Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 66. Sitzung des Deutschen Bundestages und bitte den Schriftführer Herrn Abgeordneten Matthes, die Liste der fehlenden Mitglieder des Hauses bekanntzugeben.
Es fehlen wegen Erkrankung Bundeskanzler Dr. Adenauer, die Abgeordneten Lübke, Frau Dr. Gröwel, Dr. Gülich, Bettgenhäuser, Mißmahl, Weickert, Wittmann, Freudenberg, Frau Albrecht. Es fehlen entschuldigt die Abgeordneten Dr. Pferdmenges, Dr. Vogel, Feldmann, Dr. Henle, Mayer , Görlinger, Wehner, Jacobs, Frau Dr. Hubert, Dr. Menzel, Böhm, Meitmann, Frau Krahnstöver, Dr. Suhr, Neumann, Dr. Veit, Ollenhauer, von Knoeringen, Henßler, Frau Nadig, Berlin, Frau Albertz, Kalbfell, Dr. Nölting, Herrmann, Brünen, Bergmann, Frau Schroeder (Berlin), Jacobi, Wönner, Gleisner, Hans Schmitz, Höfler, Muckermann, Brandt, Margulies, Dr. Middelhauve, Rademacher, Dr. Oellers , Dr. Zawadil, Dr. Seebohm, Kuhlemann, Freiherr von Aretin, Dr. Fink, Reimann, Fisch, Nuding, Oskar Müller (Offenbach), Loritz, Schuster, Freitag, Frau Dr. Steinbiss, Dr. Reif und Dr. Falkner.
Meine Damen und Herren, ich habe weiter folgende Mitteilungen zu machen.
Der Herr Bundesminister der Finanzen hat unter dem 26. Mai 1950 die Anfrage Nr. 77 der Abgeordneten Strauß, Dr. Jaeger und Genossen betreffend Relombardierung der zwischen der Bundesbahn und der bayerischen Staatsregierung getroffenen
Abkommen — Drucksache Nr. 933 — unter Drucksache Nr. 1005 beantwortet.
Der Herr Bundesminister des Innern hat unter dem 27. Mai 1950 die Anfrage Nr. 79 der Abgeordneten Frau Döhring, Richter, Dannebom und Fraktion der SPD betreffend Gewährung von Blindengeldern an Zivilblinde — Drucksache Nr. 950 — unter Drucksache Nr. 994 beantwortet.
Ich mache ferner darauf aufmerksam, daß der Punkt 2 der heutigen Tagesordnung insofern entfällt, als seitens der Interpellanten die Interpellation in eine Anfrage umgewandelt wird. Deshalb ist der Punkt 2 von der Tagesordnung abgesetzt.
Ferner darf ich darauf aufmerksam machen, daß auf der andern Seite die Tagesordnung ergänzt wird durch einen Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses Drucksache Nr. 997 über den Antrag der Abgeordneten Dr. Hasemann und Fraktion der FDP betreffend Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden, der, weil er mit dem Bericht des Auswärtigen Ausschusses unter Drucksache Nr. 962 thematisch zusammenhängt, als Punkt 9 b behandelt werden soll. Ich darf das Einverständnis des Hauses damit feststellen.
Meine Damen und Herren, wir treten damit in die
Tagesordnung ein und kommen zu Punkt 1: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über das Ersuchen des Landesministers der Justiz von Schleswig-Holstein vom 8. Mai 1950 betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schröter .
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Dr. Arndt das
Wort als Berichterstatter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 8. Mai 1950 hat die Landesregierung Schleswig-Holstein die Aufhebung der Immunität des Herrn Abgeordneten Carl Schröter beantragt. Das Schreiben nimmt Bezug auf den Bericht des vom schleswig-holsteinischen Landtag eingesetzten Ausschusses zur Untersuchung der Eigentums- und Nutzungsverhältnisse der früheren „Kieler Neuesten Nachrichten / Kieler Zeitung". Dieser Bericht empfiehlt der Landesregierung von Schleswig-Holstein, eine strafrechtliche Nachprüfung durch die Staatsanwaltschaft in dreifacher Hinsicht zu veranlassen, nämlich, soweit der Herr Abgeordnete Carl Schröter in Betracht kommt, wegen des Verdachtes
1. einer falschen uneidlichen Aussage,
2. der Teilnahme an einer Untreue,
3. einer versuchten Erpressung.
Zu 1, Vorwurf einer falschen uneidlichen Aussage: Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität empfiehlt, insoweit die Aufhebung der Immunität abzulehnen, weil der gegen den Herrn Abgeordneten Carl Schröter erhobene Vorwurf, auch wenn er wahr wäre, nicht den Tatbestand einer strafbaren Handlung zum Inhalt hat.
Zwischen dem Abgeordneten Herrn Carl Schröter und einem ehemaligen Rittmeister Dr. Kurt Heinrich schwebt ein Rechtsstreit. In diesem Zivilprozeß hat der Abgeordnete Herr Carl Schröter als Beklagter ausgesagt, er habe mit einem anonymen Brief nichts zu tun, der in dem Entnazifizierungsverfahren gegen Heinrich bei der Entnazifizierungsbehörde eingegangen ist. Das Landgericht Kiel hat diese Aussage des Herrn Abgeordneten Carl Schröter für glaubhaft erachtet und Heinrichs Klage abgewiesen.
Der Untersuchungsausschuß des Landtages von Schleswig-Holstein, an dessen Bericht sich die der CDU-Fraktion angehörigen Mitglieder des Ausschusses allerdings nicht beteiligt haben, hält die Aussage des Herrn Abgeordneten Carl Schröter für unglaubhaft, da der anonyme Brief auf der privaten Schreibmaschine des Herrn Abgeordneten Carl Schröter und auf Papier der ihm nahestehenden „Kieler Zeitung" geschrieben sei.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität war weder berufen noch imstande, diesen Sachverhalt zu prüfen; denn jedenfalls hat der Abgeordnete Herr Schröter seine Aussage nicht als Zeuge oder Sachverständiger, sondern als Partei, als Beklagter gemacht. Eine Parteiaussage als solche aber ist, auch wenn sie unrichtig gewesen wäre, nicht strafbar.
Zweitens: Vorwurf der Teilnahme an einer Untreue. Der Verdacht einer Untreue richtet sich nach dem Bericht des Untersuchungsausschusses des Landtages von Schleswig-Holstein nicht gegen den Abgeordneten Herrn Schröter, sondern gegen einen Herrn Brück, der beschuldigt wird, als Treuhänder einer Kommanditgesellschaft den dieser Kommanditgesellschaft gehörenden Zeitungsbetrieb zu billig an den Lizenzträger der „Kieler Nachrichten" und seine Gesellschafter verpachtet zu haben.
Unstreitig hat der Abgeordnete Herr Schröter ursprünglich zu diesen Gesellschaftern nicht gehört und ist am Abschluß des beanstandeten Pachtvertrages nicht beteiligt gewesen, sondern erst Monate später an dem neuen Zeitungsunternehmen beteiligt worden.
Nach der einhelligen Auffassung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität ist daher aus Rechtsgründen gar kein Raum zu einem strafrechtlich
erheblichen Vorwurf gegen den Herrn Abgeordneten Schröter. Deshalb wird empfohlen, auch insoweit die Aufhebung der Immunität abzulehnen.
Drittens: Vorwurf der versuchten Erpressung. Nach der Behauptung des früheren Rittmeisters Dr. Kurt Heinrich soll der Abgeordnete Herr Schröter am 1. Juli 1948 in Kiel versucht haben, ihn zu erpressen. Dieser von Heinrich behauptete Versuch soll im Verlaufe der Streitigkeiten um die Zeitung „Kieler Nachrichten" unternommen worden sein.
Heinrich war ursprünglich Alleininhaber des Unternehmens, das die „Kieler Neuesten Nachrichten" herausgab. 1942 wurde das Unternehmen in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt, an der Heinrich zu 49 % beteiligt blieb, während 51 % der Anteile von der NSDAP gegen Zahlung von 4 1/2 Millionen RM erworben wurden. 1945 wurde das Unternehmen stillgelegt, und alle Anteile der Kommanditgesellschaft wurden beschlagnahmt, teils als Eigentum der NSDAP, teils, weil Heinrich selbst Altparteigenosse und Ortsgruppenleiter gewesen war.
Die Militärregierung bewilligte je eine Zeitungslizenz für die SPD und für die CDU in Kiel. Lizenzträger für die CDU sollte der spätere Landtagsabgeordnete Herr Koch werden. Herr Koch hatte ursprünglich Schwierigkeiten sowohl nach der Richtung, die Lizenz von der Militärregierung zu bekommen, als auch die Zeitung zu finanzieren. In dieser Lage wandte man sich an Dr. Kurt Heinrich, der nach Hamburg zu einem Oberst Garland bei der Militärregierung fuhr. Auf die Vorstellungen Heinrichs hin, eines Parteigegossen von 1931 und Ortsgruppenleiters von 1932 bis 1945, soll sich
Garland davon überzeugt haben, daß Herr Koch der geeignete Lizenzträger sei.
— Meine Herrn, das wundert Sie? — Ein Rittmeister und ein Oberst sind sich über reeducation sehr schnell einig!
Drei Tage vor Erteilung der Lizenz, am 18. März 1946, wurde auf Heinrichs Gut Emkendorf der sogenannte Emkendorfer Vertrag zwischen Heinrich einerseits und den Herren Willi Koch, Professor Becker sowie Rechtsanwalt und Notar Ehmke andererseits geschlossen. Alle Beteiligten waren sich wohl klar, daß dieser von ihnen als Gentlemen-Agreement bezeichnete Vertrag an sich ungültig war, weil er sowohl gegen Besatzungsrecht verstieß, als auch den Formerfordernissen des deutschen Rechts nicht genügte. Durch diesen Emkendorfer Vertrag schlossen sich die Beteiligten zu einer Gesellschaft für den Verlag von Zeitungen, insbesondere der Herausgabe der „Kieler Nachrichten", zusammen. Am Gewinn und Verlust sollten Heinrich mit 70 %, die übrigen drei Gesellschafter mit je 10 % beteiligt sein.
Der Vertrag, durch den der für die Kommanditgesellschaft eingesetzte Treuhänder Brück deren Zeitungsbetrieb an den Lizenzträger Koch verpachtet hatte, sollte als im Interesse aller vier Gesellschafter geschlossen gelten.
In einem Nachtrag heißt es:
Für den Fall, daß Dr. Heinrich von der Militärregierung gezwungen werden sollte, seinen Anteil von 49 %
— nämlich an der Kommanditgesellschaft —
an den Lizenzträger abzugeben, sind sich alle Gesellschafter darüber einig, daß trotzdem Herr Dr. Heinrich in gleicher Weise am Gewinn und Verlust beteiligt werden soll, als wenn ihm der verkaufte Anteil noch gehörte.
Bei Abschluß dieses Emkendorfer Vertrages wollen die Beteiligten davon ausgegangen sein, daß Dr. Heinrich nur nominell belastet sei und seine Denazifizierung bevorstünde. Bereits am 27. November 1945 hatte demgemäß der Abgeordnete Herr Schröter zusammen mit dem späteren Lizenzträger Koch an die Militärregierung geschrieben, daß sie auf Grund genauer persönlicher Kenntnis keinen Zweifel an der einwandfreien politischen Gesinnung Dr. Heinrichs hegten.
Der Abgeordnete Herr Carl Schröter trat dann dem Emkendorfer Vertrag mit der Maßgabe bei, daß auch er mit 10 % beteiligt wurde, während Heinrichs Anteil von 70 % auf 60 % herabgesetzt wurde.
Heinrichs Denazifizierungsverfahren verlief anders, als man es erwartet haben will. Heinrich wurde in Gruppe III eingestuft. Am 8. Juni 1948 wurde diese Einstufung von der Berufungsinstanz bestätigt. Am 16. Juni 1948, also acht Tage später, sagten sich die übrigen Gesellschafter, also auch der Herr Abgeordnete Schröter, durch einen Brief des Lizenzträgers Koch gegenüber Heinrich vom Emkendorfer Vertrage los, weil er als gesetzwidrig nichtig sei. Infolgedessen kam es zwischen den Beteiligten zu Streit. Heinrich wollte an dem allseits als Gentlemen-Agreement bezeichneten und in Kenntnis der Nichtigkeit abgeschlossenen Emkendorfer Vertrag festhalten und erklärte es in seiner später erhobenen, vom Landgericht Kiel aber in erster Instanz abgewiesenen Klage als einen Verstoß gegen
Treu und Glauben für sittenwidrig, daß der mit unstreitig zu niedrigen Pachtsätzen abgeschlossene Pachtvertrag gleichwohl bestehen bleiben solle. Heinrich seinerseits soll sich daraufhin bemüht haben, die ihm von der NSDAP — wie er geltend machte: unter Druck — abgekauften 51 % des Zeitungsvermögens wieder in die Hand zu bekommen, somit wieder Alleininhaber des Produktionsbetriebes zu werden, den Pachtvertrag möglicherweise kurzfristig zu kündigen und vor allem denazifiziert zu werden, was ihm tatsächlich auch insoweit gelang, als er am 1. September 1948 nach Gruppe IV und am 5. April 1949 vorzeitig nach Gruppe V umgestuft wurde.
Die übrigen Gesellschafter andererseits machten Heinrich am 17. September 1949 ein Vergleichsangebot, durch das sie die jährliche Pacht von 40 000 DM auf etwa 140 000 DM zu erhöhen sich bereit erklärten, wurden aber auch bei der Landesregierung Schleswig-Holstein vorstellig, die nach ihren Wünschen gegenüber der Militärregierung erklären sollte, es könne nicht in Frage kommen, daß Dr. Heinrich als ein in Gruppe III eingestufter alter Kämpfer der NSDAP und Ortsgruppenleiter seine 1942 der NSDAP verkauften Anteile zurückerhielte und damit früher oder später Einfluß auf die Presse gewinne.
Ohne Beteiligung der Mitgesellschafter Koch, Ehmke und Becker, welche dieses Vorgehen ablehnten, wurde der Abgeordnete Herr Carl Schröter im April 1949 und am 16. Mai 1949 bei der Abteilung für Denazifizierung der Landesregierung vorstellig, um eine Rückstufung Heinrichs von V nach IV bzw. von IV nach III zu erreichen.
Hierbei überreichte der Abgeordnete Schröter auch' zwei Zeitungsaufsätze mit stark nationalsozialistischer Tendenz, die Heinrich 1932 veröffentlicht hatte und die erst in der Berufungsinstanz des Denazifizierungsverfahrens gegen Heinrich durch den anonymen Brief bekanntgeworden waren. Diese beiden Zeitungsaufsätze aus 1932 sollen den Abgeordneten Herrn Schröter nach seiner Darstellung davon überzeugt haben, daß er 1945 sein Leumundszeugnis zugunsten Heinrichs etwas oberflächlich und leichtfertig, wie er sagt, abgegeben hätte.
Diese beiden Zeitungsartikel und die Einstufung in Gruppe III will der Abgeordnete Herr Schröter in der ersten Besprechung, die er mit Heinrich am 1. Juli 1948 nach dem Zerwürfnis und der Lossagung vom Emkendorfer Vertrage hatte, dem Heinrich vorgehalten und Heinrich erklärt haben, daß er, Schröter, aus der Gesellschaft ausscheiden würde, wenn Heinrich beteiligt bleibe. Dr. Kurt Heinrich dagegen behauptet, der Abgeordnete Herr Schröter hätte in dieser Besprechung ihn dadurch zu nötigen versucht, daß er ihm zu verstehen gegeben habe, Heinrich werde nie aus Gruppe III herauskommen, ja er werde sogar in Gruppe II kommen, wenn er darauf beharre, eine Tätigkeit als Verleger auszuüben.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität war weder berufen noch imstande, die Wahrheit oder Unwahrheit dieser entgegengesetzten Äußerungen zu prüfen. Ihn konnte auch nicht beeinflussen, daß der Abgeordnete Herr Schröter durch den Herrn Kollegen Gengler wissen ließ, er lege selbst größtes Gewicht auf die Aufhebung seiner Immunität; denn die eigene Stellungnahme des betroffenen Abgeordneten ist unerheblich.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat erwogen, ob überhaupt die Anschuldigung durch einen Altparteigenossen und Ortsgruppenleiter beachtlich sei. Er hat sich in diesem Falle nicht von Gründen, die in der Person Heinrichs liegen, bestimmen lassen können, da der Abgeordnete Herr Schröter selbst es war, der sich auf eine geschäftliche Verbindung mit Heinrich einließ.
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität hat auch nicht die Überzeugung gewonnen, daß dieser Fall im Sinne seiner vom Bundestag gebilligten Grundsätze politisch affiziert sei, da es sich bei der Streitigkeit zwischen dem Abgeordneten Herrn Schröter und Dr. Heinrich um eine Auseinandersetzung zwischen Geschäftspartnern handelt.
Nach eingehenden Erörterungen ist der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität zu dem Ergebnis gelangt, daß rechtlich ein Vorwurf der versuchten Erpressung von Heinrich schlüssig behauptet werden kann, weil nach der Rechtsprechung auch ein an sich unklagbares Abkommen auf Grund von Treu und Glauben eine gewisse Rechtslage zu begründen vermag und jedenfalls Drohungen mit einer Einwirkung auf das Denazifizierungsverfahren unzulässig sind. Unter diesen Umständen war für den Ausschuß einzig entscheidend, daß dem gegen den Abgeordneten Herrn Schröter von Dr. Heinrich erhobenen und zu beweisenden Vorwurf der versuchten Erpressung, weil Erpressung ein mit Zuchthausstrafe bedrohtes Verbrechen ist, eine so schwerwiegende Bedeutung zukommt, daß eine gerichtliche Aufklärung ermöglicht werden sollte und das Interesse daran das Interesse des Bundestages an seiner Prärogative überwiegt.
Aus diesen Gründen empfiehlt der Ausschuß mit Mehrheit, insoweit die Immunität des Abgeordneten Herrn Carl Schröter aufzuheben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Wird das Wort gewünscht?
Für den Fall einer Aussprache möchte ich dem Hohen Hause vorschlagen, daß wir die Gesamtredezeit auf 40 Minuten begrenzen. Darf ich das Einverständnis des Hauses dazu feststellen? — Ich höre keinen Widerspruch.
Bitte, Herr Abgeordneter Gengler!
Meine Damen und Herren! Zunächst eine Vorbemerkung. Wir tun in dieser Angelegenheit gut daran, einem alten Kämpfer, Dr. Heinrich, nicht zur gleichen Berühmtheit zu verhelfen, wie es in einem anderen Falle, auch in Schleswig-Holstein, geschehen ist. Nach den Darlegungen des Herrn Berichterstatters möchte ich mich deshalb nur auf zwei Feststellungen beschränken.
Zunächst darf ich feststellen, daß der Herr Abgeordnete Schröter selbst dringend verlangt und gewünscht hat, seine Immunität aufzuheben. Er hat ein großes Interesse an einer freien und restlosen Klarstellung der gegen ihn erhobenen Anschuldigungen. Obwohl wir davon überzeugt sind, daß die Anschuldigungen falsch sind und an sich kein Grund zu einer Anklage besteht, hat die CDU-Fraktion geglaubt, sich in diesem Falle dem Verlangen des Abgeordneten Schröter nach Aufhebung seiner Immunität zwecks Klarstellung nicht versagen zu sollen.
Zur Sache selbst: es handelt sich bei Dr. Heinrich um einen alten Kämpfer, der von 1932 bis 1945 ununterbrochen Ortsgruppenleiter war.
Dieser wittert augenscheinlich heute Morgenluft. Er ist trotz seiner großen Verdienste um den Nationalsozialismus zu gut weggekommen. Befremdlicherweise hat dieser alte Kämpfer und Ortsgruppenleiter in Schleswig-Holstein verschiedenartige Steigbügelhalter gefunden. Die Tatsache, daß der Abgeordnete Schröter diesem politisch stark belasteten früheren Zeitungsverleger offen erklärte, er als Landesvorsitzender der Christlich-Demokratischen Union
müsse es ablehnen, ihn, Heinrich, in ein demokratisches Zeitungsunternehmen aufzunehmen, soll auf einmal den Tatbestand der „versuchten Erpressung" bilden.
Zu dem eben gemachten Zuruf darf ich bemerken, daß die Aussprache von Herrn Schröter mit diesem alten Kämpfer unter Zeugen stattgefunden hat und daß diese übereinstimmend das Gegenteil von dem bekunden, was hier Herrn Abgeordneten Schröter unterstellt wird. Meines Erachtens handelt es sich hier um eine ganz sonderbare Begriffsverwechslung.
Dabei hat dieser alte Kämpfer vor dem Untersuchungsausschuß des Landtags von Schleswig-Holstein erklärt, er habe es nicht für möglich gehalten, daß man mit ihm, der am Boden lag, einen so anständigen Vertrag schließen würde.
Dies nur kurz zur Klarstellung über die Art der Anschuldigungen gegen den Abgeordneten Schröter. Wir erwarten von der zuständigen Staatsanwaltschaft ein recht schnelles Handeln zur Klarstellung dieser wirklich sonderbaren Angelegenheit.
Darum haben wir im Ausschuß dem Antrag auf Aufhebung der Immunität zugestimmt und werden das auch heute hier im Plenum tun.
Wird das Wort weiter gewünscht? — Ich stelle fest: das ist nicht der Fall.
Dann schließe ich die Aussprache über den Antrag Drucksache Nr. 989 und bitte diejenigen Damen und Herren, die für den Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität auf Drucksache Nr. 989 sind, die Hand zu erheben. — Ich danke. Ich bitte um die Gegenprobe. — Bei wenigen Enthaltungen beschlossen.
Meine Damen und Herren! Damit kommen wir, da Punkt 2 der Tagesordnung abgesetzt ist, zu Punkt 3 der Tagesordnung:
Interpellation der Abgeordneten Leddin, Bazille, Diel, Geritzmann, Frau Dr. Hubert, Frau Schanzenbach, Pohle und Fraktion der SPD betreffend Einstellung von Schwerbeschädigten .
Für die Interpellanten Herr Abgeordneter Leddin, bitte! 15 bis 20 Minuten.
Leddin , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auf Antrag der sozialdemokratischen Fraktion hat der Bundestag seinerzeit einstimmig beschlossen, die Bundesregierung zu ersuchen, bei der Besetzung der Stellen in allen Ministerien und sonstigen Verwaltungen der Bun-
desrepublik Deutschland mindestens 10 % aller Stellen mit Schwerbeschädigten zu besetzen und dem Bundestag zu berichten, inwieweit die Durchführung dieses Beschlusses erfolgt ist. Es war ganz selbstverständlich, daß bei dem Neuaufbau der Verwaltung erst einige Monate ins Land gehen mußten, damit dieser Beschluß durchgeführt werden konnte. Ein Bericht liegt bisher nicht vor.
Es ist bekannt, daß die Zahl der Schwerbeschädigten nach dem zweiten Weltkrieg sich leider mehr als verdoppelt hat; und es ist bekannt, daß mit materiellen Mitteln, mit Renten und Heilbehandlung allein die schweren Folgen der Verwundungen der Schwerbeschädigten auch nicht annähernd ausgeglichen werden können. Es war daher schon nach dem ersten Weltkrieg einer der obersten Grundsätze der Versorgung, daß die Unterbringung der Schwer- und Schwerstbeschädigten in Arbeitsplätzen vorrangig erfolgen sollte. Schon im Jahre 1923 ist durch das Gesetz über die Einstellung von Schwerbeschädigten allen Unternehmern und Arbeitgebern die Verpflichtung auferlegt worden, eine bestimmte Quote von Schwerbeschädigten einzustellen.
Ich bitte doch, die Privatgespräche etwas einzuschränken.
Leddin , Interpellant: Wer selbst Schwerbeschädigter ist, der weiß, unter welchen Komplexen wir monatelang in 'den Lazaretten unter dem Eindruck unserer Verwundung gelegen haben und wie wertvoll es war, wenn ärztliche Kunst und die Betreuung der Organisationen dazu geführt haben, daß der Lebenswille bei den Schwerbeschädigten wieder geweckt worden ist. Wir stehen noch unter dem Eindruck der Besichtigungen in Bad Pyrmont, in München und in Tübingen, in den Heil-und Umschulungsstätten für Hirnverletzte und wissen, wie es selbst bei schwerstbeschädigten Kameraden möglich gewesen ist, sie wieder für einen Arbeitsberuf umzuschulen und vorzubereiten. Es ist daher meines Erachtens die Pflicht aller Behörden und aller Arbeitgeber, wenigstens diese schwer- und schwerstbeschädigten Menschen unter allen Umständen in Arbeit zu bringen.
Wir haben aus einem Bericht, der erst vor wenigen Tagen durch die Presse ging, mit Freude entnommen, daß ein Betrieb in Nordrhein-Westfalen von sich aus eine Quote von über 10 % Schwerbeschädigten eingestellt hat. Die besondere Pflicht zur Beschäftigung von Schwerbeschädigten obliegt aber natürlich den Behörden, an der Spitze der Bundesregierung. Wir wissen nicht, inwieweit der Beschluß des Bundestages durchgeführt worden ist. Es ist bekannt, daß das Arbeitsministerium diesen Beschluß in vorbildlicher Weise durchgeführt hat. Aber nach unseren Informationen gibt es auch eine ganze Anzahl von Ministerien, in denen diese Forderungen bei weitem nicht erfüllt sind. Beispielsweise ist nach meiner Unterrichtung im Bundesministerium für die Vertriebenen der Beschluß des Bundestages noch bei weitem nicht durchgeführt. Dabei hätte meines Erachtens gerade der Herr Bundesminister für die Vertriebenen aus den Reihen der Vertriebenen, von denen eine große Anzahl von Schwerbeschädigten hierher gekommen ist, seinen Bedarf auch aus den Reihen der Schwerbeschädigten längst decken müssen. Dasselbe trifft, glaube ich, für das Ministerium für gesamtdeutsche Fragen zu. Ich glaube, daß auch der Herr Bundesminister Kaiser die besondere Pflicht hat, in
seinem Ministerium Schwerbeschädigte weit über diese Quote hinaus zu berücksichtigen. Nicht viel anders, glaube ich, liegt es im Ministerium Hellwege und selbst im Ministerium des Innnern, das doch an der Versorgung stark beteiligt ist.
Wir legen Wert darauf, daß der Beschluß des Bundestages nicht nur in den unteren Stufen der Verwaltung, etwa bei den Amtsboten, verwirklicht wird, so sehr uns das natürlich freut. sondern daß er in allen Positionen der Verwaltung Berücksichtigung findet. Ich glaube, daß wir in dieser Auffassung mit dem gesamten Hause einig sind. Wenn auch die Kriegshinterbliebenen nicht ausdrücklich in dem Schwerbeschädigtengesetz genannt worden sind, möchten wir doch der Hoffnung Ausdruck geben, daß auch die große Zahl der Kriegshinterbliebenen Veranlassung geben sollte, diese im Rahmen des weiblichen Personals der Verwaltung entsprechend zu berücksichtigen.
Wir sind wohl uns alle darin einig, daß der Beschluß des Bundestages unter allen Umständen durchgeführt werden muß, und wir sehen mit Interesse der Beantwortung unserer Interpellation entgegen. Ich betone, daß in dem Beschluß des Bundestages ausdrücklich von mindestens 10 % gesprochen worden ist, und wir sind begierig zu erfahren, ob wenigstens die Quote von 10 % erfüllt worden ist.
Zur Beantwortung erteile ich Herrn Staatssekretär Sauerborn vom Bundesarbeitsministerium das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Beschluß des Bundestages vom 4. 11. 1949, durch den die Bundesregierung ersucht wurde, anzuordnen, daß bei der Besetzung der Stellen in allen Bundesdienststellen mindestens 10 % aller Stellen mit Schwerbeschädigten zu besetzen sind, ist bereits erfüllt vom Bundespräsidialamt, vom Bundesrat, vom Bundesminister für Angelegenheiten des Bundesrats, vom Bundesarbeitsministerium und vom Organisationsbüro für wirtschaftliche Vertretung im Ausland. Bei der Zusammenfassung sämtlicher Dienststellen des Bundes beläuft sich die Gesamtzahl der beschäftigten Schwerbeschädigten auf 365. Der Durchschnittssatz beträgt hiernach zur Zeit 7,2 %. Bei allen Dienststellen der Bundesregierung ist zu berücksichtigen, daß sie sich zur Zeit noch im Aufbau befinden und die Einstellung Schwerbeschädigter keineswegs als abgeschlossen gelten kann. Das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen erhebt Anspruch darauf, daß die Errechnung der Arbeitsplätze der Schwerbeschädigten bei diesem Bundesministerium nur unter Berücksichtigung der Gesamtzahl der bei allen Dienststellen der Post und nicht nur der Zahl der in einer einzelnen Dienststelle vorhandenen Arbeitsplätze erfolgt. Die Post hat dann bisher einen Prozentsatz von 9 % unter Zusammenrechnung aller Dienststellen erreicht.
Zu Punkt 2 der Interpellation darf ich folgendes bemerken. Von den in Frage kommenden 21 Dienststellen haben 11 bereits dem Arbeitsministerium die namentlichen Listen der beschäftigten Schwerbeschädigten eingereicht. Der Eingang der restlichen Listen ist in allernächster Zeit zu erwarten. Die Bundesregierung ist selbstverständlich bereit, das gewünschte namentliche Verzeichnis der bei den Bundesdienststellen beschäftigten Schwerbeschädigten nach Kategorien geordnet vorzulegen.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Ausführungen des Herrn Staatssekretärs Sauerborn gehört. Wird das Wort dazu gewünscht?
—Dann bedarf es gemäß § 56 der Geschäftsordnung der Unterstützung von 50 Mitgliedern, wenn eine Besprechung der Beantwortung der Interpellation erfolgen soll. Sind diese 50 Mitglieder vorhanden? — Ich stelle fest, daß das nicht der Fall ist. Somit betrachte ich die Interpellation auf Drucksache Nr. 862 als erledigt.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewerbesteuer für die Zeit vom 21. Juni bis 31. Dezember 1948 und für das Kalenderjahr 1949 .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, die beigefügte gedruckte Begründung als abgegeben anzuerkennen und die Drucksache Nr. 944 ohne Aussprache dem zuständigen Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen zu überweisen. Darf ich das Einverständnis des Hauses mit dieser Regelung annehmen? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Damit kommen wir zu Punkt 5:
Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Richterwahlgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen auch in diesem Falle vor, die Begründung als gegeben anzusehen und die Drucksache Nr. 955 ohne Debatte an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht
zu überweisen und damit die erste Beratung des Gesetzentwurfs als abgeschlossen zu betrachten. Darf ich das Einverständnis des Hauses damit annehmen? — Ich höre keinen Widerspruch.
Zu Punkt 6:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des Güterfernverkehrs-Änderungsgesetzes ,
schlägt Ihnen der Ältestenrat das gleiche Verfahren vor, die gedruckte Begründung als gegeben anzusehen und die Drucksache Nr. 956 ohne Aussprache an den zuständigen Ausschuß für Verkehrswesen zu überweisen mit der Maßgabe, daß damit die erste Beratung des Gesetzentwurfs als beendet gilt. — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist demgemäß beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 7:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Senkung der Tabaksteuer für Zigarren .
Als Berichterstatter erteile ich Herrn Abgeordneten Eickhoff das Wort für etwa 10 Minuten, nach dem Vorschlag des Ältestenrats mit der Maßgabe, daß dann ohne Aussprache die zweite und dritte Lesung stattfindet. Herr Abgeordneter, ich bitte um Ihre Berichterstattung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Senkung der Tabaksteuer bei Zigarren, Drucksache Nr. 856, ist in der 61. Sitzung am 4. Mai 1950 eingehend erörtert worden. Herr Bundesfinanzminister Schäffer hat e damals die Gründe dargelegt, die die Bundesregierung zu der Vorlage veranlaßt haben. Er hat dabei insbesondere auf den durch die überhöhten Steuersätze hervorgerufenen Minderverbrauch an Zigarren, auf die damit zusammenhängende Arbeitslosigkeit in den Reihen der Zigarrenarbeiter und die katastrophale Lage in der Zigarrenindustrie überhaupt hingewiesen und damit die für Zigarren beabsichtigte Steuersenkung und die damit zusammenhängende gewährte Steuerstundung begründet.
Wenn man sich heute auch noch kein abschließendes Urteil über den Erfolg dieser Maßnahmen erlauben kann, so steht doch fest, daß der Zigarrenverzehr von 92,2 Millionen Stück im Monat Januar auf 176 Millionen Stück im Februar gestiegen ist und das Steueraufkommen an Zigarrensteuer auf 12,7 Millionen DM im Februar gegenüber 11,9 Millionen DM im Januar. In welchem Umfange sich das Steueraufkommen an Zigarettensteuer dagegen dauernd mindern wird, muß abgewartet werden. Nach Angabe der Zigarettenindustrie ist jedenfalls der Verbrauch an Zigaretten nach der Steuersenkung für Zigarren erheblich zurückgegangen.
Herr Bundesfinanzminister Schäffer begründet die Steuersenkung aber insbesondere damit, daß sich die Relation zwischen Zigarren-, Zigaretten- und Rauchtabaksteuer durch ein Gesetz der Militärregierung zuungunsten der Zigarren verschoben habe und daß wir durch das vorliegende Gesetz zu einer gesunden Relation zurückkommen müßten.
Von allen Debatterednern an dem Tage wurde uneingeschränkt anerkannt, daß eine Herabsetzung der Zigarrensteuer eine unabdingbare Notwendigkeit sei. Es wurde aber auch von allen darauf hingewiesen, daß diese Steuersenkung nicht nur bei Zigarren, sondern bei allen Tabakarten einsetzen müsse, um nicht eine Sparte gegen die andere auszuspielen. Darüber hinaus wurde aber auch angeregt, bei Kaffee und Tee ebenfalls eine Steuersenkung eintreten zu lassen.
Der Schmuggel mit Zigaretten und Kaffee wurde mehrmals besonders erwähnt. Es steht ganz einwandfrei fest, daß durch den Schmuggel die Tabakwarensteuer, aber auch die Kaffeesteuer in ihren Erträgen stark bedroht ist. An eine erfolgreiche Bekämpfung des Schmuggels allein von unserer Seite können wir einfach nicht glauben, weil wir die Schmuggler genau kennen. Wir wissen, wo sie sitzen; sie sind aber zum größten Teil unserem Zugriff entzogen. Ob die uns zugesagte Unterstützung der Hohen Kommission im Kampfe gegen den Schmuggel zum Erfolg führen wird, möchte ich jedenfalls bezweifeln.
Im Ausschuß haben wir uns nun eingehend mit dieser Vorlage beschäftigt und sind, vielleicht nicht ganz im Einvernehmen mit Herrn Finanzminister Schäffer, zu der Überzeugung gekommen, daß eine Gesamtsenkung der Tabakwarensteuer und auch der Kaffee- und Teesteuer dringend notwendig ist. Zu Punkt 8a der heutigen Tagesordnung wird Herr Kollege Scharnberg Ihnen berichten, daß vom Ausschuß für Finanz- und Steuerfragen auch diese Frage eingehend beraten worden ist.
Wir wissen aber aus Erfahrung, daß bis zur endgültigen Verabschiedung der beabsichtigten Gesetze noch einige Monate vergehen werden, und bitten Sie deshalb, den durch die Steuerstundung bei Zigarren seit Februar geschaffenen Zustand
schon jetzt zu sanktionieren. Der Ausschuß schlägt Ihnen deshalb vor, den Ihnen vorliegenden Gesetzentwurf uneingeschränkt anzunehmen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen. Da wir keine Aussprache haben, kommen wir sofort zur Abstimmung. Ich bitte die Damen und Herren des Hauses, die Drucksache Nr. 856 zugrunde zu legen, und ich rufe auf: Wer für die §§ 1, 2, 3, 4, Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit beschlossen. Damit ist die zweite Beratung der Drucksache Nr. 856 beendet.
Wir kommen zur
dritten Beratung.
Das Wort wird nicht gewünscht. Ich stelle das fest. Wir kommen zur Abstimmung. Wer in der Drucksache Nr. 856 für die §§ 1 bis 4, Einleitung und Überschrift ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
— Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — So beschlossen.
Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer für den Gesetzentwurf gemäß Drucksache Nr. 856 in der soeben in zweiter und dritter Lesung beschlossenen Fassung im ganzen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke. Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das Gesetz ist mit eindeutiger Mehrheit beschlossen. Damit ist der Gesetzentwurf gemäß Drucksache Nr. 856 verabschiedet.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 8 der Tagesordnung:
a. Beratung des mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen be- treffend Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer ;
b. Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Etzel , Dr. Besold und Fraktion der Bayernpartei betreffend Tabakbesteuerung (Drucksache Nr. 927).
Wir wollen die beiden Punkte zunächst gemeinsam behandeln, also die Berichterstattung zu Punkt 8 a und die Begründung der Antragsteller zu Punkt 8 b entgegennehmen.
Ich erteile dem Herrn Abgeordneten Scharnberg als Berichterstatter das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dem Antrag des Ausschusses liegen Anträge der Bayernpartei, der KPD, der WAV und der Sozialdemokratischen Partei zugrunde, die sich auf die Tabaksteuer, die Zigarettenpapiersteuer, die Kaffeesteuer und die Teesteuer beziehen. Der Ausschuß hat die Lage, wie sie durch den Schmuggel gegeben ist, nochmals sehr eingehend und gewissenhaft durchberaten. Dabei lag in erster Linie die Debatte in der 64. Sitzung des Bundestags anläßlich der Interpellation meiner Freunde und meiner Person über den Schmuggel zugrunde. Weiterhin lag zugrunde und haben wir entsprechend gewürdigt die damals gehaltene Rede des Bundesfinanzministers, in der dieser die Schäden aufgezeigt hat, die infolge des Schmuggels unsere deutsche Volkswirtschaft bedrohen.
Der Bundesfinanzminister hat damals ausgeführt, daß der illegale Import durch den Schmuggel auf insgesamt 500 Millionen DM zu schätzen sei und daß dem ein entsprechender Export gegenübergestellt werden müsse. Er hat weiterhin ausgeführt, daß von diesen 500 Millionen DM 240 Millionen DM auf Kaffee und Zigaretten entfielen. Wir glauben, daß diese Ziffern, jedenfalls soweit sie sich auf Kaffee, Tee und Zigaretten beziehen, noch zu niedrig veranschlagt sind. Wir kommen auf Grund folgender Berechnungen zu höheren Schätzungen. Der Bundesfinanzminister hat nicht bestritten, daß der Konsum an geschmuggelten Zigaretten augenblicklich auf mindestens 400 Millionen Stück pro Monat zu veranschlagen ist. Die Internationale Tabakwissenschaftliche Gesellschaft in Amberg hat sich gutachtlich dahin geäußert, daß für die geschmuggelten Zigaretten ab Grenze 38 bis 40 DM pro mille zu zahlen sind. Wenn man diesen Preis zugrunde legt, kommt man zu einem Wert ab Grenze von 200 Millionen DM, der sich beim. Endverbraucher auf 400 Millionen DM stellt.
Beim Kaffee liegen die Dinge ähnlich. Dort ist der Gesamtumsatz beim Endverbraucher nach den unbestrittenen Umsatzziffern auf 480 Millionen DM zu veranschlagen. Wenn man dieselbe Relation zwischen Endverbraucherpreis und Preis ab Grenze zugrunde legt, kommt man auch beim Kaffee auf einen Grenzpreis in Höhe von 240 Millionen DM Allein diese beiden Schmuggelwaren dürften also bereits an der Grenze einen Aufwand von über 400 Millionen DM erfordern. Dazu kommt noch Tee, den man vielleicht mit 20 bis 25 Millionen DM veranschlagen kann. Ferner kommen die übrigen Waren hinzu, die der Bundesfinanzminister in seiner Rede aufgezählt hat und für die er einen Aufwand von 260 Millionen DM, immer ab Grenze gerechnet, veranschlagt hat. Wir kommen damit zu einem Gesamtschmuggelwert von 1,5 Milliarden DM beim Endverbraucher und zu einem illegalen Import von 700 Millonen DM — dem ein entsprechender illegaler Export gegenübergestellt werden muß — sowie zu 800 Millionen DM Gewinnen, die bei den Schmugglern, welche hier im Inland diese Waren weitervertreiben und an den Endverbraucher bringen, entstehen und von denen angenommen werden kann, daß sie samt und sonders der Versteuerung entzogen werden.
Der Bundesfinanzminister hat nun in seiner Rede verschiedene Maßnahmen angekündigt, um den Schmuggel zu bekämpfen. Im Gegensatz dazu haben fast alle Parteien zusätzlich eine Senkung der Verbrauchssteuern gefordert, weil sie der Meinung sind, daß nur auf diese Weise der Anreiz zum Schmuggeln beseitigt werden kann. Der Finanzausschuß hofft, daß der Minister mit seinen Maßnahmen Erfolg hat. Der Finanzausschuß hat für den Gesichtspunkt des Bundesfinanzministers, daß die Verbrauchssteuerkorrekturen allein ja den Schmuggel nicht restlos beseitigen werden, durchaus Verständnis. Wir haben gewürdigt, daß bei den übrigen Schmuggelwaren, Rauschgift, Schokolade, Spirituosen. Parfüms usw. — dazu kommt noch in sehr großem Umfange Benzin —, die Verhältnisse anders liegen als bei den Gegenständen, die durch eine hohe Verbrauchssteuer im Konsumpreis in die Höhe getrieben sind. Der Finanzausschuß richtet daher auch an den Bundesfinanzminister die dringende Bitte, mit allem Nachdruck die Maßnahmen zu fördern, die auf deutscher Seite vorgesehen sind und die auf alliierter Seite erfolgen sollen. Trotzdem wünscht der Finanzausschuß, daß vorsorglich ein Gesetzentwurf in Angriff genommen wird, der die Verbrauchsteuern senkt; und daß ein solcher Gesetzentwurf vorsorglich dem
Bundesrat und dem Bundestag zugeleitet wird, damit keine Zeit verloren wird, falls etwa die Hoffnungen des Finanzministers auf den Erfolg seiner Maßnahmen bei der Schmuggelbekämpfung nicht voll in Erfüllung gehen sollten. Der Ausschuß hat sich dabei von folgenden Erwägungen leiten lassen
Der illegale Export und Import in der Größenordnung von 700 Millionen, von denen, wie ich Ihnen sagte, 500 Millionen auf Tabak, Kaffee und Tee entfallen, muß beseitigt werden. Weiterhin muß die Quelle für die Steuerhinterziehungen beseitigt werden, und die Schwarzgewinne, die erzielt werden, müssen wieder dem legalen Handel und der legalen Industrie zugeführt und damit dann auch ordnungsgemäß versteuert werden. Wir müssen auch die moralischen Auswirkungen beseitigen, die in der letzten Debatte schon eingehend erörtert worden sind, und schließlich handelt es sich um die wichtigste Einnahmeposition des Bundeshaushalts, die hier bedroht ist. Beim Tabak haben wir ein Aufbringen an Verbrauchsteuern, Zöllen und Materialsteuern von 2,2 Milliarden; beim Kaffee wird es sich um etwas mehr als 300 Millionen handeln, und beim Tee dürfte auch noch ein namhafter Betrag hinzukommen. Tatsache ist, daß bis jetzt der Schmuggel zunimmt und der legale Verbrauch abnimmt, und alle Anzeichen deuten darauf hin, daß das Aufkommen aus den Verbrauchsteuern für die eben erwähnten Waren im April noch weiterhin rückgängig geworden ist. Schließlich ist noch zu bedenken, daß die beteiligten Industrien und Handelsfirmen durch den immer zunehmenden Schmuggel bedroht werden, und außerdem ist als sehr wesentlicher Punkt zu bedenken, daß bei Kaffee Handelsverträge mit Südamerika abgeschlossen werden müssen. Diese Handelsverträge werden uns zwingen, ein bestimmtes Quantum Kaffee abzunehmen, welches nur dann im Inlande abgesetzt werden kann, wenn es uns gelingt, den gesamten Kaffeehandel legal zu machen.
Der Finanzausschuß ist der Meinung, daß da: Steueraufkommen nicht gefährdet ist bei einer Steuerermäßigung, wohl aber bei einer Nichtermäßigung und beim Fortbestand des Schwarzhandels; denn der Konsum wird — so ist die Auffassung des Finanzausschusses — durch die entsprechenden Steuerermäßigungen erhöht werden. Die beteiligten Industrien und Handelsfirmen haben gewisse Berechnungen hierüber angestellt, die den Finanzausschuß überzeugt haben. Aus diesen Gründen bittet Sie der Finanzausschuß, entsprechend der Vorlage Nr. 964 zu beschließen, daß die Bundesregierung ersucht wird, den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 1. Juli 1950 Gesetzentwürfe über eine ausreichende Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer vorzulegen, und zweitens die Anträge Drucksachen Nr. 865, 868, 885, 538, 800 und 877 durch diese Entschließung als erledigt anzusehen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Wer von den Antragstellern wünscht zu Punkt 8b — Drucksache Nr. 927 betreffend Tabakbesteuerung — das Wort? — Herr Abgeordneter Dr. Etzel! 10 Minuten!
Dr. Etzel (BP), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf einen Änderungsantrag zum Beschlußantrag des 11. Ausschusses vorlegen des Inhalts — —
Wir sind noch nicht in der Debatte!
Dann darf ich zur Geschäftsordnung sprechen.
Bitte, zur Geschäftsordnung!
In Ziffer 2 des Beschlußantrages des 11. Ausschusses ist vorgesehen, daß die Anträge Drucksachen Nr. 865 — —
Verzeihung, darf ich Sie noch einmal unterbrechen. Bringen Sie jetzt Ihren Antrag Drucksache Nr. 927 ein oder nicht?
Meine Ausführungen betreffen einen Antrag zur Geschäftsordnung, nämlich die Herübernahme unseres Antrages Drucksache Nr. 927 in die Ziffer 2 des Ausschußberichts, so daß der Antrag nach Ziffer 2 als erledigt gelten soll.
Bitte schön!
In Ziffer 2 des Ausschußberichts ist vorgesehen, daß die Anträge Drucksachen Nr. 865, 868, 885, 538, 800 und 877 durch die Entschließung als erledigt angesehen werden sollen. Im Hinblick auf den Antrag des Ausschusses glauben wir, daß auch der Antrag der Bayernpartei Drucksache Nr. 927 als erledigt angesehen werden kann. Zur Abkürzung der Debatte werde ich einen diesbezüglichen Änderungsantrag dem Herrn Präsidenten sofort einreichen.
Danke schön!
Damit, meine Damen und Herren, kommen wir zur Aussprache. Der Ältestenrat schlägt Ihnen eine Gesamtredezeit von 40 Minuten vor. Ich darf das Einverständnis des Hauses dazu erbitten.
Als erster hat das Wort der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz, aber aus einer dringenden Sorge zu dem Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 964 Stellung nehmen. Dieser Antrag geht grundsätzlich davon aus, daß er die Maßnahmen zur Bekämpfung des Schmuggelunwesens begrüßt und billigt und ihnen einen Erfolg wünscht. Er kommt aber dann doch zu dem Ergebnis, daß die Bundesregierung ersucht werden soll, den gesetzgebenden Körperschaften bis zum 1. Juli 1950 Gesetzentwürfe über eine ausreichende Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer vorzulegen.
Meine Damen und Herren, ich halte es technisch nicht für möglich, den Termin vom 1. Juli 1950 einzuhalten. Ich muß erstens darauf hinweisen, daß die Tabak- und Kaffeesteuer mit einem erwarteten Betrag von insgesamt fast 21/2 Milliarden im Haushalt des Bundes steht und daß eine Gesetzgebung, die diese Milliardeneinnahme des Bundes plötzlich durch eine Steuersenkung einem großen Risiko aussetzt, zuerst genau überlegt werden muß. Auch die Unterlagen für eine solche Steuersenkung müßten in ihrer finanziellen Auswirkung genau geprüft werden. Diese Unterlagen sind, abgesehen von den Eingaben, die die interessierten Kreise selbst gemacht haben, bis jetzt noch nicht zuverlässig vorhanden. Diese Unterlagen über die Auswirkung von Steuersenkungen, die für sich allein ausreichen sollten, den Schmuggel dadurch zu verhindern, daß dem Schmuggler jede Gewinnmöglichkeit genommen wird, sind, wie gesagt, bis jetzt nicht vorhanden und auch bis zum 1. Juli 1950 nicht zu gewinnen.
Ein zweiter Gesichtspunkt, der wohl auch von dem Hause gewürdigt werden muß, ist folgender. Wir haben den Kampf gegen das Schmuggelunwesen begonnen, und zwar, wie ich immer wieder ausdrücklich hervorheben muß, nicht allein wegen der Schmugglerwaren Kaffee und Zigaretten, sondern wegen eines ganzen Blütenkranzes von Schmuggelwaren, wobei Kaffee und Zigaretten wertmäßig die kleinere Hälfte der geschätzten Schmuggelwaren ausmachen. Dieser Kampf gegen das Schmuggelunwesen muß aus allgemein-volkswirtschaftlichen Gründen und auch, ich möchte sagen, aus Gründen der Moral des deutschen Volkes geführt werden; und er wird nach den Zusagen, die ich aus jüngster Zeit habe, hoffentlich mit der notwendigen Unterstützung der Besatzungsmächte geführt werden können.
Wenn ich den Antrag Drucksache Nr. 964 richtig verstehe, geht er davon aus, daß im Kampf gegen den Schmuggel die Maßnahmen, die von der Bundesregierung mit Unterstützung der Besatzungsmächte geplant sind, nicht ausreichen, um das Schmuggelunwesen wirklich auszurotten, und daß deshalb die Senkung der Steuer dazukommen müsse. Ob diese hier unterstellte Voraussetzung zutrifft, das kann unmöglich bis zum 1. Juli 1950 entschieden sein. Wir haben heute den 2. Juni 1950. Selbst wenn es in den nächsten Wochen gelingt, die volle Unterstützung der Besatzungsmächte für all die Maßnahmen zu erhalten, die ich vorgeschlagen habe, so ist es doch ausgeschlossen, daß bis zum 30. Juni 1950 ein wirkliches Bild über den Erfolg der Bestrebungen, das Schmuggelunwesen auszurotten, vorliegen kann.
Wenn aber die Bundesregierung von sich aus Gesetzentwürfe vorlegt — und sie müßte ja die Gesetzentwürfe vorlegen —, die den Schmuggel dadurch bekämpfen wollen, daß die Steuersenkung eine Preisverbilligung erzielt, die dem Schmuggler die Gewinnmöglichkeiten nimmt, so wird das in der Öffentlichkeit und wohl auch im Ausland dahin gedeutet werden, daß die Bundesregierung den Kampf gegen das Schmuggelunwesen als erfolglos aufgibt oder einstellt. Das würde wahrscheinlich zur Folge haben, daß die erbetene und jetzt in Aussicht gestellte Unterstützung der Besatzungsmächte bei diesen Maßnahmen nicht mehr gegeben würde.
Ich möchte deshalb dringend bitten, an dem Termin vom 1. Juli 1950 nicht festzuhalten, sondern einen Termin zu wählen, der technisch möglich ist und die notwendige Zeitspanne gibt, um sich auch ein Bild darüber zu machen, ob der Kampf gegen das Unwesen des Schmuggels mit Erfolg geführt werden kann oder nicht.
Ich darf noch einige Sätze anfügen. Die Bundesregierung hat erwartet, daß der Appell, den sie an die Öffentlichkeit gerichtet hat und der von den Oberfinanzpräsidenten in diesen Tagen erneut an die deutsche Bevölkerung gerichtet wird, den Schmuggel nicht durch Steuerhehlerei zu unterstützen, von der deutschen Bevölkerung als selbstverständlich entgegengenommen wird. Ich bedauere es, wenn in der deutschen Presse Artikel erscheinen, wie es vor einigen Tagen in der „Welt" der Fall gewesen ist, die den Schmuggel, ich möchte sagen, als „volkswirtschaftlich nützlich" zu rechtfertigen und zu verteidigen suchen.
Ich möchte dem Hohen Hause nur ein Beispiel sagen. Der Schmuggel kostet dem deutschen Volk an Zoll- und Steuerausfall rund 800 Millionen DM im Jahr. Sie werden in den nächsten Tagen die Übersicht, die bereits an das Präsidium des Deutschen Bundestags abgegangen sein muß, über die
Haushaltslage von Bund und Ländern und über die Möglichkeit bzw. Unmöglichkeit, all die Ansprüche zu erfüllen, die an den Bund herangetragen werden, erhalten. Sie werden daraus ersehen, daß, so groß die Leistungen im Haushalt für gewisse soziale Aufgaben auch ziffernmäßig erscheinen mögen — ich erinnere nur an die Worte Kriegsversehrte, Kriegerwitwen und Kriegerwaisen —, diese Leistungen für den einzelnen Betroffenen doch relativ klein sind, und wir alle in diesem Hohen Hause, sowohl die Bundesregierung als auch sämtliche politischen Parteien, wünschen, daß wir mehr Mittel zur Verfügung hätten, um diese Aufgaben zu erfüllen. Wir haben diese Mittel — es handelt sich um einen Betrag von 800 Millionen DM — nicht, weil das Schmuggelunwesen durch die Steuerhehlerei des deutschen Volkes mit gefördert wird!
Ich möchte einmal einen öffentlichen Appell an alle diejenigen richten, die glauben, den Schmuggel verteidigen zu müssen, und glauben, sich darüber freuen zu müssen, wenn der Kaffeetrinker und Zigarettenraucher dem Gesetz, dem Staat und dem Zoll ein Schnippchen schlägt. Alle diese mögen sich daran erinnern, daß derjenige, der die Steuerhehlerei begeht und den Staat um seine Einnahmen bringt, damit diese Einnahmen denen wegnimmt, denen sie zugedacht werden könnten: den Kriegerwitwen, den Kriegswaisen und den Kriegsversehrten! Ich glaube, daß dann eine deutsche Presse diese Steuerhehlerei nicht mehr verteidigen würde.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Herbig. 8 Minuten, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag des Aus- schusses für Finanz- und Steuerfragen wurde auch von unserer Fraktion gebilligt. Damit soll aber keineswegs zum Ausdruck gebracht werden, daß wir etwa auch die Steuerpolitik der Regierung billigen. Wir haben zu der Steuerpolitik der Regierung bis heute noch kein Vertrauen. Wenn der Herr Finanzminister glaubt, die Herabsetzung der Verbrauchssteuern für Genußmittel — das sind Tabak, Kaffee, Tee, denen ich noch Schokolade und Kakao anfügen möchte - ausschließlich oder hauptsächlich dadurch erreichen zu können, daß er den Schmuggel bekämpft, so geht er nach unserem Dafürhalten irre. An sich ist es für einen Finanzminister begreiflich, wenn er erst in zweiter Linie daran denkt, Verbrauchssteuern herabzusetzen. Aber Schmuggelbekämpfung heißt noch lange nicht, daß man auch die Preise herabsetzen kann, sondern bedeutet lediglich, daß man den Leuten, die sich mit dem Herüberbringen dieser Genußmittel über die Grenze befassen, den Verdienst schmälert oder unmöglich macht. Damit ist aber keineswegs eine Herabsetzung der Preise für Genußmittel verbunden.
Nun haben Waren, die vor nicht allzulanger Zeit als Luxus hingestellt wurden, insbesondere Genußmittel, schon längst aufgehört, Luxuswaren zu sein. Tabak, Kaffee und Tee sind Volksnahrungsmittel geworden, ähnlich wie wir das vom Bier hörten, dem „flüssigen Brot" der Bayern, das in Herrn Horlacher einen so äußerst beredten Verteidiger gefunden hat. Die Preise für die Genußmittel also können wir nur herabdrücken, wenn wir die Verbrauchssteuern, die für diese Genußmittel unverhältnismäßig groß sind, herabsetzen.
Wenn also dieser Antrag heute die Unterschrift aller Fraktionen des Parlaments trägt, so hat der
Herr Bundesfinanzminister noch keineswegs Anlaß zu einer besonderen Freude über diese Einmütigkeit. Nach meinem Dafürhalten hat die Regierung kaum je einen deutlicheren Verweis bekommen als in diesem Antrag. Die Regierung hatte Zeit genug, sich die Dinge zu überlegen und über den Weg schlüssig zu werden, den sie beschreiten wollte, um die hohen Preise für Genußmittel herabzusetzen.
Es ist ihr aber bisher noch nicht eingefallen, diesen Weg zu gehen. Sie hat sich nicht die Zeit dazu genommen, nicht einmal soviel Zeit, wie sie verwandt hat, um uns vor kurzem das Gesetz über die Reform der Einkommensteuer vorzulegen, jener unsozialen Steuer, der unsozialsten, die wir bisher hatten.
Der Ausdruck „Demagogie" ist in diesem Hause nicht üblich; das habe ich wiederholt festgestellt.
Ich habe das Wort Demagogie gar nicht angewandt!
Nein, Sie nicht. Ich meine den Herrn, der das eingewandt hat.
Verzeihen Sie, man ist hier leider Gottes versucht, die Einwendungen von seiten des Präsidiums immer auf sich zu beziehen.
Ich bin noch ein so unbeflecktes Blatt, daß ich mich wundere, wenn ausgerechnet ich heute den ersten Ordnungsruf oder die erste Zurechtweisung erhalten sollte.
Ich wollte Sie nur in Schutz nehmen.
Ich danke vielmals für den Schutz, Herr Präsident.
Man ging also mit einer ganz verdächtigen Eile ans Werk. Damals hatte man Zeit, jetzt auf einmal nicht mehr, die hohe Bürokratie nämlich. Erst durch den Antrag aller Fraktionen mußte sie dahingebracht werden, sich endlich die Zeit zu nehmen, die nötig ist, wenn man an die Herabsetzung der Preise für Genußmittel herangehen will.
Als damals die Einkommensteuer herabgesetzt wurde — eine Bevorzugung hauptsächlich für die Steuerzahler in den höheren und mittleren Einkommenstufen —, motivierte der Herr Finanzminister das im Hinblick auf den zu erwartenen Rückgang des Steueraufkommens mit der Hoffnung, daß sich die Steuermoral und damit später auch die Steuereingänge wieder heben würden. Ich glaube, der Herr Finanzminister würde nicht gut tun, seine Kräfte allzusehr in einer Art Hellseherei zu verschwenden.
Bis jetzt ist noch keineswegs erwiesen, ob tatsächlich eine Besserung der Steuermoral eingetreten ist. — Im übrigen: das Wort „Besserung" möchte ich zurücknehmen; denn besser ist der Komperativ von gut, und bisher konnte ich mich nicht überzeugen, daß die Steuermoral gut sei. Also wir werden glücklich sein, wenn er uns, sobald er die Bilanz wird vorlegen können, sagen kann, daß die Steuermoral eine gute geworden ist, wenn auch nicht eine bessere.
Nun, meine Damen und Herren, bei der Herabsetzung der Verbrauchssteuern entwickelt der Herr
Finanzminister eine bedeutend geringere Eile. Wenn ich recht gehört habe und die Presseäußerungen richtig lese, so will der Herr Finanzminister an die Herabsetzung der Verbrauchssteuern nicht gern herangehen. Wie er sich übrigens in Zukunft die Steuereingänge vorstellt, erhellt wohl aus einem Artikel der „Neuen Zeitung" vom 31. Mai, überschrieben mit „Schäffers Katastrophen-Finanzpolitik", wonach der Herr Finanzminister einbekennt, daß die Finanzlage des Bundes nicht nur nicht rosig, sondern recht trübe sei.
Nun, meine verehrten Anwesenden, ich habe die ganze Zeit versucht, mit dem Herrn Finanzminister ein wenig in der stummen Sprache zu reden, in den Gesten, im Lächeln usw., und bin zu der Überzeugung gekommen, daß er nichts unbeabsichtigt sagt, vor allem nie etwas sagt, was irgendeinem Einbekenntnis einer, sagen wir, falschen Meinung gleichkommen könnte. Bis zum Heroismus der Linken, die manchmal geradezu in perverser Wut eingesteht, daß sie sich geirrt hat, wird er sich, glaube ich, so bald sicher nicht aufschwingen. Aber ich glaube, nicht irrezugehen in der Annahme, daß hinter diesen Presseäußerungen ein anderer Grund steckt. Er sagt nämlich: Die Bundesfinanzkasse wird die Forderungen nicht erfüllen können, die bald an sie herangetragen werden von den Renten- und Fürsorgeempfängern, von den Heimatvertriebenen, von den Beamten und dergleichen mehr. Dort liegt der Hund begraben, Herr Finanzminister! Das heißt, Sie wollen heute schon diesem Sturm zuvorkommen; denn es haben es genug die Heimatvertriebenen, es haben es auch genug die Rentenempfänger, ewig mit Versprechungen abgespeist zu werden. Sie werden mit ihren Forderungen an Sie herantreten, und dem möchten Sie vielleicht gern zuvorkommen, indem Sie schon heute darauf aufmerksam machen, daß die Bundeskasse einem solchen Ansturm nicht gewachsen sein wird. Nun, wir werden auf der Wacht sein und warten vor allem schon recht sehr auf Ihre Bilanz.
Meine Redezeit ist abgelaufen, meine verehrten Damen und Herren.
Die Fraktion der SPD bittet Sie, den Antrag des Finanz- und Steuerausschusses anzunehmen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen. 5 Minuten, Herr Abgeordneter!
Meine Damen und Herren! Mein Herr Vorredner ist mit einigen Sätzen auf das „unsozialste aller unsozialen Gesetze", auf das Einkommensteuergesetz eingegangen.
Ich will darauf nur mit einem Satz erwidern. Aus den Zeitungen liest man, daß der anscheinend unsoziale Oberbürgermeister von Berlin, Prof. Reuter, in seiner Stadtverordnetenversammlung mit den Stimmen der SPD dieses Gesetz und die darin enthaltenen Einkommensteuersätze genehmigt hat.
Ich freue mich sehr über diese Rückkehr zur besseren Erkenntnis,
denn diese Erkenntnis war am 20. Juni 1948 im
Wirtschaftsrat in Frankfurt schon bei der SPD vor-
handen. Das ist von dieser Tribüne aus schon öfter mitgeteilt worden. Es ist erfreulich, daß diese gute Erkenntnis nun auch hier eingekehrt ist.
Nun komme ich zu den indirekten Steuern. Ich nehme an, daß der Herr Finanzminister, als er zu der Drucksache Nr. 964 sprach, nicht die Biersteuer gemeint hat. Diese Frage liegt ja auf einem anderen Gebiet, und darüber werden wir in Kürze ohnehin eine Vorlage der Regierung zu erwarten haben.
Was nun die Tabak-, Kaffee- und Teesteuer angeht, so glaube ich, daß man die Entschließung falsch verstehen würde, wenn man ihr den Tenor unterstellte: es geht halt doch nicht mit der Schmuggelbekämpfung, infolgedessen muß die Steuersenkung her. Wir sind der Auffassung — und ich glaube, das trifft für alle Fraktionen zu, die dieser Entschließung zugestimmt haben —, daß beides nebeneinanderlaufen muß und gleiche Bedeutung hat, daß wir aber die Gesundung, die wir auf diesem Gebiete erwarten, nur erreichen können, wenn wir beides machen. Wir sind deshalb weit davon entfernt, dem Herrn Finanzminister bei seinen Bestrebungen, die Hohe Kommission für seine Schmuggelbekämpfung zu interessieren und diesen Kampf dadurch zu intensivieren, Hemmungen aufzuerlegen. Im Gegenteil, wir möchten ihn ausdrücklich bestärken in seinen Bemühungen, die Hohe Kommission, ohne die wir mit der Schmuggelbekämpfung ganz bestimmt nicht zurechtkommen, auf seine Seite zu bringen. Wir glauben aber nicht, daß es möglich ist, die in Drucksache Nr. 964 vorgesehene Frist so lange zu erstrecken, bis sich etwa — was wir bei Gott nicht hoffen — die Erfolglosigkeit der Schmuggelbekämpfung herausgestellt hat. Wir würden nur einverstanden sein, aus rein technischen Gründen die Frist um einen Monat zu verlängern; denn es mag richtig sein, daß es aus technischen Gründen nicht möglich ist, in dem einen Monat, der jetzt nur zur Verfügung steht, die entsprechenden Gesetze vorzulegen. Wir wären also einverstanden, wenn in dem Ersuchen der Drucksache Nr. 964 der 1. Juli durch den 1. August ersetzt wird. Trotz der Ausführungen des Herrn Finanzministers sind wir heute schon der Meinung, daß ohne eine fühlbare Steuersenkung bei Kaffee, Tee und Zigaretten nicht auszukommen sein wird und daß diese Senkung auch — man braucht kein Hellseher zu sein — in der Linie des Herrn Finanzministers liegt, die er vertreten hat, als er das Einkommensteuergesetz hier einbrachte.
Ist das ein Abänderungsantrag, Herr Abgeordneter Wellhausen?
Ja.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kohl .
Meine Damen und Herren! Ich glaube nicht, daß die Ausführungen des Herrn Finanzministers in irgendeiner Form überzeugend gewesen sind. Ich glaube es deshalb auch nicht, weil vor allen Dingen der Grundton der Ausführungen darauf abgestellt war, auf die Tränendrüsen zu drücken und zu sagen: wenn wir den Schmuggel energisch bekämpfen und dadurch ein höheres Steueraufkommen erhalten, werden wir all die sozialpolitischen Wünsche befriedigen können, die an uns herangetragen werden. Ich glaube, daß bisher von seiten dieser Regierung noch nicht der Beweis erbracht worden ist, daß sie sich den Bedürfnissen und Erfordernissen, nehmen wir einmal an,
der Körpergeschädigten, der Witwen und Waisen gegenüber auch nur irgendwie etwas großzügig gezeigt hätte. Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar in den letzten Wochen und Monaten in einer ganzen Reihe von Veranstaltungen — nicht etwa der Gewerkschaften oder der Arbeiterschaft, sonder Industrie- und Handelskammern und all der Kreise, die zum Besitz zählen — außerordentlich große Versprechungen gemacht. Er sprach davon, daß bis Ende des Jahres 1950 eine zweite entscheidende Steuerreform kommen müsse. Er sprach weiter davon, daß der kommende Lastenausgleich nicht zu einer Belastung der Wirtschaft werden dürfe, und er sprach von all diesen Fragen, die sich um diese Steuerpolitik des Herrn Finanzministers herumgruppiert haben. Wenn er jetzt aber hier die Meinung vertritt, daß es technisch unmöglich ist, bis zum 1. Juli die Unterlagen zu sammeln, so bin ich der Auffassung, daß das, um was es hier eigentlich geht, nicht eine rein rechnerische Angelegenheit ist, sondern eine Angelegenheit der Beseitigung unmoralischer und ungerechter Massensteuern, die erhoben werden.
Wir sind nicht der illusionären Auffassung, daß sich nun mit einer Bekämpfung des Schmuggels — und ich beneide den Herrn Finanzminister um seinen Optimismus in dieser Frage — mit Hilfe der Hohen Kommissare, indem man den Bock zum Gärtner macht, irgend etwas ändert, sondern wir sind der Meinung, daß die Frage nicht eine Frage des Schmuggels allein, sondern eben eine Frage der Änderung einer Steuerpolitik ist, die einfach nicht mehr erträglich ist. Deswegen glauben wir, daß das gesamte Beiwerk, das dieser Antrag vorsieht, ruhig beiseite bleiben könnte. Für uns ist entscheidend, daß der einhellige Wille des Bundestags auch den Herrn Finanzminister zwingen sollte, den Willen der Bevölkerung zu respektieren und dafür zu sorgen, daß am 1. Juli wirklich ein Gesetz vorgelegt wird, das mit einer Massensteuerpolitik Schluß macht, die nicht mehr verantwortet werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram. 3 Minuten bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Abänderungsantrag der FDP, die Frist, die der Ausschuß einstimmig auf den 1. Juli festgesetzt hat, um einen Monat zu verlängern, ist meines Erachtens nicht sachlich begründet. Der Herr Bundesfinanzminister hat zwar erklärt, es sei in dieser kurzen Frist nicht möglich, die technischen Unterlagen für die Senkung der Steuern herbeizuschaffen; aber wenn man sich einmal überlegt, welche technischen Unterlagen dazu erforderlich sind, wird man ohne weiteres gewahr, daß die technischen Unterlagen längst vorhanden sind. In unseren Beratungen im Finanz- und Steuerausschuß sind wir ja doch erst dann zu diesem einstimmigen Beschluß gekommen, nachdem wir die Verbrauchszahlen aus früheren Jahren eingehend geprüft hatten und insbesondere auch bei der Zigarettensteuer den Erfolg einer entsprechenden Senkung durch die Regierung Brüning kennengelernt haben. Alle diese Erfahrungen aus der Vergangenheit stehen genau wie uns im Finanzausschuß auch dem Herrn Bundesfinanzminister zur Verfügung. Auch er weiß, daß der Kaffeeverbrauch 0,6 kg pro Jahr und Kopf beträgt, während er vor dem Krieg 2,5 kg betragen hat und daß man auf dem Schwarzen Markt wahrscheinlich einen Verbrauch von weiteren 0,6 kg einzusetzen hat. Auch er weiß, daß mit
einer Senkung der Preise für Röstkaffee ein höherer Verbrauch zu erwarten ist. Auch er weiß, mit welchen Zahlen des Einkommens er ungefähr zu rechnen hat. All diese Unterlagen braucht er nicht erst zu sammeln, sondern das sind die Unterlagen über die Erfahrungen, die in der Vergangenheit gemacht worden sind; und diese Erfahrungen berechtigten uns eben nach unserer Ansicht, diesen Beschluß zu fassen. Deshalb haben wir die Frist von drei Wochen festgesetzt, die nur den Sinn hat, die technische Voraussetzung für die Formulierung eines Gesetzes zu schaffen, nicht mehr und nicht weniger.
Ich habe auch in den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers nichts davon gehört, daß er im einzelnen auf das Material, das ihm etwa noch fehlte, eingegangen wäre. Wenn er damit meint, daß er warten müßte, ob seine Schmuggelbekämpfungsaktion den von ihm erwarteten Erfolg haben wird oder nicht, dann allerdings trennen sich unsere Wege; denn es ist so, daß der Ausschuß der Ansicht war, daß es nicht möglich sei, nur von der Bekämpfung des Schmuggels eine Verbesserung auf diesem Sektor zu erwarten.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister gleichzeitig einen moralischen Appell zur Bekämpfung der Steuerhehlerei ausgesprochen hat, so ist das gewiß sehr lobenswert, aber ob es nützlich ist, müssen wir uns doch sehr fragen. Die Steuerhehlerei ist ein Kapitel des Schwarzen Marktes; und die Bundesregierung ist auch sonst immer bei der Hand, zu erklären, daß eine Bekämpfung des Schwarzen Marktes nur mit marktgemäßen Mitteln möglich sei. Auf einmal soll es hier mit Polizeimitteln möglich sein! Ich finde, daß hier ein großer Widerspruch zwischen dem, was uns sonst wiederholt gerade von der Bundesregierung vorgetragen worden ist, und der heutigen Erklärung besteht.
Die Gefährdung der sozialen Leistung, die vom Herrn Bundesfinanzminister schon hervorgehoben worden ist, kommt nach Ansicht des Ausschusses gar nicht in Frage, da bei einer Senkung der Steuern auf das von uns vorgesehene Maß das Aufkommen an den indirekten Steuern, an den Verbrauchssteuern nicht sinken, sondern steigen wird. Man kannt damit rechnen, daß sich der Kaffee- und Rauchtabakwarenverbrauch den Vorkriegsziffern wieder annähern und auf diese Art und Weise insgesamt ein höheres Aufkommen zu erzielen sein wird.
Ich glaube deshalb, daß der Antrag des Ausschusses unverändert angenommen werden sollte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Besold. Drei Minuten bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei hat schon initiativ durch ihre Antragstellung zur Senkung der Kaffeesteuer zu erkennen gegeben, daß sie der Ansicht ist, daß eine wirksame Schmuggelbekämpfung nicht allein durch Verwaltungsmaßnahmen möglich, sondern eben auch gleichzeitig durch Senkung der Verbrauchssteuern notwendig ist. Es freut uns, wenn Herr Kollege Wellhausen heute die gleiche Ansicht vertritt und wenn insbesondere im Finanzausschuß diese Meinung in der Entschließung auch zum Ausdruck gekommen ist.
Wenn der Herr Bundesfinanzminister erklärt, technisch sei es nicht möglich, den Termin vom 1. Juli für eine Gesetzesvorlage einzuhalten, und sich vielleicht überhaupt gegen eine Terminsetzung wehrt, so möchte ich doch feststellen, daß die
Terminsetzung in der Entschließung des Bundesfinanzausschusses keine irgendwie geartete unfreundliche Haltung oder ein Mißtrauen gegen das Bundesfinanzministerium ist,
sondern daß darin zum Ausdruck kommen soll, wie ernst die Situation ist und wie ernst alle Parteien die Situation betrachten; sie möchten dadurch zum Ausdruck bringen, daß eine unverzügliche und nicht verschiebbare Hilfe im Sinne der Entschließung notwendig ist. Ich glaube, das war der Sinn der Fristsetzung, neben der Überlegung, wie lange ein Gesetz braucht, bis es den normalen Lauf der Stationen durchgangen hat.
Wir können aber nicht glauben, daß es für das Bundesfinanzministerium technisch nicht möglich wäre, die gesetzlichen Grundlagen zu schaffen. Ich habe schon bei der letzten Debatte darauf hingewiesen, daß es bekannt ist, daß dem Bundesfinanz- und auch dem Bundeswirtschaftsministerium seit 8 Monaten laufend Gutachten, Erklärungen der beteiligten Firmen, der beteiligten Handelswelt aufklärend zugehen und daß seit 8 Monaten die zuständigen Ministerien Gelegenheit hatten und diese Gelegenheit auch wahrnehmen mußten, sich in die Materie so zu vertiefen, daß sie auch wirksame Maßnahmen ergreifen können. Ich habe das letzte Mal ferner darauf hingewiesen, daß schon im Februar ein Schreiben meiner Fraktion an die beiden Ministerien gerichtet worden ist, in dem darauf hingewiesen wurde, daß mit Rücksicht auf die katastrophale Lage des Handels und der sonst beteiligten Kreise Maßnahmen ergriffen werden müssen. Eine befriedigende Antwort kam im März vom Bundesfinanzministerium nicht, wohl aber vom Bundeswirtschaftsministerium, das schon damals im März erkannte und erklärte, daß nur Steuersenkungsmaßnahmen eine wirksame Bekämpfung des Schmuggels sind. Infolgedessen sind wir der Ansicht, nachdem die ganze Materie bereits seit 8 Monaten in steigendem Maße laufend durch eingereichte Gutachten und durch Vorstellungen den zuständigen Ministerien bekannt ist, daß bei gutem Willen unter allen Umständen eine gesetzliche Vorbereitung möglich sein muß. Wenn diese bis zum 1. August hinausgeschoben werden sollte — aber das wäre die letzte Frist —, so wäre meine Fraktion damit einverstanden.
Ein Appell zur Schmuggelbekämpfung an das Volk ist psychologisch notwendig, aber wir dürfen die Realitäten doch nicht übersehen, daß sich breite Schichten des Volkes, der Arbeitslosen, mangels Kaufkraft notwendig in den Schwarzen Markt hineinstürzen, weil sie eben die legalen Preise nicht bezahlen können. Wir sind auch der Auffassung, daß es unverantwortlich ist, wenn in der Presse geschrieben wird, der Schmuggel sei „volkswirtschaftlich nützlich".
Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.
Gegen solche Beeinflussung des Volkes muß selbstverständlich angegangen werden.
Die Fraktion der Bayernpartei wäre mit einer Fristsetzung bis zum 1. August im Sinne des Antrags einverstanden.
Darf ich auch einen Appell an das Haus richten. Ich bitte alle Damen und Herren, die von der Tribüne des Hauses sprechen, immer
auch einmal halbrechts auf das kleine Schildchen zu schielen, damit es seinen Zweck erfüllt, namentlich dann, wenn noch eine Minute Redezeit und Schluß angekündigt wird.
Als nächster Redner hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist hier mehrfach zum Ausdruck gebracht worden — und dem mussen wir uns anschließen —, daß wahrhaftig genugend Zeit vorhanden gewesen ist, um sich mit der Frage der Steuerherabsetzung gerade für Kaffee und Tee beispielsweise, die ja heute hier zur Debatte steht, zu beschäftigen. Ich widerspreche eigentlich der Ansicht, daß es sich hier um Genußmittel handelt; für gewisse Teile unseres Volkes mag das zutreffen, aber es gibt ja Gegenden, in denen Kaffee und Tee ausgesprochenes Volksgetränk sind wie etwa das Bier in Bayern. Man sollte doch darauf Rücksicht nehmen.
Wenn der Herr Finanzminister davon sprach, daß eine Steuersenkung, durch die man den Schmuggel unterbinden möchte, im Ausland eventuell so ausgelegt werden könnte, als ob wir nicht in der Lage waren, dieses Ziel auf andere Weise zu erreichen, dann muß auch dem widersprochen werden. Denn der größte Teil der schwarzen Ware, die heute nach Deutschland hereinkommt, kommt ja gerade mit Hilfe derer herein, deren Hilfe der Herr Finanzminister selbst in Anspruch nehmen möchte, nämlich mit Hilfe der Alliierten.
—Das ist allerdings eine ganze Kleinigkeit, das nachzuweisen. Ich glaube, aas dürfte Ihnen auch nicht schwer fallen.
Wenn man sich nun wirklich einmal darangemacht hätte und hatte den § 2 des Gesetzes zur Senkung der Kaffeesteuer vom 21. 10. 1948 endlich verwirklicht, dann ware es heute nicht mehr der Fall, daß etwa 50%, in gewissen Teilen sogar 90% des Kaffees schwarz gehandelt würden.
Wir sind der Meinung, daß der Antrag des Ausschusses unbedingt unterstützt werden muß, und wir geben ihm auch unsere Zustimmung.
Das Wort hat noch Herr Abgeordneter Dr. Leuchtgens. 1'/2 Minuten, darauf mache ich aufmerksam!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Wegen der knappen Zeit, die mir zur Verfügung steht, nur ein paar Worte.
Wenn wir die Steuergesetze betrachten, beobachten wir eine ganz merkwurdige Erscheinung, die nämlich, daß der Zoll und die Steuer in der ganzen Berechnung des Preises durch alle Stufen hindurchlaufen. Die Steuer ist beim Kaffee auf 10,00 DM festgesetzt, der Zoll auf 1,60 DM. Diese 11,60 DM liegen nun allen Berechnungen zugrunde, auch der Gewinnbeteiligung der Großhändler und der Kleinhändler, deren Anteile zusammen allein 49 % ausmachen; sie legen nämlich die Steuer vor und berechnen infolgedessen ihre Gewinnspanne auch auf die vorgelegte Steuer. Das macht insgesamt durchgerechnet für 1 kg Kaffee zu 6,00 DM gerechnet am Ende 31,33 DM. Wenn wir aber diese Gewinnspannen für Steuer und Zoll weglassen, dann würde
das Kilo Kaffee — abgesehen von der Steuer — nur 14,00 DM kosten. Der Unterschied zwischen 31,00 DM und 14,00 DM ist lediglich darauf zurückzuführen, daß der Großhandel und der Kleinhandel — wieder abgesehen von der Steuer — den Gewinn auch noch auf die vorgelegte Steuer berechnen. Das ist zweifellos ein Widersinn in sich.
Man könnte dem entgegentreten, indem man den Zoll und die Steuer am Ende, beim Kleinhändler erhebt. Dann könnten sie jedenfalls die Gewinnspanne nicht auch noch vom vorgelegten Zoll und von der Steuer berechnen.
Wenn das nicht gehen sollte, dann müßte man sich überlegen, wie man diesem Unrecht begegnen könnte, daß die Gewinne auch noch von der vorgelegten Steuer und vom vorgelegten Zoll berechnet werden.
Es ist ein unglaublicher Zustand,
daß der Kleinhandel und der Großhandel einen Gewinn auch noch von den vorgelegten Steuern berechnen.
Meine Damen und Herren! Es kommt der letzte Redner, Herr Abgeordneter Ewers. Bitte, 3 Minuten!
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers gliederten sich in zwei Teile, erstens in einen Appell an die deutsche Bevölkerung die Steuerhehlerei bei diesen Genußmitteln zu unterlassen. Herr Kollege Dr. Bertram hat mit Recht darauf hingewiesen, daß dieser Appell bei der von der Regierung im allgemeinen befolgten Politik der sozialen Marktwirtschaft eigentlich sinnlos ist; denn man will ja durch Psychologie die Wirtschaft steuern, und die Tatsache, daß mit einem gewissen Maß von durch keinen Appell zu beseitigenden Eigennutz zu rechnen ist, ist nun einmal vorhanden. Der Eigennutz schreckt vor strafbaren Handlungen nicht zurück, das haben wir ja in der RM-Zeit, in der Zeit der Blüte des schwarzen Marktes erlebt. Daß wir diese Zustände durch eine ungesunde Steuerpolitk in die heutige Zeit übertragen, ist ein Fehler der Regierungspolitik. Ich möchte das hier ausdrücklich anführen.
Der zweite Teil — und ich bitte den Herrn Kollegen Schäffer, der dort unten zwischen den Kollegen sitzt, einen Moment zuzuhören — hat mich besonders betroffen. Er erklärte hinsichtlich der offenbar noch gar nicht angelaufenen Maßnahmen zur Schmuggelbekämpfung, die ihm von den Herren Hohen Kommissaren „in Aussicht gestellte" — nicht etwa schon zugesagte! — Mithilfe müsse erst erprobt werden. Die erste Debatte über dasselbe Thema hatten wir vor ziemlich genau 4 Wochen. Auch damals war „in Aussicht gestellt", daß die Hohen Kommissare bei der Schmuggelbekämpfung mitwirken wollten. Ich bitte, doch die Frage zu beantworten: Ist denn inzwischen gar nichts geschehen? Ist in diesen 3 bis 4 Wochen in der ganzen Schmuggelbekämpfung überhaupt nichts erfolgt? Sind wir immer noch dabei, daß jemand etwas „in Aussicht stellt" und inzwischen noch nicht einmal zugesagt hat? Wie lange soll denn das noch dauern mit diesen Versuchen der Schmuggelbekämpfung, diesen offenbar nicht ernst gemeinten Versuchen, muß ich fast sagen!
Das alles ließe es meines Erachtens an sich nicht angeraten erscheinen, dem Ministerium noch eine längere Frist zu gewähren.
Ich bin dennoch dafür, im Sinne der von unserem Herrn Vizepräsidenten in unserem Hause eingeführten „Courtoisie" — denn man muß auch einem Ministerium, das widerstrebt, eine gewisse Zeit lassen, sich mit den Dingen zu befreunden, die ihm offenbar von Natur fremd sind —, die Frist entsprechend dem Antrage des Herrn Dr. Wellhausen bis zum 1. August zu erstrecken.
Darüber hinaus aber kann unter gar keinen Umständen die Rede davon sein, daß wir noch weiter warten können; denn im strikten Gegensatz zum Herrn Finanzminister möchte ich erklären: Die gegenwärtige Höhe der Steuern auf Tabak, Kaffee, Tee ist nicht nur ungerecht, sie ist volkswirtschaftlich ein Übel!
Meine Damen und Herren! Die Rednerliste ist erschöpft. Ich schließe die Aussprache über den Antrag Drucksache Nr. 964.
Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Abänderungsantrag des Herrn Abgeordneten Wellhausen, im Ausschußantrag auf Seite 2 unten in dem Absatz „Die Bundesregierung wird daher ersucht" usw. statt „1. Juli" „1. August" einzusetzen. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — ich danke. Die Gegenprobe! — Zweifelsfrei mit Mehrheit so beschlossen.
Der zweite Abänderungsantrag — des Herrn Abgeordneten Dr. Etzel — geht dahin, auch den Antrag Drucksache Nr. 927 unter Ziffer 2 letzte Zeile als erledigt zu erklären. Darf ich des Einverständnisses des Hauses insoweit sicher sein? — Ich höre keinen Widerspruch.
Wer nunmehr für den Antrag Drucksache Nr. 964 im ganzen unter Berücksichtigung der soeben vorgenommenen Abänderungen ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe! — Es ist so beschlossen.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu Punkt 9 a:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten betreffend Besatzungslasten ,
und 9 b:
Mündlicher Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag der Abgeordneten Dr. Hasemann, Dr. Schneider, Freudenberg, Onnen, Dr. Preiß, Dr. Hammer und Genossen betreffend Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden .
Wir hören erst die beiden Berichterstatter an. Der Ältestenrat schlägt Ihnen für die. Berichterstattung zu Punkt 9 a 20 Minuten vor; für Punkt 9 b, darf ich annehmen, genügen 10 Minuten. Gesamtdauer der Aussprache über beide Gegenstände 120 Minuten. — Ich bitte, die Türe zu schließen, wir sind hier unter uns!
—Darf ich des Einverständnisses des Hauses sicher sein? — Ich höre keinen Widerspruch; es ist demgemäß beschlossen.
Ich erteile zu Punkt 9 a Herrn Abgeordneten Dr. Pfleiderer als Berichterstatter das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich bitte doch, die allgemeine Unruhe draußen abzureagieren und hier die Aufmerksamkeit ausschließlich den Rednern zuzuwenden.
—Ja gerade deswegen, mein verehrter Herr Abgeordneter!
Bitte, Herr Abgeordneter Dr. Pfleiderer!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen heute im Auftrage des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Bericht zu erstatten über die Anträge Drucksachen Nr. 8, 120, 148 und 201. Alle diese Anträge beziehen' sich auf das Gebiet der Besatzungslasten. Bei der Beratung der Anträge im Ausschuß sind wir der Ansicht gewesen, daß es zweckmäßig wäre, dem Hohen Hause zunächst einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Dieser Bericht ist Ihnen als Drucksache Nr. 789 zugegangen; ich darf ihn bei meinen weiteren Ausführungen als bekannt voraussetzen.
Der schriftliche Bericht ist abgeschlossen auf den 1. März 1950. Am 1. April d. J. ist das Gebiet der Besatzungslasten gemäß Art. 120 des Grundgesetzes auf den Bund übergegangen. Ich werde nunmehr nur die Punkte noch unterstreichen und hervorheben, die anzuführen die in der Zwischenzeit eingetretene Entwicklung notwendig macht.
Die Besatzungslasten sind auch nach den Anforderungen der Besatzungsmächte für das neue Haushaltjahr der größte Posten unseres Haushalts. Sie sind nicht nur haushaltsmäßig von Bedeutung, sondern auch sozialpolitisch und volkswirtschaftlich. Der Ausschuß ist wohl mit allen Abgeordneten der Ansicht, daß unsere politische Hauptaufgabe darin besteht, die Verhältnisse in der Bundesrepublik zu konsolidieren. Das ist nicht nur eine Aufgabe der inneren Politik, sondern ist für uns ja auch eine auswärtige Verpflichtung, die wir in dem Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Dezember 1949 übernommen haben. Unsere Bemühungen, die Lebensfähigkeit oder, wie es englisch heißt, die viability in Deutschland zu erreichen, werden aber wesentlich gestört, wenn wir in unserem Haushalt einen Block von Ausgaben haben, der das Gleichgewicht gefährdet, der zahlreiche sozialpolitische Aufgaben unerfüllt läßt und die volkswirtschaftlich notwendigen Investitionen beeinträchtigt.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat nicht die Absicht, irgendwie an die den Besatzungsmächten gemäß Art. 2 e des Besatzungsstatuts zustehenden Vorrechte zu rühren. In diesem Artikel ist gesagt, daß die Besatzungskosten ein vorbehaltenes Gebiet der Besatzungsmächte seien, daß sie besondere Befugnisse auf diesem Gebiete hätten. Wohl aber ist zu wiederholen, daß die Besatzungslasten trotz dieser, wenn ich so sagen darf, juristischen und politischen Umzäunung, hinter der sie stehen, von einer tiefgreifenden Wirkung auf unser gesamtes soziales und wirtschaftliches Leben sind.
Angesichts der hohen Beträge, um die es sich handelt, ist es das erste Erfordernis, die Besatzungslasten haushaltmäßig zu begrenzen, damit nicht das Gleichgewicht des Haushalts durch Nachforderungen beeinträchtigt wird oder damit nicht überhöhte An-
forderungen gestellt werden. Diese überhöhten Anforderungen können dann auch dazu führen, daß gewisse Beträge nicht in Anspruch genommen werden. Dann besteht das Bestreben, sie nicht nur innerhalb der einzelnen Positionen zu übertragen, sondern auch auf das nächste Haushaltjahr vorzutragen.
Der Ausschuß ist der Ansicht gewesen, daß es für die Regierung und für die Hohe Kommission auch zweckmäßig wäre, zu überlegen, ob man nicht einen Gedanken aus den Reparationsabkommen der Jahre 1924 und 1929 wieder aufgreifen und zeitgemäß fortbilden sollte, nämlich so wie damals die Reparationslasten, so jetzt die Besatzungslasten in ein festes prozentuales Verhältnis zu den fortlaufenden ordentlichen Ausgaben unseres Haushaltes zu bringen.
Das zweite Erfordernis, das sich mit zwingender Notwendigkeit ergibt, ist das, die Besatzungslasten zu senken, Ausgaben zu vermeiden, wo es nur möglich ist. Ich denke hierbei an alle Gebiete der einzelnen Leistungen, an die Dienstleistungen, an die Sach- und Werkleistungen, an die Nutzungsleistungen usw. Ich glaube, es wäre wünschenswert, wenn auf diesem Gebiete ein möglichst enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Besatzungsmächten und den deutschen Behörden entstünde. Ich glaube, die Alliierten sollten die deutschen Behörden nicht nur als eine Art Gegenspieler ansehen, sondern doch auch als einen Helfer, der über genügend Takt und politisches Verständnis verfügt, um Ratschläge darüber zu erteilen, wo gespart werden kann.
In der letzten Zeit haben nun Auseinandersetzungen zwischen den Fachleuten auf beiden Seiten stattgefunden, ob gewisse Ausgaben auch tatsächlich Besatzungslasten genannt werden dürfen und als solche verbucht werden können. Ich glaube, von unserem Standpunkt aus geht eine solche fachmännische Auseinandersetzung etwas am Kern der Sache vorbei. Denn für uns handelt es sich ja nicht um finanztechnische Unterscheidungen und nicht darum, den Besatzungslastenhaushalt durch die Art der Verbuchung etwa zu beschönigen, sondern für uns handelt es sich im Kern doch immer wieder um den volkswirtschaftlichen und haushaltsmäßigen Gesamtaufwand, der durch die Anwesenheit der Besatzungsmächte, aber auch durch ihre Eingriffe in unser Wirtschaftsleben verursacht wird.
Hierzu gehören alle Summen, auch wenn sie nicht als Besatzungskosten verbucht werden dürfen oder nicht als solche bezeichnet werden sollen, die wir aber doch bezahlen müssen. Ich denke hier zum Beispiel an die sehr erheblichen Beträge, die für die Sozialversicherung der im Dienste der Besatzungsmacht stehenden Personen aufgewandt werden müssen. Es handelt sich immerhin doch um etwa 450 000 deutsche Arbeitskräfte und um eine Lohnsumme von etwa 1 1/2 Milliarden Mark im Jahr. Da machen die Sozialversicherungsbeiträge, die bezahlt werden müssen, natürlich einen sehr hohen Betrag aus. Wir betrachten diese als Kosten der Besatzung, auch wenn sie nicht als solche verbucht werden dürfen.
Ebenso liegt der Fall bei gewissen baulichen Leistungen, bei denen auch nicht alle als Besatzungskosten verbucht werden dürfen, oder bei den sehr erheblichen Kosten, die uns die Besatzungskostenämter verursachen. Denn die gesamte Verwaltung, die damit zusammenhängt, ist sehr umfangreich und dadurch kostspielig. Wir müssen auch die Verluste durch Besatzungsschäden hinzurechnen, die noch nicht erfaßt und nicht entschädigt sind und gleichfalls sehr hohe Beträge ausmachen. Ich bin der Ansicht, daß wir im Grunde auch alle Verluste, die unsere Volkswirtschaft durch die Eingriffe der Besatzungsmächte erlitten hat und dauernd noch erleidet, hinzurechnen müssen, nicht nur die Kosten der Demontage, nicht nur die Kosten für die Sprengung und die Verschrottung unserer Werke, sondern auch die Verluste, die durch die Senkung des Sozialprodukts infolge Wegfalls der Arbeitsplätze und die dadurch eingetretene Arbeitslosigkeit entstehen.
Ich komme nun zu den einzelnen Anträgen. Antrag Drucksache Nr. 120 Ziff. 1 beschäftigt sich mit der Frage des Zusammenwohnens von Angehörigen der Besatzungsmächte mit deutschen Staatsangehörigen. Dieses Zusammenwohnen ist in einer Zone bis heute noch verboten. Wegen der Einzelheiten darf ich mich hier auf den schriftlichen Bericht Seite 6 oben beziehen und an den Beschluß erinnern, den das Hohe Haus bereits am 1. Dezember letzten Jahres faßte und der in Drucksache Nr. 197 niedergelegt ist. Dort ist die Bundesregierung ersucht worden, ein Abkommen mit der Hohen Kommission über die Grundsätze für die Inanspruchnahme von privatem Wohnraum und Hotels zu schließen. Ich glaube, durch diesen Beschluß ist der Antrag Drucksache Nr. 120 Ziff. 1 als erledigt zu betrachten. Wir warten noch auf die Mitteilung der Regierung, was hierauf geschehen ist.
Die Anträge Drucksache Nr. 120 Ziff. 2 und Drucksache Nr. 148 beziehen sich auf ein sehr verwickeltes Problem, nämlich auf die Frage der Erstellung von Wohnraum für die Besatzungsmächte und dann noch auf die Frage der Freigabe von Mitteln durch die Besatzungsmächte für die Erstellung solchen Wohnraums. Ein Unterausschuß des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat sich mit Mitgliedern des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen über diese Angelegenheit beraten. Wir waren der Ansicht, daß es sich bei der Freigabe von Mitteln durch die Alliierten im Grunde doch nur wieder um Mittel handeln könnte, die letzten Endes direkt oder indirekt deutsche Mittel wären, es sei denn, daß man an die Mittel aus ERP und GARIOA denkt, über die sich die Besatzungsmächte die Verfügung selbst vorbehalten haben. Der Ausschuß ist jedoch der Ansicht, daß man in die Verfügung hierüber nicht hineinreden sollte und daß andere Aufgaben dann vielleicht vordringlicher wären.
Wohl aber ist zu sagen, daß für das neue Haushaltsjahr ein Betrag von etwas über 400 Millionen DM für bauliche Aufwendungen von den Besatzungsmächten angefordert sind und daß ein wohl erheblicher Teilbetrag dieser 400 Millionen DM auch für Wohnungsbauten abgezweigt wird. Es liegt hier also bereits eine Initiative der Besatzungsmächte vor, und es ist nur zu fragen, ob wir auch von deutscher Seite hier noch eine besondere Initiative entfalten sollten. Wenn man abwägt, was dafür und dagegen spricht, so spricht dagegen die Tatsache, daß der Bauaufwand für eine Wohneinheit bei den Besatzungsmächten mehrfach höher ist als der Bauaufwand für eine deutsche Wohnung. Umgekehrt ist freilich auch zu sagen, daß da und dort ganze Häuser freigegeben würden, in die auch wieder mehrere Familien eingesiedelt werden könnten. Es ist aber bemerkt worden, daß dort, wo Neubauten für die Besatzungsmächte erstellt worden sind, diese Neubauten häufig gar nicht bezogen werden und daß dadurch gar kein deutscher Wohnraum frei wird. Hinzu kommt noch die ganze verwickelte Regelung über die Möbel. Denn diese neuen Wohnungen
müssen auch ausgestattet werden, für die alten Möbel müssen die Eigentümer entschädigt werden usw.
Häufig sind auch zwischen örtlichen Besatzungsdienststellen und örtlichen Verwaltungsstellen, Ländern, Kreisen und Gemeinden Vereinbarungen über die Errichtung von neuem Wohnraum für die Besatzungsmächte getroffen worden. Ich möchte glauben, daß der Bund wohl nicht ohne weiteres die Kosten hierfür übernehmen könnte, wenn diese Kosten sich nicht im Rahmen der eben erwähnten 400 Millionen DM hielten.
Der ganze Stoff ist aber weit verzweigt und schwierig, und der Ausschuß möchte Ihnen daher vorschlagen, die Anträge Drucksachen Nr. 120 und Nr. 148 der Bundesregierung mit dem Ersuchen zu überweisen, im Benehmen mit dem Bundesrat Vorschläge für den Haushalt 1950 auszuarbeiten.
Der Antrag Drucksache Nr. 201 bezieht sich auf die Beschlagnahme von Sachgütern und deren Freigabe. Hiermit berühren wir eines der empfindlichsten Gebiete des ganzen Besatzungswesens; denn diese Beschlagnahmen greifen unmittelbar in die private und persönliche Habe ein. Da es sich um Hunderttausende von Betroffenen handelt, hat diese Frage auch ein gewisses politisches Gewicht. Im Interesse des guten Einvernehmens zwischen Besatzungsmächten und deutscher Bevölkerung möchte der Ausschuß für das Besatzungsstatut empfehlen, Maßnahmen zu ergreifen, die dahin gehen, daß hier Überprüfungen stattfinden können, und zwar unter Hinzuziehung deutscher Behörden; in einer Besatzungszone hat sich das bereits bestens bewährt. Dabei könnte dann festgestellt werden, welche Sachgüter, insbesondere Grundstücke und Wohnungen, nicht mehr benötigt werden und welche Beschlagnahmen die bestehenden Normen überschreiten. 0 Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn die Bundesregierung vollends dafür Sorge trüge, daß einwandfreie statistische Unterlagen geschaffen und dem Hause vorgelegt würden, Unterlagen, aus denen hervorgeht, was an Grundstücken und Wohnungen tatsächlich noch beschlagnahmt ist.
Der Ausschuß ist ferner der Ansicht, daß das gesamte Vergütungs- und Entschädigungsrecht bezüglich der Besatzungsleistungen und der Besatzungsschäden nunmehr einheitlich geordnet und durch ein deutsches Gesetz geregelt werden sollte. Wegen der Einzelheiten auf diesem weit verzweigten Gebiet darf ich auch auf den schriftlichen Bericht Bezug nehmen.
Die Anträge, die der Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu stellen hat, sind in der Drucksache Nr. 962 zusammengefaßt. Ich glaube, daß es nicht nötig ist, sie im einzelnen vorzulesen. Die Annahme der Anträge darf ich dem Hohen Hause empfehlen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat nunmehr zur Berichterstattung über Drucksache Nr. 997 der Herr Abgeordnete Erler.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich bei meinem Bericht außerordentlich kurz fassen. Der Antrag der Freien Demokratischen Partei — Drucksache Nr. 667 — greift denselben Tatbestand auf, den wir soeben bei dem mündlichen Bericht Drucksache Nr. 962 behandelt haben. Die Freie Demokratische Partei wünscht in ihrem Antrag, die Bundesregierung möge sich dafür ein-
setzen, gemischte Organe unter deutscher Beteiligung zu schaffen, die sich mit allen Fragen der Abgeltung von Besatzungsleistungen oder Besatzungsschäden zu befassen haben, und zwar ausdrücklich mit dem Ziel, die Rechtsunsicherheit und Rechtsungleichheit in den verschiedenen Besatzungszonen zu beseitigen und die geltend gemachten Ansprüche für das ganze Bundesgebiet nach einheitlichen Rechtsgrundsätzen zu regeln.
Es ist der gleiche Fragenkomplex, der soeben von dem Herrn Berichterstatter Dr. Pfleiderer in seinem ausführlichen Bericht behandelt worden ist. Der Haushaltsausschuß hat sich mit dem Antrag der FDP befaßt. Er ist zu dem Ergebnis gekommen, daß es eines besonderen Beschlusses zu diesem Antrage nach dem Bericht Drucksache Nr. 962 nicht mehr bedarf. Ich möchte Sie darauf aufmerksam machen, daß der Herr Berichterstatter Dr. Pfleiderer sich ausdrücklich auf die Ihnen vorliegende Drucksache Nr. 789 bezogen hat. Gestatten Sie mir, hieraus einen kleinen Absatz zu verlesen, damit Sie sehen, daß tatsächlich materiell der Inhalt dieses Antrages in dem Vorbringen des Auswärtigen Ausschusses verarbeitet worden ist. Es heißt dort:
Der Ausschuß glaubt, daß mit dem Übergang der Zuständigkeit auf den Bund, 5 Jahre, nachdem die Kanonen verstummt sind, der Zeitpunkt gekommen ist, um auch die Frage der Besatzungslasten in wechselseitiger Übereinstimmung oder doch in wechselseitiger Abstimmung zu ordnen. Dies könnte sich zunächst auf die haushaltsrechtliche und buchungstechnische Seite beziehen, dann aber auch, wie bei den einzelnen Leistungsarten angeregt, auf die Mitwirkung deutscher Behörden bei der Vereinheitlichung und materiellen Gestaltung der Leistungen selbst. Schließlich sollte es möglich sein, deutsche Gesetze über die Abgeltung der Besatzungsleistungen und die Entschädigung für Besatzungsschäden zu erlassen.
Im nächsten Absatz ist dann noch die Rede davon, daß es darauf ankommt, dieses Rechtsgebiet bundeseinheitlich zu gestalten.
Dieser Gedanke ist in einer Zone bereits weitgehend verwirklicht worden. In einigen Ländern der französischen Zone gibt es schon derartige gemischte Körperschaften alliierter und deutscher Persönlichkeiten. Wie der Auswärtige Ausschuß angeregt hat, soll die Regierung sich nunmehr bemühen, nach ähnlichen Grundsätzen das Besatzungsrecht, das Recht der Besatzungsschäden und der Abgeltung dieser Schäden künftig im Zusammenwirken der alliierten mit den deutschen Stellen zu gestalten.
Der Haushaltsausschuß schlägt Ihnen daher vor, den Antrag Drucksache Nr. 667 durch den Mündlichen Bericht, den Sie vorhin gehört haben, als erledigt zu erklären. Ich darf Ihnen noch im Auftrag des Haushaltsausschusses mitteilen, daß sich die Vertreter der antragstellenden Partei im Ausschuß mit dieser Regelung einverstanden erklärt haben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter. Wir kommen zur Aussprache. Der Ältestenrat hat eine Gesamtredezeit von 120 Minuten für diesen Gegenstand vorgesehen. -Ich nehme die Zustimmung des Hauses hierzu an.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Seelos.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, wir müssen zunächst dem Herrn Berichterstatter ein Wort des
Dankes für die ausgezeichnete Arbeit über die Besatzungslasten sagen, die er zusammengestellt hat.
Eine solche Diskussion ist hier im Hause schon längst fällig; denn es handelt sich um ein Zentralproblem des deutschen Volkes, wenn man bedenkt, daß die halben unmittelbaren Bundeseinnahmen für Besatzungslasten wegfallen. 4 1/2 Milliarden DM! Das ist ein Posten, der schon wert ist, daß man sich etwas damit befaßt. Er ist jedenfalls so hoch, daß er ein Vielfaches der Einnahmen aus dem Marshallplan ausmacht.
Selbst die höchsten Zahlungen nach dem ersten Weltkrieg einschließlich Reparationen und Leistungen für die Besatzungsmacht haben 2,2 Milliarden nie überstiegen, so daß also die jetzigen Zahlen in der verkleinerten westdeutschen Republik das Doppelte ausmachen. Diese Zahlen muß man sich vergegenwärtigen, damit man das ganze Problem sine ira et studio betrachtet.
Man hält uns von alliierter Seite hauptsächlich immer zwei Argumente entgegen, zum einen, daß wir keine Militärlasten haben, und zum andern, daß doch große Teile dieser Besatzungskosten wieder an deutsche Angestellte, an deutsche Gewerbetreibende usw. zurückfließen. Die Gegenargumente zu dem ersten Einwand stehen schon in dem Bericht von Herrn Pfleiderer.
Was wir an Sonderbelastungen haben, das sind die 4 Millionen Toten und ihre Hinterbliebenen, die Witwen und Waisen, deren Versorgung uns ungeheure Kosten verursacht; das sind die 1 Million Vermißter — deren Angehörige auch versorgt werden müssen —, die noch immer in Rußland stecken, teilweise deshalb, weil die Armeen, als sie von den westlichen Mächten gefangengenommen worden sind, nicht aufgenommen, sondern gezwungen worden sind, sich in russische Gefangenschaft zu begeben. Es ist ferner der Faktor der 8 Millionen Heimatvertriebenen; ich brauche kein Wort darüber zu sagen. Es sind unsere zerstörten Großstädte, diese Kriegslast; es ist die Demontage, und es ist schließlich die Finanzierung der unmöglichen besatzungsmäßigen Konstruktion von Berlin, die uns 1 Milliarde im Jahr kostet, und letztlich die Halbierung Deutschlands, die zusammen mit der Notwendigkeit der Neuorganisierung der Industrie unsere ganze Wirtschaft zusätzlich belastet.
Wenn man diese Faktoren zusammenzählt, dann ergibt sich, glaube ich, daß wir wohl mehr als die 30 % leisten, die in US oder England für Aufrüstung gezahlt werden müssen. Wir nehmen das als eine Folge des Krieges hin, aber wir können nicht sagen: Wir müßten darüber hinaus nochmals 30 % aus unserem Etat für Militärlasten zur Verfügung stellen. Das ist angesichts dieser Situation und dieser Faktoren einfach eine Unmöglichkeit.
Das zweite Argument ist, daß doch sehr viel an die deutsche Wirtschaft zurückfließt. Nun, bei dem geringen Sozialprodukt, über das wir verfügen, muß es nach wie vor uns Deutschen überlassen bleiben, wie wir dieses Sozialprodukt verteilen wollen, und es geht nicht an, daß ein großer Faktor, also etwa 400 000 oder 500 000 Leute zu viel besseren Bedingungen versorgt und bezahlt werden als der Rest des Volkes. Sonst geht das aus seinem Sozialprodukt, und ferner
würde auch eine gewisse Animosität gegen diejenigen entstehen, die bei der Besatzungsmacht arbeiten. Wir haben nichts dagegen, daß jemand bei der Besatzungsmacht arbeitet. Das ist eine selbstverständliche Folge der Besetzung. Aber man darf nicht eine Animosität dadurch schaffen, daß man diesen Personen einen erhöhten Anteil aus unserem furchtbar kleinen Sozialprodukt zuweist.
Ich will noch insbesondere auf die Lasten in der Wohnraumfrage eingehen. Hier ist eine scharfe Kritik der Regierungsmaßnahmen am Platze. Aus den Debatten in diesem Hause — die Bayernpartei hat ihre ersten Anträge schon im Oktober vorigen Jahres gestellt - mußte es der Regierung ganz klar sein, daß die Frage hier zur Diskussion kommen würde und man Material schaffen müsse. Statt dessen sehen Sie aus dem Bericht des Berichterstatters, der doch über die Quellen der Regierung verfügt und das nicht selbst machen kann, daß fünf Jahre nach dem Krieg völlig ungenügende Schätzungsangaben über den Wohnraum zur Verfügung stehen. Bei Bayern steht darin: 50 000 Wohnräume, geschätzt. Ich kann dazu sagen: Bereits vor vier Monaten habe ich von der bayerischen Regierung die Zahl bekommen: 123 000 Wohnräume. Das sind also Differenzen, die doch ein völlig anderes Bild ergeben. Es sind also nicht bloß insgesamt 293 000 Wohnräume, sondern — wenn in dem Bericht auf Grund der Regierungsangaben noch mehr solche Irrtümer enthalten sind — über 400 000 besetzt.
Wir müssen auf diesem Gebiete schon rein aus psychologischen Gründen zu einer Zusammenarbeit mit der Besatzungsmacht kommen. Wir müssen zu dem System der gemischten Kommissionen kommen, wie wir sie im Rheinland von 1919 an hatten. Dann, davon bin ich überzeugt, kann man ohne weiteres 100 000 Wohnräume einsparen. Das bedeutet für uns etwas! Das sind 400 Millionen DM, die wir an Wohnraumgeldern ersparen, und wir haben diese Wohnräume sofort zur Verfügung.
Die Regierung muß also endlich diese Angaben beibringen. Dann kann man sich in Ruhe mit der Besatzungsmacht auseinandersetzen. Man müßte auch diese Unterlagen darnach staffeln, wieviel alleinstehende Personen in untergeordneter Stellung bei der Besatzungsmacht ganze Häuser mit 10 und mehr Wohnräumen oder mit 5 bis 10 Wohnräumen haben. Dies alles muß man statistisch sorgfältig erfassen. Ich bin überzeugt, daß man z. B. in Amerika einer tiefen Verärgerung Ausdruck geben würde, wenn bekanntwürde, wie weitgehend die Besatzung dieses Wohnrecht oft noch ausübt. Gerade von ziviler amerikanischer Seite würden wir jede Unterstützung finden. Es ist nun einmal so, daß jede Armee, gleichgültig welcher Nation, das, was sie einmal hat, behält, wenn nicht ein gewisser Druck von ziviler Seite ausgeübt wird. Ich weiß -aus Aussprachen mit amerikanischen Beamten, daß sie jederzeit bereit sind, uns zu helfen, wenn wir nur die nötigen hieb- und stichfesten Angaben bringen. Die haben wir noch nicht gebracht; also haben wir noch kein Recht, der Besatzungsmacht Vorwürfe zu machen. Wenn wir mit klaren Unterlagen an sie herantreten, dann werden wir bestimmt Abhilfe finden, davon bin ich überzeugt.
Aber an der Regierung ist es, nach acht Monaten endlich etwas zu tun. Es ist doch ein psychologischer Faktor. Herr Müller oder Herr Schulze
versteht nicht, was die unendliche Leistung Amerikas aus dem Marshallplan mit 350 Millionen Dollar bedeutet. Aber wenn er an einem Hause vorbeigeht, wo ein einzelstehender Mann zehn Zimmer und mehr hat, das weiß er und darüber ärgert er sich jeden Tag. Deshalb muß man im Interesse der Besatzungsmacht ebensosehr wie in unserem Interesse diese psychologischen Hemmungen beseitigen; denn wir müssen doch allmählich — fünf Jahre nach dem Kriege! — davon abkommen, daß wir die Besatzung etwa noch als Strafbesatzung betrachten. Nein, das soll eine Garantiebesatzung sein,
eine Garantiebesatzung, die wir brauchen, eine
Garantiebesatzung gegen jede russische Aggression.
Wenn wir die „Besatzung" in diesem Sinne auffassen,
— jetzt halten Sie einmal den Mund! —, dann
können wir ohne weiteres auch in den Häusern
zusammenleben, dann können auch in den Zügen,
die oft so schlecht besetzt sind, die Besatzungsangehörigen zusammen mit den Deutschen fahren. Das alles muß jetzt fünf Jahre nach dem
Kriege doch eine Selbstverständlichkeit werde.
Ich richte deshalb an die Regierung die Aufforderung, diese Unterlagen schnellstens zu schaffen, damit wir hier die Erleichterungen, die jetzt fünf Jahre nach dem Kriege am Platze sind, baldmöglichst erhalten.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Thiele.
Meine Herren und Damen! Die kommunistische Fraktion hat bei der Eröffnung des Bundestags mit Drucksache Nr. 8 zur Frage der Besatzungskosten einen entscheidenden Antrag eingereicht, und zwar den Antrag, die Bundesregierung zu beauftragen, bei den Hohen Kommissaren dahingehend vorstellig zu werden, daß sie künftig nur noch 50 % der in den Ländern erhobenen Besatzungskosten zahlen kann. Dieser Antrag hat achteinhalb Monate im Ausschuß gelegen und wird jetzt in der vorliegenden Drucksache Nr. 962 unter Ziffer 2 für erledigt erklärt.
Ich frage Sie: was ist von diesem Antrag erledigt?
Sind etwa die Besatzungskosten gesenkt worden?
Diese Ziffer 2 verbunden mit Ziffer 4 veranlaßt uns, diesem Bericht die Zustimmung zu verweigern, weil er völlig unzureichend ist und die entscheidende Frage unseres Antrags außer acht läßt.
Die Punkte unter Ziffer 1 stellen allerdings eine gewisse Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand dar, sofern sie tatsächlich durchgesetzt und auch ernsthaft in Angriff genommen werden. Weil wir uns deshalb nicht gegen die gesamte Vorlage aussprechen wollen, werden wir uns dabei der Stimme enthalten. Ich mache allerdings darauf aufmerksam, daß wir zu Ziffer 1 c einen Abänderungsantrag und den vollständigen Entwurf eines Entschädigungsgesetzes eingereicht haben. Ich möchte hier fragen: Was ist aus diesem Entschädigungsgesetz geworden?
Weiter haben wir jetzt dem Plenum den Abänderungsantrag eingereicht, die Regierung zu ersuchen, nicht nur dem Ausschuß für Besatzungsfragen - der so in etwa unter sich tagt —, sondern dem gesamten Bundestag und damit der Bevölkerung von dem Erfolg oder von dem Mißerfolg ihrer Bemühungen Bericht zu geben.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf einen weiteren Antrag aufmerksam machen, der dem Präsidium bereits vorliegt. Es handelt sich um den Antrag, den wir Ihnen unter Drucksache Nr. 8 vorgelegt haben. Dieser Antrag geht dahin, die Bundesregierung zu beauftragen, den Hohen Kommissaren der Besatzungsmächte mitzuteilen, daß sie nicht mehr in der Lage und nicht mehr gewillt ist, mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Besatzungskosten für das letzte Rechnungsjahr zur Verfügung zu stellen. Nun, meine Herren und Damen, möchte ich gerade Ihnen, da Sie soviel von Ihrer Freiheit reden und da Sie sich nach der gestrigen Debatte nicht als Untertanen fühlen
bitte sehr, Sie haben Gelegenheit, durch die Zustimmung zu diesem Antrag tatsächlich Ihr Nein gegenüber dem provozierenden Luxus der Besatzungsmächte zu sagen, der sich in den Besatzungskosten und in allen übrigen Anforderungen ausdrückt, die in einer ganzen Reihe von Berichten der Länderregierungen dargelegt sind. Ich möchte hier an die Worte des Herrn Dr. Seelos anknüpfen. Es gibt authentische Berichte. Ich erinnere Sie nur an den Bericht des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen, des Herrn Dr. Weitz. Aber was ist mit dieser Denkschrift geschehen? Sie mußte zurückgezogen werden.
Wie sehr die Besatzungskosten systematisch die Finanzen des westdeutschen Separatstaates ruinieren, beweist die Tatsache, daß die Regierung Adenauer — entsprechend ihrem reaktionären Charakter natürlich - sich nicht in der Lage sieht, die sozialen Verpflichtungen zu erfüllen. Wir haben es heute sehr deutlich von dem Finanzminister gehört. Wer aber ehrlich für die Erfüllung dieser sozialen Verpflichtungen ist, für die Erhöhung der Renten für die Kriegsopfer und ihre Hinterbliebenen, für den sozialen Wohnungsbau, für die Hilfe für die Jugend, die Kriegssachgeschädigten, die Umsiedler usw. usw., der muß auch dafür eintreten, daß die ungeheuerlichen Besatzungslasten entfallen. Wer aber die Besatzungsmächte als Schutz gegen die berechtigten Forderungen des Volkes halten will, wer sie als eine Garantiemacht betrachtet, wie das Dr. Adenauer für mindestens 45 Jahre für sich und seine Millionärsregierung und deren Hintermänner gefordert hat,
muß natürlich auch ja zu den Besatzungskosten sagen.
Diese volksfeindliche Regierung braucht natürlich die Besatzungsmächte als Garantiemacht.
Diese volksfeindliche Regierung braucht die Besatzungsmächte als Garantiemacht gegen alle Tendenzen der Überführung der Grundstoffindustrien
in die Hände des Volkes, gegen die Durchführung einer wirklichen Mitbestimmung der Arbeiterschaft, als Sicherung gegen die Durchführung einer wirklichen Mitbestimmung der Arbeiterschaft, als Sicherung gegen die Durchführung einer demokratischen Bodenreform und einer Justizreform und gegen die Durchführung einer mit allen Privilegien brechenden Schulreform. Die SPD-Fraktion, die aus ihrer antikommunistischen Konzeption selbstverständlich die Besatzungsmächte ebenfalls als Garantiewall gegen die Kommunisten gebraucht, wird sich darüber klar werden müssen, daß sie dann selbstverständlich auch den Besatzungskosten zustimmen muß. Wer den Antikommunismus zu seinem entscheidenden Programmpunkt gemacht hat, gerät natürlich automatisch auf die gleiche Linie wie die Adenauer- und Blücher-Regierung, ist automatisch Vollstrecker der amerikanischen Monopolisten und der Kriegstreiber.
Und nun gestatten Sie mir noch, den sehr vorsichtigen Bemerkungen des Berichterstatters einige Zahlen hinzuzufügen.
Südbaden hat von seinem Gesamtaufkommen an Steuern 47 % für Besatzungskosten zu zahlen, Nordrhein-Westfalen 41 %. Der Bund hat 52% zu zahlen. Bei einer geschätzten Einnahme von 8,7 Milliarden sind das nach den neuesten Eröffnungen des Herrn Finanzministers Schäffer 4 Milliarden 555 Millionen. Dabei ist gar nicht berücksichtigt, was der Berichterstatter so vorsichtig angetippt hat, was ich aber ganz offen sagen möchte: die Entnahmen aus der Produktion, die Beschlagnahme unserer Patente, der Raub unseres Goldes und die Kontrolle unserer gesamten Industrie nach dem neuen Gesetz 24.
— Ich möchte Ihren Zwischenrufen zuvorkommen und dem die großzügige Haltung der Sowjetunion gegenüberstellen.
— Sie mögen lachen!
Meine Damen und Herren! Wir haben eine genau eingeteilte Redezeit. Deren Einhaltung setzt aber auch wirklich voraus, daß sie nicht durch Unterbrechungen von langer Dauer unmöglich gemacht wird. Ich bitte also, die Rednerin nicht zu unterbrechen, sondern fortfahren zu lassen.
Das ist eine Frage des Taktes, wie es gestern bereits hier dargelegt worden ist!
Ich habe aber auch darüber noch einige Informationen. Sie tun sich, dem deutschen Volk und der westdeutschen Bevölkerung durch die Bagatellisierung dieser Dinge gar keinen Gefallen.
Ich möchte Ihnen jetzt einige Zahlen dazu nennen. Für die Deutsche Demokratische Republik
verbleibt jetzt eine Reparationslast von 3 Milliarden 171 Millionen Dollar. Diese Reparationslast ist innerhalb von 15 Jahren zu bezahlen und bedeutet, daß an Gesamtreparationen jährlich 200 Millionen Dollar, das sind 30 Mark je Einwohner, gezahlt werden. Berücksichtigen Sie dabei, daß die Besatzungskosten 8 °/0 der Ausgaben der Länder betragen,
und berücksichtigen Sie dabei weiter die Rückgabe der SAG-Betriebe.
Stellen Sie dem 52 % des gesamten Steueraufkommens hier im Westen gegenüber. Das bedeutet, daß jeder Einwohner Westdeutschlands, Mann, Greis oder Kind, 95 Mark jährlich bezahlen muß.
Ich habe leider, obwohl ich das etwas anzweifle und glaube, daß Sie, Herr Präsident, die Zwischenrufe dabei nicht genau berücksichtigt haben, nur noch eine Minute Zeit. Ich kann Ihnen eine ganze Reihe von Zahlen daher nicht nennen und möchte in diesem Zusammenhang nur noch eins sagen. Dr. Besold wies darauf hin, daß Sie nicht interessiert sind, die Wiederaufrüstung zu bezahlen. Aber Sie zahlen ja schon längst für die Wiederaufrüstung:
20 bis 25 Millionen für den Ausbau des Flughafens in München und 10 Millionen für den Ausbau des Flughafens in Frankfurt. Ich frage die Regierung: Was ist mit den illegalen Sonderkonten neben den Besatzungskosten, die der Regierung Adenauer bekannt sind? Nebenbei: Uns sind auch eine ganze Reihe von Informationen darüber zugegangen. Wir fordern Aufklärung der Bevölkerung darüber, daß heute schon die Remilitarisierung und Wiederaufrüstung Westdeutschlands aus ihren Steuergroschen bezahlt wird, und ich protestiere gerade als Mutter und im Namen der Mütter
entschieden dagegen, daß wir in Westdeutschland heute schon wieder mit unseren Steuergroschen den Krieg vorbereiten.
Ich möchte Ihnen zum Schluß unsere Stellung zu den Besatzungskosten sagen. Wir treten heute und zu jeder Stunde für eine entschiedene, tragbare Senkung der Besatzungskosten ein.
Unabhängig davon sind wir der Meinung, daß die Besatzungsmächte so schnell wie möglich verschwinden sollten,
damit der Weg frei wird zu einem unabhängigen, freien Deutschland, damit sich das deutsche Volk das eigene Haus nach seinen eigenen Bedürfnissen einrichten kann,
damit das deutsche Volk nicht wieder für den neuen Krieg herangezogen wird. Darum fordern wir den Abzug der Besatzungsmächte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wahl.
Meine Damen und Herren! Nach dem ausführlichen und wohlüberlegten Bericht des Herrn Kollegen Dr. Pfleiderer und den trefflichen Ausführungen des Herrn Dr. Seelos bleibt mir nicht mehr viel zu sagen.
Auch die Widerlegung der temperamentvollen Ausführungen meiner Vorrednerin kann ich mir versagen
nachdem die Zurufe des Hauses dessen Stellungnahme bereits geklärt haben.
In diesen Tagen ist von höchster alliierter Seite dem Sinn nach geäußert worden, daß sich im Charakter der Anwesenheit alliierter Truppen in Deutschland ein Wandel vollziehe,
indem es sich nicht mehr bloß um die Besetzung
des besiegten Deutschlands, sondern um Militärmissionen in einem Verteidigungssystem handle,
das den ganzen Westen schütze und auch Deutschland einschließe.
Aber diese Frage ist im Bericht des auswärtigen Ausschusses bisher kaum gestreift, zumal erst die Entwicklung der allerletzten Wochen diesen Gesichtspunkt in den Vordergrund gerückt hat. Ich möchte deshalb dem Fluß der Entwicklung nicht vorgreifen und diesen Punkt aus der heutigen Debatte ausschließen.
Aber wenn wir die Verpflichtung, zu den finanziellen Lasten der Besatzung beizutragen, nicht bestreiten, was soll dann die Bemühung des Aus-. schusses?
Was sollen die vielen Anträge?
Dazu ist nun folgendes zu sagen. Die deutsche Notlage, insbesondere auf sozialem Gebiet, zwingt uns eben einfach immer wieder, diese Frage in den Vordergrund zu rücken.
Als Jurist darf ich auf eines hinweisen. In der Konkursordnung
haben die Ansprüche der Arbeitnehmer, also die Lohnforderungen, bei deren Erfüllung es sich um das nackte Leben der Menschen handelt, den Vorrang vor den Steuern.
Es ist also so, daß die Besatzungskosten eben auch im Verhältnis zu den ungeheuren sozialen Lasten stehen müssen, die wir unter den gegebenen Verhältnissen angemessen zu berücksichtigen außerstande sind. 40 % der gesamten Bundeseinnahmen für Besatzungskosten sind eben schlechterdings zu hoch. Die Notlage unseres Staates, der vielen das vorenthalten muß, worauf sie von Rechts wegen Anspruch haben, zwingt dazu, daß auch die Besatzungsmächte die Frage der Besatzungskosten einer erneuten Prüfung unterziehen. In diesem Sinne stimme ich namens meiner Parteifreunde dem Bericht des außenpolitischen Ausschusses selbstverständlich zu.
Über die besondere Angelegenheit des Wohnungsbedarfs will sich mein Parteifreund Kemper äußern.
Das Wort hat der
Herr Abgeordnete Euler.
Meine Damen und Herren! Man kann keinen größeren Fehler begehen als den, die Frage der Besatzungskosten zu bagatellisieren. Ein Ausgabeposten, der im letzten Jahr 4,5 Milliarden betrug und nach dem Voranschlag für das Jahr 1950/51 noch 4,1 Milliarden betragen soll und damit 5 % der Bundeseinnahmen und 25 % aller Einnahmen des Bundes und der Länder in Anspruch nimmt, kann schlechterdings nicht bagatellisiert werden. Man verschafft der kommunistischen Propaganda eine gewisse Chance, wenn man den Eindruck erweckt, als wenn über diese Dinge hinweggegangen werden dürfte. Andererseits ist, um den ferngelenkten Lautsprechern, die als „Kommunistische Partei" bezeichnet werden, entgegenzutreten,
allerdings zu sagen, daß in der Ostzone über die Besatzungskosten, meine sehr geehrten Damen und Herren, über die Zwangslieferungen nicht nur der sowjetischen Aktiengesellschaften, sondern auch der volkseigenen Betriebe,
über die Entnahmen aus dem von den Russen gesteuerten Exportsystem nicht weniger als 40 % des gesamten Sozialprodukts der deutschen Bevölkerung in dem, was sich da Deutsche Demokratische Republik nennt, entzogen werden, während die entsprechende Zahl für den Westen bei einem Sozialprodukt von 80 bis 90 Milliarden in der Bundesrepublik nur bei 5% liegt.
Dieses Verhältnis von 8 zu 1 spiegelt sich immerhin sehr interessant in dem Wechselkurs wider, der zwischen Ostmark und D-Mark besteht, einem Wechselkurs, der ja von niemandem befohlen wird, sondern der sich auf dem freien Markt in Berlin nur deshalb bilden kann,
weil die westdeutschen Preise zu den freien Preisen in den HO-Läden und am Schwarzen Markt in der Ostzone im Verhältnis von 1 zu 7 stehen.
— Ihnen ist ja besser bekannt als uns, daß, wenn man in der Ostzone in einem HO-Laden ein Paar Schuhe kaufen will, man dafür 160 bis 180 Mark ausgeben muß. Für ein Pfund Butter zahlt man etwa 20 Mark und für ein Pfund Fleisch 18 Mark. Jedenfalls ist das in Thüringen der Fall, und es wird in den HO-Läden der anderen Ostzonenländer ebenfalls so sein.
Das Sozialprodukt der Ostzone ist natürlich in einem außerordentlichen Maße gemindert durch all die schauerlichen Rezepte der Wirtschaftsführung, wie sie in der Ostzone praktiziert worden sind und wie sie ja auch hier angewendet würden,
wenn Deutschland oder größere Teile Europas dem tragischen Schicksal einer Ausbreitung des kommunistischen Systems anheimfallen würden.
Ganz abgesehen von dieser geschilderten Minderung des Sozialprodukts ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, eben die ungeheure Ausbeutung, die systematisch betriebene Ausplünderung der Ostzone durch die Sowjetregierung,
die zur Folge hat, daß die Belastung durch die Besatzungsmacht drüben eben eine unverhältnismäßig viel höhere ist als hier. Das nur zur Klarstellung der Gesamtsicht des Problems.
Ich hatte eingangs erwähnt: kein Versuch der Bagatellisierung demgegenüber! Es darf nur ein nachhaltiges Bemühen geben, bei den Westalliierten immer wieder auf Sparsamkeit hinzuwirken, um endlich zu erreichen, daß das einseitige Oktroyieren der Besatzungskosten aufhört. Es muß ersetzt werden durch eine gegenseitige Abstimmung, eine zweiseitige Verabredung.
Erfreulicherweise werden seit Monaten Verhandlungen zwischen Spezialisten der Hohen Kommission und Vertretern des Finanzministeriums geführt. Aber diese Verhandlungen erstreckten sich bisher ausschließlich auf formelle Fragen von nicht entscheidender Bedeutung, so wichtig es auch ist, daß endlich einmal wenigstens formell Ordnung in die Behandlung dieser Dinge einzieht. Es müssen darüber hinaus Grundsätze über die Handhabung der wichtigsten Posten vereinbart werden mit dem Ziele einer entschiedenen Minderung der Besatzungskosten. Das ist nachgerade unvermeidlich und sollte von den Besatzungsmächten nicht länger verzögert werden, nachdem in den Anschauungen über den Zweck der Besatzung ein tiefgreifender Wandel eingetreten ist. Der Zweck der Besatzung war der Schutz der Besatzungsmächte gegen den besiegten Feind, gegen untergrundige Bestrebungen auf Wiederheraufführung der Diktatur. In diesem Zusammenhang sollte immerhin daran erinnert werden: es hat bei uns keine Untergrundbewegung gegeben, kein Maquis, keine Anschläge, keine Attentate,
und es hätte überhaupt keine Renazifizierung gegeben, wenn nicht durch eine völlig falsch angelegte Denazifizierung und durch eine Besatzungspolitik, die auch vom Westen her ursprünglich im Zeichen des Morgenthau-Planes stand, dieser künstlichen Renazifizierung in gewissem Maße der Weg geebnet worden wäre.
Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, inzwischen haben die Besatzungsmächte ja längst erkannt,
daß ihre ursprüngliche Besatzungspolitik in Deutschland nichts anderes war als eine Politik der ständigen Einzahlungen in die kommunistischen Parteikassen,
eine Politik der ständigen Begünstigung der Absichten der kommunistischen Politik in Europa, und sie haben eine Änderung vorgenommen, von der man nur sagen kann: sie wird zu langsam durchgeführt,
und es wird zu wenig, zu spät gegeben! Jenes tragische Wort aus der Stresemann-Ära der Verständigungspolitik nach dem ersten Weltkrieg hat heute in vielen Schicksalsfragen allzu häufig erneut sein Gewicht: zu wenig und zu spät! Jeder, dem daran liegt, dem Osten die Chance zu nehmen, durch irgendwelche Aggressionen das Gebiet der Versklavung auszudehnen, und jeder, dem daran liegt, eine produktive Gemeinschaft der westlichen Völker auszubauen, die für die Ideale des Rechtes und der Freiheit empfänglich sind, eine produktive Zusammenarbeit weltumspannender Art, muß von deutscher Seite immer wieder darauf hinweisen, wie sehr gerade viele Maßnahmen der Besatzungsmächte in Deutschland heute noch geeignet sind, den gegenteiligen Effekt herbeizuführen. Das muß im Zusamenhang mit der Behandlung der Besatzungskosten immer wieder gesagt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir möchten nicht den Fehler begehen, die westlichen Besatzungsmächte ausgesprochen als Schutzmächte zu bezeichnen; denn wir glauben, daß es Deutschlands nicht würdig ist, auf die Dauer in einer Art von Protektoratstatut zu verharren. Was wir erstreben, ist der Weg der Gleichberechtigung, der allerdings mit Erfolg nur begangen werden kann in dem Maße, wie der Westen vergewissert sein kann, daß eine Option für ein neues diktatorisches Versklavungssystem für uns Deutsche nicht mehr in Betracht kommen kann.
Wir stellen uns in den Rahmen der westlichen Welt, die des Schutzes bedarf gegen ein System der Menschenvernichtung, der Menschenversklavung,
und Deutschland kommt in dieser Welt eine becheidene, aber sehr wichtige Aufgabe zu.
- Diese Verleumdungen werden seit Monaten immer wieder erhoben. Auch nachdem ich sie hier berichtigt habe, werden sie immer wieder aufgenommen. Es sind Monomane, die immer dieselben Dinge wiederholen.
Unsere wichtige Aufgabe also ist es, dafür zu sorgen, daß die soziale Front in Deutschland und
die soziale Front in Europa nicht geschwächt wird. Unsere Schwäche, unsere Hilfsbedürftigkeit ist zum Teil, das muß in diesem Zusammenhange gesagt werden, durch eine falsch angelegte Politik auch der westlichen Besatzungsmächte in den Jahren seit 1944 verschärft worden. Die 1,8 Millionen gebombter Wohnungen, die 3,4 Millionen Kriegsbeschädigter und Hinterbliebener kommen auf das Konto der deutschen Diktatur. Aber es ist als Folge der Politik von Teheran und Potsdam die Belastung durch 71/2 Millionen Heimatvertriebene und 1 1/2 Millionen Flüchtlinge aus der Ostzone seit dem Jahre 1946 hinzugekommen. Das darf nicht verkannt werden, wenn wir unser dringendes Anliegen vortragen, nun den Weg der Gleichberechtigung durch eine weitere Station des Fortschritts zu markieren, nämlich die Station des gemeinsamen Verhandelns über die Besatzungskosten mit dem Ziele ihrer Senkung.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Dr. Brill.
Meine Damen und Herren! Es ist mir persönlich ein aufrichtiges Bedürfnis, mich dem Dank des Herrn Präsidenten an den Herrn Berichterstatter für den abgestatteten Bericht anzuschließen. Der vorgelegte Bericht ist — das sollte auch den Kritikern der parlamentarischen Demokratie gesagt werden — eine ausgezeichnete parlamentarische Leistung, die sich aus Sachverstand, genauer Verfolgung der alltäglichen Verhältnisse und politischem Urteil zusammensetzt.
Ich möchte diesen Dank auch auf die Mitarbeiter des Tübinger Instituts ausdehnen; denn ich bin der Auffassung, daß dieser Bericht, mag er noch so vortrefflich sein, doch nur einen Anfang der Arbeit darstellt, die der Bundestag zu dem Thema Besatzungskosten zu leisten haben wird.
Für diese Arbeit wird er der Beratung durch das Tübinger Institut nicht entbehren können.
Gestatten Sie, daß ich nun zu dem Bericht selbst einige Bemerkungen mache. Meine Freunde werden den Ausschußanträgen zustimmen. Obgleich es ein alter parlamentarischer Grundsatz ist, daß über Motive nicht abgestimmt wird, möchte ich Ihnen auch mitteilen, wie wir die Zustimmung, im einzelnen etwas über den Ausschußbericht hinausgehend, motivieren.
In Ziffer 1 a) wird eine feste Begrenzung der Besatzungskosten für ein Rechnungsjahr gefordert. Es ist nach unserem Dafürhalten notwendig, daß trotz der Gegeneinwände, die in bezug auf die Leistungen des Auslandes für den deutschen Wirtschafts- und Staatshaushalt gemacht worden sind, diese Begrenzung genau normiert wird. Wir würden deshalb wünschen, daß ein nicht überschreitbarer Betrag der fortdauernden ordentlichen Ausgaben des Haushaltsplans für Besatzungskosten zur Verfügung gestellt wird. Wir würden auch wünschen, daß dort nicht nur, wie im Antrag vorgesehen, der Ausschluß der Übertragbarkeit festgesetzt wird, sondern daß es künftighin auch unmöglich sein soll, seitens der Besatzungsmächte Nachforderungen zu erheben. Gerade diese Nachforderungen sind für den Besatzungshaushalt der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern in den letzten Jahren nahezu unerträglich gewesen. Sie widersprechen im übrigen den Grundsätzen einer gesunden Haushaltsführung und den Grundsätzen unseres Haushaltsrechts.
Zu den Ziffern 1 b) und 1 c), Uberprüfung der Besatzungslasten und der Leistungen und Nutzungen im einzelnen, ist es nach unserem Dafürhalten notwendig, das weiterzuentwickeln, was der Herr Berichterstatter bereits an Vorschriften des Besatzungsstatuts erwähnt hat. Gewiß, die Aufstellung des Besatzungshaushalts obliegt den einzelnen Zonenbefehlshabern, und der Rat der Hohen Kommission hat dann den Haushalt insgesamt festzusetzen und mit der Bundesregierung zu verhandeln. Aber ich glaube, meine Damen und Herren, das Schwergewicht bei der Entwicklung der ganzen Angelegenheit liegt beim Anbeginn, bei der lokalen Ermittlung. Deshalb würden wir es begrüßen — und ich glaube, da auch im Sinne des Herrn Abgeordneten Dr. Seelos zu sprechen —, wenn gemischte Gutachterkommissionen oder gemischte Feststellungsbehörden mit lokalem, bezirklichem Bereich eingesetzt würden, die bei dem Voranschlag für die Besatzungskosten Jahr für Jahr die Dinge im einzelnen nachprüfen. Die Nachprüfungen der Leistungen und Nutzungen würden daneben unabhängig zu erfolgen haben. Weiter würde dazu gehören, daß, sofern Streit zwischen deutschen und alliierten Behörden über festgesetzte Besatzungsleistungen entsteht, unabhängige Schiedsgerichte mit rechtlich bindender Kraft für beide Teile diesen Streit entscheiden und die Besatzungsbehörden insohin sich dieser neu zu errichtenden gemischten Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen. Nimmt man diese Dinge zusammen, so würde man nach unserem Dafürhalten nicht nur materielle Fortschritte im einzelnen, sondern auch eine Besserung der gesamten Situation erreichen.
Dazu gehört ferner eine Vereinheitlichung des Verkehrs zwischen den deutschen Besatzungsämtern und übergeordneten deutschen Behörden und den alliierten Behörden. Von einer solchen Einheit kann gegenwärtig leider ganz und gar nicht gesprochen werden. Zwar haben die amerikanischen Military Government Regulations sehr eingehende und manchmal etwas bürokratisch anmutende Vorschriften für die Durchführung dieses Verkehrs. Bei anderen Besatzungsmächten fehlt es aber etwas an dem, was wir Deutschen unter finanzieller Korrektheit verstehen. Ich glaube, es sollte vom Bundesfinanzministerium bei den neuen Verhandlungen über diese Materie ein gewisser Druck ausgeübt werden, um zu dieser Einheit des Verkehrs zu kommen, denn allein die Einheit der Verkehrsvorschriften garantiert auch einwandfreie Ergebnisse zur Beurteilung des Ganzen.
Bezüglich Ziffer 3, soweit sie sich auf den Antrag Drucksache Nr. 120 Abs. 2, Wohnungsbau, bezieht, teilen wir die Klagen, die hier von verschiedenen Seiten vorgebracht- worden sind. Es ist unerträglich, wenn immer noch einzelne Besatzungsangehörige ohne Familie oder mit sehr kleiner Familie ganze Häuser bewohnen. Aber es ist noch unerträglicher, meine Damen und Herren, wenn für die Besatzungsmacht in großem Stile teure Neubauten erstellt werden und dann die Besatzungsangehörigen sich weigern, in diese Neubauten zu ziehen, weil es ihnen in den einzelnen Häusern natürlich sehr viel besser gefällt. Deshalb sollten bei Vereinbarungen über Neubauten für Zwecke der Besatzungsmacht auch Vereinbarun-
gen darüber erfolgen, daß die jetzt besetzten Wohnungen Zug um Zug freigegeben und den deutschen Behörden zurückerstattet werden. Sonst erweckt der Neubau von Wohnungen in unserer Zeit noch viel mehr Unwillen, als die Besetzung der Altwohnungen das schon getan hat.
Ich benütze die Gelegenheit, an die Adresse der Besatzungsmächte zu bemerken, daß es im jetzigen Stadium nicht nur auf die materiellen Leistungen und die Änderungen, die nun eintreten sollen. sondern ebenso auf die Psychologie ankommt. Vieles, was in den Jahren 1945 und 1946 mit Gleichmut und Humor ertragen werden konnte, ist heute unerträglich geworden.
Wenn zu Weihnachten 1946 eine Besatzungsmacht die sofortige Lieferung von 600 Frisierkommoden zur Erhaltung der Kampfkraft der Armee forderte, dann haben wir das damals ausgehalten. Heute können wir solche Dinge nicht mehr ertragen.
Wenn damals mit einer ausländischen Großzügigkeit — ich möchte nicht in Einzelheiten eintreten —über wertvolle Möbel verfügt worden ist, sehen wir das Ergebnis dieser Großzügigkeit ja heute noch am Rande deutscher Städte in den großen Möbelfriedhöfen, die entstanden sind und die man höchstens noch verfeuern kann. Dann ist es heute unerträglich, wenn eine Dame der Besatzungsmacht auf den Gedanken kommt, in einer alten Wohnung wertvolle Tapeten herausreißen zu lassen, weil sie sich geschmacklose moderne wünscht, oder Möbel mit antikem Wert heraussetzen zu lassen, weil sie sich zusammensetzbare Möbel
wünscht und so fort.
Diese Psychologie sollte heute auf der Seite der Besatzungsmächte verstanden werden, und es sollte deshalb auch verstanden werden, daß bei der Durchführung des Punktes lc Abs. 2, Schaffung eines deutschen Gesetzes über ein Vergütungs- und Entschädigungsrecht bezüglich der Besatzungsleistungen und der Besatzungsschäden — ich glaube, die Besatzungsschäden müssen im Vordergrund stehen —, nach wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten verfahren werden muß. Die Rückgabe von Arbeitersiedlungen am Rande von Großstädten, die für Einheiten beschlagnahmt worden sind, die eigentlich in Kasernen gehören, und die Erstattung der dadurch den Arbeitern und Angestellten entstandenen Schäden müßte im Vordergrund eines solchen Gesetzes über die Besatzungsleistungen und die Besatzungsschäden stehen.
Soviel zur Sache selbst. Und nun gestatten Sie mir noch eine Erklärung an die Adresse der Frau Abgeordneten Thiele. Wir haben im Ausschuß dafür gestimmt, daß der Antrag auf Drucksache Nr. 8 für erledigt erklärt werden soll, und wir werden diesem Beschluß auch hier beitreten. Wir halten diesen Beschluß für gerechtfertigt, solange uns nicht an Stelle einer Milchmädchenrechnung, über die Besatzungsleistungen des deutschen Volkes in der sowjetischen Besatzungszone ganz einwandfreie Zahlen darüber vorgelegt werden, was insbesondere die Arbeiter und Angestellten in der sowjetischen Besatzungszone nicht nur an Besatzungsleistungen, sondern auch Reparationsleistungen vollbracht haben.
Ich möchte deshalb die Gelegenheit benutzen, um die Bundesregierung zu ersuchen, recht bald den Ausschuß für Besatzungsstatut und für auswärtige Angelegenheiten mit entsprechenden Zahlen zu bedienen.
— Wir wissen zum Beispiel, Herr Renner, daß im Staatshaushaltsplan des Landes Thüringen für das Jahr 1946/47 und 1947/48 65 % aller Einnahmen für die Besatzungsmacht verwandt werden.
In keiner Besatzungszone ist mit einer solchen Brutalität die Eintreibung von Besatzungsleistungen und von Reparationsforderungen erfolgt wie in der sowjetischen Besatzungszone. In keiner Besatzungszone ist die Demontage so vollständig, so rückhaltlos und so listig durchgeführt worden wie in der sowjetischen Besatzungszone.
Während die Betriebsräte der Stiftungsfirma Zeiß noch in Karlshorst verhandelten, wurden die Maschinen in Jena bereits herausgerissen und die Arbeiter deportiert.
— Weil die Schäden durch den unendlichen Fleiß der Arbeiter und Angestellten beseitigt worden sind!
Allein die sowjetische Armee ernährt sich heute noch vollständig aus dem Lande; und die Abschaffung der Klassen oder die Herstellung der klassenlosen Gesellschaft ist innerhalb der sowjetischen Armee so betrieben worden,
daß fünf Ernährungsklassen gebildet worden sind, bei denen der arme Sowjetsoldat mit 3/4 Liter Suppe, etwas Tee und Brot abgefunden wird.
Was der Oberst bekommt, können Sie dem Hohen Hause nachher selber mitteilen!
Nirgends ist so wie in der sowjetischen Besatzungszone durch den Raub nicht nur von industriellen Betrieben, sondern auch von bebauten und unbebauten Grundstücken eine Festsetzung des Feindes im Lande erfolgt.
- Nein, ich meine beispielsweise die Porzellanmanufaktur Meißen.
— Es dürfte Ihnen ganz und gar entgangen sein, daß die Erzeugnisse von Meißen zur illegalen Finanzierung der KPD hier nach dem Westen verschoben worden sind. Wenn es Ihnen entgangen ist, will ich Ihnen eine Tatsache aus den letzten Wochen nennen. Der hessischen Gendarmerie gelang es vor mehreren Wochen, zwischen Lorch und Lorchhausen einen Lastkraftwagen mit Propagandamaterial für das Pfingsttreffen zu beschlagnahmen.
In diesem Lastkraftwagen befanden sich auch sechs Kisten mit bestem Meißner Porzellan, die dazu bestimmt waren, die KPD in Westdeutschland zu finanzieren.
Die Entnahmen aus der laufenden Produktion betragen im Durchschnitt 40 %. Das ist jedoch nur eine nominelle Angabe, denn in Wirklichkeit wird die Reparationswirtschaft ganz anders gemacht. So hat man den Textilproleten der früheren Firma Louis Hirsch in Gera gesagt: Schafft nicht 100 %, sondern 125 %, dann bleibt für euch auch noch etwas übrig. Die Arbeiter sind auch auf diesen Leim gegangen: sie haben 125 % geschafft. Das Ergebnis war, daß der sowjetische Kontrolloffizier 45 Vo des gelieferten Materials für untauglich erklärte, es aber ruhig einnahm. Welche Geschäfte sich auf den restlichen 45 °/o aufbauen, können Sie auch dem Hohen Hause selbst mitteilen. In echt russischer Weise ist diese ganze Wirtschaft auf der steuerlichen Seite dann mit der Massenkonsumsteuer auf den Schnaps finanziert worden.
Ich glaube, meine Damen und Herren, mich mit solchen Andeutungen hier begnügen zu sollen, und wiederhole das Ersuchen an die Bundesregierung, mit Hilfe unserer wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute dem Hohen Hause recht bald eine Denkschrift nicht nur über die Besatzungs-, sondern auch über die Reparationsleistungen vorzulegen.
Dann, meine Herren von der Kommunistischen Partei, werden wir über den Antrag Nr. 8 noch einmal sprechen können, und ich hoffe, wir werden Ihrem Antrag zustimmen, wenn Sie die Voraussetzung erfüllen, an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik die Forderung zu richten, daß nur die Reparationsleistungen, die aus dem arbeitenden Volk drüben herausgepreßt werden, um 75 % ermäßigt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Krause.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Bericht über die Besatzungslasten ist ein wertvolles geschichtliches Dokument, denn es öffnet der trizonalen Öffentlichkeit endlich einmal zusammenfassend die Augen über das, was zu diesen Dingen zu sagen ist. Wer weiß denn überhaupt, daß etwas mehr als die Hälfte der unmittelbaren Bundeseinnahmen. daß ein Viertel der Einnahmen von Bund und Ländern und etwas mehr als ein Fünftel der Einnahmen aus sämtlichen Gebietskörperschaften der Bundesrepublik einschließlich des Bundes selbst heute die Besatzungskosten ausmachen? Wir bedauern das, weil wir der Auffassung sind, daß dadurch zahlreiche soziale Aufgaben bis auf weiteres unberücksichtigt bleiben müssen.
Auf alle Fälle aber begrüßen wir diesen Bericht und wünschen wir, daß er in weitesten Kreisen des Bundesgebietes beim staatsbürgerlichen Unterricht in den höheren Klassen aller Schulen verwendet wird. Wir schließen uns auch dem Dank an, der hier schon von den verschiedensten Seiten ausgesprochen worden ist und sich an diejenigen Abgeordneten aller Fraktionen gerichtet hat, die dem Ausschuß für Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten angehören.
Wir wollen aber die Gelegenheit der heutigen Debatte nicht vorübergehen lassen, ohne einmal darauf hinzuweisen, daß es doch nach unserer Auffassung notwendig wäre, endlich einmal zur Vermeidung weiterer Unruhen und rechtlicher Unsicherheit die beschlagnahmten Grundstücke freizugeben; soweit das schon geschehen ist und neue bauliche Aufwendungen nötig sind, müßten diese Dinge auch mit Hilfe des Bundes oder der Alliierten finanziert werden können. Denn es hat sich ja inzwischen herumgesprochen, daß die in vielen Fällen das normale Maß überschreitende Abnutzung und die Beschädigungen der Wohnungen dazu geführt haben, daß für die Entschädigungen hohe Beträge erfordert werden. Allein in einer bestimmten Zone sollen das mehr als eine Viertel Milliarde Mark sein.
Ich darf auch von dieser Stelle aus an die Alliierten die Bitte richten, ihr Augenmerk ganz besonders auf die Städte und Dörfer zu richten, in denen nicht nur Angehörige der Besatzungsmächte, sondern -- ich denke jetzt an die Gegend von Lippstadt und Paderborn — noch Polen Häuser in ganzen Straßenzügen bewohnen. Ich denke da übrigens auch an Lippspringe, aber auch an Bayern, wo Tschechen noch in deutschen Privathäusern sitzen. Ich würde also wünschen, daß man sich auch einmal mit diesen Dingen beschäftigt und daß man seitens der Alliierten dazu beiträgt, daß hier eine Änderung eintritt. Denn man kann einfach kein Verständnis dafür haben, daß dieser Wohnraum noch fehlt, wo wir Millionen und aber Millionen Ausgebombter und Heimatvertriebener heute noch immer in menschenunwürdigsten „Wohnungen" wissen müssen.
Wir erblicken in diesen Dingen — in den Besatzungskosten, die wir aufbringen müssen — auch eine rein soziale Frage. Denn wir wissen, daß jede 5000 Mark ein Arbeitsplatz für einen Arbeiter. der eine Familie hat, und jede 10 000 Mark eine Wohnung für den Obdachlosen und seine Familie sind und Arbeit für jene bedeuten, welche die Wohnung bauen. Ich glaube, die Alliierten haben hinsichtlich der jede deutsche Leistungsfähigkeit trotz besten Willens übersteigenden Besatzungskosten unserem Volke mit seinen Millionenmassen Kriegs- und Nachkriegsopfer aller Gruppen gegenüber eine soziale Verpflichtung, wenn sie dazu beitragen wollen — und das müssen sie schon in ihrem ureigensten Interesse wollen —, den sozialen Frieden und hierdurch den Frieden in Europa mit wahren zu helfen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kemper.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde zu dem Bericht nur ein Wort der Anerkennung sagen können, wenn ich es nicht für wichtig hielte, auf einen Antrag hinzuweisen, der im Oktober von meinen Freunden und mir gestellt worden ist, und zwar wegen der Erstellung bundeseigener Wohnbauten für die Angehörigen der Besatzungsmächte. In der Zwischenzeit sind acht Monate verflossen, und die Frage ist genau so akut, wie sie damals war.
Nur ein paar Zahlen von drei Städten. In der Kreisstadt Wittlich in der französischen Zone im Bezirk Trier sind noch 100 Wohnungen von der Besatzung beschlagnahmt. In der Stadt Trier sind es noch 608 Wohnungen und 147 Einzelzimmer. In der Stadt Koblenz ist die Zahl noch größer; dort sind es über 1000 beschlagnahmte Wohnungen und 217 Einzelzimmer.
Wenn Sie den Bericht des Ausschusses durchsehen, werden Sie auf Seite 18 in der Statistik interessante Zahlen feststellen, daß nämlich bei uns in der französischen Zone die Zahlen wahrscheinlich — oder sicher — größer, also auch die Lasten größer sind als in anderen Gebieten.
Nun würde ich nichts sagen bei dem Vorschlag, der hier unter Punkt 4 gemacht worden ist, nämlich die Anträge Nr. 120 Ziffer 2 und Nr. 148 der Bundesregierung mit dem Ersuchen zu überweisen, im Benehmen mit dem Bundesrat Vorschläge für den Bundeshaushalt 1950/51 auszuarbeiten. Ich glaube aber, das wird zu lange dauern; denn nach dem, was mir in den letzten Tagen berichtet wurde — ich habe hier einen Bericht vorliegen verlangt die französische Besatzung in einem kleinen Ort noch weitere Wohnungen zu den bisherigen. Und gestern wurde mir berichtet, daß allem Anschein nach damit zu rechnen ist, daß die Garnisonen verstärkt werden. Da bleibt es natürlich nicht bei der Belegung der Kasernen, sondern es werden auch noch weitere Anforderungen an Privatwohnraum gestellt.
Nun bin ich der Auffassung, daß jetzt eine Gelegenheit gegeben ist, um den Familien, die seit 1945, 1946 ihre Wohnungen verlassen mußten und die teilweise sehr schlecht untergebracht sind, zu helfen. Am Rande vermerkt, ist es natürlich in einem Grenzland wie dem Bezirk Trier außerordentlich schwer, überhaupt für ein Land wie Rheinland-Pfalz, das finanzschwach ist, diese Anforderungen so zu bewältigen, daß nicht allzuviel Belastung für die Bevölkerung da ist. Ich möchte deshalb der Meinung sein, daß man jetzt beim Wohnungsbaugesetz dafür sorgt, daß diese Orte, in denen eine größere Garnison liegt, also viel Wohnraum beschlagnahmt ist, beim Wohnungsbau besonders berücksichtigt werden.
Ich möchte der Regierung empfehlen, daß sie hier großzügig verfährt. damit vor allen Dingen — und das bezieht sich auf das Grenzland — nicht ein falscher Eindruck entsteht und immer weiter vertieft wird. Der Eindruck ist schon da, und zwar insbesondere dadurch — gestatten Sie mir den Hinweis, da ich den Wahlkreis habe, der an das Saargebiet grenzt —, daß man dort ja auch bewußt den Unterschied fördert: Seht, was wir im Saargebiet tun und was eure Regierung an der Grenze des Landes tut.
Ich bin der Meinung: hier spielen verschiedene Momente eine Rolle. Es ist eine Selbstverständlichkeit, daß das Grenzland beachtet werden muß und daß die Regierung hier, wo die Not und die Last durch die Besatzung so groß ist — Sie wissen. daß wir in der französischen Zone sehr stark engagiert sind —, alles tut, um die Not dieser Menschen zu bannen, die, wie gesagt, schon seit 1945/46 in fremden Häusern, in schlechten Wohnungen sind.
Also helfen Sie uns, sorgen Sie dafür, daß wir beim Wohnungsbau besonders bevorzugt werden.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Da zu einzelnen Punkten der Drucksache Nr. 962 Abänderungsanträge gestellt sind, glaube ich, vollziehen wir
die Abstimmung am einfachsten so, daß wir abschnittweise abstimmen.
— Herr Abgeordneter Dr. Wuermeling zur Geschäftsordnung!
Dr. Wuermeling Meine Damen und Herren! Der ferngesteuerte Antrag der KPD
betreffend die Verweigerung der Zahlung von Besatzungskosten bedarf einer geschäftsordnungsmäßigen Erledigung. Da die Auftraggeber ja wohl die geringste Legitimation zur Stellung derartiger Anträge besitzen, beantrage ich zu diesem Antrag: „Übergang zur Tagesordnung."
Meine Damen und Herren! Dieser Antrag der KPD, von dem der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling eben gesprochen hat. gehört zu Ziffer 2 des Antrages des Ausschusses Ich werde bei dieser Gelegenheit den Antrag zur Abstimmung bringen.
Wir stimmen zunächst über Drucksache Nr. 962. Antrag des Ausschusses, Ziffer 1 ab. Wer für Ziffer 1 ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. - Das ist die Mehrheit.
Dann kommen wir zu Ziffer 2. Dazu liegt der eben erwähnte Abänderungsantrag der KPD vor, der eine Wiederaufnahme des Antrages der Drucksache Nr. 8 bedeutet. Dazu ist vom Herrn Abgeordneten Dr. Wuermeling Übergang zur Tagesordnung beantragt worden. Ich bitte diejenigen, die für diesen Antrag sind, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; dann ist so beschlossen.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 962 Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. - Das ist zweifellos die Mehrheit; dann ist so beschlossen.
Zu Ziffer 3 und Ziffer 4 liegen keine Abänderungsanträge vor. Ich kann wohl annehmen, daß die Mehrheit des Hauses damit dem Ausschußantrag zustimmt.
Wir kommen dann zu Ziffer 5. Dazu liegt ein Abänderungsantrag der KPD vor, die Bundesregierung zu verpflichten, den Bundestag in regelmäßigen Zeitabständen über den Gang der mit der Hohen Kommission über die Besatzungslasten geführten Verhandlungen zu unterrichten. Ich lasse zunächst über diesen Abänderungsantrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
— Dazu ist Übergang nicht beantragt. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Ich lasse nun über Ziffer 5 in der Fassung des Ausschusses abstimmen. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit. Damit ist der Antrag des Ausschusses in der eben zur Abstimmung gebrachten Form angenommen.
Es liegt noch der mündliche Bericht des Haushaltsausschusses zu Drucksache Nr. 997 vor. Ich bitte diejenigen, die dem Antrag des Ausschusses zustim men, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; dann ist auch das so beschlossen.
Nun kommen wir zum nächsten Punkt der
Tagesordnung, das ist Nr. 10:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens über den Antrag der Abgeordneten Dr. Dekker, Dr. Etzel , Dr. Baumgartner, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Fälschung von Nahrungs- und Genußmitteln (Drucksachen Nr. 903 und 663).
Das Wort hat zur Berichterstattung Herr Abgeordneter Ehren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens hat sich in seiner Sitzung vom 3. Mai mit dem Antrag der Bayernpartei betreffend Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Fälschung von Nahrungs- und Genußmitteln befaßt. Den Antragstellern geht es in der Hauptsache darum, ein Gesetz zu schaffen, das die die Volksgesundheit bedrohende Fälschung von Nahrungs- und Genußmitteln durch die Verwendung schädlicher Färbungsmittel wirksam bekämpft. Der Ausschuß nahm Gelegenheit, die Meinung von Sachverständigen der zuständigen Ministerien zu hören. Professor Redeker vom Innenministerium vertrat den Standpunkt, daß es dringend notwendig erscheine, eine zusammenfassen de Umarbeitung des Lebensmittelgesetzes vorzunehmen. Man müsse sich allerdings, so meinte er, darauf einstellen, daß die Nahrungsmittel des deutschen Volkes nicht mehr nur aus Naturprodukten und ihrer natürlichen Verarbeitung bestehen könnten. Daher dürfe das neu zu fassende Gesetz auch nicht mechanisch vom Gesichtspunkt der Naturreinheit betrachtet werden. Ja, er ging sogar soweit zu sagen, daß nicht nur auf die Gegebenheit unserer volkswirtschaftlichen Lage Rücksicht genommen werden müsse, sondern sogar auf die augenblickliche Mode.
Vertreter des Bundesernährungsministeriums erklärten, daß verständlicherweise in den vergangenen Jahren bei der Kontrolle der Lebensmittel nicht die gleichen Maßstäbe angelegt werden konnten, wie das heute wieder möglich sei.
Zum Farbstoffgesetz erklärte der Regierungsvertreter, daß heute bereits eine Liste mit 14 unbedenklichen und eine zweite Liste mit 7 bedenklichen Farbstoffen aufgestellt sei. Die Färbung der Butter mit synthetischen Farbstoffen sei bereits seit einem Jahre gesetzlich verboten. Zweifellos, so erklärte der Vertreter des Bundesministeriums, müsse recht bald eine Sicherung dahingehend erfolgen, daß nur diejenigen Lebensmittelfarben bei den Nahrungsmitteln Verwendung fänden, die bei den Gesundheitsbehörden als unbedenklich anerkannt worden seien.
Die Ausschußmitglieder diskutierten die Frage, ob das augenblicklich bestehende Lebensmittelgesetz insgesamt neu gefaßt werden solle. Die Meinungen darüber waren sehr geteilt. Der Vertreter der Regierung erklärte, daß eine Neufassung des Lebensmittelgesetzes so kompliziert sei, daß es Jahre in Anspruch nehmen würde. Er war
der Auffassung, daß es genügen würde, ergänzende Bestimmungen in das bestehende Gesetz aufzunehmen.
Abgeordneter Dr. Decker als Vertreter der antragstellenden Fraktion schlug dann vor, den Antrag aufzuteilen in a) ein Lebensmittelfärbungsgesetz und b) ein Lebensmittelfälschungsgesetz. Der Ausschuß schloß sich dem Vorschlag des Vorsitzenden an, bei den Lebensmitteln, die mit unschädlichen oder nicht verbotenen Farbstoffen gefärbt sind, die Deklarierungspflicht anzuerkennen.
Nach einer weiteren ausführlichen Diskussion wurde nachfolgender Antrag im Ausschuß einstimmig angenommen:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, mit tunlichster Beschleunigung den Entwurf eines Gesetzes über die Verwendung von Farbstoffen bei der Herstellung von Nahrungs- und Genußmitteln vorzulegen.
Die Bundesregierung wird ferner gebeten, in eine Überprüfung der Maßnahmen eintreten zu wollen, die auf Grund des bestehenden Lebensmittelgesetzes zur Anpassung an die Zeitverhältnisse notwendig sind.
Ich bitte das Hohe Haus, dem einstimmig gefaßten Beschluß des Ausschusses die Zustimmung zu geben.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Im Ältestenrat war ursprünglich vereinbart, über diese Angelegenheit keine weitere Debatte mehr zu führen, sondern sofort zur Beschlußfassung überzugehen. Nun ist aber von verschiedenen Seiten des Hauses der Wunsch nach einer kurzen Aussprache zum Ausdruck gebracht worden. Ich schlage Ihnen vor, dazu die Redezeit auf insgesamt 30 Minuten zu begrenzen. Ich nehme Ihre Zustimmung dazu an.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Decker.
Meine Fraktion begrüßt die Einmütigkeit und Schnelligkeit, mit der der vorliegende Antrag im Ausschuß für Gesundheitswesen behandelt worden ist. Die Bedeutung eines Gesetzentwurfes auf diesem Gebiet geht weit über die Sicherung der Volksgesundheit hinaus. Er will auch eine echte Ehrbarkeit und Redlichkeit im Handel, im Wirtschaftsleben, im Verkehr mit Lebensmitteln wiederherstellen. Besonders hinzuweisen ist darauf, daß auch die Sorgfaltspflicht in der Behandlung und in der Lagerung der Lebensmittel zu fördern ist.
Wir hoffen, daß der Gesetzentwurf mit derselben Schnelligkeit und Gründlichkeit von der Regierung bearbeitet wird, wie der Vorgang im Ausschuß behandelt warden ist. Der Gesetzentwurf muß vor allem umfassend und wirklich modern sein und muß alle die Methoden, die die Nahrungsmittelchemie und die physikalische Behandlung von Lebensmitteln in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat, berücksichtigen. In einem Aufsatz einer bedeutenden Tageszeitung wurde vor kurzem darauf hingewiesen, daß das Mehl, das nach den modernen Methoden hergestellt wird, praktisch überhaupt kein Lebensmittel mehr ist, sondern tote Masse. Der Müller, der da Auskunft gab, verglich es mit Gips. Er wies darauf hin, daß sogar die Mäuse dieses
Mehl nicht mehr fressen. Uns mutet man zu, daß wir es als Speise genießen.
Dieses kleine Beispiel allein zeigt schon, daß die Herstellung von Lebensmitteln zum Teil dahin ausgeartet ist, daß nur mehr Magenfüllmittel hergestellt werden. Wir müssen — und das verlangen wir von dem Gesetz - darauf zurückkommen, daß unsere Nahrungsmittel wirklich Leben spenden, daß sie wieder Lebensmittel in jeder Hinsicht werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Arnholz.
Meine Damen und Herren! Die Tatsache, daß der Bericht zu der vorliegenden Drucksache vom Ausschuß für Fragen des Gesundheitswesens erstattet wird und daß auch dieser Ausschuß den Antrag formuliert hat, könnte zu der Auffassung führen, daß es uns nur darauf ankommt, die Verbraucher vor solchen Fälschungen zu schützen, die gesundheitsschädigend wirken könnten. Ich glaube aber, daß wir darüber hinaus die Pflicht haben, die Verbraucherschaft auch vor solchen Fälschungen zu bewahren, die zwar nicht gesundheitsschädlich sind, die aber immerhin eine wirtschaftliche Schädigung des Verbrauchers bedeuten.
Wir sind daher der Auffassung, daß die Regierung den Abs. 2 des Beschlusses des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens so auffassen muß, daß sie auch Maßnahmen ergreift, die Fälschungen von Nahrungs- und Genußmitteln verhindern, die eine wirtschaftliche Schädigung bedeuten und in vielen Fällen den Tatbestand des Betruges erfüllen. Wenn beispielsweise, wie es vor einiger Zeit der Fall war, in großem Maße Kakaoschalen dem Kakao beigemischt werden, so ist das eine sehr erhebliche Schädigung des Verbrauchers. Wenn weiterhin, wie mir z. B. vor einigen Tagen mitgeteilt wurde, dem sogenannten Eierlikör als Streckungsmittel Puddingpulver hinzugesetzt wird, um dadurch eine dickere Flüssigkeit zu schaffen, so ist auch das eine unzulässige Fälschung. Ebenso kann man sehr häufig beobachten, daß beispielsweise unter der Bezeichnung „Echte Mayonnaise" ein Nahrungsmittel in den Handel gebracht wird, das in einem Maße mit Streckungsmitteln durchsetzt ist, das es nicht mehr rechtfertigt, dieses Nahrungsmittel ohne weitere Deklaration als Mayonnaise oder gar als echte Mayonnaise zu bezeichnen.
Darüber hinaus müssen wir aber die Verbraucher auch davor bewahren, daß sie durch irreführende, durch vorschriftswidrige oder durch mangelhafte Kennzeichnung in ihren berechtigten Interessen geschädigt werden. Wenn man durch die Geschäftsstraßen geht und ab und zu darauf achtet, was in den Auslagen ausgestellt wird, dann kann man in sehr erheblichem Maße finden, daß beispielsweise Käse als „besonders gut", sogar als „allerfeinst" angeboten wird, aber ohne die vorgeschriebene Kennzeichnung des Fettgehalts. Insofern wird die Hausfrau sehr häufig über den Wert der Ware, die sie kauft, getäuscht. Es wird ihr halbfette Ware in die Hand gedrückt, während sie annimmt, eine dreiviertelfette oder vollfette Ware zu kaufen. Das gleiche gilt beispielsweise bezüglich der Milch. Wenn nicht gekennzeichnet wird, ob es sich um Magermilch, Trinkmilch oder Vollmilch handelt, wenn man beispielsweise, wie es in der Nazizeit üblich war, die Magermilch als Frischmilch bezeichnet, um dadurch den Verbraucher über den Nährwert der Ware zu täuschen, so ist das eine gleiche Irreführung; ich möchte es sogar darüber hinaus als groben unlauteren Wettbewerb bezeichnen. Das dürfte es sein, wenn eine große Margarinefabrik in ihrer Reklame die Hausfrauen über den Wert dieses Nahrungsmittels zu täuschen versucht, indem sie behauptet, daß das best e. Mittel zur Kräftigung der Kinder die Margarine sei.
Auf einem ganz anderen Gebiet habe ich kürzlich auch hier in der Nähe festgestellt, daß die Kennzeichnungsvorschriften nicht eingehalten werden. Ich sah in einem Geschäft Weinbrandverschnitt mit Schwarzdruck-Streifen ausgestellt. Nach den Bestimmungen - und diese Bestimmungen sind bewußt erlassen worden - muß Verschnitt mit Rotdruck gekennzeichnet sein. Auch das ist eine bewußte Irreführung des Verbrauchers. Darüber hinaus ist es auch unlauterer Wettbewerb gegenüber dem ehrlichen Handel, der zur unbedingten Einhaltung dieser Vorschriften bereit ist.
Ähnlich liegen die Dinge hinsichtlich der Qualitätsbezeichnungen auf dem Gebiet der Textilien. Auch da werden nicht in vollem Maße Klarheit und Wahrheit eingehalten, sondern Bezeichnungen gewählt, die zweifellos absichtlich den Käufer irreführen sollen.
Ferner ist wieder die Übung eingerissen, Waren minderer Güte als Waren feinster oder gar allerfeinster Qualität zu bezeichnen, also nicht nur den Superlativ, sondern einen Supersuperlativ anzuwenden. Auch dagegen sollte man im Interesse der Verbraucher einschreiten.
Alle von uns geforderten Maßnahmen bilden nun nicht nur einen Schutz des Verbrauchers, sondern sie dienen darüber hinaus auch in weitestem Maße dem Schutz des anständigen und ehrlichen Handels gegenüber den Teilen des Handels, die nicht bereit sind, ihren Beruf im Interesse der Verbraucher auszuüben.
Aus allen diesen Gründen wünschen meine politischen Freunde, daß die Regierung den zweiten Absatz des Antrages dahin auffaßt, daß die notwendigen Maßnahmen auch auf den bezeichneten Gebieten im Interesse der Verbraucher und des ehrlichen Handels durchgeführt werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ehren.
Meine Damen und Herren! Mit Rücksicht auf die vorgeschrittene Zeit nur ein paar Sätze zu diesem Thema! Es ist ja erfreulich, daß das Hohe Haus auch einmal dieses Problem abseits von der großen Politik behandelt, das im Interesse unserer Volksgesundheit von größter Bedeutung ist. Ich könnte noch eine große Zahl von Beispielen anführen, die zeigen. daß es allerhöchste Zeit ist, auf diesem Gebiet Ordnung zu schaffen. Es ist außerordentlich bedauerlich, daß die Vertreter des Innenministeriums, die sich in den Ausschüssen sehr fleißig an unserer Arbeit beteiligt haben, heute nicht anwesend sind. Im übrigen stimme ich im Namen meiner Partei dem Abänderungsvorschlag meines Herrn Vorredners zu.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Beratung geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt vor die Drucksache Nr. 903, Antrag des Ausschusses. Wer dem Ausschußantrag zustimmt, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Antrag ist einstimmig angenommen.
Meine Damen und Herren! Es ist nunmehr vorgesehen, eine Pause bis 15 Uhr eintreten zu lassen. Inzwischen versammelt sich um 14 Uhr der Ältestenrat.
Außerdem hat die Fraktion der Deutschen Partei gebeten, dem Hause bekanntzugeben, daß die Mitglieder der Fraktion der Deutschen Partei an der heutigen Sitzung nicht weiter teilnehmen können, da sie sich an einer Delegiertenversammlung der Partei in Bremen beteiligen müssen.
Ich unterbreche also jetzt die Sitzung. Wir treten um 15 Uhr wieder zusammen.
Die Sitzung wird um 15 Uhr 27 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler wieder eröffnet.
Die Sitzung ist wieder eröffnet.
Wir fahren in der Tagesordnung fort und kommen zu Punkt 11:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films über den Antrag der Abgeordneten Dr. Richter und Genossen betreffend Vorlage eines Bundespressegesetzes .
Zur Berichterstattung erteile ich Herrn Abgeordneten Brunner das Wort. Es sind etwa 10 Minuten für die Berichterstattung vorgesehen, Herr
Abgeordneter.
Meine Damen und Herren! Die Abgeordneten Dr. Richter und Genossen haben am 15. Februar den Antrag Drucksache Nr. 560 vorgelegt, der die Bundesregierung auffordert, beschleunigt ein Bundespressegesetz vorzulegen. Der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films hat zu Anfang seiner Tätigkeit festgestellt, daß die Beratung eines Pressegesetzes zu den entscheidenden Aufgaben seines Arbeitsgebietes gehören wird. Er hat sich sehr bald über die Frage der Zuständigkeit des Bundestages, ein solches Gesetz herauszubringen, Klarheit verschafft und die rechtlichen Grundlagen und Möglichkeiten geprüft, die nach dem Grundgesetz für ein Bundespressegesetz bestehen. Im November haben die Journalistenverbände der drei Westzonen der Bundesregierung einen Empfang gegeben. Bei dieser Gelegenheit erklärte Vizekanzler Blücher die Bereitschaft der Bundesregierung zur Vorlage eines solchen Pressegesetzes und teilte mit, daß die Regierung Wert darauf lege, auch einen Entwurf der Journalistenverbände dazu zu erhalten. Bis dahin hatten schon die Verleger der französischen Zone und der in Wiesbaden wirkende Verlegerverband, der die sogenannten Altverleger zusammenfaßt, den Entwurf eines solchen Gesetzes vorgelegt.
Anfang des Jahres ist man im Bundesinnenministerium an die Ausarbeitung eines Pressegesetzes gegangen. Es liegt auf der Hand, daß das Ministerium einen Entwurf dieser Art nicht abschließen und dem Hohen Hause vorlegen will, ehe es nicht die Auffassungen der Organisationen geprüft hat, die die Träger der Pressearbeit repräsentieren.
Der im Dezember vorigen Jahres gegründete Deutsche Journalistenverband als Zusammenfassung der bis dahin bestehenden journalistischen Organisationen in den Westzonen ist dabei, den angekündigten und von der Regierung erbetenen Entwurf fertigzustellen, und er wird die Arbeiten an der Fertigstellung wahrscheinlich noch in diesem Monat abschließen können. Nach diesem Stand der Dinge hat das Bundesinnenministerium die Absicht, dem Hohen Hause den Entwurf der Regierung Anfang oder Mitte August vorzulegen, so daß mit der Verabschiedung eines Bundespressegesetzes im Herbst gerechnet werden kann.
Somit ist festzustellen, daß die Forderung des Antrages der Abgeordneten Dr. Richter und Genossen der Sache nach erfüllt worden ist: es wird ein Pressegesetz ausgearbeitet; die Länge der Zeit, die Regierung und Parlament dazu benötigen, ist lediglich von dem Umfang der Vorarbeiten und Vorbereitungen abhängig, die für ein derart wichtiges Gesetz nötig sind. Der Antrag ist daher der Sache nach gegenstandslos geworden.
Der Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films schlägt dem Hohen Hause - wie Sie aus Drucksache Nr. 934 ersehen können — vor, den Antrag der Abgeordneten Richter und Genossen für erledigt zu erklären.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, ohne Debatte zur Beschlußfassung zu gelangen. — Ich höre keinen Widerspruch.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag des Ausschusses Drucksache Nr. 934 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit eindeutiger Mehrheit angenommen.
Darf ich die Gelegenheit benutzen, zunächst zwei geschäftliche Mitteilungen zu machen.
Der Herr Vorsitzende des Untersuchungsausschusses für Einfuhren bittet mich mitzuteilen, daß die für 16 Uhr anberaumte Sitzung nicht zu dieser Zeit stattfinden kann, sondern eine Viertelstunde nach Schluß des Plenums stattfinden soll, lediglich zu dem Zweck, damit ein neuer Termin vereinbart werden kann.
Ferner habe ich von der Fraktion der Deutschen Partei die Mitteilung bekommen, daß die meisten Mitglieder der Fraktion an der heutigen Nachmittagssitzung nicht teilnehmen können, da sie bei einer Delegiertenversammlung der Partei in Bremen anwesend sein müssen.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 12 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Paschek und Genossen betreffend Hilfe für die Korbmacherindustrie in Oberfranken .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor, lediglich den Bericht entgegenzunehmen und ohne Debatte zur Beschlußfassung zu gelangen. — Ich darf das Einverständnis des Hauses damit feststellen.
Als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Etzel das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Paschek und anderer lautete:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Einvernehmen mit der Bayerischen Staatsregierung Mittel und Wege zu suchen, um der in größter Notlage sich befindenden Korbindustrie in Oberfranken zu helfen. Das politische und soziale Gefüge sowie das Wirtschaftsleben dieses Notstandsgebietes sind derart bedroht, daß nur noch umfassende Hilfsmaßnahmen des Bundes die Gefahr eines Zusammenbruchs abwenden können.
Der Ausschuß hat nach eingehender Beratung dieses Antrags die Annahme des folgenden Antrags empfohlen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Abgeordneten Paschek und Genossen betreffend Hilfe für die Korbmacherindustrie in Oberfranken — Nr. 763 der Drucksachen — mit Rücksicht darauf, daß
1. nach Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums Verhandlungen mit der bayerischen Staatsregierung in dieser Sache aufgenommen sind,
2. die Bundesregierung grundsätzlich Maßnahmen für Notstandsgebiete prüft und über einen interministeriellen Ausschuß eingeleitet hat,
3. konkrete Vorschläge von den Antragstellern nicht gemacht worden sind,
als erledigt zu erklären.
Der Antrag, der hier vorgelegt worden ist, hat einmal wieder das Problem Notstandsgebiet angesprochen. Dieses Problem ist bereits in früheren Anträgen behandelt worden. Ich darf an den Antrag betreffend bayerisches Notstandsgebiet — schon Drucksache Nr. 24 —, den Antrag betreffend Notstandsgebiet Schleswig-Holstein, Drucksache Nr. 80, und einige andere Anträge erinnern. Außerdem häufen sich in jüngster Vergangenheit eine Anzahl von Anträgen von Gemeinden und Gemeindeverbänden, die eine unmittelbare Unterstützung durch den Bund erbitten.
Der Bundestag hat am 18. Januar 1950 einen Antrag angenommen, welcher der Bundesregierung auferlegt hat,
1. dem Bundestag alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch für die Notlage der Grenzgebiete, insbesondere der sogenannten „roten Zone", die durch den Krieg und die Nachkriegszeit mehr als andere Gebietsteile unseres Vaterlandes gelitten haben, und denen bisher aus Landesmitteln nicht ausreichend geholfen werden konnte, Abhilfe geschaffen wird;
2. Mittel zur Bildung eines Grenzlandfonds in den Haushalt des Bundes einzustellen, um der Notlage der Grenzlandgebiete allgemein zu steuern.
In dieser Situation erschien es dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik wesentlich, einmal die grundsätzliche Frage aufzuwerfen, unter welchen Voraussetzungen denn solche Anträge überhaupt gestellt werden können, und darüber hinaus die Frage zu prüfen: Was kann, wenn die Anträge angenommen worden sind, möglicherweise an Hilfe zur Verfügung gestellt werden?
Die bisherige Sach- und Rechtslage auf diesem l Gebiet ist außerordentlich unbefriedigend. Es gibt keine Definition des Begriffes „Notstandsgebiet", und selbst wenn irgendein Ausschuß erklärt hat, ein bestimmtes Gebiet sei Notstandsgebiet, so sind doch keine Haushaltsmittel da, einem solchen Notstand abzuhelfen. Wir waren daher der Meinung, daß dieser Zustand abgeändert werden muß. Wir waren aber gleichzeitig der Auffassung, daß hier nur solche Notstände berücksichtigt werden dürfen, die lediglich mit Hilfe des Bundes behoben werden können. Es kann sich nicht darum handeln, so weite Gebiete einzuschließen, daß die zur Verfügung stehende Hilfe praktisch niemandem mehr eine wirkliche Hilfe sein kann. Aus diesem Grunde haben wir, wie gesagt, die Frage grundsätzlich aufgeworfen und haben dabei folgendes festgestellt:
Bei der Bundesregierung ist in Ausführung der wiederholt gestellten Anträge inzwischen ein interministerieller Ausschuß gebildet worden, der in zwei Sitzungen getagt hat, um dieses Problem einmal einer Klärung zuzuführen. Die Herren sind am 29. März 1950 und zuletzt am 9. Mai 1950 zusammengekommen. Dabei zeigte sich als vordringliche Aufgabe, eine Klärung des Begriffs „Notstandsgebiet" überhaupt herbeizuführen. Was ist Notstandsgebiet? Darüber gibt es unter Umständen sehr verschiedene Auffassungen. Der interministerielle Ausschuß war der Meinung, daß hier vier Gebietsgruppen in Frage kommen. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um überwiegend landwirtschaftliche Gebiete, die Flüchtlinge aufnehmen mußten, ohne diesen Flüchtlingen Erwerbsmöglichkeiten bieten zu können. Die zweite Gruppe besteht aus solchen Gebieten, deren Existenzgrundlage auf Rüstungsbetrieben oder sonstigen Industrien beruhte, die nach der Kapitulation weggefallen sind. Zur dritten Gruppe gehören Gebiete, die durch Kriegszerstörungen derart gelitten haben, daß eine Beseitigung der Kriegsschäden weder mit kommunalen noch mit Landesmitteln möglich ist. Als letzte Gruppe sind schließlich die Grenzlandgebiete zu nennen, deren besondere Lage eine individuelle Unterstützung durch den Bund von Fall zu Fall erforderlich macht, wobei diese Unterstützung sich sehr oft über die rein wirtschaftliche Ebene hinaus auf das kulturelle Gebiet beziehen muß.
Man ist dabei der Meinung gewesen, daß man irgendwelche' bestimmten Tatbestände, umreißen muß, und hat dann als quantitative Merkmale zur Beurteilung des Notstandes folgende Tatbestände zur Diskussion gestellt: Zunächst einmal Arbeitslosigkeit, wenn nämlich der Bundesdurchschnitt um ein bestimmtes Maß überschritten wird; dann Wohnraumbelegung, wenn auch hier der Bundesdurchschnitt um ein bestimmtes Maß überschritten wird; und schließlich Zerstörungen, wenn diese im Bundesdurchschnitt ein bestimmtes Maß überschreiten. Weiter ist die Steuerkraft in Betracht gezogen worden, wenn der Bundesdurchschnitt um ein bestimmtes Maß unterschritten wird, und das Einkommen pro Kopf der Bevölkerung, wenn dieses um ein bestimmtes Maß unterschritten wird.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Auftrag erhalten, in Zusammenarbeit mit den übrigen Ministerien einen statistisch erfaßbaren Begriff „Notstandsgebiet" auszuarbeiten. Dabei hat man Richtlinien vorgelegt, die ich wegen der Kürze der Zeit jetzt nicht im einzelnen vorlesen kann, welche
aber diese grundsätzlichen Fragen, die ich eben andeutete, berücksichtigen. Man ist weiter dazu gekommen, vorerst einmal einen Musterbericht zu erstellen mit einem bestimmten Sanierungsprogramm, ausgehend von einem Gebiet, welches in ganz besonderem Maße notleidend ist, um so zu gewissen bestimmten Grundsätzen zu kommen. Diese Musterbeschreibung wird zur Zeit von einigen Herren der zuständigen Ministerien ausgearbeitet, und wir haben die Hoffnung, daß uns dieser Bericht in Kürze vorgelegt .werden kann.
Ich habe Ihnen das, meine sehr geehrten Damen und Herren, vorgetragen, um Ihnen darzutun, daß die Bundesregierung dabei ist, den Tatbestand zu klären. Die Frage, wie dann die Mittel haushaltsmäßig zur Verfügung gestellt werden können und sollen, wäre an zweiter Stelle zu prüfen. Ich darf noch darauf hinweisen, daß auch die Landesregierungen gebeten sind, einmal ihre Meinung über diesen Begriff darzulegen. Ist der Begriff einmal umrissen, dann sollen die Landesregierungen um Mitteilung gebeten werden, welches Ausmaß die Ansprüche auf der Grundlage eines solchen Begriffes unter Umständen annehmen werden, da wir ja alle wissen, daß die Möglichkeiten einer Bundeshilfe selbstverständlich begrenzt sind.
Ich glaube also, daß wir nach der grundsätzlichen Seite hin zunächst einmal die Arbeiten dieses interministeriellen Ausschusses, die sehr vielversprechend sind, abwarten müssen, daß wir darin aber in die Lage versetzt sein werden, diesen vielseitigen Asprüchen ein entsprechendes Fundament und eine entsprechende Begrenzung zu geben.
Diese Feststellungen haben nun in bezug auf den konkreten Antrag, der ja nur die Korbmacherindustrie in Oberfranken betrifft, den Wirtschaftsausschuß davon überzeugt, daß generelle Maßnahmen für eine gesetzliche Regelung und anschließend wohl auch für eine haushaltsmäßige Erledigung in greifbare Nähe gerückt sind. Hierin haben wir die erste Grundlage dafür gefunden, das Hohe Haus zu bitten, den Antrag der Kollegen Paschek und Genossen für erledigt zu erklären.
Zu dem Antrag selbst darf ich aber noch ergänzend hinzufügen, daß die Bundesregierung im Ausschuß erklärt hat, sie habe sich mit der bayerischen Staatsregierung in Verbindung gesetzt und Verhandlungen aufgenommen, um genaue Feststellungen über das Ausmaß und die Ursachen der Notlage der Korbmacherindustrie in Oberfranken zu treffen. Angesichts dieser Sachlage war der Ausschuß übereinstimmend der Meinung, daß zunächst einmal die Frage nach den Ursachen dieser Notlage im einzelnen in Richtung auf die zu treffenden Maßnahmen untersucht werden müsse, ehe eine Entscheidung über Subventionen gefällt werden könne. Die Verhandlungen darüber sind, wie gesagt, eingeleitet. Der Ausschuß hat allerdings -- und das muß ich pflichtgemäß hier auch vortragen — mit Bedauern festgestellt, daß die Herren Antragsteller selbst über Ursachen und Mittel zur Abhilfe nichts Konkretes gesagt haben, und war der Meinung, daß es für die Behandlung solcher Anträge vorteilhafter wäre, wenn gleichzeitig mit dem Antrag konkrete Vorschläge über die Möglichkeiten einer Behebung der Notlage eingereicht würden, statt daß man das Finden des Weges zur Abhilfe dem Parlament oder dem entsprechenden Ausschuß überläßt.
Insgesamt gesehen sind wir daher zu dem Ergebnis gekommen, das ich eingangs bereits dargelegt habe.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer für den Antrag Drucksache Nr. 945 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit zweifelsfreier Mehrheit angenommen.
Damit kommen wir zu Punkt 13:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter .
Der Ältestenrat empfiehlt folgende Zeiteinteilung: 10 Minuten für die Berichterstattung, 60 Minuten für die Aussprache. Darf ich insoweit das Einverständnis des Hauses feststellen? — Das Haus ist einverstanden.
Dann erteile ich Herrn Abgeordneten Dr. Preusker als Berichterstatter das Wort.
Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag der SPD, Drucksache Nr. 772, handelt es sich um die Forderung an die Bundesregierung, die Anordnung Nr. 72/49 der Verwaltung für Wirtschaft vom 6. 9. 1949 aufzuheben, nach der eine Abwälzung von Gebührenmehrbelastungen und Grundsteuererhöhungen auf die Mieter unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurde, nämlich einmal unter der Voraussetzung, daß durch die Grundsteuererhöhung tatsächlich eine Mieterhöhung um mehr als 1 % herauskommt, und zum zweiten, daß diese Mieterhöhung im Wege der Vereinbarung mit dem Mieter zustande kommt. Im anderen Fall war der Vermieter auf die Mietaufhebungsklage verwiesen.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist für die Behandlung dieses Antrags der SPD-Fraktion federführend gewesen. Gleichzeitig war aber auch der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungsbau damit befaßt. Beide Ausschüsse haben sich dem Antrag und den vorgebrachten Argumenten der SPD-Fraktion nicht anschließen können und sind mit Mehrheit zu dem Beschluß gelangt, diesen Antrag der SPD-Fraktion zur Ablehnung zu empfehlen. Dabei ist in beiden Ausschüssen einmal die Überlegung maßgebend gewesen, daß auch bereits nach dem ersten Weltkrieg in dem Zeitraum der Zwangsbewirtschaftung der Wohnungen nach dem Reichsmietengesetz bis 1937 die Weiterwälzung der Grundsteuererhöhung zulässig gewesen ist; insofern wurde also durch die Anordnung Nr. 72/49 nur der Zustand wiederhergestellt, der auch bereits in der Zeit vorher bestanden hat und nur für den Zeitraum von 1937 bis zum Erlaß dieser Anordnung der VfW aus anderen Gründen unterbrochen war.
Zum zweiten war materiell von ausschlaggebender Bedeutung für die Mehrheitsbildung in beiden Ausschüssen, daß nach den Angaben, die vom Wirtschaftsministerium vorgelegt worden sind, die Unkostenbelastung des Hausbesitzes gegenüber 1939 im Durchschnitt etwa um 15 % gewachsen ist und daß man bei der anerkannt vorhandenen Unrentabilität des gesamten Hausbesitzes, namentlich des Althausbesitzes, diesem nicht allein die Tragung der gesamten Mehrlasten zumuten kann. Es kam
hinzu, daß beide Ausschüsse berücksichtigen mußten, daß namentlich die Althausmieter sich in einer relativ bevorzugten Lage gegenüber den vielen Neuhausmietern befinden, da ihre Mieten gegenüber der Zeit vor dem Kriege praktisch unverändert geblieben sind, also nicht in dem Ausmaß der Unkostenbelastung erhöht wurden. Sie liegen überhaupt im Niveau erheblich niedriger, als die Neuhausmieten liegen, so daß bereits eine erhebliche Begünstigung vorliegt, die durch die Aufhebung der Anordnung der VfW noch weiter zu Lasten des Hausbesitzes vergrößert würde.
Dritter wesentlicher Punkt für die Meinungsbildung beider Ausschüsse war' die Erwägung, daß auch in den Fällen, in denen tatsächlich ein unbelasteter und nicht durch Umstellungsgrundschulden gegenwärtig belasteter Hausbesitz vorliegt, die Abwälzung nicht zumutbar sei; einmal mit Rücksicht auf die allgemeine Kostenlage, zum zweiten aber auch mit Rücksicht auf den Lastenausgleich, da man ja die Substanz für den Lastenausgleich und die Aufbringung der Lasten und Abgaben für den Lastenausgleich nicht in dieser Weise zusätzlich schmälern und gefährden dürfe.
Schließlich ist auch noch daran gedacht worden, daß das ganze Problem nur dadurch entstehen konnte, weil nach 1945 die Länder ihre Gemeinden angewiesen haben, die Grundsteuer heraufzusetzen. Teilweise haben sie diese Anweisung sogar mit der Ankündigung verbunden, daß Überweisungen an die Gemeinden im Wege des Finanzausgleichs nur dann erfolgen würden, wenn zuvor die Höchstsätze der Grundsteuer ausgeschöpft worden wären. Es entsteht die Frage, wie dem einzelnen Staatsbürger die Güte und mehr oder weniger große Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung überhaupt noch vor Augen geführt werden könne, wenn er die Auswirkungen solcher steuerlichen Maßnahmen auch im allergeringsten nicht mehr zu spüren bekäme. Also auch diese erzieherische Wirkung, an die man bei dem Erlaß Nr. 72/49 mit in erster Linie gedacht hatte, indem den Gemeinden nahegelegt wurde, die Grundsteuererhöhungen bis zum 31. 3. 50 wieder rückgängig zu machen, um eben den Zwang zu einer Mieterhöhung nicht entstehen zu lassen, hat bei den Überlegungen der Ausschüsse eine Rolle gespielt.
Dementsprechend möchte ich Sie als Berichterstatter des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen und des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zusammenfassend bitten, entsprechend dem Antrag Drucksache Nr. 946 den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter — Nr. 772 der Drucksachen — abzulehnen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter für seine Ausführungen und eröffne die Aussprache. Wer wünscht das Wort? — Bitte. Herr Abgeordneter Klabunde.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht, den der Herr Kollege Dr. Preusker vorgetragen hat, geht von den üblichen Vorstellungen über Rentabilität und Unrentabilität im Miethausbesitz aus. Aber diese vorgeführten Meinungen lassen sich zu einem großen Teil nicht halten, sobald nur ganz kurz die kritische Sonde angesetzt wird. Ich möchte mir gestatten, Ihnen die wirkliche Lage vorzuführen, um dann die Frage zu stellen, ob Sie den Vorschlag des Ausschusses, unseren Antrag abzulehnen, tatsächlich noch akzeptieren wollen.
Die Theorie von der Unrentabilität des Althausbesitzes ist bis auf Ausnahmen, also auf den Regelfall bezogen, nicht nur falsch, sondern es liegt hier sogar noch eine echte Rentabilität vor. Ich gebe zu und betone es ausdrücklich, daß bis zu dem Gesetz vom 2. 9. 48, das der Wirtschaftsrat in Frankfurt für die Behandlung der Umstellungsgrundschulden beschlossen hat, ein anderer Zustand vorhanden war. Danach ist ein völliger Wandel eingetreten. Gleich, wie Sie entscheiden wollen, sollten Sie doch wenigstens die Tatsachen richtig und vollständig kennen. Jede in der Zwischenzeit eingetretene Unrentabilität, beispielsweise durch die tatsächlich sehr erhebliche Erhöhung der Reparaturkosten, ist nämlich dadurch aufgefangen, daß in allen deutschen Ländern ohne Ausnahme die Abführungsbeträge aus den Umstellungsgrundschulden in dem Maße reduziert worden sind, wie es der Ausgleich der gestiegenen Kosten erforderte.
Das muß ganz offen gesagt werden. Man könnte deutlicher formulieren: es ist auf Kosten der Mittel geschehen, die für die Zwecke des Lastenausgleichs zur Verfügung stehen sollen.
Ich halte allerdings die damalige Maßnahme für richtig, weil ohne sie in einer sehr kritischen Zeit eine sonst unvermeidbare Mieterhöhung gegenüber den gleichbleibenden Löhnen nicht hätte durchgesetzt werden können. Diese Maßnahme sei also nicht kritisiert, sondern nur als Faktum, das heute noch gilt, ausgesprochen. Hat jemand beispielsweise bei einer Wohnung 50 bis 100 DM Unrentabilität gehabt, so konnte er die Abführungsbeträge aus Zins- und Tilgungsgewinn um den gleichen Betrag verringern. In großen Gebieten, wo statistische Erhebungen vorliegen, sind je Wohnung 80 bis 100 DM Abführungsbeträge, die zunächst dem Fiskus zur Verfügung standen, erlassen worden, damit die Rentabilität des Althausbesitzes hergestellt wurde. Infolgedessen ist — im Gegensatz zu der Darstellung des Kollegen Dr. Preusker — der Althausbesitz gerade derjenige Teil, der heute rentabel ist.
Rentabilitätsschwierigkeiten liegen dagegen — aus Gründen, die hier nicht näher erörtert zu werden brauchen, aber doch stichwortartig genannt werden sollen — für den Neuhausbesitz vor, weil nämlich dort aus der sehr viel knapperen Kalkulation der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ständig ein gewisser Kostendruck vorhanden war. Es läßt sich aber für Althausbesitz von keinem Sachverstand das aussagen, was Herr Kollege Dr. Preusker —. ich gebe zu, übereinstimmend mit einer großen Interessentenorganisation, aber sicherlich ohne deren Willen vollstrecken zu wollen — gesagt hat. Stimmt aber die These von der Unrentabilität des Althausbesitzes nicht, so fallen natürlich die Folgerungen, die der Herr Kollege Dr. Preusker gezogen hat, weitgehend in sich zusammen.
Ich möchte auch noch eine weitere These, die er ausspricht, ganz klarstellen, nämlich die Vorteile für den Mieter. Er folgt der Theorie, wonach die Zusammendrängung der Menschen im Durchschnitt und sozusagen fast überall nicht nur die Mieten festgehalten, sondern sie sogar gesenkt hat. Eingehende Untersuchungen haben aber gezeigt, daß
die Mietbelastung für mehr als 50 % der Miethausbewohner deswegen der Höhe nach unverändert geblieben ist, weil die Wohnungen zu klein oder sowieso schon genügend stark belastet waren, so daß diese Wohnungen gar nicht aufnahmefähig waren. Wenn Sie nun eine Zahl genannt haben wollen: der Mietaufwand je Kopf der deutschen Bevölkerung betrug 1914 - Land und Stadt, arm und reich in einen Topf gerechnet — 72 Mark. Dieser Mietaufwand ist im Augenblick nicht etwa geringer, sondern er ist um mehr als 20 % höher, er beträgt jetzt 90 Mark. Wenn wir aber bei gleichbleibenden Mieten von heute ohne jene Mieterhöhung das Wohnungsbauprogramm, das hier vor rund 2 Monaten beschlossen wurde, durchgeführt haben, ist die Belastung jedes einzelnen Einwohners der deutschen Bundesrepublik von 72 Mark im Jahre 1914 auf 150 Mark gewachsen. Wir können also in keiner Weise die Theorie von dem Rückgang aufstellen, sondern wir haben allen Anlaß zu sagen: es findet eine Steigerung statt, und gestatten Sie mir, daß ich hinzufüge: eine à la longue unter dem Einfluß des Neubauens unvermeidbare Steigerung. Wie können wir also in dieser Zeit noch die Argumente derer akzeptieren, die die Möglichkeiten der Kostendeckung nicht erkennen wollen?
Es trifft auch nicht mehr zu, daß die Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums richtig sind. Diese zu prüfen, hätte nämlich auch dazu gehört. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat Ende 1948 eine sehr erhebliche Steigerung der Kosten der Wohnungen ausrechnen lassen; aber diese Kosten sind inzwischen schon erheblich gefallen. Damals war es der Bundeswirtschaftsminister, der eine Mieterhöhung erstrebte, welche nach dem von ihm ausgerechneten Satz über 20 % lag; er hat inzwischen selber zugeben müssen — und das ist ja durch die Nennung dieses Satzes von 15 % indirekt geschehen —, daß er damals zu hoch gegriffen hat, weil er aus einer sehr kurzen, episodenhaften Entwicklung langfristige Folgerungen ziehen wollte. Dasselbe geschieht hier.
Ich weise weiter darauf hin, daß der Stand der Miethausbesitzer vor 1914 das Leerstehen von Wohnungen kannte. Die Wohnungen standen damals in Großstädten — das Zahlenmaterial ist heute noch vorhanden - nicht nur hin und wieder leer, sondern es standen in einer Reihe von Städten 5 % bis 8 % aller Wohnungen leer, und man redete damals schon von einer Wohnungsnot, wenn nur 2 % der Wohnungen leer standen. Sie wissen alle, daß seit Jahren keine einzige Wohnung leer steht; Sie wissen weiter, daß Mietrückstände in der Gruppe, die uns hier interessiert, für die große Menge der Bevölkerung tatsächlich nicht vorhanden sind, außer in ganz bestimmten kritischen Fällen, auf die ich eingehen werde. Es gibt große Mietrückstände in Berlin, das hier außerhalb unserer Disposition liegt; es gibt Mietrückstände in bestimmten Städten bei sogenannten vornehmen Großwohnungen, und es gibt Mietrückstände in bestimmten sozial sehr schlecht gestellten Gebieten; als eine deutsche Massenerscheinung gibt es erfreulicherweise diese Mietrückstände nicht. Das heißt also, daß der Betrag für Mietausfälle, für Leerstehen oder Nichtzahlen, der mit 2 %, teilweise 3 % einkalkuliert ist, schon seit Jahren in der Regel nicht in Anspruch genommen zu werden braucht.
Das ist die wahre Lage des Althausbesitzes wie des Hausbesitzes überhaupt. Angesichts dieser Tatsache bedauern meine Freunde und ich sehr, daß die Ausschußmehrheit die Darstellung einer Interessentengruppe ohne eingehende Prüfung übernommen hat und sich deswegen von uns sagen lassen muß, daß ihre Angaben objektiv nicht zutreffen. Ich habe in allen Hinweisen betont, daß diese Feststellungen in der Regel gelten und daß Ausnahmen natürlich vorhanden sind. Deswegen haben wir gegenüber der sehr schema- tischen Maßnahme des Herrn Bundeswirtschaftsministers von vornherein erklärt, es gäbe einen Weg, der durchaus zum Ziele führen würde.
Wenn man nämlich die Fälle, in denen es wirklich notwendig ist, einmal einer Nachprüfung unterzöge, dann würde sich herausstellen: es sind bestimmt keine 10 % des Wohnungsbestandes, sondern weniger. Wir wollen natürlich nicht durch eine Maßnahme, die eine Gebührenerhöhung zur Folge hat, eine echte Unrentabilität eintreten lassen. Aber wir wollen auch dem Eigentümer nicht die Möglichkeit geben, den Betrag, der ihm via Lastenausgleich zufließt — lies Gesetz vom 2. September 1948! —, nach den Bestimmungen von Herrn Professor Erhard noch einmal einzuheben, wenn er will. Er braucht es nicht, aber die Möglichkeit hat er! Und selbst diesen wichtigen Hinweis, den wir gemacht haben, haben Sie leider übersehen.
Ich schlage daher dem Hohen Hause vor, dem Vorschlag des Berichterstatters, des Kollegen Dr. Preusker, nicht zu folgen, sondern weitere Überlegungen über dieses Thema einzuleiten.
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Paul.
— Wir sind noch in der Beratung. Wie diese Frage zu beantworten ist, darüber sind wir uns bereits klar.
Bitte, Herr Abgeordneter Paul. Fünf Minuten!
Meine Damen und Herren! Das Problem, das heute zur Debatte steht, wurde von uns — d. h. von der kommunistischen Fraktion — bereits in einem Antrag vom 6. Dezember 1949 angesprochen. Dieser Antrag wurde damals dem Ausschuß überwiesen und anscheinend in diesem Ausschuß begraben. Die Auswirkungen dieser Verordnung des Wirtschaftsrates vom September des vergangenen Jahres sehen wir jetzt in zahlreichen Städten in Mieterhöhungen. In Düsseldorf z. B. wurde beschlossen, den Grundsteuerhebesatz von 185 auf 250 zu erhöhen. Das bedeutet, daß in Düsseldorf nach der Umlegung auf die Mieter jährlich 2 Millionen DM mehr an Miete von den Mietern der Altbauwohnungen gezahlt werden müssen. Wenn wir diese Zahlen auf das Bundesgebiet umlegen würden, kämen allerhand hundert Millionen Mark an zusätzlichen Mieten heraus.
Ich entsinne mich, daß vom Minister für Wohnungsbau vor einigen Monaten gesagt wurde, es sollten keine Mieterhöhungen durchgeführt werden. In den letzten Tagen hat er allerdings die Angleichung der Altbaumieten an die Neubaumieten gefordert. Wir sind jedenfalls der Mei-
nung, daß diese Verordnung sich gegen die Interessen der breiten Volksmassen richtet. Wenn gesagt wird, daß die Hausbesitzer mit dieser Verordnung einverstanden gewesen wären, so ist das ein vollständiger Irrtum. Hier liegt die Abschrift eines Briefes des Haus- und Grundbesitzervereins von Offenbach am Main vor. In diesem Schreiben an unsere Partei heißt es:
Wir wollen hoffen, daß Ihr Antrag eine Mehrheit erhält,
daß nämlich diese Grundsteuererhöhung in Offenbach nicht durchkommt —,
da die Grundsteuerumlage im einzelnen sich doch als eine Mieterhöhung auswirken würde. Wir haben seinerzeit
- schreibt dieser Hausbesitzerverein —
vor der Grundsteuererhöhung, die wir als eine einseitige willkürliche Belastung des Hausbesitzes ansehen, die zuständigen Stellen ausdrücklich auf die Auswirkungen dieser Maßnahme hingewiesen.
Auch die Hausbesitzer wehren sich also gegen diese Verordnung. Wenn hier von dem Berichterstatter Herrn Dr. Preusker gesagt wird, daß schon aus erzieherischen Gründen eine Umlage, eine Abwälzung auf die Mieter erfolgen müßte, so soll er doch vor den Mietern in Düsseldorf und anderen Städten diese Auffassung wiederholen. Die Antwort würde ziemlich deutlich sein, und zwar ablehnend. Das ist ein seltsames Erziehungsmittel, nämlich durch solche Gebühren nun die Mieten zu erhöhen. Jedenfalls wirkt sich das in Düsseldorf so aus, daß eine Mieterhöhung von 4 bis 8 % herauskommt.
Wir als kommunistische Fraktion stellen deshalb noch einmal unseren alten Antrag. Wir sind auch der Auffassung, daß die Stellungnahme der Mehrheit des Ausschusses sozial nicht tragbar ist. Wir möchten das Haus deshalb bitten, diesen Bericht und die Stellungnahme der Mehrheit des Ausschusses abzulehnen und den Antrag der Sozialdemokratischen Partei, der, wie ich bereits sagte, mit unserem Antrag gleichlautend ist, anzunehmen, um so eine weitere Mieterhöhung für die breiten Volksmassen zu verhindern.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Preusker. Acht Minuten!
Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst einmal ganz klar feststellen, daß ich selbstverständlich mit keiner Interessentengruppe irgend etwas gemein habe.
— Ich habe Sie auch nicht so verstanden, Herr Klabunde, aber ich möchte ausdrücklich erklären: ich bin der Ansicht, daß man wohl nicht mit Allgemeingültigkeit behaupten kann, von einer Unrentabilität des Althausbesitzes könne keine Rede mehr sein. Die Abzugsfähigkeit der Kostensteigerungen von den Umstellungsgrundschuldenleistungen setzt ja doch eines voraus: daß zunächst einmal der Hauseigentümer auf jede Eigenkapitalverzinsung Verzicht leistet.
Wenn er das nach 5,4 zunächst einmal tut, dann kann man nicht mehr davon sprechen, daß irgendeine Rentabilität vorhanden ist.
Zum zweiten beweist doch die Situation, daß nirgendwo der Althausbesitz imstande ist, die notwendigen Reparaturen durchzuführen, daß die Tatsachen eben eine ganz andere Sprache sprechen. Es kommt hinzu, daß eine ganze Reihe von Hausbesitzern noch zusätzliche Mietminderungen, sogar durch Gerichtsurteile, haben hinnehmen müssen. Es gibt z. B. ein Gerichtsurteil, nach dem die Miete in einem Haus herabgesetzt werden mußte, weil der Treppenläufer nicht mehr vorhanden war. Genau so hat die Tatsache, daß Zentralheizungen nicht mehr betriebsfähig sind, und haben ähnliche Fälle zu Mietminderungen geführt.
Es kommt weiter hinzu, daß dem nicht mehr vorhandenen Leerstehen, das damit an sich vielleicht zu erhöhten Einnahmen an Mieten im ganzen führt, doch ein erhebliches Überbelegtsein der Wohnungen entspricht und damit eine erhebliche Vergrößerung der Abnutzung und des Reparaturbedarfs. Aber selbst wenn man diese Dinge einmal nicht berücksichtigt, bleibt' doch nach der Auffassung der FDP das Argument bestehen, daß durch die Abzugsfähigkeit von den Umstellungsgrundschuldenleistungen zum mindesten eine Minderung des Aufkommens an Beträgen, die wir für das Wohnungsbauprogramm brauchen, eintritt, eine effektive Schmälerung der Basis für den Lastenausgleich.
Dem Kollegen Paul möchte ich das eine sagen: es bleibt auch die Frage der erzieherischen Wirkung dieser Anordnung hinsichtlich der Grundsteuererhöhungen schlechthin bestehen; denn als diese Anordnung seinerzeit eingeführt wurde, hat sie dazu geführt, daß eine Reihe von Gemeinden sehr schnell ihre ursprünglichen Grundsteuererhöhungen wieder zurückgeführt haben, weil sie, wenn die Umlage dann erfolgt wäre, vor der Öffentlichkeit nicht als diejenigen dastehen wollten, die die Steuern erhöht hätten. Ich bin der Ansicht, daß man diese erzieherische Wirkung durchaus weiter erhalten soll, um zu vermeiden, daß im Hintergrund, dem Licht der Öffentlichkeit verborgen, Steuererhöhungen zu Lasten einzelner erfolgen, ohne daß die Öffentlichkeit etwas davon erfährt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Miessner. 3 Minuten!
Meine Damen und Herren! Die Deutsche Reichspartei ist sich der Tatsache sehr wohl bewußt, daß es viel mehr Mieter als Vermieter gibt. Das soll besagen, daß man sich in Anbetracht der bevorstehenden Landtagswahlkämpfe in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein äußerst unpopulär macht, wenn man für die Überwälzung der Grundsteuererhöhung auf die Mieter in Form einer etwa 4%igen Umlage eintritt. Man muß jedoch auch einmal den Mut zu unpopulären Dingen haben, besonders dann, wenn es — wie hier — um das vielleicht vordringlichste Gegenwartsproblem, das Wohnungswesen, geht. Wir stimmen hier ausnahmsweise den Regierungsparteien zu, nicht um diesem oder jenem Herrn Hausbesitzer eine höhere Rente zu verschaffen, sondern weil diese Dirige an die Ursachen der Wohnungsnot überhaupt rühren.
Den stark erhöhten Ausgaben für die Unterhaltung des _Hausbesitzes — Reparaturen, Handwerkerlöhne, Materialien — stehen gestoppte Mieteinnahmen gegenüber. Daß dieses Exempel auf die Dauer nicht aufgeht, dürfte jeder Einsichtige inzwischen wohl bemerkt haben. Aber das ist nicht das Schlimmste; denn schließlich haben die Hausbesitzer an sich ihre Sachwerte ganz gut über die Abwertung hinübergebracht. Doch diese rein vermögensrechtlichen Fragen berühren den Lastenausgleich und stehen hier nicht zur Debatte.
Hier steht in der Tat allein die Rentabilitätsrechnung zur Debatte, die von dem SPD-Abgeordneten Klabunde bereits angeschnitten worden ist. Es ist ihm schon von Dr. Preusker mit Recht entgegengehalten worden, daß bei der Frage des Erlasses der Zinsen für die Umschuldungsgrundschuld die Verzinsung des Eigenkapitals nicht berücksichtigt wird. Das heißt: ein Erlaß der Zinsen der Umschuldungsgrundschulden tritt erst dann ein, wenn die Rentabilität des Eigenkapitals unter Null ist. Die Rentabilität im eigentlichen Sinne ist aber bereits nicht mehr gegeben, wenn die Verzinsung etwa 1 oder 2 oder .3 % beträgt, also unter dem normalen Sparkassenprozentsatz liegt.
Aber alle diese Dinge sind für die Entscheidung der Deutschen Reichspartei nicht allein ausschlaggebend gewesen, vielmehr folgendes: Verheerend wirken solche Tendenzen, wie sie der SPD-Antrag aufweist, auf die Neubautätigkeit! Denn ein Mietshaus zu bauen, ist heute ein absolut sicheres Verlustgeschäft. Zur Zeit werden noch einige Häuser mit unverzinslichen Mieterzuschüssen finanziert. Das dürfte noch eine Zeitlang, einige Monate vielleicht, gut gehen; dann sind auch diese Mittel erschöpft. Wie aber soll bei dieser Situation cier Wohnungsbau organisch in Gang kommen? Sie wissen genau, auch die Hühner legten bei gestoppten Preisen keine Eier. Wie glauben Sie bei dieser Sachlage die Herren Finanzgewaltigen dazu zu bringen, Häuser zu bauen?
Wir können aber bei einer solch wichtigen Angelegenheit, wie sie das Wohnungswesen darstellt, auf die Privatinitiative ebensowenig verzichten wie auf anderen Gebieten des Wirtschaftslebens.
— Ja, da ist ein faules Ei. Staatliche Subventionen nämlich! Sie sind immer zeitbedingter Natur und belasten den öffentlichen Haushalt so sehr, daß man sie auf die Dauer nicht als alleintragendes Element in Rechnung stellen darf. Bei solchen Besorgnissen wäre es geradezu verantwortungslos, aus Effekthascherei einer weiteren Belastung des Hausbesitzes das Wort zu reden. Die Deutsche Reichspartei wird daher gegen den SPD-Antrag stimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Etzel. 12 Minuten!
Meine Damen und Herren! Ich beantrage für meine Fraktion, die Ausschußanträge anzunehmen. Die Rentabilität des Haus- und Grundbesitzes ist eine so vielseitig diskutierte und auch so vielseitig und nicht nur von Interessentengruppen untersuchte Frage, daß das, was hier heute vorgetragen worden ist, doch nicht recht glaubhaft erscheint. Wir solten uns nur eins einmal klarmachen. Wir haben heute die Situation, daß das allgemeine Mietpreisniveau durch die Stopp-Preisverordnung von 1936 auf einen Satz von 120 % der Miete von 1914 festgelegt worden ist. Ein paar kleine Varianten, die ausnahmsweise hier zugelassen sind, will ich in den Hintergrund stellen. Wir haben also die Situation, daß wir eine Miete haben, die höre und schreibe 120 % von 1914 ist. Wenn wir das einmal mit dem allgemeinen Ansteigen nicht nur der anderen Lebenshaltungskosten vergleichen, sondern auch mit dem Einkommen, wenn ich darauf hinweisen darf, daß gemessen an 1938 allein das Durchschnittseinkommen bei ungefähr 160 liegt,
— an 1938 aber gemessen, dann ist hier eine Situation gegeben, die ganz zweifellos beweist, daß von seiten des Haus- und Grundbesitzes, also der Hauseigentümer, seit langen Jahren finanzielle Opfer gebracht werden, welche ganz außergewöhnlich sind und die dazu benutzt worden sind, um praktisch das Realeinkommen zu Lasten einer bestimmten Schicht zu erhöhen.
Sehen wir uns diese Schicht nun einmal in ihrer Struktur an. Man ist so in der flüchtigen Diskussion gern geneigt, anzunehmen, daß es sich bei den Haus- und Grundbesitzern im allgemeinen um vermögende Menschen handelt. So sind die Dinge aber ja nun nicht. Gewiß, es gibt vermögende Hau und Grundbesitzer. Aber die breite Schicht der deutschen Menschen hat bereits früher sehr gern mühselige Ersparnisse in Hausbesitz angelegt, um daraus eine Lebensrente zu bekommen. Diese Menschen sind - wenn wir uns erinnern, daß wir in der Miethöhe an 1914 gebunden sind — durch zwei Inflationen im wesentlichen um ihr sonstiges Ver mögen gebracht worden,
so daß sie heute gezwungen sind, zu einem wesentlichen Teil ihre Einnahmen aus den Mieten zu haben. Diese Einnahmen genügen aber nicht.
Ich kenne sehr gut die haus- und grundbesitzerliche Struktur im Ruhrrevier, und ich kann aus der persönlichen Kenntnis der Dinge sagen, daß die große Mehrzahl der Haus- und Grundbesitzer Kleinrentnerschichten sind, sehr viele arme, kleinverdienende Leute, auch sehr viele Arbeiter, auch sehr viele Angehörige Ihrer Parteien,
welche sich mit wenigen Ersparnissen ein Häuschen hingestellt und geglaubt haben, durch die Vermietung die Unkosten etwas niedriger gestalten zu können.
Ich weiß aus zahlreichen Haus- und Grundbesitzervereinen, daß es dort nicht möglich ist, die Beiträge, wie das sachlich infolge der allgemeinen Unkostensteigerung gegenüber den Friedensbeiträgen notwendig wäre, auch nur um 50 Pfennig monatlich zu erhöhen, weil die Kassierer übereinstimmend erklären, daß das Geld in breiten Schichten dazu nicht da ist.
Wenn man nun erstmalig nach dem Kriege hingegangen ist und allgemeine Erhöhungen abgewälzt hat, dann war es eine erste Erleichterung, die hier gewährt wurde und um deren Aufhebung es augenblicklich geht.
Ich kann Ihnen sagen, meine sehr verehrten Herren von dieser Seite des Hauses,
daß gerade aus Ihren Kreisen Dutzende von Leuten mir gegenüber ihre Empörung darüber zum Ausdruck gebracht haben, daß ausgerechnet in dieser Situation ein solcher Antrag von Ihrer Seite gekommen ist. Das müssen Sie sehen und das müssen Sie wissen.
Es ist ja auch gar nicht richtig, daß der Hausund Grundbesitz rentabel ist. Es ist hier schon gesagt worden: Ja, die Leute haben ihre Sachwerte gerettet! Bitte sehr, wer die letzten Diskussionen über den Lastenausgleich verfolgt hat, weiß, daß der so gerettete Haus- und Grundbesitz mit mindestens 50 % seines Wertes für den Lastenausgleich belastet werden soll, das nicht gerechnet, was an Vermögensabgaben, an Vermögensteuer für den Lastenausgleich nächstens herangezogen wird. Also nach der Seite hin, meine sehr verehrten Damen und Herren, sind die Dinge durch das, was demnächst durch den Lastenausgleich praktiziert wird. ja bereits in Ordnung gebracht.
Nun hat Herr Klabunde, dessen Sachkenntnis bei diesen Dingen sicherlich nicht zu unterschätzen ist, hier eine Rechnung aufgemacht, die mich allerdings außerordentlich überrascht hat. Er hat gesagt: Ja, der Haus- und Grundbesitz ist ja gar nicht mehr unrentabel; denn da, wo eine Unterbilanz ist, kann er über die Umstellungsgrundschuld mühelos diese Unterbilanz durch entsprechende Stundungsanträge erledigen. Sehr verehrter Herr Klabunde! Ich glaube, so kann man volkswirtschaftlich nicht rechnen. Und Sie sind - das Kompliment möchte ich Ihnen machen -
doch viel zu klug, um nicht zu wissen, daß man so auch nicht rechnen darf; denn ein Vermögen, das volkswirtschaftlich angelegt ist und sich nicht mehr rentiert, ist volkswirtschaftlich verloren. Hier machen Sie nun das Rechenkunststück, daß Sie sagen: Die Beträge, die über Umstellungsgrundschulden, die berühmte Staatsgrundschuld, nicht rentierlich gestellt werden können, können wir ja stunden, und die werden gestundet. Daß das nicht ganz so stimmt, hat Ihnen bereits Herr Dr. Preusker nachgewiesen. Aber dadurch wird ja die Rentabilität nicht hergestellt! Damit begehen Sie das Kunststück der Vernichtung eines großen Teils des Wertes unseres heutigen Grundbesitzes; denn Sie drücken diesen Wert dadurch auf ein Niveau herab, bei welchem die deutsche Volkswirtschaft eines großen Teils ihrer effektiven Werte beraubt würde. Also so kann man es nicht machen. Aber Sie machen einen zweiten Fehler in dieser Geschichte; denn gerade Sie wissen ganz genau, daß das Einkommen aus den Umstellungsgrundschulden in Höhe von rund 250 Millionen DM für den sozialen Wohnungsbau herangezogen wird. Wenn Sie nun hier plötzlich die Quelle zweimal ausschöpfen wollen - und das wollen Sie ganz offenbar —, dann weiß ich allerdings nicht, wie Sie rechnungsmäßig zurecht kommen wollen. Ich glaube also, daß man die Dinge so einfach nicht sehen darf.
Die Bestimmung, die hier aufgehoben werden soll, ist bereits seit längerer Zeit in Kraft, und ich habe nirgendwo gehört, daß die Abwälzung der entsprechenden Grundsteuererhöhungen zu irgendwelchen unerträglichen Zuständen geführt hätte. Ich habe aber sehr wohl gehört, daß diese Abwälzung manchem armen Teufel etwas mehr
Brot in den Kasten gebracht hat, als er vorher
darin hatte. Das sollte man hier nicht vergessen, und das sollte man mit aller Deutlichkeit
sehen und sollte man entsprechend respektieren.
Zu den Vorschlägen von Herrn Kollegen Paul möchte ich sagen, daß mich diese Vorschläge überraschen. Man kann natürlich sagen: Weil die Grundsteuererhöhungen umgelegt werden, tritt praktisch eine Mieterhöhung ein. Das ist logisch selbstverständlich richtig.
Ich könnte mir aber etwas anderes vorstellen, was sehr wesentlich wäre, daß man nämlich die Grundsteuererhöhungen nicht macht, um auf diese Weise Mieterhöhungen zu umgehen. Hier haben wir zum erstenmal wieder durch die parlamentarische Kontrolle in den Stadtparlamenten dafür zu sorgen, daß nicht durch unsinnige Erhöhungen von Steuern und durch eine unsinnige und wilde Ausgabenwirtschaft die Bevölkerung in allen ihren Schichten, ob Vermieter oder Mieter, herangezogen wird. Aus diesem Grunde sollte man gerade diese Seite, die von dem Kollegen Paul hier diskutiert worden ist, sehr in den Mittelpunkt der Dinge stellen und dahin drücken, daß eben die Grundsteuererhöhungen nicht vorgenommen werden.
Ich kann für die Stadt Duisburg, aus der ich komme und deren Ratsherr ich noch bin, darauf hinweisen, daß wir von der Landesregierung geradezu gezwungen worden sind, die Grundsteuererhöhung vorzunehmen. Es ist uns gesagt worden, daß wir sonst gewisse andere Ausgleiche nicht bekommen. So kann man nicht verfahren, das halte ich für einen schwerwiegenden Fehler. Und weil hier dieser Weg der Umlegung zum ersten Male wieder eine Kontrolle ermöglicht und breite Schichten der Bevölkerung auf diese Kontrolle hinweist, hat auch aus diesem Nebenwirkungsgrund jedenfalls die Argumentation keinen Platz, die Herr Kollege Paul hier vorgetragen hat.
Ich fasse zusammen. Nach der Struktur der Bevölkerung umfassen die Haus- und Grundbesitzer weitgehend alle Schichten, vom ärmsten Arbeiter bis zum vermögenden Menschen. Wir sind nach der derzeitigen Miethöhe mit dieser bescheidenen ersten Möglichkeit, einmal die zusätzlichen Lasten auf alle umzulegen, natürlich auch auf diejenigen Haus- und Grundbesitzer, die in den Häusern wohnen, zum erstenmal den Weg gegangen, der die Dinge gerecht verteilt. Ich bitte daher, dem Ausschußantrag stattzugeben.
Herr Abgeordneter Klabunde, noch zwei Minuten!
Meine Damen und Herren! Die Debatte hat Ihnen sicher gezeigt, daß das Problem sehr vielschichtig ist und wirklich gründlich untersucht werden sollte. Ich mache mich anheischig, die gegen meinen Standpunkt geltend gemachten Gründe der von mir sehr geschätzten Kollegen Preusker und Etzel zu widerlegen. Ich kann Ihnen statistisches Material vorlegen, daß meine Angaben richtig sind.
- Gut! Aber wir wollen das dann einmal vergleichen. Jedenfalls scheint mir doch die Tatsache, daß hier von beiden Seiten erklärt wird, sachliche Unterlagen bewiesen den Standpunkt, zu rechtfer-
tigen, daß wir das Thema noch einmal gründlich untersuchen und an Hand einer gründlichen Untersuchung und eines gründlichen Berichtes an den Ausschuß dann die Meinung des Hauses endgültig feststellen.
Ich bin deswegen beauftragt, vorzuschlagen, daß die Anträge des Ausschusses nach dem Bericht des Herrn Dr. Preusker an die Ausschüsse zurückverwiesen werden mit der Auflage, die Dinge gründlich zu untersuchen. Ich bitte Sie, diesem Antrag zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ewers.
Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir noch einige ganz kurze grundsätzliche Bemerkungen. Wir sind von der Bundesregierung und als Koalitionspartei gewillt, die freie Wirtschaft wieder einzuführen. Das geht auf dem Mietsektor noch nicht. Immerhin ist aber doch der Mietsektor nun nicht ein vollkommen weltfremdes, aus allen Bezügen herausgenommenes, selbständiges Wesen, sondern ein wesentlicher Teil des Haushalts und der Umwelt des Staatsbürgers. Die Grundsteuer spielt hierbei folgende Rolle. Die Grundsteuer ist eine Objektsteuer. Sie wird berechnet nach dem Einheitswert des Steuerobjekts. Ob der Steuerpflichtige ein steinreicher Mann oder ein armer Teufel ist, schiert den Steuerfiskus gar nichts, sondern hier ist ein Objekt, das mit Steuer belegt ist.
Warum geschieht das? Das geschieht zum Nutzen der Gemeinden. Warum müssen die Gemeinden Grundsteuer erheben? Die Grundsteuern sind Ablösungen für die Unterhaltung der Straßen und Wege, für die Unterhaltung der Siele, für Beleuchtung und Reinigung der Straßen. So sind sie historisch entsanden. Daraus erklärt sich, daß die Gemeinden in irgendwelchen Formen seit jeher, seit etwa 50 Jahren in Form der Grundsteuern diese Gebühren einheben. Deswegen hat auch niemals ein Reichs- oder Bundesminister daran gedacht, diese Grundsteuern etwa zu Bundes- oder Reichssteuern zu machen. Ich frage mich nun: wie soll eigentlich derjenige, der das ihm gehörende Mietshaus nicht allein bewohnt, dazu kommen, seinen Mitbewohnern diese Lasten für Straßenbeleuchtung, Straßenreinigung, Straßenunterhaltung un Siele abzunehmen? Er würde ja für seinen eigenen Wohnbedarf in seinem Einfamilienhaus eine unendlich geringere Grundsteuer bezahlen, weil das Objekt viel geringer ist.
Daraus ergibt sich für mich als eine ganz selbstverständliche Folge, daß man, wenn man in Mietskasernen-Städten die Grundsteuer nicht auf die Mieter umlegen kann, was bei der freien Wirtschaft eine klare Selbstverständlichkeit wäre, worüber überhaupt kein Mensch je ein Wort verloren hat, auch im System der Zwangswirtschaft diese Selbstverständlichkeit nicht beseitigen darf, da sonst diese Objektsteuer, die die Allgemeinheit für sich nutzt, auf bestimmte Schichten abgewälzt würde. Denn jedem Staatsbürger, jedem Einwohner kommen die Wohltaten der Straßenreinigung, der Beleuchtung, der Siele usw. zugute. Diese Steuerschuld würde also auf eine kleine, beschränkte Schicht von Staatsbürgern abgewälzt, bei denen in keiner Weise feststeht, wie reich oder wie arm sie sind, nur infolge der äußeren Tatsache, daß sie nun einmal eingetragene Grundeigentümer sind.
Daß das steuergerecht sei, das wird man mir mit Menschen- und Engelszungen und auch mit Tausenden Seiten von Statistiken, Herr Klabunde, nicht einreden können, sondern das ist einfach der Mißbrauch der Zwangswirtschaft gegenüber einer steuerlichen Sachlage. Deswegen meine ich: Mögen die Experten sich gerne noch einmal an Hand von Statistiken unterhalten; ich habe nichts dagegen einzuwenden. Ich persönlich bin mit meiner Rechts- und Steuermoralauffassung in dieser Beziehung völlig unbelehrbar und ich bedaure, daß man das der Allgemeinheit mühsam auseinandersetzen muß, daß nicht jeder gerecht und billig denkende Staatsbürger und Mieter sich darüber klar ist: Der arme Vermieter kann diese Sonderkosten nicht tragen. Bei einer gesetzlichen Miete müssen sie berücksichtigt werden. Das wollte ich zum Schlusse doch noch gesagt haben.
Meine Damen und Herren, Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kunze. Bitte, 4 Minuten!
Wenn Fachleute auf dem jetzt debattierten Gebiet verschiedenes statistisches Material haben, dann scheint es mir wegen der Bedeutung der Frage allerdings zweckmäßig, dem Antrag Klabunde stattzugeben. Ich erkläre namens meiner Freunde, daß wir diesem Antrag bei der Abstimmung zustimmen werden.
Meine Damen und Herren! Weitere Redner zur Sache haben sich nicht gemeldet. Es liegt der geschäftsordnungsmäßige Antrag des Herrn Abgeordneten Klabunde vor: Rückverweisung der Drucksache Nr. 946 an den Ausschuß. Wird das Wort dagegen gewünscht?
— Ich stelle fest: das ist nicht der Fall. Wer für den Antrag auf Rückverweisung der Drucksache Nr. 946 an den Ausschuß ist
— zwei Ausschüsse, das sind Wiederaufbau und Wohnungsfragen und Wirtschaft, Federführung?
— Wohnungsfragen! —, wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Danke! Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich stelle eine bemerkenswerte Einmütigkeit des Hauses fest.
Meine Damen und Herren! Ich erteile jetzt nach § 85 der Geschäftsordnung Herrn Abgeordneten Ritzel das Wort zu einer
Erklärung.
Sie ist mir vorher ordnungsgemäß schriftlich zugegangen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, in meiner Eigenschaft als Vorsitzender des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität des Deutschen Bundestages die folgende Erklärung abzugeben:
Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität ließ durch seinen Berichterstatter, Herrn Abgeordneten Dr. Arndt, den Antrag auf Auf-
hebung der Immunität des Abgeordneten Schröter wegen der Anschuldigung der versuchten Erpressung begründen und die Immunität durch den heute gefaßten Beschluß des Bundestages aufheben. Während sich der Berichterstatter einer absolut objektiven und sachlichen Darstellung befleißigte, hat es der angeschuldigte Abgeordnete Schröter für zweckmäßig erachtet, in größter Eile und ohne Wissen seiner Fraktion, der CDU/CSU, die folgende Pressenotiz der Öffentlichkeit zu übergeben, deren Verbreitung auch trotz der Bemühungen einiger seiner Parteifreunde nicht mehr verhindert werden konnte.
Seine Erklärung lautet:
Auf Empfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität hob das Plenum des Deutschen Bundestages in seiner Sitzung vom 2. Juni die Immunität des Abgeordneten Schröter, Kiel, auf. Die Aufhebung erfolgte mit den Stimmen der Fraktion der CDU/CSU und war von dem Abgeordneten Schröter selbst seit Wochen betrieben worden. Schröter wollte sich damit gegen die ungeheuerlichen Verleumdungen der sozialdemokratischen Mehrheit in dem vom schleswig-holsteinischen Landtag eingesetzten Parlamentarischen Untersuchungsausschuß wehren.
- Mir sind darüber Mitteilungen gemacht worden, daß der Herr Abgeordnete Schröter damals aus ähnlichen Gründen veranlaßt worden sei, sein Mandat niederzulegen. Aber ich kann das nicht nachweisen.
Ich habe zu der unglaublichen und unverantwortlichen Art einer Verzerrung der Berichterstattung über den Beschluß des Deutschen Bundestages und über die Vorbereitung dieses Beschlusses durch den Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität folgendes festzustellen:
Die Empfehlung des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität an das Plenum des Deutschen Bundestages auf Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schröter, Kiel, erfolgte nicht aus dem Grund, den der Abgeordnete Schröter in falscher Darstellung der Beweggründe der Öffentlichkeit unterbreitet, sondern aus dem dringenden Bedürfnis, im Interesse des Ansehens des Deutschen Bundestages eine gerichtliche Abklärung darüber herbeizuführen, ob und inwieweit der behauptete Erpressungsversuch einem Abgeordneten des Deutschen Bundestages wirklich zur Last gelegt werden kann. Eine Bereinigung der Atmosphäre liegt gerade bei einem derartigen Verdacht nicht nur im Interesse des beteiligten Abgeordneten, sondern vor allem im Interesse des Deutschen Bundestages selbst. Der persönliche Standpunkt des Abgeordneten Schröter wurde daher ausdrücklich als unerheblich erklärt.
Ich spreche als Vorsitzender des zuständigen Ausschusses wegen des offensichtlich bewußt erweckten falschen Eindruckes mein Befremden und mein Bedauern über das Verhalten des Abgeordneten Schröter aus. Herr Abgeordneter Schröter hätte zweckmäßigerweise aus Gründen einer selbstverständlich gebotenen Zurückhaltung in dieser Sache schweigend die richterliche Entscheidung abwarten sollen.
Ich stehe nicht an, zu erklären, daß sich sowohl die sachlichen Ausführungen des Berichterstatters, Herrn Abgeordneten Dr. Arndt, als auch die von dem Bemühen, Verständnis für den angeschuldigten Abgeordneten zu erwecken, getragenen Ausführungen des Herrn Abgeordneten Gengler wohltuend abhoben von der eine Absicht der Beeinflussung der öffentlichen Meinung allzu deutlich verratenden, persönlich gefärbten Stellungnahme des angeschuldigten Abgeordneten selbst.
Wird das Wort gewünscht? — Herr Abgeordneter Kunze, bitte!
Meine Damen und Herren! Ich sehe mich veranlaßt, zu dieser von dem Herrn Vorsitzenden des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität abgegebenen Erklärung, die nach meiner Auffassung zu einem gewissen Teil die Grenze des Rechts zur Abgabe einer Erklärung durch den Vorsitzenden eines Ausschusses überschritt,
: Weitgehend überschritten! —
in aller Deutlichkeit zu sagen, daß ein Abgeordneter, gegen den die SPD-Fraktion des schleswigholsteinischen Landtages derart schwere Anschuldigungen erhoben hat, ein Recht darauf hat, zu fordern, daß er sich gegen diese Anschuldigungen zur Wehr setzen kann. Infolgedessen ist er durchaus berechtigt, in maßvoller und sorgfältiger Form diesem seinem Anliegen Ausdruck zu geben und seine Stellungnahme zu der Entscheidung der Öffentlichkeit darzulegen. Wir legen keinen Wert darauf, meine Herren von der sozialdemokratischen Fraktion, daß der sozialdemokratische Berichterstatter und der sozialdemokratische Abgeordnete, der Vorsitzender dieses Ausschusses ist, allein zur Öffentlichkeit sprechen, während der Angeschuldigte bis nach den Wahlen in Kiel schweigen soll, bis das Gericht Recht gesprochen hat. Wir legen Wert darauf, zu betonen, daß die Ehre unseres Kollegen Schröter auch unsere Ehre ist und daß wir hinter ihm stehen, wenn er sein Recht sucht.
Ich habe das im Namen meiner Fraktion zu erklären.
Keine Zwiegespräche
bitte! Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Arndt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es liegt mir lediglich daran, den anscheinend mit parlamentarischen Gepflogenheiten bisher nicht hinreichend vertrauten Herrn Abgeordneten Kunze darauf hinzuweisen, daß es „sozialdemokratische Berichterstatter" hier in dem Hause nicht gibt.
Ich habe im Namen des Ausschusses Bericht erstattet
und habe nichts gesagt, was nicht die Auffassung des Ausschusses gewesen ist, wie der leider jetzt nicht mehr anwesende Herr Kollege Gengler mir noch nachträglich ausdrücklich bestätigt hat. Ich muß deshalb eine solche unparlamentarische Art der Polemik des Herrn Kollegen Kunze auf das schärfste zurückweisen.
Meine Damen und Herren, wenn das Wort nicht weiter gewünscht wird, darf ich diesen Punkt für erledigt erklären.
Wir kommen zum letzten Punkt der Tagesordnung:
Beratung des Interfraktionellen Antrags betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich darf annehmen, daß dieser interfraktionelle Antrag Drucksache Nr. 967 Ihr Einverständnis findet.
Damit sind wir am Ende der Tagesordnung. Ich bin dieses Mal zu meinem Bedauern nicht in der Lage, den Termin der nächsten Sitzung anzugeben, weil wir erst heute abend um 7 Uhr im Altestenrat darüber eine Entscheidung treffen werden. Sie werden aber spätestens bis morgen mittag in Ihrer Heimat die nötige Nachricht vorfinden. Wir werden dafür sorgen, daß Telegramme nicht vor 7 Uhr zugestellt werden.
Ich schließe hiermit die 66. Sitzung des Deutschen Bundestages.