Rede von
August
Neuburger
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf all das, was hier im einzelnen vorgetragen wurde, nun auch einzugehen, obwohl ich meines Erachtens sehr leicht in der Lage wäre, es in der Gesamtheit zu widerlegen oder doch zum mindesten ,die einzelnen Gesichtspunkte in die richtige Relation zu stellen.
Ich will mich damit begnügen, noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Sinn und Zweck eines Gesetzes lassen sich nicht trennen von dem Inhalt und der Abgrenzung der einzelnen Bestimmungen. Das heißt, ich muß unter Umständen auch auf Erweiterungen oder Sonderwünsche verzichten, wenn eben diese Wünsche nicht mehr mit der Grundkonzeption des Gesetzes übereinstimmen. Über die steuerpolitische und wirtschaftliche Konzeption haben wir sowohl von der Regierungsseite wie auch von diesem Hohen Hause genug gehört. Wir wissen, daß die wirtschaftspolitische Zweckbestimmung dieses Gesetzes ist, die gesamte Produktion, insbesondere die Produktionsgüterindustrie zu beleben, um damit neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Durch die Bereitstellung von privaten Mitteln für den Wohnungsbau soll der Wohnungsbau entscheidend beeinflußt werden. Der Sparwille und die Spartätigkeit sollen geweckt werden. Damit soll der Impuls gegeben werden für die Kapitalbildung, das Schicksal unserer Volkswirtschaft. Es soll ferner eine neue Grundlage für eine echte Steuermoral geschaffen werden, und es soll ferner den verschwenderischen Spesenausgaben entgegengewirkt werden. Das sind zusammengefaßt die Ziele, die sich diese Gesetzesvorlage gesteckt hat. Wir bejahen diese Ziele, weil wir sie in allen ihren Einzelpunkten für not-
wendig halten. Die Mittel hierfür sind einmal eine entsprechende Tarifgestaltung und zum anderen ein entsprechendes System der Steuervergünstigungen.
Über den Tarif oder richtiger über die Tarife der letzten Jahre haben Sie vieles gehört. Ich weiß nicht, ob Sie das alles in sich aufnehmen konnten, um so mehr als ich selber noch einmal eine Relation nach dieser Richtung gebe, nicht deshalb, weil ich der Auffassung wäre, daß sich mit Zahlen trefflich streiten läßt. Ich will vielmehr unter dem Gesichtspunkt darauf eingehen, den Sie, Herr Kollege Koch. hier vorgetragen haben, unter dem Motto: Kriegslasten, Kriegsschulden, Bombenzerstörungen, Flüchtlingsschäden
— wer soll das bezahlen?
Auf wessen Schultern wird das abgewälzt? Das ist doch die Kernfrage des Ganzen.
So muß ich zur zunächst einmal von dem Steuersystem ausgehen, das wir hatten, ehe all diese Schäden dawaren. Darn muß ich mir sagen: Wie ist das nun heute gegenüber der Zeit von 1939? Und hierzu ist doch ganz eindeutig folgendes zu sagen. Die Einkommen sind heute bei einem Ledigen mit 1530 D-Mark vollkommen einkommensteuerfrei, bei einem Verheirateten mit einem Kind bis 2100 D-Mark. Aber das ist zunächst weniger von Bedeutung als das folgende. Die steuerliche Belastung der Einkommen bis etwa 2000 DMark beträgt gegenüber der steuerlichen Belastung vor Katastrophe etwa ein Drittel bis einhalb. Das läßt sich in keiner Weise wegdeuteln. Das ist also eine Steuersenkung gegenüber vor dem Kriege von 100 Prozent auf 40 und 50 Prozent. Die steuerliche Belastung der Einkommen -- ich will jetzt auf die Steuerklassen im einzelnen keine Rücksicht nehmen zwischen 2000 und 3000 D-Mark beträgt gegenüber der Belastung vor dieser Katastrophe etwa drei Viertel, also etwa 75 Prozent. Und erst bei einem Satz zwischen 3600 und 4000 D-Mark haben wir zahlenmäßig die gleiche steuerliche Belastung wie 1939. Sie wissen, daß während des Krieges die gesamten Steuern erhöht wurden, und zwar generell einfach um 50 Prozent. Die Grenze gegenüber dieser Kriegsbelastung liegt bei etwa F000 D-Mark. Alles, was darüber ist, sind zusätzliche Belastungen auf Grund der Katastrophe, die wir durchgemacht haben. Diese Belastungen sind dann so. daß sie bei 10- bis 15 000 D-Mark etwa das Eineinhalbfache hetragen und bei Einkommen über 20 000 bis rund 50 000 dps Zweifache gegenüber der Zeit vor dem Kriege. Darüber ist die Belastung dann das Zweieinhalbfache. Die steuerliche Belastung unter dem Gesichtspunkt: „Wer soll das bezahlen?" sieht also so aus, daß die Einkommen bis zu 3000 D-Mark von unten mit etwa 40 Prozent. 50 Prozent und 100 Prozent bei 3500 bis 4000 D-Mark beginnen, und erst die darüberliegenden Einkommen haben eine zusätzliche Belastung, und zwar eine zusätzliche Belastung in steigender Progression.
Wenn ich nun weiter hinzufüge, daß die Einkommenbezieher, insbesondere die Lohnempfänger unter der Gruppe von 3600 D-Mark nach einer Statistik über 70 Prozent ausmachen — —
- Nein, ich meine: wer zahlenmäßig darunter liegt.
— Einen Augenblick! Ich will jetzt nur feststellen, wo die Belastungen liegen, weil Sie gesagt haben, die gesamte Steuerpolitik bedeute eine Abwälzung der Lasten auf die Schultern der breiten Massen. Da kann ich nur sagen, daß gegenüber der Besteuerung der Zeit vor dem Kriege alle Einkommenbezieher unter 3600 Mark eine geringere Steuer zahlen als vor der Katastrophe.
— Die habe ich wohl gehört. — Darüber hinaus ist es so, daß die höheren Einkommen zusätzlich progressiv mit dem Eineinhalbfachen. dem Zweifachen und dem Zweieinhalbfachen belastet werden. Während früher der Steuertarif mit 39 Komma soundso viel Prozent aufgehört hat. hört er jetzt mit 92.5 Prozent auf. Ich kann also in keiner Weise verstehen. wie hier behauptet werden kann, die breiten Massen hätten auf Grund dieser Steuerreform die Lasten des Krieges zu tragen.
Ich komme zu folgendem Ergebnis. Vor dem Kriege hatten wir den Steuertarif von 1934. Im Kriege ist er dann um 50 Prozent durchgehend erhöht worden. Das Kontrollratsgesetz Nr. 12 hat eine weitere Erhöhung um 25 Prozent bei allen Lohnempfängern, Gehaltsempfängern und bei den freien Berufen mit einem Abzug der 1000 M vorgenommen. eine Erhöhung um 35 Prozent bei allen übrigen Steuerpflichtigen. Dann kam der Abbau. Dieser Abbau ist heute bei dieser Stufe angelangt, mit dem Frgebnis — ich betone das nochmals --, daß alle Einkommen unter 3600 D-Mark einer geringeren Steuer unterliegen als vor dem Kriege. dagegen alle Einkommen darüber in progressiver Höhe einer steigenden Abgabe. So ,sieht die Steuerreform aus. die wir hier vorlegen, die wir zu verantworten haben und auch verantworten.
Dazu kommt, daß darüber hinaus das System der Sonderausgaben eingebaut wurde, und zwar in einem Umfange, das weiter geht als vor dem Kriege, so daß um nur ein Beispiel anzuführen -- ein Familienvater mit drei Kindern, wenn er die Möglichkeiten der Sonderausgaben ausnützt, bei einem Einkommen von 5000 D-Mark 35 D-Mark Steuer im Jahr nach dem neuen Tarif zu zahlen hat. Das sind noch nicht einmal 3 D-Mark pro Monat.
In diesem Zusammenhang muß ich auf das zu sprechen kommen, was Herr Dr. Bertram gesagt hat, der meinte, es müßte ein System der Spartätigkeit für die unteren Schichten gegeben sein. Ja, dieses System ist über die Sonderausgaben hundertprozentig gegeben, wie gesagt, in einer Weise, daß die Einkommen bis zu 3000 und 4000 D-Mark, wenn die Möglichkeiten der Sonderausgaben voll oder wenigstens teilweise ausgenutzt werden — in vollem Umfange kann man sie nur mit Opfern des Verzichts ausnützen, obwohl ich Familien kenne, die sie ausnützen —, durchaus die Möglichkeit bieten zu sparen, weil eben auf dem Gebiete der Sparmöglichkeit jede Chance gegeben ist, sowohl für den niedrigen wie für den mittleren Einkommenbezieher.
Zu dem System der Steuervergünstigungen brauche ich im einzelnen nichts zu sagen; denn wir haben jeden Passus bereits erörtert.
Abschließend nur noch folgendes! Gesetze zu verantworten ist immer schwer. Steuergesetze zu verantworten ist besonders schwer. Aber wir wissen, daß die wirtschaftspolitische Konzeption gerade dieser Steuernovelle entscheidend für un-. sere gesamte Wirtschaftspolitik ist. Die Wirtschaftspolitik findet darin einen entscheidenden Eckpfeiler. Daher bejahen wir sowohl die Notwendigkeit wie die Dringlichkeit dieser Steuerreform und sind bereit, diese Steuerreform auch vor jedermann zu verantworten.