Rede:
ID0104502200

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950 1507 45. Sitzung Bonn, Freitag. den 3. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1507C Einspruch des Abg. Seuffert gegen seinen Ausschluß in der 41. Sitzung (Drucksache Nr. 644) 1507D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen Nr. 623, 566 und 317); Anträge (Drucksachen Nr. 640, 641) 1508A Dr. Koch (SPD) 1508A, 1531A, 1536C, 1545C Rische (KPD) 1516A, 1542B Loritz (WAV) 1520B, 1549A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 1521D Dr. Besold (BP) 1524A Seuffert (SPD) 1524D, 1534D, 1536D, 1537A, B, 1542D, 1543A, 1544D, 1548A, 1550A Dr. Bertram (Z) 1527C, 1537A, C, . . . . . . . 1543A, 1546A, 1549B Neuburger (CDU) 1529C, 1541C, 1545B, 1548B, D Pelster (CDU) 1532D, 1541D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1535B, 1539A, 1540B, 1545D Freudenberg (FDP) 1538A Mertins (SPD) 1538B, .1540D Bazille (SPD) 1539A Renner (KPD) . . 1539B, 1544A, 1547B Höfler (CDU) . .. . . . . . 1540A Wönner (SPD) 1542B Dr. Greve (SPD) 1543B Dr. Oellers (FDP) 1545C Meyer (Bremen) (SPD) 1546D Dr. Wellhausen (FDP) 1547C Interpellation der Abgeordneten Dr. Vogel, Ollenhauer, Mende u. Gen. betr. Kopenhagener Wellenplan (Drucksache Nr. 611) 1550A Dr. Vogel (CDU), Interpellant . . . 1550B Schuberth, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . 1552C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 649) . . . . . . 1554A Nächste Sitzungen 1554A Die Sitzung wird um 14 Uhr 10 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von August Neuburger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nicht die Absicht, auf all das, was hier im einzelnen vorgetragen wurde, nun auch einzugehen, obwohl ich meines Erachtens sehr leicht in der Lage wäre, es in der Gesamtheit zu widerlegen oder doch zum mindesten ,die einzelnen Gesichtspunkte in die richtige Relation zu stellen.

    (Zurufe bei der SPD:Na, na! — Wir warten darauf!)

    Ich will mich damit begnügen, noch einige grundsätzliche Bemerkungen zu machen. Sinn und Zweck eines Gesetzes lassen sich nicht trennen von dem Inhalt und der Abgrenzung der einzelnen Bestimmungen. Das heißt, ich muß unter Umständen auch auf Erweiterungen oder Sonderwünsche verzichten, wenn eben diese Wünsche nicht mehr mit der Grundkonzeption des Gesetzes übereinstimmen. Über die steuerpolitische und wirtschaftliche Konzeption haben wir sowohl von der Regierungsseite wie auch von diesem Hohen Hause genug gehört. Wir wissen, daß die wirtschaftspolitische Zweckbestimmung dieses Gesetzes ist, die gesamte Produktion, insbesondere die Produktionsgüterindustrie zu beleben, um damit neue Arbeitsplätze zu schaffen und damit die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Durch die Bereitstellung von privaten Mitteln für den Wohnungsbau soll der Wohnungsbau entscheidend beeinflußt werden. Der Sparwille und die Spartätigkeit sollen geweckt werden. Damit soll der Impuls gegeben werden für die Kapitalbildung, das Schicksal unserer Volkswirtschaft. Es soll ferner eine neue Grundlage für eine echte Steuermoral geschaffen werden, und es soll ferner den verschwenderischen Spesenausgaben entgegengewirkt werden. Das sind zusammengefaßt die Ziele, die sich diese Gesetzesvorlage gesteckt hat. Wir bejahen diese Ziele, weil wir sie in allen ihren Einzelpunkten für not-


    (Neuburger)

    wendig halten. Die Mittel hierfür sind einmal eine entsprechende Tarifgestaltung und zum anderen ein entsprechendes System der Steuervergünstigungen.
    Über den Tarif oder richtiger über die Tarife der letzten Jahre haben Sie vieles gehört. Ich weiß nicht, ob Sie das alles in sich aufnehmen konnten, um so mehr als ich selber noch einmal eine Relation nach dieser Richtung gebe, nicht deshalb, weil ich der Auffassung wäre, daß sich mit Zahlen trefflich streiten läßt. Ich will vielmehr unter dem Gesichtspunkt darauf eingehen, den Sie, Herr Kollege Koch. hier vorgetragen haben, unter dem Motto: Kriegslasten, Kriegsschulden, Bombenzerstörungen, Flüchtlingsschäden
    — wer soll das bezahlen?

    (Heiterkeit.)

    Auf wessen Schultern wird das abgewälzt? Das ist doch die Kernfrage des Ganzen.
    So muß ich zur zunächst einmal von dem Steuersystem ausgehen, das wir hatten, ehe all diese Schäden dawaren. Darn muß ich mir sagen: Wie ist das nun heute gegenüber der Zeit von 1939? Und hierzu ist doch ganz eindeutig folgendes zu sagen. Die Einkommen sind heute bei einem Ledigen mit 1530 D-Mark vollkommen einkommensteuerfrei, bei einem Verheirateten mit einem Kind bis 2100 D-Mark. Aber das ist zunächst weniger von Bedeutung als das folgende. Die steuerliche Belastung der Einkommen bis etwa 2000 DMark beträgt gegenüber der steuerlichen Belastung vor Katastrophe etwa ein Drittel bis einhalb. Das läßt sich in keiner Weise wegdeuteln. Das ist also eine Steuersenkung gegenüber vor dem Kriege von 100 Prozent auf 40 und 50 Prozent. Die steuerliche Belastung der Einkommen -- ich will jetzt auf die Steuerklassen im einzelnen keine Rücksicht nehmen zwischen 2000 und 3000 D-Mark beträgt gegenüber der Belastung vor dieser Katastrophe etwa drei Viertel, also etwa 75 Prozent. Und erst bei einem Satz zwischen 3600 und 4000 D-Mark haben wir zahlenmäßig die gleiche steuerliche Belastung wie 1939. Sie wissen, daß während des Krieges die gesamten Steuern erhöht wurden, und zwar generell einfach um 50 Prozent. Die Grenze gegenüber dieser Kriegsbelastung liegt bei etwa F000 D-Mark. Alles, was darüber ist, sind zusätzliche Belastungen auf Grund der Katastrophe, die wir durchgemacht haben. Diese Belastungen sind dann so. daß sie bei 10- bis 15 000 D-Mark etwa das Eineinhalbfache hetragen und bei Einkommen über 20 000 bis rund 50 000 dps Zweifache gegenüber der Zeit vor dem Kriege. Darüber ist die Belastung dann das Zweieinhalbfache. Die steuerliche Belastung unter dem Gesichtspunkt: „Wer soll das bezahlen?" sieht also so aus, daß die Einkommen bis zu 3000 D-Mark von unten mit etwa 40 Prozent. 50 Prozent und 100 Prozent bei 3500 bis 4000 D-Mark beginnen, und erst die darüberliegenden Einkommen haben eine zusätzliche Belastung, und zwar eine zusätzliche Belastung in steigender Progression.
    Wenn ich nun weiter hinzufüge, daß die Einkommenbezieher, insbesondere die Lohnempfänger unter der Gruppe von 3600 D-Mark nach einer Statistik über 70 Prozent ausmachen — —

    (Zuruf von der SPD: Auch des Aufkommens?) - Nein, ich meine: wer zahlenmäßig darunter liegt.


    (Zuruf von der SPD: Es kommt auf das Aufkommen an!)

    — Einen Augenblick! Ich will jetzt nur feststellen, wo die Belastungen liegen, weil Sie gesagt haben, die gesamte Steuerpolitik bedeute eine Abwälzung der Lasten auf die Schultern der breiten Massen. Da kann ich nur sagen, daß gegenüber der Besteuerung der Zeit vor dem Kriege alle Einkommenbezieher unter 3600 Mark eine geringere Steuer zahlen als vor der Katastrophe.

    (Zuruf von der SPD: Die Rede von Abs haben Sie anscheinend nicht gehört!)

    — Die habe ich wohl gehört. — Darüber hinaus ist es so, daß die höheren Einkommen zusätzlich progressiv mit dem Eineinhalbfachen. dem Zweifachen und dem Zweieinhalbfachen belastet werden. Während früher der Steuertarif mit 39 Komma soundso viel Prozent aufgehört hat. hört er jetzt mit 92.5 Prozent auf. Ich kann also in keiner Weise verstehen. wie hier behauptet werden kann, die breiten Massen hätten auf Grund dieser Steuerreform die Lasten des Krieges zu tragen.

    (Abg. Rische: Wer bezahlt denn nun eigentlich?)

    Ich komme zu folgendem Ergebnis. Vor dem Kriege hatten wir den Steuertarif von 1934. Im Kriege ist er dann um 50 Prozent durchgehend erhöht worden. Das Kontrollratsgesetz Nr. 12 hat eine weitere Erhöhung um 25 Prozent bei allen Lohnempfängern, Gehaltsempfängern und bei den freien Berufen mit einem Abzug der 1000 M vorgenommen. eine Erhöhung um 35 Prozent bei allen übrigen Steuerpflichtigen. Dann kam der Abbau. Dieser Abbau ist heute bei dieser Stufe angelangt, mit dem Frgebnis — ich betone das nochmals --, daß alle Einkommen unter 3600 D-Mark einer geringeren Steuer unterliegen als vor dem Kriege. dagegen alle Einkommen darüber in progressiver Höhe einer steigenden Abgabe. So ,sieht die Steuerreform aus. die wir hier vorlegen, die wir zu verantworten haben und auch verantworten.

    (Lebhafte Zustimmung bei den Regierungsparteien. — Zuruf von der KPD: Wer daran glaubt, wird selig! — Gegenrufe von den Regierungsparteien.)

    Dazu kommt, daß darüber hinaus das System der Sonderausgaben eingebaut wurde, und zwar in einem Umfange, das weiter geht als vor dem Kriege, so daß um nur ein Beispiel anzuführen -- ein Familienvater mit drei Kindern, wenn er die Möglichkeiten der Sonderausgaben ausnützt, bei einem Einkommen von 5000 D-Mark 35 D-Mark Steuer im Jahr nach dem neuen Tarif zu zahlen hat. Das sind noch nicht einmal 3 D-Mark pro Monat.

    (Hört! Hört! bei den Regierungsparteien.)

    In diesem Zusammenhang muß ich auf das zu sprechen kommen, was Herr Dr. Bertram gesagt hat, der meinte, es müßte ein System der Spartätigkeit für die unteren Schichten gegeben sein. Ja, dieses System ist über die Sonderausgaben hundertprozentig gegeben, wie gesagt, in einer Weise, daß die Einkommen bis zu 3000 und 4000 D-Mark, wenn die Möglichkeiten der Sonderausgaben voll oder wenigstens teilweise ausgenutzt werden — in vollem Umfange kann man sie nur mit Opfern des Verzichts ausnützen, obwohl ich Familien kenne, die sie ausnützen —, durchaus die Möglichkeit bieten zu sparen, weil eben auf dem Gebiete der Sparmöglichkeit jede Chance gegeben ist, sowohl für den niedrigen wie für den mittleren Einkommenbezieher.



    (Neuburger)

    Zu dem System der Steuervergünstigungen brauche ich im einzelnen nichts zu sagen; denn wir haben jeden Passus bereits erörtert.
    Abschließend nur noch folgendes! Gesetze zu verantworten ist immer schwer. Steuergesetze zu verantworten ist besonders schwer. Aber wir wissen, daß die wirtschaftspolitische Konzeption gerade dieser Steuernovelle entscheidend für un-. sere gesamte Wirtschaftspolitik ist. Die Wirtschaftspolitik findet darin einen entscheidenden Eckpfeiler. Daher bejahen wir sowohl die Notwendigkeit wie die Dringlichkeit dieser Steuerreform und sind bereit, diese Steuerreform auch vor jedermann zu verantworten.

    (Lebhafter Beifall bei den Regierungsparteien.)



Rede von Dr. Hermann Schäfer
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Koch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Harald Koch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sorgen Sie sich bitte nicht, daß ich etwa Teile von dem, was ich vorhin gesagt habe, in Erwiderung auf das, was meine Herren Vorredner ausgeführt haben, wiederholen wollte. Ich möchte nur auf einige ganz wenige Punkte dessen eingehen, was von meinen Herren Vorrednern vorgetragen wurde.
    Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff hat mich zu der ersten Erklärung, die ich abgegeben habe, auf den § 100 der Geschäftsordnung hingewiesen. Wir haben nicht bezweifelt, daß die zweite Sitzung am vergangenen Freitag ordnungmäßig einberufen worden ist. Sie ist aber keineswegs ordnungsmäßig eröffnet worden, und wir hatten das Gefühl, als ob der Herr Präsident selbst nicht einmal genau wußte, ob es sich um eine unterbrochene Sitzung oder um eine ganz neue Sitzung handelte.

    (Zustimmung links.)

    Außerdem ist in dieser Sitzung unser Sprecher so häufig an der Geltendmachung der Anzweiflung der Beschlußfähigkeit gehindert worden,

    (Lachen und Zurufe bei den Regierungsparteien)

    daß man schon aus diesem Grunde von einer ordnungsmäßigen Durchführung dieser Sitzung nicht sprechen kann.
    Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff -- man hat richtig bemerken können, mit welcher inneren Befriedigung er unseren Tarif mit dem Tarif der russischen Zone verglich -- hat auf den Tarif der russischen Zone hingewiesen. Wir haben daran nichts auszusetzen. Aber ich erinnere mich einer Zeit, in der auch den Regierenden nichts anderes übrigblieb, als immer wieder Vergleiche mit Rußland anzustellen. Über diese Zeit sollten wir doch hinaus sein. Wir haben uns insbesondere auf den Vergleich mit den englischen Verhältnissen beschränkt, und da brauche ich den Zahlen. die ich vorhin genannt habe, . nichts hinzuzufügen.
    Ich möchte auch meinen Ausführungen nichts hinzufügen, die sich mit dem beschäftigten, womit nachher der Herr Kollege Neuburger hier sich noch einmal auseinandersetzte. Ich möchte nur sagen: wir können nicht Nominallöhne mit Nominallöhnen vergleichen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir können nicht Nominallöhne aus 1926 oder
    1937 zum Vergleich mit den Nominallöhnen im
    Jahre 1950 heranziehen. Wir können auch die
    Steuerbelastung nicht in der Form miteinander 0 vergleichen, wie es hier geschehen ist. Dabei möchte ich nur noch auf das eine hinweisen, worauf ich schon vorhin hingewiesen habe, daß nach dem bekannten Jecht -Gutachten die kleinen Einkommen- und Lohnempfänger in Deutschland fünfmal soviel Steuern schon vor dem Kriege zu zahlen hatten wie in England.

    (Zuruf von der CDU: Dann müssen Sie Engländer werden!)

    Der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff hat dann gesagt, Investitionen seien kein Selbstzweck. Das ist ein sehr großes und gutes Wort. Investitionen sollen kein Selbstzweck sein. Wir haben aber gerade bei dieser Regierungsvorlage das Gefühl. als ob hier aus den Investitionen und aus der Selbstfinanzierung ein Selbstzweck gemacht würde.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Wir können unter keinen Umständen dem zustimmen, daß neben den erheblichen Tarifsenkungen, die Sie beschließen wollen, noch die §§ 10 a und 32 a bestehen bleiben; denn das würde eine Kumulierung der Steuervergünstigungen bedeuten, die weit fiber das erträgliche Maß hinausgeht. Der Herr Bundesfinanzminister bezieht sich so gern auf die Ausführungen der Länderfinanzminister jedenfalls bei der Beratung dieses Gesetzes. Ich bitte. mir zu erlauben. einmal die Ausführungen des Herrn Finanzministers von Hessen, nämlich des Herrn Dr. Hilpert, hier bekanntzugeben, der bei der Beratung im Bundesrat folgendes gesagt hat:
    Nun ist es natürlich sowohl vom Standpunkt der Veranlagung wie aber auch vom finanziellen Standpunkte aus gesehen unmöglich, auf der einen Seite das ganze Maß der Bewertungsfeinheiten und Ausweichmöglichkeiten des gut beratenen Steuerpflichtigen aufrechtzuerhalten
    —§ 10a und §32a--
    und auf der anderen Seite noch den Tarif zu senken
    Das ist genau dasselbe, nur mit etwas anderen Worten, was der Herr Kollege Seuffert 7u den Tarifsenkungen im Verhältnis 7U den §§ 10 a und 32 a gesagt hat. Aus diesem Grunde lehnen wir unsere Zustimmung zu den §§ 10 a und 32 a ab.
    Ich verweise noch einmal auf das. was der Herr Direktor Abs zur Kapitalbildung und zur Selbstfinanzierung gesagt hat. Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat mich hier zum zweiten Mal mißverstanden. Ich habe das Wort Unternehmer überhaupt nicht gebraucht, genau so wenig, wie ich es seinerzeit im Ausschuß gebraucht habe. Ich habe größte Hochachtung vor jedem unternehmerischen Menschen und suche diesen unternehmerischen Menschen in allen Kreisen der Bevölkerung ohne Rücksicht auf Einkommen und Steuerpflicht. Aber, Herr Kollege Höpker-Aschoff, wir haben eine solche Hochachtung vor Ihrem Denken, daß wir uns gar nicht vorstellen können, daß Sie so primitiv denken, daß es außer der freien Wirtschaft nur noch die Zwangs- und Staatswirtschaft gibt.

    (Sehr gut! bei der SPD.)

    Wir denken, wenn wir von einer gelenkten oder einer geplanten Investition sprechen, nicht an all die Reminiszenzen aus der Zeit der Zwangswirtschaft. Wir denken nicht an eine absolute staatliche Zwangslenkung. Wir suchen einen gesunden
    1532 Deutscher Bundestag -- 45. Sitzurig. Bonn, Freitag, den 3. März 1950

    (Dr. Koch)

    Mittelweg. Ich darf in diesem Zusammenhang auf das verweisen, was unser Kollege Professor Schmid in seinen Ausführungen zur Regierungserklärung gerade über diesen Punkt gesagt hat.
    Sie haben das Risiko erwähnt, das die Unternehmer haben, die ihr Geld anlegen und verlieren und so eine höhere Verantwortung tragen als andere. Ich meine, wir sollten doch daran denken, daß dem Unternehmer, wenn er sein Geld verloren hat, in aller Regel noch so viel übrigbleibt, daß er davon leben kann. Das sagte neulich ein Unternehmer aus meinem Wahlkreis, als er um ein Darlehn einkam. Er brachte diesen Gedanken, indem er sagte: Es handelt sich ja nicht um mich, es handelt sich um meine Arbeitnehmer; wenn ich dieses hohe Darlehn nicht bekomme, muß ich einen Großteil dieser Arbeitnehmer entlassen; ich habe immer noch so viel, daß ich sehr anständig davon leben kann, aber was machen dann diese armen Menschen?
    Wir sollten auch nicht vergessen, daß die Fehlinvestitionen, wenn sie auf dem Wege über diese Kapitallenkung erfolgen, wie die Regierungsvorlage sie will, nicht nur dem Unternehmer verlorengehen, sondern daß damit wieder eine ganze Menge Arbeitskräfte freigesetzt werden.
    Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat noch einmal die ganze Klaviatur der freien Wirtschaft durchgespielt, ohne daran zu denken, daß wir ja auch hier in der Regierungspolitik nicht mehr von freier Wirtschaft sprechen, sondern von einer sogenannten sozialverpflichteten Marktwirtschaft. Ich glaube aber nicht, daß es angebracht wäre, sich jetzt noch einmal mit dieser neuen Wirtschaftsform auseinanderzusetzen.
    Der Herr Kollege Höpker-Aschoff hat meine Zahlen angezweifelt. Das hat mich natürlich am meisten bekümmert. Ich habe davon gesprochen, daß bei einem Jahreseinkommen von 1200 Mark die Steuerermäßigung 0,75 Prozent — und nun bitte ich aufzupassen -- des Einkommens betrage. Ich habe versucht, Ihnen das noch klarzumachen, Herr Höpker-Aschoff, während Sie Ihre Ausführungen machten — aber auf diesen Zwischenruf sind Sie nicht eingegangen --, damit Ihnen die Möglichkeit bliebe, das Weitere auszuführen. Ich nenne diese Zahlen noch einmal; denn sie sind für diese Regierungsvorlage grundlegend. Bei einem Einkommen von 1200 D-Mark im Jahr beträgt die Steuerermäßigung noch nicht einmal 1 Prozent vom Einkommen.

    (Abg. Neuburger: Nein! Bei 1200 D-Mark ist Steuerfreiheit gegeben!)

    Herr Kollege, ich erinnere Sie an die Tabelle B, wie ich es schon vorhin getan habe. Bei einem Einkommen von 2 400 D-Mark beträgt die Steuerermäßigung noch nicht einmal 2 Prozent vom Einkommen, während sie bei einem Einkommen von 60 000 D-Mark 20 Prozent beträgt.

    (Hört! Hört! rechts.)

    In diesem Zusammenhang ist schon einmal ein Sprichwort gebraucht worden. Ich möchte dieses Sprichwort um ein weiteres ergänzen, das auf diese ganze Vorlage zutrifft: „Wer da hat, dem wird gegeben!" Oder lassen Sie es mich in meiner plattdeutschen Heimatsprache — und damit bleibe ich noch parlamentarisch — so ausdrücken: „De Düwel schitt up den hohen Barg", womit ich nicht gesagt haben möchte, daß der Finanzminister dieser Düwel ist.
    Der Herr Kollege Neuburger hat sich mit unseren Argumenten nicht so sehr auseinandergesetzt.

    (Abg. Neuburger: Er hat es auch nicht gewollt!)

    — Er hat es auch nicht gewollt. Er ist lediglich von der Grundkonzeption dieses Gesetzes ausgegangen -- wie er sagte —, um zu erklären, daß alle unsere Abänderungsanträge mit dieser Grundkonzeption nicht in Einklang zu bringen seien. Aber gerade diese Grundkonzeption ist es ja, die wir anfechten und die wir für absolut falsch halten. Auch wir, Herr Kollege Neuburger, sind gegen die verschwenderischen Spesenausgaben, wie wir schon gesagt haben. Aber wir wollen diesen Ausgaben nicht dadurch zu Leibe gehen, daß wir die Steuern senken, sondern dadurch, daß wir nach anderen Wegen suchen. Wir haben dem Herrn Finanzminister dazu die verschiedensten Vorschläge gemacht.
    Mit keinem Wort ist der Herr Kollege Neuburger auf die sozialen Notwendigkeiten eingegangen, von denen wir gesprochen haben.

    (Abg. Neuburger: Das ergibt sich ja aus der Gegenüberstellung!)

    Wir haben nach seinen Ausführungen beinahe das Gefühl, als ob es Schäden tatsächlich nur in der Wirtschaft gäbe und als ob es nicht Millionen von Kriegsbeschädigten und anderen gäbe, die in diesem Krieg alles verloren haben. In diesen Tagen weilt hier in dieser Stadt ein Mann, dessen Name wir alle immer mit der höchsten Hochachtung und der größten Dankbarkeit nennen sollten: Victor Gollancz. Gollancz hat sich nach einer Mitteilung der „Neuen Zeitung" zu den großen sozialen Niveauunterschieden in Deutschland geäußert, die durch dieses Gesetz noch vertieft werden. Darüber wird berichtet:
    Der britische Publizist und Verleger Victor Gollancz erklärte bei seinem Besuch in Nürnberg, die Lebenslage der Kriegsbeschädigten habe sich zwar seit seinem letzten Besuch überraschend verbessert, —

    (Zuruf von der CDU: Na also!)

    die Lage der notleidenden deutschen Bevölkerung sei jedoch ungleich schlechter als die der gleichen Kreise in England. Dagegen hat er
    — so meint Gollancz
    schon in den wenigen Stunden seiner Anwesenheit feststellen können,
    — nun kommt das Wesentliche —
    daß der Lebensstandard der sogenannten oberen Schichten in Deutschland wesentlich besser sei als in seiner Heimat.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    Darin sehe er eine nicht zu unterschätzende innerpolitische _Gefahr.
    Auf diese großen sozialen Unterschiede kommt es an. Um dieser großen sozialen Unterschiede willen haben die Gewerkschaften in ihrer Stellungnahme ihre Stimme erhoben, und ich betone noch einmal: der Tarif wird der Maßstab sein, an dem Ihre Handlungen gemessen werden.

    (Beifall bei der SPD.)