Rede von
Gustav
Herbig
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Ich danke vielmals für den Schutz, Herr Präsident.
Man ging also mit einer ganz verdächtigen Eile ans Werk. Damals hatte man Zeit, jetzt auf einmal nicht mehr, die hohe Bürokratie nämlich. Erst durch den Antrag aller Fraktionen mußte sie dahingebracht werden, sich endlich die Zeit zu nehmen, die nötig ist, wenn man an die Herabsetzung der Preise für Genußmittel herangehen will.
Als damals die Einkommensteuer herabgesetzt wurde — eine Bevorzugung hauptsächlich für die Steuerzahler in den höheren und mittleren Einkommenstufen —, motivierte der Herr Finanzminister das im Hinblick auf den zu erwartenen Rückgang des Steueraufkommens mit der Hoffnung, daß sich die Steuermoral und damit später auch die Steuereingänge wieder heben würden. Ich glaube, der Herr Finanzminister würde nicht gut tun, seine Kräfte allzusehr in einer Art Hellseherei zu verschwenden.
Bis jetzt ist noch keineswegs erwiesen, ob tatsächlich eine Besserung der Steuermoral eingetreten ist. — Im übrigen: das Wort „Besserung" möchte ich zurücknehmen; denn besser ist der Komperativ von gut, und bisher konnte ich mich nicht überzeugen, daß die Steuermoral gut sei. Also wir werden glücklich sein, wenn er uns, sobald er die Bilanz wird vorlegen können, sagen kann, daß die Steuermoral eine gute geworden ist, wenn auch nicht eine bessere.
Nun, meine Damen und Herren, bei der Herabsetzung der Verbrauchssteuern entwickelt der Herr
Finanzminister eine bedeutend geringere Eile. Wenn ich recht gehört habe und die Presseäußerungen richtig lese, so will der Herr Finanzminister an die Herabsetzung der Verbrauchssteuern nicht gern herangehen. Wie er sich übrigens in Zukunft die Steuereingänge vorstellt, erhellt wohl aus einem Artikel der „Neuen Zeitung" vom 31. Mai, überschrieben mit „Schäffers Katastrophen-Finanzpolitik", wonach der Herr Finanzminister einbekennt, daß die Finanzlage des Bundes nicht nur nicht rosig, sondern recht trübe sei.
Nun, meine verehrten Anwesenden, ich habe die ganze Zeit versucht, mit dem Herrn Finanzminister ein wenig in der stummen Sprache zu reden, in den Gesten, im Lächeln usw., und bin zu der Überzeugung gekommen, daß er nichts unbeabsichtigt sagt, vor allem nie etwas sagt, was irgendeinem Einbekenntnis einer, sagen wir, falschen Meinung gleichkommen könnte. Bis zum Heroismus der Linken, die manchmal geradezu in perverser Wut eingesteht, daß sie sich geirrt hat, wird er sich, glaube ich, so bald sicher nicht aufschwingen. Aber ich glaube, nicht irrezugehen in der Annahme, daß hinter diesen Presseäußerungen ein anderer Grund steckt. Er sagt nämlich: Die Bundesfinanzkasse wird die Forderungen nicht erfüllen können, die bald an sie herangetragen werden von den Renten- und Fürsorgeempfängern, von den Heimatvertriebenen, von den Beamten und dergleichen mehr. Dort liegt der Hund begraben, Herr Finanzminister! Das heißt, Sie wollen heute schon diesem Sturm zuvorkommen; denn es haben es genug die Heimatvertriebenen, es haben es auch genug die Rentenempfänger, ewig mit Versprechungen abgespeist zu werden. Sie werden mit ihren Forderungen an Sie herantreten, und dem möchten Sie vielleicht gern zuvorkommen, indem Sie schon heute darauf aufmerksam machen, daß die Bundeskasse einem solchen Ansturm nicht gewachsen sein wird. Nun, wir werden auf der Wacht sein und warten vor allem schon recht sehr auf Ihre Bilanz.
Meine Redezeit ist abgelaufen, meine verehrten Damen und Herren.
Die Fraktion der SPD bittet Sie, den Antrag des Finanz- und Steuerausschusses anzunehmen.