Rede von
Grete
Thiele
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Herren und Damen! Die kommunistische Fraktion hat bei der Eröffnung des Bundestags mit Drucksache Nr. 8 zur Frage der Besatzungskosten einen entscheidenden Antrag eingereicht, und zwar den Antrag, die Bundesregierung zu beauftragen, bei den Hohen Kommissaren dahingehend vorstellig zu werden, daß sie künftig nur noch 50 % der in den Ländern erhobenen Besatzungskosten zahlen kann. Dieser Antrag hat achteinhalb Monate im Ausschuß gelegen und wird jetzt in der vorliegenden Drucksache Nr. 962 unter Ziffer 2 für erledigt erklärt.
Ich frage Sie: was ist von diesem Antrag erledigt?
Sind etwa die Besatzungskosten gesenkt worden?
Diese Ziffer 2 verbunden mit Ziffer 4 veranlaßt uns, diesem Bericht die Zustimmung zu verweigern, weil er völlig unzureichend ist und die entscheidende Frage unseres Antrags außer acht läßt.
Die Punkte unter Ziffer 1 stellen allerdings eine gewisse Verbesserung gegenüber dem jetzigen Zustand dar, sofern sie tatsächlich durchgesetzt und auch ernsthaft in Angriff genommen werden. Weil wir uns deshalb nicht gegen die gesamte Vorlage aussprechen wollen, werden wir uns dabei der Stimme enthalten. Ich mache allerdings darauf aufmerksam, daß wir zu Ziffer 1 c einen Abänderungsantrag und den vollständigen Entwurf eines Entschädigungsgesetzes eingereicht haben. Ich möchte hier fragen: Was ist aus diesem Entschädigungsgesetz geworden?
Weiter haben wir jetzt dem Plenum den Abänderungsantrag eingereicht, die Regierung zu ersuchen, nicht nur dem Ausschuß für Besatzungsfragen - der so in etwa unter sich tagt —, sondern dem gesamten Bundestag und damit der Bevölkerung von dem Erfolg oder von dem Mißerfolg ihrer Bemühungen Bericht zu geben.
Ich möchte bei dieser Gelegenheit auf einen weiteren Antrag aufmerksam machen, der dem Präsidium bereits vorliegt. Es handelt sich um den Antrag, den wir Ihnen unter Drucksache Nr. 8 vorgelegt haben. Dieser Antrag geht dahin, die Bundesregierung zu beauftragen, den Hohen Kommissaren der Besatzungsmächte mitzuteilen, daß sie nicht mehr in der Lage und nicht mehr gewillt ist, mehr als die Hälfte der Gesamtsumme der Besatzungskosten für das letzte Rechnungsjahr zur Verfügung zu stellen. Nun, meine Herren und Damen, möchte ich gerade Ihnen, da Sie soviel von Ihrer Freiheit reden und da Sie sich nach der gestrigen Debatte nicht als Untertanen fühlen
bitte sehr, Sie haben Gelegenheit, durch die Zustimmung zu diesem Antrag tatsächlich Ihr Nein gegenüber dem provozierenden Luxus der Besatzungsmächte zu sagen, der sich in den Besatzungskosten und in allen übrigen Anforderungen ausdrückt, die in einer ganzen Reihe von Berichten der Länderregierungen dargelegt sind. Ich möchte hier an die Worte des Herrn Dr. Seelos anknüpfen. Es gibt authentische Berichte. Ich erinnere Sie nur an den Bericht des Finanzministers von Nordrhein-Westfalen, des Herrn Dr. Weitz. Aber was ist mit dieser Denkschrift geschehen? Sie mußte zurückgezogen werden.
Wie sehr die Besatzungskosten systematisch die Finanzen des westdeutschen Separatstaates ruinieren, beweist die Tatsache, daß die Regierung Adenauer — entsprechend ihrem reaktionären Charakter natürlich - sich nicht in der Lage sieht, die sozialen Verpflichtungen zu erfüllen. Wir haben es heute sehr deutlich von dem Finanzminister gehört. Wer aber ehrlich für die Erfüllung dieser sozialen Verpflichtungen ist, für die Erhöhung der Renten für die Kriegsopfer und ihre Hinterbliebenen, für den sozialen Wohnungsbau, für die Hilfe für die Jugend, die Kriegssachgeschädigten, die Umsiedler usw. usw., der muß auch dafür eintreten, daß die ungeheuerlichen Besatzungslasten entfallen. Wer aber die Besatzungsmächte als Schutz gegen die berechtigten Forderungen des Volkes halten will, wer sie als eine Garantiemacht betrachtet, wie das Dr. Adenauer für mindestens 45 Jahre für sich und seine Millionärsregierung und deren Hintermänner gefordert hat,
muß natürlich auch ja zu den Besatzungskosten sagen.
Diese volksfeindliche Regierung braucht natürlich die Besatzungsmächte als Garantiemacht.
Diese volksfeindliche Regierung braucht die Besatzungsmächte als Garantiemacht gegen alle Tendenzen der Überführung der Grundstoffindustrien
in die Hände des Volkes, gegen die Durchführung einer wirklichen Mitbestimmung der Arbeiterschaft, als Sicherung gegen die Durchführung einer wirklichen Mitbestimmung der Arbeiterschaft, als Sicherung gegen die Durchführung einer demokratischen Bodenreform und einer Justizreform und gegen die Durchführung einer mit allen Privilegien brechenden Schulreform. Die SPD-Fraktion, die aus ihrer antikommunistischen Konzeption selbstverständlich die Besatzungsmächte ebenfalls als Garantiewall gegen die Kommunisten gebraucht, wird sich darüber klar werden müssen, daß sie dann selbstverständlich auch den Besatzungskosten zustimmen muß. Wer den Antikommunismus zu seinem entscheidenden Programmpunkt gemacht hat, gerät natürlich automatisch auf die gleiche Linie wie die Adenauer- und Blücher-Regierung, ist automatisch Vollstrecker der amerikanischen Monopolisten und der Kriegstreiber.
Und nun gestatten Sie mir noch, den sehr vorsichtigen Bemerkungen des Berichterstatters einige Zahlen hinzuzufügen.
Südbaden hat von seinem Gesamtaufkommen an Steuern 47 % für Besatzungskosten zu zahlen, Nordrhein-Westfalen 41 %. Der Bund hat 52% zu zahlen. Bei einer geschätzten Einnahme von 8,7 Milliarden sind das nach den neuesten Eröffnungen des Herrn Finanzministers Schäffer 4 Milliarden 555 Millionen. Dabei ist gar nicht berücksichtigt, was der Berichterstatter so vorsichtig angetippt hat, was ich aber ganz offen sagen möchte: die Entnahmen aus der Produktion, die Beschlagnahme unserer Patente, der Raub unseres Goldes und die Kontrolle unserer gesamten Industrie nach dem neuen Gesetz 24.
— Ich möchte Ihren Zwischenrufen zuvorkommen und dem die großzügige Haltung der Sowjetunion gegenüberstellen.
— Sie mögen lachen!