Rede von
Philipp
Wehr
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe zu unserem Entschließungsantrag Umdruck 71 *), den wir Ihnen zu diesem Abkommen vorgelegt haben, eine kurze Begründung zu geben. Nach Art. V des Abkommens ist vorgesehen, daß Verhandlungen über einen neuen, zeitgemäßeren Vertrag geführt werden sollen, einen Vertrag, der auch wieder als FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag laufen soll. Mir liegt daran, ein paar spezielle Gebiete anzuschneiden, die bei dieser Neuaushandlung unbedingt berücksichtigt werden müssen.
Wenn dieser Vertrag tatsächlich ein Freundschaftsvertrag sein und wenn diese Freundschaft so verankert werden soll, daß sie die Völker wirklich berührt, dann darf diese Freundschaft nicht nur den Handelsvertretern, den reisenden Kaufleuten oder den zu tätigenden Geschäften zugute kommen, sondern dann sollte man diejenigen nicht aus dem Auge lassen, die das Bindeglied dieser Freundschaft sind. Ich denke dabei an die Arbeitnehmer, die als Besatzungen auf unseren Schiffen die völkerverbindenden Meere befahren und die nun durch die Entwicklung der gerade ihren Beruf berührenden Beziehungen erheblich betroffen worden sind. Seit dem 1. Januar dieses Jahres ist das McCarran-Gesetz in Kraft, das die Einwanderung und das Betreten amerikanischen Bodens für Ausländer regelt. Nach diesem Gesetz müssen die Seeleute, die bisher auf Grund ihres Seefahrtbuchs jederzeit von Schiff an Land gehen konnten, ein Visum vorlegen, das ihnen bei den Konsulaten in Bremen und Hamburg ausgestellt wird. Um dieses Visum zu erlangen, haben die Seeleute einen 80 Fragen umfassenden Fragebogen auszufüllen. Damit die Antworten beweiskräftig sind, müssen sie durch Dokumente belegt werden. Die Handhabung dieses inneramerikanischen Gesetzes hat zu erheblichen Schwierigkeiten geführt. Ich glaube, das ist auch dem Auswärtigen Amt durchaus geläufig; denn der Schriftwechsel, der in dieser Frage geführt worden ist, dreht sich allerdings nur um die technischen Dinge, nicht aber darum, wie sich dieses Gesetz auf unsere Seeleute überhaupt auswirkt.
Mir ist bekannt, daß andere große seefahrende Nationen — Engländer und Franzosen — auf Grund der Aussagen der Vertreter des Konsulats erhebliche Einsprüche erhoben haben. Wenn der zukünftige Vertrag ausgehandelt wird, wird es notwendig sein, eine Regelung zu treffen, die es
*) Siehe Anlage 1.
vermeidet, daß die Seeleute durch die volle Schwere dieses Gesetzes getroffen werden, das ja eigentlich auf einen dauernden oder längeren Aufenthalt in den USA zugeschnitten ist. Wir haben es bei der Wiederindienststellung eines ersten großen Passagierschiffes erleben müssen, daß gleich auf den ersten Anhieb 35 Mann von Bord gewiesen wurden, weil sie nicht in den Besitz des Visums gelangen konnten. Der Grund hierfür war nicht etwa, daß es sich um Menschen gehandelt hätte, die eine Gefahr für USA darstellten, sondern daß z. B. die Verurteilung vor einem amerikanischen Gericht in der Besatzungszone wegen des Besitzes von einem Stück Toilettenseife, einer Dose Milch, die der Betreffende in den Hungerjahren aus dem Hafen an sich genommen hatte — Wert 57 Cents —, jemanden zu einer moralisch verworfenen Person stempelte. Das hindert ihn, seinem Beruf nachzugehen, denn man kann es keinem Reeder verdenken, wenn er Schwierigkeiten mit einer Besatzung vermeiden will. Denn auch die Trampschiffahrt, bei der nicht unbedingt auf USA gefahren wird, kann den an Bord befindlichen Seemann in die Verlegenheit bringen, daß doch ein amerikanischer Hafen angelaufen wird, und die Schiffsführung setzt sich dadurch erheblichen Schwierigkeiten aus.
Ich möchte daher bitten, dem Teil unserer Entschließung, der sich der Seeleute annimmt, in der Form Rechnung zu tragen, daß bei der Neufassung des Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrags eine Formulierung gesucht wird, die den Interessen beider Nationen gerecht wird. Jedenfalls sollte der deutsche Seemann auf einem deutschen Schiff die Rechte genießen, die jeder deutsche Arbeitnehmer an einer deutschen Arbeitsstelle für sich in Anspruch nehmen kann: seinen Beruf frei auszuüben.
Zum Zweiten hat sich unsere Entschließung der Frage der Einfuhr amerikanischer Filme angenommen. Diese Frage hat mein Parteifreund Kalbitzer bereits in der Debatte am 2. April vor diesem Hause behandelt. Ich kann mich daher kurz fassen. Selbstverständlich soll ein Freundschaftspakt die Möglichkeit geben, Kulturgüter auszutauschen, Kulturgüter einander zukommen zu lassen, sie den Völkern kenntlich zu machen. Aber es sollte auch auf Verständnis dafür gedrungen werden, daß eine Überschwemmung des deutschen Marktes mit amerikanischen Produkten, wie es in der vergangenen Zeit geschehen ist, einer vernünftigen Relation zur deutschen Produktion weichen sollte.
Zum Dritten ist die Frage der Behandlung deutscher Arbeitnehmer im Lande aufgenommen worden, die in Arbeitsstätten bei US-Dienststellen
tätig sind und unter der Kommandogewalt der Besatzungsmacht stehen. Wir mußten leider Gottes feststellen, daß von den sozialen Rechten den Rechten, die ihm das Arbeitsrecht gibt, diesen Arbeitnehmern bisher noch sehr wenig zugebilligt ist. Man könnte sagen, außer der Angleichung der Bezahlung an die TOA und dem Mutterschutzgesetz ist das gesamte soziale, arbeitsrechtliche Gebäude hiervon berührt. Da wird es notwendig sein, daß die Grundrechte, die uns einmal gegeben worden sind, nun auch so im Volke Fuß fassen, daß auch derjenige davon überzeugt ist, daß ihm das Grundgesetz, daß ihm das Arbeitsrecht zur Seite steht, dessen Arbeitgeber amerikanische Dienststellen oder amerikanisch beaufsichtigte Betriebe sind.
Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang aber noch auf ein Weiteres hinweisen. Freundschaft sollte nicht eine leere Deklamation sein, sollte nicht bloß eine Vokabel, nicht bloß eine Präambel über einem Vertrag darstellen, sie sollte nicht bloß von Regierungen, Dienststellen und Behörden, sondern tatsächlich von den Völkern getragen werden. Aus diesem Grunde sollte auch der Handhabung des Besatzungsrechts ein Augenmerk gewidmet werden. Selbstverständlich, das Besatzungsstatut ist noch in Kraft. Wir haben die Auswirkungen in den jüngsten Tagen zu spüren bekommen, als in Bremerhaven über 100 Grundbesitzer und 50 Familien mit ihren Wohnungen von einer Requisitionsanordnung betroffen worden sind, nach der sie ihr Eigentum verlieren müssen, damit für die Unterbringung der Familienangehörigen der Besatzungstruppen Gebäude errichtet werden. Es dürfte durchaus notwendig sein, auch von Regierungsseite die mittleren und unteren Dienststellen einmal darauf hinzuweisen, daß das Besatzungsrecht auf keinen Fall einen Ersatz für schwierig zu handhabende deutsche Gesetze darstellen soll, wie es in dem Falle Bremerhaven geschehen ist. Hier haben sich deutsche Dienststellen das Besatzungsrecht zunutze gemacht, um der nunmehr befreundeten Macht klarzumachen, daß die Requisition die beste Möglichkeit ist, Schwierigkeiten aus deutschen Gesetzen zu umgehen. Ich möchte nur diesen kleinen Hinweis geben. Zu anderer Zeit wird sich noch Gelegenheit finden, auf eine solche Praxis hinzuweisen.
Ich möchte Sie nun bitten, meine Damen und Herren, unserem Entschließungsantrag auf Umdruck 71 zuzustimmen, damit der zukünftige Vertrag auch tatsächlich ein Vertrag werde, der die Freundschaft dokumentiert.