Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe die Ehre, Ihnen heute im Auftrage des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten Bericht zu erstatten über die Anträge Drucksachen Nr. 8, 120, 148 und 201. Alle diese Anträge beziehen' sich auf das Gebiet der Besatzungslasten. Bei der Beratung der Anträge im Ausschuß sind wir der Ansicht gewesen, daß es zweckmäßig wäre, dem Hohen Hause zunächst einen schriftlichen Bericht zu erstatten. Dieser Bericht ist Ihnen als Drucksache Nr. 789 zugegangen; ich darf ihn bei meinen weiteren Ausführungen als bekannt voraussetzen.
Der schriftliche Bericht ist abgeschlossen auf den 1. März 1950. Am 1. April d. J. ist das Gebiet der Besatzungslasten gemäß Art. 120 des Grundgesetzes auf den Bund übergegangen. Ich werde nunmehr nur die Punkte noch unterstreichen und hervorheben, die anzuführen die in der Zwischenzeit eingetretene Entwicklung notwendig macht.
Die Besatzungslasten sind auch nach den Anforderungen der Besatzungsmächte für das neue Haushaltjahr der größte Posten unseres Haushalts. Sie sind nicht nur haushaltsmäßig von Bedeutung, sondern auch sozialpolitisch und volkswirtschaftlich. Der Ausschuß ist wohl mit allen Abgeordneten der Ansicht, daß unsere politische Hauptaufgabe darin besteht, die Verhältnisse in der Bundesrepublik zu konsolidieren. Das ist nicht nur eine Aufgabe der inneren Politik, sondern ist für uns ja auch eine auswärtige Verpflichtung, die wir in dem Abkommen über die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15. Dezember 1949 übernommen haben. Unsere Bemühungen, die Lebensfähigkeit oder, wie es englisch heißt, die viability in Deutschland zu erreichen, werden aber wesentlich gestört, wenn wir in unserem Haushalt einen Block von Ausgaben haben, der das Gleichgewicht gefährdet, der zahlreiche sozialpolitische Aufgaben unerfüllt läßt und die volkswirtschaftlich notwendigen Investitionen beeinträchtigt.
Der Ausschuß für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat nicht die Absicht, irgendwie an die den Besatzungsmächten gemäß Art. 2 e des Besatzungsstatuts zustehenden Vorrechte zu rühren. In diesem Artikel ist gesagt, daß die Besatzungskosten ein vorbehaltenes Gebiet der Besatzungsmächte seien, daß sie besondere Befugnisse auf diesem Gebiete hätten. Wohl aber ist zu wiederholen, daß die Besatzungslasten trotz dieser, wenn ich so sagen darf, juristischen und politischen Umzäunung, hinter der sie stehen, von einer tiefgreifenden Wirkung auf unser gesamtes soziales und wirtschaftliches Leben sind.
Angesichts der hohen Beträge, um die es sich handelt, ist es das erste Erfordernis, die Besatzungslasten haushaltmäßig zu begrenzen, damit nicht das Gleichgewicht des Haushalts durch Nachforderungen beeinträchtigt wird oder damit nicht überhöhte An-
forderungen gestellt werden. Diese überhöhten Anforderungen können dann auch dazu führen, daß gewisse Beträge nicht in Anspruch genommen werden. Dann besteht das Bestreben, sie nicht nur innerhalb der einzelnen Positionen zu übertragen, sondern auch auf das nächste Haushaltjahr vorzutragen.
Der Ausschuß ist der Ansicht gewesen, daß es für die Regierung und für die Hohe Kommission auch zweckmäßig wäre, zu überlegen, ob man nicht einen Gedanken aus den Reparationsabkommen der Jahre 1924 und 1929 wieder aufgreifen und zeitgemäß fortbilden sollte, nämlich so wie damals die Reparationslasten, so jetzt die Besatzungslasten in ein festes prozentuales Verhältnis zu den fortlaufenden ordentlichen Ausgaben unseres Haushaltes zu bringen.
Das zweite Erfordernis, das sich mit zwingender Notwendigkeit ergibt, ist das, die Besatzungslasten zu senken, Ausgaben zu vermeiden, wo es nur möglich ist. Ich denke hierbei an alle Gebiete der einzelnen Leistungen, an die Dienstleistungen, an die Sach- und Werkleistungen, an die Nutzungsleistungen usw. Ich glaube, es wäre wünschenswert, wenn auf diesem Gebiete ein möglichst enges und vertrauensvolles Verhältnis zwischen den Besatzungsmächten und den deutschen Behörden entstünde. Ich glaube, die Alliierten sollten die deutschen Behörden nicht nur als eine Art Gegenspieler ansehen, sondern doch auch als einen Helfer, der über genügend Takt und politisches Verständnis verfügt, um Ratschläge darüber zu erteilen, wo gespart werden kann.
In der letzten Zeit haben nun Auseinandersetzungen zwischen den Fachleuten auf beiden Seiten stattgefunden, ob gewisse Ausgaben auch tatsächlich Besatzungslasten genannt werden dürfen und als solche verbucht werden können. Ich glaube, von unserem Standpunkt aus geht eine solche fachmännische Auseinandersetzung etwas am Kern der Sache vorbei. Denn für uns handelt es sich ja nicht um finanztechnische Unterscheidungen und nicht darum, den Besatzungslastenhaushalt durch die Art der Verbuchung etwa zu beschönigen, sondern für uns handelt es sich im Kern doch immer wieder um den volkswirtschaftlichen und haushaltsmäßigen Gesamtaufwand, der durch die Anwesenheit der Besatzungsmächte, aber auch durch ihre Eingriffe in unser Wirtschaftsleben verursacht wird.
Hierzu gehören alle Summen, auch wenn sie nicht als Besatzungskosten verbucht werden dürfen oder nicht als solche bezeichnet werden sollen, die wir aber doch bezahlen müssen. Ich denke hier zum Beispiel an die sehr erheblichen Beträge, die für die Sozialversicherung der im Dienste der Besatzungsmacht stehenden Personen aufgewandt werden müssen. Es handelt sich immerhin doch um etwa 450 000 deutsche Arbeitskräfte und um eine Lohnsumme von etwa 1 1/2 Milliarden Mark im Jahr. Da machen die Sozialversicherungsbeiträge, die bezahlt werden müssen, natürlich einen sehr hohen Betrag aus. Wir betrachten diese als Kosten der Besatzung, auch wenn sie nicht als solche verbucht werden dürfen.
Ebenso liegt der Fall bei gewissen baulichen Leistungen, bei denen auch nicht alle als Besatzungskosten verbucht werden dürfen, oder bei den sehr erheblichen Kosten, die uns die Besatzungskostenämter verursachen. Denn die gesamte Verwaltung, die damit zusammenhängt, ist sehr umfangreich und dadurch kostspielig. Wir müssen auch die Verluste durch Besatzungsschäden hinzurechnen, die noch nicht erfaßt und nicht entschädigt sind und gleichfalls sehr hohe Beträge ausmachen. Ich bin der Ansicht, daß wir im Grunde auch alle Verluste, die unsere Volkswirtschaft durch die Eingriffe der Besatzungsmächte erlitten hat und dauernd noch erleidet, hinzurechnen müssen, nicht nur die Kosten der Demontage, nicht nur die Kosten für die Sprengung und die Verschrottung unserer Werke, sondern auch die Verluste, die durch die Senkung des Sozialprodukts infolge Wegfalls der Arbeitsplätze und die dadurch eingetretene Arbeitslosigkeit entstehen.
Ich komme nun zu den einzelnen Anträgen. Antrag Drucksache Nr. 120 Ziff. 1 beschäftigt sich mit der Frage des Zusammenwohnens von Angehörigen der Besatzungsmächte mit deutschen Staatsangehörigen. Dieses Zusammenwohnen ist in einer Zone bis heute noch verboten. Wegen der Einzelheiten darf ich mich hier auf den schriftlichen Bericht Seite 6 oben beziehen und an den Beschluß erinnern, den das Hohe Haus bereits am 1. Dezember letzten Jahres faßte und der in Drucksache Nr. 197 niedergelegt ist. Dort ist die Bundesregierung ersucht worden, ein Abkommen mit der Hohen Kommission über die Grundsätze für die Inanspruchnahme von privatem Wohnraum und Hotels zu schließen. Ich glaube, durch diesen Beschluß ist der Antrag Drucksache Nr. 120 Ziff. 1 als erledigt zu betrachten. Wir warten noch auf die Mitteilung der Regierung, was hierauf geschehen ist.
Die Anträge Drucksache Nr. 120 Ziff. 2 und Drucksache Nr. 148 beziehen sich auf ein sehr verwickeltes Problem, nämlich auf die Frage der Erstellung von Wohnraum für die Besatzungsmächte und dann noch auf die Frage der Freigabe von Mitteln durch die Besatzungsmächte für die Erstellung solchen Wohnraums. Ein Unterausschuß des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten hat sich mit Mitgliedern des Ausschusses für Wiederaufbau und Wohnungswesen über diese Angelegenheit beraten. Wir waren der Ansicht, daß es sich bei der Freigabe von Mitteln durch die Alliierten im Grunde doch nur wieder um Mittel handeln könnte, die letzten Endes direkt oder indirekt deutsche Mittel wären, es sei denn, daß man an die Mittel aus ERP und GARIOA denkt, über die sich die Besatzungsmächte die Verfügung selbst vorbehalten haben. Der Ausschuß ist jedoch der Ansicht, daß man in die Verfügung hierüber nicht hineinreden sollte und daß andere Aufgaben dann vielleicht vordringlicher wären.
Wohl aber ist zu sagen, daß für das neue Haushaltsjahr ein Betrag von etwas über 400 Millionen DM für bauliche Aufwendungen von den Besatzungsmächten angefordert sind und daß ein wohl erheblicher Teilbetrag dieser 400 Millionen DM auch für Wohnungsbauten abgezweigt wird. Es liegt hier also bereits eine Initiative der Besatzungsmächte vor, und es ist nur zu fragen, ob wir auch von deutscher Seite hier noch eine besondere Initiative entfalten sollten. Wenn man abwägt, was dafür und dagegen spricht, so spricht dagegen die Tatsache, daß der Bauaufwand für eine Wohneinheit bei den Besatzungsmächten mehrfach höher ist als der Bauaufwand für eine deutsche Wohnung. Umgekehrt ist freilich auch zu sagen, daß da und dort ganze Häuser freigegeben würden, in die auch wieder mehrere Familien eingesiedelt werden könnten. Es ist aber bemerkt worden, daß dort, wo Neubauten für die Besatzungsmächte erstellt worden sind, diese Neubauten häufig gar nicht bezogen werden und daß dadurch gar kein deutscher Wohnraum frei wird. Hinzu kommt noch die ganze verwickelte Regelung über die Möbel. Denn diese neuen Wohnungen
müssen auch ausgestattet werden, für die alten Möbel müssen die Eigentümer entschädigt werden usw.
Häufig sind auch zwischen örtlichen Besatzungsdienststellen und örtlichen Verwaltungsstellen, Ländern, Kreisen und Gemeinden Vereinbarungen über die Errichtung von neuem Wohnraum für die Besatzungsmächte getroffen worden. Ich möchte glauben, daß der Bund wohl nicht ohne weiteres die Kosten hierfür übernehmen könnte, wenn diese Kosten sich nicht im Rahmen der eben erwähnten 400 Millionen DM hielten.
Der ganze Stoff ist aber weit verzweigt und schwierig, und der Ausschuß möchte Ihnen daher vorschlagen, die Anträge Drucksachen Nr. 120 und Nr. 148 der Bundesregierung mit dem Ersuchen zu überweisen, im Benehmen mit dem Bundesrat Vorschläge für den Haushalt 1950 auszuarbeiten.
Der Antrag Drucksache Nr. 201 bezieht sich auf die Beschlagnahme von Sachgütern und deren Freigabe. Hiermit berühren wir eines der empfindlichsten Gebiete des ganzen Besatzungswesens; denn diese Beschlagnahmen greifen unmittelbar in die private und persönliche Habe ein. Da es sich um Hunderttausende von Betroffenen handelt, hat diese Frage auch ein gewisses politisches Gewicht. Im Interesse des guten Einvernehmens zwischen Besatzungsmächten und deutscher Bevölkerung möchte der Ausschuß für das Besatzungsstatut empfehlen, Maßnahmen zu ergreifen, die dahin gehen, daß hier Überprüfungen stattfinden können, und zwar unter Hinzuziehung deutscher Behörden; in einer Besatzungszone hat sich das bereits bestens bewährt. Dabei könnte dann festgestellt werden, welche Sachgüter, insbesondere Grundstücke und Wohnungen, nicht mehr benötigt werden und welche Beschlagnahmen die bestehenden Normen überschreiten. 0 Gleichzeitig wäre es wünschenswert, wenn die Bundesregierung vollends dafür Sorge trüge, daß einwandfreie statistische Unterlagen geschaffen und dem Hause vorgelegt würden, Unterlagen, aus denen hervorgeht, was an Grundstücken und Wohnungen tatsächlich noch beschlagnahmt ist.
Der Ausschuß ist ferner der Ansicht, daß das gesamte Vergütungs- und Entschädigungsrecht bezüglich der Besatzungsleistungen und der Besatzungsschäden nunmehr einheitlich geordnet und durch ein deutsches Gesetz geregelt werden sollte. Wegen der Einzelheiten auf diesem weit verzweigten Gebiet darf ich auch auf den schriftlichen Bericht Bezug nehmen.
Die Anträge, die der Ausschuß für Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten zu stellen hat, sind in der Drucksache Nr. 962 zusammengefaßt. Ich glaube, daß es nicht nötig ist, sie im einzelnen vorzulesen. Die Annahme der Anträge darf ich dem Hohen Hause empfehlen.