Rede von
Dr.
Carlo
Schmid
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren! Ich bitte. Platz zu nehmen und womöglich den Saal nicht zu verlassen. Fs handelt sich um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung.
Dr. Vogel , Interpellant: Es gibt kaum eine deutsche Familie, die nicht einen Radioapparat besitzt und die nicht dem 15. März als dem Tage des Inkrafttretens des Kopenhagener Wellenplans mit großer Spannung und mit ebenso großer Besorgnis entgegensieht. Eine Fülle von Gerüchten über das Zustandekommen dieses Planes und über sein Inkrafttreten ist inzwischen auf das deutsche Volk herniedergeprasselt. Wir haben in den letzten Monaten wiederholt von autoritativer Seite einmal gehört, daß der Plan in Kraft treten solle. und das andere Mal wieder daß er nicht in Kraft treten solle. Es ist infolgedessen an uns, an die Regierung die Anfrage zu richten, ob sie in der Lage ist, diese Unsicherheit zu beseitigen oder nicht.
Worum geht es nun beim Kopenhagener Wellenplan und was ist eigentlich das Anliegen dieser Interpellation? Der erste Funktelegrafenvertrag wurde 1906 in Berlin; nachdem die Erfindung der Funkentelegrafie sich die Welt erobert hatte, abgeschlossen. Es fanden weitere Vertragsabschlüsse im Jahre 1912 in London und schließlich im- Jahre 1927 in Washington statt. Die letzten derartigen Verträge, an denen Deutschland beteiligt war, wurden im Jahre 1932 in Madrid und zuletzt im I Jahre 1938 in Kairo abgeschlossen. Nun haben nach dem Zusammenbruch und nach der Kapitulation 1945 erneute Zusammenkünfte aller Regierungen, die an der Weltnachrichtenkonferenz beteiligt sind, stattgefunden. Es kam 1947 in Atlantik-City zu der Weltnachrichtenkonferenz, die auch für unser Geschick mitbestimmend war.
Außer diesen großen Weltnachrichtenkonferenzen, an denen a 11e Regierungen der Welt mitbeteiligt sind, gibt es noch regionale Konferenzen, bei denen die einzelnen Regionen sich zusammenfinden. Eine solche regionale Konferenz, die vor allen Dingen für Europa entscheidend ist, hat 1948 in Kopenhagen stattgefunden. Auf dieser Kopenhagener Wellenkonferenz ist es nun zu Beschlüssen gekommen, die tief einschneidend für jeden Deutschen sind, der Radio hört, der einen Radioapparat besitzt und der mit teilnimmt an dem großen Geschehen, das ihm jeden Tag durch den Äther vermittelt wird. Auf der Kopenhagener Konferenz haben grundlegende Verschiebungen stattgefunden. Es ist hier zu einem Vorgang gekommen, der mit Recht in der deutschen Öffentlichkeit als eine „Demontage der deutschen Wellen" bezeichnet worden ist.
Wir haben von den 18 Wellen, die wir vorher hatten, insgesamt nur 8 Wellen in allen 4 Zonen behalten.
Davon entfallen nun 6 Wellen auf die 3 Westzonen. Nebenbei bemerkt sind gerade die besten Wellen demontiert worden, und man hat uns nur Wellen zugewiesen, die zum allergrößten Teil nicht uns allein gehören, sondern auf denen wir mit anderen gleichzeitig senden müssen, das heißt also Wellen, die keineswegs vor Störungen sicher sein werden.
Ich darf Ihnen hier gleich noch eine kurze Statistik vorlesen, die das noch näher erläutert. Wir haben als Ergebnis der Konferenz von Kopenhagen die Tatsache zu verzeichnen, daß England über 14 Kurz-, Mittel- und lange Wellen, Frankreich sogar über 19 Wellen, Italien über 11, Westdeutschland aber nur über insgesamt 6 bei ungefähr gleicher Bevölkerungsziffer verfügen werden.
Insgesamt ist es heute so, daß die Weststaaten über 98 Wellen und die Sowjetunion, der Ostblock und die sowjetische Besatzungszone insgesamt über 91 Wellen verfügen werden. Es hat also hier eine sehr, sehr große Verschiebung innerhalb des Rundfunks stattgefunden, die bei der Macht, die nun einmal mit Radiosendungen verknüpft sein kann, von ausschlaggebender Bedeutung auch für uns in der Zukunft sein wird.
Nun erhebt sich naturgemäß für uns die Frage: War Deutschland überhaupt auf dieser Kopenhagener Konferenz vertreten? Damit komme ich auf ein außerordentlich schwieriges außenpolitisches Kapitel zu sprechen.