Rede von
Friedrich
Rische
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(KPD)
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Meine Damen und Herren! Die Adenauer-Regierung hat bei ihrer Amtsübernahme eine Reihe von Versprechungen abgegeben. Wir wissen aber aus ihrer Praxis in den letzten fünf Monaten, daß sie kein Versprechen so ernst genommen hat wie ihr Versprechen an die Schwerindustrie, Steuersenkungen zu gewähren.
Die gegenwärtige Vorlage ist der beste Beweis dafür. Die Steuerpolitik zeigt uns aber auch in aller Deutlichkeit, nach welchen Grundsätzen die Adenauer-Regierung und die reaktionäre Mehrheit dieses Hauses ihre Wirtschafts- und Sozialpolitik betreiben; denn von den Steuereinnahmen und den Ergebnissen der Steuerpolitik hängt es ab, ob man bereit sein kann, eine „sozial verpflichtete Gesetzgebung" wirklich durchzuführen. Dieser Regierung geht es in Wirklichkeit um die Begünstigung und Zusammenballung wirtschaftlicher Macht in den Händen der Mitstreiter, der Herren Pferdmenges, Zangen und Roelen. Ihre ganze Wirtschafts- und Steuergesetzgebung ist darauf ausgerichtet, diesen Herren die Zusammenballung wirtschaftlicher Macht faktisch zu ermöglichen.
Dies. meine Damen und Herren, geschieht durch die privilegierte Bildung von Eigenkapital, durch überhöhte Abschreibung nach dem D-MarkBilanzgesetz, durch die Gewährung steuerfreier Rücklagen, durch Schachtelprivilegien usw. Es geht dieser Regierung darum, und zwar nach dem Willen der Herren Zangen, Pferdmenges und Roelen, daß die Zwingherren von Rhein und Ruhr über die Kapitalbildung ihre alten Unternehmungen weiter aufbauen, während zu gleicher Zeit die werktätigen Massen in Westdeutschland die schwersten Entbehrungen als Folgen dieser Politik auf sich nehmen müssen.
Herr Kollege Koch von der SPD sprach mit sehr bewegten Worten von der von dieser Regierung vorgesehenen Kapitalbegünstigung auf dem Wege über die Steuerpolitik zum Zwecke der Kapitalbildung. Er betonte allerdings, daß auch seine Fraktion eine derartige Kapitalbildung, wenn auch unter Beachtung gewisser Grundsätze, mehr oder weniger begünstige. Ich möchte aber den Kollegen von der SPD dabei zu bedenken geben, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen in Westdeutschland jede Kapitalbildung einzig und allein den Feinden des Volkes zugute kommt.
Dieser von der Regierung beabsichtigten Kapitalbildung bei den Großverdienern von Rhein und Ruhr stehen steuerliche Benachteiligungen der Lohn- und Gehaltsempfänger und steht eine ungerechtfertigte Gleichbehandlung der verschiedenen Einkommensteuerarten in der heutigen Vorlage gegenüber. Die Bezieher mittlerer und höherer Einkommen erhalten mit dieser Vorlage — nach dem Willen der Mehrheit des Bundestages,
muß man wohl hinzufügen --i ein Dankgeschenk von rund einer Milliarde.
In diesem Zusammenhang, meine Damen und Herren, möchte ich zugleich auf eine andere Verpflichtung dieser Regierung hinweisen, die sie in den Tagen der Wahl zu diesem Bundestag eingegangen ist, nämlich zu dem Zeitpunkt, als die westdeutsche Schwerindustrie den jetzigen Regierungsparteien ein Wahlgeschenk von 10 Millionen D-Mark machte. Dieses Wahlgeschenk von damals hat hundertfache Früchte gezeitigt, wie die gegenwärtige Steuervorlage eindringlichst beweist.
Dabei muß man berücksichtigen, daß im gegenwärtigen Moment drüben in Düsseldorf, Köln und Essen schon wieder die Fäden gesponnen werden, um bei den kommenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen den Mehrheitsparteien des Bundestages erneut Subsidien zur Führung des Wahlkampfes zu gewähren.
Der Herr Wirtschaftsminister hat während der großen wirtschaftspolitischen Debatten in diesem Hause von den 17 Milliarden D-Mark berichtet, die die Schwerindustrie an Rhein und Ruhr im zweiten Jahr der Währungsreform investieren konnte. Ich aber stelle die Frage: was haben die Ausgebombten und die Flüchtlinge, die Arbeiter und Angestellten, die Kleingewerbetreibenden und Kleinfabrikanten tun können, um die Schäden des Krieges auszugleichen? Kann irgendein Abgeordneter des Hauses hier auftreten und sagen, daß auch diese Kreise in der Lage waren, in der Zeit nach der Währungsreform Substanzen für den Ausgleich ihrer Schäden zu bilden?
Darum, meine Damen und Herren. ist es die Politik gerade dieser Regierung, die Kriegslasten von den Kapitalisten zu nehmen und diese Lasten den werktätigen Menschen unseres Volkes aufzubürden, wie das auch in der Benzinsteuergesetzgebung dieser Regierung drastisch zum Ausdruck kam. Und dabei hörten wir von diesem Platze hier oft so schöne Reden von den Abgeordneten der gegenwärtigen Regierungsmehrheit. Man hat uns erklärt: wir alle haben den Krieg verloren, wir alle müssen die Folgen des Krieges gemeinsam tragen. Die Praxis sieht so aus, daß die Lasten des Krieges und der Währungsreform einzig und allein vom werktätigen Volk getragen werden,
und zwar geschieht dies nach dem Motto: Die Reichen werden für die Armen alles tun, nur nicht von deren Rücken heruntersteigen!
Die Politik der Regierung ist somit eindeutig gegen das Volk, gegen die Werktätigen, die Angestellten, Kleingewerbetreibenden und Kleinfabrikanten gerichtet.
Dies äußert sich auch in der Senkung der Einkommensteuer bei starkem Anwachsen der indirekten Steuer, der Verbrauchssteuer. Ich habe eine auf offiziellen Angaben beruhende Aufstellung über die Entwicklung der einzelnen Steuerarten vor mir. Das Aufkommen der Steuer verlagert sich demnach eindeutig von der Einkommen- auf die Verbrauchssteuern. Folgende Entwicklung ist nach dem Bericht der Bank deutscher
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Länder vom Dezember festzustellen: Im Monat April /Mai hatten wir ein Gesamtsteueraufkommen von 1255.3 Millionen D-Mark. Davon entfallen auf die Einkommensteuer 45,8 Prozent und auf die Verbrauchssteuern 49,8 Prozent. Aber im Juli/ August sank das Einkommensteueraufkommen auf 42,4 Prozent, während das Verbrauchssteueraufkommen auf 51,9 Prozent stieg. Im Oktober /November 1949 betrug der Hundertteil der Steuer vom Einkommen nur noch 39.7 und der der Verbrauchssteuern 54,7. Hier zeigt sich ganz eindeutig die Abwälzung der Steuern auf die Schultern der breiten Massen.
Das wird noch deutlicher, wenn man die Einkommensteuer nach der Lohnsteuer und der veranlagten Einkommensteuer aufgliedert. In den Vergleichsmonaten Juli und Oktober hat sich die Lohnsteuer auf 104,1 Prozent erhöht, während die veranlagte Einkommensteuer auf 96,1 Prozent gesunken ist. Die Bank deutscher Länder behauptet in ihrem November -Bericht, die Lohn- und Gehaltssumme sei im Wachsen begriffen, und daraus sei das höhere Aufkommen aus der Lohnsteuer zu erklären. Die geringfügigen Lohnerhöhungen gehen in Westdeutschland aber auf Grund. des Lohnsteuergesetzes sofort in die höhere Abzugskategorie, so daß der höhere Anfall an Lohnsteuer darauf zurückzuführen ist. Obwohl die veranlagte Einkommensteuer während dieser Zeit in ihrem Ertrag gesunken ist, sind, wie die Bank deutscher Länder in demselben Bericht bemerkt, die Unternehmergewinne eher gestiegen als gesunken.
Nun, meine Damen und Herren, das ist die Praxis: eine Begünstigung der Einkommensteuer und eine Verlagerung der Steuer auf die Verbrauchssteuern, somit also eine Verlagerung der Steuer auf den Konsum der Masse. Dieser Gegensatz wird durch die gegenwärtige Steuervorlage noch weiter verschärft. Wie recht hatten darum die Kommunisten, wenn sie diese Regierung als die Sachwalterin der Millionäre bezeichneten!
Darüber geben auch die D-Mark-Bilanzen der Konzerne Auskunft. Das Aktienkapital der 22 Gesellschaften, die bis zu dieser Stunde berichtet haben, konnte im wesentlichen im Verhältnis 1 zu 1. umgestellt werden. Das ist eine sehr bedeutsame Entwicklung in Westdeutschland, die zeigt, daß die großen Konzerne an Rhein und Ruhr in der Kriegszeit und in der Zeit vor und nach der Währungsreform keinerlei Verluste erlitten haben.
-- Eine Reihe von Geschäftsberichten, werter Kollege, geben dieser Tatsache sehr beredten Ausdruck.
Während sich in den Arbeiterhaushalten eine beträchtliche Spanne zwischen dem durchschnittlichen Nettolohn und dem durchschnittlichen volkswirtschaftlich möglichen Konsum bemerkbar macht, sind heute bereits wieder viele Unternehmen der Großindustrie in Westdeutschland dividendenreif. Am deutlichsten zeigt sich diese Dividendenpolitik in den D-Mark-Bilanzen einer Reihe Großbetriebe, und wiederum charakteristisch ist dabei die Bilanz der ContinentalGummiwerke AG, Hannover. Dieser größte deutsche Gummikonzern hat sein Aktienkapital von 88,4 Millionen unverändert aus der Reichsmark-zeit in die D-Markzeit übernommen, außerdem eine gesetzliche Rücklage von 8,84 Millionen DMark gebildet, während das Anlagevermögen mit 59,4 Millionen D-Mark gegenüber 33,4 Millionen Reichsmark im letzten Reichsmarkabschluß bewertet wird. Als aufgewiesener Reingewinn ist der Betrag von 3,7 Millionen angegeben, aus dem eine dreiprozentige Dividende für das zweite Halbjahr 1948 für die Aktionäre ausgeschüttet wurde.
Auch im Warenhaushandel, zum Beispiel bei dem Karstadt-Konzern, wurden große Gewinne erzielt.
Besonders aufschlußreich sind aber die letzten Bilanzen der großen Stahlwerke in Nordrhein-Westfalen. Als typisch ist der Geschäftsbericht von Mannesmann zu betrachten. Zangen. Vorsitzender des Aufsichtsrats bei den Mannesmannwerken, erklärte auf der am 26. Oktober 1949 abgehaltenen Generalversammlung, daß ungeachtet der . erheblichen Verluste das Aktienkapital durch die verbliebene Vermögenssubstanz voll gedeckt ist. Die Zeitschrift Professor Erhards Der Volkswirt" geht auf diese Lage ein und bemerkt in Nr. 44 des Jahrganges 1949 dazu folgendes:
Im Falle Mannesmann lagen die Dinge so, daß die Bilanz zum 31. Dezember 1944 eine bedeutende innere Stärkung auf Grund der immerhin beträchtlichen Gewinnchancen der Vorkriegs- und Kriegsjahre aufwies. Mannesmann hat in dieser Zeit sichtbar und zweifellos auch unsichtbar akkumuliert.
Trotz der großen Verluste durch Krieg, Demontage und Restitutionsansprüchen verfügt der Konzern über ein Vermögen, das den Nominalwert des Aktienkapitals von 156 Millionen D-Mark voll deckt. Das ist auch ein Erfolg der berühmten Erhardschen sozial verpflichteten Wirtschaftspolitik.
Herr Pferdmenges vom Stahlverein erklärte sich ebenfalls auf der Hauptversammlung des Stahlvereins, die am 31. Dezember 1949 in Düsseldorf stattfand, äußerst befriedigt mit der Finanzlage dieser mächtigen Monopolorganisation in Westdeutschland. Er erklärte, die Finanzlage des Stahlvereins gebe zu Bedenken keinen Anlaß.
So könnte ich nun, meine Damen und Herren, die Geschäftsberichte, die bisher von den großen Konzernen an Rhein und Ruhr vorliegen, herunterzitieren, und immer wieder würden Sie doch das gleiche Ergebnis hören: die Finanzlage ist gesund, die Verluste sind gedeckt, den Aktionären geht es wieder gut.
Meine Damen und Herren! Es ist darum auch kein Wunder, daß die Konzerne und Großbanken ihr Vertrauen in diese Regierung setzen, in eine Regierung, die ja nichts anderes ist als die politische Repräsentantin dieser Herren von Rhein und Ruhr.
Die unerhörten Kursgewinne an den Börsen sind ein weiteres Barometer des Vertrauens der Reichen, der Besitzenden, der Aktienbesitzer zu dieser Regierung. Vor mir habe ich den Bericht eines der wichtigsten Bankinstitute in Westdeutschland. Der „Bankverein Westdeutschland", früher Commerzbank, hat eine Broschüre herausgegeben, die den Titel trägt „Rund um die Börse 1949". Der wirtschaftlich interessierte Mensch fin-
det eine Unmasse von Materialien gerade in dieser kleinen, knappen Schrift dieses großen Bankinstituts. Hier wird in aller Deutlichkeit aufgezählt, wie es heute den Reichen in Westdeutschland geht.
Aber wie schon in früheren Jahren beschäftigt sich diese Bank nicht nur mit ihren Bilanzen, mit ihrem Vermögen, sondern diese Bank beschäftigt sich wie seit jeher auch mit den Grundlagen der gegenwärtigen Politik. Über diese Politik hat auch die ehemalige Commerzbank in ihrem kleinen Heftchen recht ausführlich — und ich möchte sagen recht deutlich — folgendes geschrieben:
Noch im ersten Jahresviertel wurde bekanntlich die Möglichkeit einer Sozialisierung des Ruhrbergbaues und der Versorgungsunternehmungen in manchen Kreisen erörtert. Verstaatlichungsgerüchte sind aber nie eine günstige Grundlage für die Börsenentwicklung gewesen. sie gaben auch diesmal Anlaß zu verstärkter Zurückhaltung gegenüber Dividendenwerten und gegenüber den Aktien von so gefährdeten Unternehmungen. Mit den Wahlen zum Bundestag und der Bildung einer westdeutschen Regierung, die Sozialisierungstendenzen abhold ist und für frei e Wirtschaft eintritt, änderte sich dieses wenig freundliche Bild schlagartig. Dieser Umstand dürfte für den inzwischen eingetretenen Stimmungswechsel ausschlaggebend gewesen sein.
Man meint nämlich den Stimmungswechsel an den Börsen. Man meint das Hochschnellen der Börsenkurse. Und es heißt weiter:
Der Besitz und der Erwerb von Aktien und sonstigen Wertpapieren war wieder zu einer Angelegenheit geworden, die unter mehr kaufmännischen Gesichtspunkten beurteilt wurde und die politische Ressentiments allmählich abstreifen konnte.
Und dann kommt wieder etwas, worauf die Menschen in Westdeutschland achten müssen:
Der Aktionär hatte seine Salonfähigkeit wiedergewonnen.
Meine Damen und Herren! Dieses kleine Heftchen wird noch deutlicher. Es heißt dann weiter:
Dazu gesellte sich die wachsende Überzeugung, daß es der neuen Bundesregierung mit
ihren Plänen zur Steuersenkung ernst sei. Das haben wir ja, wenn wir die gegenwärtige Vorlage betrachten, zur Genüge mittlerweile erfahren.
Aber auch noch folgende Probleme, die uns in Westdeutschland so sehr bedrücken, werden in dieser Schrift der ehemaligen Commerzbank mit der gleichen rücksichtslosen Offenheit ausgesprochen, nämlich die Politik des Lastenausgleichs. Über diese Frage berichten die Verfasser der Schrift folgendermaßen:
Auch die Durchführung des Lastenausgleichswurde mit mehr nüchternen Augen betrachtet. Manche Theoretiker hatten sich diesen in der primitiven Form vorgestellt, daß diejenigen, die noch etwas besaßen, hiervon einen bestimmten Teil - man dachte zeitweise an die Hälfte — an diejenigen abzugeben hätten, deren Vermögen oder sonstiges Besitztum der Krieg verschlungen hat. Es ist zwar längst Allgemeingut geworden, daß sich eine so gewaltige Vermögensabgabe nie in einem so kurzen Zeitraum mobilisieren läßt, sondern daß sie unter vernünftigen Maßstäben auf lange Jahre verteilt werden muß. Je tiefer man allmählich in diese Materie eindrang, um so mehr wurden die vorher übertriebenen Gedankengänge auf ein Maß zurückgeführt, das dem nüchternen Alltag standhält.
Meine Damen und Herren! Dies ist wohl der beste Kommentar, den ich jemals zur Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers gelesen habe.
Meine Damen und Herren! Ich habe mit Absicht gerade zu der gegenwärtigen Steuervorlage auch über diese Fragen gesprochen. Denn man kann nicht zur gegenwärtigen Steuervorlage sprechen, ohne ganz allgemein auch die Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Regierung gebührend zu brandmarken. Eine andere Möglichkeit gbit es für unser Volk nicht mehr.
Diese Regierung hat einige Aufträge der Konzernherren übernommen. Sie hat erstens die Aufgabe übernommen, die volle Restaurierung der alten Konzerne und großen Gesellschaften in Politik und Wirtschaft vorzunehmen. Sie hat ferner noch die Verpflichtung übernommen, dafür Sorge zu tragen, daß den Monopolherren von Rhein und Ruhr ständig Gewinnanreize zur Verfügung stehen, damit die großen Konzerne an Rhein und Ruhr ihre alten Machtpositionen in der Wirtschaft wieder begründen können. Diese Regierung hat ferner gerade von diesen Kreisen den Auftrag erhalten alle Lasten des Krieges, alle Lasten der Währungsregelung und alle Lasten auch der Kolonialpolitik der ausländischen Machtherren in Westdeutschland aufs Volk abzuwälzen. Die Politik dieser Regierung ist ein einziger Beweis dafür, daß sie diesen ihren Auftrag getreulich bis zum letzten Komma erfüllt. Diese Regierung hat bis heute noch nicht, obwohl es im Währungsgesetz vorgeschrieben war, ein Lastenausgleichsgesetz verabschiedet. ' Diese Regierung hat bis zur Stunde immer noch nicht eine wahrhaft echte Flüchtlingshilfe beschlossen, um den Millionen Flüchtlingen in Westdeutschland endlich ein menschenwürdiges Dasein zu verschaffen. Diese Regierung weigert sich konstant unter Hinweis auf ihre finanziellen Verpflichtungen, den Opfern des Krieges und den Opfern des Bombenterrors. den Ausgebombten, angemessene Hilfe zu gewähren, damit sie sich wieder ein gesundes und ein frohes Leben aufbauen können. Dagegen aber ist die Regierung bereit, Erfüllungspolitik zu betreiben, sich Woche um Woche den Befehlen der Hohen Kommissare zu beugen und eine Politik der ständigen Unterordnung unter die Beschlüsse der Hohen Kommission zu betreiben. Sie trägt gerade mit dieser ihrer Politik dazu bei, daß das deutsche Volk einer weiteren Verelendung entgegensieht.
Im Zusammenhang gerade mit dieser ihrer Politik muß man auch das Problem der Besatzungskosten sehen. Von dem Volkseinkommen in Höhe von 60 Milliarden nehmen die Besatzungsmächte 7,5 vom Hundert für ihre Zwecke in Anspruch. Dies entspricht der Leistung von 1,6 Millionen Erwerbstätigen im Bundesgebiet. Diese Gelder
des deutschen Volkes können nur deswegen in Anspruch genommen werden, weil die Regierung sich konstant weigert, sich dafür einzusetzen, daß endlich einmal ein Friedensvertrag abgeschlossen wird, daß endlich einmal eine gesamtdeutsche Regierung zustande kommt und daß endlich einmal die Unabhängigkeit des deutschen Volkes wiederhergestellt werden kann. Die Steuern und Besatzungskosten zeigen darum den werktätigen Massen in Westdeutschland die materiellen Lasten, die dank der Politik dieser Regierung und dank der Besatzungspolitik den westdeutschen Werktätigen aufgebürdet werden.
Die Steuern, die durch diese Vorlage der Mehrheit des Bundestags erzwungen werden sollen, sind darum ein Tribut, den die Werktätigen, die Mittelständler und die kleinen Unternehmer an eine Regierung entrichten, die alles für die Millionäre tut, aber nichts für das Volk. Diese Steuern stärken die Position einer Regierung, die für die koloniale Unterdrückung und Belastung des deutschen Volkes, der deutschen Wirtschaft die Hauptverantwortung trägt. Jeder Pfennig, der dieser Regierung zufließt, richtet sich somit gegen die ureigensten Interessen des deutschen Volkes.
Sie können von uns Kommunisten nicht erwarten, daß wir dieser reaktionären Steuervorlage die Zustimmung geben. Aber wir haben dennoch eine Reihe von Abänderungsvorschlägen auch zu dieser Steuervorlage der Regierung gemacht, um zum mindesten die berechtigten Interessen der Währungsgeschädigten, der Flüchtlinge, der Ausgebombten und der politisch Verfolgten dennoch zu sichern. Dabei wissen wir ganz genau, daß die Mehrheit in diesem Hause nicht bereit sein wird, unseren Anträgen ihre Zustimmung zu geben.
Wir haben in unseren Abänderungsanträgen gemäß Drucksache Nr. 616 ganz klar und eindeutig verlangt, daß in Artikel I Ziffer 3 der §3 Ziffer 4 eine Fassung erhält, nach der die Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, die Renten aus der Knappschaftsversicherung und die Renten, die auf Grund eines Versicherungsvertrages oder aus Unterstützungskassen gezahlt werden, in voller Höhe steuerfrei bleiben, wenn kein sonstiges Einkommen vorhanden ist. Meine Damen und Herren! Warum haben wir Kommunisten diesen Antrag gestellt? Weil wir der Auffassung sind und uns tagtäglich in der Praxis des Lebens bewiesen wird, daß gerade diese Kreise des westdeutschen Volkes in ihren Renten praktisch ihr einziges Einkommen haben. Wenn sie tatsächlich noch sonstige Bezüge haben, sind diese nur ein geringer Ersatz für die Schäden, die gerade diese Menschen haben hinnehmen müssen.
Ein weiterer Antrag der KPD beschäftigt sich damit, daß die Weihnachtsgratifikationen und Jubiläumsgeschenke bis zum Betrage von 300 D-Mark steuerfrei bleiben sollen. Ich weise darauf hin, daß diese Regierung es ablehnte, den einstimmigen Beschluß des Hauses über die Steuerfreiheit dieser Beträge an den Bundesrat weiterzuleiten. Dieses Nichtweiterleiten muß man als eine Sabotage der Beschlüsse dieses Hohen Hauses bezeichnen,
muß man auch als einen Verfassungsbruch brandmarken.
Wir haben ferner vorgeschlagen, in Artikel I Ziffer 8 im § 7 e Absatz b hinter „Gewerbetreibende" einzufügen: „die bis zu 50 Lohn- und Gehaltsempfänger beschäftigen." Wir sind für diese Begrenzung, weil wir nicht wollen, daß diejenigen, die auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen in der Lage sind, Kapital anzusammeln, durch dieses Gesetz Vergünstigungen erhalten. Wir sind aber für den vollen Schutz und sind auch für steuerliche Vergünstigungen bei jenen Kleingewerbetreibenden, die heute schon unter den Auswirkungen der Krise und des Marshall-Planes schwer zu leiden haben.
Wir haben dann noch im Interesse der Flüchtlinge, politisch Verfolgten, Kriegsopfer und Sozialberechtigten vorgeschlagen, in Artikel I Ziffer 18 dem § 33 a Absatz 1 folgende Fassung zu geben:
Bei politisch Verfolgten, bei Kriegsopfern und Sozialberechtigten, bei Flüchtlingen sowie bei Personen, die den Hausrat und die Kleidung infolge Kriegsschadens verloren haben und die dafür höchstens eine Entschädigung von 50 vom Hundert erhalten haben, wird auf Antrag ein Freibetrag in der vollen Höhe der tatsächlich getätigten Neuanschaffungen gewährt.
Diese Kreise haben in den meisten Fällen keinerlei Einkommen. Sie sind so hart betroffen, daß sie nicht in der Lage sind, ihre durch Kriegseinwirkung verlorengegangenen Einrichtungen und Gegenstände zu ersetzen. Vielfach sind auch gerade diese Bevölkerungskreise von der Arbeitslosigkeit und von der Kurzarbeit besonders hart betroffen. Wir treten dafür ein, daß in dieser Steuergesetzgebung keinerlei Begrenzungen gegenüber diesen Bevölkerungskreisen enthalten sind.
Schließlich haben wir Kommunisten uns die Vorschläge des Deutschen Gewerkschaftsbundes zu eigen gemacht, eine höhere Steuerfreigrenze für die Werktätigen auch in diesem Gesetz zu erzwingen. Wir schlagen vor:
Für die Steuerklassen II und III wird der Steuersatz der Ziffer 1 der Grundtabelle A mit den folgenden Maßgaben angewendet:
a) 1500 D-Mark Jahresarbeitseinkommen des Steuerpflichtigen der Steuerklassen II und III bleiben steuerfrei.