Rede von
Franz
Etzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Abgeordneten Paschek und anderer lautete:
Die Bundesregierung wird ersucht, im Einvernehmen mit der Bayerischen Staatsregierung Mittel und Wege zu suchen, um der in größter Notlage sich befindenden Korbindustrie in Oberfranken zu helfen. Das politische und soziale Gefüge sowie das Wirtschaftsleben dieses Notstandsgebietes sind derart bedroht, daß nur noch umfassende Hilfsmaßnahmen des Bundes die Gefahr eines Zusammenbruchs abwenden können.
Der Ausschuß hat nach eingehender Beratung dieses Antrags die Annahme des folgenden Antrags empfohlen:
Der Bundestag wolle beschließen,
den Antrag der Abgeordneten Paschek und Genossen betreffend Hilfe für die Korbmacherindustrie in Oberfranken — Nr. 763 der Drucksachen — mit Rücksicht darauf, daß
1. nach Mitteilung des Bundeswirtschaftsministeriums Verhandlungen mit der bayerischen Staatsregierung in dieser Sache aufgenommen sind,
2. die Bundesregierung grundsätzlich Maßnahmen für Notstandsgebiete prüft und über einen interministeriellen Ausschuß eingeleitet hat,
3. konkrete Vorschläge von den Antragstellern nicht gemacht worden sind,
als erledigt zu erklären.
Der Antrag, der hier vorgelegt worden ist, hat einmal wieder das Problem Notstandsgebiet angesprochen. Dieses Problem ist bereits in früheren Anträgen behandelt worden. Ich darf an den Antrag betreffend bayerisches Notstandsgebiet — schon Drucksache Nr. 24 —, den Antrag betreffend Notstandsgebiet Schleswig-Holstein, Drucksache Nr. 80, und einige andere Anträge erinnern. Außerdem häufen sich in jüngster Vergangenheit eine Anzahl von Anträgen von Gemeinden und Gemeindeverbänden, die eine unmittelbare Unterstützung durch den Bund erbitten.
Der Bundestag hat am 18. Januar 1950 einen Antrag angenommen, welcher der Bundesregierung auferlegt hat,
1. dem Bundestag alsbald einen Gesetzentwurf vorzulegen, wodurch für die Notlage der Grenzgebiete, insbesondere der sogenannten „roten Zone", die durch den Krieg und die Nachkriegszeit mehr als andere Gebietsteile unseres Vaterlandes gelitten haben, und denen bisher aus Landesmitteln nicht ausreichend geholfen werden konnte, Abhilfe geschaffen wird;
2. Mittel zur Bildung eines Grenzlandfonds in den Haushalt des Bundes einzustellen, um der Notlage der Grenzlandgebiete allgemein zu steuern.
In dieser Situation erschien es dem Ausschuß für Wirtschaftspolitik wesentlich, einmal die grundsätzliche Frage aufzuwerfen, unter welchen Voraussetzungen denn solche Anträge überhaupt gestellt werden können, und darüber hinaus die Frage zu prüfen: Was kann, wenn die Anträge angenommen worden sind, möglicherweise an Hilfe zur Verfügung gestellt werden?
Die bisherige Sach- und Rechtslage auf diesem l Gebiet ist außerordentlich unbefriedigend. Es gibt keine Definition des Begriffes „Notstandsgebiet", und selbst wenn irgendein Ausschuß erklärt hat, ein bestimmtes Gebiet sei Notstandsgebiet, so sind doch keine Haushaltsmittel da, einem solchen Notstand abzuhelfen. Wir waren daher der Meinung, daß dieser Zustand abgeändert werden muß. Wir waren aber gleichzeitig der Auffassung, daß hier nur solche Notstände berücksichtigt werden dürfen, die lediglich mit Hilfe des Bundes behoben werden können. Es kann sich nicht darum handeln, so weite Gebiete einzuschließen, daß die zur Verfügung stehende Hilfe praktisch niemandem mehr eine wirkliche Hilfe sein kann. Aus diesem Grunde haben wir, wie gesagt, die Frage grundsätzlich aufgeworfen und haben dabei folgendes festgestellt:
Bei der Bundesregierung ist in Ausführung der wiederholt gestellten Anträge inzwischen ein interministerieller Ausschuß gebildet worden, der in zwei Sitzungen getagt hat, um dieses Problem einmal einer Klärung zuzuführen. Die Herren sind am 29. März 1950 und zuletzt am 9. Mai 1950 zusammengekommen. Dabei zeigte sich als vordringliche Aufgabe, eine Klärung des Begriffs „Notstandsgebiet" überhaupt herbeizuführen. Was ist Notstandsgebiet? Darüber gibt es unter Umständen sehr verschiedene Auffassungen. Der interministerielle Ausschuß war der Meinung, daß hier vier Gebietsgruppen in Frage kommen. Bei der ersten Gruppe handelt es sich um überwiegend landwirtschaftliche Gebiete, die Flüchtlinge aufnehmen mußten, ohne diesen Flüchtlingen Erwerbsmöglichkeiten bieten zu können. Die zweite Gruppe besteht aus solchen Gebieten, deren Existenzgrundlage auf Rüstungsbetrieben oder sonstigen Industrien beruhte, die nach der Kapitulation weggefallen sind. Zur dritten Gruppe gehören Gebiete, die durch Kriegszerstörungen derart gelitten haben, daß eine Beseitigung der Kriegsschäden weder mit kommunalen noch mit Landesmitteln möglich ist. Als letzte Gruppe sind schließlich die Grenzlandgebiete zu nennen, deren besondere Lage eine individuelle Unterstützung durch den Bund von Fall zu Fall erforderlich macht, wobei diese Unterstützung sich sehr oft über die rein wirtschaftliche Ebene hinaus auf das kulturelle Gebiet beziehen muß.
Man ist dabei der Meinung gewesen, daß man irgendwelche' bestimmten Tatbestände, umreißen muß, und hat dann als quantitative Merkmale zur Beurteilung des Notstandes folgende Tatbestände zur Diskussion gestellt: Zunächst einmal Arbeitslosigkeit, wenn nämlich der Bundesdurchschnitt um ein bestimmtes Maß überschritten wird; dann Wohnraumbelegung, wenn auch hier der Bundesdurchschnitt um ein bestimmtes Maß überschritten wird; und schließlich Zerstörungen, wenn diese im Bundesdurchschnitt ein bestimmtes Maß überschreiten. Weiter ist die Steuerkraft in Betracht gezogen worden, wenn der Bundesdurchschnitt um ein bestimmtes Maß unterschritten wird, und das Einkommen pro Kopf der Bevölkerung, wenn dieses um ein bestimmtes Maß unterschritten wird.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat den Auftrag erhalten, in Zusammenarbeit mit den übrigen Ministerien einen statistisch erfaßbaren Begriff „Notstandsgebiet" auszuarbeiten. Dabei hat man Richtlinien vorgelegt, die ich wegen der Kürze der Zeit jetzt nicht im einzelnen vorlesen kann, welche
aber diese grundsätzlichen Fragen, die ich eben andeutete, berücksichtigen. Man ist weiter dazu gekommen, vorerst einmal einen Musterbericht zu erstellen mit einem bestimmten Sanierungsprogramm, ausgehend von einem Gebiet, welches in ganz besonderem Maße notleidend ist, um so zu gewissen bestimmten Grundsätzen zu kommen. Diese Musterbeschreibung wird zur Zeit von einigen Herren der zuständigen Ministerien ausgearbeitet, und wir haben die Hoffnung, daß uns dieser Bericht in Kürze vorgelegt .werden kann.
Ich habe Ihnen das, meine sehr geehrten Damen und Herren, vorgetragen, um Ihnen darzutun, daß die Bundesregierung dabei ist, den Tatbestand zu klären. Die Frage, wie dann die Mittel haushaltsmäßig zur Verfügung gestellt werden können und sollen, wäre an zweiter Stelle zu prüfen. Ich darf noch darauf hinweisen, daß auch die Landesregierungen gebeten sind, einmal ihre Meinung über diesen Begriff darzulegen. Ist der Begriff einmal umrissen, dann sollen die Landesregierungen um Mitteilung gebeten werden, welches Ausmaß die Ansprüche auf der Grundlage eines solchen Begriffes unter Umständen annehmen werden, da wir ja alle wissen, daß die Möglichkeiten einer Bundeshilfe selbstverständlich begrenzt sind.
Ich glaube also, daß wir nach der grundsätzlichen Seite hin zunächst einmal die Arbeiten dieses interministeriellen Ausschusses, die sehr vielversprechend sind, abwarten müssen, daß wir darin aber in die Lage versetzt sein werden, diesen vielseitigen Asprüchen ein entsprechendes Fundament und eine entsprechende Begrenzung zu geben.
Diese Feststellungen haben nun in bezug auf den konkreten Antrag, der ja nur die Korbmacherindustrie in Oberfranken betrifft, den Wirtschaftsausschuß davon überzeugt, daß generelle Maßnahmen für eine gesetzliche Regelung und anschließend wohl auch für eine haushaltsmäßige Erledigung in greifbare Nähe gerückt sind. Hierin haben wir die erste Grundlage dafür gefunden, das Hohe Haus zu bitten, den Antrag der Kollegen Paschek und Genossen für erledigt zu erklären.
Zu dem Antrag selbst darf ich aber noch ergänzend hinzufügen, daß die Bundesregierung im Ausschuß erklärt hat, sie habe sich mit der bayerischen Staatsregierung in Verbindung gesetzt und Verhandlungen aufgenommen, um genaue Feststellungen über das Ausmaß und die Ursachen der Notlage der Korbmacherindustrie in Oberfranken zu treffen. Angesichts dieser Sachlage war der Ausschuß übereinstimmend der Meinung, daß zunächst einmal die Frage nach den Ursachen dieser Notlage im einzelnen in Richtung auf die zu treffenden Maßnahmen untersucht werden müsse, ehe eine Entscheidung über Subventionen gefällt werden könne. Die Verhandlungen darüber sind, wie gesagt, eingeleitet. Der Ausschuß hat allerdings -- und das muß ich pflichtgemäß hier auch vortragen — mit Bedauern festgestellt, daß die Herren Antragsteller selbst über Ursachen und Mittel zur Abhilfe nichts Konkretes gesagt haben, und war der Meinung, daß es für die Behandlung solcher Anträge vorteilhafter wäre, wenn gleichzeitig mit dem Antrag konkrete Vorschläge über die Möglichkeiten einer Behebung der Notlage eingereicht würden, statt daß man das Finden des Weges zur Abhilfe dem Parlament oder dem entsprechenden Ausschuß überläßt.
Insgesamt gesehen sind wir daher zu dem Ergebnis gekommen, das ich eingangs bereits dargelegt habe.