Rede von
Paul
Krause
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DZP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DZP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der uns vorliegende Bericht über die Besatzungslasten ist ein wertvolles geschichtliches Dokument, denn es öffnet der trizonalen Öffentlichkeit endlich einmal zusammenfassend die Augen über das, was zu diesen Dingen zu sagen ist. Wer weiß denn überhaupt, daß etwas mehr als die Hälfte der unmittelbaren Bundeseinnahmen. daß ein Viertel der Einnahmen von Bund und Ländern und etwas mehr als ein Fünftel der Einnahmen aus sämtlichen Gebietskörperschaften der Bundesrepublik einschließlich des Bundes selbst heute die Besatzungskosten ausmachen? Wir bedauern das, weil wir der Auffassung sind, daß dadurch zahlreiche soziale Aufgaben bis auf weiteres unberücksichtigt bleiben müssen.
Auf alle Fälle aber begrüßen wir diesen Bericht und wünschen wir, daß er in weitesten Kreisen des Bundesgebietes beim staatsbürgerlichen Unterricht in den höheren Klassen aller Schulen verwendet wird. Wir schließen uns auch dem Dank an, der hier schon von den verschiedensten Seiten ausgesprochen worden ist und sich an diejenigen Abgeordneten aller Fraktionen gerichtet hat, die dem Ausschuß für Besatzungsstatut und Auswärtige Angelegenheiten angehören.
Wir wollen aber die Gelegenheit der heutigen Debatte nicht vorübergehen lassen, ohne einmal darauf hinzuweisen, daß es doch nach unserer Auffassung notwendig wäre, endlich einmal zur Vermeidung weiterer Unruhen und rechtlicher Unsicherheit die beschlagnahmten Grundstücke freizugeben; soweit das schon geschehen ist und neue bauliche Aufwendungen nötig sind, müßten diese Dinge auch mit Hilfe des Bundes oder der Alliierten finanziert werden können. Denn es hat sich ja inzwischen herumgesprochen, daß die in vielen Fällen das normale Maß überschreitende Abnutzung und die Beschädigungen der Wohnungen dazu geführt haben, daß für die Entschädigungen hohe Beträge erfordert werden. Allein in einer bestimmten Zone sollen das mehr als eine Viertel Milliarde Mark sein.
Ich darf auch von dieser Stelle aus an die Alliierten die Bitte richten, ihr Augenmerk ganz besonders auf die Städte und Dörfer zu richten, in denen nicht nur Angehörige der Besatzungsmächte, sondern -- ich denke jetzt an die Gegend von Lippstadt und Paderborn — noch Polen Häuser in ganzen Straßenzügen bewohnen. Ich denke da übrigens auch an Lippspringe, aber auch an Bayern, wo Tschechen noch in deutschen Privathäusern sitzen. Ich würde also wünschen, daß man sich auch einmal mit diesen Dingen beschäftigt und daß man seitens der Alliierten dazu beiträgt, daß hier eine Änderung eintritt. Denn man kann einfach kein Verständnis dafür haben, daß dieser Wohnraum noch fehlt, wo wir Millionen und aber Millionen Ausgebombter und Heimatvertriebener heute noch immer in menschenunwürdigsten „Wohnungen" wissen müssen.
Wir erblicken in diesen Dingen — in den Besatzungskosten, die wir aufbringen müssen — auch eine rein soziale Frage. Denn wir wissen, daß jede 5000 Mark ein Arbeitsplatz für einen Arbeiter. der eine Familie hat, und jede 10 000 Mark eine Wohnung für den Obdachlosen und seine Familie sind und Arbeit für jene bedeuten, welche die Wohnung bauen. Ich glaube, die Alliierten haben hinsichtlich der jede deutsche Leistungsfähigkeit trotz besten Willens übersteigenden Besatzungskosten unserem Volke mit seinen Millionenmassen Kriegs- und Nachkriegsopfer aller Gruppen gegenüber eine soziale Verpflichtung, wenn sie dazu beitragen wollen — und das müssen sie schon in ihrem ureigensten Interesse wollen —, den sozialen Frieden und hierdurch den Frieden in Europa mit wahren zu helfen.