Rede von
Erich
Klabunde
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bericht, den der Herr Kollege Dr. Preusker vorgetragen hat, geht von den üblichen Vorstellungen über Rentabilität und Unrentabilität im Miethausbesitz aus. Aber diese vorgeführten Meinungen lassen sich zu einem großen Teil nicht halten, sobald nur ganz kurz die kritische Sonde angesetzt wird. Ich möchte mir gestatten, Ihnen die wirkliche Lage vorzuführen, um dann die Frage zu stellen, ob Sie den Vorschlag des Ausschusses, unseren Antrag abzulehnen, tatsächlich noch akzeptieren wollen.
Die Theorie von der Unrentabilität des Althausbesitzes ist bis auf Ausnahmen, also auf den Regelfall bezogen, nicht nur falsch, sondern es liegt hier sogar noch eine echte Rentabilität vor. Ich gebe zu und betone es ausdrücklich, daß bis zu dem Gesetz vom 2. 9. 48, das der Wirtschaftsrat in Frankfurt für die Behandlung der Umstellungsgrundschulden beschlossen hat, ein anderer Zustand vorhanden war. Danach ist ein völliger Wandel eingetreten. Gleich, wie Sie entscheiden wollen, sollten Sie doch wenigstens die Tatsachen richtig und vollständig kennen. Jede in der Zwischenzeit eingetretene Unrentabilität, beispielsweise durch die tatsächlich sehr erhebliche Erhöhung der Reparaturkosten, ist nämlich dadurch aufgefangen, daß in allen deutschen Ländern ohne Ausnahme die Abführungsbeträge aus den Umstellungsgrundschulden in dem Maße reduziert worden sind, wie es der Ausgleich der gestiegenen Kosten erforderte.
Das muß ganz offen gesagt werden. Man könnte deutlicher formulieren: es ist auf Kosten der Mittel geschehen, die für die Zwecke des Lastenausgleichs zur Verfügung stehen sollen.
Ich halte allerdings die damalige Maßnahme für richtig, weil ohne sie in einer sehr kritischen Zeit eine sonst unvermeidbare Mieterhöhung gegenüber den gleichbleibenden Löhnen nicht hätte durchgesetzt werden können. Diese Maßnahme sei also nicht kritisiert, sondern nur als Faktum, das heute noch gilt, ausgesprochen. Hat jemand beispielsweise bei einer Wohnung 50 bis 100 DM Unrentabilität gehabt, so konnte er die Abführungsbeträge aus Zins- und Tilgungsgewinn um den gleichen Betrag verringern. In großen Gebieten, wo statistische Erhebungen vorliegen, sind je Wohnung 80 bis 100 DM Abführungsbeträge, die zunächst dem Fiskus zur Verfügung standen, erlassen worden, damit die Rentabilität des Althausbesitzes hergestellt wurde. Infolgedessen ist — im Gegensatz zu der Darstellung des Kollegen Dr. Preusker — der Althausbesitz gerade derjenige Teil, der heute rentabel ist.
Rentabilitätsschwierigkeiten liegen dagegen — aus Gründen, die hier nicht näher erörtert zu werden brauchen, aber doch stichwortartig genannt werden sollen — für den Neuhausbesitz vor, weil nämlich dort aus der sehr viel knapperen Kalkulation der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ständig ein gewisser Kostendruck vorhanden war. Es läßt sich aber für Althausbesitz von keinem Sachverstand das aussagen, was Herr Kollege Dr. Preusker —. ich gebe zu, übereinstimmend mit einer großen Interessentenorganisation, aber sicherlich ohne deren Willen vollstrecken zu wollen — gesagt hat. Stimmt aber die These von der Unrentabilität des Althausbesitzes nicht, so fallen natürlich die Folgerungen, die der Herr Kollege Dr. Preusker gezogen hat, weitgehend in sich zusammen.
Ich möchte auch noch eine weitere These, die er ausspricht, ganz klarstellen, nämlich die Vorteile für den Mieter. Er folgt der Theorie, wonach die Zusammendrängung der Menschen im Durchschnitt und sozusagen fast überall nicht nur die Mieten festgehalten, sondern sie sogar gesenkt hat. Eingehende Untersuchungen haben aber gezeigt, daß
die Mietbelastung für mehr als 50 % der Miethausbewohner deswegen der Höhe nach unverändert geblieben ist, weil die Wohnungen zu klein oder sowieso schon genügend stark belastet waren, so daß diese Wohnungen gar nicht aufnahmefähig waren. Wenn Sie nun eine Zahl genannt haben wollen: der Mietaufwand je Kopf der deutschen Bevölkerung betrug 1914 - Land und Stadt, arm und reich in einen Topf gerechnet — 72 Mark. Dieser Mietaufwand ist im Augenblick nicht etwa geringer, sondern er ist um mehr als 20 % höher, er beträgt jetzt 90 Mark. Wenn wir aber bei gleichbleibenden Mieten von heute ohne jene Mieterhöhung das Wohnungsbauprogramm, das hier vor rund 2 Monaten beschlossen wurde, durchgeführt haben, ist die Belastung jedes einzelnen Einwohners der deutschen Bundesrepublik von 72 Mark im Jahre 1914 auf 150 Mark gewachsen. Wir können also in keiner Weise die Theorie von dem Rückgang aufstellen, sondern wir haben allen Anlaß zu sagen: es findet eine Steigerung statt, und gestatten Sie mir, daß ich hinzufüge: eine à la longue unter dem Einfluß des Neubauens unvermeidbare Steigerung. Wie können wir also in dieser Zeit noch die Argumente derer akzeptieren, die die Möglichkeiten der Kostendeckung nicht erkennen wollen?
Es trifft auch nicht mehr zu, daß die Berechnungen des Bundeswirtschaftsministeriums richtig sind. Diese zu prüfen, hätte nämlich auch dazu gehört. Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat Ende 1948 eine sehr erhebliche Steigerung der Kosten der Wohnungen ausrechnen lassen; aber diese Kosten sind inzwischen schon erheblich gefallen. Damals war es der Bundeswirtschaftsminister, der eine Mieterhöhung erstrebte, welche nach dem von ihm ausgerechneten Satz über 20 % lag; er hat inzwischen selber zugeben müssen — und das ist ja durch die Nennung dieses Satzes von 15 % indirekt geschehen —, daß er damals zu hoch gegriffen hat, weil er aus einer sehr kurzen, episodenhaften Entwicklung langfristige Folgerungen ziehen wollte. Dasselbe geschieht hier.
Ich weise weiter darauf hin, daß der Stand der Miethausbesitzer vor 1914 das Leerstehen von Wohnungen kannte. Die Wohnungen standen damals in Großstädten — das Zahlenmaterial ist heute noch vorhanden - nicht nur hin und wieder leer, sondern es standen in einer Reihe von Städten 5 % bis 8 % aller Wohnungen leer, und man redete damals schon von einer Wohnungsnot, wenn nur 2 % der Wohnungen leer standen. Sie wissen alle, daß seit Jahren keine einzige Wohnung leer steht; Sie wissen weiter, daß Mietrückstände in der Gruppe, die uns hier interessiert, für die große Menge der Bevölkerung tatsächlich nicht vorhanden sind, außer in ganz bestimmten kritischen Fällen, auf die ich eingehen werde. Es gibt große Mietrückstände in Berlin, das hier außerhalb unserer Disposition liegt; es gibt Mietrückstände in bestimmten Städten bei sogenannten vornehmen Großwohnungen, und es gibt Mietrückstände in bestimmten sozial sehr schlecht gestellten Gebieten; als eine deutsche Massenerscheinung gibt es erfreulicherweise diese Mietrückstände nicht. Das heißt also, daß der Betrag für Mietausfälle, für Leerstehen oder Nichtzahlen, der mit 2 %, teilweise 3 % einkalkuliert ist, schon seit Jahren in der Regel nicht in Anspruch genommen zu werden braucht.
Das ist die wahre Lage des Althausbesitzes wie des Hausbesitzes überhaupt. Angesichts dieser Tatsache bedauern meine Freunde und ich sehr, daß die Ausschußmehrheit die Darstellung einer Interessentengruppe ohne eingehende Prüfung übernommen hat und sich deswegen von uns sagen lassen muß, daß ihre Angaben objektiv nicht zutreffen. Ich habe in allen Hinweisen betont, daß diese Feststellungen in der Regel gelten und daß Ausnahmen natürlich vorhanden sind. Deswegen haben wir gegenüber der sehr schema- tischen Maßnahme des Herrn Bundeswirtschaftsministers von vornherein erklärt, es gäbe einen Weg, der durchaus zum Ziele führen würde.
Wenn man nämlich die Fälle, in denen es wirklich notwendig ist, einmal einer Nachprüfung unterzöge, dann würde sich herausstellen: es sind bestimmt keine 10 % des Wohnungsbestandes, sondern weniger. Wir wollen natürlich nicht durch eine Maßnahme, die eine Gebührenerhöhung zur Folge hat, eine echte Unrentabilität eintreten lassen. Aber wir wollen auch dem Eigentümer nicht die Möglichkeit geben, den Betrag, der ihm via Lastenausgleich zufließt — lies Gesetz vom 2. September 1948! —, nach den Bestimmungen von Herrn Professor Erhard noch einmal einzuheben, wenn er will. Er braucht es nicht, aber die Möglichkeit hat er! Und selbst diesen wichtigen Hinweis, den wir gemacht haben, haben Sie leider übersehen.
Ich schlage daher dem Hohen Hause vor, dem Vorschlag des Berichterstatters, des Kollegen Dr. Preusker, nicht zu folgen, sondern weitere Überlegungen über dieses Thema einzuleiten.