondern die einen selbständigen Beruf gehabt haben. Sehr häufig haben sie einen Einzelhandel, ein Export-Importgeschäft oder irgendeinen anderen selbständigen Beruf gehabt. In dem Augenblick, in dem sie Konkurs anmelden, gehen sie zum Arbeitsamt und lassen sich in der Sparte „Angestellte" als Arbeitsuchende eintragen.
Auch diese Feststellung treffe ich aus einem ganz bestimmten Grund. Ich hatte auch vor, an der Vorlage des Gesamtdeutschen Blocks eine gewisse Kritik zu üben, weil ich leider auch unter dem Eindruck stehe, daß die Maßnahmen in der Form, wie sie hier vorgeschlagen wird, auf die Dauer gesehen eher zum Nachteil als zum Vorteil des in Frage stehenden Personenkreises ausschlagen werden, dem geholfen werden soll. Nachdem aber nun der Sprecher der SPD den Entwurf des BHE in einer Weise behandelt hat, die mir nicht gefallen hat, möchte ich mir diese Kritik ersparen. Der Sprecher der SPD, Herr Hansen, hat nach meinem Empfinden mit einer gewissen Freude die negativen Seiten dieses Antrags sehr stark unterstrichen. Dabei hat er eine gewisse Formulierung verwandt, die dem guten Willen der Antragsteller in keiner Weise entspricht. Auf der anderen Seite hat er doch verhältnismäßig wenig im positiven Sinne gesagt.
Es scheint mir notwendig, auf folgendes hinzuweisen. Wenn jetzt die Ausschüsse mit diesem Antrag des Gesamtdeutschen Blocks/BHE befaßt werden, dann sollte man unbedingt auch jene Herren zu Rate ziehen, die an sich sonst auch in unserem Kollegenkreise mit diesen speziellen sozialen und arbeitsrechtlichen Fragen nichts zu tun haben. Ich denke an die Mitglieder des Ausschusses für Geld und Kredit.
Der Ausschuß für Geld und Kredit hat sich in der Vergangenheit und auch im vorigen Bundestag vorwiegend mit Fragen befassen müssen, die die pflegliche Behandlung des Kapitalmarkts und alle die Dinge, die damit zusammenhängen, betreffen. Ich glaube aber, es wäre sehr gut, wenn sich gerade dieser Ausschuß auch einmal damit befassen könnte, ob nicht Mittel und Wege gefunden werden könnten — ohne die Staatshilfe anzurufen —, die etwa den Banken und Sparkassen ermöglichen, in Zukunft ihre Kreditrichtlinien anders zu gestalten. Aus genauer Kenntnis der Lage dieser arbeitslosen Angestellten — hauptsächlich auch gerade der männlichen Angestellten — weiß ich, daß, wie man
vielleicht sagen kann, etwa 25 % dieser Angestellten durchaus befähigt sind, einen selbständigen Beruf auszuüben. Es liegt lediglich an den fehlenden Kreditmöglichkeiten, daß sie nicht dazu kommen, den entweder schon früher ausgeübten Beruf oder den neu zu ergreifenden Beruf selbst auszuüben. Gerade von den Vorrednern wurde darauf hingewiesen, daß es im Spezialbereich des Handels so schwer ist, diese wünschenswerte Regelung der Einstellung auch älterer Angestellter durchzuführen. Demgegenüber sollte gerade im Handel seiner ganzen Struktur nach die berufliche Laufbahn von Rechts wegen so aussehen, daß in den ersten Jahrzehnten eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt wird, während im etwas höheren Lebensalter ein Übergang zu einer selbständigen Tätigkeit stattfindet. Es sollte also bei den ganzen Beratungen sehr intensiv untersucht werden, ob nicht über die — ich möchte sagen — engen Sicherheitsvorstellungen hinaus, die heute innerhalb des Kreditwesens herrschen und die in erster Linie dingliche Sicherheiten fordern, eine Ausweitung solcher Richtlinien möglich ist, die es dann manchen Angestellten oder auch Arbeitern oder sonstigen Berufstätigen, Handwerkern usw., die bisher nicht selbständig waren, erleichtern, sich selbständig zu machen. Ich glaube, dort sollte in erster Linie der Hebel angesetzt werden, denn dort geht man der ganzen Sache an die Wurzel. Alle anderen Maßnahmen, vor allen Dingen, wenn sie zwangsmäßiger Art sind, wie das hier vorgeschlagen wird, verschieben letzten Endes das Problem, tragen aber nicht zu einer endgültigen Lösung bei. Sehr interessant ist doch, wie der Kollege Hansen mit Recht ausführte, daß in Nordrhein-Westfalen der angestrebte Satz von 40% in bezug auf die Einstellung der älteren Angestellten schon überschritten worden ist, ausgerechnet in dem Lande, in dem insgesamt gesehen die Arbeitslosigkeit am geringsten ist. Das bedeutet also auf unseren Spezialfall übertragen, daß auch das Problem der Einstellung der älteren Angestellten letzten Endes ein Problem der Belebung der Wirtschaft und der Behebung der Arbeitslosigkeit überhaupt ist. Man kann die gute Hoffnung hegen — wir werden ja im Anschluß daran in der nächsten Stunde die Frage der Zonenrandgebiete behandeln —, daß, wenn es gelingen sollte, den wirtschaftlichen Aufschwung, der in Nordrhein-Westfalen zu verzeichnen ist, allmählich nach Osten weiter fortzupflanzen, dann auch ganz von selbst auf organische Art und Weise die Behebung der Not der älteren Angestellten zustande kommt.
Abschließend darf ich sagen, daß mir die Bestimmungen des Entwurfs des Gesamtdeutschen Blocks, die im § 3 niedergelegt sind, trotz der Bedenken, die selbstverständlich auch dagegen angemeldet werden können, noch weitaus sympathischer sind als diejenigen, die in den §§ 1 und 2 stehen. Ich glaube allerdings, daß aus den Mitteln der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auch dann den Arbeitgebern noch etwas zufließen sollte, wenn diese sich jetzt dazu entschließen, zusätzlich über den bisherigen Rahmen hinaus ältere Angestellte einzustellen. Ich glaube, daß dieser Punkt doch wirklich noch sehr genau beraten werden sollte. Wir begrüßen es deswegen, wenn der Antrag auch dem Ausschuß für Arbeit überwiesen wird. Ich möchte nicht so weit gehen, auch noch eine Überweisung an den Ausschuß Geld und Kredit vorzuschlagen. Das würde sicherlich abgelehnt werden. Ich möchte nur vor-
schlagen, daß bei den Ausschußberatungen auch die Finanzexperten zu Worte kommen, damit auch von dieser Seite das Problem beleuchtet wird. Ich bin fest überzeugt, daß der Antrag des BHE mit dazu beitragen wird, die Lage der älteren Angestellten wirklich zu verbessern, weil sich unsere Ausschüsse durch ihn gezwungen sehen, sich intensiv mit diesem Problem zu befassen.