Rede:
ID0106606500

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    Deutscher Bundestag. — 66. Sitzung. Bonn, Freitag, den 2. Juni 1950 2411 66. Sitzung Bonn, Freitag, den 2. Juni 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . 2412D, 2439A, D Anfrage Nr. 77 der Abg. Strauß, Dr. Jaeger u. Gen. betr. Relombardierung der zwischen der Bundesbahn und der bayerischen Staatsregierung getroffenen Abkommen Drucksachen Nr. 933 und 1005) . . . 2412D Anfrage Nr. 79 der Fraktion der SPD betr. Gewährung von Blindengeldern an Zivilblinde (Drucksachen Nr. 950 und 994) . 2413A Zur Tagesordnung 2413A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität über das Ersuchen des Landesministers der Justiz von Schleswig-Holstein vom 8. Mai 1950 betr. Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Schröter (Drucksache Nr. 989) 2413A, 2447D Dr. Arndt (SPD), Berichterstatter . 2413B Gengler (CDU) 2415B Interpellation der Abgeordneten Leddin, Bazille, Diel, Geritzmann, Frau Dr. Hubert, Frau Schanzenbach, Pohle und Fraktion der SPD betr. Einstellung von Schwerbeschädigten (Drucksache Nr. 862) . . . 2415D Leddin (SPD), Interpellant 2415D Sauerborn, Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit 2416C Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gewerbesteuer für die Zeit vom 21. Juni bis 31. Dezember 1948 und für das Kalenderjahr 1949 (Drucksache Nr. 944) . 2417A Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, FDP und DP eingebrachten Entwurfs eines Richterwahlgesetzes (Drucksache Nr. 955) 2417A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Erstreckung und zur Verlängerung der Geltungsdauer des GüterfernverkehrsÄnderungsgesetzes (Drucksache Nr. 956) . 2417B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Senkung der Tabaksteuer für Zigarren (Drucksachen Nr. 940 und 856) 2417B Eickhoff (DP), Berichterstatter . . 2417B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen betr. Senkung der Tabak-, Kaffee- und Teesteuer (Drucksachen Nr. 964, 865, 868, 885, 538, 800, 877) in Verbindung mit der Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Besold und Fraktion der Bayernpartei betr. Tabakbesteuerung (Drucksache Nr. 927) 2418B Scharnberg (CDU), Berichterstatter 2418B Dr. Etzel (Bamberg) (BP), Antrag- steller 2419B Schäffer, Bundesminister der Finanzen 2419D Herbig (SPD) 2420D Dr. Wellhausen (FDP) 2421D Kohl (Stuttgart) (KPD) 2421B Dr. Bertram (Z) 2422D Dr. Besold (BP) 2423B Dr. Richter (Niedersachsen) (DRP) 2424A Dr. Leuchtgens (DRP) 2424B Ewers (DP) 2424C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für das Besatzungsstatut und auswärtige Angelegenheiten betr. Besatzungslasten (Drucksachen Nr. 962, 8, 120, 148 und 201) in Verbindung mit dem Mündlichen Bericht des Haushaltsausschusses über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Abgeltung von Besatzungsleistungen und Besatzungsschäden (Drucksachen Nr. 997 und 667) 2413A, 2425B Dr. Pfleiderer (FDP), Berichterstatter 2425C Erler (SPD), Berichterstatter . . . . 2427B Dr. Seelos (BP) 2427D Euler (FDP) 2431C Dr. Brill (SPD) 2433A Krause (Z) 2435B Kemper (CDU) 2435D Dr. Wuermeling (CDU) (zur Geschäftsordnung 2436C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen des Gesundheitswesens über den Antrag der Abgeordneten Dr. Decker, Dr. Etzel (Bamberg), Dr. Baumgartner, Dr. Seelos und Fraktion der Bayernpartei betr. Vorlage eines Gesetzentwurfs zur Bekämpfung der Fälschung von Nahrungs- und Genußmitteln (Drucksachen Nr. 903 und 663) 2437A Ehren (CDU): als Berichterstatter 2437A als Abgeordneter 2438D Dr. Decker (BP) 2437D Arnholz (SPD) 2438A Unterbrechung der Sitzung . 2439A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und des Films über den Antrag der Abgeordneten Dr. Richter und Genossen betr. Vorlage eines Bundespressegesetzes (Drucksachen Nr. 934 und 560) 2439A Brunner (SPD), Berichterstatter . 2439B Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Abgeordneten Paschek und Genossen betr. Hilfe für die Korbmacherindustrie in Oberfranken (Drucksache Nr. 945 und 763) 2439D Etzel (Duisburg) (CDU), Berichterstatter 2440A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Wirtschaftpolitik über den Antrag der Fraktion der SPD betr. Umlegung von Grundsteuererhöhungen auf die Mieter (Drucksachen Nr. 946 und 772) 2441C Dr. Preusker (FDP) : als Berichterstatter 2441C als Abgeordneter 2444B Klabunde (SPD) 2442B, 2446D Paul (Düsseldorf) (KPD) 2443D Dr. Miessner (DRP) 2444D Etzel (Duisburg) (CDU) 2445B Ewers (DP) 2447A Kunze (CDU) 2447C Frau Thiele (KPD) 2429B Dr. Wahl (CDU) 2431A Erklärung nach § 85 der Geschäftsordnung betr. Aufhebung der Immunität des Abg Schröter 2447D Ritzel (SPD) 2447D Kunze (CDU) 2448C Dr. Arndt (SPD) 2448D Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 967) . . . 2449C Nächste Sitzung 2449C Die Sitzung wird um 9 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von August-Martin Euler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)

    Meine Damen und Herren! Man kann keinen größeren Fehler begehen als den, die Frage der Besatzungskosten zu bagatellisieren. Ein Ausgabeposten, der im letzten Jahr 4,5 Milliarden betrug und nach dem Voranschlag für das Jahr 1950/51 noch 4,1 Milliarden betragen soll und damit 5 % der Bundeseinnahmen und 25 % aller Einnahmen des Bundes und der Länder in Anspruch nimmt, kann schlechterdings nicht bagatellisiert werden. Man verschafft der kommunistischen Propaganda eine gewisse Chance, wenn man den Eindruck erweckt, als wenn über diese Dinge hinweggegangen werden dürfte. Andererseits ist, um den ferngelenkten Lautsprechern, die als „Kommunistische Partei" bezeichnet werden, entgegenzutreten,

    (lebhafter Widerspruch bei der KPD; — Zuruf von der SPD: Ferngelenkt seid ihr doch! — Gegenruf von der KPD: Ihr seid amerikanische Sprachrohre!)

    allerdings zu sagen, daß in der Ostzone über die Besatzungskosten, meine sehr geehrten Damen und Herren, über die Zwangslieferungen nicht nur der sowjetischen Aktiengesellschaften, sondern auch der volkseigenen Betriebe,

    (Zuruf des Abg. Rische)

    über die Entnahmen aus dem von den Russen gesteuerten Exportsystem nicht weniger als 40 % des gesamten Sozialprodukts der deutschen Bevölkerung in dem, was sich da Deutsche Demokratische Republik nennt, entzogen werden, während die entsprechende Zahl für den Westen bei einem Sozialprodukt von 80 bis 90 Milliarden in der Bundesrepublik nur bei 5% liegt.
    Dieses Verhältnis von 8 zu 1 spiegelt sich immerhin sehr interessant in dem Wechselkurs wider, der zwischen Ostmark und D-Mark besteht, einem Wechselkurs, der ja von niemandem befohlen wird, sondern der sich auf dem freien Markt in Berlin nur deshalb bilden kann,

    (erregte Zurufe von der KPD)



    (Euler)

    weil die westdeutschen Preise zu den freien Preisen in den HO-Läden und am Schwarzen Markt in der Ostzone im Verhältnis von 1 zu 7 stehen.

    (Zuruf von der KPD: Sie kennen ja nicht einmal den Kurs!)

    — Ihnen ist ja besser bekannt als uns, daß, wenn man in der Ostzone in einem HO-Laden ein Paar Schuhe kaufen will, man dafür 160 bis 180 Mark ausgeben muß. Für ein Pfund Butter zahlt man etwa 20 Mark und für ein Pfund Fleisch 18 Mark. Jedenfalls ist das in Thüringen der Fall, und es wird in den HO-Läden der anderen Ostzonenländer ebenfalls so sein.
    Das Sozialprodukt der Ostzone ist natürlich in einem außerordentlichen Maße gemindert durch all die schauerlichen Rezepte der Wirtschaftsführung, wie sie in der Ostzone praktiziert worden sind und wie sie ja auch hier angewendet würden,

    (Zuruf von der KPD: Angewendet werden! — Abg. Frau Thiele: Wenn hier keine Garantiemacht wäre?!)

    wenn Deutschland oder größere Teile Europas dem tragischen Schicksal einer Ausbreitung des kommunistischen Systems anheimfallen würden.

    (Abg. Rische: Sie halten jetzt schon die Grabrede!)

    Ganz abgesehen von dieser geschilderten Minderung des Sozialprodukts ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, eben die ungeheure Ausbeutung, die systematisch betriebene Ausplünderung der Ostzone durch die Sowjetregierung,

    (Zurufe von der KPD)

    die zur Folge hat, daß die Belastung durch die Besatzungsmacht drüben eben eine unverhältnismäßig viel höhere ist als hier. Das nur zur Klarstellung der Gesamtsicht des Problems.
    Ich hatte eingangs erwähnt: kein Versuch der Bagatellisierung demgegenüber! Es darf nur ein nachhaltiges Bemühen geben, bei den Westalliierten immer wieder auf Sparsamkeit hinzuwirken, um endlich zu erreichen, daß das einseitige Oktroyieren der Besatzungskosten aufhört. Es muß ersetzt werden durch eine gegenseitige Abstimmung, eine zweiseitige Verabredung.

    (Zuruf des Abg. Rische.)

    Erfreulicherweise werden seit Monaten Verhandlungen zwischen Spezialisten der Hohen Kommission und Vertretern des Finanzministeriums geführt. Aber diese Verhandlungen erstreckten sich bisher ausschließlich auf formelle Fragen von nicht entscheidender Bedeutung, so wichtig es auch ist, daß endlich einmal wenigstens formell Ordnung in die Behandlung dieser Dinge einzieht. Es müssen darüber hinaus Grundsätze über die Handhabung der wichtigsten Posten vereinbart werden mit dem Ziele einer entschiedenen Minderung der Besatzungskosten. Das ist nachgerade unvermeidlich und sollte von den Besatzungsmächten nicht länger verzögert werden, nachdem in den Anschauungen über den Zweck der Besatzung ein tiefgreifender Wandel eingetreten ist. Der Zweck der Besatzung war der Schutz der Besatzungsmächte gegen den besiegten Feind, gegen untergrundige Bestrebungen auf Wiederheraufführung der Diktatur. In diesem Zusammenhang sollte immerhin daran erinnert werden: es hat bei uns keine Untergrundbewegung gegeben, kein Maquis, keine Anschläge, keine Attentate,

    (Zurufe von der KPD)

    und es hätte überhaupt keine Renazifizierung gegeben, wenn nicht durch eine völlig falsch angelegte Denazifizierung und durch eine Besatzungspolitik, die auch vom Westen her ursprünglich im Zeichen des Morgenthau-Planes stand, dieser künstlichen Renazifizierung in gewissem Maße der Weg geebnet worden wäre.

    (Sehr richtig! in der Mitte und rechts.)

    Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, inzwischen haben die Besatzungsmächte ja längst erkannt,

    (Abg. Renner: Aha!)

    daß ihre ursprüngliche Besatzungspolitik in Deutschland nichts anderes war als eine Politik der ständigen Einzahlungen in die kommunistischen Parteikassen,

    (Lachen bei der KPD)

    eine Politik der ständigen Begünstigung der Absichten der kommunistischen Politik in Europa, und sie haben eine Änderung vorgenommen, von der man nur sagen kann: sie wird zu langsam durchgeführt,

    (erneuter Zuruf das Abg. Renner: Aha!)

    und es wird zu wenig, zu spät gegeben! Jenes tragische Wort aus der Stresemann-Ära der Verständigungspolitik nach dem ersten Weltkrieg hat heute in vielen Schicksalsfragen allzu häufig erneut sein Gewicht: zu wenig und zu spät! Jeder, dem daran liegt, dem Osten die Chance zu nehmen, durch irgendwelche Aggressionen das Gebiet der Versklavung auszudehnen, und jeder, dem daran liegt, eine produktive Gemeinschaft der westlichen Völker auszubauen, die für die Ideale des Rechtes und der Freiheit empfänglich sind, eine produktive Zusammenarbeit weltumspannender Art, muß von deutscher Seite immer wieder darauf hinweisen, wie sehr gerade viele Maßnahmen der Besatzungsmächte in Deutschland heute noch geeignet sind, den gegenteiligen Effekt herbeizuführen. Das muß im Zusamenhang mit der Behandlung der Besatzungskosten immer wieder gesagt werden.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir möchten nicht den Fehler begehen, die westlichen Besatzungsmächte ausgesprochen als Schutzmächte zu bezeichnen; denn wir glauben, daß es Deutschlands nicht würdig ist, auf die Dauer in einer Art von Protektoratstatut zu verharren. Was wir erstreben, ist der Weg der Gleichberechtigung, der allerdings mit Erfolg nur begangen werden kann in dem Maße, wie der Westen vergewissert sein kann, daß eine Option für ein neues diktatorisches Versklavungssystem für uns Deutsche nicht mehr in Betracht kommen kann.
    Wir stellen uns in den Rahmen der westlichen Welt, die des Schutzes bedarf gegen ein System der Menschenvernichtung, der Menschenversklavung,

    (Zuruf von der KPD: Sie liefern dazu das Giftgas nach Auschwitz!)

    und Deutschland kommt in dieser Welt eine becheidene, aber sehr wichtige Aufgabe zu.

    (Erregte Zurufe von der KPD. — Gegenruf in der Mitte: Lassen Sie sich so etwas bieten?)

    - Diese Verleumdungen werden seit Monaten immer wieder erhoben. Auch nachdem ich sie hier berichtigt habe, werden sie immer wieder aufgenommen. Es sind Monomane, die immer dieselben Dinge wiederholen.
    Unsere wichtige Aufgabe also ist es, dafür zu sorgen, daß die soziale Front in Deutschland und


    (Euler)

    die soziale Front in Europa nicht geschwächt wird. Unsere Schwäche, unsere Hilfsbedürftigkeit ist zum Teil, das muß in diesem Zusammenhange gesagt werden, durch eine falsch angelegte Politik auch der westlichen Besatzungsmächte in den Jahren seit 1944 verschärft worden. Die 1,8 Millionen gebombter Wohnungen, die 3,4 Millionen Kriegsbeschädigter und Hinterbliebener kommen auf das Konto der deutschen Diktatur. Aber es ist als Folge der Politik von Teheran und Potsdam die Belastung durch 71/2 Millionen Heimatvertriebene und 1 1/2 Millionen Flüchtlinge aus der Ostzone seit dem Jahre 1946 hinzugekommen. Das darf nicht verkannt werden, wenn wir unser dringendes Anliegen vortragen, nun den Weg der Gleichberechtigung durch eine weitere Station des Fortschritts zu markieren, nämlich die Station des gemeinsamen Verhandelns über die Besatzungskosten mit dem Ziele ihrer Senkung.

    (Beifall in der Mitte und rechts. — Zurufe von der KPD.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordneter Dr. Brill.

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    Rede von Dr. Hermann Louis Brill


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Es ist mir persönlich ein aufrichtiges Bedürfnis, mich dem Dank des Herrn Präsidenten an den Herrn Berichterstatter für den abgestatteten Bericht anzuschließen. Der vorgelegte Bericht ist — das sollte auch den Kritikern der parlamentarischen Demokratie gesagt werden — eine ausgezeichnete parlamentarische Leistung, die sich aus Sachverstand, genauer Verfolgung der alltäglichen Verhältnisse und politischem Urteil zusammensetzt.

    (Sehr gut!)

    Ich möchte diesen Dank auch auf die Mitarbeiter des Tübinger Instituts ausdehnen; denn ich bin der Auffassung, daß dieser Bericht, mag er noch so vortrefflich sein, doch nur einen Anfang der Arbeit darstellt, die der Bundestag zu dem Thema Besatzungskosten zu leisten haben wird.

    (Sehr richtig!)

    Für diese Arbeit wird er der Beratung durch das Tübinger Institut nicht entbehren können.
    Gestatten Sie, daß ich nun zu dem Bericht selbst einige Bemerkungen mache. Meine Freunde werden den Ausschußanträgen zustimmen. Obgleich es ein alter parlamentarischer Grundsatz ist, daß über Motive nicht abgestimmt wird, möchte ich Ihnen auch mitteilen, wie wir die Zustimmung, im einzelnen etwas über den Ausschußbericht hinausgehend, motivieren.
    In Ziffer 1 a) wird eine feste Begrenzung der Besatzungskosten für ein Rechnungsjahr gefordert. Es ist nach unserem Dafürhalten notwendig, daß trotz der Gegeneinwände, die in bezug auf die Leistungen des Auslandes für den deutschen Wirtschafts- und Staatshaushalt gemacht worden sind, diese Begrenzung genau normiert wird. Wir würden deshalb wünschen, daß ein nicht überschreitbarer Betrag der fortdauernden ordentlichen Ausgaben des Haushaltsplans für Besatzungskosten zur Verfügung gestellt wird. Wir würden auch wünschen, daß dort nicht nur, wie im Antrag vorgesehen, der Ausschluß der Übertragbarkeit festgesetzt wird, sondern daß es künftighin auch unmöglich sein soll, seitens der Besatzungsmächte Nachforderungen zu erheben. Gerade diese Nachforderungen sind für den Besatzungshaushalt der Länder Baden und Württemberg-Hohenzollern in den letzten Jahren nahezu unerträglich gewesen. Sie widersprechen im übrigen den Grundsätzen einer gesunden Haushaltsführung und den Grundsätzen unseres Haushaltsrechts.
    Zu den Ziffern 1 b) und 1 c), Uberprüfung der Besatzungslasten und der Leistungen und Nutzungen im einzelnen, ist es nach unserem Dafürhalten notwendig, das weiterzuentwickeln, was der Herr Berichterstatter bereits an Vorschriften des Besatzungsstatuts erwähnt hat. Gewiß, die Aufstellung des Besatzungshaushalts obliegt den einzelnen Zonenbefehlshabern, und der Rat der Hohen Kommission hat dann den Haushalt insgesamt festzusetzen und mit der Bundesregierung zu verhandeln. Aber ich glaube, meine Damen und Herren, das Schwergewicht bei der Entwicklung der ganzen Angelegenheit liegt beim Anbeginn, bei der lokalen Ermittlung. Deshalb würden wir es begrüßen — und ich glaube, da auch im Sinne des Herrn Abgeordneten Dr. Seelos zu sprechen —, wenn gemischte Gutachterkommissionen oder gemischte Feststellungsbehörden mit lokalem, bezirklichem Bereich eingesetzt würden, die bei dem Voranschlag für die Besatzungskosten Jahr für Jahr die Dinge im einzelnen nachprüfen. Die Nachprüfungen der Leistungen und Nutzungen würden daneben unabhängig zu erfolgen haben. Weiter würde dazu gehören, daß, sofern Streit zwischen deutschen und alliierten Behörden über festgesetzte Besatzungsleistungen entsteht, unabhängige Schiedsgerichte mit rechtlich bindender Kraft für beide Teile diesen Streit entscheiden und die Besatzungsbehörden insohin sich dieser neu zu errichtenden gemischten Schiedsgerichtsbarkeit unterwerfen. Nimmt man diese Dinge zusammen, so würde man nach unserem Dafürhalten nicht nur materielle Fortschritte im einzelnen, sondern auch eine Besserung der gesamten Situation erreichen.
    Dazu gehört ferner eine Vereinheitlichung des Verkehrs zwischen den deutschen Besatzungsämtern und übergeordneten deutschen Behörden und den alliierten Behörden. Von einer solchen Einheit kann gegenwärtig leider ganz und gar nicht gesprochen werden. Zwar haben die amerikanischen Military Government Regulations sehr eingehende und manchmal etwas bürokratisch anmutende Vorschriften für die Durchführung dieses Verkehrs. Bei anderen Besatzungsmächten fehlt es aber etwas an dem, was wir Deutschen unter finanzieller Korrektheit verstehen. Ich glaube, es sollte vom Bundesfinanzministerium bei den neuen Verhandlungen über diese Materie ein gewisser Druck ausgeübt werden, um zu dieser Einheit des Verkehrs zu kommen, denn allein die Einheit der Verkehrsvorschriften garantiert auch einwandfreie Ergebnisse zur Beurteilung des Ganzen.
    Bezüglich Ziffer 3, soweit sie sich auf den Antrag Drucksache Nr. 120 Abs. 2, Wohnungsbau, bezieht, teilen wir die Klagen, die hier von verschiedenen Seiten vorgebracht- worden sind. Es ist unerträglich, wenn immer noch einzelne Besatzungsangehörige ohne Familie oder mit sehr kleiner Familie ganze Häuser bewohnen. Aber es ist noch unerträglicher, meine Damen und Herren, wenn für die Besatzungsmacht in großem Stile teure Neubauten erstellt werden und dann die Besatzungsangehörigen sich weigern, in diese Neubauten zu ziehen, weil es ihnen in den einzelnen Häusern natürlich sehr viel besser gefällt. Deshalb sollten bei Vereinbarungen über Neubauten für Zwecke der Besatzungsmacht auch Vereinbarun-


    (Dr. Brill)

    gen darüber erfolgen, daß die jetzt besetzten Wohnungen Zug um Zug freigegeben und den deutschen Behörden zurückerstattet werden. Sonst erweckt der Neubau von Wohnungen in unserer Zeit noch viel mehr Unwillen, als die Besetzung der Altwohnungen das schon getan hat.
    Ich benütze die Gelegenheit, an die Adresse der Besatzungsmächte zu bemerken, daß es im jetzigen Stadium nicht nur auf die materiellen Leistungen und die Änderungen, die nun eintreten sollen. sondern ebenso auf die Psychologie ankommt. Vieles, was in den Jahren 1945 und 1946 mit Gleichmut und Humor ertragen werden konnte, ist heute unerträglich geworden.

    (Sehr richtig!)

    Wenn zu Weihnachten 1946 eine Besatzungsmacht die sofortige Lieferung von 600 Frisierkommoden zur Erhaltung der Kampfkraft der Armee forderte, dann haben wir das damals ausgehalten. Heute können wir solche Dinge nicht mehr ertragen.

    (Sehr wahr! rechts.)

    Wenn damals mit einer ausländischen Großzügigkeit — ich möchte nicht in Einzelheiten eintreten —über wertvolle Möbel verfügt worden ist, sehen wir das Ergebnis dieser Großzügigkeit ja heute noch am Rande deutscher Städte in den großen Möbelfriedhöfen, die entstanden sind und die man höchstens noch verfeuern kann. Dann ist es heute unerträglich, wenn eine Dame der Besatzungsmacht auf den Gedanken kommt, in einer alten Wohnung wertvolle Tapeten herausreißen zu lassen, weil sie sich geschmacklose moderne wünscht, oder Möbel mit antikem Wert heraussetzen zu lassen, weil sie sich zusammensetzbare Möbel
    wünscht und so fort.

    (Heiterkeit.)

    Diese Psychologie sollte heute auf der Seite der Besatzungsmächte verstanden werden, und es sollte deshalb auch verstanden werden, daß bei der Durchführung des Punktes lc Abs. 2, Schaffung eines deutschen Gesetzes über ein Vergütungs- und Entschädigungsrecht bezüglich der Besatzungsleistungen und der Besatzungsschäden — ich glaube, die Besatzungsschäden müssen im Vordergrund stehen —, nach wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten verfahren werden muß. Die Rückgabe von Arbeitersiedlungen am Rande von Großstädten, die für Einheiten beschlagnahmt worden sind, die eigentlich in Kasernen gehören, und die Erstattung der dadurch den Arbeitern und Angestellten entstandenen Schäden müßte im Vordergrund eines solchen Gesetzes über die Besatzungsleistungen und die Besatzungsschäden stehen.
    Soviel zur Sache selbst. Und nun gestatten Sie mir noch eine Erklärung an die Adresse der Frau Abgeordneten Thiele. Wir haben im Ausschuß dafür gestimmt, daß der Antrag auf Drucksache Nr. 8 für erledigt erklärt werden soll, und wir werden diesem Beschluß auch hier beitreten. Wir halten diesen Beschluß für gerechtfertigt, solange uns nicht an Stelle einer Milchmädchenrechnung, über die Besatzungsleistungen des deutschen Volkes in der sowjetischen Besatzungszone ganz einwandfreie Zahlen darüber vorgelegt werden, was insbesondere die Arbeiter und Angestellten in der sowjetischen Besatzungszone nicht nur an Besatzungsleistungen, sondern auch Reparationsleistungen vollbracht haben.

    (Sehr richtig! bei der SPD. — Abg. Rische: Hätten Sie zugehört!)

    Ich möchte deshalb die Gelegenheit benutzen, um die Bundesregierung zu ersuchen, recht bald den Ausschuß für Besatzungsstatut und für auswärtige Angelegenheiten mit entsprechenden Zahlen zu bedienen.

    (Abg. Renner: Lest die Haushaltspläne der Länder! Dann wißt ihr, was drinsteht!)

    — Wir wissen zum Beispiel, Herr Renner, daß im Staatshaushaltsplan des Landes Thüringen für das Jahr 1946/47 und 1947/48 65 % aller Einnahmen für die Besatzungsmacht verwandt werden.

    (Hört! Hört!)

    In keiner Besatzungszone ist mit einer solchen Brutalität die Eintreibung von Besatzungsleistungen und von Reparationsforderungen erfolgt wie in der sowjetischen Besatzungszone. In keiner Besatzungszone ist die Demontage so vollständig, so rückhaltlos und so listig durchgeführt worden wie in der sowjetischen Besatzungszone.

    (Abg. Rische: Was sagen Sie zu Watenstedt?)

    Während die Betriebsräte der Stiftungsfirma Zeiß noch in Karlshorst verhandelten, wurden die Maschinen in Jena bereits herausgerissen und die Arbeiter deportiert.

    (Abg. Rische: Die Zeißwerke arbeiten!)

    — Weil die Schäden durch den unendlichen Fleiß der Arbeiter und Angestellten beseitigt worden sind!
    Allein die sowjetische Armee ernährt sich heute noch vollständig aus dem Lande; und die Abschaffung der Klassen oder die Herstellung der klassenlosen Gesellschaft ist innerhalb der sowjetischen Armee so betrieben worden,

    (Abg. Rische: Ein billiges Argument! Sie wissen genau, daß das nicht stimmt!)

    daß fünf Ernährungsklassen gebildet worden sind, bei denen der arme Sowjetsoldat mit 3/4 Liter Suppe, etwas Tee und Brot abgefunden wird.

    (Unruhe bei der KPD.)

    Was der Oberst bekommt, können Sie dem Hohen Hause nachher selber mitteilen!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und in der Mitte.)

    Nirgends ist so wie in der sowjetischen Besatzungszone durch den Raub nicht nur von industriellen Betrieben, sondern auch von bebauten und unbebauten Grundstücken eine Festsetzung des Feindes im Lande erfolgt.

    (Abg. Rische: Sie meinen wohl die Bodenreform!) - Nein, ich meine beispielsweise die Porzellanmanufaktur Meißen.


    (Zurufe von der KPD: Sie irren! Die ist zurückgegeben worden!)

    — Es dürfte Ihnen ganz und gar entgangen sein, daß die Erzeugnisse von Meißen zur illegalen Finanzierung der KPD hier nach dem Westen verschoben worden sind. Wenn es Ihnen entgangen ist, will ich Ihnen eine Tatsache aus den letzten Wochen nennen. Der hessischen Gendarmerie gelang es vor mehreren Wochen, zwischen Lorch und Lorchhausen einen Lastkraftwagen mit Propagandamaterial für das Pfingsttreffen zu beschlagnahmen.

    (Abg. Rische: Entsetzlich!)

    In diesem Lastkraftwagen befanden sich auch sechs Kisten mit bestem Meißner Porzellan, die dazu bestimmt waren, die KPD in Westdeutschland zu finanzieren.


    (Dr. Brill)

    Die Entnahmen aus der laufenden Produktion betragen im Durchschnitt 40 %. Das ist jedoch nur eine nominelle Angabe, denn in Wirklichkeit wird die Reparationswirtschaft ganz anders gemacht. So hat man den Textilproleten der früheren Firma Louis Hirsch in Gera gesagt: Schafft nicht 100 %, sondern 125 %, dann bleibt für euch auch noch etwas übrig. Die Arbeiter sind auch auf diesen Leim gegangen: sie haben 125 % geschafft. Das Ergebnis war, daß der sowjetische Kontrolloffizier 45 Vo des gelieferten Materials für untauglich erklärte, es aber ruhig einnahm. Welche Geschäfte sich auf den restlichen 45 °/o aufbauen, können Sie auch dem Hohen Hause selbst mitteilen. In echt russischer Weise ist diese ganze Wirtschaft auf der steuerlichen Seite dann mit der Massenkonsumsteuer auf den Schnaps finanziert worden.
    Ich glaube, meine Damen und Herren, mich mit solchen Andeutungen hier begnügen zu sollen, und wiederhole das Ersuchen an die Bundesregierung, mit Hilfe unserer wirtschaftswissenschaftlichen Forschungsinstitute dem Hohen Hause recht bald eine Denkschrift nicht nur über die Besatzungs-, sondern auch über die Reparationsleistungen vorzulegen.

    (Zuruf von der KPD: Sie sind ja Experte!) Dann, meine Herren von der Kommunistischen Partei, werden wir über den Antrag Nr. 8 noch einmal sprechen können, und ich hoffe, wir werden Ihrem Antrag zustimmen, wenn Sie die Voraussetzung erfüllen, an die Regierung der Deutschen Demokratischen Republik die Forderung zu richten, daß nur die Reparationsleistungen, die aus dem arbeitenden Volk drüben herausgepreßt werden, um 75 % ermäßigt werden.


    (Beifall bei der SPD und den Regierungsparteien.)