Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte den Herrn Schriftführer, festzustellen, wer krank und wer entschuldigt ist.
Es fehlen wegen Erkrankung die Abgeordneten Frau Dr. Göwel, Schütz, Kalbfell, Hennig, Bielig, Schönauer, Herrmann, Dirscherl, Pannenbecker, Nuding, Fisch, Wittmann. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Pferdmenges, Junglas, Nickl, Brandt, Frau Schroeder, Jahn, Frau Albrecht, Jacobi, Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Zawadil, Langer, Kuhlemann, Freiherr von Aretin, Dr. Hamacher, Frau Arnold, Dr. Glasmeyer, Tichi, Reimann, Frau Thiele, Kohl, Oskar Müller. Außerdem fehlt der Abgeordnete Goetzendorff.
Meine Damen und Herren! Gemäß einer Vereinbarung im Ältestenrat ist die Tagesordnung erweitert worden, und zwar um den Einspruch des Herrn Abgeordneten Seuffert gegen seinen Ausschluß in der 41. Sitzung. Dieser Einspruch muß vor Punkt 1 der Tagesordnung behandelt werden. Ebenso ist die Tagesordnung erweitert worden um einen interfraktionellen Antrag betreffend Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse. Dieser Antrag soll am Schluß der Sitzung behandelt werden.
Der
Einspruch des Herrn Abgeordneten Seuffert gegen seinen Ausschluß in der 41. Sitzung
ist in der Drucksache Nr. 644 enthalten. Über diesen Einspruch ist ohne Aussprache zu beschließen. Ich brauche ihn wohl nicht besonders zu verlesen. Die Damen und Herren haben die Drucksache vor sich liegen.
Wer für die Berechtigung dieses Einspruchs auf Drucksache Nr. 644 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Es ist nicht festzustellen, welches die Mehrheit ist. Wir werden das Stimmenverhältnis durch Hammelsprung feststellen müssen. Ich bitte, entsprechend zu verfahren. Die Technik ist uns allmählich geläufig geworden.
Wer für die Berechtigung des Einspruchs ist, den bitte ich, nach Verlassen des Saales durch die Tür rechts von mir hereinzukommen, wer gegen die Berechtigung des Einspruchs ist, den bitte ich, durch die Tür links von mir den Saal zu betreten. Die Damen und Herren, die sich enthalten wollen, bitte ich, die Mitteltür zu benutzen.
— Ich spreche so laut, wie ich, ohne grob zu werden, zu sprechen vermag.
Ich bitte, sich der Technik des Hammelsprungs entsprechend zu verhalten und den Saal zu verlassen.
Ich bitte, mit der Zählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, ich gebe das Schlußzeichen.
— Damit ist die Abstimmung geschlossen.
Meine Damen und Herren! Ich gebe das Ergebnis der Abstimmung bekannt. Für die Berechtigung des Einspruchs haben sich ausgesprochen 138 Abgeordnete, gegen die Berechtigung 200 Abgeordnete, bei zwei Stimmenthaltungen. Der Einspruch ist albgelehnt.
Nunmehr rufe ich den auf der gedruckten Tagesordnung unter Ziffer 1 bezeichneten Punkt auf:
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, bevor ich zu der Vorlage grundsätzlich Stellung nehme, eine, ich möchte sagen, persönliche Erklärung. Auch heute werde ich wieder zu sprechen haben über die übermäßigen Steuersenkungen, über die ungerechte Verteilung dieser Steuersenkungen auf arm und reich, über Steuerausfälle größten Ausmaßes. Ich werde jedoch nicht von einem „leichtfertigen Verschenken" sprechen. Ich werde in diesem Zusammenhang auf die Worte des Herrn Finanzministers zur Begründung des Gesetzes hinweisen müssen, in der er selber folgendes gesagt hat:
Das Wesentliche des Steuergesetzentwurfs, der Ihnen vorliegt, ist ja eine Senkung der Tarife, die beträchtlich ist, die bis zu 27 Prozent der alten Tarife geht, und sind Steuervergünstigungen, die, vermehrt um eine, .. . noch ganz beträchtliche Steuerausfälle werden erwarten lassen.
So die Worte des Herrn Finanzministers!
Meine Damen und Herren! Ich werde gegenüberstellen müssen die sozialen Zusicherungen der Regierung und diese unsoziale Tat, wie wir sie in dieser Steuervorlage erblicken. Bevor ich das aber alles tue, möchte ich folgendes feststellen, nicht etwa als eine Unterstellung oder als eine Fiktion. Meine Ausführungen haben ebensowenig wie dieses Einkommensteuergesetz, ebensowenig wie die Ansichten der Regierungsparteien zu diesem Gesetz, ebensowenig wie alle Abänderungsanträge etwas mit dem deutschen Namen und mit der nationalen Ehre zu tun.
Meine Damen und Herren, die Zeiten sollten vorüber sein, als man den deutschen Namen und die nationale Ehre und die ganze vaterländische Geschichte mit dem Hohenfriedberger und dem Badenweiler bemühte, wenn man über eine Schornsteinfegerverordnung oder über die Schweinepreise diskutierte.
Man braucht kein Prophet zu sein, um folgendes zu sagen: wir werden auch in diesem Hause gegen unseren Willen und nicht durch unsere Schuld noch mancher schweren und ernsten Stunde entgegengehen. Dann werden wir uns freuen, wenn die Begriffe nationale Ehre und deutscher Name nicht allzusehr abgegriffen sind wie billiges Wechselgeld und nicht allzusehr strapaziert sind,
auch nicht durch die Vertreter der Regierung.
Meine Damen und Herren! An den Anfang unserer Erörterungen möchten wir die Auswirkungen der Tarifreformvorschläge stellen, neben denen alle Änderungen verblassen oder, man möchte beinahe sagen, belanglos werden. Die Tarifreform ist das Kernstück dieser Reform, und die Tarifsenkungen sind, wie der Herr Finanzminister sagt, das Wesentliche des Steuergesetzentwurfs. Auf 900 Millionen bis 1 Milliarde D-Mark schätzt der Herr Finanzminister den Steuerausfall auf Grund seiner eigenen Vorschläge. Das sind die längst versprochenen Steuersenkungen, von denen auch schon in der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers die Rede war. In der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers war auch davon die Rede, daß die Regierung so sozial wie möglich handeln wolle, und es war gesagt: „Das Streben nach sozialer Gerechtigkeit wird der oberste Leitstern bei unserer gesamten Arbeit sein." Und nun kommt diese Steuerreform, auf die Millionen von Steuerpflichtigen seit Wochen und Monaten gewartet haben, insbesondere auch Millionen kleiner Lohnempfänger, kleiner Gehaltsempfänger, kleiner Handwerker, kleiner Landwirte und die Millionen von Flüchtlingsexistenzen, die bisher aus einem nur kärglichen Einkommen schon Steuern zu zahlen hatten. Sie alle, alle diese kleinen Existenzen, alle diese kleinen Lohn- und Einkommensteuerpflichtigen werden enttäuscht sein, wenn sie die Tarifvorschläge der Regierung kennenlernen werden. Der Tarifvor-
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schlag — und ich weiß nicht, ob das genügend bekannt gewesen ist, als in der letzten Sitzung, in der sogenannten zweiten Lesung über diese Fragen abgestimmt wurde — bringt ganz erhebliche Ermäßigungen für die hohen Einkommen und fast nichts für die kleinen Einkommen.
Das gilt es zu beweisen. Erlauben Sie mir, daß ich Ihnen dazu einige Ziffern nenne. Bei einem Jahreseinkommen von 1200 D-Mark — ich sage Jahreseinkommen, das. heißt also bei einem Monatseinkommen von 100 M -Mark — beträgt die Ermäßigung der Steuer auf Grund des Tarifvorschlags 0,75 Prozent des Einkommens, also nicht einmal 1 Prozent des Einkommens.
— Nach der Tabelle B werden Steuern bezahlt. Darüber können wir uns unterhalten. Nehmen Sie die Tabelle B zur Hand und Sie werden sehen, daß dort die Steuerpflicht bei noch niedrigerem Einkommen einsetzt. Bei einem Jahreseinkommen von 2400 D-Mark beträgt die Ermäßigung 1,9 Prozent des Einkommens, also nicht einmal ganz 2 Prozent, während bei einem Einkommen — und nun bitte ich aufzuachten — von 40 000 D-Mark die Ermäßigung der Steuer 15 Prozent beträgt.
Das heißt also: derjenige, der ein Einkommen von 40 000 D-Mark hat, erhält eine Steuerermäßigung von 6000 D-Mark, das heißt also von 500 D-Mark im Monat, während bei einem steuerpflichtigen Einkommen von 60 000 D-Mark die Einkommensteuerermäßigung 20 Prozent des Einkommens beträgt. Das heißt also: der Steuerpflichtige mit einem Einkommen von 60 000 D-Mark zahlt dann etwa 11- bis 12 000 D-Mark weniger an Steuern, also im Monat 1000 D-Mark weniger. So entwikkelt sich die Tabelle bis zu etwa 150 000 D-Mark — hier beträgt die Steuerermäßigung 15 Prozent des Einkommens — oder bis 250 000 D-Mark, wo die Ermäßigung immer noch 12 Prozent des Einkommens ausmacht.
Wir müssen uns bei allen diesen Fragen überlegen, wie sich die von dieser Steuer erfaßten Einkommen auf die Steuerpflichtigen verteilen. Auch das müßten wir in den Kreis unserer Überlegungen einbeziehen; ich weiß nicht, ob Ihnen das alles bei der zweiten Lesung zum Bewußtsein gekommen ist. Ich habe eine Statistik aus dem Jahre 1937 vor mir. Wir können bedauerlicherweise noch nicht auf exakte Statistiken aus der Nachkriegszeit zurückgreifen, aber die Verhltnisse werden sich nicht wesentlich verändert haben. Wir hatten 1937 13 Millionen Lohnsteuerpflichtige. Von diesen 13 Millionen Lohnsteuerpflichtigen bezogen ungefähr 5 Millionen Lohnsteuerpflichtige ein Einkommen unter 1500 D-Mark, das heißt also, 37 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen hatten damals ein Einkommen von weniger als 1500 D-Mark. Ein Einkommen von weniger als 3000 D-Mark insgesamt hatten 11 Millionen Lohnsteuerpflichtige von rund 13 Millionen, also 84 Prozent der Lohnsteuerpflichtigen bezogen unter 3000 D-Mark Einkommen. Und die Nutzanwendung für unseren Fall? Diesen Lohnsteuerpflichtigen, diesen Millionen von Steuerzahlern gewährt man in dieser Vorlage kaum irgendwelche Ermäßigungen, während man für einige wenige Tausende von Beziehern hoher und höchster Einkommen ganz erhebliche Tarifsenkungen in dem Umfang, wie ich sie nannte, vorsieht, die fast 1 Milliarde D-Mark an Steuerausfällen bringen werden.
Ich habe bisher von den Lohnsteuerpflichtigen gesprochen. Lassen Sie mich auch einmal die Veranlagten in den Kreis dieser Betrachtungen ziehen. Nach dem Statistischen Jahrbuch für das Deutsche Reich hatten wir 1937 1 600 000 veranlagte Einkommensteuerpflichtige — das sind 53 Prozent der Einkommensteuerpflichtigen —, die unter 3000 D-Mark jährlich an Einkommen bezogen — also 53 Prozent unter 3000 D-Mark —, während ein ganz geringer Bruchteil, noch nicht einmal 1 Prozent der Steuerpflichtigen, Einkommen über 50 000 D-Mark verdiente. Diese wenigen — es sind insgesamt nur 25 000 Steuerpflichtige —, haben ein Einkommen von über 50 000 D-Mark .gehabt, und diesen wenigen werden die großen Steuerermäßigungen gewährt, die wir heute in der Tarifvorlage zu beschließen haben. Während also Millionen kleiner Einkommensbezieher, die um ihr tägliches Leben kämpfen müssen und noch nicht einmal ihr Existenzminimum gesichert sehen, bei dieser Vorlage fast leer ausgehen, überschüttet man einige zehntausend Bezieher „mittlerer" — wie man schamhaft sagt —, hoher und höchster Einkommen mit Steuerermäßigungen, die in ihrer Höhe einmalig, in ihrer Wirkung aber wahrscheinlich dauernd sein werden.
Gestern hörten wir an dieser Stelle Äußerungen des Herrn Justizministers zu den Lebensfragen des Richterstandes. Ich habe mir den folgenden Satz gemerkt:
Ein Richter, der in der Notdurft des Tages erstickt, kann nicht den Blick für die Dinge des Lebens haben.
Ich weiß nicht, ob der Herr Justizminister in diesem Zusammenhang an die sehr problematische Richterbesoldung gedacht hat. Aber wir sollten uns doch darüber klar sein, daß auch der größte Teil dieser Richter wie etwa 80 bis 90 Prozent aller Beamten und Angestellten nicht zu dem Kreise gehören, auf den der Herr Finanzminister das Füllhorn seiner Steuerermäßigungen ausschüttet.
Überlegen Sie sich: zirka 80 bis 90 Prozent aller Beamten und Angestellten werden kaum irgendwie von diesen Steuerermäßigungen erfaßt, oder sie erhalten lediglich die Almosen, die in den kleinen Steuerermäßigungen bei den unteren Einkommensteuergruppen zu verzeichnen sind.
Eines unserer Hauptanliegen ist die Steigerung der Produktivität in der Wirtschaft. Dann aber müssen wir dafür sorgen, daß die kleinen Arbeitnehmer nicht verelenden; denn dort sind gerade diejenigen, die für die Sparkapitalbildung sorgen, und wir hören in diesem Zusammenhang doch immer wieder das Wort „Kapitalbildung". Das amerikanische Arbeitsministerium hat in einer Veröffentlichung bekanntgegeben, daß der Stundenlohn in Westdeutschland etwa 26 Prozent des amerikanischen Stundenlohns im Durchschnitt beträgt.
während die Lebensmittelpreise in Westdeutschland etwa 79 Prozent der Lebensmittelpreise in den Vereinigten Staaten ausmachen.
Unter diesen Umständen sagt der Herr Finanz- minister in seiner Begründung am 11. Januar an diesem Platz:
Dieser Gesetzentwurf
— sagt er —
ist aus der Erkenntnis geboren, daß die Grundlage aller Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik der einfache Mann im Volk ist — ich sage: der unbekannte Steuerzahler — und daß wir vor der Gefahr stehen, daß dieser unbekannte Steuerzahler als Grundlage unserer Finanz-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, moralisch und leistungsmäßig betrachtet, im Zusammenbrechen begriffen ist.
Ich glaube, wir müssen schon ziemlich viele Jahre zurückdenken, um uns eines ähnlichen Falles zu erinnern, in dem Worte und Taten so weit auseinanderklaffen.
Für den unbekannten Steuerzahler wird in dieser Vorlage nichts getan, für die hinlänglich bekannten Steuerzahler mit den hohen Einkommen wird alles getan, so viel, daß in Zukunft der Finanzverwaltung wahrscheinlich zu tun fast nichts mehr übrigbleibt.
Meine Damen und Herren, eine Regierung, die erklärt, so sozial wie möglich handeln zu wollen, und die uns in dieser Tarifvorlage ein so unsoziales Dokument vorlegt, wie wir es lange nicht in der Hand gehabt haben, eine Regierung, die also so reich ist an Widerspruch in Worten und in Taten, muß ihre besonderen Gründe haben. Diese Gründe werden uns ja auch genannt, und wir werden uns im Rahmen unserer heutigen Beratung mit ihnen beschäftigen müssen.
Die Regierung spricht einmal davon, es bestehe in unserer schwer angeschlagenen Wirtschaft die Notwendigkeit der Kapitalbildung. Die Regierung sagt weiter, die Steuermoral müsse gehoben werden, damit die hohen Steuerausfälle ausgeglichen werden könnten. Die Regierung bedauert in diesem
Zusammenhang ganz außerordentlich, daß sie den Beziehern kleiner Einkommen nichts zugute kommen lassen darf, weil ansonsten die gesamte englische Nation wild werden würde. Ich darf Sie an die Ausführungen des Herrn Finanzministers Schäffer erinnern, der hier mit aller Deutlichkeit gesagt hat:
Ich mache das Hohe Haus in allem Ernst darauf aufmerksam, daß — rein äußerlich betrachtet ! - die Steuerbelastung der Einkommen unter 3000 Mark in Deutschland heute geringer ist als in England unter der Labour Party. Es ist für Deutschland schon wegen des äußeren Eindrucks ganz unmöglich, eine Schichtung der Einkommensteuer zu übernehmen, wonach wir unter den Ziffern eines Siegerlandes stehen.
Das ist die Begründung dafür, daß wir für die kleinen Einkommensbezieher und kleinen Lohnsteuerpflichtigen nicht mehr machen können, als es in dieser Vorlage geschieht. Und schließlich weist die Regierung — jedenfalls ist es wiederholt in den Diskussionen im Finanzausschuß geschehen — darauf hin, daß die Juni-Tarife, die ja dieser Regelung zugrunde liegen sollen, mit den Stimmen der SPD angenommen worden seien und für unsere heutige Vorlage die Grundlage bildeten. Mit diesen vier Gründen werden wir uns beschäftigen müssen.
Aber vorher erlauben Sie mir noch ein Wort zu den Steuersenkungen selbst und zu der Problematik dieser Steuersenkungen. Etwa 20 Prozent des Aufkommens an Einkommensteuer werden diese Senkungen ausmachen; das sind mehr als 5 Prozent der gesamten öffentlichen Einnahmen des Bundesgebietes. Alles das geschieht in einem Augenblick, in dem wir für das kommende
Haushaltsjahr mit einem erheblichen Defizit rechnen. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, aber ich habe kürzlich in der Zeitung über eine Rede des Herrn Bundesarbeitsministers gelesen, in der er das Defizit für das kommende Haushaltsjahr mit 5 Milliarden D-Mark beziffert. Ich möchte auch den Herrn Bundesfinanzminister an ein Wort erinnern, das er nach dem Parlamentarischen Pressedienst vor den Vertretern der Presse zu dem Lastenausgleich gesagt hat, eine Äußerung, die wesentlich anders klingt als die letzten Äußerungen, die vor dem Bund der Fliegergeschädigten über den Lastenausgleich gemacht wurden, eine Äußerung,. die so lautet, „daß eine Minderung der Steuereingänge stets zu Lasten der Fürsorgepflichtigen ginge." Das richtet sich in diesem einen Fall einmal gegen den Lastenausgleich. Warum soll dasselbe nicht für die Einkommensteuer gelten? Ich glaube, man hat nach diesem Gesichtspunkt schon praktiziert, als man alle Anträge zugunsten der Kriegsopfer, der Ärmsten der Armen und der Betroffensten der Betroffenen in diesem Hause unter dem Hinweis darauf ablehnte, daß es an den nötigen Mitteln fehle.
Auch wir sind der Ansicht, daß angesichts der großen und wichtigen sozialen Aufgaben, die der Bund auch gerade in den kommenden Jahren durchzuführen hat, und bei den großen sozialen Verpflichtungen gegenüber den Flüchtlingen, den Kranken, den Alten und den Arbeitslosen jede Steuersenkung an sich schon problematisch ist und sich letzten Endes gegen diese Menschen auswirken wird. Ich glaube, der Optimismus des Herrn Finanzministers, -daß er diese eine Milliarde durch eine Hebung der Steuermoral wieder einbringen könne, ist durch nichts gerechtfertigt. Ich glaube, es ist kein gutes Zeichen, daß man sich durch derartige Steuersenkungen und Steuerermäßigungen zugunsten der Defraudanten und zu Lasten der Allgemeinheit wieder eine Steuermoral erkaufen will, das heißt also zugunsten einiger weniger zehntausend, die ein Einkommen von mehr als 20 000 D - Mark haben, und zu Lasten von Millionen ehrlicher Steuerzahler.
Wir erkennen an, daß die Belastungen ein fast unerträgliches Ausmaß angenommen haben. Aber lassen Sie uns auch erkennen, daß es unter anständigen Staatsbürgern leichter sein sollte, seinen Steuerverpflichtungen nachzukommen, wenn man das Vielfache des Existenzminimums hat, als wenn der Staat, wie es heute noch geschieht, einen Teil dieses Existenzminimums wegsteuert.
Denn unsere Steuern gehen sehr oft bis hart an die Grenze des Existenzminimums heran, in Hunderttausenden von Fällen in das Existenzminimum hinein, aber ich glaube, in der Regel wohl nicht bei Einkommensbeziehern mit Einkommen von über 20 000 D - Mark, mit denen es die Regierungsvorlage so ganz besonders gut meint. Wir sollten uns das Folgende gesagt sein lassen, und das stammt nicht aus dem Munde eines Sozialdemokraten, sondern eines Justiz- und Kultusministers, der der CDU angehört. Ich bitte , es zitieren zu dürfen.
In einer Zeit großer allgemeiner Not wie der gegenwärtigen, wo über zwei Drittel der öffentlichen Haushaltsbeträge direkt oder indirekt Kriegsfolgelasten darstellen, können die Grenzpunkte des Steuerbedarfs der öf-
fentlichen Hand und der Existenzgefährdung der Steuerpflichtigen nahe beieinanderliegen. Wenn Verwaltung, Polizei, Justiz und Schule wegen fehlender staatlicher Mittel ihre Tätigkeit einstellen müßten, wenn der Staat nicht mehr in der Lage wäre, den Kriegsopfern, Rentnern, Kranken, Flüchtlingen und Arbeitslosen ihre gewiß doch kärgliche Unterstützung zu zahlen, dann würde das zu einem völligen Chaos, zur Zerstörung der öffentlichen Ordnung und zur Vernichtung des Gemeinwohles führen,
Soweit die Worte des Herrn Ministers Dr. Süsterhenn. Jedenfalls sollten sich diese Worte alle diejenigen gesagt sein lassen, die ihre Steuerdefraudationen vor sich und anderen mit der Höhe der Steuer entschuldigen. Diese Steuersenkungspolitik auf dem Rücken der breiten Masse bedeutet unseres Erachtens eine Kapitulation der Regierung vor den Defraudanten und der Steuerunmoral.
Wir befürchten, daß es auch die Bankrotterklärung der Regierung in der Sozialpolitik sein wird, wenn die Mittel eines Tages fehlen werden.
Gewiß, auch wir sind der Ansicht, daß die Steuerschraube nicht überdreht werden darf, und wir sind der Ansicht, daß die Regierung nicht dafür verantwortlich ist, daß die Besatzungskosten im Jahr 4,5 Milliarden betragen und die sonstigen Kriegsfolgelasten etwa 3 Milliarden. Das verdanken wir alles unserem Führer! Aber es ist jetzt die Frage zu beantworten: Wer soll das alles tragen?
Die, die vor dem Dritten Reich, während des Dritten Reiches und nach dem Dritten Reich gut verdient haben, oder wieder einmal wie immer die breiten Massen des Volkes, auf die immer wieder. die Lasten eines verlorenen Krieges abgewälzt werden?
In diesem Zusamenhang werden Sie wahrscheinlich im Rahmen der Ausführungen über die Steuerunmoral auf die durch die hohen Steuern ausgelöste Spesenschinderei hinweisen, also auf diese moderne Form, dem Staate das vorzuenthalten, was des Staates ist. Ich frage die Regierung, sollte es denn keine Möglichkeit geben, diesem moralzerstörenden Unfug zu steuern?
Wenn man die Hähe der Repräsentationsaufwendungen nicht mit der Höhe der Löhne und Gehälter und mit dem Umsatz und welche Möglichkeit es sonst noch geben' mag, koppeln kann, so scheint uns das eine Phantasielosigkeit in der Steuergesetzgebung zu sein, mit der wir uns nicht einverstanden erklären können.
Das Schlimmste aber scheint mir die völlige Kapitulation vor diesen Mitbürgern zu sein, die jahraus und jahrein den Staat um die Steuerbeträge betrogen haben.
Nun zum ersten Grund, den uns die Regierung für ihre Vorlage nennt, zur Frage der Kapitalbildung. Auch wir anerkennen die Notwendigkeit der Kapitalbildung. Wir sind bereit, uns mit
Ihnen über die Möglichkeiten einer Kapitalbildung zu unterhalten, meinetwegen auch über die §§ 10 a oder 32 a, aber wir sind erst dann dazu bereit, wenn die primitivsten Grundsätze sozialer Gerechtigkeit diesen Gesichtspunkten untergeordnet und im Einkommensteuergesetz berücksichtigt sind.
Das Existenzminimum von Millionen Arbeitsloser, Rentner, Geschädigter, der kleinen Lohn-und Gehaltsempfänger, der kleinen Gewerbetreibenden, der kleinen Landwirte und all der vielen Beamten und Angestellten, die nicht durch diese Vorlage erfaßt werden, liegt uns mehr am Herzen als das Kapitalkonto derer, die mehr als 20 000 D-Mark verdienen.
Wir halten den Weg, den die Regierung einschlägt, um zur Kapitalbildung zu gelangen, für grundsätzlich falsch. Statt einer Kapitalbildung über die Kapitalsammelbecken, also über die Banken, Sparkassen und Versicherungen, forciert man noch einmal wieder die Investitionen in der Wirtschaft über die völlig unkontrollierbare und allzu oft fehlgeleitete Selbstfinanzierung. Aber das gehört anscheinend zum System der sogenannten sozial verpflichteten Marktwirtschaft.
Was hat uns denn diese Marktwirtschaft gebracht? Wir haben auf der einen Seite überhöhte Unternehmer- und Händlergewinne als Folge des Fehlens jeglicher Preisbindungen und Preisüberwachung. Wir haben eine Geldflüssigkeit ohne einen entsprechenden Sparwillen. Wir haben einen aufreizenden, höchst unerwünschten Luxuskonsum, der unser Ansehen im Ausland schmälert, und wir haben Kapitalbildung durch Fehlinvestitionen. Das auf der einen Seite! Und auf der anderen Seite können Millionen von Menschen, die alles verloren haben, trotz des großen Angebots an Bedarfsgütern sich kaum mit den notwendigsten Verbrauchsgütern ausstatten. Die Gegensätze, die wir heute sehen, zwischen Luxuskonsum und höchster Bedürftigkeit, zwischen Arm und Reich, das sind die erbarmungslosen Folgen der sogenannten sozialen Marktwirtschaft und des Grundsatzes, daß das Geld der einzige Bezugsschein ist.
Sie werden mich fragen: warum gehören diese wirtschaftspolitischen Ausführungen in die steuerpolitische Problematik hinein? Gerade weil wir aus dem Munde des Herrn Finanzministers gehört haben, daß eine Steuerpolitik nicht ohne entsprechende Wirtschaftspolitik zu denken ist, und weil wir die Gefahr sehen, daß durch die jetzt vorgeschlagene Steuerpolitik auf dem Wege dieser Wirtschaftspolitik fortgeschritten wird! Wir haben doch auf Grund der Schätzungen, die uns von dem Bundesfinanzminister und von den Leitern der Zentralbanken gegeben worden sind, gehört, daß seit der Währungsreform 15 bis 18 Milliarden D-Mark bereits wieder — und da lassen wir einmal die nüchternen Zahlen sprechen — in der deutschen Wirtschaft investiert wurden, und davon ein ganz erheblicher Teil durch Selbstfinanzierung. Lassen Sie mich diesen Zahlen einmal eine alte Statistik gegenüberstellen. Im Jahre 1929 betrugen bei der Verausgabung des deutschen Volkseinkommens in Höhe von 80 Milliarden Reichsmark die Gesamtinvestitionen 8,5 Milliarden Reichsmark, also bei einem Verbrauch von, wie gesagt, 80 Milliarden, wovon 71,5 Mil-
1512 Deutschter Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den Z. März 1950
liarden auf den übrigen Verbrauch entfielen. Und das galt für das gesamte Reichsgebiet! Heute werden in 11/2 Jahren im Bundesgebiet 15 bis 18 Milliarden D-Mark unter steuerlicher Billigung investiert. Das sind etwa 10 bis 12 Milliarden im Jahr. Noch niemals, so behaupte ich, hat es in der deutschen Wirtschaftsgeschichte eine so unleidige Diskrepanz zwischen der Höhe der Investitionen und der Höhe des Volkseinkommens gegeben. Sie werden mir entgegenhalten, daß wir heute eine verwüstete Wirtschaft mit einem sehr hohen Investitionsbedarf haben.
Damals, werden Sie sagen, hatten wir eine intakte Wirtschaft, vielleicht sogar eine Wirtschaft mit Überkapazität. Das ist richtig. Doch das wird sich die Verwaltung für Wirtschaft auch gedacht ha- ben, als sie den sogenannten großen Investitionsplan für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet vorlegte und den Bedarf für Neuinvestitionen für die Jahre 1948/1949 bis 1951/1952 — also für 4 Jahre — mit 27 Milliarden D-Mark angab. Nun sind in eineinhalb Jahren nach der Währungsreform bereits 15 bis 18 Milliarden D-Mark investiert worden,
und das sollen wir durch weitere Steuersenkungen zu Lasten der Allgemeinheit unterstützen! Wir dürfen auch darauf hinweisen, daß die Regierung bei jeder passenden Gelegenheit darauf aufmerksam gemacht hat, daß die Kapitalbildungsquote in Deutschland mindestens ebenso groß ist wie in England. Sie müssen uns schon erlauben, daß wir diesen Gedanken auch in diesem Zusammenhang einmal wiederholen.
Ich sagte schon, was sich hinter diesen Ziffern verbirgt: Auf der einen Seite ein unerhörter Konsumverzicht der breiten Massen, die den überhöhten Preisen keine entsprechenden Lohnerhöhungen entgegenstellen können, und auf der anderen Seite eine Anreicherung von Kapital aus überhöhten Spannen, aus Überpreisen — darüber ist in diesem Kreise oft gesprochen worden -- und aus Hortungsgewinnen. Auf etwa drei Milliarden schätzt man die Investierungen im Wege der Selbstfinanzierung durch Hortungsgewinne. Wie oft ist uns Herr Professor Erhard vor der Währungsreform in den Arm gefallen, wenn sozialdemokratische Wirtschaftsminister gegen Hortungsgewinne und Hortungen vorgehen wollten! Wie oft hat uns Herr Professor Erhard vor der Währungsreform versprochen, er wolle nach der Währungsreform diese Hortungsgewinne, die er ja wünschte, zur Steuer heranziehen! Und was geschieht jetzt? Dieselben Kreise, die diese hohen Hortungsgewinne gemacht haben, werden jetzt noch durch erhebliche Steuersenkungen belohnt.
Meine Damen und Herren! Kein geringerer als das leitende Vorstandsmitglied der Kreditanstalt für Wiederaufbau, Herr Abs, hat in den letzten Wochen wiederholt gesagt, daß es ein großes Versäumnis sei, den Fluß der Kapitalbildung in der vergangenen Zeit nach der Währungsreform nicht in die richtigen Kanäle geleitet zu haben.
Es wird allzuviel, so sagt er, von Unternehmern investiert, die sowieso schon hohe Gewinne machen und die ihr Geld lieber in ihrem eigenen Betrieb anlegen, als das Geld in die Kapitalsammelbecken
zu geben oder dem Nachbarn, der dieses Geld nicht erübrigt, es aber durchaus dringend gebraucht.
Ich bitte, mir zu erlauben, die Worte, die Herr Direktor Abs im Ausschuß für Geld und Kredit am 12. Januar dieses Jahres zu diesem Thema gesprochen hat, hier einmal verlesen zu dürfen, weil sie unmittelbar zum Thema gehören. Herr Abs hat folgendes gesagt:
Man möchte sich fast wünschen, daß manche von den Investitionen,
— die man vorher auf 15 bis 18 Milliarden D-Mark geschätzt hatte —
die in den 18 Monaten vorgenommen sind, besser einer Planung und Bewilligung unterworfen gewesen wären. Das heißt. die Entwicklung zu einer freien Kapitalschöpfung, zu einer Kapitalschaffung und zu eine Investierung wird teuer erkauft, indem manche und viele Investitionen vorgenommen wurden und die vielleicht auch noch laufend vorgenommen werden, denen man nicht ohne weiteres weder die erste Stufe der volkswirtschaftlichen Dringlichkeit noch die erste Stufe der privatwirtschaftlichen Vernunft zuerkennen kann.
Herr Abs fährt dann an späterer Stelle wie folgt fort:
Ich glaube, daß es wünschenswert wäre. dahin zu kommen, daß manch einer den Konsum einschränkt, um das ersparte Geld jemand zu geben, der ein volkwirtschaftlich dringendes Vorhaben hat. Da denke ich Licht so sehr an Lohn- und Gehaltsempfänger, denn ich wüßte nicht, bis zu welchem Betrag sie auf einen Teil ihres Einkommens für solche Zwecke verzichten könnten. Ich denke aber an jene Wirtschaftsteile, die aus Gewinn oder Abschreibungen nur den einen Weg, nämlich den der Investierung bei sich selbst sehen. weil das naheliegt. Die Berechtigung zu dieser Annahme liegt auch in der Erfahrung der Behandlung von Geld mit einer Deutlichkeit, die nichts zu wünschen übrig läßt. Es ist auch in der Tatsache begründet, weil die steuerliche Überabschreibung auf Neuinvestitionen günstiger ist. als wenn er das Geld dem Nachbarn zur Verfügung stellt, obwohl dieser andere viel dringendere Vorhaben hat.
Ich glaube, diesen Ausführungen braucht man kaum mehr etwas hinzuzufügen. Sie zeigen uns den Weg der Kapitalbildung, der heute beschritten werden soll Dieser Kapitalbildung wollen wir nicht dienen. Wir wollen nicht einer Kapitalbildung dienen, die zu Fehlinvestitionen führt, die die Reichen nur noch reicher macht, die die Schaufenster mit überflüssigen Luxuswaren füllt und die Gegensätze zwischen Überfluß und Not lediglich noch vergrößert. Wir sollten lieber an eine Sparkapitalbildung denken, die nicht zu neuen ungelenkten Investitionen führt, an eine Sparkapitalbildung durch die Kreise der breiten Massen des Volkes, die bisher im wesentlichen immer noch die Träger der Sparkapitalbildung gewesen sind. Wir würden es für einen guten Vorschlag gehalten haben. wenn die Regierung ihre Steuervorschläge vielleicht mit einer Möglichkeit verbunden hätte, diese hohen Steuersenkungsbeträge dem Sparen und über das Sparen irgendwelchen bedeutenden Zwecken zuzuführen.
Ich darf in diesem Zusammenhang an das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der früheren Verwaltung für Wirtschaft, jetzt wohl des Bundeswirtschaftsministeriums, erinnern, der ausdrücklich darauf aufmerksam macht, daß man unter allen Umständen diese Gedankengänge eines bewußten Zwecksparens wieder aufnehmen sollte.
Das ist etwas ganz anderes, meine Damen und Herren, als die Kapitalbildung, wie wir sie durch diese Steuervorlage erreichen werden. Wir wer- den auf dem falschen Weg der Fehlinvestitionen in der Wirtschaft weitergehen. Wir wünschen eine geordnete und gelenkte Kapitalbildung, die ausschließlich den großen Zwecken der Nation zugute kommt, nämlich dem Wohnungsbau, der bisher viel zu kurz gekommen ist, der Erneuerung des Verkehrswesens — wir wissen, wie die Eisenbahn nach Geld ruft —, der Energiewirtschaft und der Förderung des Außenhandels, von dem eines Tages unser ganzes Leben abhängen wird.
Lassen Sie mich diese Ausführungen zur Kapitalbildung mit einem Gedanken beschließen, den ich kürzlich las und den ich sehr gern übernehmen möchte. Es muß aber immer wieder gesagt werden: sofern Arbeitskräfte, Produktionskapazitäten und Einfuhrmöglichkeiten vorhanden sind, ist es nichts als ein Aberglaube, daß Kapitalmangel ein Hindernis für aktive Wirtschaftspolitik sei. Wenn sich die politischen Instanzen weigern, diese beweisbare Behauptung anzuerkennen, so kann man nur sagen: Welches Glück haben die Politiker, wenn die Arbeitslosen nicht wissen, daß Hunderttausende von ihnen ihr schweres Schicksal nur den falschen theoretischen Vorstellungen der Minister und Bankpräsidenten verdanken!
Und nun zum nächsten Punkt, meine Damen und Herren! Uns wird immer wieder entgegengehalten, wir hätten ja seinerzeit den Juni-Tarifen zugestimmt, die die Grundlage dieser Vorlage sein sollen. Das ist richtig. Inzwischen sind aber zwei Jahre „sozial verpflichteter Marktwirtschaft" über unser Volk und über unsere Wirtschaft hinweggegangen.
Wir wissen, daß wir bis zum Tage der Währungsreform untragbare Verhältnisse hatten. Das lag an dem Geld, das wir selbst nicht beseitigen konnten,. weil ja nicht wir den Termin der Währungsreform bestimmen konnten. Nach der Währungsreform hat sich manches geändert, weil die Millionen von Arbeitnehmern anständiges Geld in die Hände bekamen und weil insbesondere auch die Unternehmer wieder mit anständigem Geld rechnen konnten. Darauf wollen wir die Besserung in unserem Wirtschaftsleben zurückführen. Es ist bedauerlich, daß der Herr Bundeskanzler an dieser Stelle nicht auf diese Zusammenhänge hingewiesen, sondern immer wieder in der alten falschen und, ich möchte beinahe sagen, bösen Terminologie erklärt hat, daß diese Erfolge mit dem Übergang von der Planwirtschaft zur sozial verpflichteten Wirtschaft zusammenhängen.
Meine Damen und Herren! Erlauben Sie mir, ein Wort eines sehr bedeutsamen Staatsmannes zu zitieren, der am 7. Januar folgendes gesagt hat:
Deutschland hat nicht mehr lange Zeit, das soziale Problem zu lösen. Wenn der gegenwärtige Zustand der Überfülle in den Läden und der sozialen Not und Arbeitslosigkeit auf der anderen Seite ein Dauerzustand wird, dann hätte die schärfste Kritik an der Marktwirtschaft recht.
Das sagt Herr Bundeswirtschaftsminister Erhard.
Er hat es in Neuß gesagt, wahrscheinlich auf einer Versammlung, denn es sind ganz andere Töne, als wir sie aus den Industrie- und Handelskammern kennen.
Alles dies gehört in den Zusammenhang dieser Steuerreform, weil die Grundlage des Vorschlags, wie ich schon sagte, die Frage der Kapitalbildung ist, und ich sage noch einmal: Selbst wenn wir den Juni-Tarifen zustimmten, — die Verhältnisse haben sich seit jenem Tage vollkommen geändert Damals, im Juni, konnten wir noch annehmen, daß die Chance der Währungsumstellung für das ganze Volk und nicht nur für einen ganz bestimmten kleinen Kreis dieses Volkes ausgenutzt werden würde.
Schließlich beruft sich der Herr Finanzminister auf die Verhältnisse in England. Damit komme ich zu unseren Anträgen, und ich bitte, mir zu erlauben, diese Anträge zu der Frage der Höhe der Freibeträge hier gleich einzubeziehen. Diese Berufung auf England ist uns vollkommen un- verständlich, weil sie irreführend ist.
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Nach der Tabelle B, die Sie, meine Damen und Herren, mitbeschlossen haben, ist ein Lediger in Deutschland bereits mit einem Einkommen von 751 Mark im Jahr steuerpflichtig, ein Verheirateter mit 2 Kindern bei einem Einkommen von 1551 Mark. In England — ich ziehe es nur zum Vergleich heran, weil der Herr Finanzminister uns mit England verglichen hat — ist ein lediger Steuerpflichtiger erst Steuerschuldner, wenn er ein Einkommen von 1650 Mark hat,
und der Steuerpflichtige mit 2 Kindern dann, wenn er 4500 Mark verdient.
In England kommt aber noch etwas hinzu, und der Herr Finanzminister hat es uns ja auch gesagt: Ein Sechstel aller aus Arbeit fließenden Einkünfte, das sogenannte earned income, ist in England, , ich glaube, seit 1907 steuerfrei. In England wird weder 'eine Gewerbesteuer noch eine Vermögensteuer bezahlt. Auch in Deutschland kommt in einem ganz erheblichen Umfang noch etwas hinzu, was gerade zu Lasten dieser kleinen Einkommensteuerpflichtigen und Lohnsteuerpflichtigen geht, nämlich die indirekten Steuern, die man bei einem durchschnittlichen Lohnempfänger auf 27 Prozent des Arbeitslohnes schätzt.
Der Herr Bundesfinanzminister hat uns gesagt, wie hoch die indirekten Steuern im kommenden Jahre sein werden. Er ist auf einen Betrag von 8,5 Milliarden Mark gekommen, wobei allein 4,2 Milliarden Mark auf die Umsatzsteuer ent-
fallen, also Beträge, die wesentlich über die Einnahmen aus der Einkommensteuer hinausgehen. Es war also kein glücklicher Einfall, als der Herr Bundesfinanzminister uns uf England verwies und damit unsere Vorschläge zurückwies, auch die kleineren Einkommen- und gerade die Lohnsteuerpflichtigen in dieser Steuerreform zu begünstigen.
Man verweist uns in diesem Zusammenhang auch immer wieder darauf, daß sich die kleinen Einkommen- und Lohnsteuerpflichtigen in Deutschland noch nie so gut gestanden hätten wie gerade jetzt nach dieser Steuerreform.
Man zieht zum Vergleich das Jahr 1926 oder 1929
heran. Dabei vergißt man zunächst einmal die
wesentliche Erhöhung der Lebenshaltungskosten,
und vor allem möchte ich noch auf folgendes hinweisen, da wir gerade über den Zusammenhang mit England sprechen. Das bekannte Jecht-Gutachten verweist darauf, daß nach den Berechnungen der Times vom 15. Juni 1939 — ich zitiere wörtlich —
die Einkommensteuerbelastung bei den kleineren und mittleren Einkommen vor Ausbruch des Krieges in Deutschland durchschnittlich fünfmal so hoch war wie in England.
Meine Damen und Herren! Man wird also noch allerhand tun müssen, um die kleinen Einkommensteuer- und Lohnsteuerpflichtigen auf den Stand zu bringen, mit dem der Herr Finanzminister sie unvorsichtigerweise verglichen hat. In diesem Fall möchte man vielleicht sagen: O si tacuisses!
— O wenn du doch geschwiegen hättest!
Meine Damen und Herren! Wir können also die von der Finanzverwaltung, von dem Herrn Finanzminister, von der Regierung vorgebrachten Gründe -- ich habe sie alle vier genannt und mich mit ihnen auseinandergesetzt — unter keinen Umständen anerkennen, zunächst einmal nicht aus wirtschaftspolitischen Gründen, weil wir völlig falsche Wege der Kapitalbildung gehen, und sodann nicht aus sozialpolitischen Gründen, weil es sich um eine Vorlage handelt, die gegen die breiten Massen des Volkes gemacht worden ist. Was so außerordentlich bedauerlich ist — ich erwähnte das schon in meinen Ausführungen —, ist der völlige Mangel an schöpferischer Phantasie in dieser Steuergesetzgebung. Wir wollen der Regierung zugute halten — das ist ja auch im Ausschuß wiederholt von allen Seiten geschehen —, daß das Beharrungsvermögen einer guten Verwaltung, wie es die Finanzverwaltung ja nun einmal ist, das Bestreben hat, oft Angewandtes auch weiterhin anzuwenden. Aber wie wäre es gewesen, wenn man in den Steuervorschlägen, die man uns gemacht hat und die ja lediglich auf eine ziemlich phantasielose Steuersenkung zugunsten eines ganz kleinen Kreises höchster Einkommensbezieher hinauslaufen, wenn man uns statt dessen Vorschläge gemacht und in das Gesetz eingearbeitet hätte: eine neue Form des steuerbegünstigten Sparens etwa für den Wohnungsbau, eine Steuerbegünstigung für Spätheimkehrer oder für die Kriegsbeschädigten, wie wir sie jetzt vorschlagen, eine Erfassung überhöhter Betriebsausgaben und Werbungskosten, insbesondere im Kampf gegen die. Spesen, und dann, was wir vorschlagen, eine Aufteilung der Einkommensteuer in eine Normal- und Zusatzsteuer um der steuerlichen und sozialen Gerechtigkeit willen und vielleicht auch ein Vorschlag für die steuerliche Besserstellung der berufstätigen Frau! Doch damit kommen wir schon zu unseren eigenen Anträgen und zu unseren eigenen Vorschlägen.
Wir lehnen also den Tarifvorschlag der Regierung ab. Dazu bedarf es jetzt keines Wortes der Begründung mehr. Wir lehnen den § 10 a ab über den nichtentnommenen Gewinn und den § 32 a über weitere Steuerbegünstigungen der buchführenden Land- und Forstwirte und Gewerbetreibenden. Denn dies alles liegt auf derselben Linie der fehlgeleiteten Kapitalbildung.
Wir lehnen weiterhin ab die Tabelle B mit all ihren ungerechten und unsozialen Folgen. In einer Zeitschrift, die der Herr Professor Erhard mit herausgibt, lese ich, daß die jetzige Grundtabelle B allein der Täuschung der Steuerpflichtigen und der Öffentlichkeit dient.
Und so ist es, meine Damen und Herren. Aber die Ausführungen zu diesem Punkt wird mein Parteifreund Seuffert übernehmen.
Wir schlagen Ihnen statt dessen in den Anträgen, die Ihnen vorliegen, erhöhte Freibeträge für den Familienstand, eine Normal- und Zusatzsteuer, wobei die Normalsteuer eine Proportional-
und die Zusatzsteuer eine progressive Steuer sein soll, und die Offenlegung der Steuerlisten vor, wie es in anderen demokratischen Staaten üblich ist.
Wir schlagen Ihnen weiter vor und möchten das hiermit tun, daß nach Annahme unserer Anträge der Tarif so ausgestaltet wird, daß die Steuerausfälle nicht etwa eine Milliarde ausmachen, sondern allerhöchstens 350 bis 400 Millionen DMark. Auf einen derartigen Betrag hat ja der Herr Vorsitzende unseres Finanzausschusses die Auswirkungen unserer -Anträge geschätzt.
Wir können uns grundsätzlich in diesem Stadium der Verhandlungen nicht auf alle wie auch immer gearteten beruhigenden Erklärungen und Hinweise auf die sogenannte große, organische Steuerreform einlassen. Wenn der Herr Dr. Höpker-Aschoff, der Vorsitzende unseres Finanzausschusses, vor der Presse erklärt hat, die große Steuerreform erscheine jedoch nach der jetzt vorgeschlagenen Steuererleichterung für Gewerbetreibende, Land- und Forstwirte nicht mehr so dringend, dann entschwindet für uns diese sogenannte organische Steuerreform bei dem Arbeitstempo, das wir hier kennengelernt haben, in nebelhafte Ferne.
Hier, am heutigen Tage, müssen wir zu den sozialen Forderungen des Tages in diesem Steuergesetz Stellung nehmen. Es darf sich nicht das gleiche wiederholen, wie wir es bei der Beratung des Beamtengesetzes etwa erfahren haben,
wo man uns auch auf eine ungewisse Zukunft vertröstete.
Man kann uns auch, meine Damen und Herren, nicht entgegenhalten. diese Vorschläge könnten so schnell nicht durchgeführt werden. Die Finanzverwaltung beschäftigt sich seit Jahr und Tag mit dieser Steuerreform, die Regierung auch schon seit mehreren Monaten. Unsere Reformvorschläge könnten ebenso schnell durchgeführt werden wie die Vorschläge, die uns die Regierung vorlegt.
Und nun zum Schluß, meine Damen und Herren, lassen Sie mich noch auf einen ganz besonders wichtigen Umstand hinweisen, auf einen ganz besonders wichtigen Punkt. Ich denke an die von Ihnen überhaupt nicht in den Kreis der Erwägungen gezogene Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes zum Gesetzentwurf der Bundesregierug.
Diese Stellungnahme, meine Damen und Herren, ist Ihnen allen zugegangen und ist getragen von dem Verantwortungsbewußtsein für fünf Millionen Arbeitnehmer. die in den Gewerkschaften organisiert sind. Diese Stellungnahme spricht also, wenn wir einmal die Familienangehörigen hinzunehmen, für vielleicht zwanzig Millionen deutscher Menschen. Über diese Stellungnahme sind Sie bei der zweiten Lesung zur Tagesordnung übergegangen, und ich sehe schon jetzt die Gefahr, daß Sie die Absicht haben, auch heute wieder über diese Stellungnahme des Deutschen Gewerkschaftsbundes hinwegzugehen. Sie müssen aber die folgenden Sätze zur Kenntnis nehmen:
Der Deutsche Gewerkschaftsbund hält es
— so heißt es in dieser Stellungnahme — nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Notwendigkeit der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus über die öffentlichen Haushalte nicht für gerechtfertigt, daß die Bundesregierung mit der Steuersenkung noch erheblich weitergehen will, als es seinerzeit mit dem sogenannten Junitarif geplant war. Hierbei läßt die Bundesregierung die Steuersenkungen in einer so einseitigen Weise den Beziehern von Einkommen über 10 000 Mark zugute kommen, daß nach Auffassung des Deutschen Gewerkschaftsbundes damit erheblich von den elementaren Grundsätzen einer gerechten Besteuerung abgewichen wird. Die unteren Einkommensstufen werden in den neuen Steuertarifen geradezu stiefmütterlich behandelt,
-- sagt der Gewerkschaftsbund.
Er sagt weiter über die Erhöhung der steuerfreien Pauschalbeträge:
Bei der dringend notwendigen Neufestsetzung des steuerlichen Existenzminimums muß auch die Tatsache berücksichtigt werden, daß die Arbeitnehmerhaushalte eine bisher ständig gewachsene Verbrauchssteuerlast zu tragen haben.
Dann ist auch die Rede von der Steuertabelle B, von der ich sprach und die wir ablehnen.
Eine solche Tarifgestaltung,
- heißt es in der Stellungnahme des Gewerkschaftsbundes —
die eine Benachteiligung gerade der kleinsten Einkommensempfänger bedeutet, ist durch nichts gerechtfertigt und verstößt geradezu gegen Treu und Glauben.
Mir liegt ein Telegramm vor, das an eines unserer Fraktionsmitglieder vom Bundesvorstand .des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Hans Böckler, gesandt worden ist und das mit wenigen Worten die Situation schildert:
Regierungsvorlage über die kleine Steuerreform berücksichtigt in keiner Weise Gewerkschaftsforderungen. Steuererleichterungen für kleine Einkommen völlig unzureichend. Gewerkschaftsforderungen beabsichtigen Reallohnerhöhung durch Steuersenkung. Steuererleichterungen und Preissenkungen müssen Reallohnerhöhung bringen. Sonst Lohnerhöhungen auf ganzer Linie unvermeidlich,
zumal Lebenshaltungskostenentwicklung unbefriedigend.
Bundesvorstand erwartet dringend, daß Ihr Euch
— das ist wohl an alle Gewerkschaftler in diesem Hause gerichtet —
in Fraktion und Bundestag bei Verabschiedung dieses Gesetzes für Verwirklichung der gewerkschaftlichen Vorschäge einsetzt.
— Nein, ich sagte: das hat ein Mitglied meiner Fraktion erhalten,
und andere wahrscheinlich auch.
Der Herr Bundeskanzler, meine Damen und Herren, hat am vergangenen Sonntag Herrn Böckler die Wünsche der Regierung überbracht. Ich glaube, Herr Böckler hätte sich am meisten gefreut — er und die 20 Millionen Menschen, die er vertritt —, wenn man ihm hätte erklären können, daß diese Stellungnahme der Gewerkschaften zumindest bei dieser Steuervorlage berücksichtigt worden wäre.
Wir wollen der Regierung immer noch . die Möglichkeit geben, die in dieser Stellungnahme enthaltenen Gedanken mit in den Gesetzentwurf einzuarbeiten. Damit die Gewerkschaften wissen, wer sich für ihre Stellungnahme eingesetzt hat, behalten wir uns vor, gerade zu diesen wesentlichen Punkten der Vorlage namentliche Abstimmung zu beantragen.
- Vollkommen richtig! -- Bei der Abstimmung
über diese unsere Anträge wird sich erweisen, wieviel Vertrauen das deutsche Volk seiner Regierung, den Regierungsparteien und der Regierungserklärung des Bundeskanzlers entgegenbringen kann, in der es heißt: „Das Streben nach sozialer Gerechtigkeit wird der oberste Leitstern bei unserer gesamten Arbeit sein." Bei der Diskussion über die Wirtschaftspolitik, über die Investitionen, über die Arbeitslosigkeit und über die Monopolgesetzgebung konnten sich die Regierungsparteien und die Regierung mehr oder weniger in theoretische Erörterungen flüchten, die all den vielen Millionen Bedrängter Steine statt Brot gaben. An den Steuertabellen aber -- und
damit lassen Sie mich schließen, meine Damen und Herren —, an den Steuertabellen wird jedermann eines Tages Ihre soziale Einstellung und Ihre soziale Verantwortung ablesen können.
Das Wort hat der Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! Die Adenauer-Regierung hat bei ihrer Amtsübernahme eine Reihe von Versprechungen abgegeben. Wir wissen aber aus ihrer Praxis in den letzten fünf Monaten, daß sie kein Versprechen so ernst genommen hat wie ihr Versprechen an die Schwerindustrie, Steuersenkungen zu gewähren.
Die gegenwärtige Vorlage ist der beste Beweis dafür. Die Steuerpolitik zeigt uns aber auch in aller Deutlichkeit, nach welchen Grundsätzen die Adenauer-Regierung und die reaktionäre Mehrheit dieses Hauses ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben; denn von den Steuereinnahmen und den Ergebnissen der Steuerpolitik hängt es ab, ob man bereit sein kann, eine „sozial verpflichtete Gesetzgebung" wirklich durchzuführen. Dieser Regierung geht es in Wirklichkeit um die Begünstigung und Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in den Händen der Mitstreiter, der Herren Pferdmenges, Zangen und Roelen. Ihre ganze Wirtschafts- und Steuergesetzgebung ist darauf ausgerichtet, diesen Herren die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht faktisch zu ermöglichen.
Dies. meine Damen und Herren, geschieht durch die privilegierte Bildung von Eigenkapital, durch überhöhte Abschreibung nach dem D-MarkBilanzgesetz, durch die Gewährung steuerfreier Rücklagen, durch Schachtelprivilegien usw. Es geht dieser Regierung darum, und zwar nach dem Willen der Herren Zangen, Pferdmenges und Roelen, daß die Zwingherren von Rhein und Ruhr über die Kapitalbildung ihre alten Unternehmungen weiter aufbauen, während zu gleicher Zeit die werktätigen Massen in Westdeutschland die schwersten Entbehrungen als Folgen dieser Politik auf sich nehmen müssen.
Herr Kollege Koch von der SPD sprach mit sehr bewegten Worten von der von dieser Regierung vorgesehenen Kapitalbegünstigung auf dem Wege über die Steuerpolitik zum Zwecke der Kapitalbildung. Er betonte allerdings, daß auch seine Fraktion eine derartige Kapitalbildung, wenn auch unter Beachtung gewisser Grundsätze, mehr oder weniger begünstige. Ich möchte aber den Kollegen von der SPD dabei zu bedenken geben, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Westdeutschland jede Kapitalbildung einzig und allein den Feinden des Volkes zugute kommt.
Dieser von der Regierung beabsichtigten Kapitalbildung bei den Großverdienern von Rhein und Ruhr stehen steuerliche Benachteiligungen der Lohn- und Gehaltsempfänger und steht eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung der verschiedenen Einkommensteuerarten in der heutigen Vorlage gegenüber. Die Bezieher mittlerer und höherer Einkommen erhalten mit dieser Vorlage — nach dem Willen der Mehrheit des Bundestages,
muß man wohl hinzufügen --i ein Dankgeschenk von rund einer Milliarde.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich zugleich auf eine andere Verpflichtung dieser Regierung hinweisen, die sie in den Tagen der Wahl zu diesem Bundestag eingegangen ist, nämlich zu dem Zeitpunkt, als die westdeutsche Schwerindustrie den jetzigen Regierungsparteien ein Wahlgeschenk von 10 Millionen D-Mark machte. Dieses Wahlgeschenk von damals hat hundertfache Früchte gezeitigt, wie die gegenwärtige Steuervorlage eindringlichst beweist.
Dabei muß man berücksichtigen, daß im gegenwärtigen Moment drüben in Düsseldorf, Köln und Essen schon wieder die Fäden gesponnen werden, um bei den kommenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen den Mehrheitsparteien des Bundestages erneut Subsidien zur Führung des Wahlkampfes zu gewähren.
Der Herr Wirtschaftsminister hat während der großen wirtschaftspolitischen Debatten in diesem Hause von den 17 Milliarden D-Mark berichtet, die die Schwerindustrie an Rhein und Ruhr im zweiten Jahr der Währungsreform investieren konnte. Ich aber stelle die Frage: was haben die Ausgebombten und die Flüchtlinge, die Arbeiter und Angestellten, die Kleingewerbetreibenden und Kleinfabrikanten tun können, um die Schäden des Krieges auszugleichen? Kann irgendein Abgeordneter des Hauses hier auftreten und sagen, daß auch diese Kreise in der Lage waren, in der Zeit nach der Währungsreform Substanzen für den Ausgleich ihrer Schäden zu bilden?
Darum, meine Damen und Herren. ist es die Politik gerade dieser Regierung, die Kriegslasten von den Kapitalisten zu nehmen und diese Lasten den werktätigen Menschen unseres Volkes aufzubürden, wie das auch in der Benzinsteuergesetzgebung dieser Regierung drastisch zum Ausdruck kam. Und dabei hörten wir von diesem Platze hier oft so schöne Reden von den Abgeordneten der gegenwärtigen Regierungsmehrheit. Man hat uns erklärt: wir alle haben den Krieg verloren, wir alle müssen die Folgen des Krieges gemeinsam tragen. Die Praxis sieht so aus, daß die Lasten des Krieges und der Währungsreform einzig und allein vom werktätigen Volk getragen werden,
und zwar geschieht dies nach dem Motto: Die Reichen werden für die Armen alles tun, nur nicht von deren Rücken heruntersteigen!
Die Politik der Regierung ist somit eindeutig gegen das Volk, gegen die Werktätigen, die Angestellten, Kleingewerbetreibenden und Kleinfabrikanten gerichtet.
Dies äußert sich auch in der Senkung der Einkommensteuer bei starkem Anwachsen der indirekten Steuer, der Verbrauchssteuer. Ich habe eine auf offiziellen Angaben beruhende Aufstellung über die Entwicklung der einzelnen Steuerarten vor mir. Das Aufkommen der Steuer verlagert sich demnach eindeutig von der Einkommen- auf die Verbrauchssteuern. Folgende Entwicklung ist nach dem Bericht der Bank deutscher
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Länder vom Dezember festzustellen: Im Monat April /Mai hatten wir ein Gesamtsteueraufkommen von 1255.3 Millionen D-Mark. Davon entfallen auf die Einkommensteuer 45,8 Prozent und auf die Verbrauchssteuern 49,8 Prozent. Aber im Juli/ August sank das Einkommensteueraufkommen auf 42,4 Prozent, während das Verbrauchssteueraufkommen auf 51,9 Prozent stieg. Im Oktober /November 1949 betrug der Hundertteil der Steuer vom Einkommen nur noch 39.7 und der der Verbrauchssteuern 54,7. Hier zeigt sich ganz eindeutig die Abwälzung der Steuern auf die Schultern der breiten Massen.
Das wird noch deutlicher, wenn man die Einkommensteuer nach der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer aufgliedert. In den Vergleichsmonaten Juli und Oktober hat sich die Lohnsteuer auf 104,1 Prozent erhöht, während die veranlagte Einkommensteuer auf 96,1 Prozent gesunken ist. Die Bank deutscher Länder behauptet in ihrem November -Bericht, die Lohn- und Gehaltssumme sei im Wachsen begriffen, und daraus sei das höhere Aufkommen aus der Lohnsteuer zu erklären. Die geringfügigen Lohnerhöhungen gehen in Westdeutschland aber auf Grund. des Lohnsteuergesetzes sofort in die höhere Abzugskategorie, so daß der höhere Anfall an Lohnsteuer darauf zurückzuführen ist. Obwohl die veranlagte Einkommensteuer während dieser Zeit in ihrem Ertrag gesunken ist, sind, wie die Bank deutscher Länder in demselben Bericht bemerkt, die Unternehmergewinne eher gestiegen als gesunken.
Nun, meine Damen und Herren, das ist die Praxis: eine Begünstigung der Einkommensteuer und eine Verlagerung der Steuer auf die Verbrauchssteuern, somit also eine Verlagerung der Steuer auf den Konsum der Masse. Dieser Gegensatz wird durch die gegenwärtige Steuervorlage noch weiter verschärft. Wie recht hatten darum die Kommunisten, wenn sie diese Regierung als die Sachwalterin der Millionäre bezeichneten!
Darüber geben auch die D-Mark-Bilanzen der Konzerne Auskunft. Das Aktienkapital der 22 Gesellschaften, die bis zu dieser Stunde berichtet haben, konnte im wesentlichen im Verhältnis 1 zu 1. umgestellt werden. Das ist eine sehr bedeutsame Entwicklung in Westdeutschland, die zeigt, daß die großen Konzerne an Rhein und Ruhr in der Kriegszeit und in der Zeit vor und nach der Währungsreform keinerlei Verluste erlitten haben.
-- Eine Reihe von Geschäftsberichten, werter Kollege, geben dieser Tatsache sehr beredten Ausdruck.
Während sich in den Arbeiterhaushalten eine beträchtliche Spanne zwischen dem durchschnittlichen Nettolohn und dem durchschnittlichen volkswirtschaftlich möglichen Konsum bemerkbar macht, sind heute bereits wieder viele Unternehmen der Großindustrie in Westdeutschland dividendenreif. Am deutlichsten zeigt sich diese Dividendenpolitik in den D-Mark-Bilanzen einer Reihe Großbetriebe, und wiederum charakteristisch ist dabei die Bilanz der ContinentalGummiwerke AG, Hannover. Dieser größte deutsche Gummikonzern hat sein Aktienkapital von 88,4 Millionen unverändert aus der Reichsmark-zeit in die D-Markzeit übernommen, außerdem eine gesetzliche Rücklage von 8,84 Millionen DMark gebildet, während das Anlagevermögen mit 59,4 Millionen D-Mark gegenüber 33,4 Millionen Reichsmark im letzten Reichsmarkabschluß bewertet wird. Als aufgewiesener Reingewinn ist der Betrag von 3,7 Millionen angegeben, aus dem eine dreiprozentige Dividende für das zweite Halbjahr 1948 für die Aktionäre ausgeschüttet wurde.
Auch im Warenhaushandel, zum Beispiel bei dem Karstadt-Konzern, wurden große Gewinne erzielt.
Besonders aufschlußreich sind aber die letzten Bilanzen der großen Stahlwerke in Nordrhein-Westfalen. Als typisch ist der Geschäftsbericht von Mannesmann zu betrachten. Zangen. Vorsitzender des Aufsichtsrats bei den Mannesmannwerken, erklärte auf der am 26. Oktober 1949 abgehaltenen Generalversammlung, daß ungeachtet der . erheblichen Verluste das Aktienkapital durch die verbliebene Vermögenssubstanz voll gedeckt ist. Die Zeitschrift Professor Erhards Der Volkswirt" geht auf diese Lage ein und bemerkt in Nr. 44 des Jahrganges 1949 dazu folgendes:
Im Falle Mannesmann lagen die Dinge so, daß die Bilanz zum 31. Dezember 1944 eine bedeutende innere Stärkung auf Grund der immerhin beträchtlichen Gewinnchancen der Vorkriegs- und Kriegsjahre aufwies. Mannesmann hat in dieser Zeit sichtbar und zweifellos auch unsichtbar akkumuliert.
Trotz der großen Verluste durch Krieg, Demontage und Restitutionsansprüchen verfügt der Konzern über ein Vermögen, das den Nominalwert des Aktienkapitals von 156 Millionen D-Mark voll deckt. Das ist auch ein Erfolg der berühmten Erhardschen sozial verpflichteten Wirtschaftspolitik.
Herr Pferdmenges vom Stahlverein erklärte sich ebenfalls auf der Hauptversammlung des Stahlvereins, die am 31. Dezember 1949 in Düsseldorf stattfand, äußerst befriedigt mit der Finanzlage dieser mächtigen Monopolorganisation in Westdeutschland. Er erklärte, die Finanzlage des Stahlvereins gebe zu Bedenken keinen Anlaß.
So könnte ich nun, meine Damen und Herren, die Geschäftsberichte, die bisher von den großen Konzernen an Rhein und Ruhr vorliegen, herunterzitieren, und immer wieder würden Sie doch das gleiche Ergebnis hören: die Finanzlage ist gesund, die Verluste sind gedeckt, den Aktionären geht es wieder gut.
Meine Damen und Herren! Es ist darum auch kein Wunder, daß die Konzerne und Großbanken ihr Vertrauen in diese Regierung setzen, in eine Regierung, die ja nichts anderes ist als die politische Repräsentantin dieser Herren von Rhein und Ruhr.
Die unerhörten Kursgewinne an den Börsen sind ein weiteres Barometer des Vertrauens der Reichen, der Besitzenden, der Aktienbesitzer zu dieser Regierung. Vor mir habe ich den Bericht eines der wichtigsten Bankinstitute in Westdeutschland. Der „Bankverein Westdeutschland", früher Commerzbank, hat eine Broschüre herausgegeben, die den Titel trägt „Rund um die Börse 1949". Der wirtschaftlich interessierte Mensch fin-
det eine Unmasse von Materialien gerade in dieser kleinen, knappen Schrift dieses großen Bankinstituts. Hier wird in aller Deutlichkeit aufgezählt, wie es heute den Reichen in Westdeutschland geht.
Aber wie schon in früheren Jahren beschäftigt sich diese Bank nicht nur mit ihren Bilanzen, mit ihrem Vermögen, sondern diese Bank beschäftigt sich wie seit jeher auch mit den Grundlagen der gegenwärtigen Politik. Über diese Politik hat auch die ehemalige Commerzbank in ihrem kleinen Heftchen recht ausführlich — und ich möchte sagen recht deutlich — folgendes geschrieben:
Noch im ersten Jahresviertel wurde bekanntlich die Möglichkeit einer Sozialisierung des Ruhrbergbaues und der Versorgungsunternehmungen in manchen Kreisen erörtert. Verstaatlichungsgerüchte sind aber nie eine günstige Grundlage für die Börsenentwicklung gewesen. sie gaben auch diesmal Anlaß zu verstärkter Zurückhaltung gegenüber Dividendenwerten und gegenüber den Aktien von so gefährdeten Unternehmungen. Mit den Wahlen zum Bundestag und der Bildung einer westdeutschen Regierung, die Sozialisierungstendenzen abhold ist und für frei e Wirtschaft eintritt, änderte sich dieses wenig freundliche Bild schlagartig. Dieser Umstand dürfte für den inzwischen eingetretenen Stimmungswechsel ausschlaggebend gewesen sein.
Man meint nämlich den Stimmungswechsel an den Börsen. Man meint das Hochschnellen der Börsenkurse. Und es heißt weiter:
Der Besitz und der Erwerb von Aktien und sonstigen Wertpapieren war wieder zu einer Angelegenheit geworden, die unter mehr kaufmännischen Gesichtspunkten beurteilt wurde und die politische Ressentiments allmählich abstreifen konnte.
Und dann kommt wieder etwas, worauf die Menschen in Westdeutschland achten müssen:
Der Aktionär hatte seine Salonfähigkeit wiedergewonnen.
Meine Damen und Herren! Dieses kleine Heftchen wird noch deutlicher. Es heißt dann weiter:
Dazu gesellte sich die wachsende Überzeugung, daß es der neuen Bundesregierung mit
ihren Plänen zur Steuersenkung ernst sei. Das haben wir ja, wenn wir die gegenwärtige Vorlage betrachten, zur Genüge mittlerweile erfahren.
Aber auch noch folgende Probleme, die uns in Westdeutschland so sehr bedrücken, werden in dieser Schrift der ehemaligen Commerzbank mit der gleichen rücksichtslosen Offenheit ausgesprochen, nämlich die Politik des Lastenausgleichs. Über diese Frage berichten die Verfasser der Schrift folgendermaßen:
Auch die Durchführung des Lastenausgleichswurde mit mehr nüchternen Augen betrachtet. Manche Theoretiker hatten sich diesen in der primitiven Form vorgestellt, daß diejenigen, die noch etwas besaßen, hiervon einen bestimmten Teil - man dachte zeitweise an die Hälfte — an diejenigen abzugeben hätten, deren Vermögen oder sonstiges Besitztum der Krieg verschlungen hat. Es ist zwar längst Allgemeingut geworden, daß sich eine so gewaltige Vermögensabgabe nie in einem so kurzen Zeitraum mobilisieren läßt, sondern daß sie unter vernünftigen Maßstäben auf lange Jahre verteilt werden muß. Je tiefer man allmählich in diese Materie eindrang, um so mehr wurden die vorher übertriebenen Gedankengänge auf ein Maß zurückgeführt, das dem nüchternen Alltag standhält.
Meine Damen und Herren! Dies ist wohl der beste Kommentar, den ich jemals zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers gelesen habe.
Meine Damen und Herren! Ich habe mit Absicht gerade zu der gegenwärtigen Steuervorlage auch über diese Fragen gesprochen. Denn man kann nicht zur gegenwärtigen Steuervorlage sprechen, ohne ganz allgemein auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Regierung gebührend zu brandmarken. Eine andere Möglichkeit gbit es für unser Volk nicht mehr.
Diese Regierung hat einige Aufträge der Konzernherren übernommen. Sie hat erstens die Aufgabe übernommen, die volle Restaurierung der alten Konzerne und großen Gesellschaften in Politik und Wirtschaft vorzunehmen. Sie hat ferner noch die Verpflichtung übernommen, dafür Sorge zu tragen, daß den Monopolherren von Rhein und Ruhr ständig Gewinnanreize zur Verfügung stehen, damit die großen Konzerne an Rhein und Ruhr ihre alten Machtpositionen in der Wirtschaft wieder begründen können. Diese Regierung hat ferner gerade von diesen Kreisen den Auftrag erhalten alle Lasten des Krieges, alle Lasten der Währungsregelung und alle Lasten auch der Kolonialpolitik der ausländischen Machtherren in Westdeutschland aufs Volk abzuwälzen. Die Politik dieser Regierung ist ein einziger Beweis dafür, daß sie diesen ihren Auftrag getreulich bis zum letzten Komma erfüllt. Diese Regierung hat bis heute noch nicht, obwohl es im Währungsgesetz vorgeschrieben war, ein Lastenausgleichsgesetz verabschiedet. ' Diese Regierung hat bis zur Stunde immer noch nicht eine wahrhaft echte Flüchtlingshilfe beschlossen, um den Millionen Flüchtlingen in Westdeutschland endlich ein menschenwürdiges Dasein zu verschaffen. Diese Regierung weigert sich konstant unter Hinweis auf ihre finanziellen Verpflichtungen, den Opfern des Krieges und den Opfern des Bombenterrors. den Ausgebombten, angemessene Hilfe zu gewähren, damit sie sich wieder ein gesundes und ein frohes Leben aufbauen können. Dagegen aber ist die Regierung bereit, Erfüllungspolitik zu betreiben, sich Woche um Woche den Befehlen der Hohen Kommissare zu beugen und eine Politik der ständigen Unterordnung unter die Beschlüsse der Hohen Kommission zu betreiben. Sie trägt gerade mit dieser ihrer Politik dazu bei, daß das deutsche Volk einer weiteren Verelendung entgegensieht.
Im Zusammenhang gerade mit dieser ihrer Politik muß man auch das Problem der Besatzungskosten sehen. Von dem Volkseinkommen in Höhe von 60 Milliarden nehmen die Besatzungsmächte 7,5 vom Hundert für ihre Zwecke in Anspruch. Dies entspricht der Leistung von 1,6 Millionen Erwerbstätigen im Bundesgebiet. Diese Gelder
des deutschen Volkes können nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Regierung sich konstant weigert, sich dafür einzusetzen, daß endlich einmal ein Friedensvertrag abgeschlossen wird, daß endlich einmal eine gesamtdeutsche Regierung zustande kommt und daß endlich einmal die Unabhängigkeit des deutschen Volkes wiederhergestellt werden kann. Die Steuern und Besatzungskosten zeigen darum den werktätigen Massen in Westdeutschland die materiellen Lasten, die dank der Politik dieser Regierung und dank der Besatzungspolitik den westdeutschen Werktätigen aufgebürdet werden.
Die Steuern, die durch diese Vorlage der Mehrheit des Bundestags erzwungen werden sollen, sind darum ein Tribut, den die Werktätigen, die Mittelständler und die kleinen Unternehmer an eine Regierung entrichten, die alles für die Millionäre tut, aber nichts für das Volk. Diese Steuern stärken die Position einer Regierung, die für die koloniale Unterdrückung und Belastung des deutschen Volkes, der deutschen Wirtschaft die Hauptverantwortung trägt. Jeder Pfennig, der dieser Regierung zufließt, richtet sich somit gegen die ureigensten Interessen des deutschen Volkes.
Sie können von uns Kommunisten nicht erwarten, daß wir dieser reaktionären Steuervorlage die Zustimmung geben. Aber wir haben dennoch eine Reihe von Abänderungsvorschlägen auch zu dieser Steuervorlage der Regierung gemacht, um zum mindesten die berechtigten Interessen der Währungsgeschädigten, der Flüchtlinge, der Ausgebombten und der politisch Verfolgten dennoch zu sichern. Dabei wissen wir ganz genau, daß die Mehrheit in diesem Hause nicht bereit sein wird, unseren Anträgen ihre Zustimmung zu geben.
Wir haben in unseren Abänderungsanträgen gemäß Drucksache Nr. 616 ganz klar und eindeutig verlangt, daß in Artikel I Ziffer 3 der §3 Ziffer 4 eine Fassung erhält, nach der die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, die Renten aus der Knappschaftsversicherung und die Renten, die auf Grund eines Versicherungsvertrages oder aus Unterstützungskassen gezahlt werden, in voller Höhe steuerfrei bleiben, wenn kein sonstiges Einkommen vorhanden ist. Meine Damen und Herren! Warum haben wir Kommunisten diesen Antrag gestellt? Weil wir der Auffassung sind und uns tagtäglich in der Praxis des Lebens bewiesen wird, daß gerade diese Kreise des westdeutschen Volkes in ihren Renten praktisch ihr einziges Einkommen haben. Wenn sie tatsächlich noch sonstige Bezüge haben, sind diese nur ein geringer Ersatz für die Schäden, die gerade diese Menschen haben hinnehmen müssen.
Ein weiterer Antrag der KPD beschäftigt sich damit, daß die Weihnachtsgratifikationen und Jubiläumsgeschenke bis zum Betrage von 300 D-Mark steuerfrei bleiben sollen. Ich weise darauf hin, daß diese Regierung es ablehnte, den einstimmigen Beschluß des Hauses über die Steuerfreiheit dieser Beträge an den Bundesrat weiterzuleiten. Dieses Nichtweiterleiten muß man als eine Sabotage der Beschlüsse dieses Hohen Hauses bezeichnen,
muß man auch als einen Verfassungsbruch brandmarken.
Wir haben ferner vorgeschlagen, in Artikel I Ziffer 8 im § 7 e Absatz b hinter „Gewerbetreibende" einzufügen: „die bis zu 50 Lohn- und Gehaltsempfänger beschäftigen." Wir sind für diese Begrenzung, weil wir nicht wollen, daß diejenigen, die auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der Lage sind, Kapital anzusammeln, durch dieses Gesetz Vergünstigungen erhalten. Wir sind aber für den vollen Schutz und sind auch für steuerliche Vergünstigungen bei jenen Kleingewerbetreibenden, die heute schon unter den Auswirkungen der Krise und des Marshall-Planes schwer zu leiden haben.
Wir haben dann noch im Interesse der Flüchtlinge, politisch Verfolgten, Kriegsopfer und Sozialberechtigten vorgeschlagen, in Artikel I Ziffer 18 dem § 33 a Absatz 1 folgende Fassung zu geben:
Bei politisch Verfolgten, bei Kriegsopfern und Sozialberechtigten, bei Flüchtlingen sowie bei Personen, die den Hausrat und die Kleidung infolge Kriegsschadens verloren haben und die dafür höchstens eine Entschädigung von 50 vom Hundert erhalten haben, wird auf Antrag ein Freibetrag in der vollen Höhe der tatsächlich getätigten Neuanschaffungen gewährt.
Diese Kreise haben in den meisten Fällen keinerlei Einkommen. Sie sind so hart betroffen, daß sie nicht in der Lage sind, ihre durch Kriegseinwirkung verlorengegangenen Einrichtungen und Gegenstände zu ersetzen. Vielfach sind auch gerade diese Bevölkerungskreise von der Arbeitslosigkeit und von der Kurzarbeit besonders hart betroffen. Wir treten dafür ein, daß in dieser Steuergesetzgebung keinerlei Begrenzungen gegenüber diesen Bevölkerungskreisen enthalten sind.
Schließlich haben wir Kommunisten uns die Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu eigen gemacht, eine höhere Steuerfreigrenze für die Werktätigen auch in diesem Gesetz zu erzwingen. Wir schlagen vor:
Für die Steuerklassen II und III wird der Steuersatz der Ziffer 1 der Grundtabelle A mit den folgenden Maßgaben angewendet:
a) 1500 D-Mark Jahresarbeitseinkommen des Steuerpflichtigen der Steuerklassen II und III bleiben steuerfrei.
Herr Abgeordneter! Darf ich Sie einmal einen Moment unterbrechen.
Sehr schön!
Ich darf also fortfahren:b) für die Ehefrau und jedes Kind, für dasdem Steuerpflichtigen gemäß § 32 des Einkommensteuergesetzes eine Ermäßigungzusteht oder auf Antrag gewährt wird,bleiben weitere 1000 D-Mark steuerfrei. Dieser unser Antrag basiert auf den Vorschlägen des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Nun kann die Mehrheit dieses Hauses beweisen, wie sie zu den Vorschlägen der mächtigen Organisation der Werktätigen in Westdeutschland steht.
Metadaten/Kopzeile:
1520 Deutscher Bundestag — 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950
Anläßlich der Regierungserklärung hörten wir keinerlei Worte vom Bundeskanzler Adenauer zugunsten der gewerkschaftlich organisierten Massen. Um so mehr aber sprach er von den Interessen der Großkapitalisten und Monopolherren an Rhein und Ruhr. Nun muß diese Regierung und nun muß die Mehrheit im Bundestag Farbe bekennen, wie sie zu den Forderungen der fünf Millionen Gewerkschaftler in Westdeutschland steht. Die Regierung und die Parlamentsmehrheit haben mehr als einmal die Forderungen der Gewerkschaften in der Gesetzgebung des Bundestages mißachtet. Man soll aber nicht glauben, daß die fünf Millionen Werktätigen im Deutschen Gewerkschaftsbund immer so geduldig bleiben, wie sie es bisher noch geblieben sind. Eines Tages, meine Damen und Herren, müssen Sie damit rechnen, daß die Werktätigen im Deutschen Gewerkschaftsbund auch gegen den Willen solcher Gewerkschaftsführer, die mit dieser Regierung oft gemeinsame Sache machten, aufstehen und für ihre berechtigten Forderungen kämpfen werden.
Die von uns vorgeschlagenen Abänderungsanträge betreffen somit den Schutz der Werktätigen gegen eine Regierung, die, wie ich schon ausführte, einzig -und allein darauf bedacht ist, die Interessen der Monopolherren von Rhein und Ruhr zu verteidigen, die das in der Regierungserklärung gegebene Versprechen, eine Politik der sozialen Verpflichtung zu führen, nicht eingehalten hat und die auch niemals daran denken wird, ihre Versprechen gegenüber ihren eigenen Wählern ernsthaft einzuhalten. Diese Regierung ist eine . Regierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, das Volk alle Lasten des Krieges tragen zu lassen. Es ist eine Regierung, die nur daran denkt, volksfeindliche Gesetze zu erlassen. Mit dieser Regierung haben die Werktätigen in Westdeutschland nichts gemein; sie -werden sie eines Tages hinwegfegen!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer geglaubt hat, daß zwischen der ersten Lesung dieses Entwurfs und der jetzigen Lesung im Ausschuß aus diesem Gesetz etwas werden könnte, was wenigstens einigermaßen Hand und Fuß hätte, der ist leider bitter enttäuscht. Als Überschrift über diesen neuen Entwurf, wie er uns vorliegt, könnte man, weiß Gott, das berühmte Gedicht von Heine setzen:
Hast du viel, so wirst du bald
Noch viel mehr dazu bekommen.
Hast du wenig, wird dir auch
Dieses noch hinweggenommen.
Dieser Gesetzentwurf bringt nichts anderes als eine unerhörte und unerträgliche Erhöhung des Nettoeinkommens für die großen Vermögen, dagegen für die kleinen Leute so gut wie nichts. Das ist die Quintessenz dieser Dutzende von Paragraphen, die Ihnen vorliegen. Wir von der WAV denken uns eine Steuerreform anders, als sie hier zu sehen ist. Wir wollen endlich einmal die kleinen Einkommen möglichst wenig besteuert wissen
und dafür die wirklich großen Einkommensträger um so stärker heranziehen. Dieser Grundgedanke ist mit diesem Gesetz unter keinen Umständen verwirklicht. Das bißchen, was Sie an sogenannten Verbesserungen gebracht haben, stellt sich bei näherem Zusehen als eine Augenauswischerei dar, wie man österreichisch so unnachahmlich sagt. Wir sind überhaupt der Auffassung, daß man die kleinen und kleinsten Einkommen steuerfrei lassen muß. Sie haben hier in dem Entwurf nur ein Einkommen bis zu 750 D-Mark pro Jahr steuerfrei gelassen. Die Abschreibungen, die sonst noch möglich sind, will ich nicht 'hinzurechnen. Sie treten keineswegs in allen Fällen ein. Das sind ja dann auch tatsächlich berechtigte Abschreibungen, wir können sie außer acht lassen. Aber nehmen Sie doch ruhig noch 100 oder ein paar hundert Mark zu den 750 D-Mark Jahreseinkommen hinzu, dann kommen Sie immer noch auf Sätze, die so lächerlich gering sind, daß sie unter gar keinen Umständen verantwortet werden können. Die schreien nach einer Ausdehnung nach oben.
Wir werden Ihnen andere Vorschläge machen, wie hier vorgegangen werden muß. Wir werden Ihnen Vorschläge machen, nach denen der Staat trotzdem nicht schlechter fährt. Der Staat soll endlich einmal dort zufassen, wo wirklich die Großeinkommen sind. Es ist ein geradezu skandalöser Zustand, wenn man weiß, was sich in dem letzten Jahr seit der Währungsreform ereignet hat. Wir haben ein Ansteigen der Gewinne aus dem Großaktienbesitz in der unerhörtesten Form. Aktien, die vor einem Jahr auf 15 standen, stehen heute auf 70 und noch mehr. So geht es durchschnittlich durch den ganzen Aktienplafond an den verschiedenen deutschen Börsen hindurch. Wir haben Riesengewinne, die durch zwei Währungsreformen gemacht worden sind. Alle diese Gewinne werden nur höchst unzureichend erfaßt.
Der Staat aber sucht ganz woandersher Geld zu bekommen. Dem armen Teufel, dem einheimischen Ausgebombten und dem Heimatvertriebenen hat man jetzt in § 33 a die Sätze zu kürzen versucht. Wir von der WAV verlangen — die Anträge werden Sie auch noch schriftlich bekommen —, daß die ursprüngliche Form des § 10 f wiederhergestellt wird, daß also die neue Form des § 33 a in Wegfall kommt. Wir glauben, daß der Verbesserungsantrag, den die CDU das letzte Mal während unserer Abwesenheit beschlossen hat, noch keineswegs den Erfordernissen der Heimatvertriebenen und der einheimischen Ausgebombten und der politisch Verfolgten entspricht. Diese Verdoppelung ist immerhin noch eine bedeutende Verschlechterung gegenüber dem bisher geltenden Zustand. Ich wiederhole es: wir verlangen die Aufrechterhaltung des alten § 10 Buchstabe f in der Fassung vom 10. August 1949. Wenn die CDU wenigstens eine Verdreifachung dieser Sätze statt einer Verdoppelung beantragt und beschlossen hätte! Aber nicht einmal das hat sie getan.
Wir verlangen vor allem einen ganz anderen Aufbau der Einkommensteuer. Ich werde Ihnen unsere Sätze hierzu vorlesen. Wir verlangen zunächst eine Streichung der Tabelle B. Bezüglich der Grundtabelle A verlangen wir, die Sätze dahin abzuändern, daß die Einkommensteuer bis zu einem Jahresbetrag von 1800 D-Mark Einkommen in Wegfall kommt, weil es sich hier wirklich
um die Bettelpfennige der Ärmsten in unserem Volk handelt, der Leute, die höchstens 150 DMark im Monat verdienen. Sie wissen alle selber, was das bei den heutigen Preisen bedeutet; das Ist kaum mehr zum Leben genügend. Für Einkommen von 4800 bis 3600 D-Mark wollen wir einen anderen Satz als bisher haben. Wir wollen für den 1800 D-Mark übersteigenden Betrag einen Steuersatz von 10 Prozent haben. Wir wollen ferner eine Gruppe von 3600 bis 4800 DMark schaffen und für diese Gruppe 15 Prozent des 3600 D-Mark übersteigenden Betrages festgesetzt wissen. Wir wollen eine letzte Gruppe von 4800 bis 7200 D-Mark und einen Satz von 20 Prozent des 4800 D-Mark übersteigenden Betrages haben. Die Sätze, die ich Ihnen soeben genannt habe, betreffen alle die Kategorien der Arbeiter, der einfachen wie der gehobenen Arbeiter, und des kleinen Mittelstandes. Hier müssen Sie nur solche Steuern erheben, die wirklich verantwortet werden können. In der Bibel heißt es: den Zehnten sollt ihr nehmen und nicht mehr. Alles andere ist schon im Alten Testament als unsittlich erachtet worden. Die Herren von der CDU werden die betreffenden Stellen in der Bibel kennen.
Heute wären wir froh, wenn es nur beim Zehnten bleiben würde. Heute wird gerade den armen Teufeln ein Betrag weggenommen, der nach der Bibel bereits als unsittlich bezeichnet werden muß.
Wir wollen von wo ganz anders Beträge hereinbekommen. Wir möchten nämlich die Grundtabelle A so erhöht wissen, daß die Steuer für Einkommen von 20- bis 30 000 D-Mark statt auf 50 Prozent des Betrages, der 20 000 D-Mark übersteigt, auf 60 Prozent, bei Einkommen von 30- bis 40 000 D-Mark statt 55 auf 65 Prozent, dann bei 40- bis 60 000 D-Mark auf 70 Prozent, von 60 000 D-Mark ab auf 90 Prozent des 60 000 D-Mark übersteigenden Betrages und von über 100 000 D-Mark auf 95 Prozent des 100 000 D-Mark übersteigenden Betrags festgesetzt wird. Das sind die Summen, die man vor seinem Gewissen und vor unserem Volk verantworten kann. Aber lassen Sie bitte endlich einmal die Finger vom Arbeitereinkommen und vom Einkommen des kleinen Mittelstandes weg, weil Sie nämlich sonst die ganze Volkswirtschaft kaputtmachen. Denn daran haben wir ja schon vor 1933 gekrankt, und ich wage zu behaupten: es war mit der Grund der Katastrophe, die über uns hereingebrochen ist, daß man den kleinen Mittelstand so wenig gekannt hat und daß man ihn gegenüber den Rieseneinkommen steuerlich viel zu wenig berücksichtigt hat. Und doch liegt gerade beim Mittelstand in Stadt und Land, bei den Bauern wie bei den städtischen Gewerbetreibenden und bei den Arbeitern, gerade bei diesen Schichten das Wohl der Nation verankert!
Das sind die Anträge, die die WAV heute einzureichen hat. Wir wissen, was diesen Anträgen blüht. Wir wissen, daß leider Sie, meine Herren von der Rechten, Ihre Zustimmung höchstwahrscheinlich nicht geben werden. Denn Sie haben hier einen Gesetzentwurf geschaffen, der nichts anderes als eine Bevorteilung und Begünstigung der Rieseneinkommen ist; und da können wir nicht mitmachen. Helfen Sie doch endlich einmal dazu, meine sehr verehrten Damen und Herren, die kleinen Einkommen wirklich in einer Art und Weise heranzuziehen, daß den Leuten noch ein bißchen bleibt und daß nicht Sätze von 20 und 25 Prozent bereits bei kleinem Einkommen zu zahlen sind. Das ist unmoralisch, das kann nicht mehr gerechtfertigt werden. Suchen Sie diese Summen, die Ihnen hier verlorengehen, bei den Großaktionären, bei den Währungsreformgewinnlern, dann werden Sie nicht schlecht fahren, dann werden diese Summen für Sie die beste Anlage sein, die jemals von seiten der Finanzbehörden gemacht worden ist.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bitte Sie abschließend nochmals: machen Sie doch endlich Schluß mit dieser vollkommen verfehlten Steuerpolitik, immer wieder bei den kleinen und kleinsten Einkommen die Hauptsteuerträger zu suchen. Denken Sie an andere Länder, in denen das Einkommen des Staates zum allergrößten Teil auf Vermögensteuern und auf Besteuerung der hohen Einkommen gerichtet ist. Denken Sie daran, dann werden Sie vielleicht auch den Antrag der WAV in Berücksichtigung ziehen. Wir sind der Auffassung, daß nur eine Steuerreform, die wirklich diesen Namen verdient, die dieses Unrecht gegenüber den kleinen Einkommen wiedergutmacht, überhaupt einen Zweck hat. Das, was uns die Regierung vorlegt, wird zu gar nichts anderem als zu einem Rückgang der Steuereinkünfte und zu einer Begünstigung der Großverdiener führen. Das hat die WAV zu diesem Punkte zu sagen.
Wir können der Regierungsvorlage aus den Gründen, die ich Ihnen eben nannte, unsere Zustimmung nicht geben. Wir bitten sie, doch endlich einmal eine vernünftige und wirtschaftsfreundliche Steuergesetzgebung zu machen, statt gerade die breiten Schichten des Volkes immer wieder in schlimmster Art und Weise zu benachteiligen und zu belasten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Von dem Herrn Kollegen Koch ist vorhin die Rechtmäßigkeit der zweiten Lesung dieser Vorlage mit Rücksicht darauf angezweifelt worden, daß damals die Beschlußunfähigkeit des Hauses festgestellt und alsdann eine neue Sitzung anberaumt wurde. Herr Kollege Koch, ich verstehe Ihre Einwendungen nicht. Nach dem klaren Wortlaut von § 100 der Geschäftsordnung hat der Präsident bei Beschlußunfähigkeit die Sitzung sofort aufzuheben und Zeit und Tagesordnung der nächsten Sitzung zu verkünden. Nach dieser Bestimmung ist verfahren worden. Als sich die Beschlußunfähigkeit ergeben hatte, hat der Herr Präsident eine neue Sitzung, ich glaube, mit einem Zwischenraum von einer Viertelstunde, anberaumt, und dann haben wir dieselbe Tagesordnung wie zuvor zugrunde gelegt. In ähnlicher Weise ist schon öfters hier im Hause verfahren worden, und zwar auch in Fällen, in denen die Beschlußfähigkeit nicht von Ihrer Fraktion angezweifelt worden war, sondern von anderer Seite, ohne daß von Ihnen die geringste Einwendung erhoben worden wäre. Ich glaube also nicht, daß die Rechtmäßigkeit der zweiten Lesung bezweifelt werden kann. Das hindert Sie natürlich nicht, auch in der dritten Lesung noch Abänderungsanträge zu stellen, auch zu den einzelnen Paragraphen; das ist ja in der Geschäftsordnung aus-
drücklich vorgesehen. Aber, meine Damen und Herren, um das klarzustellen: für uns ist diese Lesung. die dritte Lesung, und daraus muß sich der weitere Gang der Beratungen ergeben.
Nun zu der Sache selbst. Der Herr Kollege Koch hat nochmals darauf hingewiesen — wir haben diese Ausführungen ja schon im Ausschuß gehört —, daß diese Steuervorlage zu wenig für die kleinen Einkommen und zu viel für die großen Einkommen gebe. Ähnliche Einwendungen sind ja auch von den beiden Vorrednern, dem Herrn Kollegen Rische und dem Herrn Kollegen Loritz, gemacht worden.
Um die Einwendungen des Herrn Kollegen Rische gleich vorwegzunehmen -- er hat ja über seine Einwendungen hinaus noch eine Fülle von Anträgen zur Verbesserung unseres Steuersystems gestellt, die auch im wesentlichen den kleinen Steuerzahlern zugute kommen sollen. Man müßte nach diesen Ausführungen meinen, daß er das Vorbild für seine Vorschläge in der russischen Zone gefunden hat und daß dort die kleinen Leute in einem Steuerparadies leben. Ich weiß nicht, Herr Kollege Rische, ob Sie den Steuertarif der Einkommensteuer kennen, der heute in der russischen Zone maßgebend ist. Ich will nur ein paar Zahlen aus diesem Steuertarif hier einmal anführen und sie den Zahlen gegenüberstellen, die sich aus unserer Regierungsvorlage jetzt ergeben. Nach diesem Tarif in der russischen Zone beträgt die Steuer für einen Ledigen mit einem Einkommen von 1 500 Mark 129 Mark, bei uns nach der Regierungsvorlage 82 Mark;
für einen Ledigen mit 3 000 Mark drüben 450 Mark, bei uns 335 Mark;
für einen Ledigen mit 6 000 Mark drüben 1 373 Mark, bei uns 1 125 Mark.
Nun nehmen Sie die Verheirateten ohne Kinder: drüben bei 1 500 Mark 129 Mark, bei uns 45 Mark; drüben bei 3 000 Mark 458 Mark, bei uns 217 Mark; drüben bei 6 000 Mark 1 373 Mark, bei uns 945 Mark. Also, wenn irgendeiner sich die Maßnahmen eines anderen zum Vorbild nehmen könnte, so wäre es in diesem Falle die russische Zone, die hier wirklich noch etwas von uns lernen könnte.
Aber es kommt noch etwas ganz anderes dazu. Das sind die Bestimmungen der russischen Zone über die Ermäßigungen für die Ehefrau. Auch das ist ganz interessant. Es gibt auch dort einen Freibetrag von 720 Mark, also etwas geringer als bei uns; wir haben 750 Mark. Es gibt aber auch einen Freibetrag für die Ehefrau von 600 Mark. Aber diese Freibeträge kommen der Ehefrau in der Sowjetzone nür dann zustatten, wenn sie a) mindestens vier Monate vor Ablauf des Steuerjahres das 50. Lebensjahr erreicht hat oder b), wenn aus der Ehe Kinder hervorgegangen sind, die bis zum Schluß des Steuerjahres das 8. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, oder c) wenn sie selber zu über 50 Prozent erwerbsunfähig ist. Also ich glaube, man kann auch hier feststellen, daß das, was die Regierungsvorlage in dieser Hinsicht vorschlägt, weit über das hinausgeht, was heute in der russischen Zone rechtens ist.
Dann auch noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Kollegen Loritz. Er ist ein bibelfester Mann und hat gemeint, der Staat solle nicht mehr als den Zehnten nehmen. Nun, Herr Kollege Loritz, so weit sind wir von dieser biblischen Regelung gar nicht entfernt. Wenn Sie einmal die Tabelle B der Regierungsvorlage aufschlagen und ein Einkommen von 5 000 Mark nehmen, so sind Sie bei einem Verheirateten mit einem Kind bei einem Steuersatz von 500 Mark; das würde also genau dem biblischen Zehnten entsprechen. Daß wir in den höheren Steuergruppen mehr zu erheben haben -- das hängt mit den veränderten Verhältnissen und den sozialen Lasten zusammen, die wir zu tragen haben, und den Folgen eines schrecklichen, verlorenen Krieges. In den Einkommenstufen unter 5 000 Mark aber erheben wir viel weniger als den biblischen Zehnten.
Nun aber einiges zu den Ausführungen, die der Herr Kollege Koch hier gemacht hat. Er hat zugegeben, daß sich der heutige Tarif auf dem JuniTarif aufbaut; er hat auch zugegeben, daß dieser Juni-Tarif vom Jahre 1948 von dem damaligen Wirtschaftsrat einmütig — auch mit Zustimmung der Sozialdemokratischen Partei — beschlossen war, aber er meint, seither seien doch sehr starke Veränderungen eingetreten, die Lebenshaltungskosten seien stark gestiegen. Nun, es ist richtig, die Lebenshaltungskosten sind nach der Währungsreform gestiegen; sie sind dann aber nicht unerheblich wieder gesunken, und sie liegen heute gar nicht mehr soviel über den Lebenshaltungskosten zur Zeit der Währungsreform.
Auf der anderen Seite sind aber auch die Einkommen seit der Währungsreform nicht unerheblich gestiegen.
Nach den statistischen Unterlagen ist das Einkommen eines Arbeiters seit der Währungsreform im Durchschnitt um 20 Prozent gestiegen.
Also die Steigerung der Einkommen beträgt sicherlich mehr als die Erhöhung der Lebenshaltungskosten. Man kann daher gegen das, was damals der Wirtschaftsrat einmütig beschlossen hat, heute nicht einwenden, die Lebenshaltungskosten seien stärker gestiegen als die Einkommen. Denn das entspricht in keiner Weise den Tatsachen.
Dann habe ich, Herr Kollege Koch, Ihre Berechnungen offen gesagt nicht verstanden. Sie haben uns ausgerechnet, daß bei einem Einkommen von 1200 Mark und 2 400 Mark die Vorlage so gut wie gar keine Ermäßigung bringe. Ich bitte Sie, doch einmal die Einkommensteuertabelle B, wie sie bisher gültig war, und die Einkommensteuertabelle B, wie sie jetzt der Regierungsvorlage zugrunde liegt, miteinander zu vergleichen. Nehmen Sie dann ein' Einkommen von 1200 Mark, so finden Sie, daß nach der bisherigen Tabelle die Steuerpflichtigen in dieser Gruppe haben zahlen müssen 50 Mark der Ledige und 30 Mark in der Steuerklasse II; nach der neuen Tabelle 41 und 25. Wenn Sie dann ein Einkommen von 2 400 Mark nehmen, dann haben Sie nach der bisherigen Tabelle 261 Mark für den Ledigen, 153 Mark in der Steuerklasse II, dagegen nach der Tabelle der Regierungsvorlage 217 und 127. Es handelt sich hier also nicht um Ermäßigungen von 0,75 oder 1,9 Prozent, sondern es handelt sich hier, wie es in der Begründung der Regierungsvorlage vorgesehen ist, bei den unteren Steuerklassen in der Tat um Ermäßigungen um ein Sechstel bis ein Fünftel.
Aber, meine Damen und Herren, es wäre ja doch außerordentlich lehrreich, wenn die Tabellen über
die Steuerkurven, die uns von dem Herrn Bundesfinanzminister im Ausschuß zugänglich gemacht sind, mehr bekannt wären und auch einmal in die Öffentlichkeit kommen würden.
Wenn man sich auf dieser Steuertabelle die Steuerkurven ansieht — die Steuerkurve von 1925, 1938 und 1943 und die Steuerkurve der heutigen Regierungsvorlage —, so ergibt sich doch die bemerkenswerte Tatsache, daß die Steuerkurve der heutigen Regierungsvorlage die Steuerkurve des Jahres 1925 erst bei einem Einkommen von 4 800 Mark schneidet, daß sie die Steuerkurve des Jahres 1938, die, wenigstens für die kleineren Einkommen, noch maßvoller war als die Steuerkurve des Jahres 1925, erst bei etwa 4 500 schneidet, mit anderen Worten: die kleinen Einkommen bis zu 5 000 Mark sind in Deutschland nie so günstig versteuert worden wie durch die Regierungsvorlage.
Die Tarife, die wir 1925 und im Jahre 1938 gehabt haben, lagen für diese Einkommen höher als der heutige Tarif.
Wenn Sie dann aber weitergehen und auch einmal nach den höheren Einkommen hinschauen — das möchte ich insbesondere auch dem Kollegen Loritz sagen —, so haben Sie das umgekehrte Bild. Während bei den unteren Einkommen die Steuerkurve des Regierungstarifs noch unter den niedrigsten Kurven bleibt, die wir jemals gehabt haben, geht es dann schon bei den mittleren und höheren Einkommen auch nach dem, was heute die Regierungsvorlage vorschlägt, weit über diese Kurven hinaus.
Meine Damen und Herren! Denken Sie einmal an den harten Tarif, den wir während des Krieges hatten. Dieser Tarif lief mit einem Höchststeuersatz von 58 Prozent aus. Unser heutiger Tarif nach der Regierungsvorlage läuft nach der Ermäßigung mit 89 Prozent aus, und zwar in den Durchschnittssätzen und nicht nur in den Steuersätzen für die Spitze gerechnet. Man kann also beim besten Willen nicht sagen, daß, verglichen mit früheren Zugriffen des Steuergesetzgebers, hier nicht eine gewisse Gerechtigkeit auch in der Abstufung der verschiedenen Einkommensteuerklassen walte. Daß unser Tarif, soweit die kleineren Einkommen in Frage kommen, hinter dem englischen Tarif zurückbleibt, daß der englische Tarif größere Freibeträge gewährt und auch geringere Steuersätze für kleinere Einkommen und besonders für die Arbeitseinkommen, kann leider nicht bestritten werden. Es handelt sich doch aber auch darum, einmal das Einkommen und zum anderen die Produktionskapazitäten dieser beiden Länder miteinander zu vergleichen. Wir hätten alle den Wunsch gehabt — ich glaube, das kann ich für alle Abgeordneten in diesem Hause sagen —, die Steuersätze für die niedrigeren Einkommen noch weiter zu ermäßigen, wenn wir hier nicht vor dem unerbittlichen Muß gestanden hätten, auch das Gleichgewicht der Einnahmen und Ausgaben des Haushalts in Rechnung zu stellen.
Herr Kollege Koch, noch ein anderes; ich will mich im allgemeinen kurz fassen und nur auf wesentliche Punkte hinweisen. Sie sind der Meinung, daß die Begünstigungen, die den höheren Einkommen zugute kommen, nicht nur durch den Steuertarif, sondern auch durch die Bestimmungen der Paragraphen 10a und 32a über die Förderung der Kapitalbildung, zu Fehlinvestitionen führen. Sie haben das Maß der Investitionen bei uns und in
England miteinander verglichen. Herr Kollege Koch, wenn wir von Kapitalbildung reden, können wir nie die Bruttoinvestitionen zugrunde legen, sondern nur die Nettoinvestitionen, und diese Nettoinvestitionen werden heute bei uns bei einem Volkseinkommen, gleich Sozialprodukt, von meinetwegen 70 Milliarden etwa 8 oder 9 oder 10 Milliarden betragen. Wir haben heute viele statistischen Ämter und viele Meldungen, und überall weichen die Berechnungen immer etwas voneinander ab. Ich frage Sie eines, Herr Koch, wenn im Verhältnis zu diesem Einkommen die Investitionsquote verhältnismäßig groß erscheint und dann natürlich auf Kosten der Konsumquote geht, wie wollen Sie das Volkseinkommen, das Realeinkommen, das Sozialprodukt auf die Dauer "in die Höhe treiben,
wenn Sie in einer Wirtschaft, wie wir sie haben, mit den furchtbaren Zerstörungen, nicht soviel Investitionen machen wie nur eben möglich?
Denn Investitionen sind kein. Selbstzweck, sondern alle Investitionen dienen dazu, einmal den laufenden Verbrauchsgüterstrom zu verstärken. Das ist der Sinn der Investitionen. Eine zerstörte Wirtschaft wie die deutsche braucht natürlich viel stärkere Investitionen als die englische,
und wenn sie wirklich die gleiche Investitionsquote wie die englische Wirtschaft erreicht, dann sollten wir darüber nicht klagen, sondern uns darüber freuen, denn je größer die Investitionsquote ist, desto schneller werden wir zu dem Zeitpunkt kommen, in dem auch ein größerer Konsumgüterstrom an die gesamte Masse des deutschen Volkes verteilt werden kann.
Nun zur zweiten Frage, Herr Kollege Koch, oder richtiger, zur Unterfrage. Ihnen gefällt es nicht, daß die Unternehmer darüber entscheiden, was und wie investiert werden soll. Sie sprechen viel von Fehlinvestitionen und sind der Meinung, daß es gescheiter sei, wenn von Staats wegen ein Plan für die Investitionen ausgearbeitet würde. Herr Kollege Koch, ich gebe Ihnen ohne weiteres zu, daß bei den Investitionen Irrtümer möglich sind, und auch die Unternehmer werden bei ihren Investitionen irren können. Aber niemand hat mir bisher gesagt, aus welchen Gründen nun staatliche Kommissionen vor solchen Irrtümern bewahrt bleiben sollen.
Ich bin der Auffassung, daß der Unternehmer, der auf sein eigenes Risiko handelt und vor der Gefahr großer Verluste steht, wenn er Fehlinvestitionen vornimmt, sorgfältiger prüft, welche Investitionen vorgenommen werden sollen, als die öffentliche staatliche Planungskommission, die keine Verantwortung zu tragen hat
und nicht an ihrem Beutel merkt, ob Fehlinvestitionen vorgenommen worden sind oder nicht. Und sehen Sie, Herr Kollege Koch, noch ein anderes: Wenn einmal ein Unternehmer eine Fehlinvestition macht, dann muß er es bezahlen; er scheidet dann aus,
— Auch das Volk muß mit bezahlen; denn es wurde
ja volkswirtschaftliches Kapital vergeudet. Immerlun werden sich solche Irrtümer in gewissen Gren-
zen halten. Werden aber von der staatlichen Kornmission bei ihren Planungen, die sich auf die ganze Wirtschaft ausdehnen, Fehler gemacht, so wachsen die Verluste ins Riesenhafte. Aber hier handelt es sich vielleicht um eine grundsätzliche Einstellung. Sie als Sozialist sind der Meinung, daß die staatliche Planung der Weisheit letzter Schluß ist. Wir von unserem Standpunkt aus sind der Meinung, daß in einer freien Wirtschaft auch die Entscheidung darüber, was und wie investiert werden soll, dem verantwortungsbewußten Unternehmer überlassen werden soll.
— Herr Rische, Sie möchte ich ganz gewiß nicht als Arbeitgeber haben; darauf können Sie sich verlassen!
Ich glaube, daß unsere deutschen Unternehmer das besser machen würden als Sie.
Meine Damen und Herren, damit will ich meine kurzen Ausführungen abschließen. Aber ich frage alle Mitglieder des Hauses: wartet nicht draußen im deutschen Volkes alles, ohne Unterschied der Klassen, auf diese Steuerreform? Wir haben die Pflicht, diese Steuerreform so schnell wie möglich zu verabschieden, und wenn wir das tun, dann wird das von allen Klassen im deutschen Volke begrüßt werden.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Besold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Sachverhalt verträgt nicht mehr viele Worte, und ich will ganz kurz den Standpunkt der Bayernpartei vortragen.
Der vorliegende Gesetzentwurf kann nicht beanspruchen, die notwendige Neugestaltung der Besteuerung des Einkommens zielbewußt in Angriff genommen zu haben. Die Wirtschaft, das Unternehmertum und die Arbeitnehmer stehen unter der lähmenden Last des konfiskatorischen Charakters des herrschenden Steuersystems. Es besteht ein Erfordernis nach Steuerentlastung, welche den Zustand beseitigen soll, daß Unternehmungen vornehmlich unter steuerlichen Gesichtspunkten geführt und Ausgaben unter steuerlichen Gesichtspunkten gemacht werden müssen, und welche die unteren Einkommensstufen die hohen Lebenshaltungskosten leichter ertragen läßt.
. Es muß gesagt werden, daß auch dieser Gesetzentwurf mit diesen altbekannten Mängeln behaftet ist. Ein Grund hierzu ist sicher die Starrheit und Engherzigkeit, mit der das Bundesfinanzministerium bei den Verhandlungen in den Ausschüssen an dem Regierungsentwurf festhielt. Die Vorlage kann nur als ein bescheidener Voraus auf eine wirkliche Steuerreform bezeichnet werden. Unter der Sicht einer wirklichen Steuerreform müßte der Gesetzentwurf abgelehnt werden. Da aber der Gesetzentwurf immerhin in einer Reihe von Einzelpunkten und Beziehungen Verbesserungen bringt und verwirklicht, da weiter bei der derzeitigen Lage unserer Wirtschaft jede Erleiichterung in der steuerlichen Belastung eine Hilfe bedeutet und da endlich alle beteiligten oder besser gesagt betroffenen Kreise der Bevölkerung auf Grund der gemachten Ankündigungen und Versprechungen mit einer unverzüglichen Verabschiedung des Gesetzes
rechnen, ist die Fraktion der Bayernpartei bereit, diesen Gesetzentwurf nicht abzulehnen.
Die Fraktion der Bayernpartei wird aber verschiedenen Abänderungsanträgen zustimmen, die eine steuerliche Erleichterung gerade der schwachen und schwächeren Einkommen betreffen. Wir werden einem Abänderungsantrag zu § 10 a zustimmen, wonach die Steuerbegünstigung des nicht entnommenen Gewinns auf diejenigen erstreckt wird, die nach der Verordnung über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe vom 5. 9. 1949 ermittelt werden. Wir werden einer Erhöhung des Pauschbetrags für Werbungskosten zustimmen; wir werden der Erweiterung des § 33 a — nämlich der Erstreckung der Freibeträge auch auf die Spätheimkehrer — zustimmen und wir werden einer Erhöhung des steuerfreien Betrags auf 1000 D-Mark zustimmen.
Auch wir halten das für richtig, was Herr Höpker-Aschoff gesagt hat, daß insbesondere . in den unteren Steuereinkommen die Kurve, die uns im Ausschuß vorgelegt worden ist, bei dieser Regierungsvorlage am günstigsten ist. Aber diese formelle Richtigkeit, die ich nicht bestreite, hat doch auch eine materielle Unrichtigkeit in sich; denn die Lebenshaltungskosten sind jetzt erheblich höher und schwieriger als in früheren Zeitläuften, nachdem fast jede Familie durch die Kriegsverhältnisse, Bombenschäden und so fort völlig ausgelaugt ist. Infolgedessen kann eine rein schematische Statistik nicht das richtige Bild geben. Wir sind daher der Überzeugung, daß den schwächeren Einkommen in dieser Vorlage ebenfalls eine weitergehende Berücksichtigung zuteil werden muß, und zwar gerade aus einem Gedanken, den der Herr Bundesfinanzminister vor ganz kurzer Zeit von dieser Stelle ausgesprochen hat. Ich denke an seine Ausführungen, als er von einer inneren Lastenverteilung in einer Beamtenfrage gesprochen und auf den Gedanken der Schicksalsgemeinschaft hingewiesen hat. Die Schicksalsgemeinschaft, wenn sie echt sein will, darf aber nicht nur dort gefordert werden, wo es um die Lasten geht, sondern auch da, wo es sich um die schrittweise Verminderung der Lasten handelt. Auch hier muß der Gedanke der Schicksalsgemeinschaft berücksichtigt werden. Wenn ich weiterhin an sehr weise Worte des Bundeskanzlers denke, der hier gesagt hat, daß auch auf die psychologische Wirkung eines Gesetzes Rücksicht zu nehmen ist, dann ist es fehl am Platze, daß das Bundesfinanzministerium den ganzen Verhandlungen über Erleichterungen für die unteren Einkommen so starr gegenübergestanden hat.
Wir stimmen daher den Erleichterungen, die ich erwähnt habe, zu. Bei der Nichtablehnung des Gesetzes geht die Fraktion der Bayernpartei von der sicheren Erwartung aus, daß das Bundesfinanzministerium im Einvernehmen mit den Finanzministern der Länder ungesäumt an die Vorbereitung einer echten Steuerreform herangeht, wie sie auch in der Regierungserklärung versprochen worden ist.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir stellen mit einer gewissen Befriedigung fest, daß diese 'Vorlage immerhin auf dem Wege von der Regierung über den Ausschuß bis heute wieder ins Plenum gewisse kleine Verbesserungen erfahren hat, und zwar im wesentlichen auf Grund sozialdemokratischer Anträge,
wenn diese Tatsache auch in der Berichterstattung und in der bisherigen Debatte nicht so zum Ausdruck gekommen ist. Aber daß diese Vorlage noch außerordentlich viel zu wünschen übrig läßt, ersehen Sie aus den Ihnen vorliegenden Anträgen. Es kann sein, daß Sie heute bei der Abstimmung über unsere Anträge und die Anregungen der Gewerkschaften in derselben Weise hinweggehen, wie das im Ausschuß geschehen ist, und daß Sie Ihre Mehrheit im selben Sinne gebrauchen. Aber. das macht es um so mehr notwendig, daß der grundsätzliche Standpunkt, der uns bei dem Widerspruch gegen diese Vorlage beseelt, klar dargelegt wird. Denn da die Regierung nur eine Steuersenkung vorgeschlagen hat, wir aber eine Steuerreform oder wenigstens den Anfang einer solchen haben wollen, sind in Wirklichkeit wir hier die Antragsteller, und so mag es auch richtig sein, wenn eine Art Schlußwort oder ein Zwischenwort nach den bisherigen Ausführungen von unserer Seite gesprochen wird.
Unsere grundsätzlichen Bedenken -- ich will sie nur noch einmal zusammenstellen -- gehen erstens dahin, daß wir eine Steuersenkung in dem Ausmaß, wie es von der Regierung vorgeschlagen ist, nicht wollen, weil wir sie uns einfach nicht leisten können.
Ich möchte mit allem Nachdruck sagen: Es sind phantastische Zahlen darüber verbreitet worden, was die Anträge der Opposition zusätzlich zu den Vorlagen der Regierung oder über diese hinaus kosten würden. Nichts dergleichen ist richtig. Aus den Ihnen vorliegenden Anträgen — und dieselben Anträge haben dem Ausschuß vorgelegen — ersehen Sie, was sich jedermann auf Grund der Unterlagen, die dem Ausschuß und Ihnen zur Verfügung stehen, ausrechnen kann, daß wir höchstens die Hälfte oder ein Drittel derjenigen Steuersenkung wollen, die die Regierung riskieren zu können glaubt.
Meine Damen und Herren, Sie sind heute schon einmal daran erinnert worden, wie vor wenigen Wochen hier eine einstimmige Bewilligung für die Kriegsbeschädigten von der Regierungsmehrheit im Plenum wieder aufgegeben worden ist, weil, wie uns damals gesagt worden ist, die harte Realität dazu zwinge,
und es ist Ihnen heute wieder gesagt worden, es sei ein unerbittliches Muß, daß man andere Steuersenkungen als die hier vorgesehenen nicht gebe. Waren das „unerbittliche Muß", die „harten Realitäten" die Verpflichtungen, die die Regierung in der Regierungserklärung übernommen hat, und die Gründe, warum sie diese Verpflichtungen übernommen hat? . Sie sind, meine Damen und Herren, zu Beginn der Debatte in der vorigen Woche in beweglicher und recht eindringlicher Weise vom Herrn Bundesfinanzminister darauf hingewiesen worden, daß es sich ja um Mittel der Länder handelt, und zwar um ihre wesentlichsten Mittel, über die man hier beschließt, und es ist ganz richtig, daß man diese Dinge einmal vom Standpunkt des Grundgesetzes aus betrachtet. Im Munde des Herrn Bundesfinanzministers klang diese Erinnerung allerdings wie eine Warnung, aus diesen Mitteln nur ja niemand anders etwas zukommen zu lassen als dem, dem die Regierung etwas geben wolle.
Aber ich frage vom Standpunkt des Grundgesetzes aus: Sind die Mittel der Lander dazu da, um die Wahlverpflichtungen derjenigen Koalition zu erfüllen, die im Bund gerade die Mehrheit hat?
Diese Vorlage hat in der Tat mit Staatsfinanzierung weniger zu tun als mit Wahlfinanzierung.
Wir haben Bedenken gegen das Ausmaß dieser Steuersenkung, und wir haben Bedenken gegen die Verteilung dieser Steuersenkung. Auch hier ist eine Reihe von Zahlen richtigzustellen. Es ist bereits nicht nur von uns, sondern auch von Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff richtiggestellt worden, daß die Behauptung nicht aufrechterhalten werden kann, die Besteuerung der unteren, der Arbeitereinkommen sei heute in Deutschland geringer als in England. Es ist ebenso unrichtig, und es wird durch Wiederholung nicht richtiger, wenn man Vergleiche mit der Belastung von 1936 oder 1938 anstellt und die gänzlich verschiedene Kaufkraft außer acht läßt.
— Eben, die Löhne sind anders. Ich glaube, es ist gering gerechnet, wenn Sie ein Einkommen von 2000 Mark im Jahre 1938 mit einem Einkommen von 3000 Mark heute gleichsetzen Diese Einkommen unterliegen aber heute genau dem gleichen Steuersatz wie 1938. Denken Sie, meine Damen und Herren, einmal daran, daß nach der Industrieberichterstattung der niedrigste männliche Tariflohn 2400 Mark und das Durchschnittseinkommen eines Industriearbeiters 2600 Mark beträgt.
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Es ist ebenso falsch, wenn gesagt worden ist, den unteren Einkommen seien Ermäßigungen zugute gekommen, die den oberen Einkommen nicht zugute gekommen seien. Es sind Tabellen vorgelegt worden, die Vergleiche mit dem Kontrollratsgesetz Nr. 12 gezogen haben. Diese Tabellen sind aufgestellt worden für veranlagte Steuerpflichtige mit zwei Kindern. Diese Tabellen haben außer acht gelassen, daß nach diesem Kontrollratsgesetz für Arbeitnehmer und für freie Berufe ein Freibetrag von 10 Prozent des Einkommens bis 1000 Mark galt und daß in Wirklichkeit ein verheirateter Arbeiter mit zwei Kindern mit einem Einkommen von meinetwegen 2000 Mark nicht 62 Mark, sondern 44 Mark, also nicht, wie in der Tabelle ausgeführt, 62 Mark, sondern in Wirklichkeit 44 Mark zahlte. Die Prozentzahlen, die in dieser Tabelle berechnet sind, sind deswegen falsch.
Und nun zum Schluß noch ein Wort zu dem Junitarif, an dessen Beratung ich schließlich damals beteiligt war. Der Junitarif war kein deutscher Gesetzesbeschluß, meine Damen und Herren, — nichts, bei dem man mit Abänderungsanträgen hin und her und mit Gesamtbeschlüssen letzten Endes irgendeine bestimmte Fassung erreichen konnte, sondern der Junitarif war ein Vorschlag an die Militärregierung zu einem Militärregierungsgesetz in einer Materie, in der wir
keine Zuständigkeit hatten. Bei dem Junitarif bestand deswegen von vornherein die Notwendigkeit, daß es ein einstimmiger Vorschlag sein mußte, und er ist auch einstimmig gewesen oder praktisch einstimmig. Ich glaube, sogar die kommunistische Fraktion hat ihm damals zugestimmt. Es war also von vornherein nicht ein Gesetz, um dessen Bestimmungen man kämpfte, sondern ein notwendiger Kompromiß, die Aufzeichnung einer Linie, bei der man äußerstenfalls zum Kompromiß kommen konnte.
Das war der Junitarif.
Erstens wissen Sie ganz genau, daß der Junitarif in dieser Regierungsvorlage einige sehr merkwürdige Beulen bekommen hat, und zwar in der Gegend von 50 000, 60 000 Mark Jahreseinkommen. Und zweitens wissen Sie ganz genau, daß inzwischen neben den geltenden Tarif im vorigen Jahr ein ganzes System von Steuerermäßigungen getreten ist, das die Rückkehr zum Junitarif ersetzen wollte. Und nun wollen Sie die Rückkehr zum Junitarif und ihn über ihn hinaus noch neben dieses System stellen. Das vertragen wir nicht. Das vertragen unsere öffentlichen Finanzen nicht.
Meine Damen und Herren, ich muß hier auch diesen Punkt wiederholen, wenn man soviel von Steuerlast spricht: Besteht denn die Steuerlast nur in der Einkommensteuer? Was ist denn mit den Verbrauchssteuern? Was ist denn mit diesem Posten, der einen ganz ungesunden und ständig wachsenden Anteil am deutschen Steueraufkommen hat? Wir kennen eine ganze Menge dieser Verbrauchssteuern, die längst schlachtreif sind: die Biersteuer, die Zigarrensteuer. Es gibt noch andere zu nennen. Was geschieht denn hier? — Das ist eine Steuerlast, die, wie wir wohl wissen, auf den unteren Einkommen zusätzlich ruht. Ich bin gern bereit, dem Herrn Bundesfinanzminister die Zahlen zugänglich zu machen, die ihm an sich schon bekannt sein müßten, über das Verhältnis der Steuerbelastung zwischen unteren und höheren Einkommen unter Berücksichtigung der Verbrauchssteuern etwa zwischen England, Amerika und der Bundesrepublik; Zahlen, die beweisen, daß unser heutiges Steuersystem in dieser Beziehung ungefähr das rückständigste ist, was man sich denken kann.
Wir möchten endlich einmal in dieser Frage der Verbrauchssteuern Maßnahmen sehen, ordentliche gesetzliche Vorlagen. Wir hören da und dort von vorläufigen Steuerstundungen durch Verwaltungsmaßnahmen oder Ähnliches. Wir hören, daß mit Interessenten um Gesetzesvorlagen gefeilscht wird. Wir möchten, daß etwas geschieht.
Das sind unsere Bedenken gegen das Ausmaß und die Verteilung dieser Steuersenkung. Trotzdem — und das sehen Sie aus unseren Anträgen -halten wir Steuersenkungen für die unteren Einkommen für notwendig. Warum halten wir sie für notwendig? Wir halten sie für notwendig, weil wir daran denken, daß die Lebenshaltungskosten gestiegen sind — das kann niemand leugnen, der von der Währungsreform vom 20. Juni aus rechnet; wenn Sie allerdings von den turbulenten Preisen ausgehen, die bereits vier Wochen später galten, so mögen Sie zu anderen, aber nicht richtigeren Ziffern kommen —, weil wir daran denken, daß die Investitionen, die gemacht worden sind, zum allergrößten Teil eine gewaltige Kapitaleinlage der Festbesoldeten, eine gewaltige Kapitaleinlage der Verbraucher und der kleinen Einkommensbesitzer bedeuten! Denn wer hat schließlich die Überprise bezahlt, aus denen diese Investitionen gemacht worden sind?
Wir denken weiter daran, daß auf den Schultern gerade der Arbeitenden heute ungeheure, verhältnismäßig ungeheure Soziallasten liegen, mit denen sie die Renten der Alten aus den früheren Jahrzehnten noch durchhalten, die in der Währungsreform zugrunde gegangen sind. Wir denken daran, was dazu alles noch auf diese kleinen Einkommen kommt. Wir denken daran, daß, wie niemand, der sich damit beschäftigt hat, leugnen kann, die große Gefahr besteht, daß wir das heutige System der Lebensmittelsubventionen in dieser Weise nicht werden aufrechterhalten können. Wir sehen hier eine weitere große Last für diese Einkommen entstehen. Wir sehen, daß die sogenannte Kapitalkrise bereits zu einer Absatzkrise zu werden droht, wenn nicht schon geworden ist. Wenn ich in den Zeitungen oder auch in Berichten des Ausschusses für Ernahrung, Landwirtschaft und Forsten lese, daß heute die Nahrungsmittelindustrie, die Konservenindustrie usw. um Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln bitten, um liquide zu bleiben — wegen der Vorräte, die bei ihnen festgefroren sind —, dann sehe ich darin die Folgen einer falsch geleiteten Kapitalbildung, eben weil die Konsumkraft nicht entsprechend größer geworden ist —, nebenbei eine hübsche Ergänzung zu dem Kapitel Fehlfinanzierungen und Verantwortlichkeit für die eigenen Investitionen, das Herr Kollege Höpker-Aschoff soeben angeschnitten hat.
Daran, daß die Gewerkschaften eindeutig gesprochen haben, brauche ich Sie nicht noch einmal zu erinnern. Dieses Telegramm ist an die Bundesregierung, an den Herrn Bundeskanzler und an alle, die es angeht, gegangen. Die Gewerkschaften haben sie deutlich darauf aufmerksam gemacht, daß bei Durchgehen dieser Regierungsvorlage Lohnerhöhungen nach gewerkschaftlicher Ansicht unvermeidlich sind.
Über das Thema Kapitalbildung will ich mich nicht weiter verbreiten; ich will mich auf zwei Sätze beschränken. „Eine wesentliche Stärkung der Kapitalbildung könnte sich ergeben, wenn die Einkommensteuersenkung von Maßnahmen begleitet würde, die die Steuerpflichtigen dazu zwingen, das zusätzliche Einkommen aus der Steuerermäßigung zur Anlage zu bringen. Es würde natürlich noch vorteilhafter sein, wenn die Steuersenkung an Bestimmungen geknüpft .würde, nach denen ein Teil des zusätzlichen freien Einkommens in bestimmte Anlagen zugunsten gefährdeter Teile der Wirtschaft gelenkt würde. Bestimmungen über Begünstigung der Kapitalbildung beider Art waren in .der Steuersenkungsaktion des Jahres 1949 enthalten. Eine so umfangreiche Steuersenkung, wie sie jetzt geplant ist, muß jedoch mit wirksameren Maßnahmen als den bisherigen verbunden werden, damit Mittel auf die Kapitalmärkte geleitet werden." Diese Sätze, meine Damen und Herren, wären ebenso richtig, wenn sie nicht in der Stellungnahme der amerikanischen ECA-Mission zum Memorandum der Bundesregierung stünden. Dort stehen sie nämlich!
Welche Folgerungen haben wir nun mit unseren Anträgen aus diesem allem gezogen? Damit möchte ich insbesondere unsere Anträge zu § 32 des Gesetzes kurz erläutern und begründen.
Herr Abgeordneter, dann werden Sie also nachher auf Einzelbegründung verzichten?
Zu diesen Anträgen ja.
Wir ziehen die Folgerung, daß ein gesunder Steuertarif auf einem der Realität entsprechenden Existenzminimum aufgebaut werden muß, und fordern deswegen das steuerfreie Existenzminimum von 1500 D-Mark jährlich und die dementsprechenden Familienfreibeträge. Mit dieser Forderung wollen wir gleichzeitig wenigstens einigermaßen eine internationale Vergleichbarkeit des Tarifs ermöglichen, damit solche Fehlvergleiche, wie sie in dieser Debatte geboten worden sind, nicht mehr vorkommen können.
Sie sehen weiter aus unserem Antrag — nunmehr Drucksache Nr. 640 —, daß wir für die Einkommen bis 1500 Mark Steuerfreiheit, für die Einkommen von 1500 bis 3000 Mark, und zwar diejenigen, die nach Abzug der Freibeträge verbleiben, eine Steuersenkung von 40 Prozent statt 16 Prozent nach der Regierungsvorlage, für die Einkommen von 3000 bis 6000 Mark eine Steuersenkung von 30 Prozent statt 16 Prozent der Regierungsvorlage, für die Einkommen von 6- bis 8000 Mark von 16 Prozent, wie auch die Regierungsvorlage, für die Einkommen von 8- bis 12 000 Mark eine Steuersenkung von 10 Prozent für notwendig halten.
Wir fordern ferner die Aufteilung der Steuer in eine Normalsteuer und eine Zusatzsteuer, mit der Maßgabe, daß Steuerermäßigungen aller Art bei der Normalsteuer, nicht aber bei der Zusatzsteuer angerechnet werden. Da wir nach unserem Steuersystem immer genötigt sind, Steuerermäßigungen durch Abzüge vom Einkommen sich auswirken zu lassen, hat das bekanntlich zur Folge, daß je nach der Höhe des Steuersatzes, das heißt je nach der Höhe des Einkommens, die Begünstigung für einen ganz bestimmten Zweck sehr viel höher ist, je höher der Steuersatz mit dem Einkommen gestiegen ist. Es kommt darauf hinaus, daß der Steuerpflichtige mit einem Einkommen von 100 000 D-Mark nicht nur für ein Kind, sondern auch für 100 D-Mark, die er erspart hat, das Viel-Vielfache von dem bekommt, was der Steuerpflichtige mit einem Einkommen von 3- oder 5000 D-Mark bekommt. Diese Dinge sollen endlich einmal beseitigt werden durch die Aufteilung in Normal- und Zusatzsteuer, das heißt durch das System, wie es in den angelsächsischen Ländern, in den Vereinigten Staaten und in England, seit Jahren sich bewährt hat und in Anwendung ist.
Wir fordern weiter die Aufhebung der Tabelle B. Die Tabelle B bedeutet nichts anderes, als daß die Bürgersteuer — auch wenn dies der Offentlichkeit nicht bekannt ist -- für Einkommen bis 5000 D-Mark und nur für diese Einkommen bisher weiter erhoben wird. Diesem Zustand ein Ende zu machen ist nun endlich an der Zeit.
Das ist der Sinn unserer Anträge. Ich glaube, Sie wissen recht gut, daß sie von grundsätzlicher Bedeutung sind. Sie wissen auch recht gut, wer mit seinen Forderungen hinter ihnen steht. Sie wissen aus den Darlegungen der Gewerkschaften, daß diese Anträge sich mit dem Willen der Gewerkschaften decken, und Sie wissen, welche Folgen die Gewerkschaften selber bei einer Nichtberücksichtigung in Aussicht gestellt haben. Ich bin weit davon entfernt, meine Damen und Herren, Ihnen irgendwelche guten Ratschläge geben zu wollen. Ich nehme an, daß Sie sich der Tragweite Ihrer Entscheidung bewußt sind!
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Wenn man die heutige Diskussion hier hört, glaubt man zwei festgefügte Fronten zu haben, auf der einen Seite die unerschütterte Front der Regierungsparteien und auf der anderen Seite die Front der Oppositionsparteien: Bayernpartei, WAV, SPD, KPD und letzten Endes auch wir. So war es aber tatsächlich gar nicht. Diese Einheitsfront hat sich im Ausschuß erst nach einigen schwierigen Verhandlungen ergeben. In Wirklichkeit war es doch so, daß auch seitens der Regierungsparteien einige der heute hier vorgetragenen Gedankengänge ernsthaft erwogen wurden und daß auch einige Ausschußmitglieder der Regierungsparteien diesen Gedankengängen durchaus ihr Ohr geliehen haben.
— Davon bin ich überzeugt. Ich will aber noch einmal erzählen, wie es dann kam, daß diese Neigung einiger Mitglieder des Finanzausschusses sich plötzlich änderte. Es kam nämlich ein denkwürdiger Tag, der Tag, an dem der Herr Finanzminister erklärte, die Argumente, die von unserer Seite vorgetragen würden, seien zwar wahr, aber sie stellten nur die halbe Wahrheit dar, und die halbe Wahrheit zu sagen sei die gefährlichste Form der Lüge.
— Nein, nicht „Bertrams Erzählungen"! Wenn Sie wollen, können Sie es ja nachlesen! — Dann haben Verhandlungen hinter den Kulissen stattgefunden, und es sind uns alle möglichen Dinge bekanntgeworden, aus denen sich schließlich ergab, daß diejenigen Abgeordneten, die bis dahin unseren Standpunkt voll geteilt hatten, sich nun nicht mehr in der Lage sahen, ihn zu vertreten.Meine Damen und Herren! Es ist doch wichtig zu wissen, daß hier gar nicht grundsätzlich verschiedene wirtschaftspolitische Anschauungen aufeinanderprallen, wie es Herr Kollege Höpker-Aschoff eben darstellte, sondern daß in der Tat verschiedene der hier vorgetragenen Gedankengänge unbedingte Berücksichtigung verlangen und daß -- ich kann mir nicht anders helfen — lediglich durch ein zu starres Festhalten an dem im Juni 1948 einmal erdachten Tarif diese neueren Gedanken leider nicht mehr berücksichtigt werden konnten.Bitte, denken Sie doch einmal an folgendes Beispiel: Bei einem Durchschnittseinkommen von 1163 Mark wird die Steuer gegenüber dem Tarif von 1925 von 46 auf 25 Mark ermäßigt. Das bedeutet also: eine Familie, die 1925 ein Durchschnittseinkommen von 1163 Mark gehabt hätte,1528 Deutsche Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950
.hätte 55 . Mark Steuern bezahlt, also 1108 Mark übriggehabt. Für 1108 Mark konnte sie aber 1925 soviel Waren kaufen, wie sie heute erst für etwa 1600 Mark bekommt. Heute muß sie aber, wenn sie für 1600 Mark die gleiche Warenmenge kaufen will, nicht, wie uns die Regierung durch ihre Prozentrechnung glauben machen will, weniger, sondern ganz erheblich mehr Steuern zahlen. Heute muß sie nämlich für die 1600 Mark, für die sie einkaufen will, 55 Mark Steuern zahlen gegenüber 46 Mark 1925. Sie muß also, um die gleiche Warenmenge zu kaufen, effektiv 9 Mark Steuern mehr bezahlen, und darauf kommt es doch an. Man kann, wenn man ein Rechenkunststück aufmachen will, mit Prozentrechnungen natürlich alles machen. Aber denken Sie einmal daran, daß bei einem Jahreseinkommen von 751 Mark die Steuer nach der Tabelle B sich von 8 auf 6 Mark ermäßigt; das ist eine Senkung von 25 Prozent gleich 2 Mark. Sie können doch nicht im Ernst behaupten, daß das eine effektive Steuersenkung ist!Eine richtige Beurteilung der steuerlichen Notwendigkeiten gewinnen Sie erst dann, wenn Sie den Betrag, der dem einzelnen Steuerpflichtigen oder der einzelnen steuerpflichtigen Familie nach Abzug der Steuer noch verbleibt. zu den Kosten für die Deckung der Lebensbedürfnisse in Beziehung setzen. Dieser Gedankengang, daß die Deckung der Lebensbedürfnisse nach dem jetzigen Tarif wenigstens in eben dem Maße wie nach dem Tarif von 1925 gewährleistet sein müßte, ist in der Regierungsvorlage — davon bin ich überzeugt — einfach vergessen worden. Wenn der gesamte Lebensstandard soviel teurer geworden ist, dann muß der Arbeiterfamilie oder der Familie mit nur geringem Einkommen ein entsprechender Nettobetrag übrigbleiben. Mehr wollen wir ja gar nicht. Das ist der Sinn unserer Forderung, die Freibeträge zu erhöhen. Der Nettobetrag, der übrigbleiben soll, muß entsprechend erhöht werden.Das war der Gedanke, der eben auch bei verschiedenen Angehörigen der Regierungskoalition volles Verständnis gefunden hatte: Erst das persönliche Eingreifen des Herrn Finanzministers hat dieses Verständnis plötzlich wie Schnee vor der Sonne verschwinden lassen, und zwar von einem Tag zum andern.
Es ist gar nicht so, daß sich hier verhärtete Fronten gegenüberstünden; das scheint nur so. Wenn man diesen Tarif wirklich ernsthaft bearbeiten und ernsthaft durchdenken würde, müßte sich auf dieser Basis ein Kompromiß in der Angleichung der jetzigen Steuern an die effektive Warenversorgung im Jahre 1925 ohne weiteres . finden lassen.Ein Einwand, der in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist der, daß die finanzielle Belastung für den Staat dann unerträglich würde, weil die Steuerausfälle zu groß seien. Hierzu ist nur folgendes zu sagen. Es ist sicher richtig, daß, wenn wir die Steuern entsprechend dem Tarif von 1925 den gestiegenen Lebenshaltungskosten angleichen würden, Ausfälle entstünden. Aber, meine Damen und Herren, überlegen Sie sich einmal, was eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 1163 Mark denn überhaupt machen kann! Ist es überhaupt gerechtfertigt, kann man es als Abgeordneter vor seinem Gewissen verantworten, dieser Familie jetzt noch Steuern abzuknöpfen?
— Eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 1163 Mark zahlt nach dem jetzigen Tarif, Tabelle B, 25 Mark Steuern.
— Bitte, Sie haben die Tabelle ja vor sich liegen, sehen Sie doch einmal nach!Wenn Sie diesen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellen, daß das Existenzminimum nicht angegriffen werden darf, dann wird man sich auch dazu durchringen, die Ausweichmöglichkeiten, die die Staatsfinanzen haben müssen, an anderer Stelle zu suchen, nicht da, wo sie am allerbequemsten zu haben sind. Dann wird man beispielsweise unserem Vorschlag folgen können, die Körperschaftsteuer auf die nichtausgeschütteten Gewinne entsprechend stärker zu erhöhen und dadurch den Ausfall, der bei diesen Einkommensteuergruppen entsteht, wieder wettzumachen.Ein zweiter Gesichtspunkt ist schon eben in der Debatte angeklungen: die Bedeutung des Junitarifs. Der Junitarif ist durch die im April 1949 vorgenommenen Steuervergünstigungen ja völlig überholt. Die Vergünstigungen des April 1949 sollten gerade die nicht mögliche Herabsetzung des alten Tarifs auf die vorgeschlagene Höhe wieder wettmachen. Wenn Sie das Einkommensteueraufkommen vergleichen, dann hat auch die Einführung der Vergünstigungen neben der unzweifelhaft eingetretenen starken Komplizierung des Steuerrechts zumindest wieder einen ganz beträchtlichen Rückgang der effektiven Einkommensteuer nach sich gezogen. Es ist doch nicht so, als wenn nun nach dem alten Tarif tatsächlich bezahlt worden wäre, sondern die zahlreichen Vergünstigungen — §§ 7 a ff. usw. haben ein ganz schlagartiges Zurückgehen der Einkommensteuereinnahmen des Staates herbeigeführt. Man hat also an den Einkommensteuerausfällen gesehen, 'daß tatsächlich eine erhebliche Steuersenkung vorgenommen worden ist.Nun wird behauptet, die jetzt vorgesehenen Steuersenkungen sollten der Kapitalbildung dienen. Wenn man sich einmal diese Argumentation durchdenkt, so kommt man doch zu der Vermutung, daß der Gedankengang nicht zu Ende gedacht ist. Was wird denn ermäßigt? Es werden doch gerade nicht die Steuern für diejenigen Beträge ermäßigt, die in dem Betrieb verbleiben. Alles, was in dem Betrieb verbleibt, wird — sei es über die Körperschaftsteuer bei den Körperschaften oder über die §§ 10 a, 32 a, 7 ff. — ja schon durch die zahlreichen Vergünstigungsbestimmungen erfaßt. Die jetzige Steuersenkung für die hohen Einkommen kann also nur diejenigen Beträge betreffen, die der Betreffende aus seinem Betrieb herausnimmt. Die übrigen werden ja schon durch die Vergünstigungen viel besser bevorzugt. Das bedeutet also, daß man gerade das tut, was man nicht tun wollte, nämlich die entnommenen Geldbeträge steuerlich außerordentlich zu begünstigen. Diese Beträge können deshalb auch in erheblichem Maße zum Fehlkonsum verwendet werden. Und daß diese Beträge zum Fehlkonsum verwendet werden, darüber belehrt uns ja ein Blick in unser tägliches Leben,
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Deutscher Bundestag -- 43. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950 1529
Es kommt aber ein weiteres Argument hinzu. Der Herr Finanzminister hat uns erklärt, er wolle endlich Schluß machen mit dem System der Selbsteinschätzung — sehr gut und sehr wohl! — und deshalb würden sich auch keine Steuerausfälle ergeben. Wenn dieses System der Selbsteinschätzung -- das heißt, daß die Finanzämter die Erklärungen der Steuerpflichtigen aus Zeitmangel nicht nachprüfen können — jetzt tatsächlich beseitigt werden soll, dann wird es nach der Meinung des Herrn Finanzministers effektiv keine Kapitaleinsparungen in der Wirtschaft geben. Dann kann ja diese Tarifsenkung auch keinen Vorteil für die gesamte Kapitalbildung bieten. Eines von diesen Argumenten ist falsch. Wenn die Steuersenkung tatsächlich der Kapitalbildung dienen soll, dann können auf der anderen Seite nicht durch eine verschärfte Steuerprüfung diese Beträge für die Kapitalbildung wieder fortgenommen werden. Also das eine oder das andere Argument stimmt jedenfalls nicht.Wenn ferner darauf hingewiesen worden ist, daß die Investitionen doch von uns allen begrüßt werden müssen, so ist das vollkommen richtig. Je größer der Anteil des Konsumverzichts ist, den wir Deutsche uns jetzt freiwillig auferlegen, desto schneller werden wir wieder aus der Patsche herauskommen. Darüber, glaube ich, sind sich alle in diesem Hause einig. Die Frage ist nur: werden wir mit dem hier vorgeschlagenen Weg überhaupt Konsumverzicht erreichen? Das Gegenteil ist meines Erachtens der Fall. Nur durch die Steuersenkungen in den unteren Stufen werden die traditionellen Kapitalsammelbecken wieder in die Lage versetzt, die Kapitalien zu sammeln, die sie für die volkswirtschaftlich notwendigsten Zwecke dann zur Verfügung stellen können. Ob die Lenkung der Kapitalien nun durch ein . zentrales Organ geschehen soll oder durch die traditionellen Institute, Realkreditinstitute, Sparkassen usw., das mag in dem jetzigen Augenblick dahingestellt bleiben. Aber eines ist doch sicher richtig, daß diese Institute es besser verstehen, als es bei dem jetzigen Zustand der Selbstfinanzierung der Fall ist, der — darüber sind sich sämtliche Beteiligte doch wohl einig — zu ganz erheblichen Fehlinvestitionen auch privatwirtschaftlicher Art führt und führen muß. Ich meine, die Ausführungen, die Herr Direktor Abs gemacht hat, sprechen doch Bände. Er wird sicherlich aus der besten Kenntnis dieser Materie die entsprechenden Ausführungen gemacht haben.Dann ist der weitere Gesichtspunkt auch noch nicht in der gebührenden Bedeutung hervorgehoben worden, nämlich die Tatsache, daß die indirekten Steuern eine ständige Tendenz zum Wachsen haben. Nach dem OEEC -Bericht soll im nächsten Jahr die indirekte Steuerbelastung von insgesamt 9 Milliarden D-Mark auf insgesamt 11,5 Milliarden D-Mark ansteigen. Eine entsprechende symptomatische Maßnahme ist jetzt die Ablehnung der Treibstoffpreissenkung durch den Herrn Finanzminister bzw. die von uns verlangte Zustimmung zu der Erhöhung der Treibstoffpreise. Das ist doch auch nichts anderes als eine jetzt vorgenommene indirekte Erhöhung der indirekten Steuern, die wieder die breite Masse trifft und die im gleichen Augenblick mit schärfsten Worten von uns verlangt wird, indem wir hier einer solchen Maßnahme, die ganz einseitig ausgerichtet ist, zustimmen sollen. Wir im Zentrum sind der Ansicht, daß eine Senkung der direkten Steuern, der Einkommensteuer — und das ist das Entscheidende --, keinerlei echte Steuerausfälle aus einem anderen Gesichtspunkt herbeiführen wird. Eine Senkung der Einkommensteuer vor allem in den unteren und mittleren Einkommenstufen wird das herbeiführen, was heute in weiten Teilen der Wirtschaft fehlt, nämlich einen glatten Absatz.Es ist doch festzustellen, daß durch die bisherige überstarke Selbstfinanzierung und durch die überstarke und ungemein komplizierte Steuererhebung der glatte Warenabfluß aus den Fabriken in erhebliche Stockung geraten ist. Die Einzelheiten hier auszuführen, würde zu weit führen. Wir sind aber sicher, daß, wenn wir in dieser Form die unteren und mittleren Einkommensteuerstufen begünstigen würden, damit diesen Stufen die Möglichkeit gegeben wird, ihre echten Lebensbedürfnisse zu decken, diese Stockung in der gesamten Wirtschaft, unter der wir leiden, ebenfalls wesentlich günstiger beeinflußt werden könnte als bei einem System, bei dem nur bestimmte konsumtive Zwecke begünstigt würden. ich bin deshalb der Ansicht, daß die Vorlage der Regierung an dem grundlegenden Fehler der Inkonsequenz einerseits und zweitens an dem Fehler einer falschen Beurteilung der volkswirtschaftlichen Daten krankt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf all das, was hier im einzelnen vorgetragen wurde, nun auch einzugehen, obwohl ich meines Erachtens sehr leicht in der Lage wäre, es in der Gesamtheit zu widerlegen oder doch zum mindesten ,die einzelnen Gesichtspunkte in die richtige Relation zu stellen.
Ich will mich damit begnügen, noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Sinn und Zweck eines Gesetzes lassen sich nicht trennen von dem Inhalt und der Abgrenzung der einzelnen Bestimmungen. Das heißt, ich muß unter Umständen auch auf Erweiterungen oder Sonderwünsche verzichten, wenn eben diese Wünsche nicht mehr mit der Grundkonzeption des Gesetzes übereinstimmen. Über die steuerpolitische und wirtschaftliche Konzeption haben wir sowohl von der Regierungsseite wie auch von diesem Hohen Hause genug gehört. Wir wissen, daß die wirtschaftspolitische Zweckbestimmung dieses Gesetzes ist, die gesamte Produktion, insbesondere die Produktionsgüterindustrie zu beleben, um damit neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Durch die Bereitstellung von privaten Mitteln für den Wohnungsbau soll der Wohnungsbau entscheidend beeinflußt werden. Der Sparwille und die Spartätigkeit sollen geweckt werden. Damit soll der Impuls gegeben werden für die Kapitalbildung, das Schicksal unserer Volkswirtschaft. Es soll ferner eine neue Grundlage für eine echte Steuermoral geschaffen werden, und es soll ferner den verschwenderischen Spesenausgaben entgegengewirkt werden. Das sind zusammengefaßt die Ziele, die sich diese Gesetzesvorlage gesteckt hat. Wir bejahen diese Ziele, weil wir sie in allen ihren Einzelpunkten für not-
wendig halten. Die Mittel hierfür sind einmal eine entsprechende Tarifgestaltung und zum anderen ein entsprechendes System der Steuervergünstigungen.
Über den Tarif oder richtiger über die Tarife der letzten Jahre haben Sie vieles gehört. Ich weiß nicht, ob Sie das alles in sich aufnehmen konnten, um so mehr als ich selber noch einmal eine Relation nach dieser Richtung gebe, nicht deshalb, weil ich der Auffassung wäre, daß sich mit Zahlen trefflich streiten läßt. Ich will vielmehr unter dem Gesichtspunkt darauf eingehen, den Sie, Herr Kollege Koch. hier vorgetragen haben, unter dem Motto: Kriegslasten, Kriegsschulden, Bombenzerstörungen, Flüchtlingsschäden
— wer soll das bezahlen?
Auf wessen Schultern wird das abgewälzt? Das ist doch die Kernfrage des Ganzen.
So muß ich zur zunächst einmal von dem Steuersystem ausgehen, das wir hatten, ehe all diese Schäden dawaren. Darn muß ich mir sagen: Wie ist das nun heute gegenüber der Zeit von 1939? Und hierzu ist doch ganz eindeutig folgendes zu sagen. Die Einkommen sind heute bei einem Ledigen mit 1530 D-Mark vollkommen einkommensteuerfrei, bei einem Verheirateten mit einem Kind bis 2100 D-Mark. Aber das ist zunächst weniger von Bedeutung als das folgende. Die steuerliche Belastung der Einkommen bis etwa 2000 DMark beträgt gegenüber der steuerlichen Belastung vor Katastrophe etwa ein Drittel bis einhalb. Das läßt sich in keiner Weise wegdeuteln. Das ist also eine Steuersenkung gegenüber vor dem Kriege von 100 Prozent auf 40 und 50 Prozent. Die steuerliche Belastung der Einkommen -- ich will jetzt auf die Steuerklassen im einzelnen keine Rücksicht nehmen zwischen 2000 und 3000 D-Mark beträgt gegenüber der Belastung vor dieser Katastrophe etwa drei Viertel, also etwa 75 Prozent. Und erst bei einem Satz zwischen 3600 und 4000 D-Mark haben wir zahlenmäßig die gleiche steuerliche Belastung wie 1939. Sie wissen, daß während des Krieges die gesamten Steuern erhöht wurden, und zwar generell einfach um 50 Prozent. Die Grenze gegenüber dieser Kriegsbelastung liegt bei etwa F000 D-Mark. Alles, was darüber ist, sind zusätzliche Belastungen auf Grund der Katastrophe, die wir durchgemacht haben. Diese Belastungen sind dann so. daß sie bei 10- bis 15 000 D-Mark etwa das Eineinhalbfache hetragen und bei Einkommen über 20 000 bis rund 50 000 dps Zweifache gegenüber der Zeit vor dem Kriege. Darüber ist die Belastung dann das Zweieinhalbfache. Die steuerliche Belastung unter dem Gesichtspunkt: „Wer soll das bezahlen?" sieht also so aus, daß die Einkommen bis zu 3000 D-Mark von unten mit etwa 40 Prozent. 50 Prozent und 100 Prozent bei 3500 bis 4000 D-Mark beginnen, und erst die darüberliegenden Einkommen haben eine zusätzliche Belastung, und zwar eine zusätzliche Belastung in steigender Progression.
Wenn ich nun weiter hinzufüge, daß die Einkommenbezieher, insbesondere die Lohnempfänger unter der Gruppe von 3600 D-Mark nach einer Statistik über 70 Prozent ausmachen — —
- Nein, ich meine: wer zahlenmäßig darunter liegt.
— Einen Augenblick! Ich will jetzt nur feststellen, wo die Belastungen liegen, weil Sie gesagt haben, die gesamte Steuerpolitik bedeute eine Abwälzung der Lasten auf die Schultern der breiten Massen. Da kann ich nur sagen, daß gegenüber der Besteuerung der Zeit vor dem Kriege alle Einkommenbezieher unter 3600 Mark eine geringere Steuer zahlen als vor der Katastrophe.
— Die habe ich wohl gehört. — Darüber hinaus ist es so, daß die höheren Einkommen zusätzlich progressiv mit dem Eineinhalbfachen. dem Zweifachen und dem Zweieinhalbfachen belastet werden. Während früher der Steuertarif mit 39 Komma soundso viel Prozent aufgehört hat. hört er jetzt mit 92.5 Prozent auf. Ich kann also in keiner Weise verstehen. wie hier behauptet werden kann, die breiten Massen hätten auf Grund dieser Steuerreform die Lasten des Krieges zu tragen.
Ich komme zu folgendem Ergebnis. Vor dem Kriege hatten wir den Steuertarif von 1934. Im Kriege ist er dann um 50 Prozent durchgehend erhöht worden. Das Kontrollratsgesetz Nr. 12 hat eine weitere Erhöhung um 25 Prozent bei allen Lohnempfängern, Gehaltsempfängern und bei den freien Berufen mit einem Abzug der 1000 M vorgenommen. eine Erhöhung um 35 Prozent bei allen übrigen Steuerpflichtigen. Dann kam der Abbau. Dieser Abbau ist heute bei dieser Stufe angelangt, mit dem Frgebnis — ich betone das nochmals --, daß alle Einkommen unter 3600 D-Mark einer geringeren Steuer unterliegen als vor dem Kriege. dagegen alle Einkommen darüber in progressiver Höhe einer steigenden Abgabe. So ,sieht die Steuerreform aus. die wir hier vorlegen, die wir zu verantworten haben und auch verantworten.
Dazu kommt, daß darüber hinaus das System der Sonderausgaben eingebaut wurde, und zwar in einem Umfange, das weiter geht als vor dem Kriege, so daß um nur ein Beispiel anzuführen -- ein Familienvater mit drei Kindern, wenn er die Möglichkeiten der Sonderausgaben ausnützt, bei einem Einkommen von 5000 D-Mark 35 D-Mark Steuer im Jahr nach dem neuen Tarif zu zahlen hat. Das sind noch nicht einmal 3 D-Mark pro Monat.
In diesem Zusammenhang muß ich auf das zu sprechen kommen, was Herr Dr. Bertram gesagt hat, der meinte, es müßte ein System der Spartätigkeit für die unteren Schichten gegeben sein. Ja, dieses System ist über die Sonderausgaben hundertprozentig gegeben, wie gesagt, in einer Weise, daß die Einkommen bis zu 3000 und 4000 D-Mark, wenn die Möglichkeiten der Sonderausgaben voll oder wenigstens teilweise ausgenutzt werden — in vollem Umfange kann man sie nur mit Opfern des Verzichts ausnützen, obwohl ich Familien kenne, die sie ausnützen —, durchaus die Möglichkeit bieten zu sparen, weil eben auf dem Gebiete der Sparmöglichkeit jede Chance gegeben ist, sowohl für den niedrigen wie für den mittleren Einkommenbezieher.
Zu dem System der Steuervergünstigungen brauche ich im einzelnen nichts zu sagen; denn wir haben jeden Passus bereits erörtert.
Abschließend nur noch folgendes! Gesetze zu verantworten ist immer schwer. Steuergesetze zu verantworten ist besonders schwer. Aber wir wissen, daß die wirtschaftspolitische Konzeption gerade dieser Steuernovelle entscheidend für un-. sere gesamte Wirtschaftspolitik ist. Die Wirtschaftspolitik findet darin einen entscheidenden Eckpfeiler. Daher bejahen wir sowohl die Notwendigkeit wie die Dringlichkeit dieser Steuerreform und sind bereit, diese Steuerreform auch vor jedermann zu verantworten.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Koch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sorgen Sie sich bitte nicht, daß ich etwa Teile von dem, was ich vorhin gesagt habe, in Erwiderung auf das, was meine Herren Vorredner ausgeführt haben, wiederholen wollte. Ich möchte nur auf einige ganz wenige Punkte dessen eingehen, was von meinen Herren Vorrednern vorgetragen wurde.
Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff hat mich zu der ersten Erklärung, die ich abgegeben habe, auf den § 100 der Geschäftsordnung hingewiesen. Wir haben nicht bezweifelt, daß die zweite Sitzung am vergangenen Freitag ordnungmäßig einberufen worden ist. Sie ist aber keineswegs ordnungsmäßig eröffnet worden, und wir hatten das Gefühl, als ob der Herr Präsident selbst nicht einmal genau wußte, ob es sich um eine unterbrochene Sitzung oder um eine ganz neue Sitzung handelte.
Außerdem ist in dieser Sitzung unser Sprecher so häufig an der Geltendmachung der Anzweiflung der Beschlußfähigkeit gehindert worden,
daß man schon aus diesem Grunde von einer ordnungsmäßigen Durchführung dieser Sitzung nicht sprechen kann.
Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff -- man hat richtig bemerken können, mit welcher inneren Befriedigung er unseren Tarif mit dem Tarif der russischen Zone verglich -- hat auf den Tarif der russischen Zone hingewiesen. Wir haben daran nichts auszusetzen. Aber ich erinnere mich einer Zeit, in der auch den Regierenden nichts anderes übrigblieb, als immer wieder Vergleiche mit Rußland anzustellen. Über diese Zeit sollten wir doch hinaus sein. Wir haben uns insbesondere auf den Vergleich mit den englischen Verhältnissen beschränkt, und da brauche ich den Zahlen. die ich vorhin genannt habe, . nichts hinzuzufügen.
Ich möchte auch meinen Ausführungen nichts hinzufügen, die sich mit dem beschäftigten, womit nachher der Herr Kollege Neuburger hier sich noch einmal auseinandersetzte. Ich möchte nur sagen: wir können nicht Nominallöhne mit Nominallöhnen vergleichen.
Wir können nicht Nominallöhne aus 1926 oder
1937 zum Vergleich mit den Nominallöhnen im
Jahre 1950 heranziehen. Wir können auch die
Steuerbelastung nicht in der Form miteinander 0 vergleichen, wie es hier geschehen ist. Dabei möchte ich nur noch auf das eine hinweisen, worauf ich schon vorhin hingewiesen habe, daß nach dem bekannten Jecht -Gutachten die kleinen Einkommen- und Lohnempfänger in Deutschland fünfmal soviel Steuern schon vor dem Kriege zu zahlen hatten wie in England.
Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff hat dann gesagt, Investitionen seien kein Selbstzweck. Das ist ein sehr großes und gutes Wort. Investitionen sollen kein Selbstzweck sein. Wir haben aber gerade bei dieser Regierungsvorlage das Gefühl. als ob hier aus den Investitionen und aus der Selbstfinanzierung ein Selbstzweck gemacht würde.
Wir können unter keinen Umständen dem zustimmen, daß neben den erheblichen Tarifsenkungen, die Sie beschließen wollen, noch die §§ 10 a und 32 a bestehen bleiben; denn das würde eine Kumulierung der Steuervergünstigungen bedeuten, die weit fiber das erträgliche Maß hinausgeht. Der Herr Bundesfinanzminister bezieht sich so gern auf die Ausführungen der Länderfinanzminister jedenfalls bei der Beratung dieses Gesetzes. Ich bitte. mir zu erlauben. einmal die Ausführungen des Herrn Finanzministers von Hessen, nämlich des Herrn Dr. Hilpert, hier bekanntzugeben, der bei der Beratung im Bundesrat folgendes gesagt hat:
Nun ist es natürlich sowohl vom Standpunkt der Veranlagung wie aber auch vom finanziellen Standpunkte aus gesehen unmöglich, auf der einen Seite das ganze Maß der Bewertungsfeinheiten und Ausweichmöglichkeiten des gut beratenen Steuerpflichtigen aufrechtzuerhalten
—§ 10a und §32a--
und auf der anderen Seite noch den Tarif zu senken
Das ist genau dasselbe, nur mit etwas anderen Worten, was der Herr Kollege Seuffert 7u den Tarifsenkungen im Verhältnis 7U den §§ 10 a und 32 a gesagt hat. Aus diesem Grunde lehnen wir unsere Zustimmung zu den §§ 10 a und 32 a ab.
Ich verweise noch einmal auf das. was der Herr Direktor Abs zur Kapitalbildung und zur Selbstfinanzierung gesagt hat. Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat mich hier zum zweiten Mal mißverstanden. Ich habe das Wort Unternehmer überhaupt nicht gebraucht, genau so wenig, wie ich es seinerzeit im Ausschuß gebraucht habe. Ich habe größte Hochachtung vor jedem unternehmerischen Menschen und suche diesen unternehmerischen Menschen in allen Kreisen der Bevölkerung ohne Rücksicht auf Einkommen und Steuerpflicht. Aber, Herr Kollege Höpker-Aschoff, wir haben eine solche Hochachtung vor Ihrem Denken, daß wir uns gar nicht vorstellen können, daß Sie so primitiv denken, daß es außer der freien Wirtschaft nur noch die Zwangs- und Staatswirtschaft gibt.
Wir denken, wenn wir von einer gelenkten oder einer geplanten Investition sprechen, nicht an all die Reminiszenzen aus der Zeit der Zwangswirtschaft. Wir denken nicht an eine absolute staatliche Zwangslenkung. Wir suchen einen gesunden
1532 Deutscher Bundestag -- 45. Sitzurig. Bonn, Freitag, den 3. März 1950
Mittelweg. Ich darf in diesem Zusammenhang auf das verweisen, was unser Kollege Professor Schmid in seinen Ausführungen zur Regierungserklärung gerade über diesen Punkt gesagt hat.
Sie haben das Risiko erwähnt, das die Unternehmer haben, die ihr Geld anlegen und verlieren und so eine höhere Verantwortung tragen als andere. Ich meine, wir sollten doch daran denken, daß dem Unternehmer, wenn er sein Geld verloren hat, in aller Regel noch so viel übrigbleibt, daß er davon leben kann. Das sagte neulich ein Unternehmer aus meinem Wahlkreis, als er um ein Darlehn einkam. Er brachte diesen Gedanken, indem er sagte: Es handelt sich ja nicht um mich, es handelt sich um meine Arbeitnehmer; wenn ich dieses hohe Darlehn nicht bekomme, muß ich einen Großteil dieser Arbeitnehmer entlassen; ich habe immer noch so viel, daß ich sehr anständig davon leben kann, aber was machen dann diese armen Menschen?
Wir sollten auch nicht vergessen, daß die Fehlinvestitionen, wenn sie auf dem Wege über diese Kapitallenkung erfolgen, wie die Regierungsvorlage sie will, nicht nur dem Unternehmer verlorengehen, sondern daß damit wieder eine ganze Menge Arbeitskräfte freigesetzt werden.
Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat noch einmal die ganze Klaviatur der freien Wirtschaft durchgespielt, ohne daran zu denken, daß wir ja auch hier in der Regierungspolitik nicht mehr von freier Wirtschaft sprechen, sondern von einer sogenannten sozialverpflichteten Marktwirtschaft. Ich glaube aber nicht, daß es angebracht wäre, sich jetzt noch einmal mit dieser neuen Wirtschaftsform auseinanderzusetzen.
Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat meine Zahlen angezweifelt. Das hat mich natürlich am meisten bekümmert. Ich habe davon gesprochen, daß bei einem Jahreseinkommen von 1200 Mark die Steuerermäßigung 0,75 Prozent — und nun bitte ich aufzupassen -- des Einkommens betrage. Ich habe versucht, Ihnen das noch klarzumachen, Herr Höpker-Aschoff, während Sie Ihre Ausführungen machten — aber auf diesen Zwischenruf sind Sie nicht eingegangen --, damit Ihnen die Möglichkeit bliebe, das Weitere auszuführen. Ich nenne diese Zahlen noch einmal; denn sie sind für diese Regierungsvorlage grundlegend. Bei einem Einkommen von 1200 D-Mark im Jahr beträgt die Steuerermäßigung noch nicht einmal 1 Prozent vom Einkommen.
Herr Kollege, ich erinnere Sie an die Tabelle B, wie ich es schon vorhin getan habe. Bei einem Einkommen von 2 400 D-Mark beträgt die Steuerermäßigung noch nicht einmal 2 Prozent vom Einkommen, während sie bei einem Einkommen von 60 000 D-Mark 20 Prozent beträgt.
In diesem Zusammenhang ist schon einmal ein Sprichwort gebraucht worden. Ich möchte dieses Sprichwort um ein weiteres ergänzen, das auf diese ganze Vorlage zutrifft: „Wer da hat, dem wird gegeben!" Oder lassen Sie es mich in meiner plattdeutschen Heimatsprache — und damit bleibe ich noch parlamentarisch — so ausdrücken: „De Düwel schitt up den hohen Barg", womit ich nicht gesagt haben möchte, daß der Finanzminister dieser Düwel ist.
Der Herr Kollege Neuburger hat sich mit unseren Argumenten nicht so sehr auseinandergesetzt.
— Er hat es auch nicht gewollt. Er ist lediglich von der Grundkonzeption dieses Gesetzes ausgegangen -- wie er sagte —, um zu erklären, daß alle unsere Abänderungsanträge mit dieser Grundkonzeption nicht in Einklang zu bringen seien. Aber gerade diese Grundkonzeption ist es ja, die wir anfechten und die wir für absolut falsch halten. Auch wir, Herr Kollege Neuburger, sind gegen die verschwenderischen Spesenausgaben, wie wir schon gesagt haben. Aber wir wollen diesen Ausgaben nicht dadurch zu Leibe gehen, daß wir die Steuern senken, sondern dadurch, daß wir nach anderen Wegen suchen. Wir haben dem Herrn Finanzminister dazu die verschiedensten Vorschläge gemacht.
Mit keinem Wort ist der Herr Kollege Neuburger auf die sozialen Notwendigkeiten eingegangen, von denen wir gesprochen haben.
Wir haben nach seinen Ausführungen beinahe das Gefühl, als ob es Schäden tatsächlich nur in der Wirtschaft gäbe und als ob es nicht Millionen von Kriegsbeschädigten und anderen gäbe, die in diesem Krieg alles verloren haben. In diesen Tagen weilt hier in dieser Stadt ein Mann, dessen Name wir alle immer mit der höchsten Hochachtung und der größten Dankbarkeit nennen sollten: Victor Gollancz. Gollancz hat sich nach einer Mitteilung der „Neuen Zeitung" zu den großen sozialen Niveauunterschieden in Deutschland geäußert, die durch dieses Gesetz noch vertieft werden. Darüber wird berichtet:
Der britische Publizist und Verleger Victor Gollancz erklärte bei seinem Besuch in Nürnberg, die Lebenslage der Kriegsbeschädigten habe sich zwar seit seinem letzten Besuch überraschend verbessert, —
die Lage der notleidenden deutschen Bevölkerung sei jedoch ungleich schlechter als die der gleichen Kreise in England. Dagegen hat er
— so meint Gollancz
schon in den wenigen Stunden seiner Anwesenheit feststellen können,
— nun kommt das Wesentliche —
daß der Lebensstandard der sogenannten oberen Schichten in Deutschland wesentlich besser sei als in seiner Heimat.
Darin sehe er eine nicht zu unterschätzende innerpolitische _Gefahr.
Auf diese großen sozialen Unterschiede kommt es an. Um dieser großen sozialen Unterschiede willen haben die Gewerkschaften in ihrer Stellungnahme ihre Stimme erhoben, und ich betone noch einmal: der Tarif wird der Maßstab sein, an dem Ihre Handlungen gemessen werden.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Zu-
Deutscher- Bundestag -- 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950 1533
standekommen dieses Gesetzes haben wir uns seit Wochen bemüht und in ernster Arbeit von morgens früh bis spät abends, bis in die Nachtstunden hinein verhandelt. Wir haben versucht, auch Fühlung mit den Herren des. Bundesrats zu nehmen. Diese Arbeit wird nun in einer Weise herabgewürdigt, als wenn sie nichts und wiederum gar nichts wäre. Ich möchte dem Herrn Kollegen Loritz nur sagen, wenn wir den Zehnten auch bei den unteren Einkommen erhöben, dann hätten wir verdient, von diesen unteren Einkommensschichten gesteinigt zu werden.
Die haben wir gerade von der Belastung weithin freigestellt. Ich möchte weiter sagen, daß wir bisher eine Freigrenze von 1374 D-Mark hatten, die wir auf 1530 D-Mark erhöht haben. Ich möchte weiter sagen, daß wir die kleineren Einkommen nicht mit 20 bis 25 Prozent, sondern daß wir die Einkommen bis zu 600 D-Mark im Monat mit 2,5 — ich komme gleich darauf zurück — bis 3,6, bis 5,2 Prozent bloß belasten. Wenn Einkommen darüber hinausgehen, dann bin ich schon der Meinung, daß angesichts der gewaltigen Not, in der wir stecken, angesichts der gewaltigen Lasten, die wir, wie der Herr Kollege Koch sagte, für Kriegsgeschädigte usw. tragen müssen, auch diese Schichten in etwa zur Aufbringung dieser Lasten mit herangezogen werden müssen.
Ich möchte dann auch noch des weiteren sagen, daß diese Steuer eine Ländersteuer ist; die Länder haben diese Steuer zu bekommen und müssen mit diesen Steuern zum allergrößten Teil soziale Verpflichtungen erfüllen.
Nur zum geringsten Teil können sie verwertet werden, um kulturelle Aufgaben zu erfüllen. Die Länder sind verpflichtet, 80 Prozent der Wohlfahrtslasten, der Fürsorgelasten, die in den Gemeinden entstehen, aus ihren Mitteln wieder an die Gemeinden zurückzuerstatten. Wenn wir diesen Ländern die Steuerquellen allzu stark beschneiden, — —
— Meine Herren, Sie nennen sich doch Demokraten, Sozialdemokraten;
dann möchte ich Sie doch bitten, mich ausreden zu lassen und still anzuhören, wie auch wir Ihre Redner angehört haben.
Von dem Herrn Kollegen Bertram sind die Tabellen angezogen worden; da wäre es auch richtig gewesen, sie richtig zu lesen!
Wenn er bei Einkommen bis 1500 D-Mark 46 DMark im Gegensatz zu 25 D-Mark setzt, dann mag er die Überschrift dieser Tabelle lesen, sie heißt: „je Steuerfall". Also alle Steuerfälle durcheinander gerechnet, dann könnte es so sein! Wenn wir aber diese Fälle auch wieder je Steuerfall nehmen, dann kann ich Ihnen sagen, daß Einkommen bis zu 3000 D-Mark 1925 25,9 Millionen aufgebracht haben und nach dem Vorschlag der Regierung, der noch verbessert worden ist — nur nach dem Vorschlag der Regierung vor Beginn der Abänderungen —, bloß 17 Millionen D-Mark.
Ferner ergibt sich bei den weiteren Freigrenzen bei einem Einkommen von 4000 D-Mark nach den Vorschlägen der Gewerkschaften nur eine Belastung von 23. Millionen, während nach den Ergebnissen der Ausschußberatungen 27 Millionen DMark in Frage kommen. Soweit sind wir also nicht auseinander. Wenn wir das nehmen, was herausgearbeitet worden ist, dann sind wir uns doch im ganzen Haus darüber klar, daß das A und O die Versorgung unserer Wirtschaft mit Kapital ist. Wir müssen auch zu unserem Teil tun, was wir tun können, um Kapital zu bilden. Fest steht — das wird auch im ganzen Haus nicht bestritten —, daß uns der Juni-Tarif eine zwanzigprozentige Senkung der Lohnsteuern gebracht hat, während die höheren und mittleren Einkommen nicht daran teilhatten. Tatsache ist, daß jetzt die Steuerlasten roh gerechnet in den unteren Einkommenstufen 16 Prozent gesenkt werden, steigend bis zu 25 Prozent und dann wieder abfallend, so daß in den höchsten Stufen es bei den alten Steuersätzen bleibt. Tatsache ist, daß wir den Betrag der Sonderausgaben von 26 D-Mark auf 39 D-Mark erhöht haben; und es ist mir doch aus Ihren Reihen gesagt worden: wir sind eigentlich dagegen.
Ja, das beträgt bloß die Kleinigkeit von 60 bis 70 Millionen D-Mark, die den Arbeitnehmern durch die Erhöhung von 26 auf 39 an Steuerminderung zufließen. Das ist doch auch schon etwas.
Es ist weiter von uns durchgesetzt worden, daß der Arbeitnehmer, der das Unglück hat, daß seine Frau verstirbt, jetzt, sobald er das 50. Lebensjahr erreicht hat — und das ist das Alter, wo gewöhnlich seine Kinder nicht mehr steuerbegünstigt sind —, trotzdem in Steuerklasse II bleibt, während er sonst wieder als Lediger nach Steuerklasse I besteuert wurde. Das ist ein wesentlicher Vorteil. Es wurde besonders in den Arbeitnehmerschichten bitter empfunden, daß zu dem großen Unglück des Verlustes der Ehefrau auch noch die Bestrafung kam, daß er dann in Klasse I hinein sollte. Auch das muß ein klein wenig berücksichtigt werden.
Wir haben weiter bei dem ledigen Arbeitnehmer die bisherige Grenze des 65. Lebensjahres — das ist die Grenze des Rentneralters. wo er also Invalidenrente beziehen kann, im Falle der Weiterarbeit erst von Klasse I in Klasse II kommt — auf das 60. Lebensjahr heruntergesetzt.
Wir haben weiter eingefügt, daß Heiratsbeihilfen bis zu 500 D-Mark steuerfrei bleiben; daß hei Geburtsbeihilfen, soweit sie gewährt werden, bis zu 300 D-Mark steuerfrei bleiben; daß Sonderzahlungen aus irgendeinem Anlaß — Jubiläumszahlungen oder Zahlungen aus sonstigen besonderen Anlässen — auf Grund einer Rechtsverordnung ganz oder teilweise steuerfrei bleiben sollen.
Sie haben gesagt: wir wollen den Ärmsten der Armen helfen. Wir haben den Pauschalbetrag in § 33 a eingebaut mit 40 D-Mark für den Ledigen pro Monat — 480 im Jahr — 50 D-Mark für den Verheirateten pro Monat — 600 im Jahr —, darüber hinausgehend mit 60 D-Mark pro Monat — 720 D-Mark im Jahr —, darüber hinausgehend vom dritten Kinde an jährlich 60 D-Mark und für jedes weitere Kind ebenfalls
GO D-Mark; dazu soll dann -- darüber haben wir ja zu befinden — im übersteigenden Fall ebenfalls noch Entgegenkommen gezeigt werden
Meine sehr Verehrten, das ist im großen und ganzen doch immerhin schon etwas.
Nun möchte ich Ihnen sagen, wie die Belastung ist. Nach dem Kriege hatten wir Bruttoeinkommen des Lohnempfängers bis 2200 Mark mit 183,30 Mark, das heißt mit 1,7 Prozent belastet, jetzt noch mit 0,4 Prozent des Einkommens.
Wir hatten 3200 Mark mit 4,6 Prozent belastet, jetzt haben wir 2,7 Prozent. Wir hatten bei 4200 Mark 10,4 Prozent Belastung. jetzt belasten wir es noch nach unserem Vorschlag, ohne daß die Feinheiten, die ich eben vorgetragen habe. berücksichtigt sind, mit 3.6 Prozent. Und wenn Sie 5200 Mark nehmen, dann wurde dieses Einkommen — das sind 433 Mark im Monat —1946 mit 16,1 Prozent Einkommensteuer belastet, heute noch mit 6,8 Prozent. Das sind also wesentliche Verbesserungen, die dort eingetreten sind. Wenn wir dann die Einkommen mit 7200 Mark jährlich — 600 Mark monatlich -- nehmen, dann hatten wir 1946 25 Prozent und heute noch 121/2 Prozent Steuern zu zahlen. Darüber hinaus steigen die Beträge an, besonders wenn die Vorkriegsbelastung von 1925 dazu genommen wird; das ist eine Selbstverständlichkeit. Dagegen sind die höheren Einkommen wesentlich stärker erfaßt worden, was ja unbedingt notwendig ist.
Wenn Sie aber sagen. wir hätten die Gewerkschaftsforderungen völlig in den Wind geschlagen. dann trifft auch das nicht zu. Auch mir sind sie zugegangen, da ich nun auch seit meinem 15. Lebensjahr in der deutschen Gewerkschaftsbewegung gestanden habe und ihr treu und ehrlich von 1919 bis 1933 in amtlicher Stellung dienen durfte. Auch ich habe, wenn ich auch heute nicht mehr drinstehe, ein Herz für das. was mit der Gewerkschaft zusammenhängt. Es wird gefordert, Heirats- und Geburtsbeihilfen zu gewähren. Wir habensie gewährt, sie sind eingeführt. Es wird die Steuervergünstigung für Ersatzbeschaffungen gefordert. Wir haben sie durchgesetzt. Es wird weiter gefordert, daß vor allen Dingen die Selbsteinschätzung wegfällt, und daß die Veranlagung kommt. Wir haben sie im Gesetzentwurf drin. Es wird weiter gefordert, daß die Steuervergünstigung für Mehrarbeitszuschläge erhalten bleibt. Wir haben sie erhalten. wenn wir auch die Grenze von 48 Stunden dafür eingebaut haben. So sehen die Dinge nach der anderen Seite aus.
-- Die Sonderausgaben sind bis 39 D-Mark steuerfrei und die darüber hinausgehenden Beträge — —
-- Die Sonderausgaben haben auch die Gewerkschaften gefordert, und diese Forderung ist von uns mit durchgesetzt worden. Ich möchte sagen, daß aber für Beträge, die über 39 D-Mark monatlich im Lohnsteuerjahresausgleich hinausgehen — wenn das Ganze überschritten wird —, wiederum Steuerfreiheit beantragt werden kann
und daß dann eine zu viel oder überbezahlte Einkommen- und Lohnsteuer zurückerstattet wird.
Ich möchte weiter sagen: diese Steuerreform ist schon notwendig. Wir alle, wie wir hier im Hause sitzen, sind uns, wenn wir uns in der Wandelhalle darüber unterhalten, darin ohne große Differenzen einig, daß sie unter allen Umständen kommen muß. Im Zentralbankrat waren es ja Vertreter Ihrer Partei, die ganz offen zum Ausdruck gebracht haben, wie uns von Ministerseite gesagt worden ist, daß, wenn die Steuerreform nicht durchgehe, dann alle Arbeitsbeschaffungsnrogramme nichts nutzten; dann sind sie nur ein Stoß in die Luft hinein.
Ich will auf andere Einzelheiten nicht weiter eingehen, sondern nur noch einmal darauf hinweisen, daß wochenlang in ernster Arbeit verhandelt worden ist und daß sich alle darüber Gedanken gemacht haben. Das ist ja auch unsere Pflicht, nicht nur dafür zu sorgen, wie wir dem Volk draußen Erleichterung verschaffen können, sondern es ist auch unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß der Staat in die Lage versetzt wird, die Lasten. die er im Interesse des ganzen Volkes infolge der Verhältnisse, in die wir durch diesen Krieg hineingekommen sind, zu tragen hat, auch tragen kann. Dieser Verantwortung müssen wir uns bei diesen Dingen auch bewußt sein. Ich bin bereit und in der Lage, vor jedem, vor jeder Berufsschicht das zu vertreten, was hier erarbeitet worden ist. Daß es nicht vollkommen ist. das ist mir klar, darüber streite ich mich mit Ihnen nicht, . da bin ich mit Ihnen einig. Es bleiben Wünsche offen, Wünsche für den Arbeitnehmer, die ich auch angemeldet habe. Wenn Herr Kollege Bertram meint, unsere Zustimmung sei wie Schnee vor der Sonne, der vom einen zum anderen Tag absackt, auch aufgegeben worden, dann darf ich sagen, daß dies in der Form nicht zutrifft, wenn ich ihn auch nach der Seite unterstützt habe. Ich bin mir aber darüber klar, daß ich die Interessen des gesamten Volkes und der gesamten Wirtschaft als Abgeordneter in diesem Hohen Hause zu vertreten habe. Obwohl nach der einen Seite Wünsche nach dem § 32 a und § 10 a bleiben und Wünsche für die Landwirtschaft, für das Handwerk, überhaupt nach allen Seiten offen bleiben. kommt es uns darauf an, daß heute endlich zur Tat werden muß, worauf das ganze Volk ohne Unterschied des Berufs und Standes wartet.
Wenn das Volk dadurch enttäuscht werden sollte, daß wir diese Reform heute nicht durchsetzen, dann, glaube ich, könnte das auch für unser Ansehen gefährlich werden. Sorgen wir dafür, daß die Dinge, nachdem sie bis ins letzte ausgefeilt worden sind, jetzt endlich Tat werden, und da möchte ich an das Verantwortungsbewußtsein eines jeden Mitgliedes dieses Hohen Hauses appellieren.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nur kurz einige Richtigstellungen. Herr Abgeordneter Pelster sagte, es sei in die-
sem Hause unbestritten, daß die Arbeitnehmer mit den unteren Einkommen im Jahre 1948 20 Prozent Steuerermäßigung bekommen hätten, die die oberen Einkommen nicht bekommen haben. Das ist keinesfalls unbestritten. Ich glaube, meine Ausführungen waren vorhin in dieser Hinsicht eindeutig. Ich wollte das nur feststellen, ohne auf die Streitfrage selbst weiter einzugehen. Ich habe vorhin schon gesagt, daß wir es mit Befriedigung begrüßen, daß einige Anträge von uns Verbesserungen in die Regierungsvorlage gebracht haben. Herr Kollege Pelster hat einige dieser Fälle aufgezählt, wofür ich ihm dankbar bin. Ich möchte nur etwas richtigstellen: Herr Kollege Pelster, es ist nicht richtig, daß die Erhöhung der Sonderausgaben-Pauschbeträge für die Arbeitnehmer irgendwann einmal sozialdemokratischen Widerspruch gefunden hat. Im Gegenteil. Das ist ein sozialdemokratischer Antrag gewesen, der zunächst vom Ausschuß abgelehnt worden war
und dann unter gütiger Mitwirkung des Herrn Kollegen Pelster, wie ich ihm gerne bestätige, durchgegangen ist. Ebenso ist die Herabsetzung der Altersgrenze der Steuergruppe I auf 60 Jahre auf einen sozialdemokratischen Antrag zurückzuführen, der auch zunächst abgelehnt worden ist und dann mit Hilfe von Herrn Pelster, wie ich ihm wiederum gerne bestätige, durchgegangen ist. Ebenso wurden die zusätzlichen Freibeträge für die Kinder bei den Flüchtlingsfreibeträgen von der sozialdemokratischen Fraktion beantragt. Dies nur zur Richtigstellung unter ausdrücklicher Erwähnung des Dankes, den wir in dieser Beziehung dem Herrn Kollegen Pelster und einigen anderen Kollegen schulden. Ich möchte nur bitten und hoffen, daß Herr Kollege Pelster den eindeutigen Standpunkt, den er im Ausschuß bezüglich der Abschaffung der Tabelle B eingenommen hat, auch hier im Plenum beibehält. Herr Kollege Pelster hat sich genau so wie wir für die Abschaffung der Tabelle B ausgesprochen, und wir sind gern bereit, einen speziellen Antrag, über den einzeln abgestimmt werden kann, hier im Hause zu stellen, damit er diese Meinung auch hier bestätigen kann.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich kann mich nach den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Pelster auf einige ganz wenige Sätze beschränken. Ich darf lediglich davon ausgehen, was ich bei der Einführungsrede anläßlich der ersten Lesung des Gesetzentwurfes betont habe und was ich in der Gesamtsituation nicht zu vergessen bitte: Der Bund hat die Gesetzgebung über die Einkommensteuer, aber der Bund hat damit die Gesetzgebung über fremdes Geld. Es ist infolgedessen selbstverständlich, daß loyalerweise alle Verhandlungen zwischen dem Gesetzgeber einerseits und denen, denen die Steuer zufließt, also den Ländern andererseits geführt werden müssen. Ich habe damals betont, daß dieser Gesetzentwurf in der Zusammenarbeit aller 11 Länder mit dem Bundesfinanzministerium entstanden ist. Er wurde auf Grund eines einstimmigen Votums des Deutschen Bundesrats eingereicht, aber .mit der
Bitte an mich und mit der Erklärung verhaftet, daß grundsätzlich an dem Vorschlag nichts geändert werden dürfe. Er dürfe insbesondere nicht mit weiteren Wünschen so belastet werden, daß tatsächliche Ausfälle, die steuerlich nicht zu tragen seien, einträten. Der Bundesrat hat in den Beratungen, die gemeinsam zwischen den Finanzausschüssen erfolgten, ein weitgehendes Entgegenkommen bewiesen.
Ich muß aber den Föderalisten im Hause sagen: Die Länder haben im Finanzausschuß des Bundesrats ausdrücklich erklärt, sie könnten nicht mehr weiter gehen. Es ist ihr Geld, ihr Haushalt, worüber wir hier befinden. In dieser Stunde kann und darf ein Föderalist im Deutschen Bundestag, wenn der Bundesrat und die Länder erklärt haben, nicht mehr weiter gehen zu können, die Länder nicht zu Ausfällen zwingen, die mit Hunderten von Millionen Mark den Haushalt aller Länder, auch den des Landes Bayern, umwerfen müssen. Deshalb möchte ich Sie dringend bitten: stimmen Sie weiteren Abänderungsanträgen nicht mehr zu. Die Grenze der Belastung des für die Länder Möglichen ist erreicht. Freuen wir uns, wenn das Werk als ein einigendes Werk nicht nur zwischen Bund und Ländern, sondern auch zwischen allen verantwortungsbewußten Kräften dieses Hauses zustande kommt.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die allgemeine Besprechung der Vorlage geschlossen. Wir treten nunmehr in die Einzelberatung ein.
Ich rufe Artikel I, Ziffer 1, auf. Abänderungsanträge liegen dazu nicht vor. Ich darf Ziffer 1 wohl für angenommen erklären. — Es erfolgt kein Widerspruch.
Zu Ziffer 2 liegt ein Abänderungsantrag Neuburger, Dr. Wellhausen auf Drucksache Nr. 604, Ziffer 1, vor. Ich bitte diejenigen, die für den Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Der Abänderungsantrag ist also angenommen
Ich bitte nunmehr diejenigen, die für Ziffer 2 mit der eben angenommenen Abänderung sind, die Hand zu erheben. — Das ist die Mehrheit. Es ist so beschlossen.
Ich rufe nun Ziffer 3 auf. Dazu liegen Abänderungsanträge vor: Drucksache Nr. 616, Ziffer 1, Drucksache Nr. 641, Ziffer 1 und Drucksache Nr. 616, Ziffer 2. Wir stimmen zuerst über Drucksache Nr. 616, Ziffer 1, ab. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. - Ich bitte um die Gegenprobe. -- Zweifellos war das erste die Minderheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Jetzt stimmen wir über Drucksache Nr. 641, Ziffer 1, ab. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Damit ist der Abänderungsantrag Drucksache Nr. 641, Ziffer 1, abgelehnt.
Wir stimmen nun über Drucksache Nr. 616, Ziffer 2, ab. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Es ist zweifellos die Minderheit. Damit ist der Abänderungsantrag abgelehnt.
— Es waren nur ganz wenige Stimmen dafür.
— Schön! Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich weiß nicht, Herr Renner, ob das notwendig war.
Damit bleibt Ziffer 3, nach Ablehnung der Abänderungsanträge, unverändert. Wer für die unveränderte Ziffer 3 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war zweifellos die Mehrheit. Ziffer 3 ist damit angenommen.
Ich rufe Ziffer 4 auf. Es liegen keine Abänderungsanträge hierzu vor. Ich darf die Ziffer wohl für angenommen erklären. — Es wird nicht widersprochen.
Zu Ziffer 5 liegt ein Abänderungsantrag des Zentrums Drucksache Nr. 608, Ziffer 1, vor. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist also abgelehnt. Dann darf ich, da kein Abänderungsantrag angenommen ist, Ziffer 5 wohl als angenommen ansehen. — Es wird nicht widersprochen.
Für die Ziffern 6 und 7 gilt dasselbe. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich darf die Ziffern 6 und 7 als angenommen ansehen.
Ich rufe Ziffer 8 auf. Da liegt ein Antrag der KPD Drucksache Nr. 616, Ziffer 3, und des Zentrums Drucksache Nr. 608, Ziffer 2, vor. Ich lasse über die beiden Abänderungsanträge abstimmen. Zuerst über den Antrag Drucksache Nr. 616 Ziffer 3. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Der Antrag ist zweifellos abgelehnt.
Wir kommen zu Drucksache Nr. 608, Ziffer 2. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe. —Das letztere ist zweifellos die Mehrheit. Es ist so beschlossen. Damit darf ich, da die Abänderungsanträge abgelehnt worden sind, Ziffer 8 als angenommen erklären. Ebenso Ziffer 9.
Zu Ziffer 10 liegen Abänderungsanträge vor: ein Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 608, Ziffer 3, der Antrag Neuburger Drucksache Nr. 654, Ziffer 2, und der Antrag Loritz Drucksache Nr. 664, Ziffer 1. Die Anträge sind verteilt worden. Wir stimmen zunächst über den Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 608, Ziffer 3, und den Bleichlautenden Antrag Loritz Drucksache Nr. 664 ab.
— Dann werde ich getrennt abstimmen lassen. Wir kommen also zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Zentrums Drucksache Nr. 608, Ziffer 3. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Dann kommt der Antrag Loritz auf Drucksache Nr. 664 Ziffer 1. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Es folgt der Antrag auf Drucksache Nr. 654, Ziffer 2. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Im übrigen Enthaltungen. Damit ist der Antrag angenommen.
Damit darf ich wohl feststellen, daß Ziffer 10 mit der letztbeschlossenen Abänderung angenommen ist.
Wir kommen nun zu Ziffer 11. Hierzu hat Herr Abgeordneter Dr. Koch das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich bitte, über die Ziffer 11, das heißt über § 10a, ebenso wie über § 32 a abzustimmen, wenn wir über- die Anlage, also über den Tarif, abgestimmt haben. Ich glaube, das gehört logisch, dem Inhalt nach zusammen. Wir sollten daher die Abstimmung über § 10a ebenso wie über § 32a aussetzen. Ich beantrage das hiermit.
Meine Damen und Herren! Sie haben den Antrag gehört. Es ist beantragt, § 10a bis zur Abstimmung über § 32a zurückzustellen.
— Also bis zur Abstimmung über den Tarif zurückzustellen. Ich höre keinen Widerspruch; ich nehme also das allseitige Einverständnis mit dieser Regelung an.
— Es wird über § 10 a jetzt nicht abgestimmt, sondern darüber wird nach dem Beschluß des Hauses zusammen mit dem Tarif abgestimmt werden.
— Ja, nach dem Tarif.
Wir kommen nun zu Ziffer 12. Es liegt kein Abänderungsantrag vor. Ich kann die Ziffer für angenommen erklären. Das gleiche gilt für Ziffer 13 und Ziffer 14.
Zu Ziffer 15 liegt ein Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 641, Ziffer 3, vor.
Herr Seuffert!
Zu Ziffer 15 bitte ich um namentliche Abstimmung.
Sie wünschen namentliche Abstimmung zu der gesamten Ziffer 15?
Jawohl!
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Im Augenblick steht der Abänderungsantrag Drucksache Nr. 641, Ziffer 3, zur Abstimmung.
— Wird der Antrag auf namentliche Abstimmung unterstützt? Ich bitte, die Hand zu erheben. — Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag auf namentliche Abstimmung gestellt. Ich bitte diejenigen, die für die namentliche Abstimmung sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag auf namentliche Abstimmung abgelehnt.
Wir stimmen nunmehr in einfacher Abstimmung über den Antrag Drucksache Nr. 641, Ziffer 3, ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit; damit ist der Antrag abgelehnt.
) — Bitte die Enthaltungen zu dem letzten Antrag! -- Es liegen 2 Enthaltungen vor. Damit darf ich nach Ablehnung des Abänderungsantrages Ziffer 15 wohl für angenommen erklären.
Zu Ziffer 16 liegt vor — --
— Es ist gewünscht worden, die Abstimmung über Ziffer 16 bis nach der Abstimmung über den Tarif zurückzustellen. Liegt Einverständnis vor?
Herr Seuffert!
Herr Präsident, es dürfte zweckmäßig sein, an dieser Stelle über unsern Antrag Drucksache Nr. 640 abzustimmen. Erst dann ist wohl die Tariffrage geklärt, und dann kann über die §§ 10a und 32a abgestimmt werden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Es ist also gewünscht worden, an dieser Stelle die Abstimmung über den Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 640 einzuschalten. Ich habe keinen Widerspruch gehört; ich nehme das Einverständnis des Hauses an. — Wir stimmen also über diesen Abänderungsantrag ab.
Herr Dr. Bertram!
Ich bitte, über Absatz 2 des Abänderungsantrages auf Drucksache Nr. 640 gesondert abzustimmen.
Also, Herr Abgeordneter Dr. Bertram, Sie wünschen abschnittsweise Abstimmung?
Wird diesem Antrage zugestimmt? — Ich nehme es an.
Dann muß ich darüber abstimmen lassen, ob absatzweise abgestimmt werden soll.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Herr Präsident, ich glaube, eine Zustimmung zur absatzweisen Abstimmung, wenn dieselbe gewünscht wird, kommt nur für die Antragsteller in Frage. Die Antragsteller sind damit einverstanden.
. Meine Damen und Herren! Wir stimmen unter diesen Umständen absatzweise ab. Es geht um den Antrag Drucksache Nr. 640. Wir stimmen zunächst über Absatz 1 ab. Wer für Absatz 1 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Der Absatz geht bis zu den Worten „gesenkt wird". — Ich bitte um die Gegenprobe. --- Das letztere ist die Mehrheit. Damit ist der Antrag abgelehnt.
Wir stimmen über Absatz 2 der Drucksache Nr. 640 ab. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. --- Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir stimmen über den Absatz 3 der Drucksache Nr. 640 ab. Ich bitte diejenigen, die dafür sind, die Hand zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Auch der Absatz 3 ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu Ziffer 11 zurück.
Wir stimmen jetzt über Ziffer 11 ab. Wird das Wort dazu gewünscht? — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Der Unterausschuß des Wirtschaftsausschusses des Bundesrates hat vorgeschlagen, an der jetzt behandelten Gesetzesstelle einzufügen: ,,oder nach der Verordnung über die Buchführung der Handwerker, Kleingewerbetreibenden und freien Berufe vom 5. 9. 1949". Die Begründung, die der Bundesrat in diesem Falle gegeben hat, deckt sich völlig mit der unserigen:
Die geltende Fassung beschränkt die steuerliche Begünstigung der Kapitalbildung nach 10 a auf Vollkaufleute. Dieselbe Möglichkeit muß mit Rücksicht auf die Bedeutung des Handwerks und des Kleingewerbes sowie die Gleichmäßigkeit der Besteuerung auch den vorgenannten Berufsständen eröffnet werden. Der Unterausschuß des Bundesrats ist überzeugt, daß die erwähnte Verordnung über Buchführung der Handwerker usw. der Finanzverwaltung grundsätzlich ausreichende Möglichkeiten gibt, den Umfang der Entnahmen festzustellen und damit eine eventuelle Nachversteuerung zu sichern.
Wir bitten, diesem absolut zutreffenden Gedanken
über die Steuergerechtigkeit und Gleichmäßigkeit
der Besteuerung Rechnung zu tragen, indem unser
Antrag angenommen wird.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Einzelberatung über diesen Punkt ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es' liegt zunächst der Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 641 vor, und zwar Ziffer 2. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen dann zum Antrag der Zentrumsfraktion auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 4. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. Ich bitte um die Gegenprobe.
— Ja, meine Damen und Herren, da ist die Abstimmung unsicher. Wir müssen da wohl den Hammelsprung durchführen. Ich bitte noch um einen Augenblick Ruhe zur Klarstellung. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, durch die Ja-Tür zu gehen, diejenigen, die gegen den Antrag sind, durch die Nein-Tür und diejenigen, die sich der Stimme enthalten, durch die Mitteltür.
Ich bitte diejenigen, die nach der Abstimmung im Saal sind, nicht den Versuch zu machen, wieder zurückzugehen, weil sonst Störungen in der Abstimmung stattfinden.
Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, die Zählung an den Türen aufzunehmen.
Die Türen des Saales mit Ausnahme der Abstimmungstüren sind zu schließen.
Die Abstimmung beginnt. Ich bitte, mit der Zählung zu beginnen.
Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist beendet.
Das Ergebnis der Auszählung ist: Mit Ja haben gestimmt 164, mit Nein 179 Abgeordnete; 10 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Der Antrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 4 ist damit abgelehnt.
Da andere Abänderungsanträge nicht vorliegen, kann ich wohl die Ziffer 11 als angenommen erklären.
Ziffer 12 war schon erledigt.
Wir kommen jetzt zu Ziffer 16. Dazu liegt der Abänderungsantrag der Fraktion der SPD Drucksache Nr. 641 Ziffer 4 vor.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Freudenberg.
Meine Damen und Herren! Der Herr Finanzminister hat bei der ersten Lesung dieses Gesetzes als Begründung für § 32 a angeführt, mit § 32 a solle erreicht werden, daß die Flucht in das anonyme Kapital aufhöre. Ich bestreite nicht, daß die uns jetzt vorliegende Fassung einen Schritt in der richtigen Richtung bedeutet, aber eben auch nur einen Schritt. Die vorliegende Fassung enthebt uns nicht der Notwendigkeit — wenn man dem Spiel der Änderung der Betriebsform je nach dem Stand der Steuergesetzgebung ein Ende machen will —, diese Frage in Zukunft noch einmal ernsthaft zu überprüfen, damit endlich auch in Deutschland Personalgesellschaften und Kapitalgesellschaften
steuerlich gleichgestellt werden.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung über Ziffer 4 des Abänderungsantrages der SPD Drucksache Nr. 641. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das letztere war die Mehrheit; der Antrag ist also abgelehnt. Da weitere Abänderungsanträge nicht vorliegen, darf ich wohl Ziffer 16 für angenommen erklären.
Zu Ziffer 17 liegt der Antrag Neuburger, Dr. Wellhausen, Drucksache Nr. 604 Ziffer 3 vor. Ich bitte diejenigen, die für diesen Abänderungsantrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen. Mit dieser Abänderung kann ich die Ziffer 17 für angenommen erklären.
Zu Ziffer 18 hat sich zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Mertins.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der einmütigen Haltung der Mehrheit dieses Hauses gegen jede soziale Verbesserung des vorliegenden Gesetzes
scheint es mir außerordentlich schwierig zu sein, diesen Antrag der sozialdemokratischen Fraktion zu begründen. Wenn ich den Mut dazu finde, dann nur aus dem einfachen Grund, weil ich glaube, daß es sich bei diesem Teil der Bevölkerung, der hier angesprochen wird, um Menschen
handelt, die selbst bei Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren von der Rechten, vielleicht soviel, sagen wir einmal, Entgegenkommen finden werden, daß Sie sich vielleicht doch überwinden können, diesem Antrag Ihre Zustimmung zu geben.
-- Sie haben ganz andere Wahlreden gehalten und halten das heute nicht, was Sie damals versprochen haben, meine Herren!
Es handelt sich um unseren Antrag zu Artikel I Ziffer 18 des vorliegenden Gesetzentwurfs, der Ihnen in der Drucksache Nr. 641 unter Ziffer 5 vorliegt. Der Sinn dieses Antrages ist, die Spätheimkehrer mit den Vertriebenen und politisch Verfolgten in bezug auf Freibeträge für besondere Fälle gleichzustellen. Nach unserem Antrag würde dann der § 33 a Absatz 1 des Einkommensteuergesetzes folgendermaßen lauten:
Bei Flüchtlingen, Vertriebenen und politisch Verfolgten, Personen, die nach dem 1. Januar 1949 aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrt sind , sowie bei Personen, die den Hausrat und die Kleidung infolge Kriegseinwirkung verloren haben,
und so weiter.
Meine Damen und Herren! Wir sind der Ansicht, daß diese Heimkehrer ein Recht auf Wiedergutmachung haben. Sie sind gegen alles Völkerrecht und sogar entgegen der klaren Vereinbarung der Alliierten unter sich zurückgehalten und zum großen Teil sogar ausgebeutet worden. Nach ihrer Rückkehr in das Vaterland sind sie besonders benachteiligt, da vielfach ihr Arbeitsplatz noch besetzt ist und sie längere Zeit auf Arbeit warten mußten oder noch müssen. Sie haben zum Teil gesundheitliche Schäden erlitten, die sie hindern, ihre volle Arbeitskraft in den Wettbewerb einzusetzen, und sie haben auch vielfach einen sehr großen Nachholbedarf an Kleidung und Hausrat, weil sie oft ein ganzes Jahrzehnt in der Gefangenschaft bzw. im Kriege waren.
Meine Fraktion hat schon am 14. Oktober 1949 durch die Einbringung eines Antrages unter Drucksache Nr. 118 betreffend einheitliche Regegelung der Heimkehrerbetreuung dieser Menschen gedacht. Dort heißt es in Ziffer 9:
Im Rahmen der Steuergesetzgebung sind den Heimkehrern Vergünstigungen zu gewähren, die ihnen die Eingliederung in das wirtschaftliche Leben erleichtern.
Diesem Antrag haben Sie, meine Damen und Herren, damals zugestimmt, und ich wüßte nicht, was Sie heute hindern sollte, unserem jetzigen Antrag auch zuzustimmen. Der Antrag, den wir damals stellten, ist weitergehend als der heutige, da er alle Heimkehrer erfaßt und da die Vergünstigungen in ihm auch weitergehend sind. Wenn wir uns heute auf diesen Ihnen vorliegenden Antrag beschränken, dann nur deshalb, weil wir im Ausschuß gesehen haben, wie kaltblütig der Herr Finanzminister und auch die Mehrheit, die hinter ihm steht, alle derartigen Anträge abgelehnt haben. Wir wollen retten, was noch zu retten ist. Geben Sie diesen Ärmsten der Armen Gerechtigkeit!
Das Wort hat der' Herr Abgeordnete Bazille.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Steuervergünstigungen für Kriegsbeschädigte und -hinterbliebene haben von jeher ein wichtiges Äquivalent der Kriegsopferversorgung gebildet. Die früher geltenden Sondervergünstigungen sind in den letzten Jahren unter dem Druck des Kontrollrats abgebaut worden. Es ist nicht meine Absicht, mich mit der sattsam bekannten These auseinanderzusetzen, daß durch eine bewußte Diffamierung der Kriegsopfer eine Ächtung des Krieges bei der deutschen Bevölkerung bezweckt würde. Meiner Auffassung nach gehört diese These in die Rumpelkammer der Geschichte.
Die Fraktion der SPD ist der Meinung, daß diese Sondervergünstigung der Kriegsbeschädigten und -hinterbliebenen im alten Umfang wiederhergestellt werden muß und daß sie in das Gesetz hineingehört und nicht wie seither in die Durchführungsverordnung oder in die Richtlinien. Diesem Zweck dient der Antrag meiner Fraktion, und ich bitte Sie, ihm zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich bitte nicht anzunehmen, daß es eines Appells an die Bundesregierung und die Länderfinanzminister bedurft hätte und bedürfen würde, der Spätheimkehrer unter unseren Kriegsgefangenen zu gedenken; sie haben ihrer gedacht. Aber die Dinge liegen hier so: Es bedarf keiner besonderen Bestimmung, da denjenigen, die wirklich in wirtschaftlicher Not sind — Steuergesetze können sich nur auf wirtschaftliche Tatbestande beschränken —, ohnehin auf dem Umweg über § 33 des Einkommensteuergesetzes vollkommen geholfen werden kann. Eine einheitliche Kategorie neu zu schaffen und nach einem Stichtag eine wirtschaftliche Not bei allen anzunehmen, die aus der Kriegsgefangenschaft zurückkehren, widerspricht den Tatsachen. Es können Söhne reicher Eltern sein, die aus der Kriegsgefangenschaft gesund zurückkehren. Denjenigen, ,die in Not sind, können wir heute helfen. Und die Bundesregierung und die Länderfinanzminister werden helfen, indem sie den Tatbestand des § 33 des Einkommensteuergesetzes zur Anwendung bringen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Einzelberatung zu Ziffer 18 ist geschlossen.
— Ich habe Ihre Wortmeldung nicht bekommen.
— Meine Damen und Herren, wenn einmal ein Irrtum vorkommt, dann wollen wir nicht so kleinlich sein. Also das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Wir haben einen Antrag zu diesem Thema gestellt. Ich muß doch das Recht haben, zu diesem Antrag etwas sagen zu dürfen. Wenn Ihnen das zuviel ist, gehen Sie solange ins Restaurant! Da gibt es zwar keine Schlagsahne mehr, aber immerhin noch etwas Eßbares.
— Ich weiß gar nicht, warum Sie sich so aufregen. Wir haben einen Antrag eingebracht, und ich habe das Recht, zu dem Antrag etwas zu sagen. Oder nicht?
-- Na also, dann meckern Sie nicht!
Namens meiner Fraktion möchte ich zu dem sozialdemokratischen Antrag sagen, daß wir dem Antrag zustimmen.
Ich möchte aber auch zu unserem eigenen Antrag, den wir zu derselben Materie gestellt haben, etwas sagen. Unser Antrag fordert die Steuerbegünstigung für Kriegsopfer, Sozialberechtigte, für Flüchtlinge sowie für alle übrigen in Betracht kommenden Personenkreise. Der Unterschied zwischen unserem Antrag und der Regierungsvorlage bzw. dem. Gesetzentwurf und dem Antrag der Sozialdemokratie besteht darin, daß wir das Wort „Totalschaden" als Voraussetzung für die Gewährung dieser Vergünstigung gestrichen haben. Auf diese Tatsache hinzuweisen, war meines Erachtens notwendig. Ich bitte, bei der Abstimmung über unseren Antrag als den weitestgehenden zuerst abzustimmen.
Nun ein Wort an die Regierung! Wenn Sie uns hier sagten, daß der § 33 an und für sich schon den Landesfinanzministern Gelegenheit biete, diesen Personenkreis zu berücksichtigen, so darf doch wohl zur Steuer der Wahrheit hier gesagt werden, daß diese Vergünstigungsmöglichkeit nicht generell denen zugute kommt, die in einem Lohn- und Arbeitsverhältnis stehen;
generell kommt sie nur denen zugute, die diese Sondervergünstigungen als Unternehmer genießen. Wenn ich mich irren sollte, kann mich der Herr Finanzminister ja korrigieren. Außerdem sind wir der Meinung, daß dieses Entgegenkommen ohne weiteres — auch ohne Antrag — gewährt werden sollte, da der hier umrissene Personenkreis auf Grund seiner erbärmlichen Einkommensverhältnisse bzw. Rentenbezüge kaum in der Lage ist, für den Ersatz von Kleidung und Hausrat, der durch Kriegseinwirkungen zerstört worden ist, nennenswerte Beträge aufzubringen, die über die Mindestbeträge, die Sie ja zu konzedieren bereit sind, hinausgehen können. Also, wir verstehen einfach Ihren Widerstand diesem Personenkreis gegenüber nicht. Und wir können hinter diesem Ihrem Widerstand nichts anderes erblicken, als Ihre Unlust, diesem Personenkreis die verdiente Sonderstellung in dieser Frage einzuräumen.
Noch ein letztes Wort. Ich hätte die Bemerkung des Begründers des Antrags der SPD gern überhört. Wenn man sich schon rückschauend mit dem Kreis der Kriegsgefangenen befaßt, dann sollte man doch ihrer auch gelegentlich einmal gedenken, wenn sie bei uns schon gelandet sind. Dann sollte man sich der Tatsache erinnern, daß Sie ihnen 50 D-Mark Heimkehrergeld geben und im Falle der Bedürftigkeit bis zu 300 D-Mark, im letzteren Falle mit der Verpflichtung der Rückzahlung. So liegen doch die Dinge. Man sollte sich solche Begründungen bei
derartigen Anlässen ersparen. Dasselbe gilt für den Herrn Minister, der hier so lobend erwähnt hat. daß die Regierung bereits in ausreichendem Maße dieser Heimkehrer gedacht hat.
Ich bitte, über diesen unseren Antrag zuerst abstimmen zu lassen, weil er der weitestgehende ist.
Eigentlich darf ich das Wort nicht mehr erteilen. Die Debatte war geschlossen.
— Es ist unmöglich, auf Winkzeichen hin hier eine Übersicht darüber zu bekommen, wer sich zum Wort gemeldet hat oder nicht. Ich bitte doch um schriftliche Wortmeldungen bei den Schriftführern. Es ist sonst einfach nicht möglich, die Debatte zu übersehen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Höfler.
Die Fraktion der CDU/CSU schlägt zwecks Vermittlung vor, zu Artikel I Ziffer 18 bei § 33 a Absatz 1 einzufügen: „Personen, die nach dem 1. Januar 1949 aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrt sind und sich in Notlage befinden". Damit wäre den Interessen, die hier auf dem Spiele stehen, wohl Rechnung getragen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Herren! Ich möchte nur eine sachliche Feststellung treffen.
Der Herr Kollege Renner irrt, wenn er meinte daß die Vorteile des § 33 nur bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer gewährt werden könnten. Der Tatbestand des § 33 kann durch Eintragung eines entsprechend höheren Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte genau so berücksichtigt werden und wird in jedem einzelnen Falle berücksichtigt. Also dem Personenkreis, wenn er in Not ist, kann nach den bestehenden Bestimmungen bereits geholfen werden. Der Antrag, um den es sich hier handelt, rennt infolgedessen offene Türen ein.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Damit ist die Aussprache zu Ziffer 18 geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Ich zähle noch einmal die vorliegenden Anträge auf: Drucksachen Nr. 616 Ziffer 4, Nr. 641 Ziffer 5, Nr. 658, Nr. 652 und dann der eben vorgelegte Antrag zu Artikel I Ziffer 18, der folgendermaßen lautet:
Im § 33 a Absatz 1 soll eingefügt werden: Personen, die nach dem 1. Januar 1949 aus Kriegsgefangenschaft heimgekehrt sind und sich in Notlage befinden.
Der Antrag auf Drucksache Nr. 616 Ziffer 4 der KPD ist der weitestgehende. Wir stimmen zuerst über ihn ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. -- Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? -- Die Mehrheit hat gegen den Antrag gestimmt. Der Antrag ist also abgelehnt.
Dann kommen wir jetzt zu dem Antrag auf Drucksache Nr. 641 Ziffer 5. Das ist der Antrag der SPD. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist zweifellos die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
Wer enthält sich? — Meine Damen und Herren! Ich muß die Abstimmung wiederholen. Unter den Umständen erscheint sie mir zweifelhaft.
Ich lasse also noch einmal abstimmen über den Antrag auf Drucksache Nr. 641 Ziffer 5. Wer für diesen Antrag Ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Ich bitte um die Enthaltungen. — Die Abstimmung ist zweifelhaft. Meine Damen und Her-. ren! Wir kommen um einen Hammelsprung nicht herum. Ich bitte diejenigen Damen und Herren, die mit Ja stimmen wollen, durch die Tür auf der rechten Seite von mir aus gesehen den Sitzungssaal wieder zu betreten, die Damen und Herren, die mit Nein stimmen wollen, durch die Tür links von mir, diejenigen, die sich enthalten wollen, durch die Tür in der Mitte. Ich bitte die Damen und Herren Schriftführer, sich an die Türen zu begeben.
Die Auszählung beginnt.
Meine Damen und Herren, die Abstimmung ist beendet. Ich bitte, die Türen wieder zu schließen. Es folgt nunmehr die Abstimmung des Sitzungsvorstandes.
Meine Damen und Herren! Das Ergebnis der Abstimmung ist folgendes. 178 Abgeordnete haben mit Ja, 163 Abgeordnete mit Nein gestimmt; 7 Abgeordnete haben sich der Stimme enthalten. Damit ist der Antrag auf Drucksache Nr. 641 Ziffer 5 angenommen.
Infolgedessen erledigt sich der soeben eingereichte Antrag Höfler, Dr. von Brentano, weil er inhaltlich durch den weitergehenden Antrag mit erfaßt ist.
Wir kommen nunmehr zur Abstimmung über den Antrag Neuburger, Dr. Wellhausen auf Drucksache Nr. 658. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen.
Es folgt der Antrag der SPD auf Drucksache Nr. 652. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen! — Die Mehrheit ist für Ablehnung; der Antrag ist also abgelehnt und Ziffer 18 mit den beschlossenen Abänderungen angenommen.
Wir kommen zu Ziffer 19. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Mertins.
Meine Damen und Herren! Auch dieser Antrag meiner Fraktion hat eine soziale,
darüber hinaus aber auch noch eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Es handelt sich darum, aus dem § 34 a Absatz 1 in der neuen Fassung die Worte „mindestens jedoch über 48 Stunden in der Woche hinaus" 711 streichen. Unser Antrag bezweckt also die Wiederherstellung des Wortlauts des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 20. April 1949. Die jetzige Verschlechterung ist in dieses Gesetz hineingekommen durch .die Einschaltung des Satzes ..mindestens jedoch über 48 Stunden in der Woche hinaus", und zwar auf Veranlassung des Bundesrats und mit der Sanktion durch die Mehrheit dieses Hauses. Als Begründung ist angegeben worden, daß das Fehlen einer so'chen Einfügung zu arbeitsmarktpolitischen Bedenken führen würde. Diese Begründung ist keineswegs stichhaltig.
Auch uns sind vereinzelte Mißbräuche, die mit diesem Paragraphen getrieben worden sind, bekannt geworden. Auch wir wissen, daß einzelne Kreise. auch aus der Arbeitnehmerschaft, den Satz geprägt haben: „Lieber Mehrarbeit als neue Arbeitsplätze". Aber es wäre ein Trugschluß, von diesen vereinzelten Tatsachen auf eine mangelhafte Solidarität der Arbeiterschaft allgemein zu schließen. Wenn Mißbräuche auf diesem Gebiet vorgekommen sind, dann ist das die Schuld Ihrer verfehlten Wirtschaftspolitik, die den Reallohn immer weiter absinken ließ, was manchen ehrlichen und aufrechten Arbeiter in dieser Beziehung auch zu einem Gegner sogar seines Arbeitskameraden gemacht hat.
Ich persönlich und meine Fraktion hegen eine ausgesprochen tiefe Bewunderung für das beispielhafte volkswirtschaftliche Verständnis und die Anständigkeit der deutschen Arbeiterschaft, die sie in diesen Jahren nach der Kapitulation bewiesen haben. Ich erinnere Sie an die Worte, die vor wenigen Wochen von dieser Stelle aus mein Kollege Jahn gesprochen hat. Er verkündete damals den Beschluß der Eisenbahner, zur 45-Stunden-Woche überzugehen, um dadurch die Möglichkeit zu schaffen, Entlassungen zu vermeiden und unter Umständen 20 000 neue Arbeitsplätze zu schaffen. Diese Eisenbahner haben aus Solidarität auf 6 Prozent ihres Einkommens verzichtet, und es ist nicht ausgeschlossen, daß bei der augenblicklichen Lage auf dem Arbeitsmarkt, bei den über 2 Millionen Erwerbslosen, eine Ausweitung dieses Vorgehens vorgenommen wird. Wir würden die Menschen, die ein solch hohes Maß von volkswirtschaftlichem Verständnis und Solidarität aufbringen, bestrafen, wenn wir die Vergünstigung erst bei einer Mehrarbeit über 48 Stunden eintreten lassen würden. Sie müßten dann die 46., 47. und 48. Stunde erst ohne steuerliche Vergünstigung leisten, ehe sie in die Steuervergünstigung hineinkämen. Die Gewerkschaften, von denen wir diesen Antrag übernommen haben, sind mit uns der Überzeugung, daß das eine Ungerechtigkeit wäre, die keineswegs etwa die Arbeitslosigkeit beseitigen könnte. Dazu ist nur das Programm der Vollbeschäftigung imstande, das wir Ihnen ja vorgelegt haben.
-- Wenn Sie es nicht begriffen haben, kann ich Ihnen nicht helfen.
Außerdem ist die Gefahr des Mißbrauchs dieses Artikels sehr gering, weil ja die Arbeitgeber -- von denen Sie verlangen, daß sie laut einem Ehrenkodex viel ehrlicher werden, als sie vorher gewesen sind — und die Arbeitnehmer sich erstens gemeinsam dieses Mißbrauchs schuldig machen müßten, und zweitens, weil der Begriff „gesetzlich und tariflich festgelegte Arbeitszeit" vollkommen ausreichend ist, um den Tatbestand zu klären. Ich empfehle Ihnen daher im Namen meiner Fraktion aus Gründen der Gerechtigkeit und im Endeffekt auch aus volkswirtschaftlichen Gründen die Annahme dieses Antrags.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Wir haben uns im Ausschuß auch eingehend hierüber unterhalten. Ich darf daran erinnern, daß der Bundesrat seinerzeit beantragt hat, den § 34 a aus arbeitsmarktpolitischen Gründen überhaupt zu streichen. Wir haben uns dann dieser Auffassung in diesem Ausmaße nicht angeschlossen, sondern wir haben geglaubt, daß wir doch, um mißbräuchliche Benutzung auszuschließen, hier eine Grenze in der Form setzen müssen, wie es jetzt geschehen ist. Die Bestimmung, wie sie jetzt lautet, wird einerseits den arbeitsmarktpolitischen Gründen gerecht, andererseits verhindert sie den Mißbrauch. Daher sind meine Parteifreunde dafür, diesen Paragraphen in der jetzigen Form anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pelster.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte darauf aufmerksam machen, daß uns diese Frage eingehend beschäftigt hat, und es war Herr Kollege Wolkersdorf von den Gewerkschaften, der dem Gedanken zuneigte und ihn vertrat, den § 34 a fallenzulassen, um endlich dem Heer der Arbeitslosen in etwa beizukommen. Das mag vielleicht dem einen oder andern lächerlich erscheinen. Wer weit im Lande herumkommt und wer auch beruflich mit diesen Dingen zu tun hatte, der stellt manchmal interessante Erscheinungen fest.
Vor kurzem kommt ein Kollege des Landtags, der dem Zentrum angehört, zu mir. Er kommt aus der Arbeiterschaft und ist heute Betriebsleiter eines Werkes. Er sagt: „Ich war diese gewaltigen Überstunden leid und habe eine Maschine angeschafft, um dadurch die Leute in Doppelschicht zu halten. Und jetzt kommen meine Leute zu mir und sagen: du mußt die Hälfte entlassen, damit wir die alten Überstunden weitermachen können!" — Das wollen wir nicht! Wir wollen nicht, wie uns nachgewiesen wurde, daß die Arbeitszeit, die normal und gesetzlich 48 Stunden beträgt, auf 42 Stunden herabgesetzt wird und dann doch 48 Stunden gearbeitet wird, und diese Mehrstunden als Überstunden in Anspruch genommen werden. Das wollen wir nicht, sondern wir wollen, daß da, wo mehr Arbeit ist, möglichst dann auch Leute eingestellt werden, und wenn es nur für kurze Zeit ist: Mir sagte ein Kollege dieses Hauses, der einen Betrieb von zirka
250 Menschen hat: „Ich kann im Augenblick 50 bis 60 Menschen einstellen, allerdings weiß ich nicht, ob ich sie ganz durchhalten kann, aber für ein halbes Jahr würde es gehen. Glauben Sie, Herr Kollege", sagte er zu mir, „daß ich es fertigbringe, diese Leute hereinzukriegen? Ich stoße auf stärksten Widerstand." — Sehen Sie, da wäre doch ein fest begrenzter Arbeitsvertrag von einem halben Jahr gut, um diese 50, 60 Menschen in Arbeit zu nehmen, daß sie den Glauben an die Gerechtigkeit und den Glauben an sich selbst nicht verlieren und zum Teil wieder etwas zu Blut kommen; das wollen wir erreichen.
Weiter haben wir dann auch daran gedacht, daß derjenige Arbeitgeber, der vorübergehend einmal einige Überstunden für 8 Tage oder was weiß ich notwendig hat, schwerlich Überstunden von seinen Arbeitnehmern erwarten kann, wenn der § 34 a fortfällt, weil dann die Arbeitnehmer am Ende der Überstunden . weniger verdient haben als am Ende der normalen Arbeitszeit. Das wollten wir ebenfalls verhindern. Deshalb haben wir in der Regierungsvorlage, welche die Streichung vorsah, diesen Paragraphen wieder eingebaut, allerdings mit der Begrenzung, daß 48 Stunden, die normale gesetzliche Arbeitszeit, die Grenze sein sollten und die für die darüber hinausgehende Zeit gewährte Überstundenvergütung dann steuerbegünstigt werden sollte. Es ist nicht etwa etwas Unsoziales, sondern lediglich von dem Gedanken getragen, möglichst viel Arbeitskräfte wieder in Arbeit hineinzubringen. Deshalb haben wir diese Bestimmungen getroffen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Rische.
Meine Damen und Herren! In dieser Frage gibt es eine Reihe von Irrtümern. Der Herr Vorredner hat zwar die Wirklichkeit heangezogen, aber er hat uns doch nicht genauestens gesagt, wie es unten in Wirklichkeit aussieht.
Tatsache ist, daß es heute eine Reihe von Berufs-, Industriegruppen gibt, die schon Tarifverträge abgeschlossen haben, die auf einer Arbeitszeit unter der gesetzlichen Zeit von 48 Stunden basieren. Man kann nicht daran vorbeisehen, daß diese Leute heute, wenn sie 41, 42 oder 44 Stunden in der Woche arbeiten, dann darüber hinaus auch einen Anspruch — darum handelt es sich doch — auf die steuerliche Vergünstigung ihrer Mehrarbeit haben.
Wir Kommunisten unterstützen den sozialdemokratischen Antrag, wenn wir auch nicht dieser Begründung zustimmen. Denn wir sind nicht der Meinung, daß die Arbeiterschaft auf ihre gesetzliche Arbeitszeit freiwillig verzichten soll; wir sind nicht der Meinung, daß die Arbeiterschaft herkommen und dieser Regierung und diesem System etwas opfern soll.
Das Wert hat der Herr Abgeordnete Wönner.
Meine Damen und Herren! Sie sollten doch wohl auch in dieser Frage bemüht bleiben, den wirklichen Tatsachen gerecht zu werden. Es handelt sich nicht darum, etwa grundsätzlich der Überstundenleistung Vorschub zu leisten. Ganz im Gegenteil. Ich darf insbesondere dem Herrn, der vor dem Vertreter der kommunistischen Partei eben gesprochen hat, sagen: Es sind ja die Herren Arbeitgeber, die es prinzipiell in der Hand haben, Überstunden in ihrem Betrieb zu korrigieren. Wir bleiben bei der grundsätzlichen Auffassung, die wir den Überstunden gegenüber — und hier spreche ich als Gewerkschaftler — immer vertreten haben: Überstunden sind nur in Ausnahmefällen, aber nicht grundsätzlich und generell zu leisten. Wenn wir so die Dinge betrachten, daß also Überstunden als Ausnahme von der Regel angesehen werden, dann werden wir nicht umhin können, den berechtigten Anspruch der Arbeitnehmer anzuerkennen, daß sie für die erste Überstunde, die sie über die normale Arbeitszeit hinaus geleistet haben, von der Steuervergünstigung Gebrauch machen können. Sie sollten sich darüber klar sein — ob das für Deutschland gegenwärtig allgemein anwendbar ist oder nicht, sei im Augenblick nicht untersucht —, daß die generelle Tendenz überall in den Industrieländern zur 40- und nicht zur 45Stundenwoche geht; und angesichts der 2 Millionen Arbeitslosen, die wir in Deutschland haben, sollten wir uns glücklich schätzeng daß es eine so große Zahl von Arbeitnehmern in Deutschland gibt, die zugunsten ihrer Arbeitskameraden ein Opfer in dieser Richtung zu bringen bereit sind. Wenn Sie diese Opfer anzuerkennen nicht bereit wären, dann würden Sie damit in irgendeiner Form zum Ausdruck bringen, daß Ihnen dieses solidarische Verhalten der Arbeiterschaft nicht angenehm erscheint, weil dadurch die Arbeitslosenzahl vermindert werden könnte. Das ist die Quintessenz, die daraus abzuleiten wäre.
Meine Damen und Herren, ich darf mir nochmals erlauben, zu sagen: Sie als Arbeitgeber, soweit Sie solche sind, haben durchaus die Möglichkeit, auch korrigierend in die Dinge einzugreifen und sich nicht etwa an denen zu orientieren, die auf Grund irgendwelcher Vorstellungen, die sie höchstens aus Ihrer Ideologie empfangen könnten, meinen, Überstunden seien zu Lasten der übrigen Arbeitskollegen zu leisten.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung zunächst über den Abänderungsantrag der SPD, Drucksache Nr. 641, Ziffer 6. Ich bitte diejenigen, die für die Abänderung sind, die Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Der Antrag ist abgelehnt.
Dann darf ich also die Ziffer 19 in der Fassung der zweiten Lesung für angenommen erklären.
— Es war absolut richtig, was ich gesagt habe!
Ich rufe nunmehr Ziffer 20 auf. Es liegt der Antrag des Zentrums und der SPD Drucksache Nr. 614 Ziffer 1 vor. Wortmeldungen liegen nicht vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Verzeihung, Herr Präsident, zur Abstimmung! Nannten Sie eben die Drucksache Nr. 614? Die Drucksache 614 wird zur dritten Lesung nicht wiederholt. Es handelt sich jetzt um die Drucksache Nr. 645, worüber nicht an dieser Stelle abzustimmen ist.
Mir wird mitgeteilt, Herr Dr. Bertram., es läge hier eine Nachricht vor, daß der Antrag von Ihnen wiederholt wäre.
Der Antrag Drucksache Nr. 614 ist in der zweiten Lesung abgelehnt worden; er ist nicht als gemeinschaftlicher Antrag des Zentrums und der SPD wiederholt, sondern es ist ein anderer Antrag in Drucksache Nr. 645 gestellt worden.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Diese Abstimmung kommt erst später. Damit ist also dieser Antrag zurückgezogen. Dann kann ich demnach annehmen, daß Ziffer 20 angenommen ist. — Ebenso Ziffer 21. —
Zu Ziffer 22 liegt eine Wortmeldung vor. — Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Es liegt auch die Drucksache Nr. 665, der Abänderungsantrag der Abgeordneten Neuburger, Dr. Dr. Hoepker-Aschoff, Dr. von Campe, Dr. Bertram und Genossen vor. Wir werden veranlaßt sein, zu diesem Antrag eine Abänderung vorzulegen und dabei zu beantragen, das Thema, um das es sich handelt, in § 41 einzufügen. Ich bitte deswegen, die Abstimmung über Ziffer 22 bis zur Abstimmung über Artikel II Ziffer 2 zurückzustellen, damit die Anträge zusammen behandelt werden können.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Sie haben den Antrag des Abgeordneten Seuffert gehört. Was er vorschlägt, halte auch ich für zweckmäßig. Ich nehme Ihr Einverständnis an, daß wir bei der Abstimmung zu Artikel II Ziffer 2 die Ziffer 22 miterledigen.
Wir kommen zu den Ziffern 23, 24 und 25. — Ich darf sie wohl als angenommen bezeichnen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Greve.
Meine Damen und Herren! Zu dem Änderungsantrag der Drucksache Nr. 641 Ziffer 7 habe ich zunächst einen weiteren Änderungsantrag zu stellen, und zwar betrifft er zunächst eine redaktionelle Änderung und dann eine Ergänzung. Der von uns in Drucksache Nr. 641 gestellte Abänderungsantrag Ziffer 7 soll nunmehr folgenden Wortlaut erhalten:
Für die veranlagte Einkommensteuer sind bei jedem Finanzamt Listen zu führen, aus denen ersichtlich sind: Name und Wohnung der Steuerpflichtigen, das für das Jahr erklärte und veranlagte Einkommen und die im einzelnen zu zahlenden Steuerbeträge.
Diese Listen sind zur Einsicht für jedermann öffentlich zugänglich zu machen.
Zur Begründung des Antrags meiner Fraktion habe ich auszuführen, daß wir mit diesem Antrag dem Recht eines jeden Staatsbürgers entgegenkommen, zu erfahren, wer Steuern aus Einkommen zahlt und in welcher Höhe Steuern aus Einkommen gezahlt werden. Ich weiß ganz genau, daß gegen die Offenlegung der Steuerlisten in diesem Hause weithin Bedenken geltend gemacht werden. Es besteht aber ein dringendes öffentliches Interesse daran, daß jeder, der die Gemeinschaft aller Staatsbürger in Anspruch nimmt und dem die Gemeinschaft aller Staatsbürger die Möglichkeit gibt,
— Haben Sie eine Ahnung von Sozialismus! t
Einkommen zu erwerben, dies vor der Offentlichkeit offenzulegen hat. Niemand, der auf ehrliche und sozial verantwortliche Weise Einkommen er- wirbt, braucht sich der Höhe dieses Einkommens zu schämen.
Aber er muß für das ehrlich und sozial verantwortlich erworbene Einkommen Steuern zahlen.
Es geht nicht an, daß ein wesentlicher Teil des Einkommens steuerlich nur deswegen nicht erfaßt wird, weil der Steuerpflichtige sich im Schutze des Dunkels sehr wohl fühlt. Man möge mir nicht sagen, daß man mit dem Buch- und Betriebsprüfungswesen und mit der Steuerfahndung das erreicht, was hier erreicht werden soll. Das sind keine genügenden Mittel, um die Steuerhinterziehung herabzumindern oder gar zu verhindern. Das wissen wir alle insbesondere aus den Erfahrungen der letzten Jahre. Durch die Pflicht zur Offenlegung der Zahlen soll jeder an seinem Gewissen und an dem, was er noch an Steuermoral in sich hat, gepackt werden, und er soll der Kontrolle durch das Auge des Volkes unterworfen werden.
— Herr Kollege Baumgartner, ich glaube, Sie würden Wunder erleben, wenn Sie den Weg mit uns gehen würden.
Mit weniger Stimmaufwand und Stimmenvielseitigkeit geht es schneller!
Unser Antrag richtet sich gegen niemand anders als gegen diejenigen, die noch nicht begriffen haben, daß es oberste Pflicht eines jeden Staatsbürgers ist, dem Staate das zu geben, was er zur Erfüllung seiner Aufgaben braucht. Und dazu ist der Antrag, den wir Ihnen vorgelegt haben, ein Weg. Die Zeit, in der man nur auf Kosten des ehrlichen Steuerzahlers leben kann, die soll und muß ein für allemal vorbei sein.
Was in England, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in sehr vielen anderen Ländern möglich und üblich ist und sich dort bewährt hat, daß muß auch endlich einmal bei uns zur Anwendung kommen, insbesondere deswegen, weil, wie ich glaube, wir sehr viel mehr die Pflicht haben, auf den letzten Steuergroschen zu sehen, als das in anderen Ländern heute der Fall sein mag.
Es geht auch nicht an, einem Teil des Volkes, nämlich den Lohn- und Gehaltsempfängern, überhaupt allen Festbesoldeten den letzten Steuergroschen, an den man herankann, wegzunehmen, einfach weil sie keine Möglichkeit haben, sich ihrer Verpflichtung aus dem Gesetz zu entziehen, während man einem anderen Teil die Möglichkeit gibt, eben unter Ausnützung der Steueranonymität dem Staate gegenüber sich so zu verhalten, daß in anderen Fällen die Beurteilung als strafbare Handlung in Frage käme, die von den Organen des Staates verfolgt würde. Wenn wir wollen, daß alle Steuerpflichtigen gleich behandelt werden, dann ist unser Vorschlag ein Mittel
und ein Weg zugleich. Sie nehmen damit dem Steuerpflichtigen die Versuchung, sich anders zu verhalten, als er gegenüber seinen Mitbürgern verpflichtet ist. Aus diesem Grunde bitte ich, unserem Antrage zuzustimmen, und ich beantrage namentliche Abstimmung über ihn.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Renner.
Eines der Ziele, das die Regierung, die Koalitionsparteien hier angeblich mit diesem Steuervergünstigungsgesetz für die Schwerreichen verfolgen, ist die Hebung der Steuermoral. So habe ich es hier mehrfach gehört. Die Steuermoral soll gehoben werden.
Was wir aber eben in dem Zuruf „Das ist ja reiner Bolschewismus!" gehört haben, das war das Aufstöhnen der gequälten Seele des vollen, satten Bürgers,
der vor Schrecken erblaßt, wenn ihm zugemutet wird, seine Steuern ehrlich zu zahlen. Ich möchte mir einen Hinweis erlauben, um damit schließen zu können: Ich bitte den Herrn Präsidenten. doch dafür Sorge zu tragen, daß der Name des Herrn, der da so schreckvoll aufgestöhnt hat, der Nachwelt erhalten bleibt.
Nun ein letztes Wort. Wie eigenartig sprunghaft Sie denken! Da ist der Arbeiter, da ist der Angestellte; was der an Steuern zu leisten hat, das steht fein säuberlich auf der Steuerkarte und wird obendrein noch auf der Lohntüte schriftlich quittiert. So liegen doch die Dinge. Ist das auch Bolschewismus? Nein, werden Sie antworten.
Die leere Lohntüte ist Ausbeutung durch das Unternehmertum. Das möchte ich festgestellt haben. Wir stimmen für den sozialdemokratischen Antrag und nehmen an, daß die Herren, die es so ehrlich mit der Hebung der Steuermoral meinen, wie zum Beispiel Herr Dr. Konrad Adenauer und Herr Pferdmenges,
sich diesem sozialdemokratischen Antrag begeistert anschließen werden.
— Faule Köppe, auch wenns ans Steuerzahlen geht!
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse abstimmen.
-- Ich bitte, mich nicht am Reden zu hindern, Herr Kollege Renner. Es ist abzustimmen erstens über einen Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag. Zweitens ist über diesen Abänderungsantrag selbst abzustimmen. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich glaube, daß sich die namentliche Abstimmung auf den Abänderungsantrag als solchen beziehen soll und nicht auf den Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag.
Denn dieser Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag enthält gegenüber dem Abänderungsantrag nur folgende,
im Abänderungsantrag selbst noch nicht enthaltene Worte: „die im einzelnen zu zahlenden Steuerbeträge". Wollen Sie auch darüber namentliche Abstimmung haber? Wohl kaum. Ich lasse also zuerst im einfachen Abstimmungsverfahren über diesen Abänderungsantrag zum Abänderungsantrag — anders kann ich es nicht bezeichnen — abstimmen. Er liegt hier handschriftlich vor. Ich will ihn noch einmal verlesen, damit kein Zweifel besteht, um was es sich handelt:
Für die veranlagte Einkommensteuer sind bei jedem Finanzamt Listen zu führen. aus denen ersichtlich sind: Name und Wohnung des Steuerpflichtigen, das für das Jahr erklärte und veranlagte Einkommen und
-- nun kommt das Zusätzliche —
die im einzelnen zu zahlenden Steuerbeträge.
Der zweite Absatz ist wie der zweite Absatz des Abänderungsantrages.
— Nein, es ist praktisch ein Ergänzungsantrag zum Abänderungsantrag. Ich lasse abstimmen. Wer für den Antrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. —
Ich bitte um die Gegenprobe.
— Das ist die Mehrheit.
Nun lasse ich über den Abänderungsantrag Drucksache Nr. 641 Ziffer 7 abstimmen. Hier ist namentliche Abstimmung verlangt. Wird das unterstützt? — Die erforderliche Unterstützung liegt vor. Wer für namentliche Abstimmung ist, den bitter ich. die Fan 7U erheben. — Gegenprobe.
— Das ist zweifelsfrei die Mehrheit.
Der Antrag auf namentliche Abstimmung ist abgelehnt.
Ich lasse über den Antrag Drucksache Nr. 641. Ziffer 7 abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Ich bitte um die Stimmenthaltungen.
— Das war wohl zweifelsfrei die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Wir kommen zu Artikel II Ziffer 1. Hier liegt kein Abänderungsantrag vor. Der Antrag ist angenommen.
Ich rufe Ziffer 2 auf. Hierzu liegen die Abänderungsanträge Drucksachen Nr. 665 und 645 vor. Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert zur Begründung des Antrags Drucksache Nr. 645.
Meine Damen und Herren! Der Antrag Drucksache 665 beruht auf einem Gedan-
danken, über den wir uns interfraktionell geeinigt haben, weil wir ihn für logisch und notwendig befunden haben, um gewisse Auswirkungen der Erhöhung des Pauschbetrags für die Sonderausgaben bei den Arbeitnehmern abzuwehren. Wir freuen uns feststellen zu können, daß wir von den Landesfinanzministern gehört haben, daß sie diesem Gedanken keinen Widerstand entgegensetzen werden. Meine Fraktion möchte denselben Gedanken jedoch in anderer Form verwirklichen. Unser Antrag, den ich verlesen möchte, lautet hierzu:
In § 41 Absatz 1 Ziffer 3 des Einkommensteuergesetzes
— das gehört also zu Artikel I Ziffer 22 —
soll nach „Buchstabe c) und d)" im Text eingefügt werden: „sowie als besonders steuerbegünstigt anerkannte Beiträge zu Versicherungen auf den Lebens- oder Todesfall und zu Witwen- und Waisen-, Versorgungs- und Sterbekassen".
In Artikel II unseres Gesetzes wäre in Ziffer 2 Buchstabe f anzufügen:
und besonders steuerbegünstigter Versicherungsbeiträge.
In § 41 ist für gewisse Kapitalansammlungsverträge vorgesehen, daß sie außerhalb des Pauschbetrages für Arbeitnehmer bei der Lohnsteuer berücksichtigt werden. Dasselbe soll nun nach unserm Antrag für diese Lebensversicherungen gelten. Denselben Gedanken bringt die Drucksache Nr. 665 in einer Ermächtigung, die als Buchstabe h in Artikel II Ziffer eingefügt wird. Der Unterschied zwischen unserem Antrag und dem Antrag der anderen Fraktionen ist der, daß wir erstens nach den gemachten Erfahrungen etwas Derartiges lieber im Gesetz verankern, statt es nur in eine Ermächtigung zu stellen, und daß wir zweitens im Augenblick nicht übersehen können, ob die Beschränkung der Drucksache Nr. 665 auf Neuabschlüsse der Versicherungen und andere Beschränkungen, die darin enthalten sind, wirklich denjenigen Anregungen entsprechen, denen nachzugeben wir alle gewillt waren. Es ist durchaus möglich, daß man auf so etwas oder etwas Ähnliches in der Rechtsverordnung, die auch wir für notwendig halten, hinauskommt. Wir vermögen aber die Tragweite dieser Abgrenzung im Augenblick nicht zu übersehen und bitten deshalb, eine allgemeinere Form zu wählen.
Das Wort zur Drucksache Nr. 665 hat der Herr Abgeordnete Neuburger.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade weil wir die Abgrenzung dieser Bestimmungen im Rahmen des Gesamtgesetzes nicht übersehen können, haben wir uns entschlossen. diesen Gedanken in Artikel II Ziffer 2 einzufügen, so wie er sich aus der Drucksache Nr. 665 ergibt. Die Regierung soll also mit Zustimmung des Bundesrates die Ermächtigung erhalten, die Kleinlebensversicherungen insoweit zu begünstigen. Wir haben diesen Gedanken bewußt auf Neuversicherungen ab 1. April beschränkt, weil die Regelung als solche einen zusätzlichen Anreiz zur Eingehung von Kleinlebensversicherungen geben soll. Der Einbau in das Gesetz würde wie gesagt unter Umständen zu Weiterungen führen, die augenblicklich gesetzestechnisch noch nicht zu übersehen sind. Der Gedanke ist von den Mitgliedern des Ausschusses erst im Laufe dieser Woche aufgenommen worden. Er wurde gestern zusammen mit den Finanzministern besprochen. Man hat ihn in seinem Grundsatz bejaht, und wir haben dann die Formulierung gefunden, die sich aus Drucksache Nr. 665 ergibt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Oellers.
Meine Damen und Herren! Ich kann zwar einen Sinn darin erkennen, daß man diese ganze Materie in eine Ermächtigung für die Regierung kleiden will, weil man die Konsequenzen im Augenblick nicht im vollen Um- fange zu übersehen in der Lage ist. Ich kann aber mit dem besten Willen keinen Sinn darin sehen, diese Regelung auf nach dem 1. April 1950 neu abgeschlossene Versicherungen zu begrenzen. Wenn wir nämlich damit gerade erreichen wollen, daß alte Versicherungen aufgelöst werden, dann müssen wir so verfahren.
Zu Drucksache Nr. 645 hat Herr Abgeordneter Dr. Koch das Wort.
Meine Damen und Herren! Ich spreche zu Antrag Drucksache Nr. 645, also zu dem gemeinsamen Änderungsantrag der Fraktion des Zentrums und meiner Fraktion. Wir nehmen damit den Änderungsantrag Drucksache Nr. 614 Ziffer 3 wieder auf, der schon in der zweiten Lesung vorgelegen hat. Diesem Antrage liegt eine einmütige Entschließung des Wohnungsbauaus- schusses zugrunde. Wir haben über diese Entschließung eingehend in einer gemeinsamen Sitzung des Wohnungsbauausschusses und des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen diskutiert und waren uns darüber einig, daß der Grundgedanke der diesem Antrage zugrunde liegt, unter allen Umständen gefördert werden sollte. Das war die einmütige Auffassung dieser beiden Ausschüsse. Die Notwendigkeit dieses Antrages liegt recht eigentlich in dem unglücklichen und unsozialen Aufbau unseres Steuertarifes begründet, der doch dazu führt, daß bei einem kleinen Einkommen — lassen Sie mich einmal ein Beispiel bilden —, bei dem 500 D-Mark gespart werden, der Staat vielleicht 20 D-Mark Steuererleichterung gewährt, während, wenn bei einem großen Einkommen derselbe Betrag gespart wird, vielleicht eine Steuererleichterung von 450 D-Mark eintritt. Das ist keine steuerliche Gerechtigkeit, und mit der kleinen Steuererleichterung können wir nicht die Beträge für den Wohnungsbau freisetzen, die wir gern freisetzen wollten. Wir möchten also durch diesen Antrag erreichen, daß den kleinen Einkommensbeziehern und den kleinen Lohnsteuerpflichtigen für die Beträge, die sie für den Wohnungsbau sparen, mindestens 25 Prozent von der Steuer abgesetzt werden. Ober die Notwendigkeit des Wohnungsbaues brauche ich hier kein Wort zu verlieren; das hieße Eulen nach Athen tragen. Ich bitte, unsern Antrag anzunehmen.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich möchte vor Anträgen, die so rasch aus dem Gemüt heraus gestellt werden, dringendst warnen.
Es handelt sich hier, wenn ich die Altverträge einbeziehe, um ungefähr 10 Millionen Fälle. Es ist ganz unmöglich, das verwaltungstechnisch zu bewältigen. Der Ausfall, der hier dann zu erwarten wäre, beliefe sich auf etwa 50 bis 60 Millionen D-Mark jährlich. Diese Anträge müssen also überlegt werden. Ich habe heute schon betont, daß der Bundesrat bis an die Grenze dessen gegangen ist, was er noch für zulässig hält. Wenn nun in dieser Sitzung immer wieder neue Anträge angenommen werden, deren finanzielle Wirkung nicht überlegt wird, kann das Gesetz gefährdet sein.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Die Gefahren, die der Herr Bundesfinanzminister sieht, sind, wenn wir den Weg der Ermächtigung gehen, ja gar nicht vorhanden. Es ist doch so, daß die Regierung eine Ermächtigung bekommt. Und wenn sie diese Ermächtigung bekommt, dann kann sie davon Gebrauch machen, sie muß es aber nicht. Wenn Sie also die Gefahren, die der Herr Bundesfinanzminister sieht, vermeiden wollen, dann können wir der Regierung eine entsprechende Ermächtigung geben, ohne daß weitere Gefahren entstehen.
Diese Ermächtigung hat noch einen weiteren Vorteil.
— Ich spreche zu den Anträgen Drucksachen Nr. 665 und 645. Wenn wir die Bestimmung des Antrags Nr. 665 aber auf die Verträge nach dem 1. April beschränken, dann sollen wir uns doch wohl darüber klar sein. daß die Versicherungsgesellschaften auf allerschnellstem Wege formularmäßig die bisherigen Verträge auflösen, kapitalisieren und neue Verträge abschließen. Man kann sich nicht gut vorstellen. daß die Versicherungsgesellschaften diesen Weg nicht ohne weiteres gehen würden. Wir rufen nur unnötige Schreibarbeit hervor.
Aber ein Gesichtspunkt scheint mir noch wichtig zu sein. Wenn wir diese Verträge begünstigen, dann wollen wir ja — und das war die einmültige Meinung auch im Ausschuß — von den Versicherungsgesellschaften noch etwas haben. nämlich die Zusicherung, daß sie ein entsprechendes Vielfaches der gesparten Kleinlebensversicherungsbeträge und Kapitalsummen, für den sozialen Wohnungsbau zu Verfügung stellen. Diese Zusicherung kann erst im. Wege der Verhandlung, bevor die Rechtsverordnung erlassen wird, von seiten der Regierung erzielt werden. Es ist deshalb erforderlich. daß der Antrag Drucksache Nr. 665, der eine Ermächtigung vorsieht, angenommen wird.
Aber ich würde bitten und stelle das hiermit als Abänderungsantrag, daß die Worte „nach dem 1. April 1950" aus der Ermächtigung herausgestrichen werden.
Wie lautet Ihr Antrag genau?
Aus dem Antrag Drucksache Nr. 665 zu streichen „ab 1. April 1950 neu abgeschlossenen".
Und was ist mit Ihrem Antrag Drucksache Nr. 645?
Dazu wollte ich jetzt sprechen. Der Antrag auf Drucksache Nr. 645 hat ebenfalls das Ziel, einen Konsumverzicht dadurch herbeizuführen, daß den Steuerpflichtigen der unteren Einkommensstufen die Möglichkeit gegeben wird, entsprechende Sparbeträge auf die Steuer anzurechnen. Da aber nur 25 Prozent angerechnet werden, muß der Betreffende ja das Dreifache, das Vierfache dem Kapitalmarkt zur Verfügung stellen. Das heißt also, wenn wir jetzt sowieso entsprechende Beträge für den sozialen Wohnungsbau aus den öffentlichen Etats herausnehmen, so werden wir auf diese Art und Weise keinerlei Steuerausfall erleiden, das heißt wir werden zwar einen Steuerausfall erleiden, werden ihn aber auf der anderen Seite vielfältig wieder hereinbekommen, weil dieselben Beträge über die Kapitalsammler dem Kapitalmarkt und damit dem sozialen Wohnungsbau zugeführt werden können.
Ich bitte deshalb, auch diesen Antrag mit der Ermächtigung jetzt schon anzunehmen. Die Regierung ist dann in der Lage, rechtzeitig bis zum 1. April diese Verordnung zu erlassen. Wir haben deshalb in der Drucksache Nr. 651 einen entsprechenden Beschluß des Bundestages vorbereitet. In der Drucksache Nr. 651 heißt es: ,,Die Rechtsverordnung so rechtzeitig zu erlassen, daß Vergünstigung spätestens ab 1. April 1950 den Steuerpflichtigen gewährt wird". Ich bitte deshalb, auch diesen Antrag anzunehmen.
Es scheint mir ein grundsätzlicher und richtiger Gedanke in beiden Anträgen darin 711 liegen, daß der Konsumverzicht hier auf dem Wege über die Anrechnung des Kapitalanteils, auf den verzichtet wird, auf die Steuer angerechnet werden kann.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Meyer .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat gegenüber dem Antrag des Zentrums und meiner Fraktion auf Drucksache Nr. 645 hier leider wieder die gleichen Ausführungen. machen zu müssen geglaubt. wie er sie bereits im Ausschuß gemacht hat und wie wir sie ihm überzeugend widerlegt haben. '
Es ist bereits in der Generaldebatte zur dritten Lesung hinreichend zum Ausdruck gekommen daß die ganze Vorlage sehr erheblich unter der Phantasielosigkeit leidet. die im Bundesfinanzministerium bei ihrer Gestaltung zweifellos geherrscht hat.
In den gemeinsamen Beratungen, die noch in der Vorwoche im Finanzausschuß und im Wiederaufbau- und Wohnungsausschuß stattgefunden haben, ist sowohl von dem Herrn Kollegen Dr. Bertram wie auch von dem Herrn Kollegen Klabunde und mir eine Reihe von Vorschlägen unterbreitet worden, wie man. ohne diese unheilvolle Systematik des Lohnsteuersvstems zu durchbrechen, dem kleinen Sparer wenigstens einen bescheidenen Teil der Steuervergünstigungen zuwenden könnte. die in so reichem Maß den übrigen veranlagungspflichtigen Steuerpflichtigen zuteil werden sollen. Es ist insonderheit von dem Abgeordneten Klabunde in einer eingehenden
Rechnung, die ich hier nicht wiederholen will, weil sie im einzelnen den Beteiligten genügend bekanntgeworden ist, dargelegt, daß bei dieser Steuervergünstigung, wenn man sehr weit gehen will und damit rechnen müßte, daß etwa 200 Millionen D-Mark aus den Einkommen der kleinen Einkommensträger steuerbegünstigt würden, im höchsten Falle 38 Millionen D-Mark an Lohnsteuern ausfallen könnten. Da ja aber mit den 200 Millionen D-Mark irgendetwas angefangen wird und sie weder in den Rhein noch sonst irgendwie weggeworfen werden, müßten sie dazu dienen, neue steuerpflichtige Vorgänge zu schaffen, die neue Einkommen bilden und die neuer Veranlagung zugänglich wären.
Ich glaube, daß nicht nur das Prinzip der steuerlichen Gerechtigkeit hier die letzte Möglichkeit bietet, bei breiten Schichten der Bevölkerung den Eindruck wenigstens zu erwecken, daß man an dieser Stelle denen, die ein besonderes Opfer bringen wollen, indem sie Beträge für bestimmte Zwecke ersparen, ein wenig entgegenkommen will. Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag Nr. 645 zuzustimmen. Wir glauben, daß all die Gründe, die in bezug auf die Systematik und von der steuerorganisatorischen Seite vorgebracht werden, keineswegs durchschlagen, daß vielmehr die Bürokratie uns dann. wenn der Antrag angenommen wird, sehr schnell beweisen wird, wie man ihn am besten durchführen kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich spreche zu dem Antrag Drucksache Nr. 665. Dieser Antrag läuft unserer Überzeugung nach auf folgendes hinaus: den Personen, die heute noch in der Lage sind. eine Versicherung auf den Erlebens- oder Todesfall oder andere Versicherungen abzuschließen, eine zusätzliche weitere steuerliche Sondervergünstigung zu gewähren. Wenn man sich an die Erfahrungen erinnert, die die Versicherten bei der Währungsreform gemacht haben, wird einem der Zweck dieses Antrages absolut klar. Wie war es damals? Die alten Versicherungsverträge sind hinfällig geworden. Die Vertreter der privaten Versicherungsgesellschaften kamen und fragten, ob man bereit sei, auf neuen Vertrag hin eine neue Versicherung einzugehen. Dann kam eine gewisse Aufwertung. und dann wurden die Inhaber dieser alten Versicherungspolicen mit einem Apfel und einem Ei abgefunden. oder sie standen vor der Frage, ob sie die erhöhten Prämien in neuer Währung bezahlen wollten. Dazu waren sie in der Regel nicht in der Lage, so daß also diese alten Versicherungsverträge zum größten Teil zum Schaden der kleinen Versicherten aufgelöst worden sind.
Nun dieser neue Antrag. Er gibt demjenigen, der Geld hat. uneingeschränkt die Möglichkeit, neue steuerbegünstigte Versicherungsverträge abzuschließen. Es ist Tatsache, daß heute die Arbeiter, die Angestellten und Beamten, von verschwindenden Ausnahmen abgesehen, überhaupt nicht mehr in der Lane sind, derartige neue Lebensversicherungsverträge einzugehen, weil ihnen das Geld fehlt, die Prämien zu zahlen. Stände in diesem Antrag noch ein Höchstbetrag, wäre angegeben, bis zu welcher Höchstgrenze diese Vergünstigungen eingeräumt werden können, dann könnte man die Dinge in etwa noch so erklären, daß man damit einen sozialen Zweck verfolge. Aber das ist ja nicht der Fall. Hier wird unbegrenzt demjenigen, der Geld hat, über den Weg des Abschlusses einer derartigen Versicherung die Möglichkeit eröffnet, zu Steuervergünstigungen zu kommen. Das steckt dahinter! Dieser Antrag kommt also nicht etwa aus einem Bemühen der Herren, die ihn unterschrieben haben — der Herr Versicherungssachverständige von der FDP hat uns gleich klargemacht, was damit beabsichtigt ist —, besonders sozial zu verfahren, sondern hier wird ein klar umrissener und klar erkennbarer Zweck verfolgt.
— Ja, ich meine Sie, Herr Kollege! Gegen diesen Zweck muß man sich wenden, weil das, was in diesem Antrage verlangt wird, nur eine Sondervergünstigung für Reiche ist, nicht für Arme, die sowieso nicht in der Lage sind, derartige Versicherungsverträge abzuschließen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren, die Diskussion wird über zwei Angelegenheiten geführt, die nichts miteinander zu tun haben.
Ich spreche zunächst zu dem Antrag Drucksache Nr. 645. Er bezieht sich auf eine Frage, die den Wohnungsbau angeht. Wir haben in der zweiten Lesung beschlossen, daß diese Angelegenheit als ein Sonderantrag aufgenommen werden solle. Damit war der damalige Antragsteller Dr. Bertram einverstanden. Der Antrag ist dem Finanzausschuß überwiesen worden und wird dort bereits behandelt. Er wird erscheinen — oder auch nicht erscheinen, je nachdem, ob er angenommen, abgelehnt oder verändert wird — im Wohnungsbaugesetz oder in einer Novelle zum Einkommensteuergesetz, die gleichzeitig mit dem Wohnungsbaugesetz erlassen wird. Nach Ansicht meiner Freunde ist damit jede Gewähr dafür geboten. daß der Grundgedanke, der in diesem Antrag niedergelegt ist und von der Mehrheit, ich glaube, von einer großen Mehrheit dieses Hauses gebilligt wird. im Wohnungsbaugesetz oder in einer gleichzeitig zu erlassenden Novelle zum Einkommensteuergesetz seine Verwirklichung findet. Meine Freunde sehen daher für einen Antrag wie den in Drucksache Nr. 645 zur Zeit keinen Raum.
Ich komme zu Drucksache Nr. 665. Durch die Äußerungen meines Fraktionsfreundes Oellers ist eine Frage aufgeworfen, die in diesem Augenblick in diesem Hause nicht geklärt werden kann. Dadurch gewinnt die Frage, ob wir eine Gesetzesänderung vornehmen oder über Artikel II der Regierung eine Ermächtigung geben wollen, eine verstärkte Bedeutung. Infolgedessen sind meine Freunde dafür, bei dieser Art der Behandlung dieses Gegenstandes zu verbleiben, das heißt, nicht das Gesetz zu ändern, sondern der Regierung eine Ermächtigung zu geben. Sie sind aber auf Grund der Frage meines Parteifreundes Oellers der Meinung, daß es nicht richtig wäre, die Regierung nun auf das Datum des 1. April 1950 als den Stichtag der abgeschlossenen Verträge festzulegen. Ob die Regierung letzten Endes darauf abkommt, können wir heute nicht beurteilen und werden wir ja dann noch zu beraten haben. Um aber der Regierung volle Freiheit zu geben,
ihre Verordnung im Einvernehmen mit dem Bundesrat so oder so zu erlassen, steile ich für meine Freunde den Antrag, in Drucksache Nr. 665 die Worte „ab 1. April 1950 neu abgeschlossenen" zu streichen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Seuffert.
Meine Damen und Herren! Nachdem die Antragsteller zu Drucksache Nr. 665 den Abänderungsantrag des Zentrums akzeptiert haben und damit der Hauptpunkt, auf den es uns ankam, erledigt ist, ziehen wir den von mir vorhin verlesenen Antrag zu Artikel I Ziffer 22 zugunsten des Antrags Drucksache Nr. 665 in der abgeänderten Form zurück.
Verzeihung! Des Antrags vom 3. März, Drucksache Nr. 665?
Jawohl, zugunsten der Drucksache Nr. 665 in der abgeänderten Form.
Zur Drucksache Nr. 645! Meine Damen und Herren, wir haben uns außerordentlich gefreut, bestätigt zu erhalten, daß die Grundsätze, die hier niedergelegt worden sind, eine breite Mehrheit im Hause finden werden. Wir Antragsteller legen allerdings auf die Drucksache Nr. 651 insofern Wert, als wir es nach gemachten Erfahrungen und im Hinblick auf die nahe Bausaison für notwendig halten, einen Termin festzulegen. Ob die Angelegenheit nun hier oder durch eine Rechtsverordnung oder im Wohnungsbaugesetz geregelt wird, ist weniger wichtig. Wenn die breite Mehrheit, auf die Herr Kollege Dr. Wellhausen soeben Bezug genommen hat, auch hierin mit uns einig ist, gebe ich anheim, einen Abänderungsantrag zu Drucksache Nr. 651 in der Form zu stellen. daß eine Vergünstigung im Sinne des Antrags Drucksache Nr. 645 bis 1. April 1950 sichergestellt werden muß, und zwar in der einen oder anderen Form. Je nachdem würden wir bereit sein, einem solchen Antrag zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Zur Abstimmung stehen noch zwei Abänderungs- bzw. Zusatzanträge zu den Drucksachen Nr. 645 und 665. Am weitesten geht von diesen Grundanträgen der Antrag Drucksache Nr. 645. Ich lasse über diesen Antrag zuerst abstimmen. Zuvor noch ein kurzer Hinweis: es liegt in dieser Drucksache ein Schreibfehler vor. Die Zeile nach b) „sofern die folgenden Voraussetzungen gegeben sind" muß nach links ausgerückt werden. Sofern das nicht geschieht, ist der Text sinnstörend. — Wer für den Antrag Drucksache Nr. 645 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Letzteres ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt.
. Dann lasse ich abstimmen über den Abänderungsantrag zu Drucksache Nr. 665, nämlich die Worte „ab 1. April 1950 — —
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Neuburger.
Ich möchte bitten, jetzt über den Antrag Drucksache Nr. 651 abzustimmen, weil 651 zu 645 gehört.
Das ist eine Entschließung, über die nach dem Programm für diese Sitzung erst nach der Schlußabstimmung abgestimmt werden soll. Das ist im übrigen nach der Geschäftsordnung so auch notwendig.
Ich lasse also abstimmen über den Streichungsantrag zu Drucksache Nr. 665. Die Worte „ab 1. April 1950 neu abgeschlossenen" sollen nach dem Antrag Dr. Bertram, Dr. Wellhausen gestrichen werden. Wer für die Streichung ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Die Streichung ist beschlossen.
Nun lasse ich abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 665 in der durch die eben erfolgte Abstimmung festgestellten Fassung. Wer dafür ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Angenommen. Mit dieser Änderung ist die Ziffer 2 angenommen.
Ziffer 3! Kein Abänderungsantrag. — Angenommen.
Ziffer 22 des Artikel I war zurückgestellt worden. Ich rufe diese Ziffer auf. — Wortmeldungen liegen nicht vor, Abänderungsanträge auch nicht; dann ist auch diese Ziffer angenommen.
Artikel III, Ziffer 1! Kein Antrag. — Angenommen.
Ziffer 2! Kein Antrag. — Angenommen.
Zu Ziffer 3 ist mir soeben ein Antrag Neuburger und Fraktion überreicht worden, der lautet — ich hoffe, daß ich das lesen kann —:
In Ziffer 3 erhält der letzte Halbsatz des Satzes 2 folgende Fassung:
entsprechend dem Verhältnis der gesamten im Wirtschaftsjahr erzielten und auf das jeweilige Kalenderjahr entfallenden Umsätze aufzuteilen.
Das Wort zur Begründung des Antrags hat Herr Abgeordneter Neuburger.
Wir haben die . gleiche Bestimmung in das Einkommensteuergesetz aufgenommen. Im Interesse der Angleichung des Körperschaftssteuergesetzes müssen wir diese Bestimmung hinzufügen. Es handelt sich also im wesentlichen um eine gesetzestechnische Ergänzung.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich lasse über diesen Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Der Antrag ist angenommen. Ziffer 3 ist mit diesem Zusatz angenommen.
Zu Ziffer 4 liegt kein Antrag vor. — Angenommen.
Zu Ziffer 5 liegt ein weiterer Antrag Neuburger vor: In Ziffer 5 Buchstabe a erhält der vorletzte Halbsatz folgende Fassung:
der sich aus den im Kalenderjahr getätigten Aufwendungen für Löhne und Gehälter und dem steuerbaren Umsatz zusammensetzt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neuburger
zur Begründung.
Es handelt sich gleichfalls nur um eine gesetzestechnische Ergänzung.
Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Angenommen. Ziffer 5 ist in dieser Fassung litera a und litera b ohne
weitere Anträge angenommen.
) Ziffer 6 keine Anträge. — Angenommen. Ziffer 7 keine Anträge. — Angenommen. Ziffer 8 keine Anträge. — Angenommen. Artikel IV im ganzen keine Anträge. — Angenommen.
Artikel V keine Anträge. — Angenommen.
Zur Anlage ist Antrag Drucksache Nr. 640 schon erledigt. Wird das Wort zur Begründung des Antrages Drucksache Nr. 664 Ziffer 2 a gewünscht? — Herr Abgeordneter Loritz, es wird mir mitgeteilt, Sie hätten den Antrag schon begründet. Es besteht also keine zwingende Notwendigkeit. Bitte, Herr Abgeordneter Loritz.
Ich möchte zur Begründung noch kurz folgendes sagen: Ich habe heute eingangs bereits erwähnt, daß wir hier die Sätze der Grundtabelle unter allen Umständen gegenüber den ursprünglich in dem Entwurf vorgesehenen Sätzen ermäßigen müssen, und ich halte meinen Antrag auch nach den Ausführungen der Gegenredner zu dem ganzen Entwurf aufrecht. Ich bitte Sie dringend, sich für diesen Antrag erwärmen zu wollen und auf diese Art und Weise dafür zu sorgen, daß für die Mittelstandsschichten und die arbeitenden Schichten eine weitgehende Ermäßigung der Steuersätze eintreten kann.
Keine weiteren Wortmeldungen.
— Das kommt zu Ziffer 2; aufgerufen- ist die Ziffer 1.
Wer für den Antrag Drucksache Nr. 664 Ziffer 2 a ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich
o bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt; Ziffer 1 der Grundtabelle A ist angenommen.
Ziffer 2: Hier sind Drucksache Nr. 616 Ziffer 5 und Drucksache Nr. 608 Ziffer 5 zu berücksichtigen. Wird zur Begründung das Wort gewünscht?
- Ist schon begründet! Wir kommen zur Abstimmung, zunächst über Drucksache Nr. 616 Ziffer 5.
— Wir sind in der Abstimmung.
— Ach ja, Herr Abgeordneter Dr. Bertram wurde von mir vertröstet. Ich habe ihn beim zweiten Mal übersehen. Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Dr. Bertram Meine Damen und Herren! Ich kann mich kurz fassen. Aber es ist ein so wichtiger Punkt, daß ich an Sie doch kurz appellieren möchte. Wir haben heute nachmittag in der ersten Phase unserer allgemeinen Beratung über die Frage des Freibetrages prinzipiell ja schon gesprochen. Hier handelt es sich darum, daß der Freibetrag wenigstens von 750 auf 1000 D-Mark erhöht werden soll. Das würde eine ganz wesentliche Verbesserung in dem Sinne sein, in dem ich heute nachmittag bereits zu Ihnen sprechen durfte. Ferner haben wir beantragt
— und ich möchte damit gleichzeitig zum zweiten Punkt sprechen —, daß in Ziffer 4 der Betrag von 624 D-Mark — das ist ein Druckfehler; es muß 780 D-Mark heißen — auf 936 D-Mark erhöht wird. Das bedeutet, daß die Sonderausgaben
und Werbungskosten, die mit 26 D-Mark monatlich im Jahre 1938 festgesetzt worden waren, entsprechend dem gestiegenen Preisniveau auf 39 D-Mark monatlich erhöht werden sollen, und zwar die Sonderausgaben sowohl wie die Werbungskosten. Der Ausschuß hat nach langem Kampf und nach langen Beratungen die Erhöhung für die Sonderausgaben von 26 D-Mark auf 39 D-Mark anerkannt. Die gleichen Gründe sprechen aber auch für die Werbungskosten.
Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 5 zuzustimmen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht mehr vor. Ich schließe die Aussprache.
Ich lasse abstimmen. Von diesen beiden Anträgen geht der Antrag der KPD-Fraktion, Drucksache Nr. 616 Ziffer 5. am weitesten. Ich lasse dann zunächst über diesen Antrag abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Dann lasse ich abstimmen über den Antrag Drucksache Nr. 608 Ziffer 5, und zwar mit Ausnahme der beiden letzten Zeilen, die zu Ziffer 4 gehören. Der Antrag, über den jetzt abgestimmt wird, schließt mit den Worten: „Steuerklassen II und III bleiben steuerfrei". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. Das ist zweifelsfrei die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt. Damit ist Ziffer 2 nach der Vorlage angenommen.
Ziffer 3. Kein Änderungsantrag; angenommen. Zu Ziffer 4 liegt ein Abänderungsantrag vor auf Drucksache Nr. 608 Ziffer 5:
In Ziffer 4 wird der Betrag von ..780.— D- Mark" gestrichen und dafür der Betrag von „936,— D-Mark" eingesetzt.
Wer für diesen Abänderungsantrag ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Damit ist Ziffer 4 in der Fassung der Vorlage angenommen.
Tabelle B. Hierzu liegt ein Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 664 Ziffer 2 b vor. Herr Abgeordneter Loritz, wollen Sie diesen Antrag begründen?
— Ich danke schön.
Wer für den Abänderungsantrag auf Drucksache Nr. 664 Ziffer 2 b ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. —Das letzte ist die Mehrheit; der Antrag ist abgelehnt. Dann ist die Tabelle B ohne weitere Anträge angenommen.
Ich lasse nunmehr abstimmen fiber Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist. den bitte ich. die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
— Angenommen.
Wir kommen nunmehr zur Schlußabstimmung. Wer für die Annahme des Gesetzes in der beschlossenen Fassung ist. den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe.
Das erste war die Mehrheit. Das Gesetz ist beschlossen.
Nunmehr kommen wir zur Entschließung auf Drucksache Nr. 651. Ich brauche sie wohl nicht zu verlesen.
- Das Wort hat Herr Abgeordneter Seuffert.
Nachdem der hier zitierte Buchstabe h im Artikel II nicht angenommen worden ist, fällt die Entschließung weg.
Dann ziehen Sie den Antrag zurück?
— Sie haben den Antrag zurückgezogen, Herr Abgeordneter Seuffert?
Nunmehr haben wir abzustimmen über Drucksache Nr. 566 Ziffer 2 bis 4 auf Seite 1 der Drucksache. Es handelt sich um den Mündlichen Bericht des Ausschusses. Über Ziffer 1 haben wir abgestimmt. Über 2, 3 und 4 haben wir jetzt noch abzustimmen. Ich glaube, wir können hierüber en bloc abstimmen. Ich brauche also nicht ziffernweise abstimmen zu lassen. — Wer für diese Anträge auf Drucksache Nr. 566 unter 2, 3 und 4 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erstere war die Mehrheit.
Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Ziffer 2 der Tagesordnung:
Interpellation der Abgeordneten Dr. Vogel, Ollenhauer, Mende und Genossen betr. Kopenhagener-Wellenplan .
Das Wort zur Begründung hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Dr. Vogel , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Thema, zu dem ich hier zu sprechen habe. ist ein Thema, das das ganze deutsche Volk angeht und das wohl beanspruchen darf, die Aufmerksamkeit des ganzen Hauses auf sich zu lenken.
Meine Damen und Herren! Ich bitte. Platz zu nehmen und womöglich den Saal nicht zu verlassen. Fs handelt sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung.
Dr. Vogel , Interpellant: Es gibt kaum eine deutsche Familie, die nicht einen Radioapparat besitzt und die nicht dem 15. März als dem Tage des Inkrafttretens des Kopenhagener Wellenplans mit großer Spannung und mit ebenso großer Besorgnis entgegensieht. Eine Fülle von Gerüchten über das Zustandekommen dieses Planes und über sein Inkrafttreten ist inzwischen auf das deutsche Volk herniedergeprasselt. Wir haben in den letzten Monaten wiederholt von autoritativer Seite einmal gehört, daß der Plan in Kraft treten solle. und das andere Mal wieder daß er nicht in Kraft treten solle. Es ist infolgedessen an uns, an die Regierung die Anfrage zu richten, ob sie in der Lage ist, diese Unsicherheit zu beseitigen oder nicht.
Worum geht es nun beim Kopenhagener Wellenplan und was ist eigentlich das Anliegen dieser Interpellation? Der erste Funktelegrafenvertrag wurde 1906 in Berlin; nachdem die Erfindung der Funkentelegrafie sich die Welt erobert hatte, abgeschlossen. Es fanden weitere Vertragsabschlüsse im Jahre 1912 in London und schließlich im- Jahre 1927 in Washington statt. Die letzten derartigen Verträge, an denen Deutschland beteiligt war, wurden im Jahre 1932 in Madrid und zuletzt im I Jahre 1938 in Kairo abgeschlossen. Nun haben nach dem Zusammenbruch und nach der Kapitulation 1945 erneute Zusammenkünfte aller Regierungen, die an der Weltnachrichtenkonferenz beteiligt sind, stattgefunden. Es kam 1947 in Atlantik-City zu der Weltnachrichtenkonferenz, die auch für unser Geschick mitbestimmend war.
Außer diesen großen Weltnachrichtenkonferenzen, an denen a 11e Regierungen der Welt mitbeteiligt sind, gibt es noch regionale Konferenzen, bei denen die einzelnen Regionen sich zusammenfinden. Eine solche regionale Konferenz, die vor allen Dingen für Europa entscheidend ist, hat 1948 in Kopenhagen stattgefunden. Auf dieser Kopenhagener Wellenkonferenz ist es nun zu Beschlüssen gekommen, die tief einschneidend für jeden Deutschen sind, der Radio hört, der einen Radioapparat besitzt und der mit teilnimmt an dem großen Geschehen, das ihm jeden Tag durch den Äther vermittelt wird. Auf der Kopenhagener Konferenz haben grundlegende Verschiebungen stattgefunden. Es ist hier zu einem Vorgang gekommen, der mit Recht in der deutschen Öffentlichkeit als eine „Demontage der deutschen Wellen" bezeichnet worden ist.
Wir haben von den 18 Wellen, die wir vorher hatten, insgesamt nur 8 Wellen in allen 4 Zonen behalten.
Davon entfallen nun 6 Wellen auf die 3 Westzonen. Nebenbei bemerkt sind gerade die besten Wellen demontiert worden, und man hat uns nur Wellen zugewiesen, die zum allergrößten Teil nicht uns allein gehören, sondern auf denen wir mit anderen gleichzeitig senden müssen, das heißt also Wellen, die keineswegs vor Störungen sicher sein werden.
Ich darf Ihnen hier gleich noch eine kurze Statistik vorlesen, die das noch näher erläutert. Wir haben als Ergebnis der Konferenz von Kopenhagen die Tatsache zu verzeichnen, daß England über 14 Kurz-, Mittel- und lange Wellen, Frankreich sogar über 19 Wellen, Italien über 11, Westdeutschland aber nur über insgesamt 6 bei ungefähr gleicher Bevölkerungsziffer verfügen werden.
Insgesamt ist es heute so, daß die Weststaaten über 98 Wellen und die Sowjetunion, der Ostblock und die sowjetische Besatzungszone insgesamt über 91 Wellen verfügen werden. Es hat also hier eine sehr, sehr große Verschiebung innerhalb des Rundfunks stattgefunden, die bei der Macht, die nun einmal mit Radiosendungen verknüpft sein kann, von ausschlaggebender Bedeutung auch für uns in der Zukunft sein wird.
Nun erhebt sich naturgemäß für uns die Frage: War Deutschland überhaupt auf dieser Kopenhagener Konferenz vertreten? Damit komme ich auf ein außerordentlich schwieriges außenpolitisches Kapitel zu sprechen.
Herr Abgeordneter Schoettle, Sie können sich ja zur Geschäftsordnung melden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der größte Teil der Autoritäten auf dem Gebiete des internationalen Rechts und vor allen Dingen die Majorität auch der deutschen Rechtswissenschaftler sind der Überzeugung, daß die Alliierten nach der Kapitulation Deutschlands gegenüber Deutschland die Pflichten eines Vormundes gegenüber seinem Mündel übernommen haben.
Wenn infolgedessen nach der russischen These nur der Kontrollrat als die Vereinigung dieser vier Mächte und als der eigentliche Souverän Deutschlands zuständig war und der Kontrollrat als solcher sich an der Kopenhagener Konferenz nicht beteiligte, dann war es zum mindesten die Pflicht jeder einzelnen Besatzungsmacht, auf dieser Konferenz für eine entsprechende Vertretung der ihrer Souveränität unterstellten Zone Sorge zu tragen.
.War dies nun der Fall oder nicht? Wir müssen an Hand der Dokumente, die uns über die Kopenhagener Konferenz nicht direkt übermittelt worden sind, sondern die wir nur durch freundliche Vermittlung einzelner Besatzungsmächte überhaupt einsehen konnten, feststellen, daß keine der vier Besatzungsmächte auf der Kopenhagener Konferenz vertreten war.
Das heißt also, daß die Pflichten des Vormundes gegenüber dem Mündel Deutschland nicht erfüllt worden sind.
Denn wir stehen doch wohl alle gemeinsam auf dem Standpunkt, daß ein Vormund nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegenüber seinem Mündel hat.
Es ist also dazu gekommen, daß sich überhaupt keine Stimme zu Gunsten dieses 66-Millionen-
Volkes erheben konnte und daß infolgedessen dort über- das immer noch stärkste Volk Mitteleuropas Beschlüsse gefaßt worden sind, ohne daß diesem besiegten Volk die Möglichkeit einer Äußerung gegeben wurde. Es braucht uns infolgedessen auch nicht zu wundern, wenn das Ergebnis dieser Kopenhagener Konferenz entsprechend ausgefallen ist.
In der Zwischenzeit haben lediglich die Vereinigten Staaten von sich aus erklärt, daß sie das Ergebnis von Kopenhagen nicht anerkennen, während England und vor allen Dingen Frankreich eine solche Äußerung noch nicht getan haben.
Welches sind nun die unmittelbaren Folgen der Kopenhagener Konferenz? Ich habe bereits geschildert, daß hier eine ganz einseitige Verlagerung der Sendemöglichkeiten zugunsten des Ostens vorgenommen worden ist. Eine bekannte deutsche Zeitung hat nicht zu Unrecht diesen Vorgang in Kopenhagen als „eine verlorene Schlacht des Westens im Kalten Krieg" gekennzeichnet.
Ich glaube, daß dies durchaus zutreffend ist. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß zwar der Sender Leipzig in der ganzen Westzone hörbar ist, daß aber umgekehrt keine deutsche Station in den Westzonen die Möglichkeit hat, in nennenswerter Weise in die Ostzone auszustrahlen. Wir stehen ferner vor der Tatsache, daß eine ganze Zahl von Kreisen längs der Ostzone heute keine Sender der Westzone hören können, sondern lediglich Meldungen und Nachrichten aus der Ostzone erhalten.
Wir können also nicht davon sprechen, daß dem berechtigten Anspruch dieser Kreise auf Rundfunkversorgung aus den Sendern der Westzone irgendwie Genüge getan worden ist. Wir haben auch keine Sendemöglichkeiten nach der Ostzone erhalten.
Nun sind uns als Ausweg zwei Vorschläge gemacht worden. Es wird gesprochen von den Verwendungsmöglichkeiten der Ultra-Kurzwelle und zweitens von der Möglichkeit des Drahtfunks. Ich möchte mich nicht mit dem Drahtfunk befassen, weil seine Verwendungsmöglichkeit ziemlich beschränkt, vielleicht sogar ausgeschlossen erscheint. Ich möchte mich mit den Möglichkeiten der Ultra-Kurzwelle befassen und zunächst folgendes bemerken. Wenn es zum Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplans käme und wir infolgedessen in weiten Teilen vor allen Dingen des Südens von Deutschland, um störungsfreie Sendungen zu erhalten, dazu übergehen müßten, die Ultra-Kurzwelle zu benutzen, dann würde das bedeuten, daß wir eine ganz große Anzahl von neuen Ultra-Kurzwellensendern errichten müßten. In Württemberg-Baden zum Beispiel brauchten wir allein 18 derartige neue Sender, und jeder dieser Sender würde ungefähr 250 000 D-Mark kosten. Insgesamt würden wir einen Bedarf von über 28 Millionen allein für neue Sendestationen haben, und zum Empfang der Ultra-Kurzwelle würde der größte Teil der deutschen Empfangsgeräte-Besitzer neue Vorsatzgeräte brauchen, die heute zwischen 60 und 140 D-Mark kosten. Daraus ergeben sich ganz enorme Summen, die von Fachleuten auf 300 bis 400 Millionen D-Mark geschätzt werden.
Ich habe gerade in den letzten Tagen von einer außerordentlichen, und zwar bösen Überraschung gerade auf dem Gebiete der Ultra-Kurzwelle Kenntnis erhalten. Von Fachleuten ist mir versichert worden, daß die bisherige Annahme, man könne mit Ultra-Kurzwelle so weit senden, wie man von einem Sender aus sehen könne, das heißt, wenn er auf einem Berg gebaut ist, ungefähr 40 bis 60 km, sich als unhaltbar erwiesen hat und daß Probesendungen vom Sender Feldberg aus und auch andere Probesendungen ergeben haben, daß diese Wellen in bestimmten Intervallen wiederkehren und sie bis 1000 km ausstrahlen können. Damit scheinen die bisherige These und die daran geknüpften technischen Erwartungen hinfällig geworden. Es ergäbe sich daraus auch die Unmöglichkeit, ganz Deutschland mit einem solchen kleinen neuen Ultra-Kurzwellen-
Sendenetz zu überziehen und auf diese Weise die Rundfunkversorgung sicherzustellen.
Wenn das der Fall ist, müssen wir mit doppelter Energie darauf bestehen, daß die Mittelwellen zunächst solange erhalten bleiben, bis die Forschung auf dem Gebiete der Ultrakurzwelle so-.
viele neue Möglichkeiten erschlossen hat, daß mit einer sicheren Radioversorgung gerechnet werden kann.
Welche Folgerungen ergeben sich nun für uns aus den eben geschilderten Tatsachen? Ich glaube, die erste Forderung muß folgende sein. Wenn schon nicht durch deutsches Verschulden, sondern durch das offensichtliche Verschulden der Besatzungsmächte das deutsche Volk auf einem Gebiet, das nicht das Geringste mit Rüstung oder mit einer Bedrohung der Sicherheit der Alliierten zu tun hat, in eine solche Notlage geraten ist, so müssen wir, glaube ich, alle darauf bestehen, daß zumindest uns Deutschen überlassen wird, mit dieser Notlage auch innerhalb Deutschlands fertig zu werden. Das heißt, wir müssen die Forderung erheben, daß die Funkhoheit für diese Wellen wieder in deutsche Hand übergeht. Denn gegenwärtig haben wir den Rechtszustand, daß die Oberkommission sich laut Artikel 3 des entsprechenden Rundfunk- und Pressegesetzes folgendes vorbehalten hat.
Erstens: Ohne die Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission dürfen neue Rundfunk-, Fernseh- oder Drahtfunksender nicht eingerichtet, noch Anlagen dieser Art einer anderen Verfügungsgewalt unterstellt werden. Der deutsche Funksendebetrieb muß in Übereinstimmung mit der von der Alliierten Hohen Kommission festgesetzten Zuteilung von Frequenz- und Sendeleistung durchgeführt werden.
Zweitens: Internationale Übertragungen, Sendungen in fremder Sprache, Verhandlungen mit dem Ausland über Rundfunksendungen bedürfen der vorherigen Zustimmung der Alliierten Hohen Kommission.
Die deutsche Postfernmeldeverwaltung darf also weder Rundfunksendestationen selbst betreiben, noch kann sie ehe Verleihung für das Errichten und den Betrieb von Rundfunksendestationen innerhalb des Bundesgebiets aussprechen. Ich glaube, Sie sind alle mit mir der Überzeugung, daß eine solche Bestimmung einfach unhaltbar geworden ist, wenn der Kopenhagener Plan in Erfüllung geht und auf Deutschland angewandt wird.
Die zweite Notwendigkeit, die sich aus dem eben Gesagten ergeben würde, ist die, daß man es uns Deutschen überläßt, innerhalb des Bundesgebiets eine Einigung über die Verteilung der uns noch gebliebenen sechs Wellen zu erreichen. Sie wissen alle, daß dabei vor allen Dingen die amerikanische Zone in eine überaus schwierige Lage gerät, weil wir dort vier Sendegesellschaften haben, aber nur zwei Wellen zugeteilt erhielten. Hier muß eine innerdeutsche Einigung erfolgen, wenn es auf diesem Gebiet nicht zu einem Chaos kommen soll.
Wir werden ferner eine bundesgesetzliche Regelung brauchen, um nach den eben geschilderten Erfahrungen mit der Ultrakurzwelle ein Chaos auf innerdeutschem Gebiet zu verhindern. Wir werden ferner die Regierung bitten müssen, bei der Hohen Kommission vorstellig zu werden mit dem Ziel, daß die Bundesrepublik auf den demnächst bevorstehenden neuen Konferenzen auf dem Gebiet des Fernmeldewesens beteiligt wird, wenn nicht als ordentliches Mitglied, dann doch zumindest als außerordentliches Mitglied.
Ob die hier aufgezeigten Entwicklungen nicht die Notwendigkeit eines Rundfunkgesetzes heraufbeschwören, wird bereits die allernächste Zeit erweisen. Ich glaube, daß das ganze deutsche Volk ein Anrecht darauf hat, recht bald von der Regierung zu hören, was sie in dieser Beziehung zu tun gedenkt. Sie sind wohl alle mit uns der Überzeugung, daß die Interpellation, die hier fast alle Parteien des Hauses gemeinschaftlich eingebracht haben, mit Recht das allerstärkste Interesse nicht nur der deutschen, sondern auch der internationalen Öffentlichkeit beanspruchen darf.
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat Herr Minister Schuberth.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich muß Sie in etwa enttäuschen, weil mein lieber Freund Dr. Vogel die Antwort auf die Interpellation für seinen Teil schon vorweggenommen hat. Ich bin leider gezwungen, ihn in einigen Dingen zu wiederholen, aber auch ihn zu berichtigen.
Die erste Frage der Interpellation heißt: Tritt der Kopenhagener Wellenplan am 15. März 1950 in Kraft? Die Antwort heißt wie folgt. Nach dem europäischen Rundfunkvertrag, der auf der europäischen Rundfunkkonferenz in Kopenhagen 1948 vereinbart worden ist, sollen vom 15. März 1950 an für die deutschen Rundfunksender im Bundesgebiet nur noch sechs Mittelwellen und eine internationale Gemeinschaftswelle zur Verfügung stehen. Auf der Konferenz war Deutschland nicht vertreten. Nach den Mitteilungen, die das Generalsekretariat des Internationalen Fernmeldevereins in Genf an das Bundesministerium für das Post- und Fernmeldewesen gegeben hat, ist tatsächlich nunmehr damit. zu rechnen, daß der Kopenhagener Wellenplan in den Vertragsländern zu dem vorgesehenen Zeitpunkt, nämlich am 15. 3. 1950, in Kraft tritt. Für das Bundesgebiet tritt der Plan aber erst in Kraft, wenn die Alliierte Hohe Kommission eine entsprechende Anweisung gibt, da sie sich durch das Gesetz Nr. 5 vom 21. September 1949 die Zuteilung der Rundfunkwellen und die Festlegung der Sendestärken der Rundfunksender im Bundesgebiet vorbehalten hat. Eine solche Anweisung der Hohen Kommission ist bisher noch nicht ergangen.
Die zweite Frage lautet: Trifft es zu, daß sich aus dem Inkrafttreten dieses Plans Nachteile für die Rundfunkversorgung des Bundesgebiets ergeben? Hierauf ist folgende Antwort zu geben. Wenn der Kopenhagener Wellenplan in Kraft tritt, ergeben sich für das Bundesgebiet zwei Möglichkeiten. Wenn die Alliierte Hohe Kommission bis zum 15. 3. 1950 keine Anweisung gibt — das ist möglich —, nämlich die für das Bundes- gebiet zugeteilten Wellen zu benutzen, dann brauchen die Sender des Bundesgebiets nicht umgestellt zu werden, sondern bleiben auf ihren bisherigen Wellen. Die Folge wird sein, daß der Rundfunkempfang im Bundesgebiet teilweise durch starke ausländische Rundfunksender, die auf den gleichen oder benachbarten Wellen arbeiten, gestört wird. Daneben ist zu erwarten, daß auch ausländische Rundfunksender von deutschen Sendern gestört werden. Das wird zu großen Schwierigkeiten auf internationaler Ebene führen.
Zweite Möglichkeit: Werden dagegen die Sender des Bundesgebiets entsprechend dem Kopenhagener Wellenplan auf die neuen Wellen umgestellt, dann wird sich die Rundfunkversorgung im Bundes.
gebiet wesentlich verschlechtern, weil einmal, wie Herr Dr. Vogel schon sagte, die Zahl. der Wellen zu gering ist — wir haben ja nur noch zwei Wellen je Zone —, und zum andern, weil einige der in Kopenhagen für das Bundesgebiet vorgesehenen Wellen hinsichtlich der Ausbreitung außerordentlich ungünstig sind; drittens weil die Stärke der deutschen Sender durch die Alliierte Hohe Kommission auf 70 Kilowatt beschränkt und daher geringer ist als die vieler Sender in den Nachbarländern, die auf Grund des Kopenhagener Wellenplans mit Leistungen bis zu 150 Kilowatt arbeiten; viertens, weil ein großer Teil der vorhandenen Empfangsgeräte auch in diesem Mittelwellenbereich nicht alle neu zugeteilten Wellen in entsprechend günstiger Form empfangen kann. Für die amerikanische Besatzungszone ergeben sich dabei besondere Schwierigkeiten dadurch, daß für diese Zone tatsächlich nur zwei Wellen zur Verfügung stehen, aber einschließlich der Enklave Bremen vier Rundfunkanstalten mit eigenem Sender vorhanden sind. Dadurch würde der Zwang entstehen, den Rundfunk in der amerikanischen Zone völlig neu zu organisieren.
Die Rundfunkanstalten glauben nun, die Schwierigkeiten des Kopenhagener Wellenplans durch die Einführung des sogenannten Ultrakurzwellenrundfunks umgehen zu können. Die Rundfunkanstalten haben auch bereits mit der Errichtung von Ultrakurzwellensendern begonnen. Die Fertigung von entsprechenden Empfangsgeräten ist von der Industrie in Angriff genommen worden. Der Ultrakurzwellenrundfunk kann die Schwierigkeiten zu einem Teil beseitigen; die Befürchtungen des Herrn Dr. Vogel sind, glaube ich, nicht angebracht. Allerdings dürfte der Ausbau o des Ultrakurzwellensendernetzes wegen der damit verbundenen sehr hohen Kosten einige Jahre in Anspruch nehmen. Ich darf auch hier Herrn Dr. Vogel berichtigen: zum Ausbau dieses Ultrakurzwellenrundfunks bedarf es nicht nur der Sender, sondern eines sehr ausgedehnten und sehr kostspieligen Kabelnetzes, weil man nicht zu jedem dieser kleinen Sender ein entsprechendes Studio hinstellen kann. Man muß also diese Sender durch Kabel miteinander verbinden oder vom sogenannten „Ballempfang" Gebrauch machen. Man könnte sich vorstellen, daß man auf die Zugspitze einen Ultrakurzwellensender stellt und von dort aus die kleineren Sender speist. Das kostet natürlich alles ungeheuer viel Geld.
Dazu kommt nun noch, daß die Rundfunkhörer, wie eben schon betont, natürlich im Besitz von Ultrakurzweilenempfangsgeräten sein müssen. Bei einer Hörerzahl von rund 7 Millionen und einem niedrig geschätzten Preis für ein Ultrakurzwellenzusatzgerät von etwa 50 D-Mark — nicht 140 — wären dafür immerhin 350 Millionen D-Mark von den Rundfunkhörern aufzubringen. Legt man den voraussichtlichen Preis für einen kompletten neuen Sender mit Ultrakurzwellenteil zugrunde, so wären 2,8 Millarden D-Mark von den Rundfunkhörern des Bundesgebiets für die neuen Empfangsgeräte aufzubringen. Ich nenne Ihnen diese Grenzzahlen, damit Sie sehen, daß an der Lösung des Problems über den Weg des Ultrakurzwellenrundfunks eine Reihe höchst bedeutsamer volkswirtschaftlicher Fragen hängen.
Nun komme ich zu Punkt 3. Wenn diese Schäden eintreten, was gedenkt dann die Bundesregierung zu tun, um diese Nachteile abzuwenden? Meine Damen und Herren, Sie haben ja schon gehört, die Bundesregierung ist in ihrer Handlungsfreiheit auf dem Gebiet des Rundfunkwesens beschränkt, weil sich die Alliierte Hohe Kommission eben die Zuständigkeit auf dem Gebiet der Wellenzuteilung für die Rundfunksender vorbehalten hat. Es war auch der Bundesregierung nicht möglich, gegenüber der Alliierten Hohen Kommission irgendwelche Schritte zu unternehmen,
— es ist gar nicht so schlimm, Herr Rische! — weil der technische und organisatorische Aufbau des Rundfunks nach dem Zusammenbruch ausschließlich auf Länderebene durchgeführt worden ist. Die Bundesregierung kann daher von sich aus keine Maßnahmen treffen, die die Schwierigkeiten der Rundfunkversorgung sofort beheben. Ich lege Betonung auf das Wort sofort. Wenn man dagegen die Rundfunkversorgung im Bundesgebiet auf Bundesebene nach rein technischen Gesichtspunkten durchführen würde, könnte man voraussichtlich noch einigermaßen erträgliche Verhältnisse mit den sechs Mittelwellen erzielen, die dem Bundesgebiet in Kopenhagen zugeteilt worden sind. Man würde so die Belastung der Rundfunkhörer mit den Ausgaben für die Beschaffung der Ultrakurzwellenempfänger vermeiden. Eine nach technischen Gesichtspunkten durchgeführte Rundfunkversorgung müßte aber zweifellos schließlich zu einer Umorganisation des Rundfunks bezüglich der Technik führen — ich betone wieder ausdrücklich technisch, es liegt uns nichts an der Programmseite —, das heißt in erster Linie, daß die Sender in anderer Weise über das Bundesgebiet verteilt werden als bisher. Dies ist aber niemals auf Länderebene, sondern nur auf Bundesebene möglich. Die Bundesregierung ist aber — obwohl, ich betone das noch einmal, die technischen Möglichkeiten im Mittelwellenbereich vorhanden sind — zur Zeit rechtlich nicht in der Lage, in dieser Richtung technische oder organisatorische Maßnahmen einzuleiten, da, wie schon angedeutet, die von den Ländern erlassenen Rundfunkgesetze in der amerikanischen Zone, die Verordnungen der britischen und französischen Militärregierungen hinsichtlich des Rundfunks in der britischen und französischen Zone und das Gesetz Nr. 5 der Alliierten Hohen Kommission entgegenstehen. Es bedarf also wahrscheinlich eines Bundesgesetzes, um die Organisation einheitlich durchführen zu können.
Es bleibt noch zu erwähnen, daß die Deutsche Post sich seit mehr als Jahresfrist um die Wiederaufnahme als vollberechtigtes Mitglied in die internationalen Gremien bemüht. Auf seiten der Alliierten besteht durchaus Bereitwilligkeit, uns da zu helfen. Vorläufig scheitert das noch an gewissen formalen Dingen. Sie wissen ja, daß alle diese Beschlüsse auf Viermächte-Basis beschlossen worden sind.
Wird eine Besprechung der Beantwortung der Interpellation gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Dann ist dieser Punkt erledigt.
Meine Damen und Herren, es ist bei mir angeregt worden, die Sitzung zu schließen und die Punkte 3 und 4 der Tagesordnung zu vertagen. Ich nehme an, daß das Haus damit einverstanden sein wird. Ich schlage Ihnen aber vor, um die Tätigkeit der Ausschüsse nicht zu stören, noch rasch den Beschluß zu Punkt 5 zu fassen;
Interfraktioneller Antrag betreffend Oberweisung von Anträgen an die Ausschüsse .
Ich nehme an, daß das Haus mit dieser Überweisung einverstanden sein wird.
Dann berufe ich ein: die nächste Sitzung — die 46. Sitzung — auf Donnerstag, den 16. März, 14 Uhr 30 Minuten; die 47. Sitzung auf Freitag, den 17. März, 14 Uhr 30 Minuten.
Ich habe aber dem Hohen Hause mitzuteilen, daß unter Umständen damit gerechnet werden muß, daß nächste Woche eine Sondersitzung dieses Hauses einberufen wird.
Ich schließe die 45. Sitzung des Deutschen Bundestags.