Rede von
Dr.
Victor-Emanuel
Preusker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Bei dem Antrag der SPD, Drucksache Nr. 772, handelt es sich um die Forderung an die Bundesregierung, die Anordnung Nr. 72/49 der Verwaltung für Wirtschaft vom 6. 9. 1949 aufzuheben, nach der eine Abwälzung von Gebührenmehrbelastungen und Grundsteuererhöhungen auf die Mieter unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen wurde, nämlich einmal unter der Voraussetzung, daß durch die Grundsteuererhöhung tatsächlich eine Mieterhöhung um mehr als 1 % herauskommt, und zum zweiten, daß diese Mieterhöhung im Wege der Vereinbarung mit dem Mieter zustande kommt. Im anderen Fall war der Vermieter auf die Mietaufhebungsklage verwiesen.
Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik ist für die Behandlung dieses Antrags der SPD-Fraktion federführend gewesen. Gleichzeitig war aber auch der Ausschuß für Wiederaufbau und Wohnungsbau damit befaßt. Beide Ausschüsse haben sich dem Antrag und den vorgebrachten Argumenten der SPD-Fraktion nicht anschließen können und sind mit Mehrheit zu dem Beschluß gelangt, diesen Antrag der SPD-Fraktion zur Ablehnung zu empfehlen. Dabei ist in beiden Ausschüssen einmal die Überlegung maßgebend gewesen, daß auch bereits nach dem ersten Weltkrieg in dem Zeitraum der Zwangsbewirtschaftung der Wohnungen nach dem Reichsmietengesetz bis 1937 die Weiterwälzung der Grundsteuererhöhung zulässig gewesen ist; insofern wurde also durch die Anordnung Nr. 72/49 nur der Zustand wiederhergestellt, der auch bereits in der Zeit vorher bestanden hat und nur für den Zeitraum von 1937 bis zum Erlaß dieser Anordnung der VfW aus anderen Gründen unterbrochen war.
Zum zweiten war materiell von ausschlaggebender Bedeutung für die Mehrheitsbildung in beiden Ausschüssen, daß nach den Angaben, die vom Wirtschaftsministerium vorgelegt worden sind, die Unkostenbelastung des Hausbesitzes gegenüber 1939 im Durchschnitt etwa um 15 % gewachsen ist und daß man bei der anerkannt vorhandenen Unrentabilität des gesamten Hausbesitzes, namentlich des Althausbesitzes, diesem nicht allein die Tragung der gesamten Mehrlasten zumuten kann. Es kam
hinzu, daß beide Ausschüsse berücksichtigen mußten, daß namentlich die Althausmieter sich in einer relativ bevorzugten Lage gegenüber den vielen Neuhausmietern befinden, da ihre Mieten gegenüber der Zeit vor dem Kriege praktisch unverändert geblieben sind, also nicht in dem Ausmaß der Unkostenbelastung erhöht wurden. Sie liegen überhaupt im Niveau erheblich niedriger, als die Neuhausmieten liegen, so daß bereits eine erhebliche Begünstigung vorliegt, die durch die Aufhebung der Anordnung der VfW noch weiter zu Lasten des Hausbesitzes vergrößert würde.
Dritter wesentlicher Punkt für die Meinungsbildung beider Ausschüsse war' die Erwägung, daß auch in den Fällen, in denen tatsächlich ein unbelasteter und nicht durch Umstellungsgrundschulden gegenwärtig belasteter Hausbesitz vorliegt, die Abwälzung nicht zumutbar sei; einmal mit Rücksicht auf die allgemeine Kostenlage, zum zweiten aber auch mit Rücksicht auf den Lastenausgleich, da man ja die Substanz für den Lastenausgleich und die Aufbringung der Lasten und Abgaben für den Lastenausgleich nicht in dieser Weise zusätzlich schmälern und gefährden dürfe.
Schließlich ist auch noch daran gedacht worden, daß das ganze Problem nur dadurch entstehen konnte, weil nach 1945 die Länder ihre Gemeinden angewiesen haben, die Grundsteuer heraufzusetzen. Teilweise haben sie diese Anweisung sogar mit der Ankündigung verbunden, daß Überweisungen an die Gemeinden im Wege des Finanzausgleichs nur dann erfolgen würden, wenn zuvor die Höchstsätze der Grundsteuer ausgeschöpft worden wären. Es entsteht die Frage, wie dem einzelnen Staatsbürger die Güte und mehr oder weniger große Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung überhaupt noch vor Augen geführt werden könne, wenn er die Auswirkungen solcher steuerlichen Maßnahmen auch im allergeringsten nicht mehr zu spüren bekäme. Also auch diese erzieherische Wirkung, an die man bei dem Erlaß Nr. 72/49 mit in erster Linie gedacht hatte, indem den Gemeinden nahegelegt wurde, die Grundsteuererhöhungen bis zum 31. 3. 50 wieder rückgängig zu machen, um eben den Zwang zu einer Mieterhöhung nicht entstehen zu lassen, hat bei den Überlegungen der Ausschüsse eine Rolle gespielt.
Dementsprechend möchte ich Sie als Berichterstatter des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen und des Ausschusses für Wirtschaftspolitik zusammenfassend bitten, entsprechend dem Antrag Drucksache Nr. 946 den Antrag der Fraktion der SPD betreffend Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter — Nr. 772 der Drucksachen — abzulehnen.