Gesamtes Protokol
Die Sitzung ist eröffnet. Nehmen Sie bitte Platz.
Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir
setzen unsere Haushaltsberatungen – Tagesordnungs-
punkt II – fort:
a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung
eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die
Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das
Haushaltsjahr 2012
– Drucksachen 17/6600, 17/6602 –
b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haus-
haltsausschusses zu der Unterrich-
tung durch die Bundesregierung
Finanzplan des Bundes 2011 bis 2015
– Drucksachen 17/6601, 17/6602, 17/7126 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Carsten Schneider
Otto Fricke
Dr. Gesine Lötzsch
Priska Hinz
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Dazu rufe ich ohne weitere Vorankündigungen den
Tagesordnungspunkt II.10 auf:
Einzelplan 04
Bundeskanzlerin und Bundeskanzleramt
– Drucksachen 17/7123, 17/7124 –
Berichterstattung:
Abgeordnete Norbert Barthle
Rüdiger Kruse
Petra Merkel
Dr. h. c. Jürgen Koppelin
Dr. Gesine Lötzsch
Dr. Tobias Lindner
Priska Hinz
Über den Einzelplan 04 werden wir später namentlich
abstimmen.
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16908 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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geht vielmehr, meine Damen und Herren, um die Um-stände, unter denen die Schulden erhöht werden sollen.In einer Zeit sehr guten Wirtschaftswachstums, in einerZeit stetig steigender Staatseinnahmen vergrößern Sie,vergrößert diese Koalition den Schuldenberg Deutsch-lands.
Die Schuldenbremse in unserer Verfassung will übrigensdas genaue Gegenteil: in guten Zeiten sparen und inschlechten Zeiten investieren. Sie stellen diese Schul-denbremse in unserer Verfassung auf den Kopf, FrauBundeskanzlerin. Das ist verheerend, und deshalb wer-fen Ihnen das auch alle vor.
Ihr Finanzminister hat gestern so gereizt reagiert, weil ersich dabei ertappt gefühlt hat. Denn Bundesrechnungs-hof, Bundesbank, Wirtschaftsweisen – alle kritisierendas. Wie sagte die Frau Bundeskanzlerin, wie sagten Sie,Frau Merkel, noch hier im Bundestag: Wir sparen, aller-dings intelligent. – Das nennt man dann wohl Intelli-genzbestie.
– Ich zitiere sie nur. – Wenn Sie der Öffentlichkeit sagen:„Wir sparen, aber intelligent“, und die Schulden erhö-hen, dann wollen Sie doch die Öffentlichkeit für dummverkaufen und zum Narren halten. Das haben Sie dochvor.
Sie erklären landauf, landab, dass die Zeiten steigen-der Staatsverschuldung endlich zu Ende sein müssten.Sie verordnen Europa einen ganz harten Sparkurs. Wasdenken Sie eigentlich, wie glaubwürdig diese Politik inEuropa ist, wenn Sie hier in Deutschland, unter weit bes-seren Bedingungen als in allen anderen Staaten Europas,die Schulden erhöhen? „Deutschland geht es so gut wielange nicht.“
– Man kann Sie ausrechnen; Sie sind wirklich ganz put-zig. Wir haben darüber gewettet, ob Sie an der Stelle klat-schen. Aber Sie haben den letzten Satz noch nicht gehört;es handelt sich um ein Zitat von Ihrer Kanzlerin. – Derletzte Satz lautet: Deshalb ist das zentrale Thema derAbbau von Schulden und die Haushaltskonsolidierung.
as ist das, was Sie gesagt haben; aber jetzt machen Sieas genaue Gegenteil.Ich habe ja Humor. Aber dass Sie selbst öffentlich er-lären: „Wir wollen weniger Schulden machen“,
nd damit durch die Lande ziehen und dann im Bundes-g für nächstes Jahr 4 Milliarden Euro mehr Schuldeneschließen als für dieses Jahr, obwohl es Deutschlando gut geht, und gleichzeitig anderen Ländern empfeh-n, sie sollen ihre Schulden senken, obwohl sie in derrise stecken, das ist wirklich nicht zum Lachen. Das istine ziemlich finstere Angelegenheit, was Sie hier ineutschland veranstalten.
Ich verstehe Sie: Sie haben sich an das Handeln deranzlerin nach dem Motto „Was stört mich mein Ge-chwätz von gestern?“ längst gewöhnt, wir noch nicht;as ist der einzige Unterschied in der heutigen Debatte.
Meine Damen und Herren, die öffentlichen Kommen-re zu Ihrer Finanzpolitik sind entsprechend. Das Han-elsblatt spricht von „deutscher Heuchelei“. Die Finan-ial Times Deutschland titelt: „Bundesbank rechnet mitchäuble ab“ und zitiert dann die Bundesbank – viel-icht klatschen Sie jetzt wieder –:„Mit dem Bundeshaushalt 2012 ist eine merklicheAbkehr von den Konsolidierungsbeschlüssen vomJuni 2010 verbunden“ …as kann man wohl sagen. Warum klatschen Sie jetzt ei-entlich nicht? Das ist eine Beurteilung der Bundesbank.
Bisschen nervös, oder? Es wird ja so unruhig bei Ih-en. Fühlen Sie sich ertappt, oder was ist der Grund?
Was hatten Sie der deutschen Öffentlichkeit nicht al-s versprochen: 80 Milliarden Euro wollten CDU/CSUnd FDP zwischen 2011 und 2014 einsparen. Wir – an-ers als Sie – erinnern uns noch ganz gut an die voll-undigen Versprechungen vor einem Jahr. Was sollte dalles passieren! Ein Jahrhundertpaket sollte es werden.leiner geht es bei Ihren Selbstinszenierungen ja meis-ns nicht.Schauen wir uns einmal an, was aus Ihrem Jahrhun-ertpaket geworden ist: 4 Milliarden Euro sollte die Ab-chaffung der Wehrpflicht einsparen. Aufgrund deresaströsen Fehlleistung Ihres einstigen bayerischen Su-erstars fallen jetzt Mehrkosten an. 6 Milliarden Euroollte die Beteiligung des Finanzsektors an den Kostener Finanzkrise bringen. Ergebnis: ersatzlos gestrichen.eit mehr als 10 Milliarden Euro sollte die Streichungon Steuersubventionen und Steuervergünstigungen er-ringen. Ergebnis: wieder Fehlanzeige.
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Sigmar Gabriel
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Und was ist eigentlich aus der von Ihnen so lautstarkangekündigten Mehrwertsteuerreform geworden? Nurweil es die Phrasendrescherei Ihrer Koalition so schön il-lustriert: Was ist mit den Milliardenbeträgen, die durchBürokratie- und Personalabbau eingespart werden soll-ten? Das Gegenteil ist passiert.Besonders auffällig sind die Versorgungsfälle in denFDP-Ministerien.
Sie reden vom Sparen, schaffen aber 480 neue Stellen al-leine in den Bundesministerien. Beeindruckend – dasmuss ich zugeben – sind die 166 neuen Stellen, die al-leine im Entwicklungsministerium von Herrn Niebel ge-schaffen wurden – ein Ministerium, das er eigentlicheinmal ganz abschaffen wollte. Ausgerechnet eine Par-tei, die so gerne über den schlanken Staat und Entbüro-kratisierung schwadroniert, bringt noch schnell die letz-ten Mitarbeiter aus der FDP-Parteizentrale in einemsicheren Job bei der Bundesregierung unter.
Das ist aus Ihren Versprechungen zum Personalabbaugeworden, meine Damen und Herren!
So kann man die Liste weiter fortsetzen. Aus IhremJahrhundertwerk, Frau Merkel, ist wohl eher eine Tages-baustelle geworden. Wo Sie von anderen Staaten mas-sive Einschnitte zum Abbau der Verschuldung fordern,muten Sie sich selbst gar nichts zu – im Gegenteil: Stattzu sparen, ziehen Sie auch noch die Spendierhosen an.6 Milliarden Euro soll die Steuersenkung kosten, dieden Geringverdienern in Deutschland gar nichts bringt.
– Der Zwischenruf von Herrn Fricke ist wirklich klasse.Ich kann Ihnen den nicht vorenthalten. Er sagt: Das istdoch erst später, das ist doch nicht gleich in einem Jahr. –Verstehen Sie eigentlich gar nicht, Herr Fricke, dass wiruns mit wirtschaftlichen und konjunkturellen Risikenauseinandersetzen müssen? Deshalb müssen wir jetztsparen, und zwar jeden Cent, damit wir morgen wiederArbeitsplätze in diesem Land sichern können. Das habenSie überhaupt nicht begriffen.
Ich finde es auch interessant, sich mit dem Inhalt die-ser Steuersenkung auseinanderzusetzen. Der Geringver-diener – für den soll sie ja vorgenommen werden – be-kommt freundlicherweise 0 Cent; der zahlt nämlichkeine Steuern. 40 Prozent der deutschen Haushalte ha-ben nichts von dem, was Sie da planen. Der Durch-schnittsverdiener mit einem Einkommen von 2 250 Eurohat eine monatliche Steuerersparnis von 4 Euro.
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ie Gemeinden kostet das Ganze 2 Milliarden Euro, undeswegen müssen wir darüber reden. Denn die Kommu-en sind immer diejenigen, die bei Ihrer Steuerpolitikm Ende daran glauben müssen. Das war schon beimoteliergesetz so.In diesem Zusammenhang möchte ich auf unsere ges-ige Debatte zum Kampf gegen Rechtsextremismus ineutschland zurückkommen.
Hören Sie einmal zu. – Denn zwischen dem Ausblutener Städte und Gemeinden in Deutschland und dem Er-tarken des Rechtsextremismus gibt es für mich einenanz eindeutigen Zusammenhang: Dort, wo sich Ge-einden und Städte aufgrund ihrer Finanznot zurückzie-en, dringen Neonazis ein. Wo Jugendeinrichtungen ge-chlossen werden, Vereine, Ehrenamt und Sport nichtehr ausreichend gefördert werden und Freizeit- undulturangebote verschwinden, dort entstehen sozial ent-erte Räume. In diese sozial entleerten Räume dringenechtsradikale ein.
Da Sie hier unruhig werden: Sie sind doch genau wieir der Überzeugung, dass es uns nachdenklich machenuss und zum Handeln auffordert, wenn die NPD denommunen anbietet, den Betrieb von Jugendzentren undindergärten fortzuführen, wenn sie wegen der kommu-alen Finanznot geschlossen werden sollen. Das sindoch praktische Beispiele, die wir in Deutschland prä-entiert bekommen. Ich sage Ihnen: Mindestens so wich-g wie ein Verbot der NPD, mindestens so wichtig wieie sichtbare Präsenz der Polizei in den Stadtvierteln undemeinden, in denen die Rechtsradikalen die Herrschaftbernehmen wollen, ist es, die soziale und kulturelleerwahrlosung in unseren Städten und Gemeinden zuekämpfen.
So wichtig die Debatten im Bundestag auch sind: Derampf um Demokratie und gegen den Rechtsextremis-us wird nicht hier im Parlament entschieden, sondernor Ort. Die soziale und demokratische Gesellschaft be-
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Sigmar Gabriel
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ginnt in der sozialen und demokratischen Stadt und Ge-meinde. Es ist deshalb ein Fehler, den Kommunen noch-mals Geld zu entziehen, ob durch Steuersenkungen oderdurch Kürzungen der Programme für die soziale Stadt-entwicklung.
Die 6 Milliarden Euro für die Steuersenkung als Kauf-preis für das Stillhalten der FDP bei der Euro-Achterbahnwaren noch nicht genug. Frau Bundeskanzlerin, Sie muss-ten auch noch die CSU bedienen. Da haben Sie dann zu-lasten der Verschuldung unseres Landes eine wahrlichabenteuerliche Verabredung getroffen: 150 Euro im Mo-nat – Milliardenbeträge – sollen Eltern jetzt bekommen,wenn sie ihre Kinder nicht in den Kindergarten schicken.Ich muss wirklich fragen: Wie verrückt oder – besser –wie verantwortungslos muss man eigentlich sein, um aufdiese Idee zu kommen?
Selbst die Bild-Zeitung ist fassungslos, Frau Bundes-kanzlerin. Dort steht:Statt Milliarden für ein unsinniges Betreuungsgeldzu verpulvern, sollte die Regierung jeden Cent indie Kinderbetreuung investieren!Wo die Bild-Zeitung recht hat, hat sie recht: Das wäreein angemessener Umgang mit dem Thema gewesen.
Es ist übrigens – ich sage das an die CSU gerichtet –keineswegs so, dass Eltern, die ihre Kinder in die Kin-dertagesstätte bringen, Rabeneltern sind.
Viele von denen müssen das übrigens, weil ihre Löhneso niedrig sind, dass beide arbeiten gehen müssen. Dawäre ein echter Mindestlohn eine richtige Hilfe für dieEltern von Kindern; auch da wäre der Mindestlohn rich-tig,
aber nicht so ein Papiertiger, wie Sie ihn auf Ihrem Par-teitag beschlossen haben. Fast 1,5 Millionen Menschenin Deutschland stocken ihren Lohn mit Arbeitslosen-geld II auf; 320 000 von ihnen sind sogar sozialversiche-rungspflichtig in Vollzeit beschäftigt. Stundenlöhne von3,18 Euro, 5,33 Euro und 6,19 Euro sind eine Schandefür unser Land.
Die FDP, die hier jahrelang eine Politik zur Bekämpfungder Tariffähigkeit der deutschen Gewerkschaften ge-macht hat, wirft jetzt den Gewerkschaften vor, dass siedas nicht durch Tariflöhne verhindern können.Ds7ridwoIcaswbskdSuMamzFdEduRshvkdaSsgkDDdw
as halte ich für eine Unverschämtheit den Gewerk-chaften gegenüber, wie ich sie selten gehört habe.Das alles kostet den Staat viel Geld: MindestensMilliarden Euro geben wir für Lohnzuschüsse aus. Üb-gens: Wenn sich die Sozialministerin jetzt Sorgen umie Altersarmut macht, ist das berechtigt. Aber irgend-er muss ihr einmal erklären, dass es Altersarmut nichthne Erwerbsarmut gibt.
h finde, das muss doch irgendwann einmal bei Ihnennkommen.Das eigentliche Problem ist aber, dass Sie nicht ver-tanden haben, was die CDU-Arbeitnehmer wirklichollten. Sie wussten, dass zwei Dinge wichtig sind:Erstens. Mindestlohn bedeutet: Einer, der Vollzeit ar-eiten geht, muss hinterher nicht zum Sozialamt, umich den Rest zu holen, damit er die Miete bezahlenann; denn das ist unwürdig. Ein Mindestlohn ist nurann ein guter Mindestlohn, wenn er von Hartz IV undozialhilfe unabhängig macht.Zweitens. Ihre CDU-Arbeitnehmer wussten, dass esm die Würde der Arbeit geht und es demütigend ist,enschen, die Vollzeit arbeiten, hinterher zum Sozial-mt zu schicken. Deshalb wollten die CDU-Arbeitneh-er einen gesetzlichen Mindestlohn für alle, der von So-ialhilfe unabhängig macht. Daher ist es eine Schande,rau Bundeskanzlerin, dass Sie Ihren Arbeitnehmern inen Rücken gefallen sind; denn das ist gerade nicht dasrgebnis der Mindestlohndebatte auf Ihrem Parteitag.
Meine Damen und Herren, das kostet uns 7 Milliar-en Euro, die bei der Senkung der Verschuldung oder beinseren Schulen besser aufgehoben wären. Wir müssenecht und Ordnung auf dem Arbeitsmarkt wiederher-tellen. Frau Bundeskanzlerin, gut 10 Milliarden Euroaben Sie insgesamt nächtens in Ihrer Koalitionsrundeerteilt, um das Stillhalten Ihrer Koalitionspartner zu er-aufen. Die 10 Milliarden Euro zulasten der Verschul-ung sind so etwas wie eine Stillhalteprämie in Ihrer Ko-lition gewesen. Wo sind allerdings, Frau Kanzlerin, dieparvorschläge für diese 10 Milliarden Euro? Nichts zuehen! Stattdessen machen Sie Politik auf Pump. Das istenau die alte Politik, die wir nicht mehr gebrauchenönnen – weder in Griechenland noch in Italien noch ineutschland, Frau Dr. Merkel, weder dort noch hier.
enn wann, wenn nicht jetzt, wo die Steuerquellen spru-eln, wollen wir eigentlich Schulden abbauen? Wann,enn nicht im wirtschaftlichen Aufschwung, wollen wir
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Vorsorge treffen für die mit Sicherheit wieder kommen-den wirtschaftlichen Schwierigkeiten?Frau Bundeskanzlerin, irritiert Sie eigentlich garnicht, dass Sie inzwischen einhellig Ihr eigener Sachver-ständigenrat der Wirtschaftsweisen, der Bundesrech-nungshof und sogar Ihr ehemaliger Kanzleramtsberaterkritisieren? Ich weiß nicht, Frau Kanzlerin, was Sie untereiner Schuldenbremse verstehen. Wir verstehen darun-ter, dass man weniger neue Schulden macht – und nichtmehr.
– Sie scheinen das eher mit dem Gaspedal zu verwech-seln. Sie haben offenbar bei der Verfassungsänderungnicht ganz aufgepasst.
– Ich kann verstehen, dass Sie das von mir nicht hörenwollen. Aber unangenehmer wird es – warten Sie ab –,wenn Sie hören, wer noch alles Ihnen das sagt.Dass Ihr Finanzminister den Ausgangswert der Ver-schuldung bewusst manipuliert und zu hoch angesetzthat, um Ihre viel zu geringe Absenkung der Verschul-dung optisch zu verkleistern, schreibt Ihnen die Bundes-bank ins Stammbuch. Dort heißt es – ich zitiere –:Nach Artikel 143 d GG wäre eine entsprechendeAbsenkung des Ausgangswertes und damit auchdes Anpassungspfades allerdings letztlich geboten.Damit keine Missverständnisse aufkommen, was dieBundesbank damit meint, erklärt der Bundesbankpräsi-dent – ich zitiere –: Deutschland darf keine Zeit verlie-ren, seinen Haushalt auszugleichen. – Aber Sie erhöhendie Schulden. Das kritisiert Herr Weidmann in seinemBericht der Bundesbank.
Manchmal, Frau Dr. Merkel, habe ich den Eindruck,Sie halten das alles für Ratschläge an die Adresse Grie-chenlands, Italiens oder Portugals. Aber, ehrlich gesagt,Herr Weidmann meint Sie ganz persönlich. Er ermahntSie in diesem Bericht, keinen Verfassungsbruch zu bege-hen. Sie sind aber drauf und dran, genau das zu tun, nurweil Sie Ruhe in der Koalition haben wollen und sicheine Kriegskasse für den Wahlkampf anlegen wollen.Denn um nichts anderes geht es hier.
Das eigentlich Besorgniserregende an dieser Kritik derBundesbank ist allerdings nicht einmal die kurzfristigeWirkung Ihrer Schuldenpolitik, sondern die Bundesbanksorgt sich um das Vertrauen der internationalenFinanzmärkte auch in die Schuldentragfähigkeit Deutsch-lands. Ich zitiere noch einmal die Bundesbank:Bei weiteren Belastungen geht das Vertrauen in dieTragfähigkeit auch der deutschen Staatsfinanzenverloren.zddsFZneBeDeSGdsarevrezEdngHtegaScgmtrdeWdsaGgewdzuhD
Sie haben in den letzten 24 Monaten Ihre Position zururo-Krise ständig gewechselt. Sehr lange wollten Sieie Krise im europäischen Währungsraum den betroffe-en Nachbarn selbst überlassen. Ich halte es für denrößten Fehler Ihrer Amtszeit, dass Sie der europäischenerausforderung sehr lange nur mit nationalen Antwor-n und nur mit dem Eigeninteresse Ihrer Regierung be-egnet sind. Erst als nacheinander ein Land nach demnderen zum Spielball der Finanzmärkte wurde, habenie gemerkt, dass Ihre nationalen Antworten nicht rei-hen. Nun ist die Verunsicherung so groß, dass selbst derigantische Rettungsschirm mit 1 Billion Euro nichtehr ausreicht. Im Gegenteil: Die Finanzmärkte miss-auen uns nicht nur, sie wetten sogar auf das Auseinan-erbrechen der Euro-Zone.Nichts von dem, was Sie jeweils in Ihren Regierungs-rklärungen zum Euro im Bundestag erklärt haben, hatirkung gezeigt. Das meiste ist hinterher sowieso wie-er verändert worden. Die Zinsen für die Krisenstaatenteigen. Stattdessen erhalten die Staaten der Euro-Zoneuf den internationalen Kapitalmärkten selbst dann keineld zu erträglichen Zinsen, wenn sie massive Sparpro-ramme auflegen. Im Kern geht es jetzt darum, dass wirndlich die entscheidende Frage beantworten: Stehenir in Europa füreinander ein, und kann ein Investor iner Euro-Zone sicher sein, dass er sein geliehenes Geldurückerhält, ja oder nein? Diese Frage werden wir, sonangenehm das ist, endlich beantworten müssen.
Natürlich gehört dazu Klarheit über den Abbaupfadinsichtlich der Schulden in Europa, aber auch ineutschland, und eine gemeinsame Finanz-, Wirt-
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schafts- und Steuerpolitik. Statt dies klar zu beantwor-ten, zwingen Sie, Frau Bundeskanzlerin, die Europäi-sche Zentralbank immer weiter dazu, Staatsanleihenaufzukaufen. 200 Milliarden Euro beträgt inzwischendas Risiko der Europäischen Zentralbank, für das wir ge-meinschaftlich haften.
Wollten Sie, Frau Merkel, nicht genau das verhin-dern? Wollten Sie nicht ebenso, Frau Bundeskanzlerin,verhindern, dass die Europäische Zentralbank zur No-tenbank wird, die Staaten durch das Anwerfen der No-tenpresse bedient? Wir wollten doch keine Schulden-und Transferunion in Europa zulassen. Aber genau daspassiert gerade durch die Hintertür der EuropäischenZentralbank.
Das sind Euro-Bonds durch die Hintertür, aber ohne je-den Einfluss darauf, wie sich die Staaten hinterher be-nehmen. Das ist das, was Sie derzeit zu verantworten ha-ben.
Die „Merkel-Bonds“, die die EZB ausgibt, sind su-perbequem für die Regierungschefin in Deutschland. Siekann sich nämlich öffentlich hinstellen und sagen: Ichwill das alles nicht, aber leider sind die unabhängig, des-wegen dürfen die das weiterhin machen. – Vor allen Din-gen hat das den Vorteil: Wenn die EZB diese Arbeitmacht, braucht sie Ihre seltsame Koalition nicht zu fra-gen, weil sie natürlich nicht weiß, welches Chaos entste-hen würde, wenn Sie sich mit den Realitäten der Europä-ischen Zentralbank auseinandersetzen müssten.
Frau Bundeskanzlerin, Sie spielen mit dem Feuer. Siezwingen Europa in einen Zweifrontenkrieg. Sie zwingendie Staaten, die schon in der Rezession sind, zu immerweiteren Sparmaßnahmen, sodass sie nicht weniger, son-dern höhere Schulden produzieren. Sie verhindern, dasssie sich zu einigermaßen fairen Zinsen auf dem Kapital-markt refinanzieren können. Beides zusammen führt zueiner von Ihrer Politik zu verantwortenden und organi-sierten Rezessionsgefahr. Sie können den Staaten undEuropa nicht beide Hände fesseln: die Zinsschraube aufder einen Seite und die Schuldenschraube auf der ande-ren. Wenn beide Hände gefesselt sind, dann werden dieLeute in Europa und am Ende auch in Deutschland ar-beitslos! Das ist das, was Sie gerade vorbereiten.
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Passen Sie auf: Es ist doch gar nicht so schlimm, wennie gegen uns sind. Seien Sie aber wenigstens für das,as Ihre eigenen Sachverständigen sagen.
re Sachverständigen schlagen einen Schuldentilgungs-nds für Europa vor, und Ihre Kanzlerin ist nicht einmalereit, darüber öffentlich zu beraten. So gehen Sie mitenen um, die Sie auf dem Weg zu einer besseren Politikeraten sollen.
Wir brauchen deutlich mehr als diese beiden Mühl-teine der europäischen Politik. Europa braucht mehr alsin reines Sparprogramm. Wir brauchen auch gezielteachstumsprogramme in den Ländern, damit es wiederntwicklungsperspektiven gibt.
Ja, genau. Und wissen Sie, wo ich es herhaben will?on denen, die Sie ständig schonen, genau Sie!
h will, dass die Finanzmärkte endlich einen Teil deseldes zurückgeben, das wir wegen ihnen haben versen-en müssen. Und Sie – Sie schützen die Finanzmärkteor dieser Steuer.
Ja, wir wollen Geld ausgeben für Wachstum, wir wol-n die Jugendarbeitslosigkeit in Europa bekämpfen.enn 48 Prozent der jungen Menschen in Griechenland,0 Prozent in Spanien und fast 30 Prozent in Frankreichrbeitslos sind, wer soll denn dann die Zukunft Europasufbauen? Die Leute dürfen nicht in ihrer Existenz ge-hrdet werden. Wir können das nicht sich selbst über-ssen. Sie überlassen die Finanzmärkte lieber sichelbst.
a, wir wollen sie besteuern, auch in der Euro-Zone, undir wollen das Geld in den Kampf gegen die Arbeits-sigkeit in Europa investieren. Das ist der Unterschiedwischen uns beiden.
Ich habe leider nicht mit, womit ich gut auf Leute wieie, die mich „Westentaschenkommunist“ nennen, rea-
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gieren könnte. Es ist zwar schon viel behauptet worden,aber dass einer behauptet, ich würde in eine Westen-tasche passen, ist noch nicht passiert.
Wissen Sie, wenn ich das schon höre: Das nächste Mal le-sen wir Ihnen einmal – wir suchen eine nette Rede heraus,mit der das geht – Karl-Hermann Flach vor. Das war malIhr Generalsekretär. Wissen Sie, was der sagt? Wir müs-sen endlich die Vermögenden und die Erbschaften stärkerbesteuern, damit der Staat Einfluss hat und Wachstumkreieren kann. Er, der bei Ihnen früher Generalsekretärwar, würde heute wahrscheinlich wegen Linksabwei-chung aus der FDP ausgeschlossen; das nehme ich starkan.
Wenn Sie wissen wollen, warum Sie da stehen, wo Sieheute stehen: weil solche Leute bei Ihnen heute keineChance mehr hätten. Das ist der Grund, warum Sie bei2 Prozent gelandet sind.
Frau Bundeskanzlerin, natürlich müssen wir an dieVeränderung der europäischen Verträge herangehen. Dasgilt aber nicht nur für die Stabilitätskriterien, sondernauch für eine gemeinsame Finanz- und Steuerpolitik inder Euro-Zone; denn sonst bleibt die Währungsunion einTorso. Wenn Sie auf diesem Weg auch das Thema einerFiskalunion mit angehen wollen, haben Sie uns an IhrerSeite. Wenn Sie allerdings nichts von dem tun, dann zah-len in absehbarer Zeit auch die Deutschen die Zeche fürIhren verfehlten Kurs.In Deutschland zeichnet sich gerade ab, dass dieExportindustrie bereits den Preis für Ihre doppelte Re-zessionsstrategie in Europa zu zahlen hat. Statt nun be-herzt zu sparen und damit Risikovorsorge für eineschwierige Wirtschaftslage zu treffen, geben Sie dasGeld aus. Wir sagen Ihnen: Lassen Sie die nutzlosenAusgaben! Gewerkschaften und Arbeitgeber fordernschon jetzt, die Kurzarbeiterregelung zu verlängern. Dieahnen doch, dass es da losgeht. Das hat ein sozialdemo-kratischer Arbeitsminister durchgesetzt, und Sie wollendas jetzt auslaufen lassen. Wir werden die Kurzarbeiter-regelung wieder brauchen, um Jobs in Deutschland zusichern. Wissen Sie, wie viel diese Regelung kostet? Inder Krise hat sie 6 Milliarden Euro gekostet. Das sinddie 6 Milliarden Euro, die Sie gerade für Ministeuersen-kungen verplempern. Für die Leute wird es wichtigersein, ihren Job und damit ihren Lohn zu behalten, als4 Euro Steuersenkung durch den Unfug zu bekommen,den Sie hier verbreiten.
– Nein, ich wehre mich nicht dagegen, dass die Leute4 Euro bekommen. Ich glaube nur, dass sie dieses Geldgar nicht bekommen werden, weil die Gebühren bei denKommunen steigen. Außerdem brauchen wir das Geld,um die Jobs zu erhalten. Die Leute sind doch nichtdunkumdnreDSmDMGabnaVwZsslizÖTKGszruOtetesIcdOmB
Dieser Haushalt entlarvt alle Sprechblasen, auch dieer Kanzlerin, aus den letzten zwei Jahren. Wie hieß esoch am 31. Januar dieses Jahres, Frau Merkel, aus Ih-m Munde?Die Regierung hat einen klaren Kompass für denAbbau der Schulden.iesen Kompass sollten Sie zur Reparatur bringen. Inee stechen würde ich damit jedenfalls nicht, meine Da-en und Herren.
Das Wort hat nun die Bundeskanzlerin, Frau
r. Angela Merkel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!eine Damen und Herren! Meine Rede in der heutigeneneraldebatte will ich nicht beginnen, ohne zunächstuf die Ereignisse einzugehen, die seit dem 4. Novem-er, seit einem scheinbar routinemäßigen Polizeieinsatzach einem Banküberfall in Eisenach, Schritt für Schrittns Licht kommen.Die Nachrichten über das eigentliche Ausmaß dererbrechen sind schockierend. Wir wissen heute, dassir es mit einer rechtsextremistischen Gruppe auswickau zu tun haben, der eine grausame Mordserie undchreckliche Gewaltakte zur Last gelegt werden. Wirind entsetzt über das Maß an Hass und Fremdenfeind-chkeit, das hier zum Ausdruck kommt. Ich denke heuteuallererst an die Opfer: Enver Şimşek, Abdurrahimzüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kiliç, Yunusurgut, Ismail Yaşar, Theodoros Boulgarides, Mehmetubaşik, Halit Yozgat und Michèle Kiesewetter. Unsereedanken sind bei ihnen und bei allen weiteren Men-chen, die den grausamen Gewalttaten dieser Gruppeum Opfer gefallen sind.Ich sage es noch einmal für die ganze Bundesregie-ng: Unsere Pflicht gegenüber den Angehörigen derpfer ist es, alles zur Aufklärung dieser furchtbaren Ta-n und ihrer Hintergründe zu unternehmen. Das erlit-ne Leid lässt sich nicht wiedergutmachen. Aber wirind es den Angehörigen schuldig, sie zu unterstützen.h begrüße daher ausdrücklich den Vorschlag von Bun-esjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger, diepfer und ihre Familien aus dem Fonds für Opfer extre-istischer Übergriffe zu entschädigen. Ich danke auchundespräsident Wulff, dass er sich heute mit Angehöri-
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16914 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
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gen trifft und damit ein Zeichen der Zuwendung und derVerbundenheit des ganzen deutschen Volkes setzt.Die Tatsache, dass solch eine rechtsextremistischeZelle existiert, schweigend solche Gräueltaten begehtund über ein Jahrzehnt unentdeckt im Untergrund agiert,ist ohne Beispiel. Was die Ermittler, die mit ihrer Arbeiterst am Anfang sind, an Perversion im Denken und Han-deln, an Menschenfeindlichkeit und -verachtung aus ei-nem verfestigten rechtsextremen Milieu ans Tageslichtbringen, beunruhigt nicht nur mich zutiefst. Es scho-ckiert unser Land und seine Bürger, und es ist eine Ge-fahr für uns auch mit Blick auf andere in der Welt.Justiz- und Sicherheitsbehörden stehen angesichts ei-ner Vielzahl von Pannen und Versagen vor sehr grundle-genden Fragen. In der letzten Woche hat sich das Kabi-nett mit diesen Verbrechen befasst. Die Innen- undJustizminister von Bund und Ländern haben mit einerkurzfristig anberaumten Konferenz reagiert und ersteEntscheidungen getroffen. Wir prüfen alle rechtsstaat-lichen Mittel, auch die schwierige Frage von Parteiver-boten. In der Vergangenheit wurde bereits eine Fülle vonVereinigungen verboten. Bei Razzien wurden immerwieder verhetzendes, menschenfeindliches Propaganda-material und Schusswaffen sichergestellt. Wir nehmendie Gefahren des Rechtsextremismus sehr ernst. Aberwir sollten uns alle den Vorwurf, auf irgendeinem Augeblind zu sein, ersparen. Das treibt nur einen Keil in dieGemeinsamkeit der Demokraten.Der Kampf gegen Extremismus jeglicher Couleur unddie Stärkung der Demokratie sind Daueraufgaben für je-den von uns. Deshalb hat die Bundesregierung allein2011 so viele Mittel für die Extremismusprävention wienie zuvor bereitgestellt, und wir werden das auch weitertun.Diese Taten sind nicht mehr und nicht weniger als einAngriff auf unser demokratisches Gemeinwesen. Die ges-trige Abstimmung hat eines gezeigt: dass wir entschlos-sen sind, unser offenes, tolerantes und menschlichesZusammenleben gegenüber gemeinen Verbrechern undmenschenverachtenden Ideologien zu verteidigen. Daswar das Signal von gestern, ein wichtiges Signal.
Diese Debatte über den Bundeshaushalt 2012 findetin einer Zeit statt, in der wir insgesamt vor vielen undschwierigen Herausforderungen stehen. Die größte Auf-gabe ist zweifellos die Überwindung der Krise im Euro-Raum. Dabei hat sich das Parlament in den vergangenenMonaten in mehreren Abstimmungen in großer Mehrheitganz klar für die Zukunft entschieden, für eine Zukunftin einem gemeinsamen Europa. Zuletzt am 26. Oktoberwar parteiübergreifende Unterstützung des DeutschenBundestages vorhanden, als es um die Abstimmung überdie EFSF ging. Gerade weil viele von Ihnen diese Unter-stützung nicht leichten Herzens gewähren konnten, weilriesige Summen zur Disposition stehen, gerade wegenmancher Zweifel und Unsicherheiten angesichts dessen,was noch vor uns liegt, möchte ich noch einmal ganzherzlich dafür danken, dass Sie diese Rückendeckungdurch den Deutschen Bundestag gegeben haben.kDbmnJecmgmeeSwadWshm2GsswruhtidnpdncsaSda–2isteledNqgm
Denn jetzt steht die Frage im Raum – sie hätte zu je-em Zeitpunkt im Raum gestanden –: Was passiert mitnderen Ländern? Deshalb ist es ganz wichtig, zu sagen dies haben wir beim Europäischen Rat am 21. Juli011 getan –: Griechenland ist ein Ausnahmefall. Hiert die Verschuldung sehr, sehr hoch, und deshalb muss-n wir zu diesem Mittel greifen.Wir haben dann einen weiteren Vertrauensverlust er-bt durch die unerwartete Ankündigung eines Referen-ums; verbunden gewesen damit wären im Falle eineseins bei einem solchen Referendum auch die Konse-uenzen. Das alles hat Themen auf die Tagesordnungebracht, mit denen sich die internationalen Finanz-ärkte, die ja keine anonymen Größen sind – es sind
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16915
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel
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zum Teil die Anleger von Lebensversicherungen undviele andere –, befassen müssen.Der Ausgangspunkt ist, dass Griechenland die Schul-dentragfähigkeit nicht hat. Jetzt müssen wir schauen,dass wir unsere Instrumente so weit entwickeln – dasgeht leider ziemlich langsam, auch nach den Beschlüs-sen vom 26. Oktober –, dass wir uns dagegen wappnenund wehren können.Die griechische Frage ist jetzt noch nicht geklärt, weilwir noch nicht die Voraussetzungen für die Auszahlungder nächsten Tranche haben. Dazu ist erforderlich – ichmuss das heute hier in diesem Parlament noch einmal sa-gen; wir stimmen da, glaube ich, alle überein –, dass wirnicht nur die Unterschrift des griechischen Premiermi-nisters haben, sondern auch die Unterschriften der dieRegierung in Griechenland tragenden Parteien. Ansons-ten kann es keine Auszahlung der sechsten Tranche ge-ben.
– Schauen Sie mal: Es ist doch wirklich der Ernsthaftig-keit gegenüber kleine Münze, ob das nun eine Partei ist,die zur Europäischen Volkspartei gehört. Umso bittererist es, dass derjenige nicht unterschreibt, für mich. Aberich wünsche Ihnen nicht, dass Sie einmal in eine Lagekommen, wo auch von Ihnen einer etwas nicht tut, waserwartet wird. Also wirklich!
Zweitens. Immer wieder ist gesagt worden: Wir brau-chen eine Rekapitalisierung der europäischen Banken. –Dazu haben wir einen Beschluss gefasst. Ich hoffe, dassdie europäische Bankenaufsicht am 30. November, wennder nächste Ecofin-Rat tagt, auch die präzisen Zahlenbekannt gibt, wie die Rekapitalisierung ablaufen wird.Denn die Tatsache, dass wir jetzt seit Wochen darübersprechen, aber noch keine komplette Klarheit da ist, trägtauch nicht zur größeren Sicherheit bei. Wir haben ges-tern am Beispiel einer deutschen Bank gesehen, welcheUnsicherheiten dann die Banken selbst haben.Auch da ist es so: Die internationale Staatengemein-schaft hat von uns verlangt – sicherlich mit guten Grün-den –, auch die Risiken bei Staatsanleihen einem Stress-test zu unterziehen. Aber dies hat nicht nur eine positiveWirkung – dass wir genügend Kapital für die Banken ha-ben –, sondern es hat wiederum auch eine negative Wir-kung, weil natürlich, wenn man Stresstests auch beiStaatsanleihen macht, sofort die Diskussion aufkommt:Whekwdli2bdtimnstiVddMEIhinngoDtrareFvsg–ÄlidinkEessliddWP6ird
re Unabhängigkeit, die wir alle so hochhalten, besteht jeder Richtung, ob sie etwas tut oder ob sie etwasicht tut. Das ist ähnlich wie beim Bundesverfassungs-ericht. Es ist, glaube ich, auch ganz wichtig, dass Eur-pa sich auf solche unabhängigen Instanzen gründet.eshalb darf an dem Mandat für die Europäische Zen-albank nach meiner festen Überzeugung nichts, aberuch gar nichts geändert werden, meine Damen und Her-n.
Das hat in dieser Schuldensituation aber nun zurolge, dass wir nach der Rechtsprechung des Bundes-erfassungsgerichts, aber auch nach unseren Beschlüs-en hier immer eine endliche Menge an Geld zur Verfü-ung haben, mit der wir Schutzwälle aufbauen könnendas liegt in der Definition der Fonds, der EFSF oderhnlichem –, und damit gegenüber den Märkten natür-ch ein Stück weit angreifbarer sind, als es Länder sind,ie nach ihrer Tradition eher Geld drucken können und denen die Zentralbanken Staatsanleihen aufkaufenönnen.Dennoch: Angesichts des politischen Konstrukts deruropäischen Union und des Euro-Raums, in dem esine nationale Hoheit für die Budgets und eine gemein-ame Währung gibt, tritt jetzt der eigentliche Wider-pruch oder die eigentliche Kalamität zutage, dass näm-ch letztlich keine europäische Möglichkeit besteht,urchzugreifen und einzugreifen, wenn ein Land sich anie gemeinsamen Verabredungen des Stabilitäts- undachstumspakts permanent nicht hält. Das eigentlicheroblem ist, dass wir in den zehn Jahren mindestens0 solcher Verstöße hatten und dass in keinem der Fällegendeine Wirkung entfaltet wurde, wodurch ein Landaran gehindert worden wäre, so weiterzumachen. Des-
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halb ist Vertrauen verloren gegangen, Vertrauen der in-ternationalen Märkte in die Handlungsfähigkeit.Deswegen sage ich: Ich halte es für außerordentlichbekümmerlich – sage ich mal –, unpassend, dass dieKommission heute Euro-Bonds in verschiedener Aus-prägung vorschlägt, also so tut, als könnten wir – daswird die kommunikative Wirkung sein, selbst wenn dasvielleicht nicht so gesagt wird – durch Vergemeinschaf-tung der Schulden aus den Mängeln der Struktur der eu-ropäischen Währungsunion herauskommen. Genau daswird nicht klappen.
Deshalb darf man das Pferd nicht von hinten aufzäu-men, sondern man muss jetzt mit dem nächsten Schritt be-ginnen und sagen: Wenn wir wieder Vertrauen bekommenwollen, dann dürfen wir freiwilligen Beteuerungen nichtmehr glauben, sondern dann wird man verlangen, dassvertraglich, rechtlich bindend durchgesetzt wird – dazubrauchen wir Vertragsänderungen –, dass die Regeln deseuropäischen Stabilitäts- und Wachstumspakts auch ein-gehalten werden.
Das ist der erste Schritt in Richtung einer Fiskalunion,in Richtung eines politischen Gebäudes, das natürlichauch Harmonisierungen in Bereichen nach sich ziehenwird, die in nationaler Kompetenz liegen. Das genau warder Grund, warum ich für einen Euro-Plus-Pakt eingetre-ten bin, einen Pakt, in dem wir über Arbeitsrecht, überRenteneintrittsalter und über Harmonisierung von Steu-ersystemen sprechen, und das war der Grund, warum ichmit dem französischen Präsidenten verabredet habe, dassDeutschland und Frankreich zum Jahrestag des Élysée-Vertrags im Jahre 2013 ein gemeinsames Unternehmen-steuerrecht vorlegen wollen, damit wir ein gutes Beispielfür mehr Gemeinsamkeit im Euro-Raum geben, weil esanders auf Dauer nicht funktionieren wird.
Es hat keinen Sinn, dass man, wie es oft geschieht– mit welchen Wortschöpfungen auch immer –, ver-sucht, leichte Lösungen vorzugaukeln, sondern wir müs-sen den Vertrauensverlust Schritt für Schritt abarbeitenund Vertrauen wieder zurückbekommen. Das muss na-türlich mit einer verbesserten Wettbewerbsfähigkeit undeinem Wachstumspfad kombiniert werden, den wir inder Europäischen Union einschlagen. Hier können wirvieles zur Vervollkommnung des Binnenmarktes tun;hier können auch wir in Deutschland noch einiges tun.Wir können vieles tun durch bessere Ausnutzung derStruktur- und Kohäsionsfonds, die von den Ländern, diejetzt sparen müssen, ja noch gar nicht ausgenutzt wur-den, und vor allen Dingen können wir vieles tun, indemwir für die zukünftige finanzielle Vorausschau noch ein-mal überlegen, ob die Struktur der Struktur- und Kohä-sionsfonds richtig ist oder ob wir das Wachstum damitgar nicht so gefördert haben, wie wir uns das eigentlichgewünscht haben.Dis8bisMkwmsaguGsSteßndisrusatrDnMwdsshAwVnkwntidV–
as ist es, wie wir Europa angehen müssen. Zumindestt das meine Überzeugung.Die Bundesregierung wird beim Europäischen Rat am. und 9. Dezember 2011 genau diese Vorschläge vor-ringen. Weil politisches Vertrauen verloren gegangent, wird dieses Vertrauen auch nur durch politischeaßnahmen Schritt für Schritt wiedergewonnen werdenönnen. Das ist unsere Überzeugung.
Natürlich schaut die Welt jetzt auf Europa, weil alleissen, dass wir in der globalen Verflechtung alle ge-einsam für das Wirtschaftswachstum verantwortlichind. Das wurde auch durch das G-20-Treffen in Cannesusgedrückt. In den nächsten Jahren wird sich – ichlaube, die Gruppe der G 20 auf der Ebene der Staats-nd Regierungschefs hat sich bewährt – im weltweitenefüge vieles verschieben. Man sieht das zum Beispielchon am internationalen Währungssystem. Wir werdenchritt für Schritt zu einem multipolaren Währungssys-m kommen, indem zum Beispiel auch China eine grö-ere Rolle in dem Maße spielt, wie China bereit ist, ei-en Wechselkurs zuzulassen, der den Fundamentaldatener eigenen Wirtschaft entspricht. Aber diese Tendenzt erkennbar. Die Arbeiten am gemeinsamen Weltwäh-ngssystem sind unter der französischen Präsident-chaft deutlich vorangekommen.Wir brauchen vor allen Dingen weiterhin – dafür sindlle europäischen Teilnehmer in Cannes sehr stark einge-eten – eine Regulierung der Finanzmärke, die dieinge endlich wieder geraderückt, nämlich dass die Fi-anzwirtschaft im Dienste der Realwirtschaft und derenschen zu stehen hat und nicht umgekehrt. Da sindir noch nicht angelangt; das sage ich ausdrücklich.
Das wird auch nicht von alleine passieren, sondernazu muss der gemeinsame Wille der Regierungen daein. Deshalb ist es nicht erfreulich, dass wir auch in die-em Jahr kein globales Einvernehmen darüber erreichtaben, dass eine Finanztransaktionsteuer die richtigentwort und, wenn man es global machte, die beste Ant-ort wäre. Deshalb werden wir jetzt ganz intensiv denorschlag der Kommission für die Erhebung einer Fi-anztransaktionsteuer im europäischen Raum weiter dis-utieren. Da sich in Europa schon vieles geändert hat,erde ich die Hoffnung nicht aufgeben. Wir sind alle ei-er Meinung, dass eine Finanztransaktionsteuer ein rich-ges Zeichen wäre, um zu zeigen: Wir haben verstan-en, dass die Finanzmärkte ihren Teil zur Gesundung derolkswirtschaften beitragen müssen.
Wir haben in Cannes einen wichtigen Erfolg errungen wir haben bei der Finanzmarktregulierung schon eini-
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ges geschafft –, nämlich dass jetzt klar ist, dass die29 systemischen, weltweit agierenden Bankinstitute, diebisher als „too big to fail“ galten, also zu groß, um plei-tezugehen, in Zukunft Auflagen bekommen, damit dasnicht mehr durch die Gemeinschaft, durch die Bürgerin-nen und Bürger gezahlt werden muss. Das ist ein wichti-ger Schritt. Aber mindestens so wichtig wie dieserSchritt ist, dass wir ähnliche Regulierungen auch für dieSchattenbanken bekommen. Deshalb war es gut, dassdas Financial Stability Board den Auftrag bekommenhat, uns bis zum nächsten G-20-Treffen hierfür Vor-schläge zu machen.Angesichts der Finanzkrisen ist ein Thema leider et-was in den Hintergrund geraten, das ich hier aber auch er-wähnen möchte, weil die CO2-Emissionen in diesem Jahrweltweit so hoch waren wie nie zuvor. Demnächst wirddie Konferenz zum Klimaschutz in Durban stattfinden.Wir befinden uns in einer ausgesprochen schwierigen undunerfreulichen Situation; ich will das klar beim Namennennen. Das Kioto-Protokoll läuft aus. Wir sind nicht soweit – das wird in Durban leider nicht passieren –, dasseine Anschlussregelung für das Kioto-Protokoll gefun-den wird.Das heißt nichts anderes – das bringt für Europa na-türlich schwierige Situationen mit sich –, als dass geradedie großen Emittenten der Zukunft, teilweise auch schonder Gegenwart, wie China, Indien, Brasilien usw., imAugenblick noch nicht bereit sind, bindende internatio-nale Abkommen zur Reduktion oder aber zur Begleitungihrer CO2-Emissionen einzugehen. Das bedeutet, dasswir leider eine Welt bekommen werden, in der zwar dieBedeutung der neuen Wirtschaftskräfte, der aufstreben-den Ökonomien wirtschaftlich größer wird, aber diesnicht mit einer entsprechenden Beteiligung auch an denFragen der Nachhaltigkeit und des Umweltschutzes ein-hergeht.Europa wird hier einen sehr klaren Kurs fahren. Un-sere Reduktionsziele stehen fest. Diese werden wir nichtändern. Wir werden sie auch weiterhin international bin-dend halten. Aber wenn wir uns anschauen, dass dereuropäische Anteil an der Weltproduktion tendenziellabnehmen wird, dann ist schon heute sicher: Das2-Grad-Ziel im Klimaschutz kann man nicht erreichen,wenn nicht die aufstrebenden Ökonomien bereit sind,bindende Verpflichtungen einzugehen.Deshalb geht es jetzt in Durban vor allen Dingen da-rum, den ärmsten und gefährdetsten Ländern weiterzu-helfen. Wir müssen auf dem Weg, den wir in Kopenha-gen gefunden haben, dem sogenannten CopenhagenAccord, mit freiwilligen Verpflichtungen weitergehen.Aus diesen Verpflichtungen wird aber klar, dass dann,wenn ihnen nichts hinzugefügt wird, das 2-Grad-Ziel biszum Jahre 2050 nicht erreicht werden kann.Meine Damen und Herren, wenn wir uns die internati-onale Situation ansehen, dann sind neben dem Klima-schutz und der Bewältigung der Finanzkrise auch im si-cherheitspolitischen Bereich intensive Entwicklungen zubeobachten. Das ist auf der einen Seite der sogenanntearabische Frühling mit Höhen und auch mit Enttäu-schungen. Ich will ausdrücklich sagen, dass die Wahl zurpsBSdaSleEsrafeDDudwtezabshTSvicdBsGfükIcwläZxzasgdlasAin
s ist nicht mehr verständlich, dass das, was dort pas-iert, nicht endlich auch in Form einer UN-Sicherheits-tsresolution geahndet wird.Der Bundesaußenminister wird Gastgeber einer Kon-renz über die Zukunft Afghanistans sein.
iese Afghanistan-Konferenz in Bonn wird vor alleningen den politischen Prozess hin zu einem friedlichennd stabilen Afghanistan im Fokus haben. Hier sind voner deutschen Seite sehr große Anstrengungen erbrachtorden. Wir werden dafür auch international sehr geach-t. Ich glaube, es ist wichtig, noch einmal in Erinnerungu rufen: Wir sind in Afghanistan wegen Afghanistan,ber auch wegen unserer eigenen Sicherheit. Deshalbleibt es in unserem Interesse, auch nach 2014 Afghani-tan zur Seite zu stehen, um nicht wieder einen Staat zuaben, der nicht stabil ist und von dem internationalererrorismus ausgehen kann.Meine Damen und Herren, wir wissen, dass unsereoldatinnen und Soldaten nicht nur in Afghanistan, aberor allem auch dort ihren Dienst tun. Deshalb möchteh auch in dieser Debatte noch einmal daran erinnern,ass wir 2011 bereits sieben Gefallene haben und seiteginn der Mission 52 Soldaten zu Tode gekommenind, davon 34 durch Feindeinwirkung. Ich möchte dieelegenheit nutzen, unseren Soldatinnen und Soldatenr ihren Dienst in unserem Interesse ein herzliches Dan-eschön zu sagen.
h bin sehr froh, dass sich heute schon abzeichnet, dassir, wenn wir im Dezember und Januar die nächste Ver-ngerung des Afghanistan-Mandats diskutieren, dieahl unserer Soldaten verringern können: von heute ma-imal 5 350 auf 4 900 mit weiteren Reduzierungen bisum Ende des Mandatszeitraums. Ich bedanke mich beillen, die sich mit dem Gedanken tragen, dies zu unter-tützen. Je breiter dieses Mandat vom Hohen Haus getra-en wird, desto besser ist es für die Soldatinnen und Sol-aten.Wir haben als eine der großen Reformen dieser Legis-turperiode die Bundeswehrreform zu nennen. Wir wis-en, dass wir natürlich mittelfristig Einsparungen haben.ber ich will ausdrücklich sagen – ich danke auch allen den Wahlkreisen und Ländern, die dies bei der Um-
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strukturierung eingesehen haben –, dass es keine Um-strukturierung ohne Veränderung gibt. Ich will dem Bun-desverteidigungsminister dafür danken, dass er diesdurch gute Vorbereitung und Einbindung so gestaltet hat,dass sich die Schmerzen, die damit verbunden sind, inGrenzen halten und die Einsicht in die Reform über-wiegt.
Natürlich müssen wir auch in Deutschland unserenBeitrag für die Zukunftsfähigkeit unseres Kontinentsund unseres Landes leisten. Dabei stehen zwei Fragenim Vordergrund. Die eine heißt: Wovon wollen wir inDeutschland in Zukunft leben? Wir sind ein Land, indem sich die Bevölkerungszusammensetzung verändert.Wir werden mehr Ältere haben und weniger Jüngere.Wir werden eine vielfältigere Bevölkerung haben, weilder Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund zu-nimmt, und wir werden weniger werden. Darauf müssenwir uns in allen Facetten vorbereiten.Wenn wir uns fragen, wovon wir leben wollen, dannist sicherlich eine der großen und hier im Hause parteiü-bergreifend entschiedenen Veränderungen die unsererEnergiepolitik gewesen. Wir haben verstanden, dass wirin den nächsten Jahren diesen Wandel hin zum Zeitalterder erneuerbaren Energien gestalten müssen. Das gehtnicht mit Nein, sondern nur mit Ja. Deshalb hat die Bun-desregierung einen Monitoringprozess in Gang gesetzt.Wir werden jährlich dem Parlament berichten. Die Ar-beit ist noch nicht getan. Der Bundeswirtschaftsministerund der Bundesumweltminister werden gemeinsam die-sen Prozess mit aller Intensität voranbringen. Wir wer-den auch Konflikten nicht aus dem Wege gehen, die da-mit verbunden sind, dass neue Infrastruktur gebautwerden muss. Ohne die wird das Zeitalter der erneuerba-ren Energien nicht zu erreichen sein.
Ich glaube, es ist auch gut, dass wir in der Endlager-frage ein neues Herangehen vereinbart haben. Hier wirdes in Gesprächen mit den Ländern bis zum Sommer kon-krete Ergebnisse geben. Ich sage ganz ausdrücklich: DerUmstieg auf die erneuerbaren Energien ist eine Genera-tionenaufgabe. Das wird in einer Legislaturperiodeselbstverständlich nicht zu machen sein.Ein Zweites im Zusammenhang mit der Frage, wovonwir leben wollen: Wir müssen die Aufmerksamkeit dar-auf lenken, dass wir in vielen Bereichen heute von derSubstanz leben. Deshalb ist es ein ganz wichtigerSchwerpunkt in diesem Haushalt, dass wir mehr in dieVerkehrsinfrastruktur investieren. Nur so werden wir alsein Land im Zentrum Europas überhaupt wettbewerbsfä-hig sein. Das ruft bei den Grünen nur ein schmales Lä-cheln hervor, weil man darauf nicht so viel Wert legt,
angefangen von den Autobahnen bis hin zu den Bahnhö-fen.
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Wir sind uns vielleicht mehr einig darüber, dass un-ere Zukunftschancen, auch angesichts der demografi-chen Veränderungen, vor allen Dingen in dem Erfolgei Innovation, in der Kreativität der Menschen in unse-m Lande und in der produktiven Unruhe, weiter nacher besten Lösung zu suchen, liegen. Die Bundesregie-ng ist genau auf dem richtigen Pfad, wenn sie in dieseregislaturperiode 6 Milliarden Euro mehr für Forschungnd 6 Milliarden Euro mehr für Bildung ausgibt. Dasab es bisher in der Geschichte der Bundesrepublik nochie. Die Ausgaben dafür sind höher denn je. Das sindukunftsinvestitionen, die wir dringend brauchen.
Wir wissen, dass wir angesichts der demografischeneränderungen darauf achten müssen, dass Kinder mitigrationshintergrund einen guten Schulabschluss ha-en, die deutsche Sprache vernünftig lernen und in dierbeitswelt integriert werden. Wir wissen, dass wir un-r 3 Millionen Arbeitslose haben – eine so niedrige Zahlat es seit der deutschen Einheit nie gegeben –,
ass wir mit über 41 Millionen Menschen im Übrigenehr Erwerbstätige haben, als wir jemals hatten, undass die Zahl der versicherungspflichtigen Beschäfti-ungsverhältnisse deutlich zugenommen hat. Aber wirissen auch, dass wir noch viel zu tun haben. Die Aus-aben im Bereich der Langzeitarbeitslosigkeit sinken aninigen Stellen, aber durch die Erhöhung der Hartz-IV-ätze sinken sie in der Summe nicht so, wie wir uns dasorstellen. Deshalb liegt der Fokus auf der Bekämpfunger Langzeitarbeitslosigkeit und in ganz besonderereise auf der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit derer,ie jung sind und noch ein langes Leben vor sich haben.iese müssen in Arbeit gebracht werden. Dabei habenir Erfolge vorzuweisen.
Ich weiß gar nicht, warum Sie so schreien. Ich erinnereich an die Schröder-Zeit und daran, wie Sie in Sachenrbeitslosigkeit dastanden. Wir haben die Zahl der ju-endlichen Arbeitslosen halbiert. Das hätten Sie einmalchaffen sollen. Das waren sieben verschwendete Jahre diesem Bereich.
Wir bieten Chancen für junge Menschen. Deshalberden wir da weitermachen. Gleichzeitig wissen wir,ass wir auch einen Fachkräftebedarf haben und um dieesten Köpfe auch von außen werben müssen. Deshalbaben wir zwei Dinge gemacht: Erst einmal haben wirie Berufsabschlüsse derjenigen anerkannt, die aus ei-em anderen Land kommen und dort ihren Berufsab-
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schluss erworben haben. Auch dazu hätten Sie siebenJahre Zeit gehabt, wenn Ihnen das so am Herzen gelegenhätte. Sie haben das nicht gemacht. Die Bundesbildungs-ministerin hat es jetzt in mühevoller Kleinarbeit ge-macht. Wir haben auch die Länder dafür gewonnen, demzuzustimmen. Jetzt muss es nur noch umgesetzt werden.Das ist ein Riesenerfolg, weil Menschen in Zukunft end-lich wieder entsprechend ihrer Qualifikation arbeitenkönnen. Das sind wir diesen Menschen schuldig.
Gleichzeitig werden wir die Blue-Card-Richtlinie umset-zen und die Gehaltsschwelle für diejenigen, die nachdrei Jahren durch eine Überprüfung, ob sie auch wirklichArbeit haben, eine Niederlassungserlaubnis bekommen,von 66 000 Euro auf in Zukunft 48 000 Euro absenken.Auch das ist eine Reaktion auf die Erfordernisse.Wir werden auch intensiv an dem Thema Integrationweiterarbeiten. Ende Januar wird der nächste Integra-tionsgipfel stattfinden. Wir werden von der Situationwegkommen, nur Einzelfälle zu betrachten, und künftigganz klare Zielvorgaben machen, was wir bei der Inte-gration erreichen wollen. Auch das ist eine Weiterent-wicklung.Wir wissen: Vorbereitung auf den demografischenWandel heißt, den Tatsachen ins Auge zu sehen. Wir ha-ben bereits in der letzten Legislaturperiode mit der Rentemit 67 darauf reagiert. Wir tun das jetzt mit einer Erwei-terung der Pflegeleistungen. Zum ersten Mal werden wirsowohl für die Betroffenen von Demenzerkrankungenals auch für die pflegenden Angehörigen und die Be-schäftigten in den Pflegeheimen die Leistungen deutlicherweitern. Zwar kann man immer sagen, das sei zu we-nig. Aber es ist erst einmal das richtige Signal, um Men-schen und ihren Angehörigen zu helfen, die heute vonder Pflegeversicherung nicht erfasst werden.
Wir werden einen Einstieg in die private Vorsorgevornehmen. Die Arbeiten zum neuen Pflegebegriff wer-den in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden.
– Herr Kuhn, man kann so tun, als ob dies einfach wäre.Das ist es aber nicht. Ich habe mich sehr intensiv damitbeschäftigt. Man kann nicht einfach einen neuen Pflege-begriff einführen, in dessen Folge es anschließend vielenbesser geht, viele aber auch schlechter dastehen alsheute. Das wollen wir nicht. Wir machen das gründlich,damit wir für die Pflegenden nicht eine einzigartige Ent-täuschung produzieren.
Mit der Familienpflegezeit haben wir ein wichtiges Sig-nal zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie gesetzt.Ich möchte noch ein Wort zur Wahlfreiheit und zumBetreuungsgeld sagen. Als wir damals das Elterngeldeingeführt haben, hat jeder das schwedische Vorbild inden höchsten Tönen gelobt und gesagt, dass man vonden skandinavischen Ländern fürchterlich viel lernenkimudBudmeAsLdrebinuSNFteDnDdzsLzGWmhbinMnmüWeMnd
ach vielen Einschränkungen in der Wirtschafts- undinanzkrise ist es erfreulich – Sie werden nicht bestrei-n, dass das erfreulich ist –, dass die Realeinkommen ineutschland in diesem Jahr gestiegen sind und auch imächsten Jahr steigen werden.Jetzt kommen wir zu einem ganz spannenden Punkt:
as Bundesverfassungsgericht hat uns aufgegeben, dassie Regelsätze für das Arbeitslosengeld II jedes Jahr an-upassen sind. Das Bundesverfassungsgericht hat unschon vor vielen Jahren aufgegeben, dass angesichts derebenshaltungskosten nicht nur die Regelsätze für Lang-eitarbeitslose anzupassen sind, sondern genauso derrundfreibetrag im Steuersystem.
enn Sie den Menschen in Deutschland ernsthaft sagenöchten: „Wir tun etwas für die, die leider keine Arbeitaben, aber für die, deren Verdienst im Eingangssteuer-ereich liegt, tun wir nichts“, dann können wir das gerne der Öffentlichkeit austragen. Ich sage Ihnen unter demotto „Wer arbeitet, muss mehr haben als dann, wenn ericht arbeitet“: Wir werden dafür Mehrheiten bekom-en. Dass man den Grundfreibetrag angleichen muss, istberhaupt keine Frage.
enn der Hartz-IV-Satz um 10 Euro steigt und die Steu-rentlastung nur 4 Euro beträgt, dann werden Sie eherühe haben, das zu erklären. Ich würde an Ihrer Stelleicht zu laut davon sprechen, sondern sagen: 4 Euro sindas Mindeste, was man machen muss.
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16920 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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Wenn Sie sich den Verlauf der Steuerprogression imEingangssteuerbereich anschauen – den kennen Sie ge-nauso gut wie wir –,
und den Menschen sagen wollen: „Wir heben denGrundfreibetrag an; das müssen wir machen, weil unsdas Bundesverfassungsgericht das abverlangt“, Sie abernicht bereit sind, Verschiebungen vorzunehmen, sodassdie Progression nicht mehr steigt, dann diskutiere ich mitIhnen darüber wieder gerne in der Öffentlichkeit.
Das sind die Belastungen, die auf die Kommunen unddie Länder zukommen. Weil wir uns freuen, dass dieBruttolöhne im Jahr 2011 im Durchschnitt um 3,4 Pro-zent steigen, aber auch wissen, dass wir eine Inflations-rate von 2,3 Prozent haben, wollen wir in Zukunft das,was durch die Inflation verloren geht, durch eine weitereVerschiebung des Steuertarifs kompensieren. Weil wirwissen, dass die Kommunen und die Länder den darausresultierenden Steuerausfall wahrscheinlich nicht aus-gleichen können, sagen wir: Der Bund übernimmt dasganz. – Das ist das, was wir für die Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer in der Republik tun, die in der Kriseviel geleistet haben. Ich finde das nicht nur vernünftig,sondern auch absolut gerecht. Steuergerechtigkeit, da-rum geht es.
Meine Damen und Herren, nun möchte ich auf daseingehen, was Sie zu den Verschuldungsraten und denAusgabepositionen gesagt haben. Die Steigerung imBundeshaushalt lag in der Vergangenheit bei 1 Prozent.
Das wurde zu Ihren Zeiten so gut wie nie erreicht, um esganz vorsichtig zu sagen.
Wenn wir uns aufgrund der Tatsache, dass das Wirt-schaftswachstum in diesem Jahr stärker ist, als wir prog-nostiziert haben, dafür entscheiden, das zusätzliche Geldnicht in letzter Minute auszugeben, um die Verschuldungzu verringern, und sagen: „Wir haben eine geringereVerschuldung, weil wir ein höheres Wachstum haben,und nächstes Jahr eventuell eine höhere Neuverschul-dung, weil das Wachstum dann wieder geringer ist“,dann ist das ehrlich. Dann finde ich das richtig, und dannist Ihre Argumentation wohlfeil.
Wenn es um Europa und Deutschland geht, ist Ihre Ar-gumentation an Doppelzüngigkeit nicht zu überbieten.Wenn Sie über Griechenland, Portugal, Spanien und an-dere Länder sprechen, dann sagen Sie jedes Mal mit Trä-nen in den Augen, wie schlimm es ist, dass dort keinWachstum mehr stattfinden kann, weil man dort die Ver-schuldung abbauen muss, und was es für eine üble PolitikDeutschlands ist, darauf zu beharren, dass die Stabilitäts-kriterien wieder eingehalten werden. Wenn gleichzeitigwir die Stabilitätskriterien einhalten und uns ganzEeuuWdn–omleaisbdwlevsHäkkgsseMwDHamwce
Jeder in Europa sagt: Ihr habt glücklicherweise nochachstum, könnt einen Beitrag leisten und unsere Pro-ukte kaufen. – Denn inzwischen ist unser Wachstumicht mehr exportgetrieben.
Ich habe die Eigenschaft, überall gleich zu sprechen,b ich mit Ihnen rede, mit meinen politischen Freunden,it der Bundesbank oder mit meinen europäischen Kol-gen. Das macht mein Leben so einfach, weil ich über-ll gleich spreche und nicht doppelzüngig spreche. Dast mein Vorteil.
Unser Wachstum ist inzwischen binnenmarktgetrie-en; das ist gut, und das ist richtig. Wir tun im Rahmenessen, was wir können, das, was dazu notwendig ist.Wir müssen die Fragen beantworten: Wovon wollenir morgen leben? Wie wollen wir morgen zusammen-ben? Die Bundesregierung geht da Schritt für Schrittoran. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird weitero sein, auch im nächsten Jahr, dass wir vor riesigenerausforderungen in einer Welt stehen, die sich massivndert. Es gibt Herausforderungen, mit denen sich nochünftige Generationen beschäftigen werden. Aber wirönnen sagen: Unser Land hat gute Ausgangsbedingun-en. Die christlich-liberale Koalition stellt sich mit Ent-chlossenheit genau dieser Aufgabe. Ich sage Ihnen: Un-er Ziel ist eine menschliche Gesellschaft und einerfolgreiche Gesellschaft – das ist die Botschaft an dieenschen in unserem Land –, und dafür werden wireiter arbeiten.Herzlichen Dank.
Klaus Ernst ist der nächste Redner für die Fraktion
ie Linke.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen underren! Frau Bundeskanzlerin, ich möchte als Erstes ausktuellem Anlass auf Ihre Aussagen zum Rechtsterroris-us in unserem Land eingehen. Sie haben hier richtiger-eise die Gemeinsamkeit der Demokraten angespro-hen. Das freut mich. Es ist uns gestern gelungen, hierine gemeinsame Erklärung zu verabschieden.
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Klaus Ernst
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Allerdings, Frau Merkel, muss sich diese Haltung inIhrer Partei noch herumsprechen.
Vor einigen Wochen ist in Sachsen aber mit ZustimmungIhrer Fraktion und mit Zustimmung der NPD die Immu-nität des Fraktionsvorsitzenden der Linken aufgehobenworden, weil er sich gegen die braune Brut in Deutsch-land zur Wehr gesetzt hat, auch mit seiner Anwesenheitbei Demonstrationen. Das ist alles andere als die von Ih-nen angesprochene Gemeinsamkeit der Demokraten.
Was wir jetzt brauchen, Frau Merkel und liebe Kolle-ginnen und Kollegen der CDU, der CSU und der FDP,ist, dass wir die Menschen in unserem Land deutlichstärken, die sich auch außerhalb der Parlamente gegenNeofaschismus wehren – oft begibt man sich in Gefahr,wenn man das tut –, und dass wir ein Signal geben, dassdas gesamte Parlament, alle Parteien, alle Fraktionen,alle Abgeordneten in Deutschland, die Demokraten sind,diese Menschen in unserem Land unterstützen.
Solange wir da unterscheiden und solange wir da einePolitik machen, wie sie Ihre Regierung betreibt, indemSie die Menschen, die Unterstützung bräuchten, unterGeneralverdacht stellen, wenn es um die Frage geht, obsie Geld und Unterstützung des Staates bekommen,wenn sie sich bei Projekten oder Ähnlichem engagieren,so lange ist es mit der Solidarität und mit der Zusam-menarbeit aller Demokraten noch nicht weit her. Des-halb sage ich: Ändern Sie an dieser Stelle Ihre Politik!Sorgen Sie dafür, dass wir den Geist der Entschließung,die wir gestern hier verabschiedet haben, tatsächlich um-setzen und dass wir alle gemeinsam in diese Richtunggehen! Nur dann hat das Sinn; sonst lassen wir die Men-schen alleine, die sich gegen Neofaschismus wehren.
Einen zweiten Punkt muss ich ansprechen, weil ichIhnen das so nicht durchgehen lassen kann, Frau Merkel:die Steuersenkungen. Ja, wir sind mit Ihnen der Auffas-sung – auch wenn Sie das nicht sonderlich zu interessie-ren scheint –, dass es notwendig ist, Steuergerechtigkeitin unserem Lande wiederherzustellen. Ein Punkt dabeiist, dass wir mit Blick auf die Steuerprogression durchden sogenannten Mittelstandsbauch im Steuertarif einevernünftige Regelung finden müssen. Wir sind auch derAuffassung, dass es notwendig ist, den Spitzensteuersatzneu zu regeln. Aber wir unterscheiden uns hier deutlichvon Ihnen, weil wir meinen, dass man, wenn man solcheVorschläge in der jetzigen Haushaltslage der Bundesre-publik Deutschland einbringt, auch erklären muss, woman das Geld dafür hernehmen will. Diese Erklärungbleiben Sie schuldig. Sie machen Geschenke, ohne siegegenzufinanzieren. Wenn wir solche Vorschläge ma-chen würden, wäre was los in diesem Haus. Aber Sieglauben, Sie könnten sich das leisten. Das ist nicht ak-zeptabel.
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16922 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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noch einen befristeten Arbeitsvertrag. Über solche Zu-stände am Arbeitsmarkt kann man sich offensichtlichnur freuen, wenn man ein Parteibuch der CDU oder derFDP hat. Die Menschen freuen sich darüber nicht; siewollen vernünftige Arbeitsplätze und gute Arbeit. Diesverhindern Sie mit Ihrer Deregulierungspolitik am Ar-beitsmarkt.
Außerdem möchte ich mit Blick auf das Leistungsniveaudarauf hinweisen, dass natürlich auch die Erhöhung desArbeitslosengeldes II die Inflation der letzten Jahre nichtausgleicht und damit auch die Arbeitslosengeld-II-Be-zieher weniger haben als vorher.Wo, bitte schön, ist dann Ihr Aufschwung, Frau Mer-kel? Wo, bitte schön, geht es allen Menschen besser?Das versprechen Sie doch so gerne.In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Lohn-quote eingehen, also den Anteil der Löhne und Gehälteram Volkseinkommen. Die Lohnquote hat sich von 2000bis 2010 von 72 auf 66 Prozent verringert. Das bedeutet:Hätten wir noch die alte Verteilungsrelation, hätten imJahr 2010 die Arbeitnehmer in der Summe 112 Milliar-den Euro mehr gehabt. Sie haben mit Ihrer Politik desLohndumpings dazu beigetragen, dass die Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer massive Einbußen bei ihremLohneinkommen hinnehmen mussten.Frau Merkel, Sie haben einen großen Teil Ihrer Rededer Finanzkrise gewidmet. Das möchte ich auch machen.Diese Haushaltsdebatte steht unter dem Eindruck derschwersten Finanzkrise, die Europa seit dem Ende desKrieges erlebt hat. Was offensichtlich zu Ihnen nochnicht durchgedrungen ist – das sagen Ihnen auch alle an-deren –, ist die Tatsache, dass wir offensichtlich amRande einer neuen schweren Rezession stehen.Wer sich anschaut, wie diese Regierung in der Kriseagiert, der muss unweigerlich den Eindruck bekommen,dass die Regierung weder vernünftige Analysen nocheine vernünftige Strategie hat. Frau Bundeskanzlerin, esstimmt ja möglicherweise, dass Sie immer dasselbe sa-gen. Aber das bezieht sich immer nur auf einen be-stimmten Zeitraum. Denn jedes halbe Jahr erzählen Siehier im Bundestag das Gegenteil von dem, was Sie einhalbes Jahr zuvor gesagt haben.
Das gilt insbesondere bei der Bewältigung der Finanz-krise.In der letzten Legislaturperiode haben Sie noch jedeRegulierung der Finanzmärkte abgelehnt. Inzwischenfordern Sie selbst eine Regulierung der Finanzmärkte.Anfang 2010 haben Sie noch jede Hilfe für Griechenlandabgelehnt. Inzwischen haben wir ein Vielfaches unseresSteueraufkommens dafür verpfändet.Heute sperren Sie sich als einzige Regierung gegenEuro-Bonds und eine Direktfinanzierung der Euro-Staa-ten durch die EZB. Ich prophezeie Ihnen, Frau Merkel:Diese Position werden Sie kein halbes Jahr mehr durch-halten. Wenn Sie sie jedoch durchhielten, würden SiedgatiJSglaPghcs1dSnntiaDzwn1M1JnWshmd –hssddMkLvH
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Deutschland. Sie wird auch das Gesicht dieses Landesverändern. Das deutsche Entwicklungsmodell – Wachs-tum auf Kosten der eigenen Arbeitnehmer und der be-nachbarten Volkswirtschaften – ist an sein Ende gekom-men. Vor diesem Ende stehen wir jetzt.
Das haben alle in Europa begriffen, aber Ihre Regie-rung nicht. Nichts spricht mehr Bände als das, was dieVertreter dieser Regierung selbst zu diesem Thema zumBesten geben. Ich zitiere hier stellvertretend den Wirt-schaftsminister, Herrn Rösler. Er sagte in der letzten Wo-che der Süddeutschen Zeitung – ich habe es fast nicht ge-glaubt –:Ich bin bei Wirtschaftsministertreffen immer dereinzige, der Exportüberschüsse gut findet.
Da kann ich nur sagen: sehr schlau. Er merkt gar nicht,dass wir mit den Exportüberschüssen, die wir in Deutsch-land produzieren, die Probleme der anderen verursachen.Man denkt bei solchen Aussagen unwillkürlich an denGeisterfahrer auf der Autobahn, der im Radio hört: Ihnenkommt ein Fahrzeug entgegen. Der Geisterfahrer sagt:Was heißt denn hier „ein Fahrzeug“? Hunderte! – Genauso ist die Situation in der Bundesregierung.
Die zweite Ursache für die Probleme, die wir an denFinanzmärkten zu konstatieren haben, liegt im Verhält-nis der Staaten und ihrer Finanzierung. Wie ist der Zu-sammenhang? 2008 und 2009 mussten alle Staaten mitviel Geld das Bankensystem retten. Allein in Deutsch-land stieg der Schuldenstand um 265 Milliarden Euro,wohlgemerkt ohne Rettungsschirm. Die Staaten rettetendie Banken mit Geld, aber sie hatten das Geld nicht. DieStaaten borgten sich das Geld bei den Banken, die sievorher gerettet haben. Jetzt sind wir in der Situation,dass sich die Banken das Geld zu 1,25 Prozent Zinsenbei der Europäischen Zentralbank leihen und es zu Wu-cherzinsen – in Portugal aktuell 20 Prozent für kurzfris-tige Laufzeiten – an die Staaten zurückleihen. Wie be-scheuert sind wir eigentlich, dass wir uns das antun?
Was für ein absurdes System! Wir lassen uns mit Wu-cherzinsen über den Tisch ziehen.Die Strategie bei der Krisenbekämpfung scheitert je-den Tag aufs Neue. Sie wollen erzwingen, dass die Grie-chen, die Portugiesen, die Spanier, die Franzosen – ja, ir-gendwann auch die Deutschen – die Wucherzinsen derBanken zahlen, und zwar nicht die Millionäre oder dieUnternehmen oder die Gutverdiener, sondern die einfa-chen Leute: die Arbeitnehmer mit ihren Löhnen, dieRentner mit ihren Renten, die Arbeitslosen mit dem Ar-beitslosengeld, die Kranken mit Einschnitten im Ge-sundheitssystem, die Kinder mit dem vernachlässigtenöffentlichen Bildungssystem.Die Folgen dieser Politik sind sehr dramatisch. Wer indiesen Tagen Athen besucht, der erlebt eine Stadt im Fie-bSdimDsihddsnbkSvFRskGsuoEhwwrebzZSdmwslawsnMVwGvzrusWinrumQ
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16924 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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was wir hier erleben, ist eine Kapitulation der Demokra-tie vor den Banken, und Sie befürworten diese, FrauMerkel.
Mit dieser Politik sind wir dabei, das Demokratie-und Sozialstaatsmodell in Europa zu zerstören. Ihre Hal-tung dazu, Frau Merkel, ist deutlich geworden. Sie ha-ben Anfang September gesagt, man müsse vor allen Din-gen dem Wunsch der Märkte nachkommen, denEuroparettungsschirm marktkonform auszugestalten.Wer bestimmt eigentlich die Richtlinien der Politik?Manchmal habe ich den Eindruck, dass Sie bei diesenFragen Ihre Redezeit vielleicht direkt Herrn Ackermannübertragen sollten. Dann wüssten wir wenigstens, wo ge-nau wir dran sind.
Ihr Leitbild und das Ihrer Regierung ist eine Demo-kratie, die sich im Zweifelsfall dem Willen der Märkteunterordnet. Ihre Doktrin heißt nichts anderes, als die In-teressen der Banker vor die Interessen der Bürger zustellen. Sie haben mit Ihrer Politik der Erpressung daseuropäische Projekt entleert und die EU zum Inkasso-büro der privaten Banken gemacht. Diese Politik wirdsich rächen.Wir schlagen drei Punkte vor, um die Dinge wieder indie richtige Richtung zu lenken. Erstens. Wir wolleneine Entkopplung der Staatsfinanzierung von den Fi-nanzmärkten. Den Unsinn, den ich vorhin dargestellthabe, wollen wir beenden. Dazu schlagen wir vor, dasswir eine Bank für öffentliche Anleihen gründen, die sichdirekt bei der EZB verschuldet und dann das Geld, dassie von der EZB bekommen hat, zu tragbaren Zinsen un-ter vernünftigen Auflagen an andere Staaten weiterver-leiht. Eine vernünftige Auflage wäre für Griechenlandeben nicht das Senken des Sozialniveaus, sondern fürGriechenland wäre es vernünftig, den Rüstungshaushaltherunterzufahren und die großen Vermögen zu besteu-ern. Das wäre ein anderer Weg, den die Griechen gehenkönnten.
Zweitens. Wir schlagen vor, das Bankensystem künf-tig öffentlich-rechtlich zu organisieren. Es gibt gegen-wärtig nur die Alternative: Entweder übernimmt derStaat die Banken, oder die Banken übernehmen denStaat. So weit sind wir. Die Zukunft in der Bundesrepub-lik Deutschland gehört nicht dem „Modell DeutscheBank“, sondern sie gehört eher dem „Modell Sparkasse“.Drittens. Wir schlagen einen neuen europäischen Sta-bilitätspakt vor. Ein Staat kann seine Wettbewerbsfähig-keit steigern, ein gemeinsames Europa muss aber nachanderen Regeln funktionieren. Wir müssen letztendlichdafür sorgen, dass es in ganz Europa – so wie es das Sta-bilitätsgesetz in Deutschland vorschreibt – ausgegli-chene Handelsbilanzen gibt.Sie haben eine gemeinsame Steuerpolitik und eine ge-meinsame Wirtschaftspolitik angesprochen. Dem müssteeine gemeinsame Lohnpolitik folgen. Es kommt vor al-len Dingen darauf an, dass wir uns in Deutschland aufgcdeWgW–scliIcdedddcDdsDludWnSddVLhmte
Für die FDP-Fraktion erhält nun Rainer Brüderle das
ort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Red-erkarussell bei der SPD ist schon putzig. Die Kollegenteinmeier, Gabriel und Steinbrück wechseln sich beien Kerndebatten ab und halten hier ihre Bewerbungsre-en.
orpreschen tut keiner. Wenn Schröder, Scharping undafontaine früher das Trio Infernale waren, dann sindeute Steinmeier, Gabriel und Steinbrück das Trio Im-obile. Sie machen so etwas wie ein Kanzlerkandida-nmikado.
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Rainer Brüderle
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Wer sich von ihnen als Erster bewegt, der hat verloren.
Herr Gabriel, zwischen Soll und Ist und Soll und Ha-ben besteht ein Unterschied.
Im Haushalt 2011 betrug die Ermächtigung zur Kredit-aufnahme 48,4 Milliarden Euro. Das sind 22 MilliardenEuro mehr; denn für 2012 sind rund 26 Milliarden Euroneue Schulden vorgesehen. Das Ist wird niedriger sein.Sie haben in Ihren Reihen immer ein Problem: zwischenSoll und Haben,
zwischen Soll und Ist und zwischen Mein und Dein. Dasist Ihr historisches Problem.
Herr Gabriel, Sie sagen, die Regierung muss sparen,und verweisen auf Griechenland. Das ist Ihr Job, dafürgibt es auch die Elefantenrunde, aber glaubwürdig ist esnicht. Die SPD-Fraktion hat in diesem Haushalt zusätzli-che Ausgaben in Höhe von 5 Milliarden Euro vorge-schlagen. Das ist Ihre Realität. Einsparvorschläge? Fehl-anzeige! Sie machen nichts!
Es gibt Steuererhöhungsvorschläge im halben Dut-zend und mehr. Von Entschuldung sprechen, aber eigent-lich die Schleusen öffnen wollen – so geht das nicht. Wirsind hier nicht bei „Wünsch Dir was“, hier ist „So isses“!
Statt der Regierung eine Nase zu drehen, sollten Siesich lieber an die eigene Nase fassen. Als Finanzministerwollte Herr Steinbrück für das Jahr 2012 fast 60 Milliar-den Euro Schulden machen. Wir kommen mit wenigerals der Hälfte aus.
Zur Einhaltung der Schuldenbremse liegen wir rund15 Milliarden unter der maximalen Nettokreditauf-nahme. Die christlich-liberale Koalition hält Deutsch-land auf einem Wachstumspfad, und die Konsolidierungwird durchgeführt.
Bei der Wirtschaftsentwicklung verbreitet die Oppo-sition graue Novemberstimmung, aber Sie überzeichnen,Sie malen schwarz.
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Der Arbeitsmarkt ist robust. Es gab noch nie 41 Milli-nen Beschäftigte in Deutschland. Das hat diese Regie-ng erreicht. Deutschland ist die Bezugsgröße, der si-here Hafen für die europäische Entwicklung.Unsere stabilitätspolitischen Vorstellungen sind rich-g. Das belegt die Entwicklung in Deutschland. Das istin Kraftakt. An dieser Stelle danke ich ausdrücklich deregierung Merkel/Rösler dafür, dass wir unsere Partnerinsichtlich dieser Entwicklung bei der Stange halten.Andere in Europa wollen die Schuldenkrise mit derotenpresse lösen. Sie besitzen neuerdings Kreativität:uerst wollten sie eine Banklizenz für die EFSF. Das hateutschland zu Recht verhindert. Dann ging es um denriff nach dem Gold der Deutschen Bundesbank. Dasaben wir auch zu Recht verhindert. Andere wollen dieZB nach dem Vorbild der Fed umgestalten. Auch daserden wir verhindern. Stabilitätsorientierte Politik füreutschland sollte nationaler Konsens sein; das sollteuch auf Ihrer Agenda stehen.
Herr Steinmeier hat diese Linie im Plenum vertreten.r hat uns sogar kritisiert. Er hat gesagt, mit der EFSFürde es zu langsam gehen. Das würde die Notenbanknter Druck bringen. Jetzt kommt Steinmeiers frühererhef, Herr Schröder, aus seiner Ecke hervor und fordert,ie Notenpresse anzuwerfen, Geld zu drucken. Das istmerhin konsequent. Schröder hat den Stabilitätspaktiniert und die Griechen in die Euro-Zone gelassen.etzt den Euro komplett fertigzumachen, zeugt von einerewissen Logik, von einer gewissen Konsequenz; es istber falsch.
Was Steinmeier sagt, juckt Steinbrück nicht. Ich zi-ere Steinbrück:Allerdings zeigen die Fed der USA und die Bank ofEngland, dass in Krisenzeiten genau dies gemeint ist die Staatsfinanzierung mit der Notenpresse –die Rolle von Notenbanken ist.itat Ende. Das erklärt Herr Steinbrück wörtlich in sei-en Anmerkungen zur Verschuldungs- und Bankenkrise.
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16926 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Rainer Brüderle
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In deutsche Sprache übersetzt heißt das: Steinbrück willwie Frankreich und andere die große Geldkanone anset-zen, das Geld drucken und nicht die Statik in Europa inOrdnung bringen. Das ist der falsche Weg.
Deswegen ist die Lage bei Ihnen völlig konfus.
Das widerspricht der deutschen Stabilitätstradition.Wir alle haben den Menschen in Deutschland verspro-chen, der Euro werde genauso stabil sein, wie dieD-Mark es war. Deshalb müssen wir für diese Stabili-tätskultur kämpfen und die Ängste der Menschen inDeutschland ernst nehmen. Im Gencode der Deutschenist die Angst vor der Hyperinflation eingeprägt, währenddie Amerikaner Angst vor der Deflation haben. Das er-klärt die unterschiedlichen Verhaltensweisen diesseitsund jenseits des Atlantiks. Ich glaube, Steinbrück solltelieber weiter Schach spielen, aber dieses Mal die Figurenrichtig aufstellen. Das würde ihn vielleicht weiterbrin-gen.
Herr Gabriel fordert jetzt wieder Euro-Bonds. Das istPolitik nach Schlagzeile. Ihr haushaltspolitischer Spre-cher, Carsten Schneider, hat heute Morgen im Morgen-magazin genau das als nicht machbar und falsch erkannt.Vielleicht hören Sie das einmal nach. Er gilt als Fach-mann. Vielleicht hilft Ihnen das weiter. Als Ihre Basisdamals rebellierte, haben Sie die Pläne für die Euro-Bonds wieder in die Schublade gelegt. Als das Verfas-sungsgericht klare Grenzen gezogen hat, waren Sie sehrleise. Die SPD-Fraktion hat in ihrem Entschließungsan-trag einen großen Bogen um Euro-Bonds gemacht.Euro-Bonds sind der falsche Weg. Sie setzen den Zins-mechanismus außer Kraft. Das ist Einheitszins! Das istZinssozialismus! Sozialismus ist immer falsch, auch beiden Zinsen!
Herr Steinbrück hat bislang einen Schuldenschnitt fürGriechenland gefordert. Jetzt sagt er, man hätte für dieAnleihen Griechenlands von Anfang an Garantien aus-sprechen sollen. Ständig neue Äußerungen.
– Ich kann das alles belegen. – Hätte, könnte, sollte – dieSPD im Konjunktiv; mit klarer Politik hat das nichts zutun.
Bilden Sie sich doch einmal eine Meinung. Sagen Siesie, auch wenn sie falsch ist; aber haben Sie wenigstenseine Meinung!
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Wir brauchen eine Risikobremse am Kapitalmarkt, an-ere Eigenkapitalunterlegungen, Transparenz bei Schat-nbanken. Hier ist vieles aus dem Ruder gelaufen. Herrabriel, Rot-Grün hat mit Hegdefondsderivaten den Dra-hen der Finanzmärkte gemästet.
enn nun Sigmar als Siegfried auftreten will, dann istas eine Komikrolle. Erst den Drachen zu züchten undich dann als Gegner aufspielen zu wollen – das ist un-dlich, unglaubwürdig. Das sind Theaternummern, aberas ist keine reale Politik.
Mich hat dieser Tage anderes unruhig gemacht: Derssische Präsident will eine eurasische Union. Der ame-kanische Präsident wendet sich verstärkt dem Pazifiku.
as sollte uns aufhorchen lassen. Aus der Hinwendungu Asien darf keine Abwendung von Europa werden.uropa muss sich neu aufstellen. Wir müssen Strukturennd Handlungsfähigkeit schaffen. Das gilt übrigensicht nur für den Euro. Es führt uns vor Augen: Europaat vieles anzupacken. Wir brauchen auch eine stärkeretegration der Außen- und Sicherheitspolitik und eineemeinsame Sicherheitsarchitektur, wenn Europa in derelt noch eine Rolle spielen will. Die Koalition hat zweiichtige strategische Entscheidungen getroffen: Wir eb-en den Weg zu einer Freiwilligenarmee und beginnenit dem Abzug unserer Truppen aus Afghanistan.
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Rainer Brüderle
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Der internationale Einsatz erfordert ein Maß an Flexibi-lität und Professionalität, das man nur mit einer Freiwil-ligenarmee leisten kann. Deshalb war der Schritt konse-quent. Dank an den Verteidigungsminister de Maizière,der ein vernünftiges Konzept, das auch umsetzbar ist,auf den Weg gebracht hat.
Wir werden ihn dabei unterstützen.In Afghanistan ist der Scheitelpunkt des deutschen mi-litärischen Engagements überschritten. Das neue ISAF-Mandat wird eine Reduktion des Truppeneinsatzes vor-nehmen. Die Bonner Afghanistan-Konferenz im Dezem-ber wird eine langfristige politische und wirtschaftlichePartnerschaft der Staatengemeinschaft mit Afghanistanauf den Weg bringen. Außenminister Guido Westerwellehat dabei unsere volle Unterstützung.
Wenn wir die erreichten Fortschritte dauerhaft sichern,können wir bis 2014 die Sicherheitsverantwortung wei-testgehend oder vollständig in afghanische Hände legen.Meine Damen und Herren, Deutschland ist ein ver-lässlicher Partner. Deutschland hat Exporterfolge, wirdvon der Welt bewundert, manchmal aber auch kritisiert.Die Opposition fordert immer, wir müssen von unse-ren hohen Exportüberschüssen herunterkommen. Ichgehe davon aus, Sie wollen Deutschland nicht schlechtermachen, obwohl ich manchmal daran Zweifel habe. ImKern geht es, wenn Deutschland besser werden soll, umeine höhere Binnennachfrage. Schauen wir doch einmal,was die Opposition für eine höhere Binnennachfrage imAngebot hat. Sie wollen die Steuern erhöhen. Das erhöhtkeine Binnennachfrage. Die Linkspartei macht geradeein Familienunternehmen Oskar/Sahra & Co. GmbH,neues menschliches Antlitz des Sozialismus.
– Sie sollten bei dem Thema ruhig sein. Dazu haben Siewirklich nichts beizutragen.Bei der SPD sind es 32 Milliarden Euro mehr Steuern,bei den Grünen ebenfalls. Sie unterscheiden sich in ihrenSteuervorstellungen nur hinter dem Komma, obwohlman bei der Reaktion auf die Reden eine gewisse Eiszeitfeststellt. Es gab bei der Rede von Gabriel nur wenig,fast keinen Beifall von den Grünen.Darüber hinaus wollen Sie Euro-Bonds mit höherenZinsen für Deutschland. Das schwächt die Binnennach-frage. Auch das ist kein Beitrag hierfür.Sie wollen höhere Einnahmen im Bereich der Sozial-versicherung. Auch das schwächt die Binnennachfrage.Wir machen es anders: Wir entlasten die Menschen.In der vergangenen Woche haben wir einen erstenSchritt im Bereich der Rentenbeiträge gemacht. Arbeit-nehmer und Arbeitgeber werden um 2,5 Milliarden Euroentlastet. Gleichzeitig steigen die Renten. Das ist gut fürdgJsretegNegbüchedfamLprueKInsssfüAhTnlihBdeWTmKpbg
Die Binnennachfrage wird durch die Tarifpolitik ge-tärkt. Ich habe als Wirtschaftsminister gesagt, dass ichr faire Lohnerhöhungen bin. Ich wiederhole dies. Dierbeitnehmer haben sich ihren Anteil am Aufschwungart erarbeitet und werden diesen auch bekommen. Diearifrunden werden widerspiegeln, dass wir die Binnen-achfrage stärken. Der Staat investiert auch noch zusätz-ch. Wir haben eine Mobilitätsmilliarde in diesem Haus-alt auf den Weg gebracht, weil es richtig ist, Straßen,rücken und weitere Infrastruktur auszubauen. Wir tunas ganz offensiv. Mit den Grünen gelingt es ja nichtinmal, 3,5 Kilometer Flüsterbeton in Berlin auf deneg zu bringen.
eilen der SPD ist das peinlich. Sie merken, die Grüneneinen es ernst mit der Deindustrialisierung. Alles, wasrach macht, riecht und dampft, wollen die Grünenlattmachen, es sei denn, es ist eine Biogasanlage; dieseleibt natürlich bestehen.
Herr Trittin will Finanzminister werden. Er hat sicheäußert, die Staatsquote sei eine bloße Recheneinheit.
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Rainer Brüderle
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Da kann man nur sagen, dass da zwei Welten aufeinan-dertreffen: Trittin und die Volkswirtschaft. Die passenüberhaupt nicht zusammen.
Herr Trittin, Wirtschaft ist immer rechnen. Aber hiergeht es um etwas anderes. Sie wollen eine höhere Staats-quote. Es ist ein Unterschied, ob wir eine Staatsquotevon 60, 50, 40 oder 35 Prozent haben. Das kann mandort, wo Sie regieren, sehen. In Stuttgart gibt es ein wei-teres Ministerium mit 180 neuen Stellen, in Mainz zweiweitere Ministerien. Der grüne MinisterpräsidentKretschmann fliegt als einziger mit dem Hubschrauberzur Ministerpräsidentenkonferenz nach Lübeck, dieDienstkarosse fährt 800 Kilometer hinterher. So sieht eskonkret aus. Sie haben als Opposition die Froschperspek-tive und als Regierung die Vogelperspektive. Vogel undFrosch, das passt aber nicht zusammen.
Sie nennen Bill Clinton als Vorbild für die Haushalts-sanierung. Das ist sehr interessant; denn Clinton hat denHaushalt mit Wachstum saniert. Sie aber sind gegenWachstum. Ich kann mich erinnern, als die Grünen in dieParlamente einzogen, hatten manche die Aufkleber„computerfreie Zone“. Ich sage Ihnen: Wer Fortschritts-feindlichkeit sät, wird Piraten ernten. Das trifft Sie vollins Mark. Fortschrittsfeindlichkeit führt nicht zu weite-ren Wachstumschancen, aber diese brauchen wir, um inDeutschland voranzukommen. Wir sind stolz auf unsereerfolgreiche Wirtschaft, auf den Mittelstand und die In-dustrie, im Maschinenbau und in der chemischen Indus-trie, im Fahrzeugbau und in anderen Bereichen.Wir mobilisieren die Potenziale im Land mit Investiti-onen in Bildung und Forschung. Hier werden die Ausga-ben auf fast 13 Milliarden Euro angehoben. Wir ermögli-chen Fachkräftezuzug, indem die Schwellen abgesenktwerden – dies war nicht so einfach, aber wir haben es ge-meinsam endlich geschafft –, damit wir zukünftige Ta-lente gewinnen können.Wir packen die Pflegereform an. Wir helfen Pflegebe-dürftigen und vor allen Dingen den Angehörigen. Dieje-nigen, die betreuen und pflegen – ich kenne im privatenBereich solche Fälle –, sind für mich wahre Heldinnenund Helden des Alltags.
Ihnen zu helfen, ist notwendig und richtig. Eine Größen-ordnung von 1 Milliarde Euro ist wahrlich keine Lappa-lie. Unser Generalsekretär Christian Lindner hat ange-sprochen, dass dem Renten-Riester, weil wir dieergänzende Kapitaldeckung einführen, ein Bruder hinzu-gefügt wird, nämlich der Pflege-Bahr. Das ist der rich-tige Einstieg; denn wir wollen Generationengerechtig-keit betreiben.Deutschland ist unverändert die Lokomotive der eu-ropäischen Entwicklung. Die anderen orientieren sich anucbbaswdntrsStetiKskSk–bFDwhhgeKcnzdZ
ie werden weiter meckern. Nur, das hilft uns nicht wei-r.Vielen Dank.
Nächste Rednerin in unserer Debatte ist für die Frak-
on Bündnis 90/Die Grünen unsere Kollegin Renate
ünast. Bitte schön, Kollegin Renate Künast.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach die-er Rede könnte man fragen: Was denn nun, Frau Mer-el?
ie haben alles so schön beschrieben, alles so schön er-lärt.
Ja. Ich habe gesehen, dass Sie fröhlich applaudiert ha-en; es war wahrscheinlich große Erleichterung da. –rau Merkel hat wieder einmal schön erklärt, wie dieetails sind. Aber was ich nicht gehört habe, ist die Ant-ort auf die Frage, wo die Reise mit Deutschland hinge-en soll, wo die Reise in der Europäischen Union hinge-en soll. Von welcher Zukunft sind Sie eigentlichezogen, Frau Merkel? An dieser Stelle war Ihre Redeine echte Fehlanzeige.
Wir haben jetzt zwei Jahre lang gewartet, dass dieseoalition endlich beginnt, vernünftige Politik zu ma-hen. Aber ich denke, das kommt nicht mehr. Was jetztur noch geschieht, ist das Auslaufen der Regierungs-eit. Wir brauchen aber eine Politik, die sich wirklichen zentralen Fragen der Gesellschaft und der heutigeneit widmet, die auf den demografischen Wandel ein-
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Renate Künast
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geht und darauf Antworten gibt. Was Sie machen, ist einbisschen Pflegereform, sodass man sich aussuchen darf,ob man isst, gewaschen wird oder menschliche Zuwen-dung bekommt. Das ist doch keine Alternative. Manmuss zum Beispiel den Mut haben, eine echte Pflege-reform zu machen, und das kann nur heißen, eine Bür-gerversicherung zu schaffen. Aber zu solchen grundsätz-lichen Dingen haben Sie überhaupt keinen Mut.
Ein anderer Punkt: die Situation der Jugendlichen.Meine Damen und Herren, die befinden sich immer nochin Warteschleifen. Die befinden sich in Kommunen, dieihrer Bildungsaufgabe nicht nachkommen können. Diebefinden sich in Kommunen, in denen schon lange keineJugendarbeit mehr stattfindet und deshalb Rechtsext-reme immer mehr Platz und Raum haben und auf dieSchulhöfe gehen. Da reicht es aber nicht, Frau Merkel,hier nur noch einmal das Bekenntnis der Demokraten,das Bekenntnis des gestrigen Vormittags, anzusprechen.Ich will hier und heute hören, wie Sie die Kommunenmit mehr Geld ausstatten und für mehr Bildung undmehr Jugendarbeit quer durchs Land sorgen wollen.Dazu haben Sie gar nichts gesagt, kein Wort.
Wie geht sozialer Zusammenhalt? Wie geht eineWirtschaftspolitik angesichts des Klimawandels? Wiewollen Sie der Schuldenkriese beikommen und mehrGerechtigkeit schaffen? Wie soll es eigentlich mit demEuro weitergehen? Grundlegend ist doch eines klar: Wirbrauchen eine andere Art des Wirtschaftens in Deutsch-land; sie muss sich grundlegend ändern. Wir müssenweg von dem Motto „Wachstum, Wachstum, Wachstum“und der Vorstellung, dass wir das, was herauskommt,nutzen können, wie es dieses Jahr der Fall ist. Selbstkonservative Ökonomen und die Europäische Kommis-sion sagen: Wir müssen anders wirtschaften. Wir müssenuns nach Finanzkrise und gigantischen Schuldenbergenjetzt anstrengen, dass wir endlich zu gesellschaftlicherWohlfahrt, zu mehr Gemeinwohl kommen. – Aber wasmachen Sie? Sie reden nur über Wachstum,
haben hier und heute aber nicht einmal angesprochen,dass wir lernen müssen, das Wachstum vom Naturver-brauch, vom Rohstoffverbrauch abzukoppeln, um nurein Beispiel zu nennen. Wir brauchen ein anderesWachstum, aber das andere haben Sie in Ihrer Rede ankeiner einzigen Stelle angesprochen.
Dieses andere Wirtschaften funktioniert übrigens nureuropäisch, nur in diesem Zusammenhalt, nur wenn dieEuropäische Union stärker dabei wird, die Grundlagenzu verändern, Ressourcen zu schonen, das Klima zuswgDsSdSddKevKfüosuFlohHnewJSweDrewtidAvndsasSbrefäühsE
Immer viel Zeit verloren:Denken Sie einmal an die Finanztransaktionsteuer. Daaben Sie alle miteinander auf die unglückselige Frauomburger gewartet, die gesagt hat: So etwas gibt es garicht. Sie haben sich auch an keiner Stelle scharf dafüringesetzt, dass Finanztransaktionen wie jede andereirtschaftliche Tätigkeit eben auch besteuert werden.etzt soll sie doch kommen, und Sie kämpfen dafür. Einatz lautete einmal: Keinen Cent für Griechenland gebenir. – Dann wurden es Milliarden. Ein anderer Satz warinmal: Ein Rettungsschirm wird nicht gebraucht. –ann kamen Irland und Portugal. Eine EU-Wirtschafts-gierung war immer böse, weil man hier nichts abgebenill. Jetzt soll sie doch kommen. Heute sagen Sie fak-sch: Niemals Euro-Bonds! – Ich bin mir sicher, sie wer-en kommen – oder wir haben es wirklich versemmelt.
lle Ihre Verzögerungen, Frau Merkel, haben die Kriseerschlimmert und uns real Geld gekostet.Zur Hebelung: Wir haben uns in einer der letzten Ple-arsitzungen ja intensivst mit dem Thema „Hebelunges EFSF“ auseinandergesetzt. Viele von uns erinnernich noch daran, wie man versuchte, zu verstehen odernderen draußen zu erklären, was das eigentlich ist. Jetzttellen wir was fest? Die Hebelung funktioniert nicht.ie ist bei Chinesen, Russen und anderen eiskalt abge-litzt, weil ihnen die niedrigen Absicherungen gar nichtichen und weil sie nicht wissen, ob sie der Handlungs-higkeit der Europäischen Union und der Euro-Zoneberhaupt vertrauen können.Frau Merkel, es kann doch nicht sein, dass Sie sicheute hier hinstellen und zu dem Vorschlag der Europäi-chen Kommission zu verschiedenen Varianten deruro-Bonds, der heute kommt, nur sagen, dass sie fürch-
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ten, dass es irgendwie kommunikativ eine Fehlentwick-lung gibt. So geht es nicht, Frau Merkel.
Wir müssen an dieser Stelle doch eines sagen: Die Vor-schläge der Europäischen Kommission sind rational zuanalysieren. Einer dieser drei Vorschläge wurde sogarvom Sachverständigenrat der Bundesregierung faktischmitentwickelt. Wir müssen an dieser Stelle doch analy-sieren, was das Beste für uns wäre.Frau Merkel, ich rate Ihnen: Entwickeln Sie dochdort, wo Sie Sorgen haben, Zwischenschritte. Wenn esnoch etwas dauern wird, bis die Euro-Bonds kommen,dann ist es Ihre Aufgabe, sich hier hinzustellen und zusagen: Mittelfristig kommen sie, aber wir fordern hierRegeln für die Wirtschaftsregierung und Sanktionsme-chanismen. Sie müssen dann auch sagen, was Sie aktuelltun wollen, um sich mit der Bankenlizenz für die EFSFauseinanderzusetzen.An dieser Stelle haben Sie aber nur bedenkenschweragiert. Schon wieder haben wir die Sorge, dass mit IhrerVerhaltensweise Zeit verplempert und es teurer wird fürDeutschland.
Zur EZB: Hier belaufen sich die Lasten, die wir durchdie Ankäufe von Staatsanleihen eventuell zu tragen ha-ben werden, mittlerweile auf 54 Milliarden Euro. Inso-fern kann und darf man nicht einfach nur hinsehen.
Was mich eigentlich mindestens genauso geärgert hat,ist diese Mischung, dass Sie am Vormittag beim Euro-Krisengipfel eine Variante verkünden – wir haben sie un-terstützt –, die mit vielen Risiken für den Bundeshaus-halt verbunden ist, aber andererseits die Menschen, diesich um die Bildung ihrer Kinder sorgen, quer durchsLand, vornean in den Kommunen, mit der Frage zurück-lassen: Wo soll das alles enden? Ihre Antwort, Frau Mer-kel, die Antwort von Schwarz-Gelb auf die Frage, wodas enden soll und ob dieser Weg halbwegs sicher ist, istdie Ankündigung einer Steuersenkung. Absurder geht esnicht, Frau Merkel, und inakzeptabler geht es auch nicht!
Ich denke, Sie merken doch gar nicht, was die Men-schen in Deutschland empfinden. Sie haben Angst umdie Stabilität ihrer Währung. Sie haben Angst, dass esbald kein funktionierendes Gemeinwesen in Deutsch-land mehr gibt. Gemeinwesen fängt in den Kommunenan: bei der Kinderbetreuung, den Kindergärten, denSchulen, der ganztägigen Betreuung, wo Kinder auchder bildungsfernen Schichten oder Kinder von Migran-ten Chancengerechtigkeit erleben, die Möglichkeithaben, sich in diesem Land zu entwickeln. Sie aber ver-kVinmlalaDNdcdzGelaHhcinwhzKKtegTlewgwnseudsfüvBA
ein, es geht um etwas ganz anderes. Zur Verbesserunger Infrastruktur in diesem Land wäre eine grundsätzli-he und flächendeckende Breitbandversorgung nötig.
Die Infrastruktur in unserem Land wäre angesichtser großen Containertransporte einmal unter dem Aspektu sehen: Wie finanzieren wir den Bau der Schiene, umüter ökologisch zu transportieren? Auch die Wirtschaftrklärt – aber vielleicht haben Sie diesen Kontakt voruter Sorgen um Ihre 2 Prozent auch schon aufgegeben,err Brüderle –: Zur Basisinfrastruktur gehören der Er-alt und die Sanierung vorhandener Straßen und Brü-ken, anstatt neu zu asphaltieren. Darin müssen wir Geldvestieren, nicht in richtungslose Steuersenkungen.
Was gehört noch zu einem funktionierenden Gemein-esen? Dazu gehört auch ein ordentlicher Lohn; das istier schon angesprochen worden. Zur Grundvorausset-ung in unserem Land gehört – das könnte Ihnen einompass zeigen, aber Sie machen eine Politik ohneompass –, dass Leute, die den ganzen Tag über arbei-n, von ihrer Hände Lohn leben können, ohne aufs Amtehen zu müssen. Aber Sie handeln nach dem Motto:un wir etwas für unser soziales Image. Dann gibt viel-icht auch endlich der Arbeitnehmerflügel Ruhe. Undir haben ein Wahlkampfthema weniger. – In Wahrheiteht es Ihnen doch gar nicht um den Mindestlohn. Das,as Sie abgeliefert haben, ist kein Mindestlohn und isticht einmal eine verlässliche Lohnuntergrenze. Von die-em Lohn kann kein Mensch leben.
Schauen wir uns das einmal genau an. Sie vereinbarenine Lohnuntergrenze und lassen immer noch zu, dassnterschreitende Tarife gezahlt werden. Wie soll manenn von 4 oder 5 Euro leben? Sie haben eine Zeit lango getan, als würde sich der Mindestlohn an dem Lohnr Zeitarbeit orientieren, aber nicht einmal das. Sie sind,ornean Frau von der Leyen, als Tigerin gestartet und alsettvorlegerin gelandet – mehr nicht.
Sie sagen, Sie wollten etwas für Facharbeiter tun.ber überlegen Sie einmal – Sie haben das Thema Mi-
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grantinnen und Migranten kurz angetippt –: Wie wollenSie eigentlich mit solchen Löhne Migrantinnen und Mig-ranten mit guten Bildungsabschlüssen hier halten? Diesesind doch die Ersten, die gehen. Sie öffnen die Gesell-schaft nicht für sie, damit sie sich hier weiterentwickelnkönnen, und Sie sorgen auch nicht für eine entspre-chende Lohnentwicklung.Derzeit haben wir die Situation, dass aus den Kindernder Einwanderer Auswandererkinder werden, weil sie inBrüssel oder in Istanbul willkommen sind und bessereLöhne bekommen. Zu diesem Thema haben Sie garnichts gesagt, Frau Merkel. Sie müssten als Allererstessagen – das wäre auch kostengünstig zu haben –: Wirschaffen die doppelte Staatsbürgerschaft und quälen diejungen Leute nicht mit einem Optionsmodell, bei demsie sich entscheiden müssen, welche der beiden Staats-bürgerschaften sie wollen.
Dann würden Sie aufgrund des großen Fachkräfte-mangels, den wir erleben, auch nicht das machen, wasSie gerade so nett angekündigt haben, Frau Merkel,nämlich mehr Fachkräfte ins Land zu holen, indem mandie Gehaltsschwelle von 66 000 auf 48 000 Euro redu-ziert. Der weltweite Run auf Fachkräfte ist so groß, dassIhr Vorschlag von 48 000 Euro geradezu putzig ist. Für48 000 Euro kriegt man keinen Vertrag mit einem ganznormalen Ingenieur. Der Inder geht irgendwohin, abernicht nach Deutschland.
– Weil Sie danach fragen, Frau Merkel: Die Fachkräftekommen hierhin mit Jobverträgen über 40 000 oder auch43 000 Euro. Auf 48 000 Euro kommen sie gar nicht.Das schaffen sie allenfalls in anderen Ländern. Deshalbkommen diese Fachkräfte nicht. Das ist auch der Grunddafür, dass andere Migrantinnen und Migranten, Men-schen mit guter Ausbildung, abwandern.Zu alledem haben wir noch das Thema Rechtsextre-mismus. Menschen, die anders aussehen, müssen sich indieser Gesellschaft Sorgen machen, ob sie, wenn sie zumBeispiel an einer Universität oder in einem Unternehmentätig sind, hier sicher mit ihrer Familie leben können.Das ist noch ein Grund zu sagen: Wir klären die rechts-extremen Taten nicht nur auf, sondern wir sorgen auchdafür, dass die Projekte gegen Rechtsextremismus in denKommunen mit ausreichenden Mitteln ausgestattet wer-den, damit sie tatsächlich in der Breite arbeiten könnenund Sicherheit produzieren.
Sie, Frau Merkel, haben gesagt, es müsse mit einemneuen Kompass losgehen, und Sie wollen für das neue,menschliche Deutschland sorgen. Sie sind mit IhrenKonzepten völlig aus der Zeit gefallen. Nehmen wir al-lein das, was Sie mit dem ewigen Hin und Her und Ih-rem Vorwärts und Rückwärts in der Atompolitik ge-masnleGPSgKBvWbrugdlendgszdvDEsZkScsRmBmwrewdzdDsEkte
Die Minderungsziele sind nirgendwo wirklich ange-angen worden. Wie wäre es mit dem Abbau ökologischchädlicher Subventionen? Wie wäre es mit der Redu-ierung und Änderung des Dienstwagenprivilegs? Statt-essen gibt es kostenlose CO2-Zertifikate für Energie-ersorger. So werden wir nicht weiterkommen, meineamen und Herren.Sie haben keine Vorschläge zu einer wirtschaftlichenntwicklung Deutschlands. Ich habe es gerade ange-prochen. Beim Thema wirtschaftliche und ökologischeukunft Deutschlands weiß man gar nicht, welche Zu-unft Sie sehen. Es gilt immer nur: „Beton hilft viel“.ie machen noch die Witze aus vorigen Jahrzehnten, ma-hen aber keine Vorschläge.Mein letzter Punkt. Die Blockade in dieser Gesell-chaft lösen Sie nicht auf. Frau Merkel, Sie haben Ihreede mit dem Satz beendet, diese Gesellschaft sollenschlicher werden. Aber Menschlichkeit fängt beimegriff „Gerechtigkeit“ an, und da haben Sie versagt. Zuehr Gerechtigkeit gehört, dass unsere Haushalte nichteiter verschuldet werden, wie Sie es tun. Zu mehr Ge-chtigkeit gehört, dass man das Geld nicht für zwei sichidersprechende Zwecke ausgibt. Zum einen geben Sieas Geld für den Bau von Kitas aus – aber nicht genug –,um anderen geben Sie Geld für das Betreuungsgeld aus,amit die Eltern ihre Kinder nicht in die Kitas schicken.as ist haushalterisch bekloppt, um es einmal direkt zuagen.
s ist nicht menschlicher und nicht gerechter, Frau Mer-el, wenn Sie gerade die Kinder, die es am nötigsten hät-n, davon fernhalten, eines Tages gute Fachkräfte zu
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Renate Künast
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werden, die Deutschland so braucht. Sie sind einfachdoppelzüngig an der Stelle.
Sie reden vielleicht immer das Gleiche – darin liegt auchder Mangel, weil Sie sich nicht weiterentwickeln –, aberSie reden auch immer das Falsche, bis hin zum ThemaFrauen. Das kann ich Ihnen nicht ersparen.
Sie denken an Ihre Redezeit?
Ja. – Das ist ein Armutszeugnis nach 60 Jahren
Grundgesetz, Frau Merkel. Beim Thema „Frauen als
Fachkräfte der Gegenwart“ zeigt sich nur eines, nämlich
dass zwei Ministerinnen draußen eine Show abziehen.
Aber nachher passiert zur Verbesserung der Erwerbs-
möglichkeiten von Frauen faktisch nichts. Vom Betreu-
ungsgeld bis Quote ein absoluter Ausfall.
Jetzt, meine Damen und Herren, wäre es Zeit dafür,
Deutschlands Wirtschaft für das 21. Jahrhundert fit zu
machen, Familien und Frauen richtig zu fördern, ihnen
Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, Kinder in den
Mittelpunkt zu stellen, die Energiewende zu nutzen und
eine wettbewerbsfähige Wirtschaft zu organisieren. Aber
ich stelle fest: Schwarz-Gelb hat zwei Jahre lang dem
Land geschadet. Die Menschen warten auf eine neue Re-
gierung.
Woran wir uns schon gar nicht orientieren werden, ist
der Merkel’sche Kompass. Merkels Kompass führt nicht
weiter. Damit sind Sie, egal ob auf hoher See oder im
Wald, immer orientierungslos. Deutschland aber hat
mehr verdient.
Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Frak-
tion der CDU/CSU unser Kollege Volker Kauder. Bitte
schön, Kollege Volker Kauder.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Frau Künast, einer Ihrer letzten Sätze fordert mich gera-dezu heraus, weil er ein Beweis dafür ist, wie falsch Sieliegen und wie wenig Sie überhaupt von der Befindlich-keit der Menschen wissen. Sie haben gesagt: Deutsch-land wartet auf eine neue Regierung. – Sie haben auchgeglaubt, Berlin warte auf eine neue Regierung und Sieseien dabei. Sie sind draußen. So wie dieser Satz nichtgestimmt hat, stimmt auch jener nicht.
hSesdSdruewtiSkßgSwwsmhwüGhwdnwainkWswkSwGsgSaino
twas Außergewöhnliches bietet, nämlich die größte Ab-enkung der Nettoneuverschuldung in der Geschichteer Bundesrepublik Deutschland.
ie haben immer neue Schulden gemacht. Wir senkenie Nettokreditaufnahme. Das ist der Unterschied.
Wir stehen in Europa vor einer großen Herausforde-ng. Ja, ich würde sogar sagen: Wir erleben in Europaine Zeitenwende. Das, was in dieser Zeitenwende not-endig ist, um Orientierung zu behalten und das Rich-ge zu tun, hat die Bundeskanzlerin in wenigen klarentrichen gezeichnet. Sie, Herr Gabriel, haben dagegenleinkariert Parteipolitik gemacht. Sie haben auf die gro-en Fragen überhaupt keine Antwort gegeben. Deswe-en ist es auch richtig, dass Sie, Herr Gabriel, mit IhrerPD auf der Oppositionsbank sitzen.
Wir zeigen mit diesem Bundeshaushalt, dass wir das,as wir in Europa teilweise fordern, damit es besserird, nämlich die Neuverschuldung zurückzufahren undich an die Schuldenbremse zu halten, im eigenen Landachen. Sie, Herr Gabriel, haben die Schuldenbremseeute besonders erwähnt. Ich kann mich noch entsinnen,ie schwer es war, die SPD in ihrer Breite davon zuberzeugen, dass die Schuldenbremse richtig ist. Ihreeneralsekretärin Nahles hat gesagt: Schuldenbremseeißt, dass man keine Politik mehr machen kann. Soird in Ihren Reihen gedacht. Die Schuldenbremse waras einzig Richtige, um die Haushalte in Europa auf ei-en richtigen Weg zu führen.
Mit dem, was wir jetzt machen, gibt Europa eine Ant-ort für die Zukunft. Bisher war Europa eine Antwortuf die Geschichte, nämlich: Nie wieder Krieg, Frieden Europa. Jetzt wird Europa eine Antwort für die Zu-unft. Diese Zukunft heißt: Perspektiven in einem hartenettbewerb für unser Land und für die jungen Men-chen.Frau Künast, ich kann mich über Sie nur wundern – ichundere mich auch darüber, dass die SPD da Beifall ge-latscht hat –: Sie haben hier in einem pauschalenchnitt erklärt, Wachstum müsse anders aussehen. Ichill Ihnen einmal etwas sagen – ich habe mir das bei denrünen genau angeschaut –: Sie haben gesagt, be-timmte Wirtschaftsbereiche müssten schrumpfen undeschrumpft werden. In diesem Zusammenhang habenie die Automobilindustrie genannt. 1 Million Menschenrbeiten in der Automobilindustrie. Wer die Automobil-dustrie schrumpfen will, macht den Wirtschaftsstand-rt Deutschland kaputt.
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Volker Kauder
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Sie haben gesagt, die energieintensive Wirtschaftmüsse schrumpfen. 1 Million Menschen arbeiten in die-sem Bereich und auch in Teilen großer Zukunftsberei-che; ich denke nur an die Karbonherstellung. Wer alsosagt, die energieintensive Wirtschaft in Deutschlandmüsse schrumpfen, der hat gerade keine Perspektive fürWachstum, für die Beschäftigung von jungen Menschenund für Innovationen in unserem Land.
Weiterhin haben Sie gesagt, die Landwirtschaft müsseschrumpfen. Mehr als 1 Million Menschen arbeiten inder Landwirtschaft. Wie kann man einen solchen Unsinnsagen, die Landwirtschaft müsse schrumpfen? Wir wol-len doch Produkte ortsnah produzieren und verkaufenund nicht immer aus der ganzen Welt importieren müs-sen. Wer wie Sie die Landwirtschaft schrumpfen will,der muss Produkte aus der ganzen Welt einführen. Das,was Sie da erzählen, ist Unsinn.
Die SPD hat da auch noch Beifall geklatscht; das ist er-staunlich.Ich habe jetzt drei Bereiche genannt, in denen insge-samt 3 Millionen Menschen beschäftigt sind. Ich kannIhnen nur sagen: Die Konzepte, die Sie zusammen mitder SPD haben, haben in Ihrer Regierungszeit genaudazu geführt, dass zwar geschrumpft wurde, aber dassdie Arbeitslosigkeit auf 5 Millionen gestiegen ist. Das istIhre Politik.
Wir haben dann dafür gesorgt, dass die Arbeitslosigkeitauf einen der niedrigsten Werte überhaupt gesunken ist.
Die beste Zahl, über die wir uns wirklich freuen – wirsind nicht stolz, sondern wir freuen uns darüber –, ist,dass die Jugendarbeitslosigkeit halbiert wurde und invielen Ländern unter 2 Prozent liegt. Herr Gabriel, Siehaben hier vollmundig gesagt, wie schwierig es sei, dassdie Jugendarbeitslosigkeit in vielen Ländern bei über40 Prozent liege. Das sehen auch wir so. Aber das, wasSie diesen Ländern als Konzept verordnen, führt nicht zueinem besseren Ergebnis. Schauen Sie sich einmal dasan, was wir gemacht haben. Das reduziert die Jugend-arbeitslosigkeit. Diesen Weg werden wir energisch wei-terbeschreiten und weitergehen.
Neben der Haushaltskonsolidierung – WolfgangSchäuble hat gestern ausdrücklich darauf hingewiesen –machen wir natürlich auch entscheidende Schritte, umunser Land in der Infrastruktur fitzumachen. NatürlichsluWRdmwWdmBwkkdbIcBwBdwNtessukdDGSEcinsnmvasMkv
afür müssen wir die Voraussetzungen schaffen.Ich bin vollkommen anderer Meinung als Sie, Herrabriel, der Sie von Anfang an dafür waren, einenchuldenschnitt herbeizuführen. Es gibt sicherlich vielexperten, die Ihre Meinung teilen. Aber wir sind uns si-her in dem Punkt einig, dass wir mehr Gemeinsamkeit Europa, in der Euro-Zone brauchen, um den Euro zutabilisieren. Glauben Sie, Herr Gabriel, dass wir auchur einen einzigen entscheidenden Schritt vorangekom-en wären, wenn wir von Anfang an nach dem Mottoerfahren wären: „Es gibt Hilfen und Unterstützung,ber Veränderung muss nicht sein“? Die Kanzlerin hatich zur Solidarität bekannt, aber auch die notwendigenodernisierungen und Reformen durchgesetzt. Nur soommt Europa voran. Sie hätten genau das Gegenteilon dem provoziert, was notwendig und was richtig ist.
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Volker Kauder
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Frau Bundeskanzlerin, der Weg, den Sie eingeschla-gen haben, ist richtig. Wir brauchen in Europa Verände-rungen. Wir brauchen insbesondere Vertragsänderungen,um Haushaltsdisziplin durchzusetzen, und gemeinsameRegeln, um Europa voranzubringen. Ich begrüße dasZiel außerordentlich, gemeinsam mit Frankreich einenersten wichtigen Schritt bei der Unternehmensbesteue-rung zu tun. Das zeigt, in welche Richtung es gehenmuss. Wir alle müssen bereit sein, Veränderungen hinzu-nehmen und Opfer zu bringen. Ich sage Ihnen: Eine sol-che Bereitschaft wird es aber nicht geben, wenn das ge-macht wird, was Herr Gabriel will und was sein Finanz-und Haushaltsexperte für falsch hält. Wir dürfen nichteinfach Euro-Bonds einführen. Eine Vergemeinschaf-tung von Schulden hat noch nie eine Verbesserung imSystem gebracht. Deswegen sind wir radikal dagegen.
Wir müssen jetzt die Veränderungen angehen. Ich bin si-cher, dass wir aus der konkreten Situation und aus derErkenntnis heraus, dass sich hier einiges tun muss, unserZiel erreichen können.Frau Bundeskanzlerin, Sie haben darauf hingewiesen,dass der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit – daswar ein schönes Signal – die Bundesregierung bei denVerhandlungen auf europäischer Ebene unterstützt hat,sodass wichtige Ziele erreicht werden konnten. Ichnenne beispielsweise die Beteiligung des privaten Sek-tors mit den Risiken, die Sie beschrieben haben. Not-wendig ist die Botschaft, dass nicht alles allein am Steu-erzahler hängen bleibt, sondern dass auch der privateSektor beteiligt werden muss. Deswegen begrüße ichalle Initiativen und den mit dem Ziel, dass wir zu einerFinanztransaktionsteuer kommen, weiter aufgebautenDruck. Ich bin mir sicher – auch wenn einige jetzt nochdagegenhalten –: Die Erkenntnis wird sich durchsetzen,dass wir nur so Zustimmung für die notwendigen Maß-nahmen und Erneuerungen erreichen können.Dieser Weg in Europa ist der einzige, der uns dorthinbringt, dass wir wettbewerbsfähig werden, dass wir Zu-kunftschancen haben und dass dieses Europa die richtigeAntwort auf die Herausforderungen in der Zukunft ist.Wir wollen dieses Europa, wir wollen ein starkes Eur-opa. Aber wir wollen ein Europa, in dem jedem klar ist,dass jeder seine Verantwortung für die Stabilität derWährung zu tragen hat. Dieser Weg wird schwer; aberich bin sicher: Er wird erfolgreich gegangen werdenkönnen.Bei allem Blick auf Europa und auf unsere Aufgabenist es auch notwendig, dass wir nicht vergessen, was sichum uns herum in der Welt tut; denn wir werden von vie-len Entwicklungen in der Welt beeinflusst. So sehen wirmit großer Sorge – ich bin dankbar, dass es heute ange-sprochen worden ist –, was sich beispielsweise in Nord-afrika entwickelt. Ja, es ist richtig, dass Tunesien auf ei-nem guten Weg ist. Aber was wir aus Ägypten hören,muss uns große Sorgen machen.Es waren gerade jetzt wieder Vertreter der in Deutsch-land lebenden Kopten in Ägypten. Sie kamen vor zweiTagen zurück und haben mir berichtet. Da kann man nursegeemLfedReuwduavKdregwswguFtiBLBmsAPvbDd–nGv
Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Frak-
on der Sozialdemokraten unser Kollege Joachim Poß.
itte schön, Kollege Joachim Poß.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!iebe Frau Bundeskanzlerin, Ihre heutige Rede war eineleg dafür, wie Sie in staatstragendem Ton den Proble-en, die sich in unserem Lande stellen, ausweichen oderie nur bedingt wahrnehmen wollen.Zum Rechtsextremismus haben Sie Richtiges gesagt.ber Ihre Feststellung, dass es nicht richtig sei, wenn imlenum gesagt werde, dass beim Rechtsextremismus zuiele auf einem Auge blind waren, kann so nicht stehenleiben, Frau Bundeskanzlerin.
enn das war so; das ist die zutreffende Beschreibunger Situation. Wenn wir alle in diesem Hause gemeinsam was ja nicht selbstverständlich ist – in dieser Frage ei-en Neuanfang wollen, dann müssen wir auf eine falscheeschichtsanalyse, wie sie von Ihnen gekommen ist,erzichten.
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Joachim Poß
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Das Wesen Ihres Vorgehens, Frau Merkel, ist, dassTaktik und nicht politischer Gestaltungswille Ihr Redenund Handeln bestimmt. Sie haben gesagt, Sie sprächenimmer gleich, egal wo Sie sind. Aber jeder, auch in denReihen von CDU/CSU und FDP, weiß es besser. Das hatdoch das Elend in Ihrer Koalition verstärkt: dass Sienicht überall gleich reden.Sie sind, Frau Merkel, Ihrer Führungsverantwortungfür Deutschland in den letzten anderthalb Jahren insge-samt nicht gerecht geworden.
Mit einem anderen Verhalten hätten Sie die finanziellenRisiken für unser Land begrenzen können. Sie habendarauf verzichtet, weil Sie nur einen Maßstab für Ihr Re-den und Handeln haben: die parteitaktische Situationvon CDU, CSU und FDP. Das reicht nicht für die Füh-rungsverantwortung, die man in dieser Position hat.
Die Belobigungen von Herrn Brüderle oder HerrnKauder in allen Ehren, aber sie reichen nicht aus, um vondieser Realität abzulenken, die ich hier zusammenfas-send geschildert habe.In Ihrer Haushaltspolitik wird nach dem Motto „Nachmir die Sintflut“ agiert: Lasten werden durch ihre ge-planten Steuersenkungen und das Betreuungsgeld in dieZukunft verschoben. Diese Lasten werden Ihren politi-schen Erben hinterlassen; die müssen sich dann damitauseinandersetzen – abgesehen davon, dass auch unsereKinder und Enkel mit den Folgen zu kämpfen habenwerden.
Eine solche Politik, die wegen Orientierungslosigkeit dieRealitäten verweigert und zur Ablenkung die Oppositiondiffamiert, kann nicht zukunftsweisend sein.
Von Ihrem 80-Milliarden-Euro-Supersparpaket sind– Sigmar Gabriel hat darauf hingewiesen – vor allemStreichungen von 40 Milliarden Euro bei Arbeitslosenund sozial Schwachen übrig geblieben. Frau Merkel, icherinnere mich noch daran, wie Sie im Fernsehen dasSparpaket verteidigt haben. Sie haben gesagt: Wir sor-gen für den sozialen Ausgleich, indem wir zum BeispielUnternehmen belasten. Was ist davon übrig geblieben?Nichts. Stattdessen wächst das soziale Ungleichgewichtin unserer Gesellschaft immer weiter. Das ist das Er-gebnis Ihrer Politik.
Angesichts dessen sage ich zu den Vorwürfen zu unse-rem sozialdemokratischen Finanzkonzept, die auch heutewieder vorgebracht worden sind: Unser Finanzkonzeptist das einzige Konzept, das den Schuldenabbau mit derFinanzierung von Zukunftsinvestitionen und einer Ent-lastung der Kommunen, die dringend notwendig ist, ver-bWbtrdddrerewnsweredassreasuhanhsdhrimdndbdmASdTdfoes
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ser Woche für 2012 weitere 300 Millionen Euro für denAusbau von Krippenplätzen und 400 Millionen Euro fürden Ausbau von Ganztagsschulen.
Das ist gut für die Zukunft unserer Kinder. Es wäre einegute und zukunftsgerichtete Politik, wenn Sie diesen An-trägen zustimmen würden.Aber Sie blockieren sich selbst durch das fragwürdigeund teure Betreuungsgeld; das ist hier schon mehrfachdargestellt worden. Die Milliarden, die Sie in das Be-treuungsgeld stecken wollen, fehlen beim Ausbau derBetreuungsinfrastruktur.
Man kann einen Euro eben nicht zweimal ausgeben.Außerdem: Erst das Elterngeld, das wir in der GroßenKoalition gemeinsam vereinbart haben, um die Eltern imBeruf zu halten, dann das Betreuungsgeld, um dieFrauen vom Beruf fernzuhalten. Wie gaga ist das eigent-lich, was Sie da vorschlagen?
Wo, Frau Merkel, ist Ihre Initiative zur Behebung dergroßen Infrastrukturdefizite? Eines der erfolgreichstenProgramme, „Soziale Stadt“, wird von Ihnen weiterhinsträflich vernachlässigt. Wenn Sie es mit Ihrem Geredevon einer Politik für mehr Wachstum und einer besserenInfrastruktur wirklich ernst meinen, dann setzen Sie hieran und stocken Sie die Programmmittel entsprechendauf. Wir dürfen unsere Städte sozial und kulturell nichtverkommen lassen.
Nächster Redner in unserer Debatte ist für die Frak-
tion der FDP unser Kollege Dr. Hermann Otto Solms.
Bitte schön, Kollege Solms.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Zunächst einmal möchte ich mich bei der Frau Bun-deskanzlerin für ihre brillante Rede heute bedanken.
Das war eine wirklich glasklare Positionsbeziehung, diefür die interne Auseinandersetzung genauso wie für dieeuropäische Auseinandersetzung wichtig ist, in der sichdie Bundesregierung und wir alle gegenwärtig befinden.In der Generalaussprache kommt es darauf an, zukennzeichnen: Was sind eigentlich die zentralen Ergeb-nisse der Politik unserer Koalition? Das herausragendeErgebnis ist die positive Entwicklung auf dem Arbeits-markt.
SsKSsbhdtitidteFfesd2bzWlianzDisddErahwddWSkdteDnwswsn
ie Beiträge zur Arbeitslosenversicherung bleiben auf ei-em niedrigen Niveau; es bestand die Gefahr, dass sieieder angehoben werden müssen. Die Beiträge zur ge-etzlichen Krankenversicherung müssen nicht angehobenerden, obwohl das von Ihnen immer wieder vorausge-agt worden war. Hier entlasten wir die Arbeitnehmerin-en und Arbeitnehmer genauso wie die Unternehmen.
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Dr. Hermann Otto Solms
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Das ist das Ergebnis einer guten Arbeitsmarkt- und Wirt-schaftspolitik.Natürlich fahren wir die Ernte auch im Haushalt ein;denn 2,5 Millionen mehr Beschäftigte sind 2,5 Millionenmehr Steuerzahler und Beitragszahler und 2,5 MillionenMenschen weniger, die von den Transfers leben müssen.Dadurch ergibt sich eine Verbesserung des Finanzsaldosdes Staates und der Sozialkassen: Er steigt um rund50 Milliarden Euro. Das finden wir jetzt im Haushaltvor, sodass wir am Ende des Jahres weniger als 25 Milli-arden Euro Neuverschuldung haben.
Es kommen im Übrigen immer Klagen von den Ge-meinden und Ländern. Sie sind an dem Ergebnis abervoll beteiligt. Sie haben natürlich auch erhebliche zu-sätzliche Einnahmen, aber sie schaffen es nicht, ihreAusgaben so zu gestalten, dass sie ihre Verschuldungentsprechend abbauen können. Sie steigern ihre Ausga-ben nämlich in dem gleichen Maße, wie ihre Einnahmenwachsen. In manchen Ländern steigen diese sogarschneller als die Einnahmen. Ich nenne Nordrhein-West-falen und Baden-Württemberg als Beispiele. Das ist einAusdruck von Verantwortungslosigkeit. Von daher kannder Wähler durchaus anhand der Ergebnisse der Politikerkennen, wer wo Verantwortung trägt.Meine zweite Bemerkung bezieht sich auf die Euro-Bonds. Ich kann die Haltung, welche die Bundeskanzle-rin hier eingenommen hat, voll und ganz unterstützen.
Wir müssen wissen – das sage ich auch an die Adresseder Oppositionsparteien –, dass die deutsche Regierungbei ihren Verhandlungen unter ganz erheblichem interna-tionalem Druck steht: sei es vonseiten der Kommission,sei es vonseiten der Schuldnerländer in Europa oder seies vonseiten der Angelsachsen, die es gewohnt sind, dieDruckerpresse anzuschmeißen, um die Probleme durchInflation zu lösen. Das alles wollen wir nicht. Das dürf-ten auch Sie nicht wollen. Wenn das der Fall ist, solltenSie die Bundeskanzlerin, die Bundesregierung und auchuns hier im Parlament – weil wir das alles mit beschlie-ßen – dabei unterstützen, damit wir als geschlosseneKraft auftreten können; denn die Stabilisierung in Eur-opa kann nur gelingen, wenn Deutschland als Vorbildgenommen wird.
Wir haben eine vorbildliche Haushaltsentwicklung, müs-sen uns aber in den nächsten Jahren wahrscheinlich nochmehr anstrengen, wenn die Konjunktur etwas nachlässt.
Ich möchte die Oppositionsfraktionen auffordern, dieRegierung im internationalen Bereich zu unterstützen.Es handelt sich um eine schwere Aufgabe. Die Krise istdurch die Verschuldung der Staaten entstanden. Sie kannneDskLgdHDmDgsDfuwnnddbzdTstiuPKdIdAW–trkDreUheew
ie Verschuldung ist nicht durch die Märkte entstanden,ondern durch die Staaten. Wenn man die Ursachen be-ämpfen will, muss man die Staatsverschuldung in allenändern zurückführen – auch wenn das nur unter Druckelingt.Ich komme zu meiner letzten Bemerkung. Frau Bun-eskanzlerin, ich bin in einem Punkt – das sage ich aucherrn Kauder – sachpolitisch einfach anderer Meinung.ie Finanztransaktionsteuer kann die Zwecke, die Sieit ihr verbinden, nicht erfüllen.
as ist das Problem. Deshalb hat sich der Nobelpreisträ-er Tobin kurz vor seinem Tod von dieser Idee verab-chiedet. Er hat gesagt: Das kann nicht funktionieren.as kann nicht gelingen. Vergesst es! – Sie könnte nurnktionieren, wenn sie weltweit eingeführt werdenürde. Wenn es Ausweichstandorte gibt, werden die ge-utzt.Das eigentliche Problem besteht erstens darin: Die Fi-anztransaktionsteuer wird nicht von den Akteuren aufen Finanzmärkten bezahlt, sondern von den Kunden,en Anlegern und Sparern, die ihre Altersvorsorge auf-auen. Sie wird also auch von den Riester-Rentnern be-ahlt. Die Banken bezahlen das nicht, die leiten dasurch. Es handelt sich um eine Umsatzsteuer.
Zweitens können Sie nicht sicherstellen, dass dieransaktionen dort stattfinden, wo der deutsche Fiskuseine Hand im Spiel hat. Das geht nämlich ganz automa-sch. Gehen Sie zur Deutschen Börse nach Frankfurtnd lassen Sie sich das erklären. Es steht schon in denrogrammen, dass die Umsätze dort stattfinden, wo dieosten für die Umsätze am niedrigsten sind. Das habenie in Brüssel nun auch erkannt und sind auf die schlaueee gekommen, man müsse das an den Wohnort desuftraggebers binden. Ich möchte Sie einmal fragen:ie wollen Sie denn Zürich, London, Singapur, Panama wer immer da infrage kommt – dazu zwingen, die Auf-aggeber bekannt zu geben, damit die besteuert werdenönnen?
as ist völlig ausgeschlossen. Es kann nicht funktionie-n und wird kein Steueraufkommen bringen, weil diemsätze dann in Sekundenschnelle von europäischenin zu anderen Standorten weglaufen. Das ist heute imlektronischen Zeitalter überhaupt kein Problem mehr;s geschieht ganz automatisch.Wenn Sie die Banken und Bankakteure besteuernollen, müssen Sie an die Bilanzsumme oder den Ge-
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Dr. Hermann Otto Solms
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winn herangehen, dürfen aber keine Umsatzsteuer ma-chen, welche die Bankkunden, aber nicht die Bankentrifft.Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.
Nächste Rednerin in unserer Debatte ist für die Frak-
tion der CDU/CSU unsere Kollegin Gerda Hasselfeldt.
Bitte schön, Frau Kollegin Gerda Hasselfeldt.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! EinBlick auf die wirtschaftliche Entwicklung in unseremLand, auf die Beschäftigtenzahlen und auch auf die Ent-wicklung der öffentlichen Einnahmen und Ausgabenmacht deutlich: Deutschland ist der Wachstumsmotor,der Jobmotor in Europa. Deutschland ist im europäi-schen Vergleich, was die Staatsfinanzen betrifft, ein Hortder Stabilität und der Solidität. Deutschland ist Vorbildfür viele andere Länder in Europa.
Das gilt nicht nur für Europa, sondern auch für viele an-dere westliche Industriestaaten. Wir haben dies denMenschen in unserem Land zu verdanken: den Unter-nehmern, den Arbeitnehmern und denen, die in den Ta-rifverhandlungen verantwortungsvoll entschieden ha-ben. Sie werden von einer Regierung regiert, die ihnenFreiheit und auch die Früchte ihrer Arbeit lässt.
Und das, meine Damen und Herren, ist gut so.
Gut, dass gerade in dieser Zeit eine bürgerlich-christlich-liberale Regierung in der Verantwortung ist.
Es sind Tatsachen: Bei der wirtschaftlichen Entwick-lung und der Haushaltskonsolidierung ist DeutschlandVorreiter. Im Jahr 2010 und im Jahr 2011 – auch das istTatsache – haben wir haushaltstechnisch jeweils besserabgeschnitten, als es vorgesehen war. Das ist nichtselbstverständlich, sondern auch das ist Ausfluss vonRegierungshandeln und Handeln der Menschen in unse-rem Land.
Tatsache ist auch, dass die Defizitgrenze, die im europäi-schen Stabilitäts- und Wachstumspakt vereinbart wurde,trotz der Krise, die vor einigen Jahren zu bewältigenwar, wieder eingehalten wird. Tatsache ist auch, dass wirvoraussichtlich schon vor 2016 die mit der Schulden-bremse vereinbarten Grenzwerte einhalten werden. Dasist eine Bilanz, die sich sehen lassen kann. Diese mussman mit dem vergleichen, was Sie uns nach Ihrer Regie-rungszeit hinterlassen haben.dzcBDhisbWKaeasSsndSwtewdAnlitäkeubwddvudmc
Wir hatten nicht nur andere Daten bei der Verschul-ung; von Solidität und Stabilität der öffentlichen Finan-en war gar nicht die Rede. Von einer guten wirtschaftli-hen Entwicklung, geschweige denn einer guteneschäftigtenentwicklung, war auch nicht die Rede.
ie 5 Millionen Arbeitslosen, die Sie uns hinterlassenaben, sind heute mehrfach angesprochen worden.Das Allerschlimmste, was Sie uns hinterlassen haben,t das, was Sie damals auf europäischer Ebene verein-art haben:
eil Sie selbst nämlich unsolide gewirtschaftet und dieriterien nicht beachtet haben, haben Sie diese dannuch noch auf europäischer Ebene aufgeweicht und soine Einladung an alle anderen europäischen Staatenusgesprochen, sich ebenso zu verhalten. Genau mit die-em Phänomen haben wir uns heute zu beschäftigen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Lehren aus dertaatsschuldenkrise sind eindeutig. Wer sich am Prinziptabiler Staatsfinanzen versündigt, der versündigt sichicht nur gegenüber den künftigen Generationen, son-ern den bestrafen auch die Märkte. Das ist eindeutig.ie können das übrigens erkennen, wenn Sie die Ent-icklung unserer Bundesanleihen auf den Finanzmärk-n beobachten. Da sehen Sie, wie wir dafür belohnterden. Das sind unabhängige Schiedsrichter, die überie Solidität der öffentlichen Haushalte richten und ihrektionen danach ausrichten.
Die Rendite der deutschen Bundesanleihen ist soiedrig wie selten zuvor, die Kurse für die Bundesrepub-k waren selten so günstig. Das ist Ausdruck von Solidi-t. Weil die Märkte so reagieren, gibt es bei der Be-ämpfung der Staatsschuldenkrise keine Alternative zuiner vernünftigen, sparsamen Konsolidierungspolitiknd einer guten Wettbewerbspolitik.
Die Krise wird nicht dadurch gelöst, dass die Noten-anken unbegrenzt öffentliche Anleihen aufkaufen, auchenn der frühere Bundeskanzler Schröder das jetzt wie-er gefordert hat. Sie wird auch nicht dadurch gelöst,ass Euro-Bonds aufgelegt werden, dass die Schuldenergemeinschaftet werden. Ich bin der Bundeskanzlerinnd dem Bundesfinanzminister ausdrücklich dankbar,ass sie sich so klar und eindeutig gegen eine Verge-einschaftung der europäischen Schulden ausgespro-hen und sich deutlich und klar von den Vorschlägen wie
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16939
Gerda Hasselfeldt
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Euro-Bonds distanziert haben und dies auch auf europäi-scher Ebene bei jeder Gelegenheit zum Ausdruck brin-gen.
Meine Damen und Herren, nachhaltige Finanzpolitikbedeutet nicht nur Sparen und Konsolidieren. Nachhal-tige Finanzpolitik bedeutet auch Zukunftssicherung.Nachhaltige Finanzpolitik bedeutet auch Verstetigungund Erhöhung der Investitionen. Nachhaltige Finanz-politik bedeutet auch, die soziale Balance zu wahren undSpielraum zu schaffen durch eine gerechte Steuerpolitik.Auch dies kommt in diesem Haushalt zum Ausdruck:durch die Erhöhung der Ansätze für Bildung und For-schung, durch die Erhöhung der Ansätze für die Infra-struktur, insbesondere für die Verkehrsinfrastruktur. Alldas ist notwendig, um die Basis für eine gute Zukunft zuschaffen. All dies haben wir in den vergangenen Jahrenmit Erfolg gemacht.Nun zur Steuerpolitik. Die vorgesehene Erhöhung desExistenzminimums, die vorgesehene Erhöhung desGrundfreibetrags – das ist hier schon mehrfach ange-sprochen worden –, ist verfassungsrechtlich geboten.Das ist notwendig.
Wenn Sie sich an unserer Verfassung orientieren, dannkönnen Sie sich dagegen nicht verwehren.
– Ich bin noch nicht fertig. – Das ist der eine Teil diesesKonzepts. Der zweite Teil betrifft das Problem der soge-nannten kalten Progression.
– Herr Poß, wir haben im Finanzausschuss lange genugmiteinander gearbeitet.
Sie wissen so gut wie ich, dass durch die kalte Progres-sion nichts anderes bewirkt wird als eine heimliche staat-liche Ausbeutung der Lohn- und Einkommensteuerzah-ler. Nichts anderes ist die kalte Progression.
Das ist eine heimliche staatliche Ausbeutung der Lohn-und Einkommensteuerzahler. Die kalte Progression führtnPdnwGztifiSsgadhfüssWegskvdnwdAwwuajätrEsnedewzTvG
enau das soll korrigiert werden. Das ist ein Akt der so-ialen Gerechtigkeit. Das ist ein Akt der Steuergerech-gkeit – nichts anderes.
Jetzt will ich noch ein Wort zu dem heute schon häu-g angesprochenen Betreuungsgeld sagen. Frau Künast,ie haben gesagt, dass die Kinder in den Mittelpunkt ge-tellt werden sollen. Da stimme ich Ihnen völlig zu. Dasilt für die Bildungspolitik, für die Familienpolitik undlle anderen Bereiche der Gesellschaftspolitik. Die Kin-er sind das Allerwichtigste, was wir in unserem Landaben. Das gilt nicht nur für die eigenen Kinder, sondernr alle Kinder in unserer Gesellschaft, egal aus welchenozialen Schichten sie kommen, aus welchen Regionenie kommen oder in welchem Alter sie sind. Sie sind dasichtigste. Keine Diskussion darf uns zu viel sein, wenns darum geht, wie wir die Zukunft unserer Kinder gutestalten können, wie wir sie so gestalten können, dassie künftig Verantwortung für dieses Land übernehmenönnen.
In unserer Gesellschaft, in unseren Familien hat sichieles verändert, nicht zuletzt durch die veränderte Rolleer Frau. Darauf geben wir Antworten. In den vergange-en Jahren haben wir eine Fülle von verschiedenen Ant-orten gegeben. Ich meine nicht nur das Elterngeld, son-ern auch den großen Beitrag, den der Bund beimusbau der Kinderbetreuungseinrichtungen leistet, ob-ohl er nicht zuständig ist. Auch das muss einmal er-ähnt werden.
Wir unterstützen vonseiten des Bundes die Ländernd Kommunen bei der Aufgabe, den Rechtsanspruchuf einen Kinderbetreuungsplatz für die Zwei- und Drei-hrigen ab 2013 zu realisieren. Genau dort setzt das Be-euungsgeld an. Wir wissen, dass etwa die Hälfte derltern ihre Kinder in der vertrauten Umgebung aufwach-en lassen wollen. Das ist völlig nachvollziehbar. Die ei-en entscheiden sich relativ früh für eine Betreuung ininer Kinderbetreuungseinrichtung, und zwar schon abem zweiten, dritten Lebensjahr des Kindes und nichtrst ab Vollendung des dritten Lebensjahres. Andereollen dies zu Hause selbst erledigen. Wiederum andereiehen es vor, die Großeltern, Geschwister, Nachbarn,agesmütter oder andere damit zu beauftragen und sichon ihnen wenigstens teilweise unterstützen zu lassen.Meine Damen und Herren, es entspricht unseremrundsatz der Wahlfreiheit,
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16940 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Gerda Hasselfeldt
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dass die Eltern frei entscheiden können, wie sie es ma-chen wollen.
Ich bin bis zu dieser Argumentation einen weiten Weggegangen; ich will das gerne zugeben. Ich habe michvon den Argumenten überzeugen lassen, von nichts an-derem. Und ich habe mich überzeugen lassen von denWünschen der Eltern, die deutlich zum Ausdruck brin-gen, dass sie selbst entscheiden möchten. Wenn der Staatdurchschnittlich 1 000 Euro für einen Kinderbetreuungs-platz ausgibt, dann ist es nur gerecht, wenn man sagt,dass diejenigen, die das nicht in Anspruch nehmen, ei-nen Teil davon, nämlich 150 Euro, für die privat organi-sierte Betreuung bekommen sollen. Das ist ein Akt derGerechtigkeit.
Man kann ja so oder so argumentieren. Diese Leis-tung jedoch als Herdprämie zu bezeichnen,
stellt nicht nur eine Diffamierung und Beleidigung allderjenigen dar, die diese Leistung in Anspruch nehmenwollen oder werden, sondern es grenzt wirklich an Eh-renrührigkeit.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, dieser Haushalt ist deutlich geprägt von Soli-dität und Stabilität der öffentlichen Finanzen. Er gibt dierichtigen Wachstumsimpulse und bewahrt die sozialeBalance. Wir sind mit der eingeschlagenen Richtung inden vergangenen Jahren gut gefahren. Und deswegenwerden wir diesen Weg fortsetzen.
Der nächste Redner in unserer Debatte ist für die
Fraktion der CDU/CSU unser Kollege Rüdiger Kruse. –
Bitte schön, Kollege Kruse.
Natürlich, mache ich. – Herr Präsident! Meine sehrgeehrten Damen und Herren! Zu diesem Haushalt gibt esBerichterstatter, und diese Berichterstatter haben einThema, und auf das will ich gerne eingehen.Wir haben in der heutigen Generaldebatte viel überdas Gemeinwesen gehört. Ein Gemeinwesen ist so etwaswie ein Organismus. Ein Organismus hat Blutbahnen,NTsndSbledvEredzeti1SddRphbEdanKdnbwukIcteinimhgWuELGes
s wurde schon gesagt, was für einen großen Vorteil esarstellt, wenn die Menschen Arbeit haben.Natürlich macht Arbeit Spaß und erfüllt, aber es gibtuch einen großen anderen Bereich. Ein Land mussämlich auch eine kulturelle Infrastruktur bereitstellen.ultur ist natürlich Ländersache – das betone ich –, undie Länder haben sich das überlegt. Dieser Bereich ist jaicht sozusagen übrig geblieben, sondern die Länder ha-en in der Föderalismusdiskussion gesagt: Das ist unsichtig, weil wir uns damit identifizieren können und sonser Bild prägen und unsere Unterschiedlichkeit lebenönnen. Daran sollten sich die Länder erinnern.Aber auch der Bund hat eine Aufgabe in der Kultur.h bin sehr zufrieden und stolz, dass es bei den drei letz-n Etats, 2010, 2011 und 2012, die ich mitberaten habe, diesem Bereich trotz der allgemeinen Entwicklungmer einen stetigen Aufwuchs gegeben hat. Wir erhö-en die Mittel für Kultur um etwa 5 Prozent; das ist einutes Ergebnis.
ir tun dies im Rahmen von Maßnahmen, über die wirns nicht in zwei, drei oder vier Jahren ärgern müssen.s wäre natürlich nett, wenn wir allen Intendanten imande die Gehälter erhöhen würden – das ist ein schöneredanke; der eine oder andere hätte es verdient –, abers würde uns strukturell belasten.Wir machen deshalb sehr viel im Bereich Denkmal-chutz. Es gibt ein Denkmalschutz-Sonderprogramm.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16941
Rüdiger Kruse
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Dieses hat einen mehrfachen Nutzen. Die 30 MillionenEuro, die wir dort investieren, können Sie im Prinzipbeim Programm „Soziale Stadt“ mitverbuchen, weilDenkmäler in Kommunen die Selbstidentifizierung er-möglichen. Das ist der eine Grund. Der zweite Grund ist:Wir geben keine Mittel, wenn es nicht ein Nutzungskon-zept für ein Denkmal gibt. In aller Regel geht es um so-ziale oder kulturelle Zwecke. Das heißt, mit diesem Pro-gramm, das natürlich gleichzeitig Wirtschaftsförderungist, fördern wir auch das Programm „Soziale Stadt“, undzwar mit 30 Millionen Euro; dieser finanzielle Umfangist in der heutigen Zeit ausgezeichnet.Wir liefern eine Möglichkeit der kulturellen Entfal-tung. Das ist wichtig. Bürgerliche Politik ist so zu be-schreiben, dass sie Identitäten und Individualität fördert.Alles, was extrem links oder extrem rechts von bürger-licher Politik liegt, löst diese zugunsten einer gefähr-lichen Schimäre, eines kollektiven Gesamtbildes auf.
Das heißt – das ist das Interessante –, dass in der Kultur-szene das Persönlich-Politische häufiger in das eine oderandere Extrem gehen mag, aber die Möglichkeiten undArbeitsbedingungen sind innerhalb eines bürgerlich de-mokratischen Systems am größten, weil hier die Freihei-ten betont und nicht infrage gestellt werden, weil Kunstund Kultur nicht für einen Verkündungsauftrag miss-braucht werden. Das ist, glaube ich, wichtig in der De-batte um das Leitbild sozialer Gesellschaften.In einer Welt, in der wir hinsichtlich der Bevölke-rungszahlen und der Wirtschaftskraft nicht mehr die Be-deutendsten sein werden, ist es natürlich wichtig, dasswir ein Ort sind, der anregt und der aufgrund seiner be-wahrten und in die Zukunft geführten kulturellen Kom-petenz attraktiv ist, sodass viele Menschen an diesen Ortkommen, um mit uns gemeinsam Zukunft zu gestalten.Danke.
Nächste Rednerin in unserer Debatte ist für die Frak-
tion der Sozialdemokraten unsere Kollegin Petra Mer-
kel. Bitte schön, Frau Kollegin Petra Merkel.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Sehr geehrte Damen und Herren! Lieber Herr Staats-minister Neumann, ich bin sehr froh, dass Sie wiederhier sind. Ich freue mich, dass Sie genesen sind und dasswir gemeinsam über den Kulturbereich diskutieren kön-nen.Die SPD-Fraktion im Deutschen Bundestag hat in denHaushaltsberatungen eine Reihe von Änderungsanträgeneingebracht, um ein Bildungspaket umzusetzen, den na-tionalen Pakt für Bildung und Entschuldung. Dieser Paktsieht jährlich Ausgaben in Höhe von 2 Milliarden Eurovor; bis 2016 sind Mehrausgaben im Bildungsbereich inHgEaicdMsungK0folibtiEwdli3icvaVmnulepbdrensvgcBdFshBpgBnKDS
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16942 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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(Johannes Kahrs [SPD]: Das war aber unsereInitiative! War mühsam genug!)Die beiden letzten Programme waren sehr erfolgreichund haben in Deutschland sichtbare Spuren hinterlassen.
30 Millionen Euro stehen nun 2012 für die Sanierungdenkmalgeschützter Bauten zur Verfügung. Sehr gut andiesem Programm ist übrigens, dass sich sowohl Kom-munen als auch Länder und Private beteiligen und so ausden 30 Millionen Euro fast 60 Millionen Euro werdenkönnen. Das ist gut investiertes Geld; denn es kommt so-wohl den Regionen als auch dem vor Ort tätigen Hand-werk zugute.
Bei der energetischen Sanierung denkmalgeschützterBauten hakt es allerdings. Wie viel hätte man gewonnen,wenn man Energieeffizienz auch schon bei der Sanie-rung berücksichtigen würde? Hier mein Appell an denBeauftragten für Kultur und Medien: Tun Sie etwas,auch mit Mitteln aus diesem Sonderprogramm! NutzenSie die Energiewende, und unterstützen Sie energieeffi-zientes Sanieren!
Unterstützen Sie die Forschung in diesem Bereich, undunterstützen Sie Kooperationen auch im Denkmal-schutz! Das sind keine Mittel, die ausschließlich für Or-chideen, die in irgendeinem Zusammenhang mit denk-malgeschützten Gebäuden stehen, bereitgestellt werden,sondern es geht um Verfahren, die man, wenn sie entwi-ckelt worden sind, auch bei ganz normalen Objekten an-wenden kann. Übrigens: Sie schaffen auch Arbeits-plätze.
Es passiert bereits etwas auf diesem Gebiet. Die Deut-sche Bundesstiftung Umwelt zum Beispiel veranstaltetim Dezember dieses Jahres eine Tagung zum ThemaDenkmal und Energie. Auf das Ergebnis bin ich ge-spannt.
Und: Das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutzhat in einem Positionspapier im April dieses JahresHandlungsfelder zur energetischen Sanierung aufge-zeigt, die ich sehr gut finde. Auch hier könnte man mitdem Kulturetat Impulse setzen.
Noch sind wir in Deutschland bei der Entwicklungvon Verfahren zur Sanierung von Kulturgut spitze. Da-mit das so bleibt, brauchen wir aber weiter Forschungs-mittel, um die Entwicklung neuer Techniken und Tech-nologien voranzutreiben. Diese Chancen müssen wirnutzen.devkdhdKudgicralericmhSvdSeuaMuIcßuWPwli
Ich möchte Herrn Staatsminister Neumann für dieute Zusammenarbeit danken. In diesen Dank schließeh selbstverständlich sein Haus und das Haushaltsrefe-t ganz besonders mit ein. Ich danke auch meinen Kol-ginnen und Kollegen sowie meiner Mitberichterstatte-n und meinen Mitberichterstattern.Zum Schluss will ich noch ein anderes Thema anspre-hen. Ich danke Professor Parzinger und Michael Nau-ann an dieser Stelle ganz besonders. Beide haben inervorragender Art und Weise gegen die von Vivientein in ihrem Buch Heinz Berggruen: Leben & Legendeorgebrachten Diffamierungen Stellung bezogen unden Vorwürfen widersprochen. Beide haben mir aus dereele gesprochen.
Ich bin noch immer froh, dass sich Heinz Berggruenntschlossen hatte, nach Deutschland zurückzukehren,nd dass er nach Berlin zurückgekommen ist. Ich binuch sehr froh darüber, dass der Erweiterungsbau desuseums Berggruen aus Bundesmitteln finanziert wirdnd im Sommer nächsten Jahres eröffnet werden kann.
h bedanke mich bei der Familie Berggruen für ihr gro-es Engagement in Berlin und bei Ihnen für Ihr Zuhören.Danke sehr.
Nächster Redner für die Fraktion der CDU/CSU ist
nser Kollege Wolfgang Börnsen. Bitte schön, Kollege
olfgang Börnsen.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!etra Merkel, ich möchte Ihnen für die konstruktive,enn auch kritische, und sehr anerkennende Rede herz-ch danken. Das ist nicht selbstverständlich.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16943
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[Spandau] [SPD]: Mal sehen, was jetzt von Ih-nen kommt!)Was bleibt, ist die Kultur. Ob der Kölner Dom, dieVolkslieder unseres Landes, der Faust von Goethe, die-ser Reichstag hier oder Beethovens Ode an die Freude:Was bleibt, ist die Kultur. Die Kultur ist das Fundamentunserer Gesellschaft. Sie gibt Menschen Orientierungund Identität, sie schafft Lebensmut und Lebensfreude.Deshalb ist es angemessen, die Kultur hier im Rahmendes Kanzleretats zu diskutieren. Hier gehört sie hin.
Deutschland, unser Land, ist ein kraftvolles, ein krea-tives, ein vitales Kulturland.
Es sind die Künstlerinnen und Künstler, die Kulturschaf-fenden, die schöpferischen Mitbürger, die diesen Reich-tum unseres Landes ausmachen. Sie tragen zur Leben-digkeit, aber auch Einheit unserer Gesellschaft bei, zuIntegration, Zufriedenheit und Lebensperspektive. Ihnenhaben wir ganz besonders für ihren Einsatz hier zu dan-ken.
Doch auch die Arrangeure der Kultur – die Dirigen-ten, die Galeristen, die Regisseure, die Bibliothekare,aber auch die Kassiererin in einer Volkstanzgruppe – ge-hören dazu; denn ohne sie wäre Kultur für alle von allennicht zu realisieren. Auch ihnen gilt deshalb unser Dank.
Der Preis, den wir für diese Leistung zu zahlen haben,ist relativ klein. Er entspricht 1,9 Prozent des Volumensaller Haushalte – mehr nicht. 9 Milliarden Euro gebenBund, Länder und Gemeinden in Deutschland für dieKultur aus. Die Gemeinden und die Länder tragen daranden Hauptanteil.Wenn man nur einmal die Musikkultur als Beispielnimmt, dann kann man erkennen, wie wichtig, notwen-dig und ertragreich dieser Einsatz ist: Über 50 000 Chörebeleben unsere Gesellschaft, es gibt die gleiche Anzahlinformeller Musikvereinigungen, also insgesamt über100 000 Gruppen. Es gibt 750 erstklassige Orchester undMusiktheater und 50 000 Rock-, Jazz- und Popbands.Wir haben die reichhaltigste Musikszene in Europa.Nicht zu vergessen: 40 Millionen Kulturtouristen kom-men jährlich nach Deutschland, um diesen Reichtum zugenießen. Das bringt insgesamt 85 Milliarden Euro anEinnahmen für unser Land.zHsHskbDclisveuvacotuaKSsregZ–dudKesF
ahinter stecken trotz eines lahmen Beines unermüdli-her Einsatz, viel Geschick und kluge Diplomatie. Herz-chen Dank und weiterhin gute Genesung!
Auch die Beibehaltung des verminderten Mehrwert-teuersatzes gehört dazu. Sie sichert die Existenz füriele Kulturschaffende. Die Buchpreisbindung gehörtbenso dazu. Alle diese Fundamente müssen wir sichernnd dürfen sie nicht abbauen. Was sich hier so lockerom Pult verkünden lässt, ist immer im Wettbewerb mitnderen Politikbereichen durchzusetzen. Gleich ob Si-herheit oder Soziales, Finanzkonsolidierung, Forschungder Bildung: Sie alle sind von grundlegender Bedeu-ng.Ich bedanke mich bei meinen Kollegen im Haushalts-usschuss: Jürgen Koppelin, Petra Merkel, Rüdigerruse und Herbert Frankenhauser.
ie alle haben eine Lanze für die Kultur gebrochen, weilie davon überzeugt sind, dass sie das Fundament unse-r Gesellschaft bleiben soll. Das gilt auch für die Kolle-en der Opposition im Haushaltsausschuss.
Der Zugewinn, den wir für die Kultur haben, ist einugewinn für unsere Gesellschaft, aber der Preis dafürdamit komme ich zum Schluss – ist die Neuverschul-ung. Das ist mehr als ein Schönheitsfehler. Auch wennnser Anteil nur minimal ist, wäre es doch gerechtfertigt,ass wir in unseren Überlegungen maßvoll sind. Wir alsulturpolitiker haben nicht nur eine Fach-, sondern auchine Gesamtverantwortung.Ich bedanke mich.
Nächste Rednerin ist für die Fraktion Die Linke un-ere Kollegin Frau Dr. Lukrezia Jochimsen. Bitte schön,rau Kollegin.
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16944 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich
setze jetzt die Ode an die Kultur des Kollegen Börnsen
auf etwas andere Art und Weise fort.
Es ist eben die Kultur, die unser Wertefundament
bildet. Es sind die Künste, die … ganz wesentlich
die Basis unseres Gemeinwesens bilden.
Wer hat das wohl gesagt? – Richtig, Staatsminister Neu-
mann, hier an dieser Stelle in seiner Rede zum Kultur-
haushalt in erster Lesung. Wie wahr ist diese Bewertung.
Wie doppelt wahr klingt sie uns jetzt in einer Zeit, da wir
mit blankem Entsetzen das mörderische und unerkannte
Treiben von Rechtsterroristen in unserem Land zur
Kenntnis nehmen müssen.
Das Gebot der Stunde heißt doch: Wie machen wir
die Kultur tatsächlich zu unserem Wertefundament? Wie
fördern und stärken wir die Künstlerinnen und Künstler
in unserem Land, dass die Künste tatsächlich die Basis
unseres Gemeinwesens bilden können?
Das erreichen wir nicht mit einem pompösen Schloss-
bau in Berlin samt einem Freiheits- und Einheitsdenkmal
auf dem Platz davor.
Das erreichen wir erst recht nicht mit fortgesetzter Fi-
nanzierung der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöh-
nung“, in der der Zentralrat der Juden seine Mitarbeit ru-
hen lässt und Vertreter von Roma und Sinti gar nicht erst
vorgesehen sind. Das erreichen wir auch nicht mit einem
satten Zuschuss von 2,2 Millionen Euro pro Jahr für die
Bayreuther Festspiele.
Was wir brauchen, ist zweierlei:
Erstens. Kulturelle Bildung unserer Kinder, und zwar
Bildung gegen Rassismus und Gewalt von früh an,
wohlgemerkt: für alle unsere Kinder.
Diese kulturelle Bildung muss in unserem Land und da-
mit in der Kulturpolitik einen neuen Stellenwert erhal-
ten.
Ich weiß, dass im Etat des Beauftragten der Bundes-
regierung für Kultur und Medien zusätzliches Geld für
weitere Modellprojekte zur Verfügung steht. Aber Mo-
dellprojekte reichen nicht aus. Es muss eine echte Bil-
dungskampagne für Kinder und Jugendliche auf den
Weg gebracht werden. Ich habe das schon vor drei Jah-
ren an dieser Stelle eingefordert. Heute gilt diese Forde-
rung brennender denn je. Kinder und Jugendliche dürfen
den braunen Verführern nicht länger zur Beute werden.
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Zweitens. Ohne Künstlerinnen und Künstler gibt es
eine Künste. Deshalb müssen endlich Schritte unter-
ommen werden, die soziale Lage der Kulturschaffen-
en entscheidend und wirksam zu verbessern. Um die
isere wissen alle Verantwortlichen nun lange genug.
s geht um Initiativen, Gesetze und Umdenken statt nur
m Einzelförderung oder Preise. Darüber müssen sich
er Staatsminister, die Kulturpolitiker aller Fraktionen
nd der Kulturausschuss in einer Zeit wie dieser klar
erden und sich aufs Handeln verständigen.
Zum Schluss in diesem Zusammenhang ein Beispiel:
Weimar gibt es seit Jahren ein renommiertes Kunst-
st. Eröffnet wird es stets mit dem großen Orchester-
onzert „Gedächtnis Buchenwald“, kostenlos und zu-
änglich für alle, und einer Gedenkveranstaltung für die
pfer des KZ. An keinem anderen Ort in Deutschland
ehen Kunst und Erinnern so direkt ineinander über.
Für dieses Kunstfest, vom Land Thüringen, der Stadt
eimar und bisher zeitlich begrenzt von der Bundeskul-
rstiftung gefördert, wurde für 2012, von der SPD und
uch von uns unterstützt, ein Antrag auf Mitfinanzierung
urch den Bund in Höhe von 500 000 Euro gestellt. Die
oalition lehnte ab. Staatsminister Neumann sagte ge-
enüber der Thüringischen Landeszeitung, er fördere nur
achhaltige Projekte; ob das Kunstfest über 2013 hinaus
xistiere, sei nicht sichergestellt. Aber es geht doch um
as Jahr 2012. Welch eine Logik und welch ein Schaden
r ein Projekt, das wir in diesen Zeiten dringender brau-
hen denn je! Bitte lassen Sie uns umdenken.
Nächster Redner in dieser Debatte ist für die Fraktion
er FDP unser Kollege Reiner Deutschmann. Bitte
chön, Kollege Deutschmann.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrtenamen und Herren! Im Koalitionsvertrag haben Unionnd FDP vor zwei Jahren Folgendes geschrieben – ichitiere –:Kulturförderung ist keine Subvention, sondern eineunverzichtbare Investition in die Zukunft unsererGesellschaft.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16945
Reiner Deutschmann
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)Dazu bekennen wir uns auch ausdrücklich in Zeiten derEuro-Krise. Der Kulturhaushalt wächst, und das schonseit Jahren. Für 2012 stehen 5,1 Prozent mehr Mittel zurVerfügung.Ich möchte Kulturstaatsminister Bernd Neumann so-wie allen Beteiligten, insbesondere aber auch dem Haus-haltsausschuss des Deutschen Bundestages für die inZeiten des Sparens nicht selbstverständliche Erhöhungdes Kulturetats danken. Der Deutsche Bundestag setztdamit ein starkes Zeichen, dass der Förderung von Kunstund Kultur in Deutschland ein besonderer Stellenwertzukommt. Ich würde mir wünschen, dass eine solchePrioritätensetzung in absehbarer Zeit auch in allen Län-dern und Kommunen zum Normalfall wird.
Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen, in diesenZeiten kann man sicherlich nicht alle Ziele umsetzen, dieman sich zu Beginn der Haushaltsberatungen gesetzt hat.Die Rückführung der Staatsschulden im Rahmen derSchuldenbremse hat absoluten Vorrang. Dennoch ist esuns gelungen, einige wichtige Projekte in den Haushalt2012 neu aufzunehmen oder zu verlängern.Herausragend ist gewiss die bereits genannte Verlänge-rung des Denkmalschutzprogramms. Zur Substanzerhal-tung und Restaurierung stehen nun zusätzliche 30 Millio-nen Euro zur Verfügung. Damit wird dem Verfall wichtigerKulturgüter von nationalem Rang weiter Einhalt geboten.Ich denke, wir zollen damit auch dem kürzlich verstorbe-nen und von uns allen verehrten Professor Dr. Kiesowund der von ihm lange Jahre geleiteten Deutschen Stif-tung Denkmalschutz unseren besonderen Respekt undzeigen unsere Anerkennung;
denn gerade dort, wo der Staat mit gutem Beispiel vo-rangeht, engagiert sich auch die Zivilgesellschaft.Eine weitere Erhöhung betrifft den Haushalt des Bun-desbeauftragten für die Stasiunterlagen. Der BStU kann sobeispielsweise in einen zukunftsorientierten Internetauf-tritt investieren. Durch diese Neugestaltung wird mehrInformationsmaterial für Kinder und Jugendliche bereit-gestellt, und es gibt spezielle Seiten für die Lehrerfortbil-dung. Zudem wird der BStU – dem Gedenkstättenkonzeptentsprechend – zusammen mit der AntistalinistischenAktion ein Dokumentations- und Bildungszentrum imHaus 1, Normannenstraße, aufbauen, eine Dauerausstel-lung, die die Funktion des Ministeriums für Staatssicher-heit im System der SED-Diktatur darstellen wird.Entscheidend wird auch in der Normannenstraße, wieim Netz, der Dialog mit der jungen Generation sein. Hiermöchte ich Roland Jahn zitieren, der in seiner Antritts-rede im März sagte:Je besser wir begreifen, wie die Diktatur in derDDR im Alltag funktioniert hat, desto besser kön-nen wir, hier und heute, Demokratie gestalten.SzWZenLatusTdebb1gFkimliKhsdshFnnHnhklireszbdJ
Nicht zuletzt ist es uns auch gelungen, etwas für denchutz einer besonderen Welterbestätte in Deutschlandu tun. Für dringend notwendige Investitionen in daseltkulturerbe Völklinger Hütte im Saarland wird einuschuss von 2,5 Millionen Euro gewährt. Damit wirdtwas getan für den Erhalt eines Wahrzeichens der Inge-ieurbaukunst, das bereits 1994 von der UNESCO in dieiste der Welterbestätten aufgenommen wurde.Ohne ins Detail zu gehen, möchte ich dem Haushalts-usschuss auch besonders dafür danken, dass er der Stif-ng TANZ-Transition und dem Gleimhaus in Halber-tadt Gelder zur Verfügung gestellt hat. Die StiftungANZ-Transition hilft Tänzerinnen und Tänzern nachem Ende ihrer körperlich sehr fordernden Tanzkarriere,in neues Erwerbsfeld zu finden. Das Gleimhaus in Hal-erstadt steht als Stätte der Aufklärung und ist im Blau-uch der Bundesregierung verzeichnet. Anlässlich des50-jährigen Jubiläums im Jahr 2012 wird dort eineroße Sonderausstellung unter dem Titel „Tempel derreundschaft, Schule der Humanität, Museum der Auf-lärung“ stattfinden.Zum Schluss möchte ich nicht unerwähnt lassen, dass Etat des Bundeswirtschaftsministers wieder 3,5 Mil-onen Euro für die vielfältigen Aktivitäten der Initiativeultur- und Kreativwirtschaft eingestellt sind. Hervorzu-eben ist hier die ausgezeichnete Zusammenarbeit zwi-chen dem BMWi und dem BKM.Abschließend und nach vorne blickend, hoffe ich,ass es uns auch im nächsten Jahr gelingen wird, eineno ausgewogenen und in die Zukunft weisenden Kultur-aushalt aufzustellen.Ich danke Ihnen.
Letzte Rednerin unserer Debatte ist unsere Kollegin
rau Tabea Rößner für die Fraktion Bündnis 90/Die Grü-
en. – Ich wäre sehr dankbar, wenn wir der Rednerin
och die gebotene Aufmerksamkeit schenken würden.
Danke, Herr Präsident. – Sehr geehrte Damen underren! Freie Kunst und freie Presse sind die Säulen ei-er Demokratie. Gerade in Zeiten wie diesen ist es des-alb unsere Aufgabe, diese Pfeiler zu stabilisieren. Wirönnen und sollten nicht das Schreiben für den Journa-sten übernehmen oder der Bildhauerin den Meißel füh-n. Das Grundgesetz schützt Kunst und Presse vortaatlichem Einfluss – und das ist auch gut so.
Aber wir haben die Möglichkeit, Leitplanken zu set-en. Ein Beispiel: Das Presse-Grosso ist in Gefahr. Da-ei ist dieses Vertriebssystem ein wichtiger Garant fürie Pressevielfalt in Deutschland. Ob klein oder groß:eder Verlag hat mit seinen Zeitungen den gleichen Zu-
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Tabea Rößner
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gang zum Verkaufsregal. Doch jetzt will ein großer Ver-lag aussteigen. Ich frage Sie, was die Bundesregierungplant, um das seit 60 Jahren bewährte System zu erhal-ten. Hier müsste eine neue Leitplanke gesetzt werden.
Die Presse ist in der Krise, Auflagen sinken, Lokalre-daktionen werden geschlossen und Personal wird abge-baut. Eine gute Berichterstattung wird immer schwieri-ger. In Mecklenburg-Vorpommern gibt es noch genaudrei Regionalzeitungen. Dort, wo demokratische Medienfehlen, verteilt die NPD Gratisblätter an alle Haushalte.Deshalb brauchen wir starke Medien vor Ort, die infor-mieren, die aufklären und die den Rechten die Maske ab-reißen.
Wie reagiert die Bundesregierung? Sie legt einen Ge-setzentwurf zur Pressefusionskontrolle auf den Tisch.Aber ob das den kleinen Verlagen wirklich helfen wird,bezweifle ich. Sie können damit nur leichter von denGroßen geschluckt werden. Nun kann man sagen: Dasist völlig normal in den Märkten. – Aber weil derMedienmarkt so sensibel ist, braucht er besondere Re-gulierungen. Um aber den Verlust an Vielfalt in der Pres-selandschaft zu verhindern, sind erleichterte Übernah-mebedingungen der völlig falsche Weg.Es stellt sich die Frage, wie Zeitungen – oder besser:wie Journalismus – zukünftig überhaupt finanziert wer-den können, gerade angesichts der immer größeren Nut-zung des Internets. Die Bundesregierung hat darauf seitBeginn ihrer Amtszeit nur eine Antwort: das Leistungs-schutzrecht. Diese Antwort predigt die Kanzlerin bei al-len Verlegertreffen wie das neue Evangelium der Presse.Ein Leistungsschutzrecht würde Verlage aber nicht ret-ten und käme vor allem wieder nur den Großen zugute,ganz abgesehen von den rechtlichen Unklarheiten undder Frage, wie viel von den geplanten Einnahmen ei-gentlich bei den Journalisten selbst ankäme.Offenbar hat sich ein Teil der Koalition unserer Mei-nung angeschlossen, dass dieses Gesetz nichts bringt.Daher mein Rat: Lassen Sie diesen Gesetzentwurf in derSchublade und kümmern Sie sich um die relevanten Fra-gen!
Aber auch diese wollen Sie leider nicht angehen.In der Internet-Enquete sollte ein Gutachten überneue Geschäftsmodelle in Auftrag gegeben werden. Wirhatten uns darauf geeinigt, und Gutachter wurden ange-fragt. Aber kurz vor der endgültigen Beauftragung wirddas Ganze abgeblasen. Dazu kann ich nur sagen: Es gehtIhnen gar nicht um die Sache. Sie wollen nicht in die Zu-kunft denken. Sie verharren in der Vergangenheit.Auch von Ihnen, Herr Staatsminister Neumann, habeich auf diese brennenden Fragen bisher keine AntwortenesndssDkRhJdgLdwLDtrDdreDdfebBdükSPdSFfübw1)
uc Jochimsen hat darauf hingewiesen: Demokratiebil-ung ist auch eine kulturpolitische Aufgabe.Ähnlich wie bei den Zeitungen stoßen auch an Orten,o das kulturelle Leben tot ist, Rechtsextreme in dieseücken und verbreiten in Konzerten ihre Hasslieder.eshalb brauchen wir gerade dort soziokulturelle Zen-en, die das Wegbrechen der Kultur verhindern.
urch eine Aufstockung des Fonds „Soziokultur“ undurch eine Stärkung der Bundesvereinigung Soziokultu-ller Zentren könnten Sie sich deutlich positionieren.och auch das tun Sie nicht.Die Bundesregierung ist mit der Maßgabe angetreten,ie tragenden Säulen der Demokratie für die Zukunft zustigen. Aber nach der Hälfte der Legislaturperiodeleibt leider nur das Fazit: Sie können nicht einmal deneton dafür anmischen.Vielen Dank.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmel-ungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.Wir kommen damit zur namentlichen Abstimmungber den Einzelplan 04, Bundeskanzlerin und Bundes-anzleramt, in der Ausschussfassung. Ich bitte diechriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenenlätze einzunehmen. – Sind alle Plätze besetzt? – Das ister Fall. Ich eröffne die Abstimmung.Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seinetimme noch nicht abgegeben hat? – Das ist nicht derall. Ich schließe die Abstimmung und bitte die Schrift-hrerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zueginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmungird Ihnen später bekannt gegeben.1)Ergebnis Seite 16948 D
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16947
Vizepräsident Eduard Oswald
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Darf ich Sie bitten, die Plätze wieder einzunehmen? –Wir fahren fort.Ich rufe den Punkt II.11 auf:Einzelplan 05Auswärtiges Amt– Drucksachen 17/7105, 17/7123 –Berichterstattung:Abgeordnete Herbert FrankenhauserKlaus BrandnerDr. h. c. Jürgen KoppelinMichael LeutertSven-Christian KindlerNach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist dies so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner in unsererDebatte ist für die Fraktion der Sozialdemokraten unserKollege Klaus Brandner. Bitte schön, Kollege KlausBrandner.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen!Bevor ich zum Einzelplan des Auswärtigen Amteskomme, möchte ich es nicht versäumen, Dr. Morhard,dem Leiter des für den Haushalt zuständigen Referats,und seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für die of-fene, präzise und konstruktive Zusammenarbeit zu dan-ken. Das beziehe ich aber auch auf den Minister und seinUmfeld. Ich denke, dass es in der kurzen Zeit zwischendem Berichterstattergespräch und der Ausschusssitzung– dazwischen lag nur eine Woche – sehr viel Arbeit zuerledigen gab. Das ist mit großer Präzision und Sorgfaltgeschehen. Dafür herzlichen Dank!
Bevor ich auf die Eckpunkte des Haushalts 2012 ein-gehe, möchte ich zwei Entwicklungen ansprechen, diedie Beratungen und die Zukunft des Auswärtigen Amtstangieren.Die erste Entwicklung ist die UNESCO-Irritation.Viele rätseln bis heute, warum es zu der unglücklichenIrritation durch die angekündigte Sperrung sämtlicherUNESCO-Beiträge kam. Wir Sozialdemokraten warenam Morgen der Bereinigungssitzung sehr überrascht, dieAnträge der Koalition auf Sperrvermerke über alleUNESCO-Positionen über eine Höhe von immerhin10,8 Millionen Euro zu hören. Erfreulicherweise hat dieKoalition, namentlich die Kollegen Frankenhauser undKoppelin, diese Anträge sehr schnell zurückgezogen. Ichfinde, dieser Vorstoß war ein kapitaler Fehler.
Es ist gut, dass die Anträge zurückgezogen worden sind.Kollege Stinner wurde in der Frankfurter AllgemeinenZShreIrbÜs2hczBDzteodndSkFaBDnsVIhtemtrsgAdMgwisEns
Ich sprach von zwei Entwicklungen. Ein Zweites hatritationen ausgelöst, nämlich die Kooperationsverein-arung des BMZ mit dem AA. Das war eine weitereberraschung, die unmittelbar nach der Bereinigungs-itzung auf den Tisch kam. Wir hatten den Haushalt AA012 abgeschlossen – „geschlossen“, wie es formaleißt –, und dann erreichte uns eine Mail mit weitrei-henden und finalisierenden Kooperationsregelungenwischen BMZ und AA. Darüber wurde in der gesamteneratungszeit nicht ein Wort verloren. Ich will dazu zweiinge feststellen, erstens eine politische Bewertung undweitens eine formale Bewertung vornehmen.Die politische Bewertung. Im gestrigen Berichterstat-rgespräch haben wir Fragen zur Umsetzung der Ko-perationsvereinbarung besprochen und vorberaten. Icharf an dieser Stelle dem Minister danken, dass er an ei-em Punkt gleich eingelenkt hat. Er hat klargestellt, dassie Förderkriterien und Modalitäten für die politischentiftungen, sofern sie für ihre Tätigkeit in Osteuropaünftig über das AA finanziert werden sollten, an dieörderkriterien des BMZ angepasst werden, dass dieselso übernommen werden. Damit hat er zumindest eineneitrag zur Beruhigung in der Stiftungsszene geleistet.afür darf ich Ihnen an dieser Stelle danken, Herr Mi-ister.Ich will ein Weiteres sagen. Völlig unverständlich er-cheint mir zum Beispiel die Regelung in Punkt 11 derereinbarung, und da werde ich unruhig. Ich zitiere:AA unterstützt den Wunsch des BMZ, innerhalbder Bundesregierung die ODA-Koordinierung alsKernkompetenz zu übernehmen, und geht davonaus, dass BMZ sich bei der ODA-Koordinierung re-gelmäßig mit AA abstimmt.Wenn ich an die politischen Freundschaften innerhalbrer Partei momentan und die Vergangenheit des Minis-rs denke, dann tut mir der Minister wirklich leid. Wennan Kernkompetenzen an ein anderes Ministerium über-ägt, das in der Sache außenpolitisch wichtige Weichen-tellungen vornimmt, dann habe ich große Sorgen dahinehend, welche Abstimmungsschrammen und welcheuseinandersetzungen zwischen den Häusern, insbeson-ere zulasten des AA, entstehen können.
ir reicht es nicht aus – das will ich an dieser Stelle sa-en –, festzustellen, dass Kernkompetenzen abgegebenerden; denn Sie sagen ja selbst in der Vereinbarung: Est davon auszugehen, dass eine Abstimmung erfolgt. –s ist davon auszugehen! Die Abstimmung muss garicht zwingend erfolgen.Wer den Aufwuchs des Etats des Auswärtigen Amtsieht – er besteht in diesem Jahr fast ausschließlich aus
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16948 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Klaus Brandner
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ODA-Mitteln; von dem Aufwuchs von 203 MillionenEuro sind 190 Millionen Euro ODA-Mittel –, der er-kennt, dass diese Mittel für das AA elementar sind, undhat große Sorge, dass auf diese Art und Weise die Politikdes AA nicht mehr so unabhängig sein kann, wie wir sieuns wünschen.Übrigen auch längere Finanzierungszeiträume als, wiezurzeit angepeilt, zwei Jahre. Wir Sozialdemokraten ste-hen dafür, dass Deutschland über mehrere Jahre hinwegals verlässlicher Partner diesen Prozess unterstützt undauch in Zukunft weiter unterstützen wird und will.
Ich will zu den Eckpunkten des Haushalts 2012 kom-men. Lassen Sie mich dazu einen Bogen schlagen undauf den Etat generell eingehen. Der Etat steigt um etwa6,5 Prozent. Dadurch entstehen neue Handlungsspiel-räume für das AA, die genutzt werden müssen. Wir be-grüßen das uneingeschränkt. Insofern ist es schön, dassder Etat in diesem Jahr so deutlich wächst. Damit wer-den essenzielle Außenpolitikfelder wie zum Beispiel dieSicherung von Frieden und Stabilität wieder gestärkt. Sowurden zum Beispiel die Mittel für den Titel für Krisen-prävention und friedenserhaltende Maßnahmen von90 Millionen Euro auf 120 Millionen Euro angehoben.Das entspricht einer langjährigen Forderung der Sozial-demokraten. Wir begrüßen dies ausdrücklich.Aber ich will an dieser Stelle gleich sagen, dass beiallen neuen Handlungsspielräumen in diesem Bereichdurch die Kooperationsvereinbarung zwischen BMZ undAA im Titel des BMZ 15 Millionen Euro wieder abgezo-gen werden sollen, ohne zu wissen, welche Maßnahmenbetroffen sind, die dann nicht mehr oder nur noch einge-schränkt durchgeführt werden können. Es fehlt letztlichan einem schlüssigen Konzept. Ein solches ist dringendanzumahnen. Ich bin dankbar, dass auch die Koalitions-kollegen auf Initiative des Kollegen Frankenhauser ei-nen entsprechenden Änderungsantrag in der nächstenHaushaltsausschusssitzung einbringen werden, umschnellstens das Programm für diese Vereinbarung zu er-halten, damit wir entsprechend politisch agieren können.Ich möchte nun auf die Transformationspartnerschaftmit Nordafrika und dem Nahen Osten zu sprechen kom-men. Ausdrücklich begrüße ich, auch als Vorsitzenderder Deutsch-Ägyptischen Parlamentariergruppe, dass für2012 und 2013 zusätzlich 100 Millionen Euro zur Verfü-gung gestellt werden. Aber auch das sind wiederumODA-Mittel. Wenn die Kernkompetenzen für diese Auf-gaben beim BMZ liegen und nicht mehr beim AA, dannmuss man sich fragen, wie diese Aktivitäten, die wich-tige Projekte und Maßnahmen zur Förderung der jungenDemokratie auf den Weg bringen, zukünftig erfolgenkönnen.
Ich gehe jedenfalls davon aus, meine Damen und Her-ren, dass hier dringend für Klarheit gesorgt werdenmuss; denn der Demokratisierungs- und Transformati-onsprozess braucht einen langen Atem. Er braucht imuliafeEnhdBsg1bdeuaricsdoJvapTwasdteEuSgD
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16949
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Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 580;davonja: 319nein: 261JaCDU/CSUIlse AignerPeter AltmaierPeter AumerDorothee BärThomas BareißNorbert BarthleGünter BaumannErnst-Reinhard Beck
Manfred Behrens
Veronika BellmannDr. Christoph BergnerPeter BeyerSteffen BilgerClemens BinningerPeter BleserDr. Maria BöhmerWolfgang Börnsen
Wolfgang BosbachNorbert BrackmannKlaus BrähmigMichael BrandDr. Reinhard BrandlHelmut BrandtDr. Ralf BrauksiepeDr. Helge BraunHeike BrehmerRalph BrinkhausCajus CaesarGitta ConnemannAlexander DobrindtThomas DörflingerMarie-Luise DöttDr. Thomas FeistEnak FerlemannIngrid FischbachHartwig Fischer
Dirk Fischer
Dr. Maria FlachsbarthKlaus-Peter FlosbachHerbert FrankenhauserDr. Hans-Peter Friedrich
Michael FrieserErich G. FritzDr. Michael FuchsHans-Joachim FuchtelAlexander FunkIngo GädechensDr. Peter GauweilerDr. Thomas GebhartNorbert GeisAlois GerigEberhard GiengerJosef GöppelPDRHMMMMOFDJüGDHMUFRMJüAEPCRKFJoATDDADBHSABSVDREEVJüAJeMHTMGDRBDGDADKUDeter Götzr. Wolfgang Götzereinhard Grindelermann Gröheichael Grosse-Brömerarkus Grübelanfred Grundonika Grütterslav Guttinglorian Hahnr. Stephan Harbarthrgen Hardterda Hasselfeldtr. Matthias Heiderelmut Heiderichechthild Heilrsula Heinen-Esserrank Heinrichudolf Henkeichael Hennrichrgen Herrmannnsgar Hevelingrnst Hinskeneter Hintzehristian Hirteobert Hochbaumarl Holmeierranz-Josef Holzenkampachim Hörsternette Hübingerhomas Jarzombekieter Jasperr. Franz Josef Jungndreas Jung
r. Egon Jüttnerartholomäus Kalbans-Werner Kammerteffen Kampeterlois Karlernhard Kaster
olker Kauderr. Stefan Kaufmannoderich Kiesewetterckart von Klaedenwa Klamtolkmar Kleinrgen Klimkexel Knoerigns Koeppenanfred Kolbeartmut Koschykhomas Kossendeyichael Kretschmerunther Krichbaumr. Günter Kringsüdiger Kruseettina Kudlar. Hermann Kuesünter Lachr. Karl A. Lamers
ndreas G. Lämmelr. Norbert Lammertatharina Landgraflrich Langer. Max LehmerPInMDPDDDKDHASDDMDDPDMDSDBMDFEHDRUDSBRCRETDEKLJoKDJoDDEAADDDKNTGCPDNDDBaul Lehriedergbert Liebingatthias Lietzr. Carsten Linnemannatricia Lipsr. Jan-Marco Luczakaniela Ludwigr. Michael Lutherarin Maagr. Thomas de Maizièreans-Georg von der Marwitzndreas Mattfeldttephan Mayer
r. Michael Meisterr. Angela Merkelaria Michalkr. h. c. Hans Michelbachr. Mathias Middelberghilipp Mißfelderietrich Monstadtarlene Mortlerr. Gerd Müllertefan Müller
r. Philipp Murmannernd Neumann
ichaela Nollr. Georg Nüßleinranz Obermeierduard Oswaldenning Otter. Michael Paulita Pawelskilrich Petzoldr. Joachim Pfeifferibylle Pfeiffereatrix Philipponald Pofallahristoph Polanduprecht Polenzckhard Polshomas Rachelr. Peter Ramsauerckhardt Rehbergatherina Reiche
othar Riebsamensef Rieflaus Riegertr. Heinz Riesenhuberhannes Röringr. Norbert Röttgenr. Christian Ruckrwin Rüddellbert Rupprecht
nita Schäfer
r. Wolfgang Schäubler. Annette Schavanr. Andreas Scheuerarl Schiewerlingorbert Schindlerankred Schipanskieorg Schirmbeckhristian Schmidt
atrick Schniederr. Andreas Schockenhoffadine Schön
r. Kristina Schröderr. Ole Schröderernhard Schulte-DrüggelteUADJoRDBTJoJeCDECDGSMKTLMDADVSADMKMPSInKPAKEDDWFJeCCFSCNKRAEMSHRDPMRJö
etlef Seifhannes Selleeinhold Sendkerr. Patrick Sensburgernd Sieberthomas Silberhornhannes Singhammerns Spahnarola Staucher. Frank Steffelrika Steinbachhristian Freiherr von Stettenieter Stierero Storjohanntephan Strackeax Straubingerarin Strenzhomas Strobl
ena Strothmannichael Stübgenr. Peter Tauberntje Tillmannr. Hans-Peter Uhlolkmar Vogel
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eter Weiß
abine Weiss
go Wellenreutherarl-Georg Wellmanneter Wichtelnnette Widmann-Mauzlaus-Peter Willschlisabeth Winkelmeier-Beckeragmar G. Wöhrlr. Matthias Zimmerolfgang ZöllerDPns Ackermannhristian Ahrendthristine Aschenberg-Dugnuslorian Bernschneiderebastian Blumenthallaudia Bögelicole Bracht-Bendtlaus Breilainer Brüderlengelika Brunkhorstrnst Burgbacherarco Buschmannylvia Canelelga Daubeiner Deutschmannr. Bijan Djir-Saraiatrick Döringechthild Dyckmansainer Erdelrg van Essen
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16950 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Vizepräsidentin Petra Pau
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Ulrike FlachOtto FrickePaul K. FriedhoffDr. Edmund Peter GeisenDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannHeinz GolombeckMiriam GrußJoachim Günther
Dr. Christel Happach-KasanHeinz-Peter HausteinManuel HöferlinBirgit HomburgerDr. Werner HoyerHeiner KampMichael KauchDr. Lutz KnopekPascal KoberDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppDr. h. c. Jürgen KoppelinSebastian KörberHolger KrestelPatrick Kurth
Heinz LanfermannSibylle LaurischkHarald LeibrechtSabine Leutheusser-SchnarrenbergerLars LindemannChristian LindnerDr. Martin Lindner
Michael Link
Dr. Erwin LotterOliver LuksicHorst MeierhoferPatrick MeinhardtGabriele MolitorJan MückePetra Müller
Burkhardt Müller-SönksenDr. Martin Neumann
Dirk NiebelHans-Joachim Otto
Cornelia PieperGisela PiltzDr. Christiane Ratjen-DamerauDr. Birgit ReinemundDr. Peter RöhlingerDr. Stefan RuppertBjörn SängerMarina SchusterDr. Erik SchweickertWerner SimmlingJudith SkudelnyDr. Hermann Otto SolmsJoachim SpatzDr. Max StadlerTorsten StaffeldtDr. Rainer StinnerStephan ThomaeFlorian ToncarSerkan TörenJohannes Vogel
DDDDHNSInRHDDKSBDULGKWBEMPMEGSInSDPKEGDSMMIrGUAKMMWHBKMHRDGGPDCJoOJoUr. Daniel Volkr. Guido Westerweller. Claudia Wintersteinr. Volker Wissingartfrid Wolff
einPDgrid Arndt-Brauerainer Arnoldeinz-Joachim Barchmannoris Barnettr. Hans-Peter Bartelslaus Barthelören Bartolärbel Basirk Beckerwe Beckmeyerothar Binding
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delgard Bulmahnarco Bülowetra Croneartin Dörmannlvira Drobinski-Weißarrelt Duinebastian Edathygo Egloffiegmund Ehrmannr. h. c. Gernot Erleretra Ernstbergerarin Evers-Meyerlke Fernerabriele Fograscherr. Edgar Frankeigmar Gabrielichael Gerdesartin Gersteris Gleickeünter Gloserlrike Gottschalckngelika Graf
erstin Grieseichael Groschekichael Großolfgang Gunkelans-Joachim Hackerettina Hagedornlaus Hagemannichael Hartmann
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olf Hempelmannr. Barbara Hendricksustav Herzogabriele Hiller-Ohmetra Hinz
r. Eva Höglhristel Hummesip Juratovicliver Kaczmarekhannes Kahrslrich KelberLHDDFAUCCDSBKCKHPUDFDDMTHAHJoJoDFDMSGDSRDKABMWUSCSEFDRSRSPDCKDFWRUDAHars Klingbeilans-Ulrich Kloser. Bärbel Kofleraniela Kolbe
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r. Karl Lauterbachteffen-Claudio Lemmeurkhard Lischkairsten Lühmannaren Marksatja Mastilde Mattheisetra Merkel
llrich Meßmerr. Matthias Mierschranz Münteferingr. Rolf Mützenichietmar Nietananfred Ninkhomas Oppermannolger Ortelydan Özoğuzeinz Paulahannes Pflugachim Poßr. Wilhelm Priesmeierlorian Pronoldr. Sascha Raabeechthild Rawerttefan Rebmannerold Reichenbachr. Carola Reimannönke Rixené Röspelr. Ernst Dieter Rossmannarin Roth
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wald Schurerrank Schwaber. Martin Schwanholzolf Schwanitztefan Schwartzeita Schwarzelühr-Sutteronja Steffeneer Steinbrückr. Frank-Walter Steinmeierhristoph Strässererstin Tackr. h. c. Wolfgang Thierseranz Thönnesolfgang Tiefenseeüdiger Veitte Vogtr. Marlies Volkmerndrea Wickleineidemarie Wieczorek-ZeulDUDMBDJaADHKMHSCEDRSDHWDKWNDDHDDAUDHJaJuKCSRMUDTUDCKNWTPJeRYInPDKRKSADFD
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16951
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litik.päisch eingebettet denkbar seinden wir unsere Verantwortung fpäischen Währung entsprecheanderes ist für die liberale Parte
ichte schuldig, vor allemr Zukunft, die nur euro- ist sicherlich der Um-ier möchte ich gleich ein-is – um es höflich auszu-dem Missverständnis imeutsche Außenpolitik seiil ist der Fall.eten der FDP)reggHsPnAswruKDie deutsche Außenpolitik isn, bezogen auf das deutsch-poroßen Schritt weitergekommenemeinsame Vorgehen von Herrn Sikorski gegenüber Russagen, dass die Bemühungenieper zur Verbesserung des deuisses nur in den höchsten Töne
iel erreicht. Wir könnenche Verhältnis so gut istllen wir mit Freude fest.aben diese Bundesregie-ußenminister ein neuesdoner Konferenz im Ja-Selbstverständlich kann deutsche Außenpolitik nur euro-Kathrin VoglerSahra WagenknechtHalina WawzyniakHarald WeinbergJörn WunderlichSabine ZimmermannBÜNDNIS 90/DIEGRÜNENKerstin AndreaeMarieluise Beck
Volker Beck
Cornelia BehmBirgitt BenderViola von Cramon-TaubadelEkin DeligözKatja DörnerHarald EbnerHans-Josef FellDr. Thomas GambkeKai GehringKatrin Göring-EckardtBritta HaßelmannBettina HerlitziusPriska Hinz
Dr. Anton HofreiterBärbel HöhnIngrid HönlingerThilo HoppeUwe KekeritzKatja KeulMemet KilicSven-Christian KindlerMaria Klein-SchmeinkUte KoczyTom KoenigsOliver KrischerAFSRMMDNAJeKBInDOFDLBIn der Debatte zum Einzelplan 05 – Auswärtiges Amt –hat nun der Kollege Dr. Rainer Stinner für die FDP-Frak-tion das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Auch außenpolitisch stellt die Euro-Schuldenkrise si-cherlich die größte Herausforderung dar, der wir uns ge-genwärtig gegenübersehen. Wenn ein kanadischer Kol-lege zu mir sagt, er habe sich den Wecker gestellt, ummitzubekommen, wie der Deutsche Bundestag zur EFSFabstimmt, wenn uns chinesische Finanzpolitiker sagen,dass Deutschland der Anker ist, an dem das Weltfinanz-system hängt, dann erkennen wir die außenpolitische Di-mension dieser Debatte.Deshalb ist es ganz wichtig, dass ich für meine Frak-tion eingangs feststelle: Selbstverständlich liegt die Zu-kunft Deutschlands nur in Europa.
Vtelöü–fadLTgwismtee
Aber selbstverständlich. Fahren Sie doch nach Kairo,hren Sie nach Tunis, dann werden Sie sehen, dass manort auf Deutschland schaut. – Nicht ohne Grund ist inibyen gefordert worden, dass Deutschland vom erstenage an ein wichtiges Mitglied der Libyen-Kontakt-ruppe bleibt. Daher geht der Anwurf der Opposition,ir seien hier isoliert, völlig ins Leere.
Ein weiteres Markenzeichen deutscher Außenpolitikt die zunehmende Zahl von bilateralen Kooperationenit China, Russland, Palästina oder Israel. Eine solch in-nsive Kooperation hat es vorher nie gegeben. Das istine neue Qualität deutscher Außen- und Sicherheitspo-
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16952 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Dr. Rainer Stinner
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nuar 2010 hat erstmals – zu spät, aber immerhin – er-möglicht, dass wir in der NATO ein gemeinsames Ver-ständnis und eine gemeinsame Strategie für dasAfghanistan-Problem entwickelt haben.Der Bundesaußenminister hat zu Beginn dieses Jahreszwei Ankündigungen gemacht: zum einen, dass derÜbergang der Verantwortung zur Mitte dieses Jahres be-ginnen sollte, und zum anderen, dass zum Ende des Jah-res 2011 mit einer verantwortbaren Reduzierung derdeutschen Soldaten in Afghanistan begonnen wird.Beide Versprechen werden eingehalten. Bei dem Man-dat, das wir im Dezember erstmals beraten werden, istdie Obergrenze, wie Ihnen mitgeteilt worden ist, deutlichreduziert worden.Die Afghanistan-Konferenz in Bonn ist ein weiteresZeichen dafür, welche Rolle Deutschland internationalbei der Problemlösung spielt. Wir können stolz daraufsein, dass die ganze Welt nach Deutschland bzw. nachBonn kommt, um an diesem schwierigen Problem wei-terzuarbeiten.
Damit befinden wir uns an einem wesentlichen Kern-punkt deutscher Außenpolitik, nämlich dem Einsatz derBundeswehr. Wir sind dafür. Wir wissen, dass es wich-tig, notwendig und verantwortungsvoll ist, deutsche Sol-daten einzusetzen. Das tun wir in Afghanistan, im Ko-sovo, in Bosnien-Herzegowina, vor Libanon und amHorn von Afrika. Aber wir alle wissen, dass endgültigeLösungen natürlich nur auf politischem Wege erreichbarsind. Es ist ein Kernpunkt deutscher Außenpolitik, dasswir diesen Ansatz weiterentwickelt haben. Nicht um-sonst haben wir in dieser Legislaturperiode erstmalseinen Unterausschuss „Zivile Krisenprävention und ver-netzte Sicherheit“ eingerichtet. Das entspricht der Denk-richtung der Bundesregierung.Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Ab-schluss sagen: Natürlich haben wir bei der Gemein-samen Außen- und Sicherheitspolitik der EuropäischenUnion noch ein dickes Brett zu bohren; das stimmt ohnejeden Zweifel. Es ist aber auch ohne jeden Zweifel rich-tig – damit komme ich zu dem zurück, was ich eingangsgesagt habe –: Ohne Europa wird Deutschland in Zu-kunft nicht bestehen können. Wir müssen uns entschei-den, ob wir und unsere nachfolgenden Generationen inZukunft als Einzelstaat Objekt weltpolitischer Entschei-dungen sein wollen oder ob wir im Rahmen europäischerSolidarität, eines europäischen Verbundes, weiter Sub-jekt dieser Entscheidungen sind,
das heißt, ob wir weiter an den weltpolitischen Entschei-dungen teilnehmen wollen. Wir wollen Letzteres. Daswill auch die Bundesregierung. Dabei unterstützen wirsie.Vielen Dank.FHaueteMPaehmu9tete2suhsjemtuluenbtiwleBhM1taFriPddseMsah
Das Wort hat der Kollege Michael Leutert für die
raktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!err Minister, von meiner Seite recht herzlichen Dankn Sie und an die Berichterstatter für die Informationennd die fairen Verhandlungen. Ich möchte am Anfangin Lob aussprechen: Es gibt jedes Jahr zu jedem Minis-rium eine Bemerkung des Bundesrechnungshofes. Ihrinisterium sticht durchaus positiv hervor: Wenn esrobleme gibt, werden sie schnell beseitigt.Ich muss Ihnen allerdings sagen: Das war es dannuch schon mit Lob. Denn wenn man sich die Zahleninmal anschaut, muss man feststellen: In Ihrem Bereicherrschen einigermaßen chaotische Zustände. Ichöchte das gerne darstellen. Es gibt bei Ihnen ein Aufnd Ab: Im letzten Jahr sind die Mittel des AA um0 Millionen Euro gekürzt worden, 2012 gehen die Mit-l wieder um 203 Millionen Euro nach oben, in der mit-lfristigen Finanzplanung sehen wir, dass es wieder um08 Millionen Euro nach unten gehen soll. Das zeigtich natürlich auch bei den einzelnen Haushaltstiteln, diens sehr wichtig sind, zum Beispiel bei den Mitteln fürumanitäre Hilfe und Krisenprävention: Letztes Jahrind die Mittel um 96 Millionen Euro gekürzt worden,tzt steigen sie um 82 Millionen Euro an. Bezüglich derittelfristigen Finanzplanung haben wir eine Vermu-ng; ich komme gleich darauf zurück.Ich möchte zunächst einmal auf eine neue Entwick-ng eingehen. Am 17. Oktober hatten wir unser Bericht-rstattergespräch. Am 8. November hatten wir die Berei-igungssitzung. Zwei Tage später, am 10. November,ekamen wir ein Papier auf den Tisch: eine Koopera-onsvereinbarung zwischen dem BMZ und dem Aus-ärtigen Amt. Nun weiß ich nicht, was Ihr Ziel ist; viel-icht sind es die ersten Schritte zur Auflösung desMZ, die Sie einmal angekündigt hatten. Fest steht: Sieaben in diesem Papier auch angekündigt, dass von denitteln für die zivile Krisenprävention wiederum5 Millionen Euro weggenommen werden sollen. Dauchen bei mir natürlich einige Fragen auf. Die ersterage ist: Warum führen wir dann überhaupt noch Be-chterstattergespräche? Die zweite Frage ist: Welcherojekte sollen denn überhaupt zum BMZ überführt wer-en? Wir hatten seinerzeit eigentlich einen Aufwuchser Mittel im Haushalt für diesen Bereich geplant. Datellt sich für mich die dritte Frage: War das eigentlichine Irreführung von uns Haushältern? Die Kürzung derittel für die Projekte, die zum BMZ überführt werdenollen, war nämlich schon eingeplant.Es sieht aber nicht nur im Haushalt so aus, sondernuch bei einigen Programmen. Ich möchte hier beispiel-aft das Aussteigerprogramm für die Taliban nennen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16953
Michael Leutert
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Vor knapp zwei Jahren, letztes Jahr im Januar, wurdehier groß angekündigt: Es gibt einen Kurswechsel; wirhaben sozusagen ein Wundermittel für Afghanistan ge-funden; 50 Millionen Euro sollen für das sogenannte Ta-liban-Aussteigerprogramm bereitgestellt werden. – Jetzt,nach zwei Jahren, ist es so: Wir haben nicht wirklich ge-naue Erkenntnisse darüber, welche Ergebnisse vorliegen.Wir können so viel sagen: Es gibt ungefähr 30 000 Auf-ständische. Von denen sind angeblich 2 000 integrations-willig. Das Ergebnis ist jetzt, dass in den knapp zweiJahren 170 ehemalige Aufständische in Lohn und Brotgebracht worden sind, im Übrigen im Bereich der Mi-nenräumung. Selbst der ehemalige Innenminister vonAfghanistan hat kürzlich der Welt erklärt, er sehe denFriedensprozess als gescheitert an.Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Linke schlägtvor, etwas mehr Ordnung in diesen Bereich hineinzu-bringen. Ich möchte Ihnen vorschlagen: Schließen Siedoch bitte demnächst eine Kooperationsvereinbarungmit dem Verteidigungsministerium ab. Dabei geht es umFolgendes: Wir schlagen vor – dazu liegen auch Anträgeder Linken vor –, dass der Haushalt des AuswärtigenAusschusses ein klar ziviler Haushalt ist. Alles Militäri-sche hat aus diesem Haushalt zu verschwinden.
Damit meinen wir die über 47 Millionen Euro, die fürden NATO-Zivilhaushalt oder die Erweiterung desNATO-Hauptquartiers vorgesehen sind. Außerdemschlage ich vor, noch einmal in Betracht zu ziehen – dar-über haben wir schon vor zwei Jahren gesprochen –, dieRückerstattungen der UN in Bezug auf Militärauslands-einsätze, die im Verteidigungsetat landen, an das Aus-wärtige Amt zurückzubuchen; denn die Beiträge an dieUN werden ebenfalls aus dem Etat des AuswärtigenAmts gezahlt.Wir schlagen außerdem vor, dass Sie die Kürzungenbeim Titel „Maßnahmen der Abrüstung, Rüstungskont-rolle und Nichtverbreitungszusammenarbeit“ zurück-nehmen. Das ist eine Sache, die uns extrem wichtig ist.Seit Ihrem Amtsantritt wurde dieser Titel von 64 Millio-nen Euro auf 40 Millionen Euro heruntergefahren. Wennwir die derzeitige Situation betrachten, können wir Fol-gendes feststellen: In Libyen tauchen G-36-Gewehre ausdeutscher Produktion auf, die eigentlich für Ägypten be-stimmt waren. Der Spiegel meldete am 13. November:Maschinenpistolen von Heckler & Koch aus deutscherProduktion wurden in Indien an Polizeieinheiten ausge-geben, die in Menschenrechtsverletzungen verstricktsind. – Es werden Leopard-Panzer deutscher Produktionnach Saudi-Arabien geliefert. Mittlerweile ist es so, dassdie ehemalige Kanzlermaschine im Iran herumfliegt,wahrscheinlich mit Ahmadinedschad.Wenn ich diese Entwicklung betrachte, dann muss ichsagen: Wir brauchen diese Gelder in Zukunft für Rüs-tungskontrolle, Nichtverbreitung und Abrüstung.
Wenn Sie diesen Vorschlägen der Linken folgenkönnten, dann könnten wir eventuell diesem HaushaltzPgUlestephfrNgwdeKdw2MruwDruußTricmsdajesgcznbNzdEare
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-gen! Vor einem Jahr waren alle Augen auf die Ge-chichte und den Wandel in Europa gerichtet. Wir feier-n das Jubiläum des Einigungsvertrages, den Zwei-lus-Vier-Vertrag und letztendlich unsere deutsche Ein-eit. Der Europäische Auswärtige Dienst war geradeisch geschaffen und das neue Strategische Konzept derATO verabschiedet worden. Deutschland war mit sehrroßer Unterstützung in den Weltsicherheitsrat gewähltorden. Es hatte zu einer sehr erfolgreichen Konflikt-iplomatie und dank unseres Bundesaußenministers zuiner Entspannung der Lage zwischen Serbien und demosovo beigetragen.Unmittelbar zu der Zeit, als wir über den Haushaltiskutiert haben, ereignete sich südlich Europas etwas,omit wir alle nicht gerechnet hatten. Im Dezember010, beginnend mit der Selbstverbrennung eines jungenannes, entstand im Nahen und Mittleren Osten Un-he. Daraus erwuchs der arabische Frühling, mit demir so nicht gerechnet hatten. Das stellt die Außenpolitikeutschlands vor eine besonders große Herausforde-ng.Schon früh haben gerade die Koalitionsfraktionennd auch die Bundesregierung – an der Spitze unser Au-enminister – deutliche Initiativen ergriffen. Sie sind inunesien, in Ägypten und, wie wir aktuell sehen, in Sy-en tätig geworden, wo wir an führender Stelle versu-hen, dem Unrecht entgegenzutreten und deutlich zuachen, wo unsere wertebezogene Außenpolitik in die-em Zusammenhang steht. Das ist nicht einfach; dennie Erwartungshaltung, die wir gerade in Bezug auf denrabischen Frühling hatten, ist an vielen Stellen schontzt – das kann man zumindest als Zwischenbilanz hiero sagen – enttäuscht worden. Es gab viele naive Haltun-en. Manche Fehleinschätzung gibt es nach wie vor.Wir freuen uns über Demokratisierungsprozesse, ma-hen uns aber gleichzeitig über Radikalisierungstenden-en große Sorgen. Trotzdem darf man nicht alles über ei-en Kamm scheren. Die Menschen in Tunesieneispielsweise haben bewusst eine Entscheidung für al-ahda getroffen. Deshalb lohnt es sich auch, genau hin-uschauen, mit welchen handelnden Personen man esort zu tun hat. Da gibt es Moderate, da gibt es zum Teilxtremisten. Deshalb ist gerade der persönliche Einsatzll derjenigen, die sich in der Region besonders engagie-n, notwendig. Es ist wichtig, sich dort einzubringen,
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16954 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Philipp Mißfelder
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um die jungen und sich herausbildenden Demokratienaufzubauen und dafür zu sorgen, dass das, was wir andemokratischen Werten vertreten, dort Einzug hält. Dasfunktioniert nur, wenn man behilflich ist, eine funktio-nierende Parteiendemokratie und damit eine parlamenta-rische Demokratie aufzubauen. Diesen Beitrag leistetdas Auswärtige Amt in hervorragender Art und Weise.
Wenn wir in die Region insgesamt blicken, stellen wirfest: Wir machen uns an vielen Stellen große Sorgen.Die Schwierigkeiten unseres tagtäglichen Handelns lie-gen darin, dass es eben nicht Schwarz und Weiß gibt.Saudi-Arabien ist vorhin schon angesprochen worden.Ich glaube, keiner von uns hat ein gutes Gefühl dabei,wenn man sich in diesen Regionen bewegt, weil keinersagen kann: Man weiß immer alles zu 100 Prozent, undman hat immer mit all dem recht, was man sagt.Trotzdem sind außenpolitische Entscheidungen häu-fig nicht nur emotionale Entscheidungen, sondern in ers-ter Linie natürlich auch interessengeleitete Entscheidun-gen. Gerade dann, wenn man nicht von einer Schwarz-Weiß-Einteilung sprechen kann, muss man gewisseGrauzonen benennen und auch in Kauf nehmen. So be-findet sich diese Bundesregierung mit unserer parlamen-tarischen Unterstützung auf dem Weg zahlreicher Vor-gängerregierungen, die sich im Übrigen auch mit denRealitäten arrangieren mussten; denn gerade im NahenOsten ist tatsächlich nicht alles so, wie wir es uns wün-schen würden.Im Hinblick auf den Irak wünschen wir uns, dass nachdem Abzug der Amerikaner, der unmittelbar bevorsteht,mehr Frieden und mehr Freiheit Einzug halten. Das giltallerdings nur für einen Teil des Irak. Es gibt eine kleine,engagierte Region, nämlich Nordirak bzw. Kurdistan,die dafür sorgt, dass das, was wir voranbringen wollen,beispielsweise die Religionsfreiheit, eine Chance be-kommt. Das gilt für den größeren Teil des Irak leidernicht.Unser Engagement, das sich vor allem auf die Länderdes arabischen Frühlings konzentriert, gilt der gesamtenRegion. Wir hoffen natürlich, dass der Irak kein zweiterLibanon wird. Wir müssen mit den Möglichkeiten, diewir haben, umgehen. Das Auswärtige Amt und die Ent-wicklungshilfe machen dies. Die sehr erfolgreiche Reisevon Bundesminister Niebel zu Beginn dieses Jahreszeigt, dass wir bereit sind, Verantwortung zu überneh-men und in die Region zu gehen. Mit einem wirtschaft-lichen Austausch können wir teilweise mehr bewirkenals mit Worten, die wir hier zu diesem Thema finden.
Eine der maßgeblichen Leitlinien unserer Nahostpoli-tik – deshalb freue ich mich auch, dass sich die Bundes-regierung in den vergangenen Wochen so engagiert ein-gesetzt hat – ist und bleibt, den Nahost-Friedensprozessvoranzubringen. Da die Erwartungshaltung insbesonderein Israel wesentlich höher geworden ist, als das noch voreinigen Jahren der Fall war – damals haben israelischePolitiker vor allem auf Amerika gesetzt –, wird uns allenegsddräßDzsEIrwnnssstehandtehläbsmwvBdwhssFwdnrasSgsds
as bedeutet, dass es für uns zu keinem Zeitpunkt ak-eptabel ist, dass sich das Mächtegewicht weiter ver-chiebt.
s ist auch nicht akzeptabel, dass es ein Land wie deran unter dem Deckmantel eines zivilen Programmsagt – wie wir heute durch die Berichte der Internatio-alen Atomenergie-Organisation wissen –, eine hegemo-iale Stellung einzunehmen, und zwar mit der strategi-chen Möglichkeit des Einsatzes von Atomwaffen. Wiragen ganz klar Nein zu einer atomaren Aufrüstung die-er Region. Es sollten alle diplomatischen Möglichkei-n ausgeschöpft werden. Dazu gehören auch weiter ge-ende Sanktionen, um den Iran von diesem Wegbzubringen.
Hier ist Deutschland besonders gefragt, und zwaricht in erster Linie als Vermittler, sondern als ein Land,as vorangeht und deutlich macht – trotz zahlreicher gu-r Erfahrungen im bilateralen Handel mit dem Iran; erat über Jahre stattgefunden –, dass hier politisch schonngst eine rote Linie überschritten worden ist. Deshalbegrüße ich es ausdrücklich, dass der amerikanische Prä-ident, der französische Präsident und der britische Pre-ierminister härtere Sanktionen auf den Weg bringenollen, um deutlich zu machen, dass der Iran uns schoniel zu lange an der Nase herumführt. Ich glaube, dieundesregierung ist auf dem richtigen Weg, wenn sieiese Bemühungen unserer Verbündeten unterstützt.
Wir blicken voller Sorge in einige Regionen. Bleibenir einen kurzen Moment bei den Veränderungen im Na-en Osten und den Umwandlungsprozessen in der arabi-chen Welt. Wir wollen, dass die universellen Men-chenrechte wie Freiheit für alle Menschen gelten. Dierauenrechte kommen teilweise zu kurz. Diesbezüglicharen die Hoffnungen weitaus größer. Die Realisierungieser Rechte in dieser Region bleibt hinter den Hoff-ungen zurück. Ferner möchte ich ansprechen, dass ge-de die Fraktion der Christdemokraten und der Christ-ozialen voller Solidarität und voller Mitgefühl an dereite der verfolgten Christen in dieser Region steht. Mitroßer Sorge blicken wir – vor allem unser Fraktionsvor-itzender engagiert sich in dieser Frage sehr stark – aufie Situation der Christen in der Region, sei es im Irak,ei es in Ägypten. Wir beobachten die Situation der
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16955
Philipp Mißfelder
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christlichen Minderheit dort mit großer Sorge. Zu De-mokratie und Freiheit gehört für uns eben auch Religi-onsfreiheit. Das will ich hier deutlich zum Ausdruckbringen.
Unsere Außenpolitik ist in erster Linie wertegebun-den. Natürlich steht sie immer in einem Spannungsver-hältnis zu einer interessengeleiteten Außenpolitik, geradeim Falle einer wichtigen Exportnation, die Deutschlandnun einmal ist.
– Zu den Panzern sage ich gerne noch etwas. Wir habenhier ja schon mehrmals darüber diskutiert. Sie persönlichtragen für frühere Entscheidungen zwar nicht die Verant-wortung, aber ich weise Sie trotzdem noch einmal daraufhin, dass sich auch andere Regierungen in einem schwie-rigen Spannungsverhältnis befanden und schwierige Ab-wägungsentscheidungen zu treffen hatten. Ich denke,dass die strategischen Argumente, die wir hier mehrmalsangeführt haben, am Ende überwiegen. Natürlich bewegtman sich in einer Grauzone, wenngleich klar ist, dass dasVerfahren genauso transparent, genauso demokratischund genauso abgewogen durchgeführt wurde wie bei al-len anderen schwierigen Waffenexporten der Vergangen-heit. Der Unterschied ist nur, dass wir weniger Waffenexportieren, als die Herren und die Damen von der Grü-nen-Fraktion es früher getan haben.Zum Abschluss möchte ich an ein vergessenes Themaerinnern, an Weißrussland. Wir engagieren uns – das istganz klar – auch für die in weißrussischen Gefängnissenverbliebenen Gefangenen, die vom letzten Diktator inEuropa unterdrückt werden.
Diesbezüglich sollten wir als Deutscher Bundestag weit-aus mehr tun und uns viel stärker engagieren.Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.
Das Wort hat der Kollege Kindler für die FraktionBündnis 90/Die Grünen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Inden letzten Jahren hat diese schwarz-gelbe Koalition imBereich des Haushalts des Auswärtigen Amtes geradebei der Menschlichkeit gekürzt,
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Wenn wir den Blick nach Nordafrika und den Nahensten werfen, so wissen wir, dass Außenpolitik nachhal-g sein muss. Die Menschen aus verschiedenen arabi-chen Ländern sind für Demokratie, für Rechtsstaatlich-eit auf die Straße gegangen. Diese verdienen unserenespekt, unsere Solidarität, aber auch unsere finanziellenterstützung. Denn wir wissen, dass das Ende eineriktatur oder Gewaltherrschaft nicht bedeutet, dass esofort Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt. Deswe-en ist es wichtig, dass Transformationsgelder in diesemaushalt bereitgestellt werden. Das große Problem istur – daran zeigt sich die mangelnde Nachhaltigkeit Ih-r Politik –: Es ist nicht richtig finanziert. Die ODA-ittel sind nicht in die Finanzplanung eingestellt. Weilemokratischer Aufbau Zeit braucht, müssen Sie sichafür einsetzen, Herr Westerwelle, dass die Gelder lang-istig und nachhaltig finanziert werden.
Überhaupt nicht nachhaltig und verlässlich für dieemokratisierung der arabischen Welt ist, wenn Sie alsegierung Diktaturen, in denen Menschenrechte undemokratie mit Füßen getreten werden, und Gewaltherr-cher unterstützen. Einerseits Reden für mehr Demokra-e halten, andererseits 200 Kampfpanzer nach Saudi-rabien liefern wollen, das ist keine Grauzone, Herr
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Sven-Christian Kindler
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Mißfelder, sondern eine schizophrene und zynische Au-ßenpolitik.
Ins Bild passt auch, dass Ihre Haushälter, Herr Wester-welle, alle Gelder für die UNESCO in der Bereinigungs-sitzung sperren wollten. Die Arbeit der UNESCO in vie-len Krisenregionen der Welt hätte Schaden genommen.Aber dies hätte auch dem Multilateralismus insgesamtschweren Schaden zugefügt. Deswegen war es sehr gut,dass auf massiven Druck von uns diese Sperrung verhin-dert wurde.
Diese peinliche Geschichte zeigt wieder einmal erschre-ckenderweise, wie inkompetent und unzuverlässig dieschwarz-gelbe Außenpolitik ist.Zur Kompetenz der Außenpolitik. Mit dem Staatsmi-nister Hoyer verlässt jetzt ein erfahrener Außenpolitikerdiese Regierung. Man muss sich fragen: Welches Gewichthat die deutsche Außenpolitik bald in der Welt? Dazu mussman sich einmal vergegenwärtigen, wer die neue Spitzedes Auswärtigen Amtes ist: Herr Westerwelle, Frau Pie-per, Frau Homburger. Daran kann man klar sehen, welcheRolle Deutschland zukünftig außenpolitisch in der Weltspielen wird.Wir haben gerade in der Debatte zum Bundeskanzler-amt gehört, welche Relevanz die Energiewende für un-sere Gesellschaft hat. Das ist eine ganz wichtige Frage.Nach dem nuklearen Super-GAU in Fukushima sindhunderttausend Menschen hier auf die Straße gegangen,haben den Atomausstieg erzwungen und dafür gesorgt,dass alte Schrottreaktoren abgeschaltet wurden und dieLaufzeitverlängerung zurückgenommen wurde. Dochwas macht diese Regierung international? Diese Regie-rung will international weiter neue Atomkraftwerkebauen.Der interministerielle Ausschuss, in dem Sie Mitgliedsind, Herr Westerwelle, hat erst im September die Grund-satzzusage für die Hermesbürgschaft für das AKW Angra 3verlängert, obwohl wir längst wissen, dass es für Angra 3kein Sicherheitskonzept, kein Evakuierungskonzept gibt,es in einem erdbeben- und erdrutschgefährdeten Gebieterrichtet werden soll, es keine unabhängige Atomaufsichtin Brasilien gibt und inzwischen die Menschen in Brasi-lien in Umfragen nach Fukushima gegen den Bau vonAngra 3 sind. Deswegen fordere ich Sie auf, Herr Wester-welle: Sorgen Sie im interministeriellen Ausschuss dafür,dass die Hermesbürgschaft nicht gegeben wird. Ihre Au-ßenpolitik ist schon schizophren und unzuverlässig ge-nug. Machen Sie das nicht noch schlimmer, sondern sor-gen Sie dafür, dass dieser Hochrisikomeiler Angra 3endgültig beerdigt wird.
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Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Wenn wir eine Debatte über den Haushalt desuswärtigen Amts führen, so ist klar, dass diese Debatteehr sein muss als das einfache Vortragen des reinenahlenwerkes. Daher ist es wichtig, dass wir bei einerolchen Debatte auch die wichtigsten außenpolitischenreignisse des Jahres betrachten und daraus Schlussfol-erungen für die deutsche Außenpolitik ziehen.Das für mich nach wie vor unglaublichste außenpoli-sche Ereignis des Jahres bis zu diesem Zeitpunkt ist derufstand in der arabischen Welt. Dieses Ereignis und dieamit verbundene politische Entwicklung wird nicht nurordafrika, nicht nur die arabischen Länder, sondern dieesamte Welt nachhaltig beeinflussen.Der Aufstand in der arabischen Welt ist daher eineerausforderung für die deutsche und die europäischeußenpolitik. Auf diese Herausforderung muss eineluge europäische Außenpolitik vorbereitet sein. Ich binankbar, dass die deutsche Außenpolitik auf diese Her-usforderung vorbereitet ist. Ich bin auch dankbar, dassie deutsche Entwicklungspolitik auf diese Herausforde-ng bestens vorbereitet ist.
Ich bin dankbar und sehr zufrieden, dass für 2012 zu-ätzlich Mittel für Maßnahmen der Demokratieförderung diesen Regionen bereitgestellt wurden. Es werden neueittel in Höhe von 50 Millionen Euro für die Transfor-ationsländer zur Verfügung gestellt. Dabei werdenichtige Projekte, angefangen bei guter Regierungsfüh-ng, Institutionenberatung und Korruptionsbekämpfungis hin zu Wirtschafts- und Beschäftigungsförderung, un-rstützt. Das ist sehr gut und auch notwendig.Genauso notwendig ist es nach wie vor, sich intensivnd aufmerksam mit Afghanistan zu beschäftigen. Auchehn Jahre nach Einsatzbeginn ist die zukünftige Ent-icklung dieses Landes trotz der vielfältigen Bemühun-en der internationalen Gemeinschaft schwer vorherzu-ehen. Afghanistan ist und bleibt ein schwieriges Thema.esonders der Abzug der deutschen Truppen, der baldnsteht, wird das Land vor eine große Herausforderungtellen. Auch hier bin ich sehr dankbar, dass das finanzi-lle Engagement für Afghanistan in 2012 auf dem bishe-gen hohen Niveau fortgesetzt wird. Wir wollen undönnen nicht ewig in Afghanistan bleiben. Wir wollennd können Afghanistan aber weiterhin zur Seite stehen.
Vor diesem Hintergrund sind der gewählte Ansatz undie damit verbundenen Projekte der Bundesregierungöllig richtig. Wir sind nicht nur Gastgeber einer Konfe-
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Dr. Bijan Djir-Sarai
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renz, sondern wir haben eine Führungsrolle bei der Ge-staltung der Zukunft Afghanistans. Deutschland wirdden politischen Prozess der Aussöhnung und Reintegra-tion nicht nur begleiten, sondern auch unterstützen.Unterstützenswert finde ich es aber auch – ich kommezu einem anderen Bereich –, dass bei den Mitteln fürauswärtige Kultur- und Bildungspolitik nicht gespartwird. Im Haushalt 2012 werden wir den größten Postenfür auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in der Ge-schichte des Auswärtigen Amtes haben.
Das ist – Kollege Brandner, das haben Sie gerade bestä-tigt – eine wesentliche Säule der deutschen Außenpoli-tik. Das Auswärtige Amt hält an der Maxime fest: keineMittelkürzungen bei Bildung und Forschung. Dabeikonnten die Ansätze für Stipendien, Wissenschaftsbezie-hungen und die deutsche Sprache auf dem hohen Niveauder Vorjahre gehalten werden. Das ist, wie ich finde, einrichtiger Ansatz.
Lassen Sie mich eine abschließende Bemerkung zumHaushalt machen. Das Auswärtige Amt trägt, wie auchdie anderen Ressorts, zur Konsolidierung des Bundes-haushaltes bei. Das Auswärtige Amt nimmt seine origi-nären Aufgaben erfolgreich wahr und trägt gleichzeitigsolidarisch zur Erreichung der Kriterien der Schulden-bremse bei. Das ist gut und muss bei solchen Debattenebenfalls lobend erwähnt werden.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Edelgard Bulmahn für die
SPD-Fraktion.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! In einer Haushaltsdebattegeht es in erster Linie um Zahlen – scheinbar. In Wirk-lichkeit geht es um politische Zielsetzungen, es geht umpolitische Strategien – in diesem Fall um außenpoliti-sche Strategien –, und es geht um Schwerpunktsetzun-gen. Deshalb freue ich mich, Herr Bundesminister, dassSie jetzt doch in dieser Debatte reden werden, obwohldies ursprünglich offensichtlich nicht geplant war. AlsParlament erwarten wir, dass Sie Ihre politischen Ziel-setzungen und Strategien darlegen. Das ist das guteRecht des Parlaments.
Wenn ich auf die Zahlen schaue, kann ich sagen, dasssie auf den ersten Blick erfreulich sind. Das Budget desAuswärtigen Amtes wächst um 6 Prozent. Gerade imBereich der zivilen Krisenprävention und der auswärti-gen Kulturpolitik gibt es Aufwüchse; das haben meineKgatesüsszD8snlapdwEDfretiusSBnIcBtämnsUuaeumsWDgud
in kurzfristiges Auf und Ab hilft leider niemandem.eshalb sage ich ausdrücklich: Notwendig ist eine lang-istige Aufstockung dieser Haushaltstitel.Was die jetzige Regierungskoalition betrieben hat, istine Schadensbegrenzung. Die Nichtregierungsorganisa-onen, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlernd, wie ich denke, nicht zuletzt auch die Oppositionind gegen die Haushaltskürzungen in diesem Jahrturm gelaufen. Die Proteste sind scheinbar auch bei derundesregierung angekommen. Das ist gut. Aber: Bitteicht nur für ein Jahr, sondern auf Dauer!
h finde, Sie müssten hier Mut haben und gerade in denereichen der zivilen Krisenprävention und der humani-ren Hilfe die Akzente richtig setzen und die Haushalts-ittel auf Dauer, auch in der mittelfristigen Finanzpla-ung, aufstocken.Ich will als weiteren Punkt ausdrücklich den arabi-chen Frühling nennen, weil der arabische Frühling, diembrüche in Nordafrika und die Rufe nach Demokratiend Menschenrechten im Nahen Osten für uns alle – überlle Fraktionen hinweg – ein ganz wichtiges und auch einrmutigendes Signal darstellen.Ich will aber auch sagen, dass die Nachrichten, diens aus Syrien oder aktuell aus Kairo erreichen, deutlichachen, dass der Wunsch nach Demokratie und politi-cher Selbstbestimmung in diesen Ländern auf massiveniderstand stößt. Menschen werden verfolgt und getötet.eshalb ist es umso wichtiger, dass die Demokratiebewe-ung, diejenigen, die wirklich für mehr Selbstbestimmungnd Demokratie eintreten, eine starke Unterstützung auser Bundesrepublik Deutschland erhalten
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Edelgard Bulmahn
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und dass sie diese Unterstützung – wiederum – nicht nurkurzfristig erhalten.Ein solcher Transformationsprozess ist nicht in zweiJahren abgeschlossen; er dauert länger. Deshalb mussauch hier die Hilfe langfristig geleistet werden, und siemuss schwerpunktmäßig gegeben werden; denn sonsthat Außenpolitik keinen Erfolg. Eine außenpolitischeStrategie hat nur dann Erfolg, wenn sie langfristig ver-folgt wird, wenn auch die langen Linien stimmen undwenn die Schwerpunkte richtig gesetzt sind.
Nur dann können wir – und das müssen wir auch – un-sere Beiträge leisten: zum wirtschaftlichen Aufbau, zumAufbau demokratischer Strukturen, zum Aufbau vonJustiz, Polizei und Verwaltung in diesen Ländern, umnur einige Beispiele zu nennen. Dazu braucht es zweifel-sohne eine finanzielle Grundlage, aber eben auch denpolitischen Gestaltungswillen und eine politische Kon-zeption.Das, meine sehr geehrten Herren und Damen, gilt imÜbrigen auch für Afghanistan. Es reicht eben nicht, nurfinanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Notwendigist auch das politische Konzept. Da stelle ich schon dieFrage – auch an Sie, Herr Bundesminister –: Wo ist daspolitische Konzept für die Afghanistan-Konferenz, dieschon in zwei Wochen in Bonn stattfinden wird?
Wir haben im Auswärtigen Ausschuss noch nicht eineinziges Wort dazu gehört. Wir haben auch im Bundes-tag dazu noch keine Aussagen gehört. Wenn man zweiWochen vorher nicht weiß, wohin man will, dann habeich große Sorge, ob diese Konferenz zu dem Erfolg füh-ren wird, den wir alle wollen. Wir alle wollen einen Er-folg dieser Konferenz, weil wir wissen, dass dies für dieEntwicklung in Afghanistan von immenser Bedeutungist.Aber dazu gehört auch, dass der Bundesaußenminis-ter und die Regierung wissen, was sie erreichen wollen,und durch Verhandlungen den Weg dazu bereiten, sodasssie dann auch praktisch prüfen können: Haben wir ei-gentlich das erreicht, was wir uns vorgenommen haben?Bisher müssen wir hier ein großes Fragezeichen setzen;denn wir zumindest wissen davon nichts. Es kann jasein, dass Sie das mit Ihren Mitarbeitern erörtert haben.Aber ich denke, zum politischen Prozess gehört auch,dass man Verbündete und Mitstreiterinnen und Mitstrei-ter hat. Nur dann kann man einen politischen Erfolg er-zielen.
Sie, Herr Westerwelle, haben immer – ich finde: zuRecht – darauf hingewiesen, dass man mit militärischenMitteln keine Konflikte lösen kann, sondern dass man da-für Politik und zivile Mittel braucht. Wir, die SPD-Frak-tion, haben schon vor etwa einem Jahr Vorschläge für dieWeiterentwicklung einer an zivilen Mitteln orientiertenAEskIcggmsagsSsJKdtevUHrefoDlugghHdJBVuw
Das Wort hat die Kollegin Erika Steinbach für die
nionsfraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen underren! Frau Kollegin Bulmahn, Sie irren. Die Bundes-gierung macht eine kontinuierlich menschenrechtskon-rme Politik – auch hinsichtlich der Krisenprävention.
iese Bundesregierung hat noch keinen Präsidenten zumpenreinen Demokraten erklärt, der ein solcher niemalsewesen ist. Das muss ich auch einmal deutlich hinzufü-en.
Außenpolitik ist auch Menschenrechtspolitik. Das isteute in allen Redebeiträgen zu erkennen gewesen. Dieerausforderungen, denen sich Deutschland im Bereicher Menschenrechte gegenübersieht, sind in den letztenahren nicht kleiner geworden. Im Gegenteil: In vielenereichen prallen religiöse, ethnische oder ideologischeorstellungen nach wie vor sehr aggressiv aufeinander,nd es gibt im Bereich der Menschenrechte leider auch,ie am Beispiel von Russland zu erkennen ist, dramati-
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Erika Steinbach
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sche Rückentwicklungen – dort, wo man es nicht vermu-ten sollte und wo man sich anderes erhofft hätte.Die Einhaltung von Menschenrechten ist ethischesFundament für die demokratische, für die kulturelle undsogar auch für die wirtschaftliche Entwicklung eines je-den Landes. Dafür engagieren wir uns hier im DeutschenBundestag, und dafür engagiert sich die deutsche Au-ßenpolitik dieser Regierung kontinuierlich – von Anbe-ginn an.Wir leben in sehr turbulenten Zeiten. Der gesamteNahe Osten ist im Umbruch. Die Hoffnungen der Men-schen, die dort leben, sind gewachsen. Durch die tunesi-sche Revolution wurde der arabische Stein ins Rollengebracht. Volksbewegungen in Ägypten, Libyen undBahrain folgten und gaben den Anstoß für den politi-schen Wandel in diesen Ländern, allerdings – auch dasist heute in den Beiträgen schon deutlich geworden – mitnoch offenem Ausgang.Bei aller Euphorie ist auch Skepsis durchaus ange-bracht:So hat der Übergangsrat in Libyen nach dem TodeGaddafis angekündigt, die zukünftige Verfassung an derScharia ausrichten zu wollen. Was das bedeutet, weiß je-der, der sich damit beschäftigt.In Tunesien wurde im vergangenen Monat gewählt,und die islamistische Ennahdha-Partei ist jetzt mit gro-ßem Vorsprung stärkste Kraft im Parlament geworden.Die Ennahdha-Partei spricht von Freiheit und Demokra-tie. Wir hoffen sehr, dass dies auch umgesetzt wird.Gleichzeitig fordert sie aber die Einhaltung einer stren-gen religiösen Linie, und es gibt vor diesem HintergrundÜbergriffe von Salafisten auf Kinos und Fernsehstatio-nen, die Filme von Regisseurinnen ins Programm aufge-nommen haben. Die Möglichkeiten der Frauen sind alsodeutlich eingeschränkt. Welche Rechte werden dieFrauen und die anderen Menschen, die nach ihren Über-zeugungen in diesem Land leben wollen, dort denn zu-künftig haben? All das ist völlig offen.In Ägypten werden in der kommenden Woche die ers-ten freien Parlamentswahlen seit sehr, sehr langer Zeit be-ginnen. Das ist hocherfreulich, aber auch in Ägypten – daskönnen wir nun Abend für Abend, Tag für Tag beobach-ten – wollen islamistische Kräfte, die sich derzeit im Hin-tergrund halten, die Wahlen gewinnen, und sie machenmobil. Überschattet werden die Vorbereitungen der Wah-len zudem durch Unruhen und Repressionen durch dasMilitär, durch den Geheimdienst und durch die Polizei.Anfang November titelte Zeit Online wörtlich: „FürKopten gibt es keinen Arabischen Frühling“. Weiterschrieb sie:Die Christen sind die Verlierer der Revolution: Siewerden verfolgt und getötet.Es gab am 9. Oktober ein Massaker in Kairo. Im An-schluss an diese grausame Tat wurde – das ist gut – dasneue Antidiskriminierungsgesetz auf den Weg gebracht,mit dem Benachteiligungen aufgrund religiöser Zugehö-rigagsdAddSDimzfowEmvÜdtegAbvtesbtiisregDkfedicswajeDdW
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Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mich nicht nur fürdie konstruktive Debatte, wie sie bislang stattgefundenhat, sehr herzlich zu bedanken, sondern ausdrücklichauch allen Berichterstattern meinen Dank auszuspre-chen. Ich glaube, dass die Zusammenarbeit mit den Be-richterstattern und dem Haushaltsausschuss sachorien-tiert gewesen ist und dass die aufgeworfenen Fragen, diewir gestern, Herr Kollege Brandner, mit den Berichter-stattern erörtert haben, beantwortet werden können.Über die zeitliche Abfolge habe ich Ihnen gestern dasNotwendige gesagt.In der Sache will ich die Frage beantworten, die Sieals Vertreter der Haushälter der größten Oppositionsfrak-tion hier im Hohen Hause angesprochen haben: Warumlegen wir die Strukturen der humanitären Hilfe zusam-men? Warum ist das unsere politische Absicht? Warumarbeiten wir daran? Das hat einen ganz einfachen Grund:Es soll die Effizienz unserer Arbeit erhöhen. Es ist nichtlogisch und auch nicht sinnvoll, dass beispielsweise beieiner humanitären Katastrophe das Kochgeschirr überdas Auswärtige Amt angeliefert wird und die Nahrung,die darin gekocht wird, über ein anderes Ministerium be-zogen wird. Wenn solche Strukturen zusammengelegtwerden, bündelt das unsere Kräfte und erhöht die Effizi-enz.
Dieser Gedanke steckt dahinter; es sind keine geheimenAbsichten. Deswegen sage ich das hier noch einmal.Frau Kollegin Bulmahn, Sie haben die Frage gestellt,warum ich nur kurz bzw. am Schluss der Debatte spre-che. Ich will es Ihnen sagen: Bei uns ist es übliches Par-lamentsverständnis, dass die Minister nur auf Wunsch inder zweiten und dritten Beratung sprechen und dass dasParlament Priorität hat.
Bei Ihnen ist das offensichtlich anders. Sie wünschensich etwas anderes. Wir haben – übrigens gerade in derZeit der Opposition – immer großen Wert darauf gelegt,dass die zweite und dritte Beratung die Stunde des Parla-ments ist. Aber wenn Sie es möchten, werde ich selbst-verständlich das Wort ergreifen. Weil wir den Haushaltin der ersten Beratung mit einer ausführlichen Einbrin-gungsrede von mir vorgestellt haben, rege ich aber an,dass Sie, wenn Sie ein Defizit sehen, interfraktionell einestrategische Debatte zur Außenpolitik vereinbaren, diedann auch etwas mehr Redezeit für alle Beteiligten mitsich bringt. In Anbetracht der Umbrüche in der Weltglaube ich: Hohe Zeit wäre es.
Aber das ist Ihre Entscheidung als Abgeordnete desDeutschen Bundestages.Ich möchte zwei sachliche Anmerkungen machen, diemir besonders wichtig sind. Das betrifft zunächst einmaldsBngnpawwsDzAmktiataatiBdeesintitiWdlidwHhkwimdinumstaeFugDSd
as ist das Selbstverständnis: zu differenzieren statt nuru dem etwas zu sagen und zu tun, was gerade in denbendnachrichten besonders wichtig ist. Das bewegtich genauso wie Sie.Ein Beispiel: Mit etwas Glück und Konsequenzönnte es sein, dass der Friedensplan des Golfkoopera-onsrates endlich auch durch Präsident Salih für Jemenngenommen wird. Es wäre allerhöchste Zeit, dass dastsächlich geschieht. Zurzeit schaut man nicht dorthin,ber die Menschen im Jemen haben immer noch berech-gte Wünsche und Sehnsüchte. Man hat auch nicht imlick, was evolutionär vorangeht: die Reformen, die inen drei Monarchien Marokko, Jordanien und Omaningeleitet worden sind. Man schaut nicht dorthin, weils keine entsprechenden Bilder gibt. Trotzdem unter-tützt die Bundesregierung den Transformationsprozess den evolutionären Ländern genauso wie in den revolu-onären Ländern. Das ist meiner Meinung nach der rich-ge Ansatz.
enn Sie sich selbst prüfen, dann müssten Sie sich auchahinter versammeln und sagen: Das ist die richtige Po-tik.In Tunesien gibt es doch positive Signale, nämlichass diese Wahlen friedlich stattgefunden haben. Dortird Geschichte geschrieben. Nach Jahrzehnten dererrschaft von Ben Ali ist das, was dort stattgefundenat, Geschichte. Das Ende der Geschichte ist noch nichtlar. Aber es ist ein Anfang gemacht. Deswegen müssenir das konstruktiv unterstützen, aber auch immer undmer wieder hinschauen.Für Ägypten gilt, was ich in Ägypten gesagt habe, aufem Tahrir-Platz und an anderen Orten: Die Revolution Ägypten hängt an einem seidenen Faden. Wir müssennsere ganze Kraft einsetzen, damit aus einem Transfor-ationsprozess ein wirklicher Wandel wird. Die Men-chen in diesen Ländern haben nicht nur gegen alte Dik-toren und autokratische Regime, sondern auch fürtwas demonstriert: für Lebenschancen, Demokratie,reiheit und Pluralität. Dabei müssen sie zu jeder Stundensere Unterstützung haben, egal welcher Partei wir an-ehören. Das ist die Gemeinsamkeit der Demokraten.as ist die werteorientierte Außenpolitik, Frau Kolleginteinbach, die Sie zu Recht angesprochen und eingefor-ert haben.
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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Zu Afghanistan habe ich bereits Regierungserklärun-gen abgegeben. Wir verfolgen den mit Ihnen besproche-nen Weg. Darauf haben Sie sich öffentlich positiv einge-lassen. Warum soll hier Schärfe hineingebracht werden?Ich will eine Schlussbemerkung zu einem aus meinerSicht zentralen Thema machen. Viele Fragen sind wich-tig, auch zum Thema Nahost, aber dazu fehlt mir dieZeit. Ich will abschließend nur noch eine Bemerkungmachen. Wir haben heute Morgen eine lebendige undwichtige Diskussion über das Krisenmanagement in Eur-opa geführt. Ich möchte als Außenminister nur einen Ge-danken hinzufügen: Ich glaube, es reicht nicht, wenn wirdie Menschen in Europa und auch in Deutschland mit-nehmen wollen, dass wir uns ausschließlich über dasKrisenmanagement austauschen, sondern es ist ebensonotwendig, dass wir alle gemeinsam eine europäischeGeschichte schreiben und erkennen, dass es hier inWahrheit nicht nur um die europäische Frage geht, son-dern auch um die deutsche Frage. Es geht darum, obDeutschland unbeirrt Teil der europäischen und interna-tionalen Gemeinschaft sein will, und ich glaube, wirsollten uns nicht nur mit der Lösung der Krise auseinan-dersetzen und kontrovers darüber streiten, sondern wirsollten alle gemeinsam auch die Meinung vertreten: Wirsind eingebettet in Europa, und diesbezüglich darf nie-mand Zweifel säen.
Das Wort hat die Kollegin Sevim Dağdelen für die
Fraktion Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Minister Westerwelle, es reicht einfachnicht aus, dass Sie sich hier hinstellen und positiv überden arabischen Frühling sprechen; denn Sie haben aufder anderen Seite bis kurz vor Schluss an der Seite vonDiktatoren wie Mubarak gestanden.
Es ist auch nicht akzeptabel, dass Sie, wie jetzt aktuell,beharrlich zu den über 30 Toten auf dem Tahrir-Platz ge-schwiegen haben. Ihr Schweigen war eine Schande, HerrMinister. Überhaupt hat die Regierung lange gebraucht,um über die Massaker auf dem Tahrir-Platz zu sprechen.Es war auch nur die Rede von Nachrichten, und es er-ging ein Appell an beide Seiten, keine Gewalt mehr an-zuwenden. Ich empfinde das als beschämend.
Der vorgelegte Haushalt, Herr Minister, ist gerade inBezug auf die Auslandseinsätze der Bundeswehr einfachnur unseriös. Insbesondere nennen Sie nicht die wirkli-cJkdmsgsddtrdmDuctabWthkgsdKeVBd2abDASKAdmaWLdAsKWdP
ie reden vom Abzug und vom Frieden, aber Sie führenrieg. Hören Sie endlich auf, den Menschen Sand in dieugen zu streuen!
Krise und Krieg sind lediglich zwei Seiten ein underselben Medaille. Der NATO-Krieg in Afghanistanuss beendet werden. Die Bundeswehr muss umgehendbgezogen werden. Diesen Krieg können wir uns imortsinne nicht mehr leisten. Deshalb unterstützt dieinke die Proteste gegen die Petersberg-Konferenz, aufer wieder in alter kolonialistischer Manier fernab vonfghanistan über die Zukunft und auch über die Men-chen Afghanistans mit korrupten Regierungen undriegsverbrechern wie Karzai entschieden werden soll.ährend Sie diese Kriegsverbrecher hofieren, wird sichie Linke an der Seite der hiesigen Bevölkerung an denrotesten gegen diesen Krieg beteiligen.
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Sevim Daðdelen
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Sevim DağdelenWie sehr diese Bundesregierung weiterhin auf die Mi-litarisierung der deutschen Außen- und Sicherheitspoli-tik setzt, lässt sich an Details des Haushaltsentwurfsdeutlich erkennen. So lässt sich die Bundesregierungihre zivilen Ausbildungspartnerschaften für Jugendlichein Drittstaaten gerade einmal 1,3 Millionen Euro kosten.24 Millionen Euro hingegen stellt sie für die Ausbildungund Ausrüstung afrikanischer Soldaten und Polizisten imRahmen der G-8-Initiative bereit.Ähnlich sieht es bei den deutschen Beiträgen zu denVereinten Nationen aus. Von den knapp über 600 Millio-nen Euro, die an die UN fließen, gehen über 400 Millio-nen Euro direkt an deren Militärmissionen. Davon kos-ten allein die UN-Missionen in der DemokratischenRepublik Kongo, im Südsudan und auch in Somalia dieHälfte, wo Sie wieder einmal völlig illegitime, korrupteRegierungen absichern. Wir brauchen aber eine Stär-kung der Vereinten Nationen mit ihren zivilen Strukturenund keine Militarisierung der UNO. Die Linke will des-halb die Stärkung des Völkerrechts und nicht seine Aus-höhlung.
Diese Aushöhlung sieht man auch bei Ihrer aktuellenSanktionspolitik gegen den Iran. Nicht nur, dass IhreSanktionen die Bevölkerung im Iran schwer treffen wer-den. Das erinnert auch fatal an die Politik gegenüberdem Irak vor dem Angriff der Koalition der Willigen2003. Viele fühlen sich an die Kriegsvorbereitungen vondamals erinnert. Wieder einmal werden die Berichte vonGeheimdiensten für bare Münze genommen, wie es HerrMißfelder hier dargestellt hat, obwohl man doch spätes-tens seit dem Irakkrieg sehr vorsichtig mit derlei Infor-mationen umgehen sollte. Die Bundesregierung musssich hier klar positionieren. Es ist zweifelhaft, wenn Siesich auf der einen Seite gegen einen Krieg gegen denIran erklären, aber auf der anderen Seite eine konflikt-verschärfende Sanktionspolitik mittragen, die einenmöglichen Krieg mit dem Iran näher rücken lässt. Wirbrauchen hier eine politische Lösung. Ein neuer Kriegim Nahen und Mittleren Osten wäre wirklich verhee-rend. Sie haben hier die Möglichkeit, zu erklären, dassKrieg für Sie nicht weiter, wie in der Vergangenheit, einMittel der Politik ist.
Ich komme zum Schluss. Ziel der Linken ist es, dassdeutsche Außen- und Sicherheitspolitik wieder Friedens-politik wird. Doch statt Frieden exportieren Sie immerweiter Krieg und auch deutsche Rüstungsgüter in alleWelt. Ich finde, eine andere und friedliche Außenpolitikist möglich. Das sind wir den Menschen in Afghanistan,in Saudi-Arabien, im Jemen, in Ägypten und auch an-derswo schuldig. Aber vor allem sind Sie das der großenMehrheit der Bevölkerung in Deutschland schuldig.Verwenden wir die vielen Milliarden Euro Kriegskos-ten endlich für soziale und ökonomische, für zivile undvernünftige Projekte, hier und anderswo. Die Sicher-heitspolitik muss im Interesse der Mehrheit der Bevölke-rung sein und nicht im Interesse der Rüstungsindustrieund der Eliten.
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Herr Stinner, tun Sie mir bitte den Gefallen und lassenie mich diesen Punkt zu Ende bringen. – Ich habe nie-als einen Europaminister erlebt, der in einer solchenrise monatelang so wortlos zur Zukunft Europas gewe-en ist.
h habe in der Geschichte Europas bisher keine liberaleartei erlebt – außer vielleicht Fidesz, die einmal eine li-erale Partei gewesen ist –, die es in dieser entscheiden-en Frage nicht geschafft hat, zusammenzuhalten undie Minderheit in ihrer Partei auch einmal zur Räson zuringen.
h nehme es Ihnen nicht ab, wenn Sie mir jetzt zurufen,as liege an mir.
Ich muss Ihnen noch etwas sagen: Der Minister ist iner letzten Sitzungswoche in den Ausschuss gekommennd hat gesagt, dass er in den Ratsformationen seit Mo-aten für Vertragsänderungen werbe.
ber wir sind zum ersten Mal im Oktober in einemrahtbericht darüber unterrichtet worden. Er hat uns of-n ins Gesicht gesagt, er sei an unseren Anregungen in-ressiert. Das Strategiepapier des AA lag aber schonngst vor.
eshalb möchte ich Ihnen ganz deutlich sagen: Dieserußenminister wird der Rolle als Europaminister, als zu-tändiger Minister für Europapolitik nicht gerecht.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16963
Manuel Sarrazin
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Ich kann Ihnen noch etwas sagen, was Sie bei diesemStrategiepapier falsch machen. Sie haben mit Herrn Rös-ler in der Welt geschrieben – das bezog sich auf Vertrags-änderungen; ich zitiere –:Nichts ist für uns wichtiger, als die Bürgerinnenund Bürger auf diesem Weg anzuhören, zu beteili-gen und zu überzeugen.Ihnen fällt das schon bei uns schwer. Sie haben tage-,wochenlang in Brüssel Ihr Strategiepapier und Ihre Vor-stellungen vorgetragen, ohne es uns zuzuleiten. Irgend-wann habe ich eine entsprechende Anforderung gestellt,nachdem in den Zeitungen darüber berichtet wurde. Dar-aufhin wurde uns dieses Papier zugeleitet. Aber das hatnichts mit dem zu tun, was Sie angekündigt haben, näm-lich die Bürger auf dem Weg anzuhören, zu beteiligenund zu überzeugen. Das ist Hinterzimmerpolitik, die wirsonst eher aus dem Kanzleramt gewohnt sind.
Herr Minister, das, wofür Sie sich einsetzen, ist einGrundfehler, den wir nicht wiederholen sollten. Wirbrauchen Vertragsänderungen – ich hoffe, dass die Kol-legen im Europäischen Parlament dieses Thema nocheinmal auf die Tagesordnung setzen werden –, die in ei-nem echten europäischen Konvent und vor allen Dingenunter Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Sozial-partner zustande kommen und die zu mehr europäischerDemokratie unter Berücksichtigung sozialer Fragen füh-ren. Solche Änderungen dürfen nicht einfach nur von ir-gendwelchen Beamten in Brüssel, im Kanzleramt odervielleicht noch im Élysée ausverhandelt werden.
Die Europäische Union ist – das haben wir immer be-tont – mehr als eine Wirtschaftsunion; darüber sind wiruns einig. Umso wichtiger ist es jetzt, den Menschen zuerklären, dass wir – um die Wirtschafts- und Solidar-union, um die Union des Rechts und der Freiheit zu be-wahren – mehr Wirtschaftsunion brauchen werden. DieWahrheit ist – da haben Sie recht, Herr Stinner –: Klein-staaterei wird nicht der Weg aus der Krise sein. Wenn je-der Nationalstaat in Europa seinen eigenen Weg geht,wird uns die Krise einholen und überholen. Das kannnicht der Weg in die Zukunft sein. Wir müssen unserGlück, als Deutsche in Europa eingebunden zu sein,deutlicher zum Ausdruck bringen. Wir brauchen daherkeinen schwachen Europaminister, der sich monatelangzu den angesprochenen Themen im Wesentlichen aus-schweigt.
Wenn wir angesichts der Schlagzeilen sehen, dass wirvielleicht am Vorabend der entscheidenden Zuspitzungder Krise stehen, und da es vielleicht schon in den nächs-ten Tagen und Wochen darauf ankommen wird, ob wir indieser Situation zusammenhalten oder nicht, muss ichsagen: Hören Sie auf, plump rote Linien zu benennen!Sagen Sie zuallererst, dass Deutschland alles tun wird,um den Euro zu retten und die Europäische Union zu-sredndDrewdnnmausddsWAsddZdngdsgfainWLgVWwvksWwh
ie Unsicherheit, die Ihre Regierung verbreitet, ist fatal.Ihr Krisenmanagement hat Europa nicht auf das vorbe-itet, was in den nächsten Tagen und Wochen kommenird. Sie haben die europäischen Institutionen, die han-eln könnten, geschwächt. Sie haben die Parlamenteicht ausreichend beachtet und beteiligt. Wir werden denotwendigen Weg ohne starke Unterstützung des Außen-inisters gehen. Ich wünsche mir, Herr Westerwelle, dassuf Ihrem Stuhl ein echter Europäer sitzt. Es ist Pech fürns, dass Sie bislang nicht haben liefern können. Ich wün-che mir, dass Sie eine europäische Stimme in der Bun-esregierung sind. Allein mir fehlt der Glaube. Ich hoffe,ass Sie die Zeit, die Ihnen noch bleibt, nutzen, um es bes-er zu machen.
Zu einer Kurzintervention hat der Kollege Link das
ort.
Herr Kollege Sarrazin, unsere Zusammenarbeit ist imusschuss und auch sonst sehr konstruktiv. Das ändertich periodisch immer wieder, wenn hier im Plenum Re-en gehalten werden.Ich bin sehr erstaunt darüber, in welcher Form Sieargelegt haben, was diese Koalition in der gesamteneit der Euro-Krise gemacht hat. Unsere Prämisse ist,ie Euro-Zone zusammenzuhalten und die Währungsu-ion dort fortzuentwickeln, wo wir dringend Änderun-en brauchen. Exakt das tun wir mit Anträgen und tuter Bundesaußenminister durch entsprechendes Werbeneit der Zuspitzung der Krise. Er hat insbesondere dafüreworben, die Lehre aus dem zu ziehen, was wirklichlsch gelaufen ist. Rot-Grün hat – daran möchte ich er-nern – 2002, 2003 und 2004 den Stabilitäts- undachstumspakt entkernt. Daraus müssen wir dringendehren ziehen. Der Bundesaußenminister wirbt deshalbemeinsam mit der Bundesregierung für entsprechendeertragsänderungen.
ir gehen das konsequent an.Wir erwarten bei diesem Punkt, dass immer dann,enn es ernst wird, wenn nämlich Sanktionen tatsächlicherhängt werden sollen, von der Grünen-Fraktion mehrommt als nur ein Kuschelkurs, ein Weiter-so, ein Ganz-chnell-die-Schleusen-Öffnen. Wir sollten nicht nur einunschkonzert machen, sondern deutlich sagen, dass wirirklich bereit sind, die Lehren aus dieser Krise zu zie-en. Da würde ich mir von den Grünen mehr Beiträge
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16964 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Michael Link
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wünschen. Morgen zum Beispiel hätten sie die Gelegen-heit dazu. Morgen diskutieren wir den EU-Haushalt. Ichwarte bis zum jetzigen Moment auf einen Antrag der Grü-nen-Fraktion dazu.
Sie haben das Wort.
Verehrter Kollege Link, wir arbeiten im Ausschuss
wirklich sehr gut zusammen, und das kann man auch sa-
gen. Ich glaube aber, dass wir uns dessen bewusst sein
müssen, in welcher Lage wir sind. Ich glaube, dass in der
Lage, in der wir sind, gewisse Fragen des Klein-Klein
– 2004, 2005 – –
– Frau Homburger, Entschuldigung! Wenn Sie jetzt hier
so reinblöken, möchte ich Sie einmal darauf hinweisen:
Wir haben im Juli hier den Antrag gestellt, automatische
Sanktionen einzuführen. Den haben Sie abgelehnt. Sie
haben es in Brüssel gekippt.
Ich wollte nur gerade darauf hinweisen, dass es aus
meiner Sicht zwei große Schwierigkeiten gibt:
Erstens brauchen wir Vertragsänderungen; darüber re-
den wir schon lange. Wir brauchen weiter gehende Ver-
tragsänderungen als die, die diese Bundesregierung, wie
ich glaube, vorschlagen wird. Wir brauchen vor allem
die Verbindung der künftigen Wirtschaftsunion oder
Wirtschaftsregierung, wie auch immer wir es nennen,
mit der Frage der Demokratie. Wir werden die Men-
schen auf diesem Weg nicht mitnehmen können, wenn
wir nicht dazu stehen, das demokratisch zu machen, das
zu legitimieren und die europäische Demokratie damit
zu verbessern. Ich glaube, dass ich mir mit vielen Libe-
ralen im Europäischen Parlament und in Europa in dieser
Frage einig bin. Aber ich sehe nicht, dass dieser Außen-
minister dieses Thema auf die Tagesordnung bringt; er
lässt es sich von den Finanzministerien diktieren.
Zweitens. Sie sehen doch, dass wir ohne eine Gover-
nance nicht aus dieser Krise kommen werden. Aber diese
Bundesregierung hat die europäischen Institutionen, die
die Governance liefern können, auf den Marschbefehl der
Kanzlerin in der Rede von Brügge hin kleingehalten. Da
hätte ich mir gewünscht, dass der Außenminister dage-
genhält und ein Plädoyer dafür abgibt, dass wir ohne das
Europäische Parlament, ohne die Europäische Kommis-
sion nicht aus dieser Krise herauskommen werden.
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Bevor es in der Debatte weitergeht: Ich nehme an,
ass alle Fraktionen wie auch diejenigen, die uns zuhö-
n, die Belebung der Debatte begrüßen. Wir sollten
otzdem, wenn wir bestimmte Reaktionen von Kolle-
innen und Kollegen bewerten, bei unserer Wortwahl an
ie parlamentarische Ausdrucksweise denken.
Für die Unionsfraktion hat der Kollege Michael Stüb-
en das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen underren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich will amnfang ganz kurz auf Ihren Beitrag eingehen, Herr Sar-zin. Sie haben sich gerade nachdrücklich darüber be-chwert, dass der Bundesaußenminister sich – angeblich nicht um Europapolitik kümmert. Das ist Ihr Vorwurf;ie sehen das so. Das wundert mich allerdings, da eseine zwei Wochen her ist, dass Sie sich sowohl bei uns Europaausschuss als auch öffentlich heftig darübereschwert haben, dass der Außenminister europapoli-sch tätig geworden ist. Er hat Grundlinien für eine Ver-agsänderung entworfen, von der Sie gesagt haben, dassie gut und richtig wäre. Sie haben allerdings gesagt, erürfe das nicht, bevor er mit Ihnen geredet hat. Sie müs-en sich schon entscheiden, was Sie wollen, das eineder das andere. Beides zu kritisieren, ist aber ein biss-hen merkwürdig.
Wir sind überhaupt nicht der Meinung – es stimmtuch nicht –, dass das Auswärtige Amt und der Bundes-ußenminister europapolitisch nicht aktiv sind. Natürlichibt es immer Fragen, die aktuell im Ecofin und in deruro-Gruppe geklärt werden müssen. Das hat etwas miter Substanz der Probleme zu tun. Aber wir wissen sehr
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Michael Stübgen
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genau und beraten auch im EU-Ausschuss regelmäßigdarüber, wie wichtig die Arbeit des Auswärtigen Amtsist. Das sieht man auch an der mittelfristigen Finanzpla-nung. Bei dem mehrjährigen Finanzrahmen der EU fürdie Jahre 2014 bis 2020 geht es um einen Billionenhaus-halt, wie Sie alle wissen. Über diese Arbeit des Auswär-tigen Amts steht in der Tat nicht jeden Tag etwas in derZeitung; dennoch ist sie von fundamentaler Bedeutung.
Damit bin ich bei meinem ersten Thema. Ich glaube,es ist sehr wichtig, dass wir im Rahmen der mittelfristi-gen Finanzplanung verstärkt ein Augenmerk auf denHaushaltsvollzug seitens der Europäischen Kommissionrichten. Wir als Koalitionsfraktionen werden morgen ei-nen Antrag, der sich substanziell und detailliert mit denVorschlägen für den nächsten Finanzrahmen der Europä-ischen Union beschäftigt, einbringen. Ich will nur einDetail herausgreifen, das uns als Haushaltsgesetzgebernicht beim Haushalt 2012, aber im Rahmen der mittel-fristigen Finanzplanung sehr direkt treffen könnte.Es geht um den Sachverhalt, dass die EuropäischeKommission vor ungefähr einem halben Jahr festgestellthat, dass sich im Bereich der sogenannten RAL – reste àliquider –, also nicht ausgeführter Verpflichtungsermäch-tigungen, eine „Bugwelle“ aufbaut, die ein Ausmaß er-reicht, das seinesgleichen bisher nicht kennt. Was sindsogenannte nicht ausgeführte oder nicht vollendete Ver-pflichtungsermächtigungen? Die Europäische Union gibt– anders als die nationalen Haushaltsgesetzgeber – für be-stimmte Projekte in den Mitgliedsländern Teilfinanzie-rungen oder Vollfinanzierungen als Verpflichtungser-mächtigungen. Die Projekte dauern manchmal mehrereJahre; manche Projekte verschieben sich auch. Dadurchentstehen nicht vollendete Verpflichtungsermächtigun-gen. Insoweit ist das normaler europäischer Haushalts-vollzug. Bisher war es so, dass sich beim Übergang voneiner Finanzplanung zur nächsten Verpflichtungsermäch-tigungen in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetragesangesammelt hatten. Auch dies war normaler Haushalts-vollzug; sie konnten im laufenden Haushalt berücksich-tigt werden.Die Europäische Kommission hat allerdings festge-stellt, dass diese Entwicklung dazu führen könnte, dasswir bis zum Jahr 2014, also bis zum Beginn der neuenmittelfristigen Finanzplanung, nicht ausgeführte Ver-pflichtungsermächtigungen in Höhe von bis zu 250 Mil-liarden Euro haben; das wäre knapp ein Viertel des ge-samten Haushalts von 2014 bis 2020. Wenn dies eintritt,wird Folgendes passieren: Wir, die Geberländer, die Net-tozahlerländer, haben dann nicht nur den Beitrag für dasneu anlaufende Finanzprogramm zu zahlen, was völlignormal wäre – das wird ausgehandelt und einstimmigbeschlossen –, sondern zusätzlich, ohne dass wir unsvorher darauf einstellen können, diese 250 MilliardenEuro, sodass die ersten Jahre, die Jahre 2014 bis 2016,unkalkulierbar werden. Dies würde bedeuten, dass füruns als Haushaltsgesetzgeber nicht nur unsere Beiträgean die Europäische Union für die mittelfristige Finanz-planung, sondern auch die Haushalte für das jeweilsnächste Jahr unkalkulierbar würden.pünfüosNdMh2–ktewzdvEDkgEddkbdmmmninaKmMnesehfädGteinVABfümFB
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tungen der Euro-Länder – gerade derjenigen, die nochTriple-A sind – hätten, würden dabei mit Sicherheit ei-nige Euro-Länder – vielleicht nicht sofort Deutschland –in das Downgrading beim Rating geraten. Das würde miterhöhten Zinsgebühren einhergehen und würde die Ver-schuldenssituation noch verschlechtern. Damit würdenwir die Situation noch weiter verschlimmern.
Selbst wenn man das alles für hinnehmbar hält, bleibtein weiteres Problem der Euro-Bonds, das sich in denletzten Jahren und insbesondere in den letzten Wochenganz besonders an Griechenland gezeigt hat: Mankonnte beobachten, dass die Entwicklung in den letzenanderthalb Jahren sehr schleppend vorangegangen ist.Sie ist aber nur deshalb überhaupt vorangegangen, weildas Land nach den Vorgaben des bisherigen Hilfspro-gramms alle drei Monate nachweisen muss, dass es dieKonditionalitäten einhält und seine eigenen Reformbe-mühungen mit allen Anstrengungen umsetzt.Sobald in Griechenland bisher der Eindruck entstan-den ist, jetzt habe man erst einmal für drei Monate Luft,sind die Reformanstrengungen liegengeblieben. Wir ha-ben jetzt mit einer neuen Regierung die Chance auf Ver-änderung. Ich hoffe, dass diese Regierung es endlichschafft, das enorme Ungleichgewicht der griechischenReformpolitik abzuschaffen – bislang wurde nämlich nurbei Renten, Arbeitslosengeld, Sozialversicherung etc.eingespart, aber die großen Einkommensbezieher undVermögensbesitzer zahlen nach wie vor fast keine Steu-ern. Das Ganze ist aber nur durch den direkten Druck derständigen Kontrolle erfüllbar. Euro-Bonds würden dieseKontrolle unmöglich machen.
Deswegen wären sie der falsche Weg. Wir können nurauf dem Weg weitergehen, den wir bisher gegangensind.Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Kollege Axel Schäfer hat für die SPD-Fraktion
das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Bei der heutigen Debatte geht es, insbesondere was Eur-opa anbelangt, um eine Frage, über die wir 2010, 2009,2008, 2007 und davor nie diskutieren mussten.Es geht nicht mehr um die Frage: Wie werden wir dieVertiefung und Erweiterung der EU gestalten? Jetzt gehtes um die Frage: Wie werden wir die EU erhalten? Dasist eine Debatte, die wir in 60 Jahren noch nicht führenmussten. Deshalb muss unsere Debatte in diesem Hausedem auch angemessen sein. Weil das so ist, möchte ichdie Kolleginnen und Kollegen von Union und FDP nuran zwei Punkten kritisieren:zbggnwOaRBneLgMdgszwkEümwestreSuühfü4dzdGtivtiFreIsmSWwS
Der zweite Punkt. Kollege Stinner, die Rede, die Sieehalten haben, betraf weniger den Bundestag als dieitglieder Ihrer eigenen Partei. Ich kann nur hoffen,ass die europäischen Überzeugungen, die Sie hier vor-etragen haben, von den Mitgliedern Ihrer Partei tat-ächlich getragen und bei der Abstimmung entsprechendur Geltung gebracht werden. Denn es ist wichtig, dassir die FDP an dieser Stelle an Bord behalten.Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir über Demo-ratie reden: Es geht nicht, dass ein Ministerpräsident inuropa, der die mutigsten Sparmaßnahmen, die es bisherberhaupt gab, und die schwierigsten Einschnitte, diean sich vorstellen kann, vorgenommen hat – dagegenaren Hartz IV und alles andere in unserem Lande nurin leises Säuseln –, auch von der Bundesregierung be-chämt und beschädigt wird. Papandreou hat gesagt: Ichete vor die Bürgerinnen und Bürger und mache meinigenes Schicksal von der Volksabstimmung abhängig. –ie tun so, als wäre es etwas Unrechtes, den Bürgerinnennd Bürgern in einem Volksentscheid die Entscheidungber elementare Fragen zu überlassen.
Ich will auf etwas hinweisen, was in Europa, abgese-en vom luxemburgischen Parlament, wahrscheinlich nurr den Bundestag gilt: Wir haben in diesem Hause seit0 Jahren bei allen wichtigen, grundlegenden Entschei-ungen zur EU bzw. davor zur EG eine Übereinstimmungwischen den Christdemokraten, den Sozialdemokraten,er FDP und – seit 1983 – den Grünen. Dieses kostbareut, dass wir, egal in welcher Konstellation oder Koali-on wir waren, dieses Europa gemeinsam entwickelt undorangebracht haben, müssen wir in der jetzigen Situa-on erhalten; darum wird es gehen.Ich bin überzeugt: Wir werden 2012 vor ganz andereragen gestellt als vor die, über die wir heute diskutie-n. Wir werden nämlich vor die Frage gestellt werden:t es tatsächlich vorstellbar, dass die Euro-Zone zusam-enbricht, oder können wir das verhindern? Schauenie sich bitte die Analysen der SWP und anderer seriöserissenschaftler an: Sie stellen Projektionen auf, die unsirklich Sorge machen sollten. Die Politik muss an dertelle agieren und darf nicht nur reagieren.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16967
Axel Schäfer
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Was Aktion anbelangt, ist Folgendes das Wichtigste– und es ist gut, dass sich Sozialdemokratinnen, Sozial-demokraten und Grüne da einig sind –: Wir dürfen nichtmehr Dinge ausschließen, von denen wir wissen, dasswir sie gebrauchen könnten. Wir müssen auf den Erfah-rungen der letzten 15 Monate aufbauen, in denen immerwieder Sachen ausgeschlossen wurden, die dann amnächsten Tag realisiert worden sind. So werden wir inder Europapolitik nicht weitermachen können.
Deshalb müssen wir auch aussprechen, worum eshierbei geht. Es darf nicht ausgeschlossen werden, sowie es heute der Präsident der Europäischen Kommis-sion – wie gesagt: ein Christdemokrat – vorgeschlagenhat: Euro-Bonds, oder wie auch immer man gemein-schaftliche Anleihen nennt. Am Schluss darf natürlichauch nichts ausgeschlossen werden, was die Aktivitätenim Bereich des Geldes bei der Europäischen Zentralbankanbelangt, und zwar nicht, weil die SPD jetzt sagenwürde „Prima, möglichst schnell Euro-Bonds!“ oder dieGrünen vielleicht sagen würden „Prima, die EZB mussjetzt geldpolitisch tätig werden!“
Die Frage der Notenbank wird dann eine Rolle spielen,wenn es darum geht, ob Europa erhalten werden kannoder zerstört wird. Das müssen wir uns bewusst machen.
In der Situation, in keiner anderen, werden wir sein. Wirsind im Jahre 2012 – zum Glück gibt es da so wenigeWahlen – nicht mehr in der Situation, über ökonomischeDogmen zu reden; wir werden über politische Hand-lungsfähigkeit reden. Wir müssen weniger, als es heutegeschehen ist, über Preise reden; wir müssen mehr überWerte reden. Wir müssen nicht wie die Kanzlerin überDemoskopie reden, sondern über Demokratie.
Um diese europäische Demokratie wird es im Jahre 2012gehen. Ich kann, liebe Kolleginnen und Kollegen derCDU/CSU und der FDP, nur an Sie appellieren: DenkenSie an den Weg, den wir von Mai 2010 bis jetzt, zumNovember 2011, gegangen sind. Sie mussten alle Vor-schläge, die wir gemacht haben, entweder übernehmenoder stillschweigend annehmen. Verschließen Sie sichnicht den Notwendigkeiten des Jahres 2012. Es geht umunser gemeinsames Europa, um das, was uns in dieserGesellschaft zusammenhält. In dieser Hinsicht werdennicht nur Grüne und Sozialdemokraten, sondern auchChristdemokraten und Liberale in Deutschland wie inganz Europa ihre Verantwortung anders wahrnehmenmüssen, als sie das bisher getan haben.
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Das Wort hat der Kollege Frankenhauser für die Uni-
nsfraktion.
Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kolle-en! Den Letzten beißen die Hunde. Ich versuche aberotzdem, als Haushälter in die Niederungen des Haus-altes einzusteigen, nachdem hier fast eineinhalb Stun-en lang prächtige „tours d’horizons“ gefahren wordenind.Herr Kollege Schäfer, Sie sehen, wie schnell sich dieeiten ändern. Herr Samaras hat schriftlich zugesagt,ass er die Auflagen mittragen wird.
s stellt sich die Frage, ob er Phoenix sieht oder ob esnsere Außenpolitik war. Ich stelle das anheim.Gestatten Sie mir, dass ich noch ein paar Minutenng etwas zum Haushalt sage. Wenn ich richtig infor-iert bin, soll es sich um eine Haushaltsdebatte handeln.ie es ohne Geld in der Außenpolitik aussehen würde,erde ich am Schluss meiner Ausführungen zum Besteneben.Zunächst möchte ich mich beim Auswärtigen Amtehr herzlich bedanken. Das betrifft an erster Stelle deninister, aber auch Herrn Dr. Morhard. Er ist für dieaushälter immer ein idealer Ansprechpartner. Die Zu-ammenarbeit hat hervorragend funktioniert. Genausoerzlich möchte ich mich für die exzellente Zusammen-rbeit unter den Kolleginnen und Kollegen bedanken.n der Stelle möchte ich dem Auswärtigen Amt auch fürie vorzügliche Betreuung danken, die viele unsererolleginnen und Kollegen bei den Botschaften im Aus-nd erfahren. Selbst Kolleginnen und Kollegen aus demuropäischen Parlament nehmen die Einrichtungen dereutschen Botschaften viel lieber in Anspruch als die deserkwürdigen Europäischen Auswärtigen Dienstes.
Ich kann erfreulicherweise mitteilen, dass der Haus-alt des Auswärtigen Amtes im Verlaufe des Bereini-ungsverfahrens auf nunmehr 3,324 Milliarden Euro er-öht werden konnte. Übrigens sei den Kolleginnen undollegen der Opposition ins Stammbuch geschrieben,ass dies der höchste Haushalt ist, den das Auswärtigemt jemals hatte. Lieber Herr Kollege Kindler, es isticht so, dass wir Ihretwegen einen Schrecken bekom-en und gezittert haben, vielmehr haben wir das aus ei-
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Herbert Frankenhauser
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genem Antrieb gemacht. Wir setzen gerne eine vernünf-tige, den Notwendigkeiten angepasste Haushaltspolitikdurch.Wie weit wir mit Ihnen kommen würden, lässt sich anfolgenden Zahlen ablesen: Die Linken haben Zusatzaus-gaben in Höhe von 155,9 Millionen Euro ohne Deckunggefordert. Bündnis 90/Die Grünen waren etwas beschei-dener: Bei ihnen waren es 139,7 Millionen Euro ohneDeckung.
– Das waren letztes Jahr irgendwelche Abgaben aufFlugtickets. Das ist auch in die Hose gegangen, HerrKollege Kindler. – Bei der SPD sind es immer noch80 Millionen Euro.
– Nein, nicht mit Deckung, Herr Kollege. Wir machennoch einmal ein Privatissimum in Addition und Subtrak-tion.
Dann wird sich herausstellen, dass es 80 Millionen Euroohne Deckung sind.Wir betreiben keine Außenpolitik nach Kassenlage,sondern wir machen sie mit der notwendigen finanziel-len Ausstattung. Zum Beispiel haben wir – was, glaubeich, eine ganz wichtige Maßnahme war – den Schul-fonds um 15 Millionen Euro erhöht.
Ich möchte mich noch einmal an die voll besetzteBundesratsbank wenden.
Die Länder erklären uns ständig, wie dringend notwen-dig die Auslandsschulen sind, aber aus der Finanzierunghaben sie sich mittlerweile völlig zurückgezogen. Eswäre doch eine schöne Geschichte, wenn sich die Herr-schaften vielleicht im Bundesrat treffen würden,
um darüber nachzudenken, uns zu unterstützen. Um ei-ner Mär vorzubeugen: Wir haben den größten Ansatz fürauswärtige Kultur- und Bildungspolitik. Immer wiederwird das Gegenteil behauptet.
Die Konsolidierung des Bundeshaushaltes ist eine ge-samtgesellschaftliche Aufgabe, sie kann nicht nur vonwenigen gemacht werden, und sie kann auch nicht vorKulturträgern haltmachen. Als besonders inakzeptabelempfinde ich es, wenn sich sogenannte Zuwendungs-empfänger an dem, was wir an Zuwendungen aufbringen– und zwar sehr reichlich – öffentlich Kritik üben.wblintuRdGä––Inti–sslifr
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Zum Einzelplan 14 liegen zwei Entschließungsan-träge der Fraktion Die Linke sowie ein Entschließungs-antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen vor, über diewir am Freitag nach der Schlussabstimmung abstimmenwerden.Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. – Ichhöre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der KollegeBernhard Brinkmann für die SPD-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Siemir, dass ich mich zu Beginn meiner Ausführungen beiden Kolleginnen und Kollegen Berichterstattern sowiebeim Ministerium für die in den vergangenen Wochenuns zur Verfügung gestellten Unterlagen sehr herzlichbedanke. Alle Fragen sind bestens beantwortet und alleWünsche erfüllt worden. Die Unterlagen, die uns zurVerfügung gestellt worden sind, haben uns die Beratungüber den Einzelplan 14 einfacher gemacht. Es war wieimmer eine angenehme und zielorientierte Zusammenar-beit.Der Einzelplan 14 für das Haushaltsjahr 2012 bildetzum ersten Mal die neuen Strukturen, die Neuausrich-tung unserer Bundeswehr ab. Hierfür sind entgegen derPlanung Ihres Vorgängers, Herr Minister de Maizière,31,9 Milliarden Euro vorgesehen. Ich stelle erneut fest:Die vollmundigen und nicht haltbaren Sparvorgaben desHerrn zu Guttenberg sind damit endgültig Makulatur,und das ist auch gut so.
Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten stehenseit jeher für eine moderne und leistungsfähige Bundes-wehr ein, die fest in unserer Gesellschaft verankert ist.Wir stehen dafür, dass unsere Streitkräfte – neue Struktu-ren hin oder her – eine Parlamentsarmee sind und blei-ben.Heute Morgen, im Zusammenhang mit dem Einzel-plan des Bundeskanzleramts, sind Sie, Herr Minister deMaizière, für das, was Sie auf den Weg gebracht haben,gelobt worden. Das teile ich uneingeschränkt. Eine Aus-sage der Bundeskanzlerin aber wird uns in den nächstenWochen, Monaten, vielleicht auch erst in Jahren einho-len. Die vollmundigen Sparversprechen des Herrn zuGuttenberg sind kaschiert worden. Die Frau Bundes-kanzlerin hat erklärt: Durch diese Reform wird es mittel-fristig zu Einsparungen kommen. – Ich stelle hier einmalfest: Belastbare Zahlen liegen bis heute nicht vor. Ichgehe davon aus, dass sie uns in den nächsten Jahren auchnicht geliefert werden können. Wer den Einzelplan undseine Strukturen kennt, wer weiß, wie sich das auf derAusgabenseite letztendlich auswirkt, der muss zurKenntnis nehmen, dass hier nur ein sehr geringes Ein-sparpotenzial vorhanden ist.Die umfassende Neuausrichtung der Bundeswehr, dasEnde der Wehrpflicht, der damit verbundene Umbau derSSgfogzgüktuZruezdraAHDbvlezEanAbFauledehwwbhAlizhudssVVnted
Es ist mir ein Anliegen, zu betonen – ich denke, dassuch dies große Zustimmung findet –, dass wir hinternseren Soldatinnen und Soldaten sowie hinter den zivi-n Mitarbeitern und Helfern stehen. In diesem Kontextürfen auch die Reservisten nicht vergessen werden, dieinen ganz hervorragenden Job machen, die eine ganzervorragende Arbeit leisten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer bei der Bundes-ehr arbeitet, der hat ein Recht darauf, fair behandelt zuerden. Dies gilt namentlich auch für die zivilen Mitar-eiterinnen und Mitarbeiter, die angesichts einer vorgese-enen Stellenreduzierung auf 55 000 Dienstposten einennspruch auf ein angemessenes Maß an Sozialverträg-chkeit haben. Davon abgesehen, dass diese Stellenkür-ungen aus Sicht der SPD-Fraktion unverhältnismäßigoch sind und deutlich moderater ausfallen müssen, ist esns ein unbedingtes Anliegen, dass es keine betriebsbe-ingten Kündigungen geben darf. Meine Fraktion wirdich daher bei den bevorstehenden Beratungen und Ent-cheidungen vehement dafür einsetzen, dass bei diesemorhaben nicht die Zahlen, sondern die Menschen imordergrund stehen. Natürlich kostet eine solche Maß-ahme Geld – das steht außer Frage. Es bleibt abzuwar-n, ob der angedachte Ansatz der Versetzung von Bun-eswehrmitarbeiterinnen und -mitarbeitern in andere
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Bernhard Brinkmann
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Ministerien in diesem Zusammenhang eine geeigneteMaßnahme sein wird.Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist doch nichtsweiter als eine Hilfsbrücke, wenn die Personalreduzie-rungen dadurch finanziert bzw. realisiert werden sollen,dass man 1 Milliarde Euro in den Einzelplan 60 umbucht.Ein solches Konstrukt, das mit Haushaltswahrheit und-klarheit nichts zu tun hat, wird von der SPD klar abge-lehnt. Meine Fraktion ist der festen Überzeugung, dass esnach dem genannten Grundsatz wesentlich sinnvoller undtransparenter gewesen wäre, wenn man hierfür eine sepa-rate Haushaltsstelle mit der Bezeichnung „Neuausrich-tung der Bundeswehr“ im Einzelplan 14 eingestellt hätte.Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Minister hatEnde Oktober sein Konzept für Schließungen von Bun-deswehrstandorten vorgestellt. Die hierin festgelegtenSchließungen und Reduzierungen von Standorten betref-fen Tausende von Soldatinnen und Soldaten sowie zivileMitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Der Wechsel desDienstorts wird mit unterschiedlicher Härte auch bei de-ren Familien ankommen. Es steht aus Sicht der SPD außerFrage, dass dies nur dann angemessen abgefangen werdenkann, wenn hierfür ausreichende finanzielle Mittel bereit-gestellt werden. Auch hierfür ist im Haushalt bisher keineentsprechende Hinterlegung erfolgt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus den bisherigenReformen ist uns bekannt, dass auch die Veräußerungder nicht mehr benötigten Liegenschaften einen unge-heuren Kraftakt bedeutet. Die hiervon betroffenen Städteund Gemeinden können die frei werdenden Flächennicht alleine vermarkten. Hierfür ist die für den Februar2012 geplante Informationsveranstaltung der BImA einerster wichtiger Schritt.Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich ab-schließend noch einige positive Ergebnisse für den Vertei-digungshaushalt 2012 ansprechen. Wir haben gemeinsamerreicht, dass 25 Millionen Euro für Kleinwaffenmunitionund 30 Millionen Euro unter der Überschrift „Infanteristder Zukunft“ in den Haushalt eingestellt worden sind. Dassind Dinge, die wir gemeinsam in den Beratungen undauch in der Bereinigungssitzung auf den Weg gebrachthaben. Ich finde, dass alle diese gemeinsamen Entschei-dungen einmal hervorgehoben werden sollten. Denn beiallen gegensätzlichen Ansätzen von Koalition und Oppo-sition wollen wir doch alle nur eines, nämlich die richti-gen Impulse für unsere Bundeswehr, unseren Haushaltund unser Land setzen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Das Wort hat der Kollege Klaus-Peter Willsch von
der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Meine Damen und Herren! Herr Minister,dtewZudMWimDawvmswdakzhM9BdeasBdafrsKkradwAddRgsInfrfüfetutosNPali
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oder Entscheidungen intensiv betroffen wird. Daher istes gut, dass man darauf verweisen kann, dass hier nacheinem sehr rationalen und nüchternen Maßstabsystemvorgegangen wurde.Lassen Sie mich noch etwas zu unserer Detailarbeitim Haushaltsausschuss sagen. Wir haben noch ein paarkleinere Änderungen vorgenommen. Eine Auswirkungder Abschaffung der Wehrpflicht ist natürlich, dass esden Zivildienst als automatischen Zusatznutzen der Wehr-pflicht nicht mehr gibt. Aber mit dem Bundesfreiwilli-gendienst ist für die Träger von ehrenamtlicher gemein-nütziger Arbeit im Sozial- und Umweltbereich sowie inanderen Bereichen die Möglichkeit geschaffen worden,Ersatz zu bekommen.Wir haben durch einen Haushaltsvermerk dafür Sorgegetragen, dass überschüssiges Material, das in der Bun-deswehr abgängig ist, übernommen werden kann, undzwar nicht nur durch das THW, sondern auch durch an-dere anerkannte Katastrophenschutzorganisationen. Ichdenke, dass wir damit nicht nur den freiwilligen Wehr-dienst, sondern auch andere Organisationen, die demMotto „Wir.Dienen.Deutschland.“ verpflichtet sind, un-terstützen.Durch die Entscheidungen, die getroffen worden sind,verfolgen wir das Ziel, eine Armee zu haben, die mit biszu 185 000 Soldaten dem zukünftigen Einsatzspektrumgerecht werden kann und wird. Es geht in der Zukunftnicht mehr um die Verteidigung der Landesgrenzen, son-dern zukünftige Einsätze erfolgen vor allem an der Seiteunserer Partner innerhalb der EU und innerhalb derNATO. Dabei steht die Sicherung der Seewege zumSchutz unserer Handelsschifffahrt genauso auf der Tages-ordnung wie Einsätze gegen den international operieren-den Terrorismus, die von hoher Intensität und mit hohenRisiken verbunden sind.Wir brauchen natürlich eine schlagkräftige Truppe,die schnell und flexibel einsatzbereit und verlegefähig istund deren Ausbildung in Deutschland sich darauf kon-zentriert, sie bestmöglich auf ihr Einsatzspektrum vorzu-bereiten. Wir haben, damit dieser Umbau gut gelingenkann, versucht, auch im Personalbereich – dazu wirdJürgen Koppelin noch etwas sagen – Vorsorge zu treffen.Wir wollten unter anderem verhindern, dass im Bereichder Portepeeträger Beförderungsstaus eintreten. Dane-ben haben wir auch besonders an die zivilen Beschäftig-ten im mittleren Dienst gedacht.Bei internationalen Einsätzen und bei der Zusammen-arbeit mit unseren Partnern kommt es natürlich auch dar-auf an, dass wir kooperationsfähig sind. Deshalb habenwir gesagt – das geht über das, was das Haus dazu vor-geschlagen hat, hinaus –: Wir brauchen einen Einstieg indas Vorhaben „Infanterist der Zukunft – Erweitertes Sys-tem“ und wollen hierfür eine Anschubfinanzierung; Kol-lege Brinkmann hat diesen Aspekt dankenswerterweiseangesprochen und auch mit unterstützt. Es ist nämlichAusdruck einer Parlamentsarmee, dass wir die wesentli-chen Entscheidungen hier im Parlament und in der Regelzusammen treffen. Für das Projekt „Infanterist der Zu-kunft“ haben wir daher mit einer Anschubfinanzierungvon 30 Millionen Euro Vorsorge getroffen.dkEagwscliddFasubsliggewensDtuInedDesmslerehgddBM
abei sind natürlich die strikten Kriterien, die wir dafürntwickelt haben, einzuhalten.
Es gibt genügend Nachfrage nach ordentlicher deut-cher Präzisionstechnologie und Wertarbeit. Das Parla-ent und die Regierung können hier also helfen. Dasollte für uns alle eine wichtige Aufgabe sein, nicht zu-tzt angesichts von 80 000 Arbeitsplätzen in diesem Be-ich und des Rufs, den Deutschland auf diesem Feldat, weil es auch hier über exzellente Spitzentechnolo-ien verfügt.
Sie sehen: Es bleibt viel zu tun. Aber der Zug fährt inie richtige Richtung. Ich bedanke mich nochmals aus-rücklich für das gute Miteinander, auch innerhalb dererichterstattergruppe. Mein Dank gilt aber auch deministerium.
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Klaus-Peter Willsch
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Die CDU/CSU-Fraktion wird dem Einzelplan 14 na-türlich zustimmen.Danke sehr.
Das Wort hat die Kollegin Christine Buchholz von der
Fraktion Die Linke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächstmüssen wir feststellen, dass die Bundesregierung offen-sichtlich beschlossen hat, das Verteidigungsministeriumvon den Sparbemühungen des Bundes auszunehmen. Siehatten uns versprochen, dass auch beim Militär gespartwerden muss; das war eine zentrale Begründung für dieBundeswehrreform. Aber jetzt stellen wir fest: Der Etatdes Verteidigungsministeriums ist nicht verkleinert wor-den. Aber nicht nur das: Wenn wir die NATO-Kriteriendafür, was Verteidigungsausgaben sind, anlegen, dannmüssen noch weitere 3,7 Milliarden Euro aus anderenHaushaltstöpfen dazugezählt werden. Das sind 1 Mil-liarde Euro mehr als noch im laufenden Jahr. Auf dieseWeise versteckt, wächst das Verteidigungsbudget 2012im Vergleich zu 2011 um 1,2 Milliarden Euro auf 35,4 Mil-liarden Euro an. Seien Sie so ehrlich, das den Steuerzah-lern zu sagen!
Aber auch diese Rechnung ist noch lange nicht voll-ständig. Ich möchte das einmal anhand der Kosten fürden Krieg in Afghanistan deutlich machen: Die reineneinsatzbedingten Kosten für ISAF im Verteidigungsetatbelaufen sich auf rund 800 Millionen Euro. In Wirklich-keit ist es aber mehr als das Vierfache.Die erste Mogelpackung. Die Regierung rechnet so-gar innerhalb des Verteidigungsetats die Kosten für denEinsatz runter. Beispielsweise wird der Grundsold fürdie eingesetzten Soldaten nicht dem Einsatz zugeschrie-ben. Dabei könnte die Zahl der Soldaten drastisch redu-ziert werden, wenn die Regierung endlich damit aufhö-ren würde, Soldaten ins Ausland zu schicken.
Dasselbe gilt auch für die Transportflugzeuge, Schützen-panzer, Tornados, AWACS und andere Sachen. Sie wol-len in Zukunft ja zwei dieser Einsätze durchführen kön-nen. Das können wir uns sparen.
Die zweite Mogelpackung. Die Kosten für den Ein-satz werden in andere Ressorts ausgelagert, seien es dieKosten für die Nachversorgung der Verwundeten undHinterbliebenen, die Kosten für die Entschädigung derzivilen afghanischen Opfer – wenn sie denn überhauptbezahlt wird und nicht, wie im Fall des Kunduz-Massa-kers, nicht bezahlt wird – und auch die Kosten für denPisgliliskdUgrusisdfeSDmdKfrMHtataakWvGbkcbtuNinBtesliwreBA
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16973
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Nutzen Sie die freiwerdenden Mittel für friedliche undsoziale Maßnahmen, die den Menschen in Afghanistanund in Deutschland zugutekommen!Vielen Dank.
Das Wort hat der Kollege Jürgen Koppelin von der
FDP-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ichhabe von den Linken natürlich keinen anderen Redebei-trag erwartet, aber ich möchte mich beim KollegenBrinkmann und auch beim Kollegen Willsch für ihreBeiträge recht herzlich bedanken, zeigen sie doch, dasswir wirklich Gemeinsamkeiten haben.Kollege Brinkmann hat darauf aufmerksam gemacht:Die Bundeswehr ist unsere Parlamentsarmee. Die Be-richterstattergespräche – darin schließe ich die KolleginLötzsch als Berichterstatterin ausdrücklich mit ein; IhrBeitrag, Frau Buchholz, hat das leider nicht wiedergege-ben – waren davon getragen, dass wir uns für die Bun-deswehr und für die Angehörigen der Bundeswehr ver-antwortlich fühlen. Ich finde, die Angehörigen derBundeswehr müssen das Gefühl und die Sicherheit ha-ben, dass wir ihre Sorgen und Nöte kennen und dass wirgemeinsam versuchen, diese Probleme zu lösen, auchwenn das manchmal nicht von heute auf morgen geht.
Die Angehörigen der Bundeswehr haben Anspruchdarauf, angesichts eines solchen Haushalts zu wissen:Wie sieht zukünftig ihr Dienst aus? Davon waren auchunsere Beratungen geprägt. Es gab – das will ich aus-drücklich sagen; das finde ich sehr angenehm – sehrviele Übereinstimmungen. Zum Beispiel waren wir unsalle darüber einig – dabei schließe ich den KollegenLindner mit ein –, dass die Bundeswehrsoldaten im Aus-land das beste Material bekommen müssen, das vorhan-den ist, und dass wir uns darum bemühen. Dafür möchteich mich bei allen recht herzlich bedanken, bei Ihnen,Frau Buchholz, natürlich nicht.
Das Thema Afghanistan, Herr Bundesminister, durch-zieht die Debatte am heutigen Tag. Deswegen lassen Siemich direkt einen Punkt ansprechen, der mir bei denHaushaltsberatungen aufgefallen ist und dem ich weiternachgehen werde. Da wir über Ihren Etat sprechen, willich ganz klar sagen, dass mir das große Sorgen macht.2010 hatten wir 100 Fälle, in denen hohe Geldbußen ge-gen Soldaten im Auslandseinsatz verhängt wurden. Im-merhin kam es hier zu Einnahmen von insgesamt1SwnesfaGüJkmkStiRarünsnsHteLAIclibsmehalegFzdwvtedSIcssihIhw
h möchte mich bei Staatssekretär Schmidt ausdrück-ch dafür bedanken – das war eine gute gemeinsame Ar-eit –, dass wir jetzt endlich zu einer Lösung gekommenind. Ich sage allerdings auch: Wenn man weiß, dassanche Fälle 40 Jahre alt sind, dann schämt man sichin bisschen, auch hier für uns, für den Bundestag. Wirätten schneller reagieren müssen.
Mit diesem Verteidigungsetat sind etwa 500 Stellen-nhebungen im militärischen Bereich und etwa 300 Stel-nanhebungen im zivilen Bereich verbunden. Dabeieht es vor allem darum, die langen Wartezeiten für dieeldwebellaufbahn endlich zu verkürzen. Solche Warte-eiten darf es nicht mehr geben. Damit folgen wir auchem Vorschlag des Ministeriums. Im Haushaltsentwurfaren zusätzlich Verbesserungen bei 6 000 Planstellenorgesehen. Das ist ein guter Vorschlag gewesen.Zu den Grünen muss ich sagen: Die von euch gestell-n Anträge kann ich nicht verstehen. Das, was ihr for-ert, hätten wir nie machen können. So soll die Zahl deroldatinnen und Soldaten auf 160 000 gesenkt werden.h will die anderen Forderungen gar nicht mehr vorle-en. Ich dachte, dass diese Zeiten bei den Grünen vorbeieien. Aber mit euren vielen Kürzungsvorschlägen falltr in eurer Entwicklung wieder ein paar Jahre zurück.r solltet noch einmal schauen, ob das wirklich so not-endig war.
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Dr. h. c. Jürgen Koppelin
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Wir haben eine Verbesserung der Versorgung der imAusland verletzten Soldaten beschlossen. Damit ist diesoziale und finanzielle Versorgung unserer Bundeswehr-angehörigen erheblich verbessert worden. Das trifft übri-gens auch auf traumatisierte Soldaten zu. Ihnen gilt nachwie vor unsere Fürsorge.Die Bundeswehr wird verkleinert; darüber ist schongesprochen worden. Das haben wir hier im Bundestagbeschlossen. Es ist selbstverständlich, dass wir dannauch finanzielle Mittel bereitstellen müssen, um den Ab-bau sozialverträglich zu gestalten. Den Betroffenen,Kollege Brinkmann, ist es übrigens egal, ob diese Mittelaus dem Einzelplan 60 oder dem Einzelplan 14 kommen.Durch die Verkleinerung der Bundeswehr – dasmusste jedem klar sein – müssen auch Standorte ge-schlossen werden. Für die betroffenen Orte ist das oftbitter. Das weiß ich. Die Entscheidungen sind schmerz-haft, aber notwendig. Es ist schließlich nicht das ersteMal, dass wir Standorte schließen.Wenn jetzt der Ruf kommt, diesen Orten finanziell zuhelfen, dann finde ich diese Forderung durchaus berech-tigt. Ich darf allerdings die Sozialdemokraten und anderedaran erinnern, dass es in früheren Fällen – in meinemWahlkreis gab es drei große Standorte – null finanzielleHilfe gab. Meine Leute an den drei Standorten haben nieetwas gesehen. Damals haben Sozialdemokraten Stand-orte geschlossen.Ich habe allerdings gelernt – das will ich Ihnen nichtvorenthalten, Herr Minister –: Eigentlich ist nur einerschuld daran, dass die Standorte geschlossen werden.Das sind nicht Sie. Wir haben einen Kollegen, der auchLandesvorsitzender der SPD in Bayern ist, nämlich HerrPronold. Ich dachte, er wäre heute anwesend, um sich zuengagieren. Er ist der Auffassung, dass die Standort-schließung durch Herrn Seehofer erfolgt ist.
Ich habe die Presseerklärung mitgebracht. Darin heißtes, Herr Seehofer habe damals dem Koalitionsvertragzugestimmt, in dem die Bundeswehrreform beschlossenwurde. Hätte er nicht zugestimmt, dann würden auchStandorte in Bayern nicht geschlossen werden. Eskommt aber noch stärker: Damit habe Herr Seehofer dieWehrpflichtarmee geopfert. Nun kommt noch etwas.Das hätte ich nie von den Sozialdemokraten gedacht.Kollege Pronold schreibt weiter:Es war ein kapitaler Fehler von Seehofer und derCSU, das Verteidigungsministerium nach demRücktritt von Guttenberg aufzugeben.Ich hätte nie gedacht, dass sich Sozialdemokraten dafüreinsetzen, dass das Verteidigungsministerium auch wei-terhin christlich-sozial geführt wird. Aber man lerntdazu und hört das gern.
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Grundsätzen von Haushaltsklarheit und Haushaltswahr-heit hat dieser Verschiebebahnhof nichts gemein.
Dass Sie Ihr eigenes Sparziel offenbar selbst nichtsehr ernst nehmen und für glaubwürdig halten, wird erstrecht deutlich, wenn man versucht, sich auf Ihre mittel-fristige Finanzplanung, also auf den 44. und 45. Finanz-plan der Bundeswehr, einen Reim zu machen. Im 44. Fi-nanzplan finden sich noch die erwähnten Einsparungenvon 8,3 Milliarden Euro. Schaut man in den 45. Finanz-plan, so findet man Einsparungen von nur noch 2,3 Mil-liarden Euro. Allein 2014 wollen Sie 3 Milliarden Euromehr ausgeben. Mit Haushaltskonsolidierung hat dasnichts zu tun.
Wenn man nachfragt – so wie ich dies getan habe –,warum das Ganze so ist, dann bekommt man von dieserRegierung allen Ernstes die Antwort, dass das geringereSparziel alleine den Mietzahlungen, die die Bundeswehrvon diesem Jahr an zu leisten hat, geschuldet ist. Das istder Punkt, an dem spätestens Schönreden beginnt. Eswar letztes Jahr bekannt, dass die Bundeswehr ihre Lie-genschaften übertragen muss, Mietzahlungen zu leistenhat und eine Kompensation erhält. Es war bekannt, dassdiese Zahlungen anfallen werden, und es war im letztenJahr noch möglich, Einsparungen auszuweisen. In die-sem Jahr ist plötzlich nichts mehr möglich. Das ist inetwa so, als wenn man Anfang Dezember plötzlichmerkt, dass am 24. Weihnachten ist und das Geld nichtreicht. Ähnlich überraschend kommen nämlich dieseMietzahlungen.
Nein, Herr Minister, mit Ihrer Sparankündigung sind Siebei der Reform als Tiger gesprungen und als Bettvorle-ger gelandet.
Es gibt aber neben dem Sparbeitrag auch andere Not-wendigkeiten, warum wir eine Reform unserer Streit-kräfte brauchen. Wir müssen die Bundeswehr an die si-cherheitspolitischen Realitäten anpassen. Es ist richtig,Herr de Maizière: Sie krempeln den Laden mit IhrerBundeswehrreform kräftig um. Aber dennoch greifenSie viel zu kurz. Sie verharren in alten Denkmustern undhaben die Chance vertan, unsere Streitkräfte auf ihrewahrscheinlichsten Kernaufgaben zu konzentrieren. MitIhrem Anspruch „Breite vor Tiefe“ zwingen Sie dieBundeswehr, an überflüssigen und kostspieligen Fähig-keiten, wie beispielsweise der nuklearen Teilhabe, fest-zuhalten. Das muss ein Ende haben.
In der Konsequenz ist die Bundeswehr mit 185 000Soldatinnen und Soldaten viel zu groß und zu teuer. WirGrüne fordern eine fokussierte Bundeswehr mit 160 000Soldatinnen und Soldaten.
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Ich komme zum Schluss. Ihr Vorgänger Karl-Theodoru Guttenberg veröffentlicht in diesen Tagen ein neuesuch. Sein Titel, also nicht der Titel von Herrn zu Gut-nberg, sondern der des Buches, passt wie ein Fazit zurer Reform. Er lautet: Vorerst gescheitert.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Bundesminister Dr. Thomas deaizière.
Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Ver-idigung:Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dasahr 2011, das jetzt schon fast zu Ende geht, war in derat ein Jahr vieler sehr, sehr wichtiger Entscheidungenr die Bundeswehr. Es begann mit der Aussetzung derehrpflicht. Das Zweite war die Vorlage der Verteidi-ungspolitischen Richtlinien im Mai. Es folgte im Zu-ammenhang damit die Festlegung des Gesamtumfangser Streitkräfte – es war schon die Rede davon – bis zu85 000: 170 000 plus 5 000 plus x. Der nächste Schrittar die Beschlussfassung über den Haushalt auf Regie-ngsebene mit dem 45. Finanzplan, der hier sehr unter-chiedlich bewertet wird. Ich finde das Ergebnis gut.arauf komme ich gleich noch einmal zurück.Es folgte dann die Entscheidung über die Grobpla-ungen im Einzelnen: Wie groß soll das Heer sein, wieroß die Luftwaffe oder wie groß die Marine? In der Tat,err Lindner, haben wir uns für den Grundsatz „Breiteor Tiefe“ entschieden. Wir sind zum Beispiel dem Vor-chlag des von mir im Übrigen wirklich sehr geschätztenorsitzenden der sogenannten Weise-Kommission,errn Weise, nicht gefolgt und haben nicht gesagt: Wisstr was? Wir können im Rahmen von „Pooling &haring“ auf die Marine verzichten; denn Großbritan-ien hat eine Marine.
Na ja, so ähnlich schon. Das würde nicht nur bei Herrnartels, Herrn Koppelin, Herrn Gädechens usw. auf Pro-leme stoßen, sondern das wäre auch falsch. Der GrundsatzBreite vor Tiefe“ ist, wenn die Breite eine vernünftigeorm hat, richtig. In dieser Auffassung unterscheidenir uns.Es folgten die Entscheidung zur Verkleinerung undmstrukturierung des Ministeriums, das Reservisten-onzept, die Liste mit Angaben zu den Großgeräten, dieufsetzung eines neuen Beschaffungs- und Rüstungs-
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Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizièreprozesses – dazu sage ich gleich noch ein paar Worte –und schließlich die Stationierungsentscheidung am26. Oktober. Diese war – Herr Willsch und einige anderehaben es bereits gesagt – eine Folge der vorhergehendenEntscheidung. Die Stationierungsentscheidung ist nichtdie Neuausrichtung, sondern eine logische Folge von all-dem. Ich verstehe die Sorgen und Nöte der Betroffenenvor Ort, ob es die Angehörigen, der Bäcker um die Eckeoder der Bürgermeister sind. Darüber wird zu sprechensein. Die Entscheidung selbst war notwendig. Ich be-danke mich für die – jedenfalls im Großen und Ganzen –damit verbundene Akzeptanz.
Ausgangspunkt unserer Überlegung war das Ziel,über Streitkräfte zu verfügen, die dem Stellenwert undder Verantwortung unseres Landes entsprechen und beidenen Auftrag und Mittel zusammenpassen. Die Neu-ausrichtung ist – wir haben darüber diskutiert – sicher-heitspolitisch begründet. Sie ist mit Blick auf unserekleiner werdenden Jahrgänge demografisch abgesichert,und sie ist solide finanziert. Wir brauchen die Neuaus-richtung, um die Herausforderungen und Gefährdungenunserer Sicherheit zu meistern.Die Finanzausstattung mit 31,9 Milliarden Euro istnicht üppig. Aber sie ist angemessen, und sie ist – soweitdas angesichts der Zeit, in der wir leben, überhaupt mög-lich ist – mittelfristig gesichert. Folgendes ist uns gelun-gen – ich will nur ein paar Beispiele nennen; einige sindschon genannt worden –:Wir werden ein zusätzliches Reformbegleit- undAttraktivitätsprogramm in Höhe von 200 Millionen Euroaufstellen. Es wird in den nächsten Jahren etwas auf-wachsen.Wir haben die Ausgaben für die internationalen Ein-sätze um 250 Millionen Euro erhöht. Frau Buchholz, daswollten wir tun, weil wir finden, dass der Schutz der Sol-daten, die in unserem Auftrag tätig sind, oberste Prioritäthat.
Wir haben die Ausgaben für die Materialerhaltung ge-genüber der bisherigen Planung um 212 Millionen Euroverstärkt; denn da gab es immer einen Engpass. Das warauch immer eine Art Sparbüchse: Wenn es nicht gereichthat, dann wurde beim Benzin gespart. Das wollen wirändern.Darüber hinaus nehmen wir – Herr Koppelin hat dar-auf hingewiesen; dafür bin ich besonders dankbar –6 000 Planstellenverbesserungen für die Mannschafts-dienstgrade und rund 500 Stellenhebungen für Soldatenund zivile Mitarbeiter im unteren Bereich vor. Gesternhat Herr Schneider im Zusammenhang mit der ersten Le-sung des Etats des Finanzministeriums Stellenhebungenkritisiert.
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Bei allen anderen freue ich mich darüber. Vielleichtenken die Grünen einmal darüber nach, ob Sie bei allerritik im Einzelnen, die man natürlich haben kann undie auch wir haben – die SPD kritisiert die Reduzierunguf nur noch 55 000 zivile Mitarbeiterinnen und Mitar-eiter; die Grünen plädieren sogar für eine noch kleinerermee mit 160 000 Soldaten; sie haben allerdings nieesagt, ob etwa auch die freiwillig Wehrdienstleistendennd andere dazugerechnet werden sollen –, nicht dochieder zu einem Konsens zurückkommen wollen. Wennh die momentanen Differenzen ausblende, muss ichststellen: Dass Union, FDP und SPD in Bundeswehr-agen einen Konsens hatten, hat dieser Republik in dentzten 60 Jahren ziemlich gutgetan. Ich möchte, dassas so bleibt.
Ein Wort zur Rüstungsindustrie. Herr Koppelin hatereits darauf hingewiesen, dass wir schwierige Gesprä-he geführt haben. Man muss wissen, dass die Entwick-ng in anderen Staaten ähnlich verläuft. Aber ich mussiederholen – das sagen alle meine Kollegen; der fran-ösische Verteidigungsminister kommt nachher in denerteidigungsausschuss –: Unsere Beschaffungsprozesseind absolut unzureichend. Das liegt an der Besteller-eite, aber auch an der Unternehmensseite. Die Qualitättimmt oft nicht. Preisabsprachen werden nicht eingehal-n, und es wird nicht pünktlich geliefert. So können wiricht weitermachen. Wir werden sehr harte Gesprächehren, mit dem Ziel, das zu ändern, aber nicht um ein-usparen, sondern um überhaupt wieder Spielraum füreue Beschaffungen zu bekommen.Ein Wort zum Reformbegleitprogramm. Wir redeniel über Strukturen. Aber es geht hier in erster Linie umenschen, um die Soldatinnen und Soldaten sowie umie zivilen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Für sie alleollen wir etwas tun, und zwar sowohl für diejenigen,
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Dr. Thomas de Maizière, Bundesminister der Verteidigung
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Bundesminister Dr. Thomas de Maizièredie bleiben – sie sollen eine Erhöhung der Vergütung fürbesondere zeitliche Belastungen erhalten –, als auch fürdiejenigen, die die Bundeswehr verlassen müssen. Daskann man angesichts des Personalabbaus bei den zivilenBeschäftigten in den vergangenen 20, 30 Jahren viel-leicht großzügig nennen. Aber ich halte es für angemes-sen. Derjenige, von dem viel verlangt wird, kann auchein besonderes Maß an Fürsorge erwarten. Das wollenwir hiermit bieten. Ich hoffe, dass wir über den entspre-chenden Gesetzentwurf, sobald er vorliegt, zügig beratenwerden.So viel zu den Entscheidungen in diesem Jahr. Daswar, ehrlich gesagt, noch der leichtere Teil der Übung;denn jetzt geht es um die Umsetzung. Sie wird schwierigund ist nicht in einem Jahr zu machen. Dafür brauchenwir Jahre. Wir müssen das alles kontinuierlich umsetzen,Mentalitäten verändern, den Spaß an Verantwortung för-dern und so arbeiten, dass Führen mit Auftrag auf allenEbenen Realität und nicht nur Anspruch ist; das dauert.Die Mühen der Ebenen sind oft größer als die Mühendes Aufstiegs.Wir müssen das alles bei laufenden Einsätzen tun.Wir werden im Dezember in erster Lesung über denISAF-Einsatz in Afghanistan beraten; Herr Koppelinund andere haben davon in der außenpolitischen Debatteschon gesprochen. Ich würde mich freuen, wenn auchhier große Einigkeit über Ziel und Umsetzung bestünde.
– Darüber freue ich mich.
Wir werden später die Anträge auf Fortsetzung derBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an Ata-lanta und an Active Endeavour diskutieren. Der franzö-sische Verteidigungsminister kommt nachher in den Ver-teidigungsausschuss. Wie gesagt, wir müssen alles beilaufenden Einsätzen machen. Es handelt sich quasi umeine Operation am offenen Herzen. Wir wollen bündnis-fähig bleiben und unseren Verpflichtungen nachkommenund gleichzeitig Umstrukturierungen vornehmen. Dasverlangt viel Kraft, viel Aufmerksamkeit, viel Fürsorgeund viel Unterstützung. Ich spüre diese Unterstützungfür die Soldatinnen und Soldaten sowie die zivilen Mit-arbeiterinnen und Mitarbeiter hier und außerhalb desHauses. Dafür bedanke ich mich. Ich bitte darum, dabei-zubleiben, auch wenn es bei der Umsetzung das eineoder andere Problem gibt. Ich freue mich über die Zu-stimmung zum Einzelplan 14, die wir hoffentlich gleicherleben werden.Vielen Dank.
Für die SPD spricht nun der Kollege Rainer Arnold.
Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen!Lassen Sie mich mit dem Positiven beginnen: Es ist indimcdligruEudbbwIceewledMViseApsGWWdHsereDadaLgkgDGwgglambn
ier gibt es noch viel zu klären. Hätten wir das ge-chafft, wäre es einfacher, über Einsätze zu reden und zuntscheiden. Ich glaube, Sie sind schon in einer besonde-n Verantwortung, solche Debatten voranzubringen.ie Sozialdemokraten hätten Sie bei dieser Diskussionls Partner.Dasselbe gilt für die Frage: Welche Chancen bietetie Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitikuf europäischer Ebene in einer Situation, in der alleänder sparen müssen? Wir haben wiederholt darüberesprochen. Sie sagen, Sie machten lieber konkreteleine Schritte, als großen Reden zu halten. Ich will auchar nicht sagen, dass diese kleinen Schritte falsch sind.as ist die eine Seite. Aber nachdem Frankreich undroßbritannien, zwei Länder, die in ihrer Vorgehens-eise strategisch übereinstimmen, eine aus ihrer Sichtute Vereinbarung getroffen haben und in Europa voran-ehen, brauchen wir natürlich eine Antwort Deutsch-nds. Es ist schön, dass der französische Verteidigungs-inister heute hier ist; das reicht aber nicht aus. Wirrauchen auch auf europäischer Ebene jenseits der klei-en Schritte eine strategische Debatte.
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Rainer Arnold
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Eines ist ganz besonders wichtig: Bei den militäri-schen Fähigkeiten der Europäer, auch in der Vernetzung,ist man weiter und fortschrittlicher als bei den politi-schen Prozessen in Europa. Deshalb wäre es Aufgabedes Außenministers, der Bundeskanzlerin und des Ver-teidigungsministers, Impulse für diese politischen Pro-zesse zu geben.
Lassen Sie mich bei dieser Haushaltsberatung einpaar Sätze zu den Finanzen sagen. Herr Minister, die So-zialdemokraten hatten recht: Ein Einsparvolumen von8,3 Milliarden Euro ist nicht zu erbringen. Das ist deut-lich geworden. Es wäre schön und ein Zeichen vonGröße, wenn auch Sie sagen könnten: Ja, auch ich habemich in Neuhardenberg blenden lassen; ich habe ge-glaubt, dass man 8,3 Milliarden Euro einsparen kann.– Sie sagen aber in Wirklichkeit: Wir können 8,3 Milli-arden Euro einsparen; aber ich brauche mehr Geld. –Das passt nicht zusammen. Das steigert auch nicht dasVertrauen in die finanziellen Vorgaben für die Streit-kräfte in den nächsten Jahren.Sie praktizieren „linke Tasche – rechte Tasche“, in-dem Sie Kosten, die eigentlich im Verteidigungsressortanfallen, zum Beispiel für die Berechnung der Gehälter,in andere Ministerien verlagern. Sie sind mehr als einVerteidigungsminister: Bundesminister der Verteidi-gung. Für den Gesamthaushalt ist es kein Gewinn, wennSie so vorgehen. Was Sie da machen, ist vielleicht tak-tisch klug; es ist aber, fürchte ich, ein Fehler. Es ist des-halb ein Fehler, weil der größte Personalkörper sein ei-genes Personal nicht mehr bei der Hand hat und damitKompetenzen sowie das Verständnis für den Soldatenbe-ruf geringer werden. Das ist ein strategischer Fehler.Ich sehe schon vor mir, wie irgendwann einmal einFinanzminister sagt: Moment, ihr Verteidigungspoliti-ker, wir erbringen für euch mit der Gehaltsabrechnungund allem, was daran hängt, Leistungen, und die stellenwir dem Verteidigungsressort in Zukunft selbstverständ-lich sichtbar, der Haushaltsklarheit wegen, in Rechnung. –Herr Minister, wenn Sie in solchen Fragen schon nichtauf die Opposition hören wollen, sehen Sie wenigstensvon dem Schritt ab, die Verantwortung für das Personalauszulagern. Lassen Sie das. Hören Sie auf die Personal-vertretung. Nehmen Sie auch die gesetzlichen Bedenkenin diesem Bereich ernst.
Nun haben Sie viel über die Reform geredet. Ich willausdrücklich sagen: Vieles von dem, was hier angesto-ßen wurde, findet unsere Unterstützung. Ich kann hiernicht mit Klein-Klein jeden einzelnen Punkt herausgrei-fen. Aber eines, Herr Minister, ist nicht richtig, nämlichwenn Sie sagen: Die Reform ist sicherheitspolitisch be-gründet, gut finanziert und demografiefest. – Die Re-form ist sicherheitspolitisch nicht begründet. Die Welthat sich, was die Sicherheitspolitik angeht, in den letztenzwei, drei Jahren nicht wirklich verändert. Das Geld istknapper. Das ist gar kein Vorwurf; es wäre auch knapp,wenn die Sozialdemokraten regieren würden. Aber wirsollten es ehrlicherweise auch sagen.WtuskMDtrTleissainduFpkflDtiglesstuinstuwsmfiknnüdSdnlewwwbBsgF
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Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen! Die Bundeswehrreform, die wir zurzeitdurchführen, hat eigentlich mehr Aufmerksamkeit ver-dient, als sie in diesen bewegten Zeiten erhält, weil sienämlich auf neuen verteidigungspolitischen Herausfor-derungen basiert. Es ist, Kollege Arnold, überhaupt keinWiderspruch, wenn Sie sagen, dass die sicherheitspoliti-schen Herausforderungen heute dieselben sind wie voreinigen Jahren. Dann hätten Sie die Bundeswehrreformja auch damals schon durchführen können, Herr KollegeArnold.
Sie haben Truppenreduzierungen vorgenommen, wirmachen eine Strukturreform. Deswegen unterscheidetsich diese Reform von Reformen in früheren Jahren. AmEnde werden nicht nur Reduzierungen herauskommen,sondern auch klare Schwerpunktverlagerungen. Es gibteine klare Schwerpunktbildung beim Heer, weil dort,wie wir alle wissen, die Einsatzformen der Zukunft lie-gen.Meine Damen und Herren, obwohl auch diesmal wie-der Standorte betroffen waren, ist die Diskussion nachmeiner Wahrnehmung sehr sachlich, kriterienorientiertund dadurch ohne große Widerstände verlaufen. Deshalbganz herzlichen Dank an das Ministerium und alle Frak-tionen, die diesen Prozess unterstützt haben! Es ist eine– jedenfalls im Moment – gelungene Reform. Wir hof-fen, dass die Umsetzung genauso konsequent stattfindet.Wir haben, was die Einsatzversorgung angeht, in die-sem Jahr mit sehr breitem Konsens etwas für die Solda-tinnen und Soldaten, aber auch für die zivilen Bedienste-ten der Bundeswehr im Ausland getan. Es ist zugesagt,die letzten noch offenen Fragen im Rahmen des Reform-begleitgesetzes zu klären. Das werden wir aufmerksamverfolgen und gegebenenfalls konsequent einfordern.Ich denke, eines ist klar: Das Parlament steht mit brei-tem Konsens hinter den Soldatinnen und Soldaten sowiehinter den Zivilen, die wir ins Ausland entsenden. Diesgilt nicht nur in Sonntagsreden, sondern auch, wenn eskonkret um Verwundungen an Leib und Seele geht oderdarum, Folgen für Familien einzudämmen. Dazu demHohen Hause ganz herzlichen Dank!
Die Einsätze im Ausland, geprägt durch den Afgha-nistan-Einsatz, sind immer besonderer Aufmerksamkeitwert. Es ist mir in diesem Zusammenhang wichtig, nocheinmal zu betonen, dass wir in Afghanistan den Zenitunseres militärischen Einsatzes überschritten haben. Esmuss klar sein – das wird auch durch die Mandate, diedie entsprechenden Reduzierungen vorsehen, deutlich –,dass die Übergabe in Verantwortung konsequent vorge-nommen werden muss und dass sich unsere Partner inAfghanistan darauf einstellen werden.In diesem Zusammenhang noch ein Wort zum ThemaIndustrie; das ist vorhin bereits angesprochen worden.IcdpiskkdRDriewWDtedIttrvadedadungUdmdhderaSHnsihDagsaSpbg
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Für die Linke hat jetzt das Wort der Kollege Paul
Schäfer.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach Ab-schluss der Haushaltsberatungen bleibt nur eine Feststel-lung: Die Nöte der öffentlichen Haushalte werden immergrößer, die Sparvorgaben für das Bundesministerium derVerteidigung immer kleiner. Das ist schon bemerkens-wert. Denn am Anfang der Bundeswehrreform, mit derwir es zu tun haben, stand keine Festlegung im Koaliti-onsvertrag, kein großer Wurf, sondern ein großes Loch:das durch Bankenrettungen und Finanzmarktkrise ent-standene Riesenloch im Bundeshaushalt, weswegen einKonsolidierungsbeitrag aus dem Rüstungshaushalt ge-leistet werden sollte; immerhin 10 Prozent der Steuergel-der fließen dorthin. Davon ist nun wirklich nicht mehrviel, wenn überhaupt noch etwas, übrig geblieben; dasist schon gesagt worden. Wir hören jetzt wieder die altenTöne – „Bei der Sicherheit darf nicht gespart werden“ –,als ob wir uns wieder in der Bedrohungssituation desKalten Krieges befänden. Absonderlich!
Die Zahlen sind hier genannt worden: Aus dem ur-sprünglichen Sparziel – 8,3 Milliarden Euro – wurdeschnell ein kleineres Sparziel: 4,3 Milliarden Euro. DerVerteidigungsminister darf sich beim Finanzminister sehrgroßzügig bedienen: Er erhält im nächsten Jahr 2 Milliar-den Euro zusätzlich für den Umbau der Bundeswehr. Ja,der Strukturwandel muss sozialverträglich gestaltet wer-den; das kostet Geld. Insofern ist es sogar zu loben, dassdas Weihnachtsgeld für Beamte, Richter und Soldaten,das gekürzt werden sollte – damit wären Sie wortbrüchiggeworden –, doch gezahlt wird; es wird aus diesen Mit-teln finanziert. Aber Sie sparen nicht an den Stellen ein,an denen energisch gespart werden muss.
Die Rede ist von den irrsinnigen Beschaffungsvorha-ben aus den 90er-Jahren: Eurofighter, Tiger und A400M.Jetzt haben Sie festgestellt: Das ist selbst für Sie zu viel.Sie wollen also die Stückzahlen reduzieren. Was machtman? Man schickt die Minister dieser Regierung im In-teresse der Rüstungsindustrie auf Werbereise; sie sollenfür Absatz sorgen. So sieht die Abrüstungsagenda dieserBundesregierung aus.
Die Rede ist auch vom Einstieg in neue Rüstungspro-jekte: EuroHawk, Fregatte 125, Schützenpanzer. DieRede ist von der strikten Ausrichtung der gesamten Bun-deswehr auf die Auslandseinsätze. Das hat seinen Preis.Etwas mehr als 1 Milliarde Euro sind ausgewiesen; denwahren Preis hat meine Kollegin Buchholz hier genannt.Das ist etwas, was wir uns nicht mehr leisten können undsollten.Herr Koppelin, an dieser Stelle eine Anmerkung zuIhnen – nicht nur zu Ihnen –: Ja, dieses Parlament trägtVdsSnmEmdskmmcdwbSssdzbtioRteKdgssrisstedFJbamDKLsvhd
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nem Topf ist nichts; darum soll sich doch die Bundes-anstalt für Immobilienaufgaben kümmern. – Nein, sofunktioniert das nicht. Wir brauchen einen gut ausgestat-teten Konversionsfonds des Bundes; wir brauchen dieBereitstellung verbilligter Kredite für die Gemeinden;wir brauchen eine veränderte Geschäftsgrundlage für dieBImA, die primär am Verwertungsinteresse der Gemein-den ausgerichtet ist und nicht an der Gewinnmaximie-rung für den Bund;
und wir brauchen die Wiederbelebung von Strukturen,die alle Ebenen umfassen, um diesen Konversionspro-zess wirklich zu steuern.Darum geht es in unserem zweiten Entschließungsan-trag – um nicht mehr und nicht weniger. Wir wollen dieBundesregierung zwingen, an dieser Stelle endlich ihrePflicht zu tun. Sie sollten unserem Antrag zustimmen.Vielen Dank.
Das Wort hat jetzt der Kollege Omid Nouripour von
Bündnis 90/Die Grünen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ichglaube, dass ich die nächsten Sätze im Namen aller imHohen Hause sprechen darf. Wir haben heute die Mel-dung erhalten, dass zwei Soldaten in Baglan bei einemSprengstoffanschlag verletzt worden sind. Ich denke,dass wir alle ihnen beste, schnellstmögliche und vor al-lem vollständige Genesung wünschen. Vor allem ihrenFamilien wünschen wir gerade in diesen schwierigenStunden viel Kraft.
Lieber Herr Koppelin, vor etwa drei Jahrzehnten isteinmal ein Hubschrauber bestellt worden, der für denEinsatz gegen die Panzerarmee aus dem Osten gedachtwar.
Das war der Tiger. Ich weiß, dass Sie sich damals schongewünscht haben, dass die Grünen endlich wieder mitre-gieren mögen. Aber selbst heute fliegt das Ding nochnicht. Der Tiger – das hat der Kollege Spatz gerade de-zent angemerkt – war für ganz andere Aufgaben vorge-sehen zu der Zeit, als er bestellt wurde, als die, die heutezu bewältigen sind. Der Tiger ist in der Beschaffungdeutlich teurer geworden. Vor allem ist er, wie gesagt,noch nicht da. Seine Beschaffung ist teuer, spät und cha-otisch. Das ist ein Beispiel für viele Beschaffungspro-jekte. Man kann noch einige andere nennen.Ich weiß, Sie würden da MEADS sagen.
– Verehrter Kollege von der FDP, ich würde mir heuteecht Zwischenrufe dazu ersparen, wie es ist, der kleineKsuwdsDdSnhlevmngbaGsnleinegletehwdadeazAbwdmDddBdsan
Wir bleiben dabei, dass wir in vielen Bereichen im-er noch vor einem riesengroßen Fragezeichen stehen.ie Bundeswehrreform ist weiterhin – und nicht nur iner Umsetzung – ein Gerüst. Wo bleibt denn eigentlichie ressortübergreifende Zusammenarbeit bei dieserundeswehrreform? Ich kann sie nicht erkennen. Wo istenn eigentlich eine Veränderung der Beschaffungs-truktur zu erkennen? Sie wollen bestehende Verträgeuflösen und neue abschließen. Wie aber in Zukunfteue Beschaffungen durchgeführt werden sollen, da die
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Omid Nouripour
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veränderten Strukturen so nicht mehr funktionieren, istmir bisher überhaupt nicht klar. Die Kommission, die Sieselbst zitiert haben, hat damals festgestellt, dass dasBWB so nicht mehr weiterexistieren sollte. Was sich nunaber ändert, außer dass zwei nicht ganz effiziente Struk-turen zusammengelegt werden, verstehe ich ohnehinnicht.Mannschaftsdienstgrade beschäftigt die zentraleFrage: Wie können Laufbahnen flexibler und damit at-traktiver gestaltet werden? Es ist mir nicht wirklich klar,wie die Attraktivität der Bundeswehr so konzeptioniertwerden kann, dass die Breite der Gesellschaft auch nachder Aussetzung der Wehrpflicht von ihr widergespiegeltwerden kann.Die Arbeitnehmer- und Arbeitnehmerrinnenrechtesind ein Thema, das im 21. Jahrhundert wohl auch beider Bundeswehr auf die Tagesordnung gesetzt werdensollte. Die Perspektive der inneren Führung, über die wirGrüne sehr häufig diskutieren, wirft Fragen auf: Wohinwollen Sie mit der Bundeswehr? In welche Richtung solldas Konzept der inneren Führung weiterentwickelt wer-den? Das alles ist nicht klar.Es ist alles so unglaublich vage, dass ich überhauptnicht zu sagen vermag, ob diese Reform wirklich vonhinten bis vorne Sinn macht. Wir werden Sie weiterhinkritisch begleiten. Wir hoffen, dass wir am Ende eine Ar-mee haben werden, die nicht größer ist, als sie sein muss,eine Armee, die im Dienste der Vereinten Nationen ihremaus dem Grundgesetz abgeleiteten Auftrag nachgehen kann.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Das Wort hat jetzt der Kollege Ernst-Reinhard Beck
von der CDU/CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kolle-gen! Der uns vorliegende Verteidigungshaushalt mit sei-nen rund 31,8 Milliarden Euro musste unterschiedlichs-ten Vorgaben Rechnung tragen. Ich erinnere noch einmalkurz daran: Da ist zum einen die Bundeswehrreform, dasind zum anderen die nicht unerheblichen Kosten für dielaufenden Einsätze, und da ist nicht zuletzt die Notwen-digkeit von Einsparmaßnahmen im Bereich Haushalts-konsolidierung. Das sind die drei Ausgangspunkte. We-sentliche Bestandteile der Konsolidierungsmaßnahmensind die Aussetzung der Wehrpflicht, die Schaffung effi-zienterer Strukturen bei der Bundeswehr, die Reduzie-rung von Standorten und der sozial verträgliche Abbauvon Personal.Trotz schwieriger Ausgangslage ist es gelungen, einenFinanzrahmen festzulegen, mit dem weiterhin eine ange-messene und verantwortungsvolle Sicherheitspolitik fürunser Land möglich ist. Dem Bundesminister für Vertei-dccdstidgnPMgBunskdpvfePmfockwwÜdgdsleosTguwmdbDwnbzvmIc
Geradezu sträflich wäre es aber, jene zu vernachlässi-en, die bei der Bundeswehr bleiben, auf deren Dienstnd Leistung wir tagtäglich angewiesen sind und auf dieir uns verlassen können müssen. Ihnen hat unsere Auf-erksamkeit ebenso zu gelten – und nicht nur währendes Übergangs zur neuen Struktur.Die Bundeswehr steht auf dem Arbeitsmarkt im Wett-ewerb mit großen und mittelständischen Unternehmen.ies ist eine andauernde Herausforderung. Die Bundes-ehr muss sich, so meine ich, in diesem Wettbewerbicht verstecken. Aber sie kann in einigen Bereichenesser werden. Die Forderungen nach mehr Fürsorge,um Beispiel hinsichtlich einer besseren Vereinbarkeiton Familie und Dienst – Stichwort „Kinderbetreuung“ –,üssen jetzt konsequent angegangen und erfüllt werden.h nenne exemplarisch die Wahlmöglichkeit zwischen
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16983
Ernst-Reinhard Beck
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Umzugskostenvergütung und Trennungsgeld sowie dieBereitstellung geeigneter Pendlerunterkünfte. Aber auchdie Anhebung der Sätze für mehrgeleisteten Dienst istein wichtiges Signal für unsere Soldatinnen und Solda-ten.In diesem Zusammenhang – das ist vorhin kurz ange-sprochen worden – möchte ich auch die Wiedereinfüh-rung der Sonderzuwendung, im Volksmund „Weih-nachtsgeld“ genannt, besonders positiv hervorheben.Hier hat die Koalition ein wichtiges Versprechen einge-löst und dadurch, wie ich meine, an Glaubwürdigkeit zu-rückgewonnen.
Es gilt aber auch, die Ausrüstung der Bundeswehr aufdie aktuellen und die wahrscheinlichen künftigen Ein-sätze abzustimmen. Es gibt noch immer Defizite bei dervorhandenen Ausrüstung, die rasch behoben werdenmüssen.Handlungsbedarf besteht aber auch bei der in Be-schaffung befindlichen Ausrüstung. Es ist vorhin schonmehrfach gesagt worden: Sie wurde zum Teil noch in derZeit des Kalten Krieges beschafft, und zwar in zu großerStückzahl für die nun kleinere Bundeswehr. Diese Groß-projekte schnüren uns die Luft ab, sodass wir jene Aus-rüstung, die wir für zukünftige Aufgaben brauchen, nichtbeschaffen können. Hier müssen Freiräume geschaffenwerden. Der Minister steht mit den Unternehmen im Ge-spräch, was wir ausdrücklich unterstützen. Letztlich gehtes nicht nur um Finanzmittel und Rüstungsgüter, son-dern auch um industrielle Kernkompetenzen in unseremLand. Beide Seiten müssen im Interesse der Soldatinnenund Soldaten im Einsatz eine Lösung finden.Das richtige Gerät zur rechten Zeit im Einsatz zurVerfügung zu haben, das muss die Richtschnur unseresHandelns sein.
Voraussetzung dafür ist, dass das Beschaffungswesender Bundeswehr zukünftig schneller und kostengünstigerAusrüstung zur Verfügung stellt. Dies ist eine besondereHerausforderung für das Gelingen der gesamten Reform.Die ersten Ansätze stimmen mich hier durchaus optimis-tisch.In den Haushaltsberatungen konnten wir beim Titelfür Handwaffenmunition eine Verbesserung erzielen;Kollege Willsch hat vorhin ausdrücklich darauf hinge-wiesen. Der Verbrauch im Einsatz und die einsatznaheSchießausbildung haben zu einem signifikanten Mehr-bedarf geführt. Ich hebe dies hervor, weil in diesem Be-reich den Bitten aus den Truppen im Einsatz und in derAusbildung unmittelbar Rechnung getragen werdenkonnte.
Auch hinsichtlich der Beschaffung eines leichtenMehrzweckhubschraubers zur Verbringung von Spezial-kräften bei Nacht und unter Bedrohung sind wir auf ei-nem guten Weg.wwsntaHszresdtelidnssnSugDnsisRHdknavgHzgcliPrurudhteihtrd
nd seinen Stellvertretern Erdel und Groschek herzlichratulieren. Mit diesem Glückwunsch verbinde ich denank an alle Reservistinnen und Reservisten.
Die Verbundenheit der Gesellschaft mit den Soldatin-en und Soldaten ist wichtig für das gegenseitige Ver-tändnis. Gerade vor dem Hintergrund der Einsatzrealitätt dies unverzichtbar. Mit dem Beruf des Soldaten istisiko für Leib und Leben verbunden. Dies ist wahr.err Kollege Nouripour, Sie haben darauf hingewiesen,ass wir heute wieder zwei verwundete Soldaten zu be-lagen haben, denen wir von hier aus unsere besten Ge-esungswünsche übermitteln. Das ist schrecklich, kannber trotz bester Ausrüstung und bester Ausbildung nieöllig verhindert werden. Umso wichtiger ist der Um-ang mit dieser Situation.Bestmögliche Versorgung und Absicherung, auch voninterbliebenen und Angehörigen, verlangen Fingerspit-engefühl und Großzügigkeit. Viele Veteranen kommenezeichnet aus dem Einsatz zurück. Die sanitätsdienstli-he Versorgung von Verwundungen, körperlich wie see-sch, steht daher ganz oben auf unserer Agenda. Dasarlament hat mit dem Einsatzversorgungs-Verbesse-ngsgesetz darauf reagiert und entscheidende Verbesse-ngen erzielt. Wir sind hier auf dem richtigen Weg. Ichanke noch einmal allen, die daran Anteil hatten.Zum Abschluss, liebe Kolleginnen und Kollegen, ge-en meine Gedanken zu unseren Soldatinnen und Solda-n im Einsatz. Auch dieses Jahr werden Tausende vonnen die Weihnachtstage fernab der Heimat und ge-ennt von ihren Familien feiern müssen. Sie tun dies inem Bewusstsein, unserer Sicherheit zu dienen. Sie die-
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Ernst-Reinhard Beck
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nen Deutschland. Sie verdienen unseren Dank und un-sere volle Unterstützung.Herzlichen Dank.
Das Wort hat der Kollege Dr. Hans-Peter Bartels von
der SPD-Fraktion.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ineiner differenzierten Debatte ist es wichtig, über Ge-meinsamkeiten und über Unterschiede zu reden. In denFragen der äußeren Sicherheit unseres Landes suchenwir Sozialdemokraten so viel Konsens wie möglich, aberwir müssen auch vor Fehlentwicklungen aus unsererSicht warnen und Alternativen vorschlagen.Es hat keinen Sinn, mit jedem Regierungswechsel dieBundeswehr ganz neu zu erfinden. Die Bundeswehr, dieSoldatinnen und Soldaten sowie die Zivilbeschäftigtenbrauchen Kontinuität. Deshalb war es schlecht, dass IhrVorgänger, Herr Minister, Hals über Kopf eine Bundes-wehrreform angekündigt hat, ohne dass die vorherigeschon abgeschlossen war und ohne zu wissen, wohin erüberhaupt will. Das hat Vertrauen kaputtgemacht. Dar-unter leidet die Reform jetzt noch.Sie hätten eine europäische Perspektive entwickelnmüssen: Was sollen deutsche Streitkräfte in Europa kön-nen? Was können die Partner machen? Wo sind unsereSchwerpunkte? Das ist unterblieben, und das ist teuer.Deshalb haben wir künftig immer noch eine Univer-salarmee, die fast alles können soll, nur eben mit immerweniger Personal. Wir begrüßen, dass Sie unter diesenUmständen die Fähigkeit zur Landes- und Bündnisver-teidigung jedenfalls nicht aufgegeben haben. Ihr Vorgän-ger hat das prüfen lassen.Wir wollen keine Bundeswehr, die eine reine Expedi-tionsarmee wäre. Es ist deshalb richtig, dass das Heerweiter in Divisionen und Brigaden gegliedert ist. Auchden Rückgriff auf gekaderte Verbände halten wir fürrichtig.Ob allerdings Deutschland und Europa auf langeSicht die Stärkung der deutschen Infanterie brauchen,wage ich zu bezweifeln. Das ist Ausfluss Ihrer ganz ak-tuellen Afghanistan-Politik. Hier wird der gegenwärtigschwierigste Einsatz zum Modell für die Zukunft derBundeswehr. Damit wäre ich vorsichtig. Wenn Ihre neueInfanteriestärke eines Tages hergestellt sein wird, ist hof-fentlich der Einsatz kämpfender Truppen in AfghanistanGeschichte.
Genau über diese Zukunft des Landes in eigener Ver-antwortung berät in wenigen Tagen die internationaleAfghanistan-Konferenz in Bonn. Wir wünschen uns,dass der Übergang gelingt.swuaawdwdS–nisksdwlimshSDsadwwkimaDnPsädouddkVkmre
Die Marinefraktion versteht, was gemeint ist.Über den freiwilligen Wehrdienst haben wir schon ei-ige Male diskutiert. Ich bleibe dabei: Mit diesem Dienstt es Ihnen nicht ernst. Im Haushalt 2012 sind – das er-ennt man, wenn man genau hinschaut – keine 15 000,ondern nur 12 500 Dienstposten für freiwillig Wehr-ienstleistende reserviert. Sie fangen schon an, den Dienstegzusparen. Das ist keine große Strategie der Freiwil-gkeit, das ist kleinmütig.Wo wir Ihnen vor allem energisch widersprechenüssen, Herr Minister, ist Ihr Umgang mit den Zivilbe-chäftigten. Hier haben Sie eine Strategie, und dieseeißt Outsourcing:Outsourcing in andere Ressorts der Bundesregierung,tichworte: Gebührniswesen und Travel Management.ie Mitarbeiter bekommen neue Türschilder. Frage: Waspart das? Es ist dann zwar nicht mehr der Einzelplan 14,ber immer noch der gleiche Bundeshaushalt, aus demiese Bundeswehrangehörigen bezahlt werden müssen.Outsourcing ans Militär, Stichwort: gemischte Ver-altungsämter. Wieder stellt sich die Frage: Spart das et-as, oder sollen hier nur verfassungsrechtliche Schran-en eingerissen werden?Outsourcing an die Wirtschaft. Das ist Outsourcing klassischen Sinn. Wenn Sie einen von zwei Marine-rsenalbetrieben schließen, wer macht dann die Arbeit?ie Marine wird ja bekanntermaßen und richtigerweiseicht halbiert. Also kürzen Sie auf lange Sicht bei denersonalkosten und schichten um zu Sachposten. Waspart das? Es wird teurer.Ich warne vor Reformen um der Reform willen, Ver-nderungen um der Veränderung willen, Umzügen umes Umziehens willen. Wenn Sie nicht erklären könnender wollen, welchen Vorteil eine Veränderung hat, dannnterlassen Sie diese Veränderung.Lassen Sie als Bundesregierung die Kommunen miten Folgen von Arbeitsplatz- und Kaufkraftverlust inen betroffenen Regionen nicht allein. Sie haben ange-ündigt, hier etwas zu tun. Wir warten auf Vorschläge.erkehrsminister Ramsauers Idee, aus Liegenschaftsver-äufen ganz schnell Geld dafür zu mobilisieren, kommtir irgendwie bekannt vor. Die Erfahrungen damals wa-n ernüchternd. Verhandeln Sie lieber mit Ihren Kolle-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16985
Dr. Hans-Peter Bartels
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gen Schäuble und Ramsauer darüber, dass existierendeProgramme wie „Die soziale Stadt“ stärker und nichtschwächer ausgestattet werden! Machen Sie die vorhan-denen Bundesprogramme nutzbar für die Konversions-kommunen! Sorgen Sie für eine schnelle, preisgünstigeAbgabe der Liegenschaften, am besten zunächst an dieKommunen selbst!Suchen Sie das Gespräch mit den Beschäftigten undden Gemeinden! Lassen Sie uns bei der Umsetzung derReform so viel Konsens wie möglich wahren! Sie habengesagt, das Motto sei: Der Sack ist zu. Ich glaube, dasswir auch nach der heutigen Debatte sage können: DasFass ist auf. – Und das ist keine Drohung.Vielen Dank.
Als letzter Redner zu diesem Einzelplan hat nun das
Wort der Kollege Dr. Reinhard Brandl von der CDU/
CSU-Fraktion.
Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!Der heute hier zur Debatte stehende Verteidigungshaus-halt ist ein wichtiger Meilenstein bei der laufenden Re-form der Bundeswehr. An ihm wird deutlich, dass wir alschristlich-liberale Koalition es ernst meinen, wenn wirsagen, dass wir eine Bundeswehr aufstellen wollen, diestrukturell besser auf ihre Aufgaben ausgerichtet ist, diefür die Soldaten attraktiver ist, die besser ausgerüstetund die nachhaltig finanziert ist.Der Verteidigungshaushalt 2012 umfasst 31,87 Milli-arden Euro. Im Vergleich: Im Jahr 2011 waren es31,55 Milliarden Euro. Der Aspekt „nachhaltige Finan-zierung“ wird erst recht deutlich, wenn man die mittel-fristige Finanzplanung betrachtet: 2013: 31,35 Milliar-den Euro, 2014: 30,95 Milliarden Euro, und 2015:30,43 Milliarden Euro. Die Bundeswehr wird deutlichkleiner werden, aber die Finanzierung bleibt in etwa aufdem jetzigen Niveau. Dass uns das gelungen ist, ohne ananderer Stelle gegen die Einsparauflagen der Schulden-bremse zu verstoßen, zeigt die Bedeutung, die wir alsKoalition einer gut ausgerüsteten und attraktiven Bun-deswehr zumessen. Genau in diesem Sinne, lieber HerrKollege Willsch, wurden ja in den parlamentarischenBeratungen weitere Verbesserungen für die Soldaten er-zielt: bei den Planstellen, aber auch – Sie haben dasThema Munition angesprochen – bei der Ausrüstung.Dafür auch von meiner Seite herzlichen Dank!Man kann, wenn man nicht in der Verantwortungsteht, natürlich immer fordern, dass man an der einenoder anderen Stelle noch mehr hätte einsparen oder mehrhätte ausgeben müssen; in der heutigen Debatte hört manja beides. Aber ich finde, mit diesem Haushalt ist es unsgelungen, eine vernünftige Balance zu finden, auch undvor allem im Sinne der Bundeswehr. Das ist insbeson-dere ein Verdienst des Verteidigungsministers Thomasde Maizière, der die Reform, die sein Vorgänger, Karl-Theodor zu Guttenberg, eingeleitet hat, in hervorragen-der Weise fortgeführt hat.msnnfawdelähubbndHaeasfrkenmminBbTwfeLBreVfümmgvmbnbLErema
Meine Damen und Herren, der Haushalt 2012 und dieittelfristige Finanzplanung sind aber nur ein Meilen-tein in diesem Reformprozess. Wir sind noch langeicht am Ziel. Viele strukturelle Probleme sind nochicht gelöst. Ich denke hier – das ist heute bereits mehr-ch angesprochen worden – zum Beispiel an den lang-ierigen Zulassungs- und Beschaffungsprozess, derazu führt, dass Material entweder viel zu spät oder ininer Konfiguration und Stückzahl kommt, die sichngst überholt hat. Der Prozess bindet über viele Jahreinweg Geld, das dann an anderer Stelle wieder fehlt,m die Bundeswehr mit dem zu versorgen und das zueschaffen, was die Truppe heute viel dringenderräuchte. Hier bleibt noch viel zu tun.Was bereits entschieden ist, ist das zukünftige Statio-ierungskonzept der Bundeswehr. Auch hier möchte ichem Minister und all denjenigen, die das Konzept imintergrund vorbereitet haben, meinen höchsten Respektussprechen. Das Ergebnis und die Art und Weise, wies vorbereitet worden ist, waren erstklassig. Ich sage dasls jemand, der in seiner Heimat selbst von Standort-chließungen betroffen ist, der auch vor Ort danach ge-agt wird und sie rechtfertigen muss. Ich weiß – ichann da mit allen Kollegen mitfühlen –: Das ist nichtinfach. Aber verantwortungsvolle Politik darf nichtach dem Motto vorgehen: Wasch mir den Pelz, aberach mich bitte nicht nass.
Eine Verkleinerung der Bundeswehr bedeutet auto-atisch auch weniger Standorte. Wenn ich das Ergebnissgesamt betrachte, stelle ich fest: Das Ziel, dass dieundeswehr auch in Zukunft in der Fläche präsentleibt, wurde weitestgehend erreicht.
rotzdem gibt es Bereiche, die besonders hart getroffenurden. Es geht jetzt darum, gemeinsam mit den betrof-nen Kommunen und Regionen möglichst passgenaueösungen zu erarbeiten, damit sie den Weggang derundeswehr vor Ort möglichst angemessen kompensie-n können.In dem ganzen schwierigen Prozess, gerade bei derorbereitung der Stationierungsentscheidungen, gab esr mich persönlich immer wieder auch positive Mo-ente. Diese positiven, erfreulichen Momente waren im-er dann, wenn ich miterleben durfte, wie sich ganze Re-ionen – an der Spitze oft die Bürgermeister, aber auchiele Vereine und Menschen aus der Zivilgesellschaft –it ihren Soldaten vor Ort solidarisiert und für deren Ver-leib in der Region gekämpft haben. Dabei wurde nichtur deren Bedeutung für die regionale Wirtschaftskraftetont. Herausgehoben wurden immer wieder auch dieeistungen, die die jeweilige Einheit, insbesondere iminsatz, für unser Land erbringt. Meine Damen und Her-n, ich hoffe, dass es uns gelingt, die sichtbare Solidaritätit der Bundeswehr, die wir an vielen Orten erlebt haben,uch in der Zukunft in dieser Form aufrechtzuerhalten.
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16986 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Dr. Reinhard Brandl
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Neben den ganzen strukturellen Herausforderungen– eine ganze Reihe von ihnen wurde heute angespro-chen – ist es ja die große Aufgabe der Zukunft, genü-gend qualifizierten Nachwuchs für die Bundeswehr zugewinnen. Das entscheidet sich auch, aber eben nicht nuran den materiellen Rahmenbedingungen. Das entschei-det sich nämlich auch daran, ob die Gesellschaft sichtbarhinter dem Dienst und dem Einsatz der Soldaten steht.Dazu können wir auch vonseiten des Parlaments eini-ges beitragen.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 14– Bundesministerium der Verteidigung – in der Aus-schussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-gen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 14 ist mit denStimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmender Oppositionsfraktionen angenommen.Ich rufe die Tagesordnungspunkte X a bis e sowie gund h auf:a) Beratung des Antrags der Abgeordneten PaulSchäfer , Inge Höger, Wolfgang Gehrcke,weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIELINKEUmbenennung von Bundeswehrkasernen undStraßennamen auf den Bundeswehrliegen-schaften– Drucksache 17/7485 –Überweisungsvorschlag:Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Kultur und Medienb) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDPEinvernehmensherstellung von Bundestag undBundesregierung zum Beitrittsantrag der Re-publik Montenegro zur Europäischen Unionund zur Empfehlung der EU-Kommission vom12. Oktober 2011 zur Aufnahme von Beitritts-verhandlungenhier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-ges gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundge-setzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zu-sammenarbeit von Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheiten derEuropäischen Union– Drucksache 17/7768 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschuss
Einvernehmensherstellung von Bundestagund Bundesregierung zur Empfehlung derEU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zurAufnahme von Beitrittsverhandlungen mitMontenegrohier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-ges gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grundge-setzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über die Zu-sammenarbeit von Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheiten derEuropäischen Union– Drucksache 17/7809 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschussd) Beratung des Antrags der Abgeordneten ManuelSarrazin, Volker Beck , Marieluise Beck
, weiterer Abgeordneter und der Frak-
tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENEinvernehmensherstellung von Bundestagund Bundesregierung zur Empfehlung derEU-Kommission vom 12. Oktober 2011 zurAufnahme von Beitrittsverhandlungen mitMontenegrohier: Stellungnahme des Deutschen Bundesta-ges gemäß Artikel 23 Absatz 3 des Grund-gesetzes i. V. m. § 10 des Gesetzes über dieZusammenarbeit von Bundesregierung undDeutschem Bundestag in Angelegenheiten derEuropäischen Union– Drucksache 17/7769 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Auswärtiger AusschussInnenausschussRechtsausschussAusschuss für Wirtschaft und TechnologieHaushaltsausschusse) Beratung des Antrags der Fraktion der SPDBei der Vergabe von Exportkreditgarantienauch menschenrechtliche Aspekte prüfen– Drucksache 17/7810 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Wirtschaft und Technologie
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Auswärtiger AusschussAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungFederführung strittigg) Beratung des Antrags der Abgeordneten KristaSager, Kai Gehring, Sylvia Kotting-Uhl, weitererAbgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16987
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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Wissenschaftszeitvertragsgesetz wissenschafts-adäquat verändern– Drucksache 17/7773 –Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung undTechnikfolgenabschätzung
Ausschuss für Arbeit und Sozialesh) Beratung des Antrags der Abgeordneten MarieluiseBeck , Manuel Sarrazin, Dr. FrithjofSchmidt, weiterer Abgeordneter und der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNENFür eine Strategie zur europäischen Integra-tion der Länder des westlichen Balkans– Drucksache 17/7774 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionEs handelt sich um Überweisungen im vereinfach-ten Verfahren ohne Debatte.Wir kommen zunächst zu einer Überweisung, bei derdie Federführung strittig ist.Tagesordnungspunkt X e. Interfraktionell wird Über-weisung des Antrags der Fraktion der SPD auf Drucksa-che 17/7810 zur Vergabe von Exportkreditgarantien andie in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorge-schlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Frak-tionen der CDU/CSU und FDP wünschen Federführungbeim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie, dieFraktion der SPD wünscht Federführung beim Aus-schuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe.Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag derFraktion der SPD – Federführung beim Ausschuss fürMenschenrechte und Humanitäre Hilfe – abstimmen. Werstimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmtdagegen? – Enthaltungen? – Der Überweisungsvorschlagist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen dieStimmen der Oppositionsfraktionen abgelehnt.Ich lasse nun über den Überweisungsvorschlag derFraktionen der CDU/CSU und FDP – Federführungbeim Ausschuss für Wirtschaft und Technologie – ab-stimmen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvor-schlag? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Über-weisungsvorschlag ist mit gleichem Stimmenverhältnisangenommen.Wir kommen nun zu den unstrittigen Überweisungen:Tagesordnungspunkt X a bis d sowie g und h. Interfrak-tionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in derTagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen.Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dannsind die Überweisungen so beschlossen.Ich rufe den Tagesordnungspunkt XI a bis k auf. Eshandelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zudenen keine Aussprache vorgesehen ist.Tagesordnungspunkt XI a:Zweite Beratung und Schlussabstimmung desvon der Bundesregierung eingebrachten Entwurfseines Gesetzes zu dem Abkommen vomluDgdsDDggDgdugtiauGGisas
– Drucksache 17/7418 –Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschus-ses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
– Drucksache 17/7698 –Berichterstattung:Abgeordnete Elisabeth Winkelmeier-BeckerChristel HummeFlorian BernschneiderHeidrun DittrichKatja DörnerDer Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Ju-end empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung aufrucksache 17/7698, den Gesetzentwurf der Bundesre-ierung auf Drucksache 17/7418 anzunehmen. Ich bitteiejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen,m das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Enthaltun-en? – Der Gesetzentwurf ist bei Enthaltung der Frak-on Die Linke mit den Stimmen aller übrigen Fraktionenngenommen.Dritte Beratungnd Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die demesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. –egenstimmen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurft mit dem gleichen Stimmenverhältnis angenommen.Jetzt kommen wir zum Tagesordnungspunkt XI c bis k,lso zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsaus-chusses.
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16988 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms
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Tagesordnungspunkt XI c:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 337 zu Petitionen– Drucksache 17/7656 –Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Die Sammelübersicht 337 ist einstimmig ange-nommen.Tagesordnungspunkt XI d:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 338 zu Petitionen– Drucksache 17/7657 –Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthal-tungen? – Die Sammelübersicht 338 ist ebenfalls ein-stimmig angenommen.Tagesordnungspunkt XI e:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 339 zu Petitionen– Drucksache 17/7658 –Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Sammelübersicht 339 ist mit den Stimmen derKoalitionsfraktionen und der SPD-Fraktion bei Gegen-stimmen der Fraktion Die Linke und Enthaltung vonBündnis 90/Die Grünen angenommen.Tagesordnungspunkt XI f:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 340 zu Petitionen– Drucksache 17/7659 –Wer stimmt dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltun-gen? – Sammelübersicht 340 ist einstimmig angenom-men.Tagesordnungspunkt XI g:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 341 zu Petitionen– Drucksache 17/7660 –Wer ist dafür? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? –Sammelübersicht 341 ist bei Gegenstimmen der FraktionBündnis 90/Die Grünen mit den Stimmen aller übrigenFraktionen angenommen.Tagesordnungspunkt XI h:Beratung der Beschlussempfehlung des Petitions-ausschusses
Sammelübersicht 342 zu Petitionen– Drucksache 17/7661 –SfrFnSosntuKGngKoFsADBn
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16989
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Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind fürdie Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. Sind Siedamit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist das sobeschlossen.Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Red-ner dem Kollegen Lothar Binding von der SPD-Fraktiondas Wort.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe der Pressedes BMZ gestern entnommen, dass wir uns in einerschwierigen Haushaltslage befinden. Die Zinsen sindjetzt einmalig niedrig. Auch die Arbeitslosigkeit ist nied-rig – dank Olaf Scholz. Was wäre, wenn es die Kurzar-beiterregelung nicht gegeben hätte? Das Wachstum istkomfortabel – dank Steinmeier und Steinbrück. Wo wä-ren wir heute ohne die Konjunkturprogramme? DieSteuereinnahmen sind unerwartet hoch. Es wird gegenden Geist der Schuldenbremse gehandelt. Jedenfalls istdas die Schlussfolgerung, wenn man sich darauf verstän-digen kann, dass 26 Milliarden Euro Schulden mehr als22 Milliarden Euro Schulden sind.Trotz dieser schwierigen Haushaltslage, von der Sieselbst sprechen, haben Sie 6 Milliarden Euro für Steuer-senkungen übrig, die keiner braucht und keiner will.
Das hat heute Morgen unser Vorsitzender sehr schönausgeführt. Aber Sie haben keine Milliarde für ihren Be-reich zusätzlich übrig, um bezüglich der ODA-Quotewenigstens strukturell etwas zu tun, damit den Ärmstengeholfen werden kann.
Ich frage mich: Was wollen Sie eigentlich machen, wenndie Haushaltslage wirklich schwierig wird?Zunächst einmal möchte ich mich bei dem Ministe-rium, also bei Dirk Niebel, dem Staatssekretär Beerfeltzund auch bei Herrn Schmidt für die wirklich gute Koo-peration im Rahmen der Haushaltsberatungen bedanken.Auch bei Priska Hinz als Hauptberichterstatterin und beimeinen Kollegen Dietmar Bartsch, Volkmar Klein undJürgen Koppelin möchte ich mich bedanken und last, butnot least auch beim Fachausschuss, der von den Haus-hältern natürlich immer viel mehr verlangt, als wir unterhaushalterischen Gesichtspunkten gewähren können.Das ist ein natürliches Spannungsverhältnis. Ich finde,dass Sascha Raabe und Bärbel Kofler das immer sehrfair machen, auch wenn wir zum Schluss einen schwieri-gen Kompromiss schließen müssen.Ich bedanke mich bei allen für die gute Information,den harmonischen Verlauf, die offene Atmosphäre unddas faire Miteinander. Wir haben viele Wochen gelernt,gestritten und Ideen ausgetauscht. Wir haben noch bis2 Uhr nachts in der Bereinigungssitzung um Zahlen ge-fochten und über Strukturen debattiert.m–mluHWsbuhdBgDsAzBswliwudenaEtoKIcWWDdihres–
die meisten von uns übrigens aus der Presse –, dass derit 129 Millionen Euro ausgestattete Titel „Entwick-ngsorientierte Not- und Übergangshilfe“ im BMZ-aushalt ganz plötzlich aufgelöst werden soll. In denochen davor war davon keine Rede: geheime Ver-chlusssache. Wir erfahren es direkt nach der Haushalts-eschlussfassung im Haushaltsausschuss und wundernns.95 Millionen Euro sollen an das Auswärtige Amt ge-en. Westerwelle soll – wer mag dabei an Wahlkampfenken? – als Katastrophenhelfer im Ausland für schöneilder sorgen. 34 Millionen Euro werden im BMZ um-ruppiert. Sechs Stellen gehen an das Auswärtige Amt.ie Zuständigkeit für politische Stiftungen in Osteuropaoll auch an das Auswärtige Amt gehen. Was das für dierbeit der Stiftungen bedeutet, wage ich mir nicht vor-ustellen. Vielleicht fragen Sie die Stiftungen danach.Im Auswärtigen Amt sollen 46 neue Stellen in denotschaften geschaffen werden, vom BMZ besetzt. Esollen auch 12 Stellen in Leitungspositionen geschaffenerden. Vor der nächsten Wahl sollen so viele wie mög-ch abgesichert werden, war in der Presse zu lesen. Ja,er wohl? Wenn zwei Minister mit dem Parlament somgehen und diese beiden zufällig in einer Partei sind,ann könnte man dahinter mehr vermuten.
Auf dieser Basis lohnt es sich eigentlich nicht, überinen Haushalt zu reden, der schon wenige Stunden,achdem wir ihn beschlossen haben, obsolet ist. Wasber lese ich in der Zeitung? Da heißt es: „der größtetat in der Geschichte des Ministeriums, der größte his-rische Personalzuwachs“ und „ein neues Zeitalter derooperation“ zwischen Auswärtigem Amt und BMZ.h bin mir da nicht ganz so sicher.Ich habe auch gelesen – das hätte von Heidemarieieczorek-Zeul sein können –:Dennoch dürfen wir unsere Partner nicht mit immerneuen Konzepten überfordern. … Konzepte wie„Hilfe zur Selbsthilfe“ … gibt es schon lange.eiter heißt es:Entwicklungspolitik begründet sich auch aus einermoralischen Verpflichtung, aus Solidarität undNächstenliebe heraus.as hat übrigens Herr Bundespräsident Wulff anlässlicher 50-Jahr-Feier des BMZ gesagt. Ich glaube, wir gebenm recht.Dirk Niebel spricht unter dem Stichwort „Eigeninte-ssen“ von Ökonomisierung, aber auch von symboli-cher Militarisierung.
Ich habe „symbolisch“ gesagt.
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16990 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Lothar Binding
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Es gibt eine Anzeige mit dem Titel „wirtschaft. entwi-ckelt. global“. Wer sich an das alte Logo der FDP erin-nert, weiß noch, dass es dort auch solche Punkte gab:F.D.P. In der Anzeige heißt es: „Wir wollen erreichen,dass Entwicklungspolitik und deutsche Wirtschaft Handin Hand arbeiten.“ Ich glaube, da ist was dran: EineHand wäscht die andere. Auf dieser Basis wird zurzeitEntwicklungspolitik gemacht.
Dabei ist es aber so, dass – ich zitiere – „Entwick-lungspolitik sich im Kern immer auf einen überparteili-chen Konsens“ stützt.
Auch das hat nicht Heidemarie Wieczorek-Zeul gesagt,sondern unser Bundespräsident. Niebel allerdings, habeich in demselben Artikel gelesen, arbeitet daran, SPD-Spuren im Ministerium zu tilgen. Das bedeutet eine ganzandere Arbeitsrichtung in der Entwicklungspolitik. Ihmgeht es darum, Spuren anderer zu tilgen.Aber woran arbeitet er noch? Ich meine, wir müssendafür ein bisschen Verständnis haben: Er kümmert sichum die FDP.
Es werden zum Beispiel Mitarbeiter befristet eingestellt;diese Stellen werden aber nach kurzer Zeit entfristet.Das heißt dann im Ministerium „Auswahlverfahrenlight“. Dieser Zusatz ist auch nötig; denn wenn das Par-teibuch vor Qualifikation geht, dann braucht man einLight-Verfahren.Es gibt allerdings auch andere Verfahren. Statt beste-hende Referate zu stärken, werden neue geschaffen. Bis-her gab es ein Referat für den Bereich private Wirt-schaft; jetzt sind es zwei. Bisher gab es zwei Referate fürZivilgesellschaft. Jetzt sind es drei. Früher gab es ein Re-ferat für Personal. Heute sind es zwei. Was ist die Idee?Sie verdoppeln sozusagen ein Referat und können damitpersonalpolitisch schön jonglieren, insbesondere wennSie aus anderen Ministerien und der GIZ 300 Stellen be-kommen und sie in einer gewissen Weise zu einer freienVerfügungsmasse in Ihrem Ministerium machen.Es kommt noch etwas Besonderes hinzu: Durch dievielen neuen Strukturen gibt es einen erhöhten Abstim-mungsbedarf. Was folgt daraus? Man braucht neue Ab-teilungskoordinatoren. Das ist völlig klar. Ich weiß auch,wie sie besetzt werden sollen –
jedenfalls liegt die Vermutung nahe –; denn es werdenReferatsleiter verschoben.Wem das zu abstrakt ist, dem rufe ich ein paar Namenin Erinnerung: Pätz, Vorstandsmitglied in der GIZ, miteiner Rückfallstelle auf B-Ebene im Ministerium. Einenpeinlichen Vorgang gab es um van Bebber – hier mussman sich einmal im Ministerium umhören –, Kreisvor-sitzender der FDP in Ahrweiler. Dreimal dürfen Sie ra-ten, wer Exekutivdirektor der Weltbank geworden ist:eDtuawBcsvAfiudDgHicMdWlawsInAvEgwdfüB2linkd
Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Christiane Ratjen-
amerau für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident! Liebe Kolle-en und Kolleginnen! Meine sehr verehrten Damen underren! Herr Binding, im Gegensatz zu Ihnen möchteh heute zu der Frage Stellung nehmen, wie wir jeneenschen auf dieser Welt unterstützen können, die nichtas Glück haben, in einem der reichsten Länder dieserelt geboren zu sein.
Entwicklungszusammenarbeit gibt es noch nicht sehrnge. Es gibt sie seit 50 Jahren. Die Vorstellung, dassir eine Mitverantwortung für das Schicksal aller Men-chen dieser Welt tragen, ist ein neuzeitliches Konzept. der Entwicklungspolitik gibt es noch viele ungelösteufgaben, und somit bleibt sehr viel Raum für kontro-erse und auch innovative Diskussionen. Für mich heißtntwicklungspolitik, anderen Chancen zu eröffnen, aberleichzeitig die eigenen Chancen zu nutzen.
Der diesjährige Haushalt des Bundesministeriums fürirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung gibten Anspruch wieder, dass Globalisierung eine Chancer alle Menschen auf dieser Welt ist. Der Haushalt desundesministeriums wächst in diesem Jahr um knappProzent auf 6 332 900 000 Euro an. Das sind 114 Mil-onen Euro mehr als im vergangenen Jahr. 114 Millio-en Euro mehr investiert die Bundesregierung in die Zu-unft unserer Welt.
Trotz enger haushalterischer Spielräume haben wiramit den dritten Rekordhaushalt in Folge in diesem
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16991
Dr. Christiane Ratjen-Damerau
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Jahr. Dass es die gesamte Bundesregierung ernst meintmit der Entwicklungspolitik, zeigt sich an diesem Haus-halt. Der Anteil des BMZ am Bundeshaushalt steigt auf2,1 Prozent an. Das Ziel der ODA-Quote, 0,7 Prozentdes Bruttoinlandsproduktes in die Entwicklungshilfe zuinvestieren, haben wir zwar noch nicht erreicht, aber ichmöchte an dieser Stelle für uns alle betonen, dass wir andieser Vereinbarung der Weltgemeinschaft festhalten.
Die christlich-liberale Koalition hat 2009 – damalslag die ODA-Quote bei 0,35 Prozent – die Regierungs-verantwortung übernommen. 2010 lag sie bereits bei0,39 Prozent, und das bei einem um 3,6 Prozent höherenBruttoinlandsprodukt in Deutschland.Ein wichtiger Aspekt einer zeitgemäßen Entwick-lungspolitik ist allerdings: Mit Geld alleine ist keinesinnvolle und langfristige Entwicklungspolitik möglich.Die Qualität und die Schwerpunkte der Entwicklungs-zusammenarbeit sind hier entscheidend. Wir Entwick-lungspolitiker und Entwicklungspolitikerinnen der Koali-tion sind der festen Überzeugung, dass eine nachhaltigeVerbesserung der Lebensbedingungen der Menschen inden Entwicklungsländern nicht durch eine dauerhafteAlimentation erzielt werden kann.
Für 2012 kann der Haushalt des BMZ als ein Wirk-samkeitshaushalt beschrieben werden, weil sich in ihmdie Zusammenführung der vormaligen Durchführungs-organisationen, der Gesellschaft für Technische Zusam-menarbeit, der InWEnt und des Deutschen Entwick-lungsdienstes, zur Gesellschaft für Internationale Zu-sammenarbeit wiederfindet. Dies ist die größte Struktur-reform in der Entwicklungspolitik seit der Gründung desBMZ und damit seit genau 50 Jahren.
Zudem setzt das Bundesministerium auf die Evaluie-rung der eigenen Arbeit. Dafür wird im Jahr 2012 ein ei-genes Institut gegründet. Für mich als Liberale ist esselbstverständlich, dass die Arbeit des Ministeriums aufden Prüfstand eines unabhängigen Evaluierungsinstitu-tes gestellt wird.Wirksam ist der Haushalt auch deshalb, weil er denAufbau der Zivilgesellschaften durch private Träger wiedie Kirchen und Stiftungen in den Entwicklungsländernmehr als je zuvor stärkt und fördert. Denn um das Zieleiner nachhaltigen Bekämpfung der Armut und Struktur-defizite in den betroffenen Ländern zu erreichen, benöti-gen wir die Anstrengung und das Wissen gerade dieserInstitutionen. Ihre Arbeit beginnt meistens dort, wostaatliches Handeln nicht möglich ist.Den Schwerpunkt der Entwicklungspolitik legen wirweiterhin auf Afrika. Die Armut in den betroffenen Staatenin Afrika lässt sich nur über Generationen hinweg undinsbesondere durch Investitionen in die Bildung derMenschen verringern. Daher verdoppeln wir die Anzahlder Bildungsmaßnahmen im Süden des Kontinents bis2013 gegenüber dem Jahr 2009.DWVgbgwvnSAnmbuesgsteDwndcS–WKuumGwF
o schafft es aus einer Vielzahl von unübersichtlichenngeboten eine einzige Servicestelle mit Ansprechpart-ern zu allen Fragen des bürgerschaftlichen Engage-ents und der kommunalen Entwicklungszusammenar-eit.Vieles kann jedoch ohne neue Mittel geleistet werden,nd zwar allein durch eine bessere Koordinierung undinen effizienteren Einsatz der Mittel. Aber für be-timmte Maßnahmen brauchen wir mehr Geld. Deswe-en bin ich mit dem Haushalt des Bundesministeriumsehr zufrieden und danke an dieser Stelle allen Beteilig-n, die an diesem Haushalt mitgewirkt haben.
ieser Haushalt steht für die neue Wirksamkeit der Ent-icklungszusammenarbeit und lässt uns gleichzeitig ei-en Schritt hin zur Einlösung unseres Versprechens anie Welt – die Erfüllung der ODA-Quote – gehen.Es gibt noch viel zu tun. Wir, die Politiker der westli-hen, wohlhabenden Welt, müssen gemeinsam an einemtrang ziehen.
Vielleicht hören Sie einmal zu!
ir müssen so lange an einem Strang ziehen, Frauoczy, solange Menschen nicht genug zu essen habennd solange täglich Menschen an den Folgen von Armutnd Unterernährung sterben. Lassen Sie uns daher ge-einsam die Menschen unterstützen, die eben nicht daslück hatten, in dem reichsten Land der Welt geboren zuerden.Vielen Dank.
Das Wort hat die Kollegin Heike Hänsel von derraktion Die Linke.
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16992 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damenund Herren! Aus aktuellem Anlass möchte ich von hieraus zuerst eine Solidaritätsadresse an die Menschen inKairo schicken, die im Moment auf dem Tahrir-Platz sit-zen und versuchen, die Demokratie dort zu verteidigen,
und die im Grunde genommen eine zweite Revolutiongegen die Militärregierung beginnen. Herr Niebel, eswäre schon gut gewesen, von Ihnen aktuell etwas dazuzu hören. Es reicht nicht, dass Sie und Herr Westerwellesich dort feiern lassen. Jetzt braucht die Bevölkerung dieSolidarität von uns allen.
Zum Haushalt. Ich lese, dass Sie dieses Jahr einen Re-kordhaushalt verabschieden. Das steht auf Ihrer Webseite.
Das ist sehr interessant. Ich kann mir das nur so erklären,dass es für Sie, Herr Niebel, ein Rekord ist, trotz der gro-ßen Unterstützung, die Sie hier aus dem Parlament er-fahren haben, trotz der vielen Unterschriften aus der Be-völkerung und trotz der vielen Appelle der Hilfsorgani-sationen einen solch mickrigen Aufwuchs für dasnächste Jahr zu organisieren, das ist wirklich ein Rekord,Herr Niebel.
Die Halbzeitbilanz Ihrer Amtszeit ist katastrophal. Siemachen viel Show, organisieren viele Events und spre-chen von einer ganz neuen Ausrichtung der Entwick-lungspolitik. Wenn man sich das aber genau anschaut,dann stellt man fest, dass nicht viel dahinter ist. Sie wol-len zum Beispiel über eine neue Servicestelle mehr Bür-gerbeteiligung organisieren und die Zivilgesellschaft indie Entwicklungspolitik stärker einbinden. Das ist schönund gut. Aber zu den vielen Menschen, die bereits aktivsind, wenn es um Entwicklungsfragen geht, und auf dieStraße gehen, um das Erreichen des 0,7-Prozent-Ziels,die Einführung einer Finanztransaktionsteuer und einestrengere Regulierung der Finanzmärkte zu fordern unddie Bankenmacht zu brechen, gibt es von Ihnen keineReaktion, Herr Niebel. Diese Menschen werden syste-matisch ignoriert. Da brauchen Sie nicht von Bürgerbe-teiligung zu sprechen. Das ist ein Witz.
Sie machen Politik wie bisher, verkaufen sie aber neu.Sie sprechen von Eigenverantwortung und Wirtschafts-partnerschaften, meinen aber im Grunde die Förderungdeutscher Wirtschafts- und Rohstoffinteressen. Ich habegelesen – das ist interessant –, dass die neue Rohstoff-allianz, gegründet vom Bundesverband der DeutschenIndustrie, jetzt auch vom Entwicklungsministerium be-grüßt und unterstützt wird.DcnnteDLVdRnsWwFdcgtiewmrismggusmFwumtigMKddgE
as ist also Ihre neue Entwicklungsausrichtung. Sie ma-hen Politik für die deutsche Großindustrie.
Sie sprechen von Liberalisierung, neuen Märkten undeuen Chancen. Aber im Grunde handelt es sich umichts anderes als um den Griff in die neoliberale Mot-nkiste.
enn genau diese Politik hat bislang Entwicklung in denändern des Südens verhindert.
iele Arbeitsplätze und kleinbäuerliche Existenzen wur-en dadurch vernichtet. Sie kommen mit den ewig altenezepten des letzten Jahrhunderts und haben bis heuteicht bemerkt, dass der Kapitalismus nicht Teil der Lö-ung, sondern Teil des Problems ist.
ir brauchen eine solidarische Weltwirtschaftsordnung,enn wir nicht nur den reichen Eliten, die ab und zu derDP Parteispenden zukommen lassen, sondern allen aufieser Welt eine menschenwürdige Existenz ermögli-hen wollen.Sie sehen sich als großer Reformer und haben intelli-enterweise die Not- und Übergangshilfe in das Auswär-ge Amt zur humanitären Hilfe verlagert. Das ist dientwicklungspolitische Fehlleistung des Jahres. Es wäreichtig gewesen, die Not- und Übergangshilfe zusam-en mit der humanitären Hilfe im Entwicklungsministe-um anzusiedeln, weil die Übergänge sehr schwierigind und wir das entwicklungspolitisch gut organisierenüssen. Statt die Not- und Übergangshilfe im Auswärti-en Amt quasi zu versenken, wäre es vor allem wichtigewesen, die Mittel dafür massiv zu erhöhen,
nd zwar wegen der vielen Katastrophen, die wir haben,ei es in Pakistan, in Haiti oder in Ostafrika. Da siehtan nichts von Ihnen. Sie haben nur neue Posten für dieDP im Außenministerium organisiert.Am unrühmlichsten ist sicherlich Ihre Halbzeitbilanz,enn es um Afghanistan geht. Sie haben leider die schonnter Rot-Grün begonnene zivil-militärische Zusam-enarbeit massiv vorangetrieben und die Hilfsorganisa-onen, die staatliche Unterstützung bekommen, gezwun-en, mit der Bundeswehr zusammenzuarbeiten. Dieseilitarisierung schreitet voran, zum Beispiel bei denooperationsverträgen zwischen der GIZ und der Bun-eswehr. Dabei geht es nicht nur um Afghanistan, son-ern auch um zukünftige Militärinterventionen. Wir hin-egen haben uns immer gegen eine Militarisierung derntwicklungszusammenarbeit ausgesprochen.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16993
Heike Hänsel
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Die soziale Situation in Afghanistan ist nach wie vorschwierig, nicht nur aufgrund von Korruption, sondernauch aufgrund des dort herrschenden Krieges; denn un-ter den Bedingungen eines Krieges ist keine Entwick-lung in einem Land möglich.
Nun findet nächste Woche in Bonn die große Afgha-nistan-Konferenz statt. Überall ist vom Abzug der Trup-pen die Rede. Dazu kann ich nur sagen: Das ist schlichteine Lüge. Es wird keinen kompletten Abzug der Trup-pen geben, allenfalls einen Teilabzug. Die Kanzlerin hatheute Morgen davon gesprochen, dass wir über 2014 hi-naus in Afghanistan präsent sein werden. Genau deswe-gen gehen immer mehr Menschen, insbesondere Frie-densgruppen, in Afghanistan auf die Straße. Sie fordern:Wir wollen keine Dauerbesatzung in Afghanistan. Wirwollen über unser Land selbst bestimmen.Diese Gruppen werden von uns unterstützt. Auch siekommen nächste Woche nach Bonn.
Sie werden einen Gegenpunkt setzen. Sie werden inBonn auf der Demonstration am 3. Dezember und aufder Gegenkonferenz am 4. Dezember sprechen.
Sie stehen für die Forderung nach einem wirklichen Ab-zug der Truppen, sie stehen für die Forderung nach ei-nem 100-prozentigen Abzug der Bundeswehr ausAfghanistan; denn nur so gibt es wirkliche Entwick-lungschancen für die Bevölkerung dort.Danke.
Der nächste Redner ist der Kollege Volkmar Klein für
die CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Klar, das ist hier eine Haushaltsberatung.
Trotzdem muss ich sagen: Man hat jetzt fast den Ein-druck – das war auch in den letzten Wochen so –, als seiGeld das Wertvollste, was Deutschland zu bieten hat; jemehr davon, umso besser. Dabei legt doch schon derName des Ministeriums, über das wir hier reden, eigent-lich anderes nahe. Es geht um wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung. Ich denke, wichtiger nochsind Austausch, Zusammenarbeit, Weitergeben von Er-fahrung und Teilhaben-Lassen an Erfahrungen.whvdgmwdEWsDhwddkdwedihbdSstocEssbWGmwsfad
Das gilt im Übrigen aber auch wechselseitig. Dasird jeder von uns so bestätigen können. Ich persönlichabe langjährige Verbindungen nach Ghana. Wenn ichon dort zurückkomme, dann fühle ich mich immer wie-er auch selbst bereichert. Insofern ist das natürlich einanz krasser Widerspruch zu dem, was wir gerade voneiner Vorrednerin gehört haben.Ich denke, das Wertvollste, was wir in Deutschlandeiterzugeben haben, ist unsere positive Erfahrung miter sozialen Marktwirtschaft.
s wäre grandios, wenn es gelingt, in allen Teilen derelt eine sich selbst tragende Entwicklung anzustoßen:ich selbst tragend, ökonomisch, ökologisch und sozial.
as ist genau das, was wir unter Nachhaltigkeit verste-en.
Das heißt nicht, dass es darum geht, anderen irgend-ie eine Kopie unserer Lösungen zu oktroyieren, aberas heißt, dass wir die Erfahrung weitergeben müssen,ass klare Regeln gebraucht werden sowie Verlässlich-eit, Spielräume für die Menschen, Ausgleich zwischenen Menschen. Das heißt auch, dass wir eine klare Er-artung formulieren müssen. Egal welche Lösungen ininem Land gefunden werden – wir erwarten von denortigen Eliten zumindest, dass sie selber Vertrauen inre Lösungen haben. Das ist, glaube ich, ein großes Pro-lem, über das wir viel zu wenig reden.Natürlich geht das nicht ohne Geld; insofern warenie Zwischenrufe ja richtig. Es gibt das schöne russischeprichwort: Durch Umrühren allein wird der Tee nichtüßer, da muss Zucker hinein. – Das ist, finde ich, einlles Sprichwort. Deutschland liefert ziemlich viel Zu-ker in alle Welt. Fast 6,4 Milliarden Euro umfasst derinzelplan 23, der Haushalt des Ministeriums für wirt-chaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das istehr viel Geld. Fakt ist, dass wir alle uns dafür gegenü-er unseren Wählern verantworten müssen.
ir müssen begründen, weshalb es richtig ist, so vieleld zur Unterstützung anderer auszugeben. Ich finde,an kann das auch sehr gut begründen. Es ist richtig,eil unsere Verantwortung für den Nächsten nicht an un-eren Grenzen endet. Wir müssen einen Teil unserer Er-hrungen, auch unseres Reichtums abgeben und mitem Nächsten jenseits unserer Grenzen teilen.
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16994 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Volkmar Klein
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– Ich bedanke mich für den breiten Applaus. Ein solcherwird sicherlich bei meinem nächsten Punkt erneut auf-branden.Die Steigerung um 2,6 Prozent im Einzelplan 23
– da ist ja der Beifall – ist angesichts der Steigerung desGesamthaushalts natürlich exorbitant groß. Wir habennämlich ein insgesamt stagnierendes Budget, das um nur0,1 Prozent steigt. Die Vorrednerin könnte sich vielleichtvom Kollegen Binding, der von Mathematik viel Ah-nung hat, genau erklären lassen, dass damit der Einzel-plan 23 praktisch die 26-fache Steigerung im Vergleichzum Gesamthaushalt erfährt.
– Gleich noch einmal von Lothar Binding erklären las-sen.Die Budgetsteigerung, meine Damen und Herren, er-möglicht uns eine Ausweitung unseres Handelns. Beivielen einzelnen Positionen im Einzelplan 23 gibt esAufwüchse. Ich will einmal zwei Punkte herausgreifen.Wir haben schon oft über die Situation in Ostafrikageredet. Insgesamt sind wir auf der Basis unserer Haus-halte in der Lage, Ostafrika mit 205 Millionen Euro zuunterstützen, inklusive – auch das muss erwähnt werden,gerade von denen, die die Bedeutung der internationalenOrganisationen immer hochhalten – des deutschen An-teils am Europäischen Entwicklungsfonds und bei derWeltbank. Das ist ein stolzes Ergebnis – auch angesichtsder enormen Not, die dort herrscht.Als zweites Beispiel möchte ich erwähnen, dass esuns möglich sein wird, unter dem Stichwort „Yasuní“,das inzwischen quasi zu einem Synonym für Regen-waldschutz geworden ist, eine ganze Menge zu tun.
Der Schutz des Regenwaldes im Amazonasgebiet istdurchaus auch für uns wichtig, weil die klimatischenAuswirkungen weltweit eine Rolle spielen. Auf der Ba-sis unserer Haushalte – dafür haben sich viele, insbeson-dere unser Kollege Christian Ruck, aber auch Kollegenaus anderen Fraktionen intensiv eingesetzt – wird es jetztmöglich sein, einiges in den Regenwaldschutz inEcuador zu investieren.
Es gibt einige berechtigte Zweifel daran, ob eine ein-fache Einzahlung in den ecuadorianischen Fonds lang-frpzaeteeeDkLCmaesreVwubdbspWs–btedDruvMisliArues
ange, auch schon in der früheren Regierung, hat dieDU/CSU gefordert, das in Angriff zu nehmen. Die da-alige Ministerin hat es aber nicht geschafft. Jetzt wirduf der Basis dieser Fusion unsere Arbeit mit Sicherheitffektiver. Insofern möchte ich an dieser Stelle dem zu-tändigen Minister Dirk Niebel ganz herzlich gratulie-n.
ielleicht sollte ich eher uns allen hier gratulieren, dassir einen solchen Minister haben.
Ein agiler und erfolgreicher Minister agiert manchmalnter Umständen etwas voreilig. Das haben wir geradeei der Vereinbarung mit dem Auswärtigen Amt erlebt;arüber werden wir auch im Haushaltsausschuss nocheraten. Kollege Binding hat eben schon etwas dazu ge-agt. Wenn er das nicht in so viel Oppositionsgetöse ver-ackt hätte, wäre sogar etwas Richtiges daran gewesen.ir werden sehen, ob die Frau Kollegin Hinz das gleichachlich darstellt.
Wir werden es sehen.Insgesamt muss jenseits dieser Reformen mehr alsisher darauf geachtet werden, wie erfolgreich wir arbei-n. Wir müssen nämlich unser Geld – auch das sind wirem Steuerzahler schuldig – wirklich effizient einsetzen.eshalb ist es wichtig, das eben schon genannte Evaluie-ngsinstitut zu gründen, weil wir, so glaube ich, nochiel zu wenig über die tatsächliche Wirksamkeit unsereraßnahmen wissen.Wichtig in diesem Zusammenhang ist es – auch dast eben schon angeklungen –, sich nicht nur an die staat-chen Strukturen der Partnerländer zu wenden. Denn dienalysen besagen für viele Länder, dass dort die Regie-ngen selbst Teil des Problems sind. Eine besondersindrucksvolle Analyse hat uns die sambische Wissen-chaftlerin Dambisa Moyo vor zwei Jahren geliefert.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16995
Volkmar Klein
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Deshalb ist es so wichtig, dass wir auch andere Bereichedeutlich stärker unterstützen, die nicht an die staatlichenStrukturen anknüpfen. Die Mittel für die Bereiche derKirchen, der Wirtschaft und der Bürgergesellschaft wer-den mit 8,5 Prozent wesentlich stärker ausgeweitet alsder durchschnittliche Haushalt.Zum Abschluss noch zwei Punkte:Erstens. Der Dank an die Beteiligten hier im Hause istschon ausreichend artikuliert worden. Ich möchte michan dieser Stelle aber auch bei all denjenigen bedanken,die in aller Welt – teilweise unter harten Bedingungen –Hilfe vor Ort leisten. Das ist im Interesse der Menschendort ganz toll, und es ist zugleich eine gute Visitenkartefür Deutschland. Dafür ganz herzlichen Dank.
Zweitens. Das wird Sie jetzt nicht wirklich überra-schen: Die CDU/CSU wird diesem Einzelplan zustim-men.Herzlichen Dank.
Priska Hinz hat das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.Priska Hinz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN):Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! HerrKlein, Ihr letzter Satz war wirklich völlig überraschend. –Meine Damen und Herren von der Koalition, es reichtnicht aus, sich nur mit Worten an dem 0,7-Prozent-Zielfestzuhalten, sondern man muss das Ziel dann auch er-reichen wollen. Man muss es tatkräftig ansteuern.
Es reicht nicht aus, die internationalen Versprechun-gen vor sich her zu tragen, eine Koalitionsvereinbarungzu unterschreiben und dann in dem Haushalt, den dieRegierung vorlegt, nur noch ein wenig hin und her zuschieben, aber nicht wirklich den Willen kundzutun, das0,7-Prozent-Ziel zu erreichen oder sogar noch etwasdraufzusetzen. Das haben Sie versäumt, und Sie müssenertragen, dass wir Ihnen das immer wieder vorhaltenwerden.
Positiv ist, dass die KfW-Mittel jetzt unter den Ge-währleistungsrahmen des Bundes fallen werden. Damitkann die ODA-Quote gesteigert werden. Das haben wirGrünen ja schon im letzten Jahr gefordert. Insofern sindSie uns gefolgt. Das ist wunderbar. Es reicht aber leidernwkwSzDsfeMbmruKwdDsmwnkmuGliKbruzbmdmleMdTsdswe
iese Erklärung hätte ich gerne von Ihnen.
Herr Minister, wir von der Opposition haben Ihnenogar zugestanden, dass Sie im Zuge der Fusion der Vor-ldorganisationen mehr Personal brauchen. Wir sind dereinung, es hätte nicht ganz so viel sein müssen; wir ha-en Ihnen aber zugestanden, dass Sie für die Steuerungehr Personal bekommen; denn eine politische Steue-ng muss schon sein.Nur frage ich mich dann – und ich frage es auch dieoalitionäre –: Was soll denn das Personal bitte steuern,enn es nicht auch mehr Barmittel gibt? Was sollen dieenn bitte schön machen?
ie Projekte und Programme müssen finanziell ausge-tattet sein, damit man überhaupt steuern kann. Um esit einem ganz lapidaren Satz zusammenzufassen, denir schon in den 80er-Jahren benutzt haben: Ohne Moosix los. Ohne Geld werden Sie nicht weiterkommen. Daönnen Sie zwar die Effizienz der Entwicklungszusam-enarbeit anmahnen, man kann aber nur dann effizientnd effektiv helfen, wenn man dafür auch genügendeld hat.
Ich komme zum Globalen Fonds. Wir sind uns ziem-ch einig darüber, dass er dringend notwendig ist, umrankheiten wie Malaria, Tuberkulose und Aids vorzu-eugen. Die Kanzlerin hat in internationalen Regie-ngsverhandlungen wieder die Bereitstellung der Mittelugesagt. Und was macht der Entwicklungsminister? Erekommt von der Organisation selbst einen Bericht überögliche Korruptionsfälle und sperrt dann erst einmalie Mittel. Da haben wir noch gesagt: Das ist okay; dauss man nachschauen. – Inzwischen will er auch dietzte Tranche freigeben. Sehr gut! Aber was ist mit denitteln für das nächste Jahr? Dann gibt es für diese Gel-er keinen eigenen Titel mehr. Die Gelder werden in denitel „Bilaterale Finanzielle Zusammenarbeit“ einge-tellt. Da gehören sie nicht hin;
enn die Mittel sollen nicht nach Gutsherrenart verteilt,ondern je nach Notwendigkeit freigegeben werden. Daäre es sinnvoll gewesen, dass der Haushaltsausschussine Sperre einrichtet.
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16996 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Priska Hinz
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Dann hätten wir nach den Berichten sagen können: DasParlament will, dass die Mittel jetzt freigegeben werden.– Aber es entspricht nicht unserer Auffassung von demo-kratischer Kontrolle der Regierung durch das Parlament,dass Sie die Mittel nach Gutsherrenart sperren oder frei-geben können. Das kann ich Ihnen an dieser Stelle nichtersparen.Wir haben den Minister bei der Fusion der Vorfeldor-ganisationen unterstützt. Wir haben ihn bei der Einrich-tung eines Evaluierungsinstituts und einer Serviceagenturunterstützt, wobei wir bei der inhaltlichen Ausgestaltungder Serviceagentur durchaus Probleme sehen, weil die Zi-vilgesellschaft nicht ausreichend eingebunden wurde.Herr Minister, es geht aber nicht – damit haben Sie alleVertreter des Hauses, die mit diesen Themen befasst sind,verärgert –, dass Sie kurz nach der Bereinigungssitzunggemeinsam mit dem Außenminister eine Vereinbarungauf den Weg bringen, wonach Mittel und Stellen vomBMZ ins Außenministerium und wieder zurück verscho-ben werden.
Wenn es so kommt, wie Sie es vorhaben, ist Ihr Rekord-haushalt im Übrigen kein Rekordhaushalt mehr, weildann die Aufwüchse beim Auswärtigen Amt landen.Man kann es ja so wollen, wie Sie es vorhaben; aber– ich komme zum Schluss, Frau Präsidentin – es wäredas Mindeste gewesen, die Parlamentarier, die monate-lang über diesen Haushalt beraten haben, die jeden Titeldurchgegangen sind und mit Ihnen besprochen haben,die deutlich gemacht haben, wo vielleicht nur 10 000Euro draufkommen und wo 10 000 Euro runterkommensollen, ausreichend zu informieren, und zwar bevor Siesolch eine Vereinbarung treffen. Wir erwarten von Ihnen,dass Sie den Haushaltsausschuss in dieser Sache weiter-hin auf dem Laufenden halten und die Zustimmung dazueinholen.Danke schön.
Das Wort hat der Bundesminister Dirk Niebel.
Dirk Niebel, Bundesminister für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung:Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen undHerren! Wir sind in dieser Regierung angetreten, um dieWirksamkeit und Effizienz der Entwicklungszusammen-arbeit zu erhöhen. Dieser dritte Rekordhaushalt in Folge
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m der Wahrheit Genüge zu tun, muss man darauf hin-eisen: Es sind 182 Stellen; im nächsten Jahr kommenoch einmal 30 hinzu. Das hat gute Gründe – Sie alle ha-en es beschlossen –: Es geht um die Wiedererlangunger politischen Steuerungsfähigkeit gegenüber den Durch-hrungsorganisationen. In diesem Prozess haben wir denundeshaushalt – jetzt hören Sie bitte besonders gut zu –otz der Einrichtung der Servicestelle, der Gründung desvaluierungsinstituts und der Schaffung der politischenteuerungsfähigkeit des Hauses um 300 Stellen netto ent-stet. Das ist der größte Bürokratieabbau im Rahmen derrößten Strukturreform, die diese Legislaturperiode gese-en hat. Ich ahne, dass es in den nächsten zwei Jahreneine wesentlich größere geben wird.
Die Kollegin Hinz hat gerade beklagt, dass Stellenerschoben würden und sie davon überrascht gewesenei.
ir können gerne über die Frage des Zeitpunktes strei-n – das haben wir gestern sehr intensiv getan –, nichtber über die Inhalte. Sie wissen, dass ein Bestandteiler Fusion darin besteht, die politische Steuerungsfähig-eit zu erlangen. Deswegen gibt es auch in Bezug auf dieußenstruktur der deutschen Entwicklungszusammenar-eit die Notwendigkeit einer Veränderung. Das ist übri-ens auch im Kabinettsbeschluss zur Fusion so vorgese-en.Die 46 Stellen an Botschaften für sogenannte WZ-Re-renten – das sind die Mitarbeiter meines Hauses, dieort für die Umsetzung der Entwicklungspolitik sorgen –ind genauso gestaltet, wie es schon heute der Fall ist.nsere Mitarbeiter werden an die Botschaften abgeord-et. Unsere Stellen werden dann vom Auswärtigen Amtewirtschaftet. Ich wundere mich schon sehr, dass manie Inhalte der wegweisendsten Verwaltungsvereinba-ng zwischen den beiden Häusern kritisiert. Damit wird
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16997
Bundesminister Dirk Niebel
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endlich das hergestellt, was dieses Parlament – übrigensüber alle Fraktionsgrenzen hinweg – immer wieder ge-fordert hat.
Es wurde mehr Kohärenz bzw. die Einhaltung dessen ge-fordert, was die OECD schon lange von uns verlangt hat:Klarheit bei humanitärer Hilfe und entwicklungsorien-tierter Nothilfe.Lieber Kollege Lothar Binding, zu behaupten, wirhätten diese Klarheit bei humanitärer Hilfe, bei derÜbergangs- und Nothilfe geschaffen, damit der Außen-minister schöne Bilder von Katastrophen liefern kann,ist an Scheinheiligkeit nicht zu überbieten.
Ich kenne überhaupt keine einzige Katastrophe, die eineinziges schönes Bild liefert.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sieuns nicht über Geld reden, sondern über Verantwortung.Lassen Sie uns über die Verantwortung reden, die wir inder Welt wahrnehmen. Wir haben auf die Demokratiebe-wegungen in Nordafrika unmittelbar reagiert: mit dreiFonds, die ich aufgelegt habe. Ich möchte mich hier ganzbesonders bei den Kirchen und vor allem den politischenStiftungen bedanken, die uns dabei unterstützt haben,Demokratieprozesse begleiten zu können, damit die Weltauch hier ein Stückchen besser wird.Lassen Sie uns über die Entwicklung ländlicherRäume reden, die in den vergangenen 10, 15 Jahrenschmählich vernachlässigt worden sind. Wir haben beider Katastrophe am Horn von Afrika sofort reagiert undmit über 160 Millionen Euro kurz- und mittelfristig ge-holfen. Wir machen mehr, weil wir dafür sorgen wollen,dass die nächste Dürre, die kommen wird, nicht gleichwieder zu einer Katastrophe führt. Deswegen entwickelnwir ländliche Räume. Das stellte sich in der Vergangen-heit vielleicht weniger charmant dar, weil die Ergebnisselängere Zeit brauchen und man sie nicht gleich medien-gerecht vermarkten kann. Wir wollen dazu beitragen, dieMenschen nicht nur zu versorgen, sondern für sie vorzu-sorgen.
Wir übernehmen auch Verantwortung für den Reich-tum dieser Erde. Zum Beispiel schützen wir die Biodi-versität, indem wir der Regierung in Tansania helfen, an-dere Routen für die Straßen zu finden, die gebrauchtwerden, damit die Serengeti nicht zerschnitten wird.Hierzu kann man sagen: Dank deutscher Entwicklungs-zusammenarbeit muss die Serengeti nicht sterben.Weiterhin haben wir den KAZA-Nationalpark erfun-den. KAZA bedeutet Kavango-Zambesi-Nationalpark.Das ist der größte Nationalpark der Welt. Er ist ungefährso groß wie Italien und erstreckt sich über fünf Staats-gNDsksvhkcobIdkwludEsdEdAezGhSimnasakwGis
Wir verbinden Werte mit Interessen. Manch ein linkereologe mag es nicht glauben: Werte und Interessenönnen sich hervorragend ergänzen. In diesem Sinneerden wir auch in den nächsten Jahren die Entwick-ngszusammenarbeit in Deutschland reformieren, damitie Menschen als Partner angesehen werden und gutergebnisse für die Zukunft erzielt werden.Ich danke ganz herzlich für die freundliche Aufmerk-amkeit.
Für die SPD-Fraktion hat die Kollegin Bärbel Kofler
as Wort.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren!s ist immer spannend, nach dem Herrn Minister zu re-en. Er hat wieder mit bescheidenen Worten sein eigenesrbeiten in den Mittelpunkt gestellt.Ich hätte mir angesichts des vorliegenden Haushaltsine bescheidenere Rede von Ihnen gewünscht, undwar aus zwei Gründen. Der eine ist ein haushalterischerrund. Es ist leider kein Rekordhaushalt. Dieser Haus-alt wächst sehr bescheiden auf.
ie haben ihn in den vergangenen Jahren und Monatenmer schöngerechnet, indem Sie die mittelfristige Fi-anzplanung herangezogen und gesagt haben: Von derusgehend ist das ein ganz toller Rekordhaushalt. Das isto, als würde man von seiner Firma eine Gehaltskürzungngedroht bekommen, die, nachdem andere für einen ge-ämpft haben, wieder zurückgenommen wird, und alsürde man dann behaupten, man hätte ein Rekordgehalt.enau das machen Sie in Bezug auf diesen Haushalt, dast aber falsch.
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16998 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Dr. Bärbel Kofler
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Ich hätte mir auch gewünscht, dass Sie den Drive, denIhnen das Parlament in Form einer fraktionsübergreifen-den Initiative für die Haushaltsverhandlungen mitgege-ben hat – Kollegin Hänsel hat es erwähnt –, genutzt hät-ten, die Mittel zur Armutsbekämpfung, die dringenderforderlich sind, bei Ihren Kollegen einzuwerben.
Ich hätte mir gewünscht, dass Sie hier und heute er-klären, wie der Aufwuchspfad aussehen soll; KolleginPriska Hinz hat es angesprochen. Frau Kollegin Ratjen-Damerau, es ist schön, wenn Sie im Koalitionsvertragund auch heute in Ihrer Rede am 0,7-Prozent-Ziel fest-halten, aber ich hätte schon gerne gewusst, wann Sie esmit welchen Haushaltsmitteln erreichen wollen. Auchdazu muss der Minister Stellung nehmen.
Zum zweiten Grund, warum ich glaube, dass Beschei-denheit angemessener gewesen wäre. Sie vermitteln denEindruck, als hätten wir alle Probleme auf dieser Weltbereits gelöst. Seit Ende Oktober sind wir 7 MilliardenMenschen auf der Erde. Laut World Food Programmeleidet immer noch jeder siebte Mensch auf der WeltHunger. Knapp 800 Millionen Menschen haben keinenZugang zu Bildung. Hunderte von Millionen Menschenhaben keinen Zugang zu Gesundheits- und sozialen Si-cherungssystemen. Künftig werden Millionen und Aber-millionen Menschen von den Folgen des Klimawandelsbetroffen sein: von Überschwemmungen, Dürre, Vertrei-bung aus den angestammten Wohngebieten, aus den Ge-bieten, wo sie ihre Nahrungsmittel anbauen und sich da-durch selbst ernähren können. Auf diese Probleme habenSie in den Haushaltstiteln und im Rahmen der Mittel, diediesem Haushalt zur Verfügung stehen, keine Antwortgegeben.Ich möchte an dieser Stelle auf Folgendes hinweisen:Sowohl das Umweltministerium als auch das BMZ lo-ben sich selbst sehr gerne, wenn es darum geht, welcheSummen man für den Klimaschutz eingestellt hat. Ichmöchte daran erinnern, dass man beim Energie- und Kli-mafonds für die nächsten Jahre eine Haushaltssperre inHöhe von 900 Millionen Euro in Bezug auf die Ver-pflichtungsermächtigungen vorgesehen hat. Das ist keinwegweisender Pfad. Ich hätte, ehrlich gesagt, gerne ge-hört, wie Sie das den Kolleginnen und Kollegen aus denanderen Ländern in Durban erklären möchten.
Sie haben das Thema Wirksamkeit angesprochen. Ichhätte gerne etwas zur bevorstehenden Konferenz inBusan gehört, bei der es um die Wirksamkeit in der Ent-wicklungszusammenarbeit gehen soll. Es wird immer sogetan, als sei das ein Thema, das Sie persönlich erfundenhaben und das es vorher noch nie gegeben hat. Ich sagenur: Rom 2003, Paris 2005, Accra 2008. Um was geht esdabei? Es geht um die Stärkung der Eigenverantwortungder Partnerländer, um eine bessere Geberabstimmung,eshHdbsnnmDgleedvsbkSFghmsbdhSsdzGmWfeGgdbkgmdriGnbddddntrK
ier ist keine immer flachere Debatte gefordert, nachem Motto: Weniger ist mehr, wir gestalten das nur einisschen effektiver. Nun haben wir auch noch die TZ zu-ammengelegt. Damit haben wir der Wirksamkeit Ge-üge getan.Eigentlich hätte ich an dieser Stelle von Ihnen als Mi-ister gerne gehört, wie Sie sich im Lichte von Geberhar-onisierung und internationaler Zusammenarbeit in dieebatte in Busan einbringen, wenn es um die Frageneht: Wie finanzieren wir zum Beispiel den internationa-n Strukturaufbau – Stichworte: soziale Sicherung, Steu-rbehörden, Verwaltungen – in den verschiedenen Län-ern? Wie stellen wir uns eine weltweite Bekämpfungon Steuerhinterziehung vor, die die Finanzstruktur be-onders der Länder des Südens ganz entscheidend positiveeinflussen würde? Wo stehen wir bei dem Thema „Be-ämpfung der Nahrungsmittelspekulation“? Was sagenie zu dem Thema „Finanzierung durch eine weltweiteinanztransaktionsteuer“? Wie werden Sie sich in dieseanzen Diskussionen einbringen? Zu all diesen Themenört man von Ihnen leider nichts. Dabei haben diese The-en sehr viel mit der Wirksamkeit der Entwicklungszu-ammenarbeit zu tun.
Es gibt ein gutes Beispiel – die Kollegin Hinz hat dasereits angesprochen –, an dem deutlich wird, dass Sie inen letzten zwei Jahren Entwicklungspolitik nach Guts-errenart betrieben haben: der Global Fund. Der Kollegeascha Raabe wird das Thema Yasuní noch einmal an-prechen. Ich finde, das ist das zweite Beispiel, das zeigt,ass Sie versuchen, Ihre Befindlichkeiten in Politik um-usetzen. Zwei renommierte Institute, das Center forlobal Development und Global Economy and Develop-ent, haben im Vorfeld der Konferenz zum Themairksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit in Busanstgestellt, dass der Global Fund insbesondere auf denebieten Effizienz, Transparenz und Lernen aus dem ei-enen Handeln ganz hervorragende Noten verdient. Inieser Hinsicht ist der Global Fund im Übrigen besserewertet worden als Deutschland; das sollte uns zu den-en geben. Außerdem haben die Fachpolitiker Ihrer ei-enen Fraktion im Ausschuss für wirtschaftliche Zusam-enarbeit und Entwicklung zum Ausdruck gebracht,ass sie Ihren Regierungsentwurf an nur einer Stelle kor-gieren würden, nämlich an der Stelle, an der es um denlobal Fund geht. Sie haben gesagt: Dieser Titel mit ei-em Volumen von 200 Millionen Euro muss erhaltenleiben. Das entspricht im Übrigen auch den Zusagener Kanzlerin auf internationaler Ebene. Angesichts allessen bin ich wirklich mehr als verblüfft und irritiert,ass Sie es mithilfe Ihrer Haushälter geschafft haben,en Titel zum Global Fund aus dem Haushalt herauszu-ehmen. Sie nutzen einfach einen kleinen Buchhalter-ick – jetzt kommt es –: Sollten Sie feststellen, dass dieorruptionsvorwürfe doch nicht stichhaltig sind, dann
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 16999
Dr. Bärbel Kofler
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könnte man der Finanziellen Zusammenarbeit wieder200 Millionen Euro wegnehmen und zu diesem Titelschieben. Das ist weder für den Bereich der FinanziellenZusammenarbeit zumutbar noch für die Vertreterinnenund Vertreter des Global Fund, die hervorragende Arbeitleisten und zur Aufklärung von Korruptionsfällen bei-getragen haben und nicht Korruptionsvorwürfe verdie-nen.
Frau Kollegin, Sie kommen zum Ende?
Ich komme zum Ende. – Ich glaube, dass Sie mit die-
sem Haushalt viele Chancen, die Ihnen vom Parlament
gegeben worden sind, verpasst haben, dass Sie Ihrer in-
ternationalen Verantwortung nicht gerecht werden. Sie
versäumen es leider auch, Beiträge zu der Debatte auf
internationaler Ebene zu liefern. Man kann nur hoffen,
dass in den nächsten Jahren andere Weichenstellungen
vorgenommen werden.
Danke.
Für die CDU/CSU-Fraktion hat Dagmar Wöhrl das
Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Liebe Frau Dr. Kofler, ich weiß nicht, was ein Ministerin sechs Minuten alles beantworten soll. Ich finde esphänomenal, was Sie hier erwarten.
Man muss wirklich sagen: Alle Punkte, die Sie ange-sprochen haben, haben wir im Ausschuss behandelt.
Die Bundesregierung hat zu jedem dieser Punkte Redeund Antwort gestanden.
Ich will jetzt keine Argumente dafür anführen, wieder Haushalt im Einzelnen aufwächst. Er wächst, unddas ist in der heutigen Situation das Wichtige.
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Das heißt, nicht nur behandeln, sondern auch handeln.azu gehört auch mehr Wirksamkeit. Der Terminus istchtig. Dazu gehören auch mehr Kohärenz und mehrransparenz. Mit der Vorfeldreform sind wir den richti-en Weg gegangen. Auch mit dem Evaluierungsinstitutt der Minister den richtigen Weg gegangen.Die Problemlagen in der Welt ändern sich permanent.ir haben jetzt das Jubiläum „50 Jahre Ministerium fürirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung“ ge-iert. Diejenigen, die damals in dem Ministerium zu-tändig waren, konnten sich gar nicht vorstellen, mitelchen Problemen in der Welt wir in diesem Jahrzehntu kämpfen haben. Deswegen ist es wichtig, dass manine Entwicklungsarchitektur hat. Diese darf nicht soussehen wie in der Vergangenheit, sondern man mussie immer wieder reformieren, man muss sie modernisie-n, man muss sie immer wieder an die Gegebenheitennpassen. Und das wird von dieser Regierung gemacht.Wir sind keine Kolonialherren – so fühlen wir unsuch nicht –, die jemandem vorschreiben, was das Bester ihn ist. Aber wir wollen eines sein: Chancengeber inieser Welt. Und für uns stellt sich dann die schwierige
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Dagmar G. Wöhrl
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Frage: Wie ist man am besten Chancengeber? Es istwirklich naiv zu glauben, mit einer staatlichen Entwick-lungspolitik oder mit staatlichen Institutionen würdeman das ganze Elend und die ganze Armut in dieser Weltbeseitigen. Das sind immense Aufgaben. Frau Dr. Koflerhat die Zahlen genannt: Es sind 7 Milliarden Menschenauf der Welt. 2050 werden es 9 Milliarden Menschensein. Ein Mensch braucht täglich durchschnittlich 2 400Kilokalorien. Dies würde bedeuten, dass 50 Prozentmehr Nahrungsmittel auf der Welt benötigt werden. Wiewill man das zukünftig erreichen? Mit diesen Dingenmüssen wir umgehen. Jetzt schon hungern 925 Millio-nen Menschen auf der Welt. Wie erreicht man zukünftigErnährungssicherung? Wir nehmen uns deswegen zuRecht erstmals des Themas Landwirtschaft richtig an.Dafür bin ich dem Herrn Minister sehr dankbar.
Dieses Thema ist nicht nur von uns vernachlässigtworden, sondern auch international, auch von den Ent-wicklungsländern selbst. Hier müssen wir die Entwick-lungsländer viel mehr in die Pflicht nehmen.Auf das Thema „Land Grabbing“ will ich nicht nähereingehen. Auch hier sind es die Länder selbst, die beidiesem Monopoly mitspielen. Deswegen ist es wichtig,auch hier international zu einem verbindlichen Rahmenzu kommen. Damit sind weitreichende sozio-ökonomi-sche Risiken verbunden: Seit 2001 sind weltweit bis zu227 Millionen Hektar erworben worden, 80 Prozent da-von werden überhaupt nicht bebaut. Es warten Banken,Fonds auf der ganzen Welt, dass die Lebensmittelpreisesteigen, um diese Grundstücke zu verwerten. Hier alsohaben wir sozio-ökonomische Risiken von Vertreibung,von Umsiedlung und vielem mehr.Es geht darum, wie wir es schaffen, dass die Klein-bauern mehr Einkommen haben. Aber es geht auch da-rum, wie man die stark schwankenden Nahrungsmittel-preise stabilisiert. Wir wissen, dass gerade in denärmeren Ländern 70 Prozent des Einkommens für Nah-rung ausgegeben werden. In Deutschland sind es 10 Pro-zent. Wenn nun die Nahrungsmittelpreise steigen, dannwird in anderen Bereichen gespart. Dann gibt es keinGesundheitswesen, keine Schulen usw. mehr. Derzeit er-leben wir – da sind wir uns sicherlich im ganzen Hauseeinig – eine Metamorphose des Lebensmittelmarktes zueinem Finanzmarkt. Und das ist ein Unding. Inzwischengibt es ein internationales Zocken mit Grundnahrungs-mitteln, wie man es sich vorher nicht vorstellen konnte.
Viele Fonds und Banken haben in diesem Rohstoff-monopoly ein immens großes Spielfeld entdeckt. Ichglaube, wir müssen dieses Thema angehen. Wir müssendafür eintreten, dass nicht an den Börsen, zum Beispielin Chicago, New York und London, entschieden werdendarf, was die Menschen in Zukunft zu essen haben odernicht.üDWfrlarudKdemInjebgbWswafrkgraeDKmeddUdiclaEwsdw
Allein in Chicago ist im Mai dieses Jahres virtuell mitber 350 Millionen Tonnen Weizen gehandelt worden.as ist die Hälfte der ganzen Weizenproduktion derelt. Da muss man sich schon Gedanken machen undagen: Moment, wie kann ich diesen exzessiven Speku-tionen Grenzen setzen? Darf man mit wichtigen Nah-ngsmitteln wie Mais, Weizen und Soja, die gerade inen ärmeren Ländern gebraucht werden, spekulieren?ann ich Positionslimits festlegen? Deswegen bin ichankbar, dass man sich jetzt Gedanken darüber macht,ine internationale Datenbank zu den Nahrungsmittel-ärkten auf der Welt aufzubauen, sodass man endlichformationen über Angebot und Nachfrage hat. Bistzt hat man diese nicht. Bis jetzt kann man nicht über-licken, wo auf der Welt Nahrungsmittel noch zur Verfü-ung sind, die an einem anderen Ort auf der Welt ge-raucht werden.Wir wissen: Almosen verändern keine Strukturen.ir wollen die produktiven Fähigkeiten der Menschentärken. Ich glaube, wir sind uns einig: Die deutsche Ent-icklungspolitik ist werteorientiert. Darf sie aber nichtuch interessenorientiert sein? Diese Diskussion ist miremd. Wir haben perspektivisch immer einen Drei-lang: Bildung, Demokratie und Wirtschaft. Wir wissenanz genau, dass wirtschaftliche Interessen keinen Vor-ng haben, sondern den entwicklungspolitischen Inter-ssen dienen.
as muss im Mittelpunkt stehen. Liebe Kollegen undolleginnen von der Opposition, die Wirtschaft – dasuss klar sein – ist ein unverzichtbarer Partner für einerfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit.
Wir sind in diesem Bereich stark; daher können wiren Schwächeren helfen. Wir investieren in Ausbil-ung, in Arbeitsplätze, in technisches Know-how, inmweltstandards und Sozialstandards. Das können wiren Ärmeren bieten und sie so unterstützen. Damit binh voll auf der Linie unseres Ministers. Dieses Schub-dendenken – für die Armen, für den Hunger ist dasntwicklungsministerium zuständig und für die Außen-irtschaftsförderung, die Exportförderung das Wirt-chaftsministerium – ist so nicht mehr möglich.
Frau Kollegin.
Diese Dinge sind verzahnt, und unsere Politik mussem Rechnung tragen, wenn wir die Zukunft gestaltenollen.Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17001
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Ich dachte, das war der Auftrittsapplaus. – Das Wort
hat der Kollege Niema Movassat für die Fraktion Die
Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Fürmich ist das Unwort des Jahres „Systemrelevanz“. Wa-rum? Alle fünf Sekunden stirbt auf der Welt ein Kind anHunger, gleichzeitig wurden in den letzten Jahren Milli-arden und Abermilliarden Euro in den Industrieländernaufgebracht, um Banken zu retten, wie auch derzeit inder Euro-Krise. Der Widerspruch ist offensichtlich: Dieeinen, die Banken, werden als systemrelevant angese-hen, die anderen, die Menschen, nicht. Wäre dieMenschheit eine Bank, hätte man sie längst gerettet. Dasist die traurige Wahrheit.
Sie, Herr Niebel, haben flapsig gesagt, das Entwick-lungsministerium solle nicht mehr Weltsozialamt sein.Das ist es niemals gewesen. Dieses Ministerium subven-tionierte schon immer mit Entwicklungsgeldern deut-sche Großunternehmen. Ich habe hier eine Liste des Ent-wicklungsministeriums. Auf 100 Seiten werden allelaufenden Projekte mit deutschen Unternehmen im Rah-men öffentlich-privater Partnerschaften in den Entwick-lungsländern genannt: Firmen wie Bayer, Shell, Daimler,Nestlé, BASF und der Bundesverband der Deutschen In-dustrie, um nur einige wenige zu nennen. Sie alle bekom-men Entwicklungshilfegelder. Insgesamt sind es über1 600 Projekte. Dass das Instrument der öffentlich-priva-ten Partnerschaften schon bei uns in Deutschland erwie-senermaßen gescheitert ist, müsste sich eigentlich sogarbis zur FDP herumgesprochen haben.
Bei diesem Modell profitieren fast immer nur die Un-ternehmen und nicht die breite Bevölkerung. Die Berei-che, die für nachhaltige Entwicklung wichtig sind, wiekostenloser Zugang zu Bildung, Gesundheit und Wasser,machen gerade einmal 15 Prozent der Gelder aus. Den-noch geben Sie im neuen Haushalt schon wieder mehrfür die öffentlich-privaten Partnerschaften aus. Sie trei-ben damit die Außenwirtschaftsförderung auf die Spitze.Bei Ihnen gilt: Was gut für deutsche Unternehmen ist, istgut für die Entwicklung.
Dabei muss gelten: Was gut für die Menschen ist, ist gutfür die Entwicklung.
Geht es um die Ursachen von Armut, behaupten Sie,Korruption und schlechte Regierungsführung seien hier-für maßgeblich. Sie behaupten also, die Entwicklungs-länder seien selber schuld an ihrer Situation. Doch werhat die korrupten Regierungen oftmals erst an die MachtghsläuzoKInDbBluddWSmJhdfezfüdsZdWkKDbsndsAEHsWn
as ist ein Auftrag an Sie, Herr Niebel. Allerdings: Weroll Ihnen überhaupt glauben, dass Sie das 0,7-Prozent-iel erreichen wollen, wenn Sie, wie jüngst geschehen,ie Finanztransaktionsteuer ablehnen?
ährend Ihre Koalition Ja dazu sagt, ist sie Ihnen nichtreativ genug. Herr Niebel, das ist kein Malwettbewerb.ommen Sie raus aus der Nein-Ecke!
ie Finanztransaktionsteuer kann die nötigen Mittel ein-ringen, um den Entwicklungshaushalt deutlich aufzu-tocken.
Deutliche Mittelerhöhungen sind auch für Westafrikaötig. Dort bahnt sich die nächste Hungersnot an. Beiem Besuch einer Delegation des Entwicklungsaus-chusses in Niger schlug der dortige Premierministerlarm. Deshalb fordert die Linke heute, 60 Millionenuro zur Verfügung zu stellen, um die sich anbahnendeungerkatastrophe in Westafrika zu verhindern. Organi-ationen wie das Welternährungsprogramm und dieelthungerhilfe können mit dieser vergleichsweise klei-en Summe Menschenleben retten. Lassen wir nicht zu,
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17002 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Niema Movassat
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dass sich die schrecklichen Bilder aus Ostafrika wieder-holen!
Das Entwicklungsministerium scheint die Warnungendiesmal ernst zu nehmen. Es hat die Ursachen benannt:nicht nur zu geringe Niederschläge, sondern auch Preis-steigerungen bei Nahrungsmitteln auf den Weltmärkten.Die Nahrungsmittelpreise steigen wegen Nahrungsmit-telspekulationen; Frau Wöhrl hat es angesprochen. Manmuss endlich gegen diese Zockerei mit Nahrungsmittelnvorgehen. Hierzu sind viele Worte gefallen. Es müssenendlich Taten folgen.
Sogar die USA sind mit einem Transparenzgesetz ei-nen ersten Schritt gegen Nahrungsmittelspekulationengegangen. Auch in Deutschland brauchen wir Maßnah-men, bis hin zum kompletten Verbot der Spekulation mitNahrungsmitteln. Dies wäre ein erster wichtiger Schritt,damit kein Mensch mehr an Hunger sterben muss, undes kostet keinen Cent.Danke schön.
Der Kollege Thilo Hoppe hat das Wort für Bünd-
nis 90/Die Grünen.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Ich habe festgestellt, dass ich heute ein kleines Jubiläumhabe: Ich spreche zum zehnten Mal in der Schlussde-batte, also in der zweiten Lesung zum Einzelplan 23.
Wenn man die ersten Lesungen dazuzählt, dann wird dasdie 18. oder 19. Rede zum Entwicklungshaushalt sein. Esist gar nicht so einfach, hier immer etwas Neues zu sa-gen.
Ich kann aber sagen: Es gibt eine Kontinuität. Ich habeimmer kritisiert, dass zu wenig in diesen Haushalt einge-stellt wurde – auch in rot-grünen Zeiten.Ich habe mir diese Reden noch einmal angeschaut,durchgelesen – eine kann man sich sogar bei YouTubeanschauen – und festgestellt: Es gab meistens einenStimmungsumschwung von der ersten zur zweiten Le-sung. Die meisten Reden in der ersten Lesung habe ichnach dem Prinzip Hoffnung gehalten:
Möge es uns gelingen, im Haushaltsverfahren gemein-sam noch mehr für den Entwicklungshaushalt herauszu-schlagen. In der zweiten Lesung kam dann fast immer–estePDsegshsvkgtenuaanUeinb–gnznFdwdreMosswdddx
as war keine Verschiebung innerhalb des Haushalts,ondern das waren im Vergleich zum Regierungsentwurftwa 100 Millionen Euro mehr, allerdings auf einem ins-esamt zu geringen Niveau.
Ich muss zugeben, dass in diesem Jahr die Enttäu-chung bei der zweiten Lesung besonders groß ist. Dasängt natürlich mit der Aufbruchstimmung im März zu-ammen, als wir den entwicklungspolitischen Konsensorgestellt haben und die Presse gewettet hat: Dasommt über den Kreis der sogenannten Gutmenschenar nicht hinaus. – Es gab damals unglaublich viel Un-rstützung: nahezu alle NGOs, die Kirchen, Promi-ente, Andris Piebalgs. Viele haben diesen Aufruf alsonterstützt. Zum Schluss haben ihn 372 Parlamentarierller Fraktionen auch unterschrieben.Wir haben also zwar eine Mehrheit hier im Hause,ber leider nicht die Mehrheit in den Koalitionsfraktio-en. Trotzdem möchte ich mich bei den Kollegen vonnion und FDP bedanken, die sich für diesen Aufrufingesetzt haben, denen es aber leider nicht gelungen ist, ihren jeweiligen Fraktionen eine Mehrheit dafür zuekommen.
Ja, das verdient natürlich Dank und Applaus.Insgesamt ist es aber schon bitter. Wir haben wirklichehofft, dass es uns gemeinsam gelingen würde, zu ei-em ernsthaften Aufwuchs zu kommen. Man kann daswar immer wieder als Rekordhaushalt bezeichnen, aberichts täuscht darüber hinweg: Wenn wir heute bzw. amreitag darüber abstimmen, dann ist die Entscheidungefinitiv gefallen – das wird uns auch durch den Ent-icklungsausschuss der OECD bescheinigt –, dass wiras 0,7-Prozent-Ziel nicht mehr fristgerecht bis 2015 er-ichen können; denn die ODA-Lücke wird zu groß.an kann in nachfolgenden Jahren dann nämlich nichthne Weiteres auf einmal so viel Geld zur Verfügungtellen, dass das Ziel doch noch bis 2015 erreicht wird,elbst dann nicht, wenn man jetzt Lottoscheine ausfüllenürde und unverschämt viel Glück hätte;
enn bei den Programmen und Projekten geht es ja aucharum, dass sie anständig geplant werden müssen undass eine Vorlaufzeit notwendig ist. Man kann nicht jede-beliebige Summe auf die Schnelle absorbieren.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17003
Thilo Hoppe
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Deswegen wäre es wichtig gewesen, dass wir nichtnur deutlich mehr Barmittel einstellen. Im Konsens ha-ben wir ja nicht nur allgemein 0,7 Prozent gefordert,sondern eine ganz konkrete Summe, nämlich 1,2 Milliar-den Euro mehr für Entwicklungszusammenarbeit undhumanitäre Hilfe. Es geht darum, die ODA-Quote ressort-übergreifend gemeinsam zu erreichen. Nur so wäre esmöglich gewesen, das Ziel doch noch zu erreichen.Wie gesagt: Dies ist jetzt eigentlich die letzte Aus-fahrt von der Autobahn, von der abschüssigen Strecke,die uns zum Wortbruch führt. Das ist, wie gesagt,schade; das ist bitter. Sagen Sie jetzt bitte nicht, dieseSumme sei unrealistisch gewesen. Wir haben in diesenMonaten hier in diesem Hause ganz andere Summen be-wegt. Das ist einzig und allein eine Frage der Prioritäten-setzung. Diese Frage hat die Mehrheit von Union undFDP – ich spreche ja nicht von allen – leider auf eine Artund Weise beantwortet, die, wie ich glaube, eine Mehr-heit hier im Parlament und auch in der Bevölkerungnicht in Ordnung findet, enttäuschend findet, als Armuts-zeugnis empfindet.
Wir haben einen Haushalt vorgelegt, der durchgerech-net ist, in dem alle Einzelposten abgefragt wurden undder auch mit den Durchführungsorganisationen durchge-sprochen ist. Er wäre realistisch gewesen. Damit hättenwir den notwendigen Schritt getan, aber leider wird eskeine Zustimmung dafür geben. Das finde ich sehr ent-täuschend.
Der Kollege Jürgen Klimke hat jetzt das Wort für die
CDU/CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und
Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere
der Opposition! Es ist eine alte Tradition und Ihr gutes
Recht, gerade bei den Haushaltsberatungen, also bei der
Abrechnung, nur die Fehlleistungen der Regierung zu
sehen und aus jeder Mücke einen Elefanten zu machen.
Aber die verbale Aufrüstung und die Polemik führen uns
nicht weiter. Es geht vielmehr darum, die Zukunft der
Entwicklungspolitik strategisch zu gestalten.
Hier würde ich mich über die Anerkennung des Mu-
tes freuen, mit dem wir unsere Entwicklungspolitik ver-
suchen zukunftsfähig zu machen. Wenn Anerkennung
vielleicht zu viel sein sollte, dann wären konstruktive
Gegenvorschläge gut. Aber wenn überhaupt keine Alter-
nativen kommen oder die Alternativen meistens von ges-
tern sind, dann ist das keine konstruktive Diskussion.
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wachung der Durchführung von Leistungen. Zukünftigwollen wir nicht die Umsetzung von Maßnahmen evalu-ieren, sondern wir wollen beurteilen, ob der erhoffte ent-wicklungspolitische Nutzen eingetreten ist. Das machtdie Entwicklungszusammenarbeit effizienter und nach-haltiger.Auf nationaler Ebene haben wir die Schaffung einesunabhängigen Evaluierungsinstituts vor uns. Das ist einwichtiger Schritt in eine richtige Richtung. Wir werdenversuchen, sehr intensiv an der konkreten Ausgestaltungmitzuarbeiten.Eine dritte Herausforderung, die aus meiner Sicht mitder Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit inVerbindung steht, betrifft die Frage der Konditionierungvon Entwicklungsmaßnahmen. Der Begriff „Konditio-nierung“ bedeutet in unserem entwicklungspolitischenKontext die Erteilung von Auflagen an den Empfängerder Mittel. Eine in diesem Sinne von den Staaten zu er-füllende Bedingung ist vor allem eine gute Regierungs-führung, Stichwort „Good Governance“. Es sollte selbst-verständlich sein, dass wir in Staaten, in denen dieseVoraussetzungen fehlen und auch keine positive Ent-wicklung in dieser Hinsicht feststellbar ist, bestimmteFormen der Entwicklungsarbeit nicht ohne Weiteresdurchführen können und vor allen Dingen wollen.Diese Erkenntnis haben die Parteien des linken Spek-trums aus meiner Sicht noch nicht verinnerlicht.
Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen.Zunächst geht es mir um die Verknüpfung von Men-schenrechten und entwicklungspolitischen Maßnahmen.Niemand stellt in Abrede, dass die Einhaltung von Men-schenrechten in der Entwicklungszusammenarbeit schonlänger eine Rolle spielt. Aber erst die christlich-liberaleRegierung hat es fertiggebracht, ein verbindliches, kohä-rentes Menschenrechtskonzept vorzulegen. Alle Ent-wicklungsprojekte werden zukünftig einem Menschen-rechts-TÜV unterzogen.Diese entwicklungspolitische Vorgabe des BMZ um-fasst unter anderem einen Kriterienkatalog, mit dem dieRegierungsführung und die Menschenrechtssituation inden Partnerländern bewertet und beurteilt werden.Grundlage sind die Umsetzung der Menschenrechtskon-vention in nationales Recht, die Schaffung entsprechen-der Institutionen und Verfahren sowie die Ergebnisse derUmsetzung zentraler Menschenrechte. Die Ergebnisseder Bewertung sind dann Grundlage für Art und Ausge-staltung unserer entwicklungspolitischen Zusammenar-beit.Hiermit haben wir ein völlig neues Instrument ge-schaffen, das aus meiner Sicht auch das Zeug zu einerVorbildfunktion gegenüber unseren europäischen Part-nern hat. Das habe ich im Übrigen in Brüssel sehen kön-nen, als wir dort kürzlich mit den Menschenrechtlern,den Entwicklungspolitikern und den Außenpolitikernder EU zusammengetroffen sind. Der Menschenrechts-Trutedmkbzs0wAMwdKGfrdpmnriWznHriznkndnkm
Im Übrigen gilt alles, was ich eben sagte, auch für dieorruption. Wir haben das im Zusammenhang mit demFATM ausführlich diskutiert. Ich glaube, dass das Ein-ieren der Mittel durch das BMZ zunächst richtig war;enn wir sind als Parlamentarier den Steuerzahlern ver-flichtet. Wir müssen den Bürgerinnen und Bürgern im-er wieder deutlich machen, dass wir bei jedem einzel-en Cent, der irgendwohin fließt, darauf achten, dass erchtig angelegt ist.
ir dürfen es nicht hinnehmen, dass wir Steuergelderum Fenster hinauswerfen, nur weil internationale Orga-isationen ihre Aufgaben nicht richtig gemacht haben.
ier haben wir die Notbremse gezogen, und das ist auchchtig.Meine Damen und Herren, die genannten Beispieleeigen, dass wir in der Entwicklungszusammenarbeiticht unbedingt das Rad neu erfinden müssen. Aber wirönnen ganz entschieden Akzente setzen, und wir kön-en vor allen Dingen durch neue Herangehensweiseneutlich machen, dass unsere Arbeit wirksamer undachhaltiger ist.
Herr Kollege.
Das haben wir uns, vor allem als Union, für die Zu-unft in der Entwicklungszusammenarbeit vorgenom-en.Danke sehr.
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17005
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Für die SPD-Fraktion hat jetzt Sascha Raabe das
Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen
und Kollegen! Lieber Herr Hoppe, auch ich bin nun
schon eine Weile bei Haushaltsdebatten dabei. In der Tat
war es noch nie so einfach wie in diesem Haushaltsjahr
für einen Entwicklungsminister, mit der Unterstützung
von 372 Kolleginnen und Kollegen einen deutlichen
Schritt hin auf das 0,7-Prozent-Ziel im Jahr 2015 zu ma-
chen. Aber dieser Minister – das ist eine Schande – hat
das nicht einmal versucht.
Dieser Minister hat sich nicht hinter das Parlament ge-
stellt, er hat sich auch nicht hinter die Ärmsten der Ar-
men gestellt, sondern er hat einfach gesagt: Das, was die
Mehrheit des Deutschen Bundestags möchte, interessiert
mich nicht. – Es interessiert ihn nicht, dass er in der
Pflicht steht, 1 Milliarde hungernden Menschen zu hel-
fen, denen man natürlich auch mit Geld helfen muss.
Er hat das einfach ignoriert und auch nicht aufgenom-
men, was Sie, Herr Kollege Klimke, gesagt haben. Sie
haben behauptet, es gebe keine Alternativen. In diesem
Jahr war die Finanztransaktionsteuer, die wir als Ent-
wicklungspolitiker vor 10, 20 Jahren – damals noch un-
ter dem Namen „Tobin-Tax“ – immer wieder eingefor-
dert haben, so greifbar nahe wie noch nie auf
europäischer Ebene. Anstatt dass der Entwicklungsmi-
nister jetzt den parteiübergreifenden Rückhalt des Parla-
ments aufnimmt und sich dafür einsetzt, den Aufwuchs,
den wir brauchen, mithilfe der Finanztransaktionsteuer
zu finanzieren, also die besten Bedingungen nutzt, ist er
derjenige in der Bundesregierung, der die Finanztransak-
tionsteuer bis heute ablehnt, weil ihm freie Märkte und
Gewinne für Banken und Spekulanten wichtiger sind als
Hilfe für die Armen. Herr Minister, das ist schäbig.
Herr Kollege Raabe, möchten Sie eine Zwischenfrage
des Kollegen Fischer zulassen?
Gerne.
Bitte schön.
Herr Kollege Raabe, auch ich gehöre zu den über
300 Kolleginnen und Kollegen, die diesen Appell unter-
schrieben haben. Wir haben diesen Appell natürlich un-
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Wir haben dann in der Großen Koalition von 2005 bis2009 – Herr Fischer, deswegen wundern mich Ihre Äuße-rungen und die Ihrer Kollegen von der CDU –, als die Eu-ropäische Union im Jahr 2005 auf Druck von HeidemarieWieczorek-Zeul erstmals völkerrechtlich verpflichtendden Beschluss gefasst hat, den ODA-Stufenplan verbind-lich zu machen, beschlossen, im Jahr 2010 0,51 Prozentund im Jahr 2015 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkom-mens für die Entwicklungszusammenarbeit zur Verfü-gung zu stellen. Damals haben wir Aufwüchse gehabt.
Ich lese Ihnen das gerne einmal vor: im Jahr 20068,2 Prozent,
im Jahr 2007 unter Entwicklungsministerin HeidemarieWieczorek-Zeul und Finanzminister Peer Steinbrück7,6 Prozent,
im Jahr 2008 14,3 Prozent
und im Jahr 2009 13,2 Prozent. Sie haben gerade gesagt,in diesen Jahren sei nichts passiert.
– Herr Kollege, seit es den Stufenplan gibt, haben wir inden letzten beiden Jahren vor Herrn Niebels AmtszeitAufwüchse im Bereich von 14,3 Prozent und 13,2 Pro-zent gehabt. Ich verstehe, ehrlich gesagt, nicht – FrauMerkel ist noch immer Bundeskanzlerin; da haben Sierecht –,
warum diese Kanzlerin das, was sie auf jedem Kirchen-tag sagt, nämlich dass sie zu diesem Versprechen steht,mit diesem Minister nicht umsetzt.Herr Niebel, ich verstehe nicht – Sie sind doch sonstimmer so großspurig, sage ich einmal –, dass Sie es nichtschaffen, mit der Kanzlerin zu vereinbaren, dass Sie we-nigstens die gleichen Aufwüchse bekommen, wie sieIhre Vorgängerin bekommen hat. Es ist wirklich sehrschwach, Herr Minister, wenn Sie sich da mit ein paarProzent zufrieden geben. Es wären jetzt 1,8 Prozent ge-wesen, wenn man die Goldreserven herauslässt, die da-zugekommen sind. Das „Projekt 18“, das die FDP ein-mal vorhatte, hätten Sie lieber auf den Haushaltübertragen sollen. Da sind Sie bei 1,8 Prozent gelandet,genauso wie mit Ihrer Partei in Berlin. Da gehören Siemit diesem Haushalt auch hin.MdduwbwhwAdAbAW0nkhHwIcdewekmHaleKpKEsgH
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17007
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die Grundrechenarten werden wohl auch Sie ein biss-chen können. Das darf doch nicht wahr sein! RechnenSie doch einmal nach, welche Lücke zwischen 1,2 Mil-liarden Euro und den nun vorgesehenen 163 MillionenEuro klafft! Ich mache es Ihnen einfach, Frau Kollegin:Über 1 Milliarde Euro fehlt. Damit ist der Konsens auf-gekündigt. Das können Sie doch nicht in Abrede stellen.Es ist sehr schade, dass der Minister den Konsens aufge-kündigt hat.
Der Minister hat auch den Konsens über andere par-teiübergreifenden Initiativen des Hauses, für die wir ge-meinsam zwei, drei Jahre gekämpft haben, mit diesemHaushalt aufgekündigt. Ich erinnere daran, dass 2008eine Delegation des Ausschusses für wirtschaftliche Zu-sammenarbeit und Entwicklung nach Ecuador gereist ist.Ich habe damals die Ehre gehabt, diese Delegation zuleiten. Wir sind nach Ecuador gereist, um zu schauen, obes möglich ist, ein armes Land wie Ecuador zu unterstüt-zen, wenn es darauf verzichtet – das geht auf einen Vor-schlag der dortigen Regierung zurück –, Erdöl in einemRegenwaldgebiet zu fördern, das aufgrund seiner Bio-diversität, also seiner Artenvielfalt, einmalig ist. Der Prä-sident von Ecuador hat gesagt, wenn die internationaleGemeinschaft die Hälfte der möglichen Einnahmen ausder Erdölförderung ersetze, sei er bereit, auf die Erdölför-derung zu verzichten, den Lebensraum für die indigeneBevölkerung bestehen zu lassen und die Artenvielfalt zuschützen. Alle im Deutschen Bundestag vertretenen Par-teien haben damals gesagt: Ja, wir wollen diesen Vor-schlag unterstützen. – Dann wurden viele technischeFragen geklärt. Es gab viele Gespräche, auch direkt mitVertretern der ecuadorianischen Regierung. Schließlichhaben die damalige Ministerin und ihr StaatssekretärEcuador mitgeteilt, dass das Land für dieses Projekt mitungefähr 50 Millionen US-Dollar pro Jahr rechnenkönne. Das entspricht der Größenordnung, die Deutsch-land in ähnlichen internationalen Vereinbarungen festge-legt hat. Ich bin sehr froh, dass alle – CDU/CSU, FDP,Linke, Grüne und SPD – gesagt haben: Ja, das wollenwir.Ähnlich wie beim entwicklungspolitischen Konsensist es enttäuschend, dass Minister Niebel nun sagt, dasinteressiere ihn nicht, da werde ein Präzedenzfall ge-schaffen. Da könne auch Saudi-Arabien kommen undfordern, dass seine Einnahmen ersetzt werden, wenn esauf die Erdölförderung verzichtet.
Herr Minister, wenn Sie schon nicht die Artenvielfalt inder Wüste von der Artenvielfalt im Regenwald unter-scheiden können, dann sollten Sie wenigstens in derLage sein, einen reichen Ölstaat von einem Entwick-lungsland zu unterscheiden.IcDticddnfüSPHDuendmsdgddMtidnruwmimEIcgnaleluGgh
h kann an dieser Stelle nur sagen: Völlig daneben!ass Sie auch noch die Stirn haben, Italien dafür zu kri-sieren, dass es Schulden umwandelt, um in den entspre-henden Fonds einzuzahlen, ist erbärmlich. Das ist aufer gleichen Linie wie damals, als Sie, als wir währender Bankenkrise den Entwicklungsländern 100 Millio-en Euro zur Verfügung gestellt haben, gesagt haben, da-r solle man lieber 2 500 Grundschullehrer einstellen.ie spielen die Schuldenkrise in Europa oder sozialerobleme in Deutschland gegen die Probleme und denunger in der Welt aus. Das ist schäbig, Herr Minister.as ist Stammtischniveau. Das haben diese Diskussionnd der Entwicklungsausschuss nicht verdient.
Mit dem Thema Artenvielfalt scheinen Sie in der Tatin gewisses Problem zu haben. Sie schützen nicht nuricht die Artenvielfalt des Regenwaldes. Wenn man sichie Personalstruktur Ihres Hauses anschaut, dann stelltan fest – Herr Kollege Binding hat das schon ange-prochen –, dass Sie nicht die roten oder die grünen, son-ern nur die gelben Vögel fördern, um im Bild des Re-enwaldes zu bleiben. Angesichts der Personalstruktur,ie Sie geschaffen haben, schreiben die Zeitungen, dassas nichts anderes als Vetternwirtschaft ist und dass dasinisterium zu einem Versorgungsamt für FDP-Funk-onäre verkommen ist.Vor diesem Hintergrund werden wir den Haushalt,en Sie hier vorgelegt haben, Herr Minister, leider ableh-en müssen.Im Anschluss werden wir auch über unsere Ände-ngsanträge abstimmen. Wir wollen gemäß dem ent-icklungspolitischen Konsens 1,2 Milliarden Euroehr für Entwicklungszusammenarbeit, und wir wollen Interesse der Artenvielfalt und des Regenwaldes incuador, dass der Yasuní-Nationalpark geschützt wird.h hoffe, dass möglichst viele Kolleginnen und Kolle-en im Parlament dem zustimmen, auch wenn der Mi-ister seine Zustimmung leider verweigert und blockiert,nstatt die Sache zu befördern.Danke schön.
Zu einer Kurzintervention geht das Wort an den Kol-
gen Thilo Hoppe.
Ich möchte als einer der Mitinitiatoren des entwick-ngspolitischen Konsenses gern eines klarstellen: Zumeist dieses Konsenses gehört es, dass wir aufhören mitegenseitigen Schuldzuweisungen in die Vergangenheitinein.
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17008 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Thilo Hoppe
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– Das haben viele heute gemacht, aus mehreren Fraktio-nen. – Die Wahrheit ist: Von keiner Regierung sind bis-her die Aufwüchse in den Haushalt eingestellt worden,die notwendig gewesen wären, um dem 0,7-Prozent-Zielernsthaft näher zu kommen. Der Streit darüber, welcheRegierung das Wort etwas mehr oder etwas weniger ge-brochen hat, führt überhaupt nicht weiter. – Das ist daseine.
Das andere ist: Es steht nicht in dem Konsens, dass ir-gendwann einmal 0,7 Prozent erreicht werden sollen,wenn die Haushaltslage gut ist, sondern es ist eine ArtSelbstverpflichtung gewesen, sich mit allen Kräften da-für einzusetzen, dass im Haushalt 2012 für Entwick-lungszusammenarbeit und humanitäre Hilfe 1,2 Milliar-den Euro mehr eingestellt werden. Darüber, dass diesnicht erfolgt ist, kann man zu Recht enttäuscht sein.
Ein Punkt noch: Bei aller berechtigten Kritik – nichtder Entwicklungsminister allein bestimmt den Etat. Mankann fragen, ob er hart genug dafür gekämpft hat, ob erden Konsens unterstützt oder ob er diesen Rückenwindgenutzt hat. Heidemarie Wieczorek-Zeul hat sich fürmehr Geld für ihr Ressort eingesetzt, hat sich aber oftnicht durchsetzen können. Man kann also nicht alleinden Entwicklungsminister dafür verantwortlich machen.Aber er hätte mehr kämpfen können und diesen Rücken-wind mehr nutzen können.
Das Wort hat Johannes Selle für die CDU/CSU-Frak-
tion.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolle-ginnen und Kollegen! In den letzten Wochen und Mona-ten hat das Thema Sparen in unseren Beratungen zumHaushalt 2012 eine große Rolle gespielt. Heute Morgenwurde uns von der Opposition vorgehalten, wir würdendas nicht konsequent genug machen. Konsolidierungbleibt unsere Verpflichtung. Heute Morgen war auchvom intelligenten Sparen die Rede. Für mich ist das keinSchimpfwort, sondern die Anerkenntnis, dass nicht jedespolitische Anliegen die gleiche politische Bedeutung be-anspruchen kann.Die Not anderer Menschen zu sehen und sich zu fra-gen: „Was können wir tun?“, ist menschlich und vongrößter Bedeutung. Der entwicklungspolitische Haushaltsteigt gegenüber dem Vorjahr um 2,63 Prozent und da-mit wesentlich stärker als der Gesamthaushalt, der fastkonstant bleibt. Dass die Bedeutung der internationalenwirtschaftlichen Zusammenarbeit für Deutschland ge-wlammEmkgtrshandtrfimddDdAsPkdtiafeknDebrushrenwhgdpn
Lieber Kollege Hoppe, herzlichen Dank für die nach-ägliche moderate Einschätzung der ganzen Geschichte.An den Kollegen Raabe eine Bemerkung: Herr Fi-cher hat vollkommen recht. Eine große Differenz aufzu-olen, ist sehr viel schwerer, als eine kleinere Differenzufzuholen. Wir agieren inzwischen in einem internatio-alen Umfeld, in dem wir die Balance halten müssen.Lassen Sie mich dennoch allen Kollegen Dank sagen,ie mit guten Anträgen und mit Argumenten dazu beige-agen haben, dass der Etat mehrheitlich Zustimmungndet.Dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-enarbeit und Entwicklung stehen knapp 2,1 Prozentes Gesamthaushalts zur Verfügung. Über 50 Prozentes Gesamthaushalts geben wir für soziale Zwecke ineutschland aus. Ich sage das, weil ich immer wiederie Frage beantworten muss, warum wir so viel Geld insusland geben, obwohl wir im eigenen Land genügendoziale Probleme haben. Ich denke, wir können dieseroportionen gut vertreten; denn neben der Menschlich-eit, die wir den Mitmenschen schuldig sind, trageniese Mittel zu Frieden, zur Verringerung des Migra-onsdrucks und zu wirtschaftlicher Entwicklung bei.
Wir kennen viele Beispiele, die uns lehren, dass Geldllein die Probleme nicht lösen kann. Einmal geschaf-ne Fährverbindungen brechen zusammen, weil eseine Ersatzinvestitionen gibt, einmal geschaffene Brun-en verfallen, weil Wartung und Pflege nicht stattfinden.ie Effizienz zu erhöhen und wirklich Nachhaltigkeit zurreichen, bleibt Daueraufgabe, umso mehr, da die Pro-leme durch Wachstum der Bevölkerung und Verände-ng des Klimas objektiv wachsen. Durch die Globali-ierung kommen weitere Faktoren hinzu; das haben wireute schon zur Kenntnis nehmen können.Es wird immer wieder die Frage gestellt, ob wir unse-r internationalen Verantwortung gerecht werden kön-en. Diese Frage kann schwer plausibel beantworteterden, weil nur schwer angegeben werden kann, wieoch unsere internationale Verantwortung zu veranschla-en ist. Wie wir gerade gehört haben, können wir trotzer beachtlichen Steigerung noch nicht unsere Selbstver-flichtung erfüllen. Wir geben die Zielstellung trotzdemicht auf.
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Johannes Selle
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Mit begründeter Sicherheit kann man feststellen, dasswir nicht alle Erwartungen, die an Deutschland gestelltwerden, erfüllen können. In diesem Jahr war ich mit demgeschätzten Kollegen Kekeritz von den Grünen in derZentralafrikanischen Republik, einem Land, das beimHuman Development Index auf Platz 178 von 179 Plät-zen rangiert. In fast allen Gesprächen mit Regierungs-vertretern und der Zivilgesellschaft wurden wir um einumfassendes Engagement gebeten. Unsere Expertise,unser Ansatz der nachhaltigen Entwicklung, unsere fairePartnerschaft und unsere wirtschaftliche Stellung in derWelt genießen hohe Wertschätzung. Ähnliches könnteich von der neuen Republik Südsudan, aber auch von derRepublik Sudan berichten, und auf den Wunsch nachstärkerem Engagement treffen wir nicht nur in Afrika.Aus meiner Sicht ist es an der Zeit, dem Gedanken ei-nes stärkeren dauerhaften Engagements in einem Landoder einer Region in der Form näherzutreten, dass einProjekt mit Modellcharakter oder eine Patenschaft mög-lich wird. Das bedeutet neben finanzieller Zusammenar-beit eine vielfach höhere personelle Präsenz. AlbertSchweitzer ist für uns bis heute ein Beispiel dafür, dassErfolg vom Vormachen und Mitmachen abhängt. DasWohl der Menschen darf uns nicht nur aus der Ferne in-teressieren, sondern das Interesse daran muss zu mehrund intensiverer Nähe führen. Dadurch könnten langfris-tig der Verwaltungsaufbau und damit eine gute Regie-rungsführung unterstützt werden. Gleichzeitig würdenganzheitliche Konzepte zur Förderung der Landwirt-schaft oder Nutzbarmachung heimischer Ressourcenzum Wohle des Volkes leichter möglich. Zudem würdedie Zivilgesellschaft in Deutschland und im Partnerlandebenso motiviert wie die wirtschaftlichen Partner, ohnedie eine selbsttragende wirtschaftliche Entwicklungnicht funktionieren wird. Aber genau das soll das Zielwirtschaftlicher Kooperation und Entwicklung sein.Ich finde deshalb den Ansatz des Bundesministersrichtig, Menschen aus unserem Land, die es zu einempersönlichen Anliegen gemacht haben, sich in Kirchenund Nichtregierungsorganisationen der Entwicklung inPartnerländern zu widmen, besonders zu unterstützen.Sie tun das sehr verdienstvoll. Dafür wollen wir auch andieser Stelle Dank sagen.
Die Haushaltsansätze belegen diese Anerkennung.Wenn wir über mehr Effizienz der eingesetzten Gel-der sprechen, dann heißt das nicht nur, im Partnerlanddarauf zu achten, sondern auch, die eigene Tätigkeit zuhinterfragen. Das hat Bundesminister Niebel gemachtund mit der Vorfeldreform auch erfolgreich umgesetzt.Das sollte bei einer solchen Debatte anerkannt werden,hilft es doch, Entwicklungspolitik dem Bürger gegen-über besser vertreten und die zur Verfügung gestelltenMittel effektiver zur Armutsbekämpfung einsetzen zukönnen. In diesem Sinne ist auch die Fokussierung auf50 Partnerländer, die schon zu zahlreichen Diskussionengeführt hat, zu begrüßen.Frau Kofler, eine Bemerkung möchte ich noch ma-chen. Sie müssen wissen, dass die 200 Millionen EurofübdriVsMsdksudklaBugnndisdCsgfabWgc
öglicherweise ist der Zeitpunkt unglücklich – das kannein –, in der Sache gibt es aber durchaus interessante,iskussionswürdige Aspekte. Wir werden das weiterhinritisch begleiten. Insofern ist auch diese Kritik aus un-erer Sicht nicht gerechtfertigt.
Herr Kollege.
Ich bin gleich fertig.
Sie waren schon vor geraumer Zeit fertig.
Mit diesem Haushalt senden wir positive Signale, was
nser Engagement in der Welt anbelangt. Sie alle haben
ie Chance, einem guten Einzelplan 23 zustimmen zu
önnen. Diese Chance sollten Sie sich nicht entgehen
ssen.
Ich schließe die Aussprache.Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 23 –undesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeitnd Entwicklung – in der Ausschussfassung. Hierzu lie-en uns drei Änderungsanträge vor, über die wir zu-ächst abstimmen.Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und Bünd-is 90/Die Grünen auf Drucksache 17/7814. Wer stimmtafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Damitt der Änderungsantrag abgelehnt bei Zustimmungurch SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die Linke.DU/CSU und FDP haben dagegen gestimmt.Änderungsantrag der Fraktion der SPD auf Druck-ache 17/7812. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dage-en? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist eben-lls abgelehnt bei dem gleichen Stimmenverhältnis wieei dem vorherigen Änderungsantrag.Änderungsantrag der SPD auf Drucksache 17/7813.er stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-en? – Auch dieser Änderungsantrag ist mit dem glei-hen Ergebnis abgelehnt.
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17010 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt
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Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzel-plan 23 – Bundesministerium für wirtschaftliche Zusam-menarbeit und Entwicklung – in der Ausschussfassung.Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltun-gen? – Der Einzelplan 23 ist somit angenommen bei Zu-stimmung durch die Koalitionsfraktionen. Die Opposi-tionsfraktionen haben abgelehnt.Interfraktionell ist verabredet, den Änderungsantragder Fraktionen der CDU/CSU und FDP auf Drucksache17/7874 zu Einzelplan 32 – Bundesschuld – heute zu be-handeln und jetzt darüber abzustimmen. Wer stimmt fürdiesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Ent-haltungen? – Dieser Änderungsantrag ist einstimmig an-genommen.Ich rufe jetzt den Tagesordnungspunkt III auf:Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung der Beteiligung bewaffneter deut-scher Streitkräfte an der EU-geführten Opera-tion Atalanta zur Bekämpfung der Piraterievor der Küste Somalias auf Grundlage desSeerechtsübereinkommens der Vereinten Na-tionen von 1982 und der Resolutionen 1814
vom 15. Mai 2008, 1816 (2008) vom
2. Juni 2008, 1838 vom 7. Oktober 2008,1846 vom 2. Dezember 2008, 1897
vom 30. November 2009, 1950 (2010)
vom 23. November 2010 und nachfolgenderResolutionen des Sicherheitsrates der Verein-ten Nationen in Verbindung mit der Gemein-samen Aktion 2008/851/GASP des Rates derEuropäischen Union vom 10. November 2008,dem Beschluss 2009/907/GASP des Rates derEuropäischen Union vom 8. Dezember 2009,dem Beschluss 2010/437/GASP des Rates derEuropäischen Union vom 30. Juli 2010 unddem Beschluss 2010/766/GASP des Rates derEuropäischen Union vom 7. Dezember 2010– Drucksache 17/7742 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss gemäß § 96 GONach einer Verabredung zwischen den Fraktionen istes vorgesehen, hierzu eine halbe Stunde zu debattieren. –Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann istdas so beschlossen.Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Bundes-minister Dr. Guido Westerwelle.
Dr. Guido Westerwelle, Bundesminister des Aus-wärtigen:Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen undHerren! Kolleginnen und Kollegen! Die Pirateriebe-knaaddreulinHheeHsmBlasghAwlidmAdZ2sHkvnaadGmdmhprahvisfäs
Wir sind darüber einig, dass wir gleichzeitig vor Ortieles tun müssen, weil die Lage weiterhin extrem fragilt und durch die organisierte Kriminalität weiterhin ge-hrdet ist. Somalia wird noch lange nicht in der Lageein, die Piraterie vor seiner Küste in eigener Verantwor-
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Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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tung wirksam zu bekämpfen. Dies wird unzweifelhaftzunächst die Aufgabe der internationalen Gemeinschaftbleiben müssen.Für die Bundesregierung bitte ich daher um Ihre Zu-stimmung zu der Fortsetzung der deutschen Beteiligungan der EU-geführten Operation Atalanta. Atalanta han-delt im Auftrag der Vereinten Nationen und auf Bittender somalischen Übergangsregierung. Der Rat der Euro-päischen Union hatte bereits am 7. Dezember 2010 dieVerlängerung von Atalanta bis zum 12. Dezember 2012beschlossen. Das heißt, das, was wir tun, ist nicht nurvölkerrechtlich gedeckt, sondern auch europäisch undinternational eingebettet.Die Freiheit der Meere und die Sicherung der See-wege sind von besonderer strategischer Bedeutung. Daszu ignorieren, wäre ein Fehler. Es würde übrigens auchdas internationale Recht auf den Kopf stellen. Meine Da-men und Herren, Europa profitiert wie kein andererKontinent vom freien Fluss globaler Handelsströme:Durch das Seegebiet vor Somalia, vor allem durch denGolf von Aden, führt die wichtigste Handelsroute zwi-schen Europa, der arabischen Halbinsel und Asien.Diese Route offen zu halten, ist eine wichtige Aufgabeinternationaler Sicherheitspolitik und liegt im unmittel-baren deutschen Interesse. Ich kann nichts Schlechtesdaran erkennen, dass wir die Schiffe der internationalenGemeinschaft, auch unsere Schiffe, schützen. Das ist un-ser Recht. Ich glaube sogar: Es ist auch unsere Pflicht,unsere Schiffe und Besatzungen zu schützen.
Meine Damen und Herren, Deutschland gehört beiAtalanta kontinuierlich zu den führenden Beitragstellernund stellt gegenwärtig den Kommandeur der Kräfte imEinsatzgebiet. Wir werden damit unserer Verantwortunggegenüber unseren Partnern auch in der EuropäischenUnion gerecht.Wir flankieren die Bekämpfung der Piraterie auf Seenatürlich durch Bemühungen zur Bekämpfung der Ursa-chen von Piraterie an Land und durch Unterstützungs-leistungen für den Wiederaufbau des somalischen Staa-tes. Wir leisten humanitäre Hilfe, um das unmittelbareLeid von Millionen Menschen zu lindern.Wir tragen mit der Beteiligung an der European Trai-ning Mission Somalia, in deren Rahmen bislang rund2 000 Soldaten der somalischen Übergangsregierung aus-gebildet worden sind, zur Schaffung eines sicheren Um-feldes bei. Wir unterstützen die Ausbildung afrikanischerPolizisten, die als Trainer und Berater der somalischenPolizei eingesetzt werden. Wir beteiligen uns an den An-strengungen der Europäischen Union, gemeinsam mitden afrikanischen Partnern regionale Küstenwachen auf-zubauen, zu deren Aufgaben auch der Gewässer- und Fi-schereischutz zählen wird.Wir unterstützen mit erheblichen Mitteln die Finanzie-rung der Mission der Afrikanischen Union in Somalia.Den Verfassungsprozess in Somalia fördern wir durcheine vom Max-Planck-Institut für Völkerrecht durchge-führte rechtliche Beratung. Wir helfen den Vereinten Na-tionen, die rechtsstaatlichen Kapazitäten in den StaatendVbsLtiwsanz–tewvasliustiKvinFSwtrgdbadruHtesBGPPredlab
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17012 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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Vergangenheit – das gilt aber offensichtlich auch für dieaktuelle Situation – Einfluss genommen haben bzw. wei-ter nehmen. Sie nehmen letztlich auch mit Gewalt Ein-fluss. Dabei kommt es auch zu schwierigen Situationen.Wir müssen, finde ich, insbesondere die Nachbarstaa-ten dazu aufrufen, nicht mit Gewalt von außen in diesesLand einzugreifen, sondern am Aufbau Somalias aktivmitzuwirken. Das gehört zu der Diskussion, die wir hierführen, genauso dazu wie das Debattieren über den so-zialen und politischen Aufbau in Somalia.In der Tat ist es richtig – das wird hier immer wiederangesprochen –, dass Armut und Piraterie zusammenge-hören. In dem Zusammenhang ist auch die Situation zunennen, vor die Somalia in den letzten Jahren und Jahr-zehnten gestellt wurde. Gleichzeitig will ich darauf auf-merksam machen, mit welchem Respekt wir den Men-schen begegnen sollten, die sich in Somalia ganz bewusstgegen Piraterie entscheiden und sagen: Das wird unseremLand, unserer Kultur und Tradition nicht gerecht. Deswe-gen warne ich vor vereinfachenden Schlussfolgerungen.Insbesondere nehme ich das auf, was Jack Lang, der Son-derbeauftragte der Vereinten Nationen, festgestellt hat. Ersagte, das Problem der Piraterie bestehe insbesondere da-rin – Herr Außenminister, Sie haben das angesprochen –,dass sie von der organisierten Kriminalität bzw. von deninternationalen Netzwerken unterstützt wird, indem diesedas Geld waschen, das die Piraterie erbringt. Es gehört zueiner ehrlichen Diskussion in der Europäischen Uniondazu, festzustellen, dass wir die Piraterie insbesonderedurch internationale Maßnahmen bekämpfen müssen, umorganisierte Kriminalität weiterhin zurückzudrängen.Man muss hinzufügen: Sie findet auch in westlichen Han-delsstädten statt.Wir sollten uns immer wieder vergegenwärtigen:Piraterie ist nicht das Problem Somalias oder am Hornvon Afrika, sie ist auch in anderen Regionen ein Pro-blem. Sie ist auch ein historisches Phänomen, was mitdem einen oder anderen Land, das heute als Partner be-zeichnet wird, durchaus in einem Zusammenhang ge-standen hat. Ich würde gerne in dieser Runde aus einergültigen Verfassung zitieren, die der eine oder anderevielleicht kennt. Da heißt es:Die Volksvertretung hat das Recht … Kaperbriefeauszustellen und Vorschriften über das Prisen- undBeuterecht zu Wasser und zu Lande zu erlassen.Das ist keine Verfassung eines Landes im Südpazifik,das ist auch nicht die Verfassung der Malediven, sondernes ist die amerikanische Verfassung. Wir sollten uns ver-gegenwärtigen, dass dies durchaus noch aktuelles Rechtist.
– Ich glaube nicht, dass die Kolleginnen und Kollegendavon Gebrauch machen, aber will ich auf das histori-sche Phänomen aufmerksam machen, weil das zu einerpolitischen Diskussion dazugehört.Regierungen und Parlamente haben die Piraterie zu-rückgedrängt. Gerade in einzelnen Staaten Asiens ist esgtirudddkmdsgdinddmSinRvrudsSwisdsruDdbhüfütieinvdvbRahKbdtereinSd
enn wir haben diesbezüglich rechtliche Schwierigkei-n. Das Verwaltungsgericht Köln hat in einem besonde-n Fall dargelegt, dass die rechtlichen Umgangsformen Kenia – darum ging es in diesem Fall – nicht unserentandards entsprechen. Deswegen fordere ich die Bun-esregierung insbesondere vor dem Hintergrund der der-
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17013
Dr. Rolf Mützenich
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zeitigen Mitgliedschaft Deutschlands im Sicherheitsratauf, weitere Initiativen zu ergreifen, um hierzu im inter-nationalen Recht Änderungen herbeizuführen. Insbeson-dere fordere ich sie aber auf, zu diesem Thema im Parla-ment Stellung zu beziehen.Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Thomas Kossendey ergreift jetzt das Wort für die
Bundesregierung.
T
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!Die EU-Operation Atalanta steht letztendlich für denWillen und die Entschlossenheit der internationalen Ge-meinschaft, Piraterie am Horn von Afrika, aber auch imGolf von Aden zurückzudrängen. Gleichzeitig macht siedie Schiffsverkehre in dieser Region sicherer, und das istim Interesse der Menschen, die dort leben, weil90 Prozent der Hilfslieferungen, die die Vereinten Natio-nen über das Welternährungsprogramm dort hinbringen,auf dem Seeweg transportiert werden. Der Außenminis-ter hat mit eindrucksvollen Zahlen deutlich gemacht,dass diese Hilfslieferungen die Menschen vor Ort errei-chen. Die Hungersnot, über die in den letzten Wocheninsbesondere aus Somalia und vom Horn von Afrika be-richtet wurde, zeigt, dass diese Hilfe notwendiger dennje ist. Seit 2008 sind alle diese Hilfstransporte angekom-men; das ist anders als vorher. Daneben leistet Atalantaeinen ganz wichtigen Beitrag dazu, die Handelsschiffeauf sichere Seeverbindungslinien zu bringen.Ich will noch etwas ins Gedächtnis rufen: Die Zahlder Überfälle durch Piraten liegt in etwa auf dem Niveauder letzten Jahre, die Zahl der erfolgreichen Entführun-gen konnte allerdings halbiert werden.
Dafür gibt es viele Ursachen. Das hängt auch damit zu-sammen, dass die Reeder ihr Verhalten geändert haben;der Kollege Mützenich hat das ja angesprochen. Um Ih-nen das mithilfe von Zahlen zu verdeutlichen: Wir habenam Horn von Afrika ungefähr 25 000 bis 30 000 Schiffs-passagen jedes Jahr, davon ungefähr 3 000 unter deut-scher Flagge. Natürlich haben Sie recht, Herr KollegeMützenich, wenn Sie sagen, dass die Reeder für ihreSchiffe und die Menschen auf ihren Schiffen eine beson-dere Verantwortung tragen. Diese fordern wir ein. Allezuständigen Stellen unserer Regierung stehen im ständi-gen Gespräch mit den Reedern. Dabei spielt natürlichauch die Frage der privaten Sicherheitsdienste eineRolle. Dieses Thema geht nicht in erster Linie das Ver-teidigungsministerium an. Ich kann aber sagen: Der Ver-kehrsminister und der Innenminister – beide sind dafürzuständig – klären im Augenblick den rechtlichen Rah-men, in dem diese Dienste erfolgen können. Ich sageaber auch: Deutsche Soldaten auf Schiffen, die nicht un-ter deutscher Flagge fahren – dieses Thema haben SieaDSbKdliAddzritemmfaAlaAsrenbFAFstewdKdSründnsRekadzteuwbHggbfisN
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17014 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
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Sie haben das Urteil vom Verwaltungsgericht Kölnangesprochen. Sie wissen, dass sich das auf einen Fallbezieht, der sich ereignete, bevor wir mit Kenia ausge-macht haben, dass die Gefangenen, die wir dorthin brin-gen, in Umständen gefangen gehalten werden, die men-schenrechtlich für uns verantwortbar sind. Sie wissenauch, dass unser Botschafter diese Prozesse und die Um-stände, unter denen die Gefangenen dort festgehaltenwurden, sehr intensiv beobachtet hat.Eines muss aber klar sein: Das, was wir mit der deut-schen Marine auf See machen, ist nur ein Bekämpfenvon Symptomen. Wir brauchen jenseits dessen, was derVerteidigungsminister an Beitrag zu liefern hat, eineweitaus breitere Palette an Aktionsmöglichkeiten, umden Sumpf der Piraterie dort auszutrocknen.
Ich meine, wir sollten das insgesamt anpacken.All den Soldatinnen und Soldaten, die sich in denletzten Jahren dort engagiert haben, und zwar unter Be-dingungen, die weiß Gott nicht immer so sind, wie mansich das hier vorstellt, wenn man die Sonne über Dschi-buti scheinen sieht, sollten wir herzlich danken und siemit einem Mandat ausstatten, das von einer breitenMehrheit im Parlament getragen wird.Herzlichen Dank.
Christine Buchholz hat jetzt das Wort für die Fraktion
Die Linke.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit drei
Jahren ist die Bundeswehr im Rahmen der EU-Militär-
operation Atalanta vor der Küste Somalias unterwegs.
Das Ziel der Mission, so schreibt die Regierung im
Mandatstext, sei die Bekämpfung der Piraterie und die
Sicherung der Versorgung der notleidenden Menschen
Somalias. Das Mandat ermächtigt die Bundeswehr zur
„Durchführung der erforderlichen Maßnahmen, ein-
schließlich des Einsatzes von Gewalt, zur Abschre-
ckung …“.
Wie das in der Praxis aussieht, konnten wir wieder
einmal Ende September sehen: Eine deutsche Fregatte
versenkte zwei Schiffe in somalischen Gewässern und
setzte die Besatzung an Land ab.
Die Unschuldsvermutung gilt anscheinend nicht in so-
malischen Gewässern. Der Kommandeur vor Ort richtet
und setzt auch gleich die Strafe um. Das entspricht nicht
unseren Vorstellungen von rechtsstaatlichen Grundsät-
zen.
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ie Zahl der geglückten Entführungen stagniert auf ho-
em Niveau, und die Piraten haben ihr Operationsgebiet
eiter ausgedehnt. Von einer erfolgreichen Bekämpfung
er Piraterie kann keine Rede sein.
Dabei sind sich alle einig, dass Piraterie zur See nicht
ilitärisch zu bekämpfen ist. Das ist schon rein tech-
isch unmöglich. Dafür sind der zu überwachende See-
um und die Zahl der zu schützenden Schiffe viel zu
roß.
Frau Kollegin, möchten Sie eine Zwischenfrage des
ollegen Stinner zulassen?
Nein, möchte ich nicht. Ich rede jetzt die vier Minutenurch, und anschließend kann der Kollege Stinner gernetwas sagen.
Wer Piraterie wirklich bekämpfen will, muss die so-ialen und politischen Ursachen angehen. Hier ist dieundesregierung keinen Schritt weiter als letztes Jahr.enn immer noch beharrt sie darauf, eine von außen ein-esetzte Regierung in Somalia an der Macht zu halten.r Ansatz ist, Verhandlungen aus der Position der mili-rischen Stärke zu führen. Die wichtigsten Rebellen-ruppen werden von den diplomatischen Gesprächenusgeschlossen.Die Menschen in Somalia brauchen dringend Hilfe,ber sie brauchen zivile, humanitäre Hilfe.
ie brauchen eine Abkehr von der menschenverachten-en neoliberalen Handelspolitik
nd den Spekulationen mit Nahrungsmitteln, die auchentrale Ursachen für die Krise und den Hunger in So-alia sind.
Sie brauchen keine Eskalation des Krieges, wie sieomentan stattfindet. Der Einmarsch kenianischer undthiopischer Truppen in den letzten Wochen wird dieage der Menschen in Somalia nur noch weiter ver-chlimmern. Wegen der Militäroperationen im Grenzge-iet können die vor der Dürre Flüchtenden nicht in die
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17015
Christine Buchholz
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Flüchtlingslager in Kenia gelangen. Deswegen und weilwir eine grundsätzliche Umorientierung der Politik in Be-zug auf Somalia fordern, sagen wir: Herr Westerwelle,ändern Sie den eingeschlagenen Kurs!
Hören Sie auf, an einer korrupten Marionette festzuhal-ten!
Beenden Sie die Ausbildung von Bürgerkriegssoldatendurch die Bundeswehr!
Denn das schafft kein sicheres Umfeld.
Setzen Sie auf gleichberechtigte Verhandlungen allerBürgerkriegsparteien, und geben Sie das Geld für huma-nitäre Hilfe statt für den Marineeinsatz aus!
Zeigen Sie, dass Ihnen die Somalier wirklich wichtigsind und nicht, wie es in einem aktuellen Papier desEU-Rates heißt, die „geostrategische Bedeutung der Re-gion“.Wir lehnen den Einsatz des Militärs zur Sicherungvon Handelsinteressen ab. Wir werden uns auch in die-sem Jahr klar gegen die Mission Atalanta stellen.
Omid Nouripour hat jetzt das Wort für Bündnis 90/
Die Grünen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Natür-lich ist es das Ziel jeder Militärmission, dass sie sich soschnell wie möglich überflüssig macht. Dass wir jetztbereits das vierte Mal über Atalanta entscheiden, zeigt,wie groß und schwer die Aufgabe ist, die zu bewältigenist, und dass wir vom Ziel immer noch weit entferntsind. Die Zahl der Angriffe steigt nicht mehr. Es ist gut,dass es immer weniger erfolgreiche Angriffe gibt, aberman kann nicht einfach sagen, dass Atalanta bisher einriesengroßer Erfolg ist; denn Atalanta allein kann dieProbleme nicht lösen.Wir als Grüne haben in den letzten Jahren dem Man-dat mehrheitlich zugestimmt, weil wir gesagt haben: Esist eine notwendige Symptombekämpfung, nicht mehrund nicht weniger. In diesem Zusammenhang möchteich, Herr Außenminister, eines hier empört zurückwei-sen. Man macht es sich zu einfach, wenn man sagt:DsdzzdgbhMisDMMsagWddSMleAsmghzrunzLKTSgutewdLdleadSleildm
Wir haben natürlich weiterhin das Riesenproblem derlegalen Fischerei. Wir haben einen regionalen Konflikt,er deutlich zugenommen hat. Somalia wird auch immerehr zum Battleground regionaler Mächte. Dabei ist ein
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17016 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Omid Nouripour
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Riesenproblem, dass die EU nicht unbedingt einheitlichagiert. Die Franzosen unterstützen gerade die Interven-tion Kenias, die Briten sind in Uganda involviert, Eritreahat eine eigene Agenda, die Äthiopier ebenfalls, auchmit amerikanischer Unterstützung.Ich vermisse innerhalb der EU ein wenig die Stimmeder Bundesrepublik Deutschland zu diesem Thema. Eswäre gut, wenn Deutschland sich dafür einsetzte, dass dieEuropäische Union einheitlicher agiert, damit wir zumBeispiel das, was die UN seit Jahren beschließt, endlichkonsequent umsetzen, nämlich ein Waffenembargo gegenSomalia. Dafür brauchen wir die Nachbarstaaten. Diesind aber zurzeit nicht damit betraut, mit der internationa-len Gemeinschaft zusammenzuarbeiten. Dieses Problemkann in Brüssel nicht gelöst werden. Aber in Brüssel kön-nen Lösungen dafür entwickelt werden, wie man dieseLänder besser unter Druck setzen kann.
Philipp Mißfelder hat jetzt das Wort für die CDU/
CSU-Fraktion.
Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kol-legen! Nur ein Satz zu Frau Buchholz: Mir ist bei IhrerRede wieder einmal klar geworden, dass bei Ihnen – ichbeziehe das gar nicht auf Ihre Gesamtfraktion, weil es jaauch bei Ihnen viele gibt, die im Ausschuss vernünftigmitarbeiten – wirklich der Satz gilt: Ideologie vor Hilfe.
Das fällt mir an jedem Ihrer Beiträge auf. Ich versteheauch gar nicht, wieso sich Ihre Fraktion nicht einen Ge-fallen tut und auf die Beiträge an dieser Stelle einfachverzichtet.Zum Kollegen Nouripour möchte ich nur sagen: Ichglaube, der letzte Punkt ist ein ganz wichtiger. Ich glaubeauch, dass sich die Bundesregierung dort zu Recht be-sonders engagiert und dass es in der Afrika-Politik nureuropäisch geht. Einzelmaßnahmen von Deutschlandoder Willenserklärungen unsererseits dürften hier alsonur relativ wenig bringen. Es ist tatsächlich so: Wennwir über die Ursachen in der Region selber reden, dannmuss man feststellen: Natürlich muss hier europäischesEngagement entwickelt werden. Die Vielstimmigkeitauch früherer Kolonialmächte an dieser Stelle ist geradeschon angesprochen worden. Dies bedaure ich natürlichsehr. Aber ich glaube, dass der Hinweis richtig war:Wenn man das Problem wirklich an der Wurzel packenwill, ist dort natürlich auch weiterhin Engagement not-wendig. Wir engagieren uns auch. Denn der Erfolg wirdnur an den Ergebnissen gemessen, und zwar zu Recht.Deutschland steht als Mitglied der EU und der westli-chen Wertegemeinschaft für grundlegende Werte. Dazugehört natürlich die Durchsetzung von Rechtsstaatlich-keit, von Menschenrechten und des Völkerrechts insge-sSstiwzlaliinweplawzhedgnHnuDdbdWaleremdgdERimsBfiemgawdsWmg
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17017
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Wir haben heute Haushaltsberatungen. Wir leistenuns eine teure Bundeswehr, die gut ausgestattet, aber un-ter schwierigen Bedingungen auch in Einsätze geschicktwird. Selbst wenn das die teurere Variante ist: ZurDurchsetzung unserer Interessen ist das bei weitem diebessere Variante, als diesen Sektor zu privatisieren unddamit auch einer demokratischen Kontrolle zu entzie-hen. Ich stimme den Vorbehalten ausdrücklich zu.
Nichtsdestotrotz werden die Reeder dadurch nicht ausder Verantwortung entlassen, auch selber einen Beitragzu leisten und selbst zu überlegen, wie sie für Sicherheitsorgen können. Dafür gibt es auch technische Möglich-keiten, die teilweise auch genutzt werden. Das ist ja auchder richtige Weg, aber ich glaube, dass wir hier nicht al-leine die politische Verantwortung für die Sicherung derSeehandelswege übernehmen sollten, sondern dass tat-sächlich auch ein Beitrag der Reeder selbst notwendigist. Darum haben wir auch sehr lange und sehr intensivmit den Reedern diskutiert.Meine Damen und Herren, ich bitte auch im Namenmeiner Fraktion, dass wir diesem Mandat in der zweitenLesung zustimmen. Ich halte es auf jeden Fall für sinn-voll, diesen Einsatz fortzuführen.Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte im Wei-teren um Unterstützung.
Ich schließe die Aussprache.Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage aufDrucksache 17/7742 an die Ausschüsse vorgeschlagen,die Sie in der Vorlage finden. – Damit sind Sie einver-standen. Dann ist die Überweisung so beschlossen.Ich rufe Tagesordnungspunkt IV auf:Beratung des Antrags der BundesregierungFortsetzung des Einsatzes bewaffneter deut-scher Streitkräfte bei der Unterstützung dergemeinsamen Reaktion auf terroristische An-griffe gegen die USA auf Grundlage des Arti-kels 51 der Satzung der Vereinten Nationenund des Artikels 5 des Nordatlantikvertragssowie der Resolutionen 1368 und 1373
des Sicherheitsrats der Vereinten Natio-
nen– Drucksache 17/7743 –Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss
RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit undEntwicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GOVerabredet ist es, eine halbe Stunde zu debattieren. –Dazu sehe und höre ich keinen Widerspruch. Dann istdas so beschlossen.BwHpNctisuTalams–shgdinlerumIcdnsafuDmaTObss–ßpFtrdd
h finde, das muss man einfach sehen.Es bleibt Ihnen aber unbenommen: Nur so habe ichas gesagt, und ich habe niemandem seine andere Mei-ung abgesprochen. Ich bitte Sie!Wir kommen nun zu einem weiteren Mandat, einemchwierigen Mandat; das will ich hier unumwundenuch zum Ausdruck bringen. Unter dem Eindruck derrchtbaren Terroranschläge des 11. Septembers hat dereutsche Bundestag im November des Jahres 2001 erst-alig ein Mandat erteilt, damit sich deutsche Streitkräften den Einsätzen zum Schutz gegen den internationalenerrorismus beteiligen können.Seit dem Sommer des Jahres 2010 ist dieses auf dieperation Active Endeavour begrenzt. Viele von Ihnenewegt die Frage – bei uns, bei Ihnen –, ob dieser Ein-atz zehn Jahre nach dem 11. September nicht abge-chlossen werden kann. Für diesen Abwägungsprozessdas möchte ich hier ausdrücklich sagen – habe ich gro-es Verständnis. Auch ich habe mir diesen Abwägungs-rozess nicht leicht gemacht und die völkerrechtlicherage mit unseren Experten und der Völkerrechtsbeauf-agten nachdrücklich erörtert. Aber ich denke, dass sichie Bundesregierung bewusst sein muss und bewusst ist,ass der Einsatz im Hause nicht unumstritten ist.
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17018 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Bundesminister Dr. Guido Westerwelle
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Die Notwendigkeit einer umfassenden Bekämpfungdes internationalen Terrorismus bleibt aber bestehen. Sieist weiterhin eine der zentralen Herausforderungen fürdie internationale Staatengemeinschaft. Das hat erstkürzlich der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen mitder Resolution 1989 vom 17. Juni 2011 unzweideutig er-neut zum Ausdruck gebracht. Das ist eine neue Resolu-tion vom Sommer dieses Jahres.Ein wichtiger Bestandteil der gemeinsamen Anstren-gungen der internationalen Gemeinschaft bleibt die Be-reitstellung entsprechender militärischer Fähigkeiten.Die NATO-geführte Seeraumüberwachungsoperationsteht für den gemeinsamen Handlungswillen der Staa-tengemeinschaft gegen die Bedrohung des internationa-len Terrorismus. Die deutsche Beteiligung an OAE dientder Unterstützung der gemeinsamen Reaktion der NATOauf die terroristischen Angriffe gegen die VereinigtenStaaten von Amerika. Das heißt, wir haben bei demMandat nicht nur die Geschichte, sondern selbstver-ständlich auch die Bündnisaspekte zu berücksichtigen.Erst vor wenigen Wochen hat Präsident Obama einenBrief an den NATO-Generalsekretär Rasmussen ge-schrieben. In diesem Brief bedankt er sich im Namen desamerikanischen Volkes ausdrücklich für die Solidarität,die die NATO-Partner durch ihre Teilnahme an OAE bisheute zeigen. Auch dieser Aspekt muss mit erwogenwerden, wenn man hier zu einer Entscheidung kommenmöchte.
Deutschland ist ein verlässlicher Partner. Wir zeigenmit unserer Beteiligung an der Operation Solidarität imBündnis. Ich muss Ihnen das so sagen, weil Sie alle wis-sen, dass wir in diesem Jahr einiges versucht und bewegthaben. Alle unsere Partner, und zwar ohne Ausnahme,halten eine Fortsetzung von Active Endeavour für erfor-derlich. Ich bitte Sie, dies bei Ihrer Abwägungsentschei-dung mit zur Kenntnis zu nehmen.Gemeinsam mit unseren Bündnispartnern aber über-prüft die Bundesregierung, ob und wie die OperationActive Endeavour mittelfristig in ständige NATO-Ope-rationen integriert werden kann. Ich habe bereits mehr-fach meine Sympathie für diese Richtung zum Ausdruckgebracht, beim letzten Mal auch hier. Ich muss aber hin-zufügen: Wir können das nicht alleine tun. Es gibt Fort-schritte. Die werden Sie anerkennen. Wir brauchen denKonsens in der NATO. Um den zu erreichen, müssen wirauch mit der notwendigen Umsicht vorgehen.Das neue Strategische Konzept der NATO definiertkollektive Verteidigung und kooperative Sicherheit alsKernaufgaben des Bündnisses. Beide Kernaufgabenwerden bei OAE miteinander verbunden. Die Operationdient der kollektiven Verteidigung gemäß Art. 5 desNATO-Vertrages; auf diesen völkerrechtlichen Zusam-menhang weise ich noch einmal hin. Darüber hinaus ver-folgt sie den Ansatz der kooperativen Sicherheit. Meh-rere Partnerstaaten der NATO beteiligen sich an OAE, soetwa Russland, die Ukraine und Marokko. Damit dientdie Operation auch der Vertrauensbildung zwischen denPnfoAbbungratissÜAVmtivüistiseeddredDudvswnAmtiAwnosin
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17019
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Mandat formuliert, das nicht zu einer völkerrechtlichenDiskussion führt, das wir dann vielleicht im DeutschenBundestag gemeinsam zustande bekommen.Auch wir haben ein Interesse daran, dass die neueNATO-Strategie greift. Das will ich alles gar nicht be-streiten. Aber wir reden über ein Mandat, das, wie ichfinde, eine Geschichte hat, die ursprünglich dadurch ent-standen ist, dass auch im Mittelmeerraum eine aktiveBekämpfung des Terrorismus stattfinden sollte. Wir re-den über ein Mandat, das gemeinsam mit einer anderenOperation, der Operation Enduring Freedom, entstandenund hier schon mehrfach gemeinsam verlängert wordenist.Man hätte an dieser Stelle, wenn man sich Mitte 2010den wie so oft, auch von uns, vorgetragenen Argumen-ten, aus dem Mandat auszusteigen, gebeugt hätte odersie eingesehen hätte, auch dieses Mandat, über das wirjetzt reden, neu definieren und andere Begründungszu-sammenhänge herstellen müssen.Lassen Sie mich zwei Punkte nennen, die ich zumTeil als widersprüchlich empfinde. Ich weiß, dass mirgleich wieder erklärt wird, was in den Resolutionensteht. Aber ich denke, eine Mission, die ausschließlichauf Präsenz und Informationsgewinnung ausgelegt ist,verdient es nicht mehr, dass noch ein Kampfauftrag fürdie Soldaten formuliert wird. Fast alles, auch die ge-samte Begründung zu diesem Antrag, spricht davon,dass man Präsenz zeigen, überwachen und helfen will.Aber nirgendwo, auch in der Begründung nicht, steht eindirekter Kampfauftrag. Am Ende steht ein Satz, HerrStaatssekretär, in dem darauf hingewiesen wird, dassdies möglich werden könnte. Grundlage für den Einsatzwar aber nicht, dass irgendetwas möglich werdenkönnte, sondern, wie der Außenminister zu Recht fest-stellte, der Anschlag im September 2001. Die Grundlagewar, dass ein Bündnisfall gegenüber einem Partnerlandder NATO festgestellt wurde und dass damit alle ver-pflichtet sind, entsprechend zu helfen. Jetzt, nach zehnJahren, stellt sich die Frage, wie weit wir von demThema weg sind oder ob man beliebig oft neue Begrün-dungen finden kann. Ich denke, damit müssen wir lang-sam Schluss machen. Wir müssen sagen, was wir wol-len, statt uns nur auf eine einmal getroffene Begründungzu berufen.Ich will dazu auch deutlich sagen – die Frage wirdsich stellen, auch wenn es jetzt nicht unser Thema ist –:Wir wissen seit 2001, wie man einen Bündnisfall fest-stellt. Aber wir haben keine Regeln und Wege, wie manaus dem Bündnisfall herauskommt. Ich hätte mir ge-wünscht, Herr Westerwelle, dass Sie etwas dazu gesagthätten, welche Aktivitäten die Bundesregierung inner-halb der NATO ergriffen hat, um auch diese Fragen zuklären, damit wir im Parlament darüber informiert sind.Bei uns überwiegen die Bedenken. Wir halten dasMandat in der Form, in der es beantragt wird, für über-holt. Wir möchten festhalten, dass wir keine aktuelleTerrorgefahr oder terroristische Aktivitäten im Mittel-meerraum sehen. Wenn wir sagen, dass wir diese Gefah-ren nicht sehen, so wollen wir uns nicht dem Vorwurfaussetzen, bündnisuntreu zu werden. Ich glaube, wir zei-ggnRPhzSnWsuasaGwwgtevwedddmDawtuokgnddsredDre–Vtiti
Thomas Kossendey hat jetzt das Wort für die Bundes-
gierung.
T
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!ie Operation Active Endeavour ist ein deutlich sichtba-s Zeichen unserer Bündnissolidarität, insbesondereauch das gilt noch nach zehn Jahren – gegenüber denereinigten Staaten. Sie ist die einzige Artikel-5-Opera-on der NATO, und sie dient der Abschreckung terroris-scher Aktivitäten im Mittelmeerraum. Falls erforder-
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Parl. Staatssekretär Thomas Kossendey
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lich – deswegen bitten wir Sie um Zustimmung zudiesem Mandat –, kann das auch bedeuten, dass dieseAktivitäten terroristischer Art aktiv bekämpft werdenmüssen.Kollege Meßmer hat angedeutet, er sehe im Augen-blick keine Gefahr im Mittelmeerraum. Lieber KollegeMeßmer, wenn Sie sich vor Augen führen, dass sich dernordafrikanische Raum von Ost bis West im Augenblickin einem fundamentalen Umbruch befindet und dieseLänder selber im Mittelmeerraum nicht für Sicherheitsorgen können, dann müsste sich eigentlich bei Ihnen einanderes Bild einstellen.
Für uns und für alle, die bei der Operation Active En-deavour mitmachen, sendet diese Aktion ein ganz wich-tiges Signal der Entschlossenheit. Das wird auch durchdie Resolution der Vereinten Nationen sehr deutlich, vonder Außenminister Westerwelle gesprochen hat. Es solltefür uns ein Anlass zum Nachdenken sein, dass alleBündnispartner in der NATO das genauso sehen. Wirwerden unsere Politik deshalb weiterhin an dieser Linieausrichten. Wir werden den Bedrohungen des Weltfrie-dens und der internationalen Sicherheit durch terroristi-sche Aktivitäten im Einklang mit der Charta der Verein-ten Nationen Einhalt gebieten, und zwar im Wesent-lichen nach wie vor präventiv. Darum geht es ja bei ActiveEndeavour.Diese Operation stützt sich auf das Maritime Kom-mando der NATO in Neapel. Deutsche Soldaten sind andiesem Kommando beteiligt. Die Operation Active En-deavour wirkt allein schon durch die maritime Präsenzim Mittelmeer und durch die Überwachung. Ich glaube,dass die Lagebilderstellung und die Kontrolle des See-verkehrs ein ganz wichtiger Beitrag sind, wenn wir Ter-ror präventiv bekämpfen wollen. Natürlich darf dabei,um abschreckend zu wirken, das exekutive Elementnicht fehlen. Deswegen bleibt es ein integraler Bestand-teil unseres Mandats. Aufklärung und Abschreckungsind das erste Ziel, ohne dass deswegen militärische Ak-tivitäten auszuschließen sind.
Wer schon einmal in Neapel zu Gast war, dem steht dieFortentwicklung dieses Mandats geradezu direkt vor Au-gen.Diese Operation wird zu einer netzwerkbasierten See-raumüberwachung fortentwickelt. Das wollen wir dannim Rahmen einer ständigen NATO-Mission weiterfüh-ren. Ich glaube, darüber gibt es im Bündnis Konsens.Was wir allerdings brauchen, ist eine sehr präzise Ausar-beitung dieser Seeraumüberwachung. Was noch notwen-diger ist: Wir brauchen die technischen Möglichkeitendafür. Das wird in diesem und im nächsten Jahr soschnell nicht zu schaffen sein. Deswegen bitte ich Sieauch heute wieder, diesem Mandat zuzustimmen.Für Sie sollte auch ein Anlass zum Nachdenken sein,dass Russland und die Ukraine an dieser Aufgabe, an derOperation Active Endeavour, mitwirken. Das ist durch-aLzuePdAgÜdlesgAimAswAswdNunSeuteLJNsdnmteTsmGk
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Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011 17021
Paul Schäfer
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An der Antiterrormission Enduring Freedom beteiligtsich die Bundesrepublik Deutschland aus guten Gründennicht mehr. Warum also sollten wir der Beteiligung ander Operation Active Endeavour zustimmen?Zu welchen gedanklichen Verrenkungen und Verbie-gungen die Bundesregierung greifen muss, um diesesMandat zu begründen, zeigt der vorliegende Antrag: DerTerrorangriff von New York dauere quasi bis heute an,da es ja immer wieder Anschläge gegeben habe. Ent-schuldigung, aber wie man mit den Marineeinheiten imMittelmeer die Anschläge in London, Madrid oderDetroit hätte vereiteln können, das bleibt wirklich dasexklusive Geheimnis dieser Bundesregierung.
Noch einmal: Es gibt keine militärische Bedrohung,gegen die sich der Marineeinsatz richten könnte. DieNATO sagt doch selbst, dass es bei Active Endeavour imKern um etwas anderes geht: Ihr primäres Interesse giltder Etablierung eines umfassenden Systems der See-raumüberwachung.
Staatsminister Hoyer hat schon im letzten Jahr von ei-nem innovativen Zentrum und einem Sicherheitsnetz-werk gesprochen. Das klingt harmlos, ist aber alles an-dere als harmlos. Es geht um eine machtpolitischeDemonstration, um Machtausübung und um eine Anma-ßung: Ohne Mandat der UNO, ohne Zustimmung derAnrainerstaaten will die NATO im gesamten Mittel-meerraum quasi dauerhaft polizeiliche Aufsichts- undKontrollfunktionen ausüben. Man verspricht sich davonVorteile wie die umfassende Kontrolle des Seehandels.Man will sich damit auch neue Optionen auf schnellemilitärische Reaktionen auf unliebsame politische Ent-wicklungen in den Anrainerstaaten erschließen.Beim Libyen-Einsatz der NATO hat Active Endea-vour nur in den Anfangstagen eine kleine Rolle gespielt.Das kann sich aber beim nächsten Anlass ändern. ImAntrag der Bundesregierung deutet man zumindest an,dass aus der passiven Überwachung großer Räume auchoffensive militärische Handlungen werden können. InIhrem Antrag ist von der „Unterstützung spezifischerOperationen der NATO … in Reaktion auf mögliche ter-roristische Aktivitäten im Mittelmeer“ die Rede. Das istein weites Feld. Damit lässt sich vieles rechtfertigen,ohne dass dieses Parlament es kontrollieren kann. Undeinem solchen Mandat sollen wir zustimmen? Niemals!
Es scheint überhaupt gängige Praxis zu werden,gestützt auf Art. 5 des NATO-Vertrages allgemeine Er-mächtigungen für Militäreinsätze aller Art zu erteilen.Beim jüngsten Besuch des Verteidigungsausschusses inBrüssel haben wir auch mit dem damaligen Direktor desMilitärausschusses, Herrn Di Paola, gesprochen. – Ja, erist der neue Verteidigungsminister Italiens. Auf meineFrage, wann denn die atlantische Allianz den Bündnis-fall aufzuheben gedenke, hat er sich völlig erstaunt ge-zeigt und gesagt, das sei doch ein symbolischer Akt derSüFnDwretrsgfodMasSdliMnKfüvdGvdtedfiDreAugcswLMGd
Die Perspektive wird nicht deutlich, sondern diffusrmuliert. Man wird über die Bedrohung, gegen die sicher Einsatz richtet, im Unklaren gelassen. Das Ziel desarineeinsatzes ist so umfassend und unspezifisch, dasslles und jedes einbezogen werden kann. Die Risiken,ich in andere Einsätze zu verstricken, deuten Sie nur an;ie benennen sie aber nicht klar. Daher ist die Notwen-igkeit einer deutschen Beteiligung an einer solchen Mi-tärmission mitnichten gegeben. Wir können zu diesemilitäreinsatz nur Nein sagen.Danke.
Katja Keul hat jetzt das Wort für Bündnis 90/Die Grü-
en.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen undollegen! Herr Außenminister, Sie legen uns ein Mandatr einen bewaffneten Einsatz von bis zu 700 Soldatenor, um im Mittelmeer einen terroristischen Angriff aufie Bündnispartner abzuwehren. Als völkerrechtlicherundlage für diesen Einsatz verweisen Sie auf das indi-iduelle und kollektive Selbstverteidigungsrecht gegenie terroristischen Angriffe auf die USA vom 11. Sep-mber 2001. Dieser Angriff, so heißt es im Mandat,auere bis heute an.Ich will hier keine juristischen Ausführungen zur De-nition und zur Unmittelbarkeit eines Angriffs oder zurefinition und zum Umfang des Selbstverteidigungs-chts machen. Aber zu behaupten, die terroristischenngriffe auf die USA im Jahr 2001 dauerten bis heute annd man dürfe deshalb überall auf der Welt für unbe-renzte Zeit bewaffnete Einsätze ohne Mandat des Si-herheitsrates auf den Weg bringen, das haben wir Ihnenchon bei OEF nicht durchgehen lassen, und das machenir auch bei Active Endeavour nicht mit.
Diesem Einsatz fehlt es an einer völkerrechtlichenegitimation, was allein schon Grund genug wäre, dasandat abzulehnen. Es gibt aber noch mehr guteründe.Der Einsatz der Bundeswehr im Mittelmeer steht we-er in einem zeitlichen noch in einem geografischen
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17022 Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 142. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 23. November 2011
Katja Keul
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noch in einem inhaltlichen Zusammenhang mit dem An-schlag auf das World Trade Center. Der Auftrag lautet:aktive Bekämpfung möglicher terroristischer Aktivitätenim Mittelmeer. Was Sie hier seit zehn Jahren für möglichhalten, hat es bislang allerdings nicht gegeben.Herr Kossendey, wenn Sie an dieser Stelle auf Nord-afrika und die Demokratiebewegung verweisen, findeich das eigentlich mehr als bedenklich. Brauchen wir ei-nen bewaffneten Einsatz, um die Demokratiebewegungzu überwachen? Das kann doch wohl nicht sein.
Durch den Einsatz, so heißt es weiter, werde – angeb-lich – ein Beitrag zur maritimen Sicherheit geleistet.Nun wissen wir alle, dass wir in der Tat ein massivesProblem mit der maritimen Sicherheit am Horn von Af-rika haben. Deshalb befürwortet meine Fraktion ganzüberwiegend den Atalanta-Einsatz der Marine zur Pira-tenbekämpfung.
Von Piraten im Mittelmeer war allerdings bislang nochnie die Rede, zumal es auch erstaunlich wäre, Piratenausgerechnet mit einem U-Boot bekämpfen zu wollen.
Obwohl seit Beginn des Einsatzes keine Terroristenim Mittelmeer gefunden wurden, sieht der Operations-plan nach wie vor die Anwendung militärischer Gewaltzur Erfüllung des Auftrages vor. Wozu soll das gut sein?Um Lagebilder zu gewinnen oder auszutauschen, brauchtes keinen bewaffneten Einsatz.
Als letzter Spiegelstrich steht bei den Aufgaben – Zitat –:Unterstützung spezifischer Operationen der NATOoder weiterer Partner in Reaktion auf mögliche ter-roristische Aktivitäten im Mittelmeer.Was für spezifische Operationen sollen das sein?Wenn Sie von uns ernsthaft eine Zustimmung erwarten,dann müssen Sie sich schon etwas genauer ausdrücken.Ich habe den Mandatstext immer wieder gelesen, aufder Suche nach dem tieferen Sinn dieses Antiterrorein-satzes, und habe schließlich in der Begründung tatsäch-lich noch etwas gefunden. Dort heißt es nämlich – Zitat –:Operation Active Endeavour bietet somit einen An-satzpunkt zur Implementierung der aktuellen Mari-timen Strategie der NATO …Das ist die einzig schlüssige Begründung, die der Textenthält. Aber leider ist sie nicht geeignet, einen bewaff-neten Einsatz zu legitimieren.
Ich denke, es ist an der Zeit, dass Sie sich gegenüber denBündnispartnern endlich offen dafür einsetzen, diesenEhdJimtr7BdHUdgnFubEmromgreemkhgssvpearezb
m den Weltfrieden zu schützen, brauchen Sie aber an-ere, politische Lösungen. Mit einem zeitlich und geo-rafisch unbegrenzten Antiterrorkrieg wird Ihnen dasicht gelingen, auch nicht mit U-Booten im Mittelmeer.Vielen Dank.
Philipp Mißfelder hat das Wort für die CDU/CSU-
raktion.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnennd Kollegen! Mit dem Hinweis auf den Weltfrieden ha-en Sie viel Zustimmung aus unseren Reihen ausgelöst.
s schadet aber auch nicht, sich mit der Sache noch ein-al zu beschäftigen; denn das, was Sie zum Thema Ter-rismusbekämpfung gesagt haben, trifft nicht ganz zu.Natürlich, wenn man im Bündnis zu einer gemeinsa-en Einschätzung kommt, ist das zeitlich nicht unbe-renzt; darüber brauchen wir hier gar nicht zu diskutie-n. Wir nehmen eine Mandatierung vor. Wir erneuernin Mandat. Es ist ja nicht so, dass wir das ohne Parla-entsbeteiligung oder am Parlament vorbei tun. Wir dis-utieren das Ganze zu einer für parlamentarische Ver-ältnisse späten Stunde. Die Erneuerung dieses Mandatseschieht hier absolut transparent. Wir tauschen hierachliche Argumente aus. Die Beurteilung im Bündniselber ist nun einmal eine andere als die, die Sie geradeorgenommen haben, auch indem Sie versucht haben, zuersiflieren, etwa durch den Hinweis auf die U-Boote.Wenn man den internationalen Terror als Bedrohungrnst nimmt, dann muss man tatsächlich bereit sein, sichuf bestimmte Szenarien einzulassen. Die NATO ist be-it, sich darauf einzulassen und sich mit diesen Fragenu beschäftigen. Gerade vor dem Hintergrund der Um-rüche in der arabischen Welt ist überhaupt nicht auszu-
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Philipp Mißfelder
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schließen, dass der Ansporn für Terroristen an manchenStellen zunehmen wird. Darauf reagiert die NATO adä-quat und maßvoll, wie ich finde. Deshalb steht diesesMandat zu Recht vor der Verlängerung.
Dieses Mandat ist völkerrechtlich legitimiert; darangibt es überhaupt keinen Zweifel. Ich möchte auch andieser Stelle den Soldatinnen und Soldaten danken. DieObergrenze ist bewusst gewählt: 349 Frauen und Män-ner sind aktuell für Active Endeavour im Einsatz. Fürden Fall, dass ein Schiff durch das Einsatzgebiet fährt– der Kollege Hardt hat das hier schon vor zwölf Mona-ten sehr plastisch geschildert –, gibt es unterschiedlicherechtliche Bewertungen, welche Reaktion darauf vondiesem Mandat gedeckt ist. Die Mandatsobergrenze istalso bewusst so hoch gesetzt worden, um nämlich recht-lichen Problemen aus dem Weg zu gehen. Das ist hierschon im vergangenen Jahr deutlich gemacht worden.Damals gab es darüber einen Streit zwischen dem Kolle-gen Hardt und dem Kollegen Nouripour. Dennoch wollteich das an dieser Stelle gerne noch einmal aufgreifen undIhnen erklären; denn es schadet ja nicht, festzustellen:Was vor einem Jahr richtig war, ist nach wie vor gültig.
Es gibt für uns drei Gründe, das Mandat fortzusetzen:Der erste Grund ist die Sicherheit.Zweitens ist die Fortsetzung notwendig, um im Mit-telmeerraum präsent zu sein, gerade weil wir in der La-geeinschätzung dazu kommen, dass wir nicht davon aus-gehen können, dass die Sicherheit auf den Seewegenautomatisch gegeben ist.Der dritte Grund – das ist ein wichtiges Argument,und wir haben es auch an anderer Stelle schon häufig be-müht – ist die Bündnissolidarität. Das ist kein Selbst-zweck. Aber dort, wo es maßvoll und geboten ist und woder Einsatz und die Kosten des Einsatzes in einem über-schaubaren Verhältnis stehen, ist es richtig, den Wün-schen der NATO-Partner nachzukommen, selbst wennSie persönlich hier zu einem anderen Urteil kommen.Wir sollten eine solche Frage nicht allein entscheiden. Esist eine Frage der Teilhabe am Bündnis. Vor diesem Hin-tergrund werbe ich dafür, dass wir als Deutscher Bun-destag eine solche Mission nicht einseitig für beendeterklären, wie Ihre Fraktionen es leider getan haben. Viel-mehr müssen wir unserer Verantwortung im Bündnis ge-recht werden. Bündnissolidarität bedeutet für uns ebenauch, in Abstimmung mit den NATO-Partnern zu ge-meinsamen Ergebnissen zu kommen und sie im Deut-schen Bundestag gemeinsam zu vertreten.
Zur Erinnerung möchte ich sagen: Die Terrorgefahrist überhaupt nicht gebannt. In den vergangenen zehnJahren hat es fast jedes Jahr erhebliche Terrorbedrohun-gen gegeben, ob durch die Sauerland-Bomber, die Atten-tate in Madrid, den vereitelten Anschlag am DetroiterFlughafen oder den sogenannten Times-Square-Bomber.DwsdeiszaTblasAWedWinreRLNansunirkissztetazwshAgb
chadet es nicht, Präsenz zu zeigen und auch robust auf-utreten.Ich möchte die Frage einmal andersherum beantwor-n. Sie müssen sich eines vor Augen führen: Sollte estsächlich hier in Deutschland oder anderswo in Europau einem Anschlag kommen und dabei jemand nach-eislich über den Seeweg nach Europa gekommen sein,ollten terroristische Gruppierungen beispielsweise See-andelswege im Mittelmeer einschränken und dort einennschlag vornehmen können, nur weil wir damit nichterechnet haben, dann – das sage ich Ihnen ganz klar –in ich nicht bereit, mich vor dem Hintergrund der heuti-
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Philipp Mißfelder
(C)
(B)
gen Debatte hier hinzustellen und zu sagen: Meine Da-men und Herren, wir haben es nicht gewusst; dieses Sze-nario war überhaupt nicht denkbar. In Wirklichkeithandelt es sich nämlich um ein durchaus denkbares Sze-nario. Auch wenn es bisher nicht eingetreten ist, ist manim Bündnis zu der Einschätzung gekommen, dass es ein-treten kann. Deswegen werden wir unserer Bündnisver-pflichtung an dieser Stelle gerecht werden.
Möchten Sie auch noch die Zwischenfrage von Herrn
Nouripour zulassen?
Nein. Ich möchte jetzt meinen Beitrag beenden und
zum Schluss einfach um die Zustimmung zu diesem
Mandat bitten, wenn wir hier darüber abstimmen wer-
den.
Herzlichen Dank.
Ich schließe die Aussprache.
Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf
Drucksache 17/7743 an die Ausschüsse vorgeschlagen,
die Sie in der Tagesordnung finden. – Damit sind Sie
einverstanden. Dann ist das so beschlossen.
Damit sind wir am Schluss der heutigen Tagesord-
nung. Genießen Sie den restlichen Abend und die ge-
wonnenen Einsichten.
Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bun-
destages auf morgen, Donnerstag, den 24. November
2011, 9 Uhr, ein.
Die Sitzung ist geschlossen.