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ID0203102500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    2. Deutscher Bundestag — 31. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954 1437 31. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 26. Mai 1954. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 1438 C, 1480 B Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr Becker (Hersfeld) 1438 D Beschlußfassung des Bundesrats zu Gesetzesbeschlüssen des Bundestags 1438 D Mitteilung über Stellungnahme des Bundesrats zum Haushaltsgesetz 1954 (Drucksache 539) 1439 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Beauftragung von Einrichtungen der freien Wohlfahrtspflege mit der nichtgewerbsmäßigen Arbeitsvermittlung zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts (Drucksache 223); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit (Drucksache 419) . . 1439 A Frau Dr. Bleyler (Freiburg) (CDU/ CSU), Berichterstatterin 1439 A Könen (Düsseldorf) (SPD) 1440 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1440 D Sabel (CDU/CSU) 1441 B Frau Schanzenbach (SPD) 1442 B Frau Finselberger (GB/BHE) . . . 1443 C Frau Dr. Brökelschen (CDU/CSU) . 1443 D Abstimmungen 1440 B, 1444 C Erste Beratung des von der Fraktion des GB/BHE eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Behebung der Berufsnot der älteren Angestellten (Drucksache 346) . . 1444 C Frau Finselberger (GB/BHE), Antragstellerin 1444 C, 1456 B Storch, Bundesminister für Arbeit 1446 D, 1453 B, 1456 B Hansen (Köln) (SPD) . . . . 1447 C, 1457 B Schneider (Hamburg) (CDU/CSU) . 1450 C Becker (Hamburg) (DP) 1453 C Frau Wolff (Berlin) (SPD) 1455 A Sabel (CDU/CSU) 1457 D Überweisung an den Ausschuß für Arbeit und an den Ausschuß für Wirtschaftspolitik 1458 C Fortsetzung der dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den FreundschaftsHandels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksache 71); Mündlicher Bericht des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (Drucksache 218, Anträge Umdrucke 71, 112) 1458D, 1509A, B Dr. Hallstein, Staatssekretär des Auswärtigen Amts . 1458 D, 1461 B, C, 1464 D Dr. Arndt (SPD) . . . 1459 D, 1461 C, 1463 B Dr. Lütkens (SPD) 1462 A Wehr (SPD) 1463 C Abstimmungen 1465 D Tatsächliche und persönliche Erklärung nach § 36 der Geschäftsordnung (betr. Berichterstattung in der 28. Sitzung zum Antrag auf Genehmigung zum Strafverfahren gegen den Abg. Dr. Löhr): Ritzel (SPD) 1466 A Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der FDP betr. Förderungsprogramm für die Zonenrandgebiete (Drucksache 293) in Verbindung mit der Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316, Umdruck 113), mit der Ersten Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Umsatzsteuergesetzes (Drucksache 510), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Kredithilfe für die mittelständische Wirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 432), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Straßenbau im Zonenrandgebiet (Drucksache 433), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Hilfsmaßnahmen für die Landwirtschaft im Zonenrandgebiet (Drucksache 434), mit der Beratung des Antrags der Fraktion der SPD betr. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen im Zonenrandgebiet (Drucksache 435) sowie mit der Beratung des Antrags der Abg. Wacher (Hof), Fuchs, Freiherr Riederer von Paar u. Gen. betr. Beihilfe für Grenzbauern (Drucksache 529) 1467 B, 1509 D Dr.-Ing. Drechsel (FDP), Anfragender 1467 C Dr. Bleiß (SPD), Anfragender . . . 1470 D Dr. Westrick, Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft . . 1474 A 1497 C Frau Dr. BrökeLschen (CDU/CSU): zur Geschäftsordnung 1477 B zur Sache 1489A, 1505 C Dr. Gülich (SPD): zur Geschäftsordnung 1478 A zur Sache 1503B, 1505 C Kurlbaum (SPD), Antragsteller . . 1478 A Hörauf (SPD), Antragsteller . . . . 1480 B Freidhof (SPD), Antragsteller . . . 1481 C Dr. Schmidt (Gellersen) (SPD), Antragsteller 1482 D Behrisch (SPD), Antragsteller . . 1484 A Wacher (Hof) (CDU/CSU), Antrag- steller 1486 A Frau Korspeter (SPD) 1487 B Dr. Henn (FDP) 1493 B Dr. Dittrich (CDU/CSU) 1495 B Unertl (CDU/CSU) 1497 D Höhne (SPD) 1499 A Seiboth (GB/BHE) 1500 D Kahn (CDU/CSU) 1506 B Priebe (SPD) 1507 A Jacobs (SPD) 1507 C Dr. Starke (FDP) 1507 C Ausschußüberweisungen 1508 C Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP, GB/BHE, DP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung der Mitglieder des Bundestages (Drucksache 540) 1509 C Überweisung an den Haushaltsausschuß 1509 C Nächste Sitzung 1509 C Anlage 1: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 71) 1509 A Anlage 2: Entschließungsantrag der Fraktion der SPD betr. Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika (Umdruck 112) 1509 C Anlage 3: Antrag der Fraktion der SPD betr. Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Umdruck 113) 1509 D Die Sitzung wird um 9 Uhr 1 Minute durch den Vizepräsidenten Dr. Jaeger eröffnet.
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    Anlage 1 Umdruck 71 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zum Entwurf eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die Bundesregierung wird aufgefordert, nach der Wiederinkraftsetzung des Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen bemüht zu sein, baldigst diesen Vertrag gemäß Art. V des Abkommens durch einen zeitgemäßen und umfassenden Vertrag zu ersetzen und dafür Sorge zu tragen, daß Art. II in Verbindung mit Art. IX des Vertrages eine Auslegung findet, a) die die Diskriminierung der auf deutschen Schiffen tätigen deutschen Seeleute auf Grund der Handhabung des „Immigration and Nationality Act" beseitigt, b) die die Regelung der Einfuhr von Filmen der US-Produktion in die Bundesrepublik in eine angemessene Relation zur Produktion der Bundesrepublik bringt, c) daß bei der Regelung der Grundrechte nach Art. II und VIII die deutschen Arbeitnehmer, die in der Bundesrepublik bei US-Dienststellen beschäftigt sind, ungeschmälert die Rechte aus den Bestimmungen des deutschen Arbeitsrechtes in Anspruch nehmen können. Bonn, den 27. April 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 2 Umdruck 112 Entschließungsantrag der Fraktion der SPD zur dritten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. Juni 1953 über den Freundschafts-, Handels- und Konsularvertrag zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 mit seinen Abänderungen (Drucksachen 218, 71). Der Bundestag wolle beschließen: Die vom Bundeskanzler am 3. Juni 1953 mündlich abgegebene Erklärung ist nicht Bestandteil des Abkommens vom 3. Juni 1953 und des durch dieses Abkommen bestätigten Freundschafts-, Handels-und Konsularvertrages zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 8. Dezember 1923 und kann daher Rechte aus dem Vertrage vom 8. Dezember 1923 nicht mindern. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion Anlage 3 Umdruck 113 Antrag der Fraktion der SPD zur Beratung der Großen Anfrage der Fraktion der SPD betreffend Wirtschaftshilfe für die Zonenrandgebiete (Drucksache 316). Der Bundestag wolle beschließen, für kulturelle Hilfsmaßnahmen im Zonengrenzgebiet im Verlauf der nächsten fünf Jahre Bundeszuschüsse in Höhe von jährlich 25 Millionen DM zu gewähren. Bonn, den 25. Mai 1954 Ollenhauer und Fraktion
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    Rede von Werner Hansen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion wird der Ausschußüberweisung des vom GB/BHE beantragten Gesetzentwurfs zustimmen, macht allerdings den Vorschlag, ihn nicht nur dem Sozialpolitischen Ausschuß, sondern auch dem Ausschuß für Arbeit zu überweisen.

    (Abg. Sabel: Der ist ja an sich zuständig!) Jedenfalls möchten wir empfehlen, daß beide Ausschüsse damit beschäftigt werden.

    Die Frau Abgeordnete Finselberger hat in einer sehr scharmanten und eindrucksvollen Form dargestellt, daß hier ein echtes Problem vorliegt. Ich glaube, es ist niemand in diesem Hause, der der Frau Abgeordneten nicht darin zustimmt, daß bei den älteren Angestellten eine Notlage vorliegt und daß ihnen in irgendeiner Form geholfen werden muß. Meine Fraktion ist allerdings der Meinung, daß der Entwurf, wie er jetzt vorliegt, nicht ausreichend ist, um den stellenlosen älteren Angestellten eine wirksame Hilfe zu geben. Während wir uns in diesem Hause mit dem Problem beschäftigen, beschäftigt sich in Genf der Beratende Ausschuß für Angestellte und geistig Schaffende mit der gleichen Frage. Damit ist .gezeigt, daß es sich nicht nur um eine Angelegenheit handelt, die in der deutschen Bundesrepublik eine Rolle spielt, sondern daß es sich um ein internationales Problem handelt.
    Herr Bundesminister Storch hat soeben erklärt, in seinem Ministerium sei bisher niemals die Meinung vertreten worden, daß eine gesetzliche Regelung nicht erforderlich sei. Ich muß den Herrn Bundesminister Storch darauf hinweisen, daß dem Petitionsausschuß gegenüber eine solche Erklärung aus seinem Ministerium schriftlich abgegeben worden ist.

    (Lebhafte Rufe bei der SPD und beim GB/BHE: Hört! Hört!)

    Ich bitte den Herrn Minister, sich diese schriftliche Erklärung doch einmal anzusehen.

    (Zuruf von der SPD: Das weiß er nicht!)

    Wir freuen uns allerdings, daß in dem Ministerium offenbar inzwischen ein Meinungswechsel stattgefunden hat, — wenn wir berücksichtigen, was wir aus dem Munde des Herrn Ministers selber soeben gehört haben.

    (Zuruf von der SPD: Das soll schon mal vorkommen!)

    Wir stimmen, wie gesagt, der Ausschußüberweisung zu. Wir sind allerdings der Meinung, daß der vorliegende Gesetzentwurf des BHE nicht geeignet ist, die Not der stellenlosen älteren Angestellten wirksam zu beheben. Das möchte ich Ihnen an einigen Beispielen darstellen. Aus einer Untersuchung der Altersgliederung der beschäftigten Angestellten z. B. in Nordrhein-Westfalen geht hervor, daß der Gesamtdurchschnitt des Anteils der beschäftigten männlichen älteren Angestellten in allen Wirtschaftszweigen im November 1951 39,7% betrug.


    (Hansen [Köln])

    In den strukturbestimmenden Wirtschaftszweigen dieses Landes ist der vom BHE gewünschte Anteil von 40 % bereits jetzt wesentlich überschritten.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Im Bergbau, bei der Gewinnung und Verarbeitung von Steinen und Erden und in der Energiewirtschaft beträgt der Anteil der über 45 Jahre alten beschäftigten Angestellten nicht nur 40 %, sondern
    hören Sie genau hin! — 54,3%.

    (Erneute Rufe von der SPD: Hört! Hört!)

    In der Eisen- und Metallerzeugung und -verarbeitung beträgt dieser Anteil 43,5 %, in der sonstigen verarbeitenden Industrie 41,2 %, in der Verkehrswirtschaft — ohne die Bundespost, Bundesbahn und Schiffahrt — 51%.
    Für diese im Rahmen der Gesamtwirtschaft bestimmenden Wirtschaftszweige hat der von dem BHE eingebrachte Gesetzentwurf also keinerlei praktische Bedeutung. Er könnte den älteren .Angestellten in keiner Weise helfen, jedenfalls soweit es das Land Nordrhein-Westfalen angeht. Wir halten es im Gegenteil — das müssen wir Ihnen offen erklären — sogar für möglich, daß, wenn der Entwurf in dieser Form Gesetz wird, die Gefahr heraufbeschworen wird, daß man in diesen Wirtschaftszweigen zu der Überlegung kommt, die über den gesetzlich geforderten Anteil hinaus beschäftigten Angestellten abzubauen.
    Nun gibt es in Nordrhein-Westfalen einen Industriezweig, der etwas unter der 40-%-Grenze liegt, und zwar das Bau- und Bauhilfsgewerbe mit 38,3%. Der wichtigste Wirtschaftszweig für die Beschäftigung älterer Angestellter bleiben Handel, Banken und Versicherungen. Hier beträgt der Anteil der über 45 Jahre alten beschäftigten Angestellten nur 29,8 %.

    (Abg. Samwer: Das ist sehr bedauerlich!)

    Der vorliegende Antrag des BHE würde also im wesentlichen diesen Wirtschaftszweig betreffen. Aber da heißt es wieder in § 1 des Entwurfs, daß die Bestimmungen des Gesetzes nur auf Betriebe mit mehr als sieben beschäftigten Angestellten anwendbar sind. Das bedeutet nichts anderes, als daß gerade in dem noch übrigbleibenden Zweig des Handels mit den vielen Kleinbetrieben mit weniger als sieben Angestellten die Anwendung des Gesetzes nicht in Frage kommt.

    (Abg. Samwer: Natürlich, weil es den Kleinbetrieben schwer zugemutet werden kann!)

    Auch hier zeigt sich also, wenn man etwas genauer hinsieht, daß der Gesetzentwurf des BHE den älteren Angestellten eine bloße Fata Morgana vorgaukelt.

    (Widerspruch beim GB/BHE. — Abg. Frau Finselberger: Dann hätten Sie ja mal was Besseres vorlegen können!)

    Die Prozentzahlen, die ich für Nordrhein-Westfalen genannt habe, treffen aber nicht nur für dieses Gebiet zu. Sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund als auch die Deutsche Angestelltengewerkschaft haben sich bereits mit dieser Frage befaßt und kommen zu dem Ergebnis, daß auch für das Bundesgebiet die Erfüllung einer Pflichtquote von 40% unzureichend wäre. So schreibt z. B. die DAG-Zeitschrift „Der Angestellte" auf Grund einer umfassenden Erhebung, deren Auswertung allerdings noch nicht abgeschlossen ist, daß der Anteil älterer Angestellter höher sei als allgemein angenommen werde, so daß es fraglich erscheine, ob
    man mit dem Mittel einer 40%igen Pflichtquote die Not der älteren Angestellten tatsächlich spürbar mildern könnte.

    (Abg. Samwer: Setzen Sie doch die Quote höher!)

    Es kommt also darauf an, daß wir uns den Gesetzentwurf des BHE im Ausschuß einmal sehr genau ansehen und zur Grundlage für eine ausführliche Beratung nehmen. Wir müssen allerdings feststellen, daß jedenfalls der Entwurf, wie er vorliegt, offenbar noch nicht sehr viel geistige Anstrengung verrät, das Problem in irgendeiner vernünftigen Weise zu lösen.

    (Abg. Samwer: Vielleicht kommt Ihre hinzu!)

    Was bei der vorgeschlagenen Global quote von 40 % ebenfalls völlig unberücksichtigt bleibt, ist der erhebliche Unterschied in der Lage der technischen und der kaufmännischen oder der weiblichen und männlichen Angestellten. Die Beschäftigungslage der älteren Techniker z. B. ist weitaus günstiger als die der älteren kaufmännischen Angestellten. Im ganzen sehr viel ungünstiger erscheinen die Beschäftigungsaussichten für die älteren weiblichen Angestellten. Hier sinkt der Anteil vom 35. Lebensjahr ab ständig unter den entsprechenden Anteil dieser Altersklassen an der Gesamtheit der Erwerbspersonen. Das bedeutet, daß wir, wenn wir überhaupt eine Lösung finden wollen, nicht mit einer Globalquote für alle auskommen werden, sondern daß wir differenzieren müssen. Ich weise also zunächst nur darauf hin, daß es mit dem Entwurf, so wie er vorliegt, nicht geht.

    (Lachen beim GB/BHE. — Abg. Samwer: Kleine Abänderungen!)

    Eine andere Frage, die natürlich sehr genau zu überlegen wäre, ist, ob es überhaupt sinnvoll erscheint, der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung ein weiteres Gesetz aufzuerlegen, durch das neue Zwangsquoten im Interesse einer bestimmten Personengruppe bei der Beschäftigung festgelegt werden. Ich erinnere daran, daß das Schwerbeschädigtengesetz in seiner Durchführung bereits auf größere Schwierigkeiten stößt. Frau Abgeordnete Finselberger hat zwar gesagt, daß es sich hier um etwas grundsätzlich anderes handle als beim Schwerbeschädigtengesetz, doch ist ihr meines Erachtens die Begründung nicht ganz gelungen. Im Prinzip haben wir es bei dem vorliegenden Gesetz mit etwas Ähnlichem zu tun, nämlich mit einer Zwangsquote, wie sie auch das Schwerbeschädigtengesetz vorsieht. Ich weise außerdem darauf hin, daß es auch einige andere solcher Gesetze gibt, z. B. das 131er Gesetz, das in seinen Auswirkungen vor allen Dingen auf die Nachwuchspolitik der öffentlichen Verwaltung sehr schwerwiegende Bedeutung hat. Ich glaube, auch dieses Problem muß man im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf sehr gründlich überlegen.
    Meine Damen und Herren, was darüber hinaus der Überlegung wert wäre, ist die Frage, ob es überhaupt zweckmäßig erscheint, für Beschäftigte einer bestimmten Personengruppe bereits vom 45. Lebensjahre an mit irgendeiner Art fürsorgerischer Maßnahme zu beginnen, die in ihrer Konsequenz noch dazu eine Subvention solcher Betriebe bedeuten würde, die sich in ihrer Beschäftigungspolitik bisher nicht sozial benommen haben. Wie würde im übrigen die Auswirkung auf solche


    (Hansen [Köln])

    Betriebe und Wirtschaftszweige sein, die, wie ebenfalls eingangs erwähnt, heute bereits mehr als 40 % über 45 Jahre alte Angestellte beschäftigen? Ich stelle die Frage, ob nicht nach dem Gesetzentwurf des BHE bei der künftigen Beschäftigungspolitik dieser Betriebe und Wirtschaftszweige ein ausgesprochen unsoziales Gefälle, geschaffen wird, das für unsere gesamte Wirtschaft gefährliche Konsequenzen haben könnte.

    (Abg. Samwer: Na, na!)

    Meine Fraktion vertritt die Ansicht, daß der qualifizierte Angestellte wie auch der Facharbeiter auf Grund seines umfassenden Könnens keine Belastung, sondern einen Gewinn für jeden wirtschaftlich geleiteten Betrieb darstellt. Wenn wir ältere Angestellte und als Konsequenz dann auch andere ältere Berufsangehörige nach einem solchen Gesetz als Fürsorgefälle behandeln, müssen wir uns darüber klar sein, daß damit möglicherweise die Grundlage einer vernünftigen Berufspolitik überhaupt gefährdet wird.
    Frau Abgeordnete Finselberger hat auch die Arbeitsverwaltung angesprochen. Ich darf Sie vielleicht daran erinnern, daß die Arbeitsverwaltung gemeinsam mit den Gewerkschaften und den Arbeitgeberverbänden seit Jahren versucht hat, sich dieses Problems der älteren Angestellten besonders anzunehmen.

    (Abg. Samwer: Ist aber leider nicht erreicht worden!)

    Es ist unseren gemeinsamen Bemühungen, z. B. in Nordrhein-Westfalen, tatsächlich gelungen, die Zahl der dort arbeitslosen älteren Angestellten auf etwa die Hälfte herabzudrücken. Aber ich will damit nicht sagen, daß nun alle Anstrengungen
    gemacht seien und nicht mehr getan werden könne. Ich bin der Überzeugung, daß mehr getan werden muß, als bisher getan worden ist.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Samwer: Hätte längst geschehen können!)

    Im übrigen müssen wir uns aber darüber klar sein, daß wir, wenn wir diesem Entwurf in der vorliegenden Form folgen, das Problem nicht vernünftig lösen werden.

    (Abg. Samwer: Ihre Ansicht!)

    Wenn man sich die Arbeitslosenzahl etwas näher
    ansieht, kann man feststellen, daß sich auch
    Arbeitslose aus anderen Berufszweigen in einer
    ähnlichen Situation wie die älteren Angestellten
    befinden; denn obwohl es gelungen ist, die Zahl
    der Arbeitslosen insgesamt zu senken, ist doch allgemein der Prozentsatz der Unterstützungsempfänger, die über 45 Jahre alt sind, stetig gestiegen.

    (Abg. Samwer: Na also!)

    Insofern dürfte also nicht nur ein Problem der Hilfeleistung für ältere Angestellte vorliegen, sondern ein Komplex, der sich auf alle Berufszweige in unserer modernen Wirtschaft erstreckt, ein Problem, das ebenfalls einer eingehenden Untersuchung bedürfte. Ich hoffe, daß wir in den Beratungen des Ausschusses auch an diese Frage herangehen können. Sie hat natürlich auch für die Art, in der wir das Problem der älteren Angestellten lösen, Konsequenzen, weil wir selbstverständlich nicht Präzedenzfälle schaffen können, sondern eine Gleichberechtigung aller fordern müssen.

    (Abg. Samwer: „Gleichberechtigung"?)

    Eine andere Schwierigkeit, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf nicht behoben wird, besteht darin, daß die verwendbaren stellenlosen
    älteren Angestellten sehr oft nicht an den Orten ansässig sind, an denen sie Arbeit finden können. Bei den qualifizierten älteren Angestellten handelt es sich durchweg um Kräfte mit Spezialkenntnissen, für die an ihren Wohnorten manchmal keine Verwendung besteht. Für diese Menschen ist in dem vorliegenden Gesetzentwurf keine Hilfe vorgesehen. Jedenfalls wäre für alle diese Fälle eine finanzielle Zuwendung an die Unternehmungen weniger wichtig als die finanzielle Unterstützung der in Frage kommenden Personen selber, damit sie in die Orte übersiedeln können, wo ihnen eine Stellung vermittelt werden kann. An den Unterhaltsliosten der Familie, der Wohnungsbeschaffung und den Umzugskosten scheitern heute noch häufig aussichtsreiche Anstellungsverhandlungen.

    (Abg. Samwer: Alles bekannt!)

    Gewiß können heute schon manchmal reine Umzugskosten übernommen werden, andere Unkosten aber nicht. Wir haben im Rahmen der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung auch dieses Problem sehr eingehend diskutiert. Im Augenblick sind wir dabei, die Frage zu überprüfen, ob solchen Stellenlosen, die im überbezirklichen Ausgleich vermittelt werden sollen, für die Beschaffung einer Wohnung ein Darlehen oder ein Zuschuß oder sonst etwas gegeben werden kann. In den bevorstehenden Ausschußberatungen gilt es zu überlegen, ob größere Erleichterungen für solche erforderlichen Umsiedlungen möglich sind oder ob dafür neue gesetzliche Grundlagen geschaffen werden müssen bzw. ob z. B. noch eine Erweiterung des AVAVG erforderlich ist.
    Meine Damen und Herren, waren in der Mitte der 20er Jahre die stellenlosen älteren Angestellten überwiegend qualifizierte Kräfte, so haben wir es in der heutigen Situation daneben mit einer nicht geringen Zahl von stellenlosen Angestellten zu tun, die aus anderen Berufen in ein Angestelltenverhältnis übergewechselt sind und heute mangels umfassender Berufskenntnisse keine Beschäftigung als Angestellte finden können. Nach der Bildung der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung hat die Selbstverwaltung immer wieder darauf gedrängt, der Berufsfortbildung besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Im diesjährigen Etat der Bundesanstalt ist für Berufsfortbildungsmaßnahmen ein Betrag von 31/2 Millionen DM eingesetzt. Dadurch wird es möglich sein, in 1400 Lehrgängen mit einer Teilnehmerzahl von insgesamt 28 000 gewissen Mängeln abzuhelfen, die heute ebenfalls noch die Vermittlung erschweren.
    Der Verwaltungsrat, also die Selbstverwaltung der Bundesanstalt hat darüber hinaus als eine seiner ersten Arbeiten die Richtlinien zur Förderung der Arbeitsaufnahme geändert, um sie den augenblicklichen wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen und um eine möglichst großzügige Ausnutzung der Möglichkeiten des AVAVG zu erreichen. Auf Grund dieser Richtlinien ist es heute möglich, beim Antritt einer Beschäftigung einen Reisekostenzuschuß zu geben, Überbrückungsgelder zu bewilligen, falls es bis zur ersten Gehaltszahlung zu finanziellen Schwierigkeiten kommt, und Trennungsbeihilfen bis zu 52 Wochen zu gewähren, die bis zu dem Unterstützungssatz gehen können, den der Arbeitslose bisher bezogen hat. Bei der Beratung dieser Richtlinien haben wir uns ebenfalls überlegt — das sagte ich auch schon —, ob es möglich sei, Wohnungsbaudarlehen in solchen Fäl-


    (Hansen [Köln])

    len zu geben, in denen auswärtige Arbeitsmöglichkeiten geschaffen werden können. Aber darüber hinaus wird es gerade bei der Arbeitsverwaltung z. B. erforderlich sein, die überbezirkliche Vermittlung mehr auszubauen, als das bisher der Fall gewesen ist, um für die Vermittlung der älteren Angestellten im überbezirklichen Ausgleich mehr tun zu können. Insgesamt hat die Bundesanstalt für solche Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsaufnahme im diesjährigen Etat bereits einen Betrag von etwa 10 Millionen DM ausgeworfen.
    Ich möchte also im Hinblick auf den vom BHE vorgelegten Gesetzentwurf auch davor warnen,

    (Abg. Samwer: Alter Warner!)

    nun zu Lasten der Bundesanstalt Entscheidungen
    zu treffen, ohne daß die finanziellen Konsequenzen
    solcher gesetzlichen Festlegungen genau durchdacht werden. Ich habe auch bei dem Gesetzentwurf des BHE den Eindruck, daß die finanziellen
    Auswirkungen nicht genau durchdacht worden
    sind; denn es handelt sich hier nicht nur — darauf
    habe ich vorhin schon hingewiesen — um das Problem der älteren Angestellten. Wenn wir für die
    älteren Angestellten etwas tun, werden wir sehr
    wahrscheinlich in der Konsequenz ähnliche Maßnahmen auch für Angehörige anderer Berufszweige
    treffen müssen, die in einer gleichen Situation sind.

    (Abg. Samwer: Bitte, beweisen Sie das!)

    Wir sollten uns also davor hüten, diesen noch gesunden Zweig der Sozialversicherung so anzusägen, daß er unter Umständen zum Vertrocknen kommen muß. Ich weise darauf hin, daß es bereits jetzt Bienen gibt, die aus diesem Versicherungszweig finanziellen Honig zu saugen suchen.

    (Abg. Samwer: Das ist aber kein Beweis!)

    Meiner Fraktion kommt es darauf an, daß dieser und andere Gesichtspunkte bei der sachlichen Beratung des Gesetzentwurfs berücksichtigt werden. Wir sind überzeugt, daß sich nicht ohne weiteres — leider! — solche Patentlösungen finden lassen, wie es sehr wahrscheinlich in dem Gesetzentwurf des BHE gedacht ist. Dafür ist das Problem zu komplex, als daß es

    (Abg. Samwer: Die Hauptsache: Helfen Sie!)

    in der Weise gelöst werden könnte, wie es dem BHE vorschwebt.
    Und nun, meine Damen und Herren vom BHE, kann ich Ihnen auch noch sagen, daß Sie offenbar einen mächtigen Verbündeten gefunden haben. Ich habe gerade in diesen Tagen eine Pressemeldung gelesen, daß sich künftig der Herr Bundeskanzler im Kabinett selber für die Interessen der älteren Angestellten einsetzen werde

    (Abg. Horn: Das ist nicht neu! — Abg. Samwer: Das ist erfreulich!)

    und daß er dem Herrn Bundesarbeitsminister offenbar eine kleine Abteilung aus seinem Ministerium herausbrechen will, weil er wohl nicht will, daß das Problem der älteren Angestellten in der gleichen Weise „gelöst" wird wie das Problem der Sozialreform. Wir können uns also über die mächtige Hilfe freuen, die wir hier bekommen. Ich hoffe, daß wir dann auch noch in gleicher Weise die Hilfe des Bundesfinanzministers bekommen werden. Aber ich glaube, daß, wenn der Herr Bundeskanzler selber hier mitmacht, wir da auch einiges an Unterstützung erfahren. Ich hoffe, daß es uns dann in gemeinsamer sachlicher Beratung
    gelingt, für die älteren Angestellten eine vernünftige Lösung zu finden. Aber noch einmal: was hier vorgeschlagen wird, ist noch völlig unzureichend.

    (Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Richard Jaeger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schneider.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Georg Schneider


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Angestellten und insbesondere die älteren Angestellten werden es sicherlich dankbar begrüßen, daß an sichtbarster Stelle der Öffentlichkeit wieder einmal, wie auch schon früher an dieser Stelle, eines der brennendsten Probleme des heutigen sozialen Lebens erörtert wird. Aber der Bundestag wird auch mit Verantwortungsbewußtsein an die Erledigung der Frage herangehen müssen und wird nicht Hoffnungen erwecken dürfen, die dann am Ende enttäuscht werden müßten.

    (Abg. Samwer: Müßten?)

    Das Problem ist heute hier auch nach der zahlenmäßigen Größe angesprochen worden, und es ist eine Meinungsverschiedenheit aufgetaucht, ob es nun 70 000, 80 000 oder 100 000 Menschen seien, um die es sich hier handle. Es kommt ganz darauf an, mit welchem Alter man beginnen will, wenn man von den „älteren Angestellten" spricht. Wir wissen ja aus der Praxis, daß nicht nur die über 45jährigen Angestellten es sehr schwer haben, wieder eine Stellung zu bekommen, und seit vielen Jahren größtenteils arbeitslos sind, sondern daß das eigentlich schon mit 35 Jahren beginnt. Wenn man also die Grenze mit 35 Jahren setzen wollte, würde die Zahl eine vielfach höhere sein.

    (Abg. Samwer: Ein Zeichen der Krankheit unserer Zeit!)

    Die Besonderheit dieses Problems liegt darin, daß es sich um jahrelange, also nicht nur um kurzfristige, vorübergehende Arbeitslosigkeit handelt. Darin liegt eben die große Hoffnungslosigkeit für die Betroffenen. Das Problem hat eine menschliche, es hat eine volkswirtschaftliche und es hat eine politische Bedeutung.
    Die menschliche Seite: diese 80 000 oder 100 000 oder 150 000 Menschen stehen nun seit Jahren auf der Schattenseite des Lebens und müssen sich mit der kümmerlichen Arbeitslosenunterstützung begnügen.
    Das Problem hat aber auch eine politische Bedeutung. Es ist ganz klar, daß Menschen, die jahrelang in tiefster materieller Not leben, für politischen Radikalismus besonders anfällig sein können.
    Volkswirtschaftlich hat die Frage insofern eine Bedeutung, als Arbeitskraft, das kostbarste Kapital des deutschen Volkes, brachliegt, ja daß es das deutsche Volk allerlei Geld gekostet hat, diese Arbeitskraft überhaupt zu erzeugen; denn die Angestelltenberufe erfordern zum erheblichen Teil eine ziemlich kostspielige Ausbildung. Das weiterhin Betrübliche ist, daß diese kostbare Arbeitskraft durch die lange Arbeitslosigkeit naturgemäß verkümmert und dann, wenn sie vielleicht wieder eingesetzt werden könnte, nicht mehr von der Qualität ist, die man verlangt.
    Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß das Problem der älteren Angestellten kein spezifisch deutsches Problem ist; es ist ein internationales Problem. Mein Herr Vorredner hat auch


    (Schneider [Hamburg])

    darauf hingewiesen, daß dieses Problem kürzlich auf einer Spezialtagung der Angestellten in Genf auf internationaler Basis besprochen worden ist. Aber man kam nach den vielfachen Erfahrungen in allen Teilen der Welt und auch auf Grund der Urteile von Sachverständigen von Arbeitnehmer-und Arbeitgeberseite wie auch von Regierungsseite immer wieder zu der Feststellung: Leider, leider läßt sich dieses Problem durch ein Schlüsselgesetz nicht lösen.

    (Abg. Samwer: Warum nicht?)

    Nun fragt es sich: wie ist es denn überhaupt zu diesem Überangebot von Angestellten gekommen?

    (Abg. Pelster: Wir können keinen Zwang zur Einstellung mehr ausüben!)

    Primär ist es dazu gekommen, weil wir zwei Weltkriege hinter uns haben, d. h. nicht nur wir, sondern die ganze Welt.

    (Abg. Samwer: Das ist doch kein Argument!)

    Mit diesen Weltkriegen war die Zwangswirtschaft verbunden und damit ein Riesenbedarf von Arbeitskräften. Nunmehr ist diese Zwangswirtschaft — wir sagen: Gott sei Dank! — abgebaut worden; sie ist nicht mehr da, und nun ist diese Masse von Angestellten nicht mehr notwendig.
    Es kommt aber auch hinzu, daß die Heimatvertriebenen und Sowjetzonenflüchtlinge das Problem verschärft haben; denn die Heimatvertriebenen und Flüchtlinge sind vielfach in ländliche Bezirke gekommen, und soweit sie Angestellte sind, sitzen sie vielfach schon seit Jahren fest in Bezirken, in denen Angestelltentätigkeit wenig gefragt ist.
    Der Herr Bundesarbeitsminister hat schon ganz kurz angedeutet, woran es außerdem noch liegt, daß wir so viele überzählige Angestellte haben. Es ist eben leider in den letzten Jahren, j a schon seit Jahrzehnten ein allzu starker Andrang von seiten der jungen Leute in die Angestelltenberufe zu verzeichnen gewesen, und nun ist seit Jahren eine Störung des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage eingetreten. Das Gleichgewicht wiederherzustellen, das ist die Aufgabe.
    Die BHE-Fraktion, und insbesondere Frau Finselberger, versucht es nun mit dem Einstellungszwang im Wege eines Gesetzes. Nun, der Gedanke ist nicht originell, womit ich nicht etwa sagen will, man sollte nicht erneut diskutieren, ob es nicht auf diese Weise ginge. Aber originell ist der Gedanke deshalb nicht, weil man sich schon nach dem ersten Weltkrieg — das weiß Frau Finselberger genau so wie ich, weil sie wie ich auch damals schon auf demselben Gebiet beruflich tätig war — bemüht hat, zu erforschen, ob es denn nicht mit einem solchen Gesetz geht. Nach jahrelangen Beratungen kam man immer wieder zu der Feststellung — nicht etwa nur auf Arbeitgeberseite oder auf seiten der Regierungen und der Parlamente, sondern auch auf seiten der Gewerkschaften —, daß man leider, leider das Problem mit einem solchen Schlüsselgesetz nicht lösen, wahrscheinlich aber noch verschärfen würde. Darauf hat ja auch mein Herr Vorredner schon hingewiesen.

    (Abg. Samwer: In keiner Weise überzeugend!)

    — Wir werden uns ja im Ausschuß noch sehr ausführlich darüber unterhalten. Ich möchte schon vorweg bemerken: die Beratungen müssen nach meiner Meinung und nach Meinung meiner Fraktion primär im Ausschuß für Arbeit durchgeführt
    werden. Das ist der an sich zuständige Ausschuß. Wenn überhaupt erwogen werden sollte, noch einen zweiten Ausschuß hinzuzuziehen,

    (Abg. Samwer: Ausschuß für Sozialpolitik!) dann käme eventuell der Wirtschaftsausschuß in Frage,


    (Abg. Horn: Nur Ausschuß für Arbeit!)

    aber der Ausschuß für Sozialpolitik meiner Meinung nach auf keinen Fall.
    Nun ist hier jetzt die Frage aufgeworfen worden — und ich will versuchen, sie zu beantworten —, warum es denn mit einer Schlüsselung nicht ginge. Nun, einmal deshalb nicht, weil nach neuesten statistischen Feststellungen, und zwar auf Grund einer repräsentativen Erhebung der Deutschen Angestelltengewerkschaft, die Schlüsselzahlen viel höher gesetzt werden müßten, wenn ein solches Gesetz überhaupt Erfolg haben sollte.

    (Abg. Samwer: Kein Hindernis!)

    Es liegt gerade in dieser Stunde das ziemlich endgültige Ergebnis einer in den letzten Wochen durchgeführten Repräsentativerhebung der Deutschen Angestelltengewerkschaft vor. Es sind 2632 Betriebe der privaten Wirtschaft und 435 Dienststellen der öffentlichen Verwaltung in allen Ländern der Bundesrepublik untersucht worden. Erfaßt worden sind 182 953 männliche Angestellte und 98 200 weibliche Angestellte in der Privatwirtschaft, in der öffentlichen Verwaltung 45 655 männliche Angestellte und 26 575 weibliche Angestellte.
    Diese Zahlen sind dann, soweit die Privatwirtschaft in Frage kommt, für den Handel, die Industrie, Banken und Versicherungen und „sonstige" Wirtschaftszweige gegliedert worden, und da stellen wir fest — darauf ist von den Vorrednern schon hingewiesen worden —, daß die Schlüsselzahlen höher liegen müßten, als der BHE sie annehmen möchte. Im Handel sieht es am traurigsten aus. Und doch ist bekannt, daß gerade im Handel ein solches Schlüsselgesetz am schwersten durchzuführen wäre. Dort werden nur 32,10 % Angestellte, die über 46 Jahre alt sind, beschäftigt. In der Industrie dagegen sind es 44,20 %, bei Banken und Versicherungen 42,80 % und in den „sonstigen" Wirtschaftszweigen, die noch erfaßt worden sind, 46,80 %, im Durchschnitt also 42,90 %. Das sind die Zahlen für die männlichen Angestellten.
    Bei den weiblichen Angestellten sieht es katastrophal aus. Da ist ein Durchschnittssatz von 17,1 % zu verzeichnen. Wir sehen also, daß bei den weiblichen Angestellten zwar durch das Gesetz sehr wirksam, theoretisch gesehen, geholfen werden könnte; aber Sie werden selbst zugeben müssen, daß gerade in dem Wirtschaftszweig, in dem die weiblichen Angestellten ganz besonders stark beteiligt sind, nämlich im Handel — bekanntlich sind 80 % aller Angestellten im Handel weiblich —, ein solches Schlüsselgesetz am allerwenigsten allgemein angewendet werden kann. Ich will nicht im einzelnen auf die Gründe eingehen; ich glaube, eine solche Andeutung genügt.
    Bei den öffentlichen Verwaltungen sind 48,1% männliche Angestellte über 46 Jahre und 30,5 % weibliche Angestellte über 46 Jahre beschäftigt.
    Wir sehen also auf Grund der hier genannten Schlüsselzahlen einer Repräsentativerhebung, die immerhin etwa 10 % der Angestellten, gestreut über das ganze Bundesgebiet, erfaßt, daß mit einer


    (Schneider [Hamburg])

    Schlüsselzahl den Dingen leider — ich sage persönlich immer wieder: leider — nicht zu Leibe gegangen werden kann.
    Eine Untersuchung der Akademie für Gemeinwirtschaft in Hamburg ist im vorigen Jahre zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Da ist in sehr fleißiger monatelanger wissenschaftlicher Arbeit untersucht worden, wie man dem Problem der älteren Angestellten beikommen könnte, und insbesondere ist auch untersucht worden, ob hier mit einem Schlüsselgesetz Wandel geschaffen werden könnte. Ich will auf Einzelheiten des Gutachtens, einer sehr ausführlichen Schrift, nicht eingehen; es ist wahrscheinlich verschiedenen Kollegen hier im Hause bekannt. Jedenfalls kommt das Gutachten zu einem negativen Ergebnis. Gegenwärtig ist auch die Hochschule für Wirtschaft und Sozialwissenschaft in Nürnberg mit der gleichen Frage beschäftigt. Aber das, was man bisher an Zwischenergebnissen erfahren hat, ermuntert einen auch nicht etwa in der Meinung, daß die Dinge besser ausgehen werden, und, wie gesagt, im Ausland ist man ebenfalls einstimmig zu genau so negativen Feststellungen gekommen wie bei uns in Deutschland. Mit einem Schlüssel ist dem Problem nicht zu Leibe zu rücken.
    Nun wird mit Recht gesagt werden: Aber etwas muß doch geschehen. Ich persönlich könnte mir denken, daß mancherlei geschehen könnte. Und es ist ja auch schon mancherlei geschehen; aber es müßte noch viel mehr geschehen. Ich verweise auf die Verhandlungen, die von seiten der Gewerkschaften und der Arbeitgeberverbände mit Regierungsstellen wiederholt stattgefunden haben. Ich verweise weiter auf eine Teilaktion, die im vorigen Jahre in Baden-Württemberg durchgeführt worden ist, wo ohne gesetzlichen Zwang durch ein systematisches Einwirken, in Zusammenarbeit auch mit den Arbeitsämtern, 3000 Arbeitsplätze für ältere Angestellte an den verschiedensten Orten vermittelt werden konnten. Nach dieser Richtung hin wird natürlich noch viel mehr geschehen müssen.
    Ich möchte, um Ihre Aufmerksamkeit nicht zu lange in Anspruch nehmen zu müssen, nur andeuten, in welcher Richtung die Beratungen im Ausschuß für Arbeit gehen sollten. Ich persönlich bin der Meinung, daß es zunächst wichtig wäre, die Wiederherstellung und Hebung der beruflichen Leistungsfähigkeit durch Auffrischungs- und Fortbildungskurse und durch Umschulung durch die Dienststellen der Bundesanstalt in Nürnberg zu erreichen. Die Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände müßten dabei selbstverständlich mitwirken, insbesondere bei der Auswahl der Lehrgangsteilnehmer und bei der Festlegung der Lehrpläne.
    Dann ist hier schon von der Notwendigkeit einer inneren Umsiedlung gesprochen worden. Viele Angestellte sitzen in Gebieten, wo es beim besten Willen keine Arbeitsplätze für Angestellte gibt. Damit ist natürlich die Wohnraumbeschaffung für die Betreffenden, die umgesiedelt werden sollen, verbunden. Des weiteren ist dann auch, vorübergehend wenigstens, die Frage der doppelten Haushaltsführung zu regeln.
    Ein weiterer Weg ist die Ausstattung mit der erforderlichen Berufskleidung, um den Angestellten auch äußerlich wettbewerbsfähig zu machen und Minderwertigkeitskomplexe auszuschalten. Zu dieser sehr wichtigen Frage ist festzustellen, daß bei Angestellten die Berufskleidung mit dem
    Straßenanzug identisch ist. Das gilt vom Anzug, Mantel, Hut, von den Schuhen und auch von der Unterkleidung. Wir wissen ja, daß die Angestellten nach jahrelanger Arbeitslosigkeit mit ihrer Kleidung mehr oder weniger herunter sind. Mögen sie noch so qualifiziert sein, dem äußeren Eindruck nach erwecken sie, wenn sie sich vorstellen, nicht allzuviel Vertrauen und werden dann meistens nicht angestellt.
    Ein weiterer Weg ist die Verfeinerung der Arbeitsvermittlung bei den Arbeitsämtern und Landesarbeitsämtern, die Schaffung von Angestelltenvermittlungen und die Angliederung von Sonderausschüssen für Angestelltenfragen an die Verwaltungsausschüsse der Landesarbeitsämter und Arbeitsämter. Von dieser gesetzlichen Möglichkeit ist an verschiedenen Orten und in verschiedenen Bezirken in der letzten Zeit erfreulicherweise mehr und mehr Gebrauch gemacht worden. Die statistischen Ergebnisse ermutigen uns zu der Annahme, daß, wenn allgemein dem betreffenden Paragraphen des Gesetzes stattgegeben und solche Einrichtungen geschaffen würden, mindestens einem sehr großen Teil dieser Ärmsten der Armen geholfen werden könnte.
    Vorzuschlagen ist ferner die Beschleunigung der überbezirklichen Vermittlung, gegebenenfalls durch Schaffung einer Bundesvermittlungsstelle für Angestellte, wie sie für Akademiker und qualifizierte Techniker auf der Bundesebene in der Zentralausgleichsstelle für Arbeitsvermittlung in Köln-Mülheim bereits besteht.
    Was die Schaffung von Dauerarbeitsplätzen aus Mitteln des Lastenausgleichs anlangt, haben wir festgestellt, daß etwa 3000 Arbeitsplätze in diesem Rahmen bereits geschaffen worden sind. Auch aus den Mitteln der Bundesanstalt in Nürnberg müssen Dauerarbeitsplätze gefördert werden. Hierbei ist darauf Bedacht zu nehmen, daß bei den Arbeitsplätzen der Anteil der Dauerarbeitsplätze für Angestellte wesentlich erhöht wird. Bei den zuletzt geschaffenen Dauerarbeitsplätzen betrug der Anteil der Dauerarbeitsplätze für Angestellte nur 5 %. Dieser Anteil sollte auf mindestens 12% gehoben werden.
    Es wäre auch an echte Angestellten-Notstandsarbeiten, meinetwegen in öffentlichen Büchereien, Museen usw. zu denken, wo nach unseren Kenntnissen eine ganze Menge von Arbeiten ansteht, die mangels Etatmittel nicht erledigt werden können. Hier sollten aus den Mitteln der Arbeitslosenversicherungsanstalt in Nürnberg entsprechende Gelder für echte Notstandsarbeiten für Angestellte hergegeben werden.
    Es ist natürlich auch notwendig, daß von gewerkschaftlicher Seite noch mehr darauf gedrungen und von Arbeitgeberseite dem stattgegeben wird, daß in Tarifverträgen die Endgehälter in den einzelnen Stufen nicht mit 35 und 40 Jahren erst erreicht werden, sondern daß diese Endgehälter, vor allen Dingen in den unteren Gruppen, schon mit 25, höchstens mit 30 Jahren festgelegt werden, damit das Interesse eines Arbeitgebers — wegen der Höhe des Gehalts — nicht beim Alter des betreffenden Angestellten liegt.
    Wichtig wäre es auch — und ich möchte die Gelegenheit benutzen, den Herrn Bundesarbeitsminister daran zu erinnern —, daß endlich einmal der § 397 zur Durchführung kommt, ein Thema, das hier seit Jahren behandelt wird. Es ist auf die Dauer ein unerträglicher Zustand, daß ein arbeits-


    (Schneider [Hamburg])

    loser Angestellter, der ein Jahr arbeitslos und über 60 Jahre alt ist, wenn er in der französischen und amerikanischen Zone wohnt, seine Angestelltenversicherungsrente erhält, sie aber nicht bekommt, wenn er in der britischen Zone wohnt.

    (Sehr richtig! beim GB/BHE.)

    Das führt vielfach dazu, daß der Betreffende scheinbar in die französische oder amerikanische Zone hinüberzieht, um dann eben dort die Rente beziehen zu können. Man kann einem solch armen Teufel nach meiner Meinung derartige Manipulationen gar nicht verübeln. Einem Teil der arbeitslosen älteren Angestellten könnte mit dem § 397 geholfen werden.
    Zum Schluß möchte ich aber noch eines sagen, und das sage ich hier als Mann der Gewerkschaftsbewegung. Es handelt sich hier in erster Linie um eine echte Aufgabe der Betriebsräte. Sie haben doch heute ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht bei Einstellungen und Entlassungen in den Betrieben. Sie müssen in jedem einzelnen Fall der Entlassung oder Einstellung prüfen, ob nicht von den vorliegenden Bewerbungen der älteren Angestellten Gebrauch gemacht werden kann.

    (Sehr gut! in der Mitte.)

    Ich glaube, daß man das Problem auf diese individuelle Weise überhaupt am besten anpackt. Es läßt sich eben nicht schematisch regeln. Deshalb möchte ich die Gelegenheit benützen, an alle Betriebsräte in der Bundesrepublik den Appell zu richten, sich um diese Frage in der Zukunft in verstärktem Maße zu kümmern..
    Ich sagte schon eingangs: das Gleichgewicht von Angebot und Nachfrage auf dem Stellenmarkt der
    Angestellten wird wiederhergestellt werden müssen. Wir werden nicht darauf warten können, bis etwa so viele Angestellte gestorben sind, daß sich das Problem von selbst gelöst hat. In den Angestelltenberufen muß eine echte Berufslenkung durchgeführt werden, damit das Überangebot von Angestellten nach und nach schwindet.
    Ich komme zum Schluß. Auch die CDU/CSU ist bereit, im Ausschuß für Arbeit mit aller Liebe zur Sache an der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs mitzuarbeiten. Wir sind allerdings der Meinung, daß der dort gewiesene Weg nicht- wird gegangen werden können. Wir hoffen aber, daß wir, in gemeinsamer Arbeit der Mitglieder des Ausschusses für Arbeit, einen Weg finden, um das Problem der älteren Angestellten in kürzester Zeit zu mildern, in absehbarer Zeit aber auch restlos zu lösen.

    (Beifall bei der CDU/CSU.)