Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Zu-
Deutscher- Bundestag -- 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950 1533
standekommen dieses Gesetzes haben wir uns seit Wochen bemüht und in ernster Arbeit von morgens früh bis spät abends, bis in die Nachtstunden hinein verhandelt. Wir haben versucht, auch Fühlung mit den Herren des. Bundesrats zu nehmen. Diese Arbeit wird nun in einer Weise herabgewürdigt, als wenn sie nichts und wiederum gar nichts wäre. Ich möchte dem Herrn Kollegen Loritz nur sagen, wenn wir den Zehnten auch bei den unteren Einkommen erhöben, dann hätten wir verdient, von diesen unteren Einkommensschichten gesteinigt zu werden.
Die haben wir gerade von der Belastung weithin freigestellt. Ich möchte weiter sagen, daß wir bisher eine Freigrenze von 1374 D-Mark hatten, die wir auf 1530 D-Mark erhöht haben. Ich möchte weiter sagen, daß wir die kleineren Einkommen nicht mit 20 bis 25 Prozent, sondern daß wir die Einkommen bis zu 600 D-Mark im Monat mit 2,5 — ich komme gleich darauf zurück — bis 3,6, bis 5,2 Prozent bloß belasten. Wenn Einkommen darüber hinausgehen, dann bin ich schon der Meinung, daß angesichts der gewaltigen Not, in der wir stecken, angesichts der gewaltigen Lasten, die wir, wie der Herr Kollege Koch sagte, für Kriegsgeschädigte usw. tragen müssen, auch diese Schichten in etwa zur Aufbringung dieser Lasten mit herangezogen werden müssen.
Ich möchte dann auch noch des weiteren sagen, daß diese Steuer eine Ländersteuer ist; die Länder haben diese Steuer zu bekommen und müssen mit diesen Steuern zum allergrößten Teil soziale Verpflichtungen erfüllen.
Nur zum geringsten Teil können sie verwertet werden, um kulturelle Aufgaben zu erfüllen. Die Länder sind verpflichtet, 80 Prozent der Wohlfahrtslasten, der Fürsorgelasten, die in den Gemeinden entstehen, aus ihren Mitteln wieder an die Gemeinden zurückzuerstatten. Wenn wir diesen Ländern die Steuerquellen allzu stark beschneiden, — —
— Meine Herren, Sie nennen sich doch Demokraten, Sozialdemokraten;
dann möchte ich Sie doch bitten, mich ausreden zu lassen und still anzuhören, wie auch wir Ihre Redner angehört haben.
Von dem Herrn Kollegen Bertram sind die Tabellen angezogen worden; da wäre es auch richtig gewesen, sie richtig zu lesen!
Wenn er bei Einkommen bis 1500 D-Mark 46 DMark im Gegensatz zu 25 D-Mark setzt, dann mag er die Überschrift dieser Tabelle lesen, sie heißt: „je Steuerfall". Also alle Steuerfälle durcheinander gerechnet, dann könnte es so sein! Wenn wir aber diese Fälle auch wieder je Steuerfall nehmen, dann kann ich Ihnen sagen, daß Einkommen bis zu 3000 D-Mark 1925 25,9 Millionen aufgebracht haben und nach dem Vorschlag der Regierung, der noch verbessert worden ist — nur nach dem Vorschlag der Regierung vor Beginn der Abänderungen —, bloß 17 Millionen D-Mark.
Ferner ergibt sich bei den weiteren Freigrenzen bei einem Einkommen von 4000 D-Mark nach den Vorschlägen der Gewerkschaften nur eine Belastung von 23. Millionen, während nach den Ergebnissen der Ausschußberatungen 27 Millionen DMark in Frage kommen. Soweit sind wir also nicht auseinander. Wenn wir das nehmen, was herausgearbeitet worden ist, dann sind wir uns doch im ganzen Haus darüber klar, daß das A und O die Versorgung unserer Wirtschaft mit Kapital ist. Wir müssen auch zu unserem Teil tun, was wir tun können, um Kapital zu bilden. Fest steht — das wird auch im ganzen Haus nicht bestritten —, daß uns der Juni-Tarif eine zwanzigprozentige Senkung der Lohnsteuern gebracht hat, während die höheren und mittleren Einkommen nicht daran teilhatten. Tatsache ist, daß jetzt die Steuerlasten roh gerechnet in den unteren Einkommenstufen 16 Prozent gesenkt werden, steigend bis zu 25 Prozent und dann wieder abfallend, so daß in den höchsten Stufen es bei den alten Steuersätzen bleibt. Tatsache ist, daß wir den Betrag der Sonderausgaben von 26 D-Mark auf 39 D-Mark erhöht haben; und es ist mir doch aus Ihren Reihen gesagt worden: wir sind eigentlich dagegen.
Ja, das beträgt bloß die Kleinigkeit von 60 bis 70 Millionen D-Mark, die den Arbeitnehmern durch die Erhöhung von 26 auf 39 an Steuerminderung zufließen. Das ist doch auch schon etwas.
Es ist weiter von uns durchgesetzt worden, daß der Arbeitnehmer, der das Unglück hat, daß seine Frau verstirbt, jetzt, sobald er das 50. Lebensjahr erreicht hat — und das ist das Alter, wo gewöhnlich seine Kinder nicht mehr steuerbegünstigt sind —, trotzdem in Steuerklasse II bleibt, während er sonst wieder als Lediger nach Steuerklasse I besteuert wurde. Das ist ein wesentlicher Vorteil. Es wurde besonders in den Arbeitnehmerschichten bitter empfunden, daß zu dem großen Unglück des Verlustes der Ehefrau auch noch die Bestrafung kam, daß er dann in Klasse I hinein sollte. Auch das muß ein klein wenig berücksichtigt werden.
Wir haben weiter bei dem ledigen Arbeitnehmer die bisherige Grenze des 65. Lebensjahres — das ist die Grenze des Rentneralters. wo er also Invalidenrente beziehen kann, im Falle der Weiterarbeit erst von Klasse I in Klasse II kommt — auf das 60. Lebensjahr heruntergesetzt.
Wir haben weiter eingefügt, daß Heiratsbeihilfen bis zu 500 D-Mark steuerfrei bleiben; daß hei Geburtsbeihilfen, soweit sie gewährt werden, bis zu 300 D-Mark steuerfrei bleiben; daß Sonderzahlungen aus irgendeinem Anlaß — Jubiläumszahlungen oder Zahlungen aus sonstigen besonderen Anlässen — auf Grund einer Rechtsverordnung ganz oder teilweise steuerfrei bleiben sollen.
Sie haben gesagt: wir wollen den Ärmsten der Armen helfen. Wir haben den Pauschalbetrag in § 33 a eingebaut mit 40 D-Mark für den Ledigen pro Monat — 480 im Jahr — 50 D-Mark für den Verheirateten pro Monat — 600 im Jahr —, darüber hinausgehend mit 60 D-Mark pro Monat — 720 D-Mark im Jahr —, darüber hinausgehend vom dritten Kinde an jährlich 60 D-Mark und für jedes weitere Kind ebenfalls
GO D-Mark; dazu soll dann -- darüber haben wir ja zu befinden — im übersteigenden Fall ebenfalls noch Entgegenkommen gezeigt werden
Meine sehr Verehrten, das ist im großen und ganzen doch immerhin schon etwas.
Nun möchte ich Ihnen sagen, wie die Belastung ist. Nach dem Kriege hatten wir Bruttoeinkommen des Lohnempfängers bis 2200 Mark mit 183,30 Mark, das heißt mit 1,7 Prozent belastet, jetzt noch mit 0,4 Prozent des Einkommens.
Wir hatten 3200 Mark mit 4,6 Prozent belastet, jetzt haben wir 2,7 Prozent. Wir hatten bei 4200 Mark 10,4 Prozent Belastung. jetzt belasten wir es noch nach unserem Vorschlag, ohne daß die Feinheiten, die ich eben vorgetragen habe. berücksichtigt sind, mit 3.6 Prozent. Und wenn Sie 5200 Mark nehmen, dann wurde dieses Einkommen — das sind 433 Mark im Monat —1946 mit 16,1 Prozent Einkommensteuer belastet, heute noch mit 6,8 Prozent. Das sind also wesentliche Verbesserungen, die dort eingetreten sind. Wenn wir dann die Einkommen mit 7200 Mark jährlich — 600 Mark monatlich -- nehmen, dann hatten wir 1946 25 Prozent und heute noch 121/2 Prozent Steuern zu zahlen. Darüber hinaus steigen die Beträge an, besonders wenn die Vorkriegsbelastung von 1925 dazu genommen wird; das ist eine Selbstverständlichkeit. Dagegen sind die höheren Einkommen wesentlich stärker erfaßt worden, was ja unbedingt notwendig ist.
Wenn Sie aber sagen. wir hätten die Gewerkschaftsforderungen völlig in den Wind geschlagen. dann trifft auch das nicht zu. Auch mir sind sie zugegangen, da ich nun auch seit meinem 15. Lebensjahr in der deutschen Gewerkschaftsbewegung gestanden habe und ihr treu und ehrlich von 1919 bis 1933 in amtlicher Stellung dienen durfte. Auch ich habe, wenn ich auch heute nicht mehr drinstehe, ein Herz für das. was mit der Gewerkschaft zusammenhängt. Es wird gefordert, Heirats- und Geburtsbeihilfen zu gewähren. Wir habensie gewährt, sie sind eingeführt. Es wird die Steuervergünstigung für Ersatzbeschaffungen gefordert. Wir haben sie durchgesetzt. Es wird weiter gefordert, daß vor allen Dingen die Selbsteinschätzung wegfällt, und daß die Veranlagung kommt. Wir haben sie im Gesetzentwurf drin. Es wird weiter gefordert, daß die Steuervergünstigung für Mehrarbeitszuschläge erhalten bleibt. Wir haben sie erhalten. wenn wir auch die Grenze von 48 Stunden dafür eingebaut haben. So sehen die Dinge nach der anderen Seite aus.
-- Die Sonderausgaben sind bis 39 D-Mark steuerfrei und die darüber hinausgehenden Beträge — —
-- Die Sonderausgaben haben auch die Gewerkschaften gefordert, und diese Forderung ist von uns mit durchgesetzt worden. Ich möchte sagen, daß aber für Beträge, die über 39 D-Mark monatlich im Lohnsteuerjahresausgleich hinausgehen — wenn das Ganze überschritten wird —, wiederum Steuerfreiheit beantragt werden kann
und daß dann eine zu viel oder überbezahlte Einkommen- und Lohnsteuer zurückerstattet wird.
Ich möchte weiter sagen: diese Steuerreform ist schon notwendig. Wir alle, wie wir hier im Hause sitzen, sind uns, wenn wir uns in der Wandelhalle darüber unterhalten, darin ohne große Differenzen einig, daß sie unter allen Umständen kommen muß. Im Zentralbankrat waren es ja Vertreter Ihrer Partei, die ganz offen zum Ausdruck gebracht haben, wie uns von Ministerseite gesagt worden ist, daß, wenn die Steuerreform nicht durchgehe, dann alle Arbeitsbeschaffungsnrogramme nichts nutzten; dann sind sie nur ein Stoß in die Luft hinein.
Ich will auf andere Einzelheiten nicht weiter eingehen, sondern nur noch einmal darauf hinweisen, daß wochenlang in ernster Arbeit verhandelt worden ist und daß sich alle darüber Gedanken gemacht haben. Das ist ja auch unsere Pflicht, nicht nur dafür zu sorgen, wie wir dem Volk draußen Erleichterung verschaffen können, sondern es ist auch unsere Pflicht, dafür zu sorgen, daß der Staat in die Lage versetzt wird, die Lasten. die er im Interesse des ganzen Volkes infolge der Verhältnisse, in die wir durch diesen Krieg hineingekommen sind, zu tragen hat, auch tragen kann. Dieser Verantwortung müssen wir uns bei diesen Dingen auch bewußt sein. Ich bin bereit und in der Lage, vor jedem, vor jeder Berufsschicht das zu vertreten, was hier erarbeitet worden ist. Daß es nicht vollkommen ist. das ist mir klar, darüber streite ich mich mit Ihnen nicht, . da bin ich mit Ihnen einig. Es bleiben Wünsche offen, Wünsche für den Arbeitnehmer, die ich auch angemeldet habe. Wenn Herr Kollege Bertram meint, unsere Zustimmung sei wie Schnee vor der Sonne, der vom einen zum anderen Tag absackt, auch aufgegeben worden, dann darf ich sagen, daß dies in der Form nicht zutrifft, wenn ich ihn auch nach der Seite unterstützt habe. Ich bin mir aber darüber klar, daß ich die Interessen des gesamten Volkes und der gesamten Wirtschaft als Abgeordneter in diesem Hohen Hause zu vertreten habe. Obwohl nach der einen Seite Wünsche nach dem § 32 a und § 10 a bleiben und Wünsche für die Landwirtschaft, für das Handwerk, überhaupt nach allen Seiten offen bleiben. kommt es uns darauf an, daß heute endlich zur Tat werden muß, worauf das ganze Volk ohne Unterschied des Berufs und Standes wartet.
Wenn das Volk dadurch enttäuscht werden sollte, daß wir diese Reform heute nicht durchsetzen, dann, glaube ich, könnte das auch für unser Ansehen gefährlich werden. Sorgen wir dafür, daß die Dinge, nachdem sie bis ins letzte ausgefeilt worden sind, jetzt endlich Tat werden, und da möchte ich an das Verantwortungsbewußtsein eines jeden Mitgliedes dieses Hohen Hauses appellieren.