Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der größte Teil der Autoritäten auf dem Gebiete des internationalen Rechts und vor allen Dingen die Majorität auch der deutschen Rechtswissenschaftler sind der Überzeugung, daß die Alliierten nach der Kapitulation Deutschlands gegenüber Deutschland die Pflichten eines Vormundes gegenüber seinem Mündel übernommen haben.
Wenn infolgedessen nach der russischen These nur der Kontrollrat als die Vereinigung dieser vier Mächte und als der eigentliche Souverän Deutschlands zuständig war und der Kontrollrat als solcher sich an der Kopenhagener Konferenz nicht beteiligte, dann war es zum mindesten die Pflicht jeder einzelnen Besatzungsmacht, auf dieser Konferenz für eine entsprechende Vertretung der ihrer Souveränität unterstellten Zone Sorge zu tragen.
.War dies nun der Fall oder nicht? Wir müssen an Hand der Dokumente, die uns über die Kopenhagener Konferenz nicht direkt übermittelt worden sind, sondern die wir nur durch freundliche Vermittlung einzelner Besatzungsmächte überhaupt einsehen konnten, feststellen, daß keine der vier Besatzungsmächte auf der Kopenhagener Konferenz vertreten war.
Das heißt also, daß die Pflichten des Vormundes gegenüber dem Mündel Deutschland nicht erfüllt worden sind.
Denn wir stehen doch wohl alle gemeinsam auf dem Standpunkt, daß ein Vormund nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegenüber seinem Mündel hat.
Es ist also dazu gekommen, daß sich überhaupt keine Stimme zu Gunsten dieses 66-Millionen-
Volkes erheben konnte und daß infolgedessen dort über- das immer noch stärkste Volk Mitteleuropas Beschlüsse gefaßt worden sind, ohne daß diesem besiegten Volk die Möglichkeit einer Äußerung gegeben wurde. Es braucht uns infolgedessen auch nicht zu wundern, wenn das Ergebnis dieser Kopenhagener Konferenz entsprechend ausgefallen ist.
In der Zwischenzeit haben lediglich die Vereinigten Staaten von sich aus erklärt, daß sie das Ergebnis von Kopenhagen nicht anerkennen, während England und vor allen Dingen Frankreich eine solche Äußerung noch nicht getan haben.
Welches sind nun die unmittelbaren Folgen der Kopenhagener Konferenz? Ich habe bereits geschildert, daß hier eine ganz einseitige Verlagerung der Sendemöglichkeiten zugunsten des Ostens vorgenommen worden ist. Eine bekannte deutsche Zeitung hat nicht zu Unrecht diesen Vorgang in Kopenhagen als „eine verlorene Schlacht des Westens im Kalten Krieg" gekennzeichnet.
Ich glaube, daß dies durchaus zutreffend ist. Wir stehen heute vor der Tatsache, daß zwar der Sender Leipzig in der ganzen Westzone hörbar ist, daß aber umgekehrt keine deutsche Station in den Westzonen die Möglichkeit hat, in nennenswerter Weise in die Ostzone auszustrahlen. Wir stehen ferner vor der Tatsache, daß eine ganze Zahl von Kreisen längs der Ostzone heute keine Sender der Westzone hören können, sondern lediglich Meldungen und Nachrichten aus der Ostzone erhalten.
Wir können also nicht davon sprechen, daß dem berechtigten Anspruch dieser Kreise auf Rundfunkversorgung aus den Sendern der Westzone irgendwie Genüge getan worden ist. Wir haben auch keine Sendemöglichkeiten nach der Ostzone erhalten.
Nun sind uns als Ausweg zwei Vorschläge gemacht worden. Es wird gesprochen von den Verwendungsmöglichkeiten der Ultra-Kurzwelle und zweitens von der Möglichkeit des Drahtfunks. Ich möchte mich nicht mit dem Drahtfunk befassen, weil seine Verwendungsmöglichkeit ziemlich beschränkt, vielleicht sogar ausgeschlossen erscheint. Ich möchte mich mit den Möglichkeiten der Ultra-Kurzwelle befassen und zunächst folgendes bemerken. Wenn es zum Inkrafttreten des Kopenhagener Wellenplans käme und wir infolgedessen in weiten Teilen vor allen Dingen des Südens von Deutschland, um störungsfreie Sendungen zu erhalten, dazu übergehen müßten, die Ultra-Kurzwelle zu benutzen, dann würde das bedeuten, daß wir eine ganz große Anzahl von neuen Ultra-Kurzwellensendern errichten müßten. In Württemberg-Baden zum Beispiel brauchten wir allein 18 derartige neue Sender, und jeder dieser Sender würde ungefähr 250 000 D-Mark kosten. Insgesamt würden wir einen Bedarf von über 28 Millionen allein für neue Sendestationen haben, und zum Empfang der Ultra-Kurzwelle würde der größte Teil der deutschen Empfangsgeräte-Besitzer neue Vorsatzgeräte brauchen, die heute zwischen 60 und 140 D-Mark kosten. Daraus ergeben sich ganz enorme Summen, die von Fachleuten auf 300 bis 400 Millionen D-Mark geschätzt werden.
Ich habe gerade in den letzten Tagen von einer außerordentlichen, und zwar bösen Überraschung gerade auf dem Gebiete der Ultra-Kurzwelle Kenntnis erhalten. Von Fachleuten ist mir versichert worden, daß die bisherige Annahme, man könne mit Ultra-Kurzwelle so weit senden, wie man von einem Sender aus sehen könne, das heißt, wenn er auf einem Berg gebaut ist, ungefähr 40 bis 60 km, sich als unhaltbar erwiesen hat und daß Probesendungen vom Sender Feldberg aus und auch andere Probesendungen ergeben haben, daß diese Wellen in bestimmten Intervallen wiederkehren und sie bis 1000 km ausstrahlen können. Damit scheinen die bisherige These und die daran geknüpften technischen Erwartungen hinfällig geworden. Es ergäbe sich daraus auch die Unmöglichkeit, ganz Deutschland mit einem solchen kleinen neuen Ultra-Kurzwellen-
Sendenetz zu überziehen und auf diese Weise die Rundfunkversorgung sicherzustellen.
Wenn das der Fall ist, müssen wir mit doppelter Energie darauf bestehen, daß die Mittelwellen zunächst solange erhalten bleiben, bis die Forschung auf dem Gebiete der Ultrakurzwelle so-.
viele neue Möglichkeiten erschlossen hat, daß mit einer sicheren Radioversorgung gerechnet werden kann.
Welche Folgerungen ergeben sich nun für uns aus den eben geschilderten Tatsachen? Ich glaube, die erste Forderung muß folgende sein. Wenn schon nicht durch deutsches Verschulden, sondern durch das offensichtliche Verschulden der Besatzungsmächte das deutsche Volk auf einem Gebiet, das nicht das Geringste mit Rüstung oder mit einer Bedrohung der Sicherheit der Alliierten zu tun hat, in eine solche Notlage geraten ist, so müssen wir, glaube ich, alle darauf bestehen, daß zumindest uns Deutschen überlassen wird, mit dieser Notlage auch innerhalb Deutschlands fertig zu werden. Das heißt, wir müssen die Forderung erheben, daß die Funkhoheit für diese Wellen wieder in deutsche Hand übergeht. Denn gegenwärtig haben wir den Rechtszustand, daß die Oberkommission sich laut Artikel 3 des entsprechenden Rundfunk- und Pressegesetzes folgendes vorbehalten hat.
Erstens: Ohne die Genehmigung der Alliierten Hohen Kommission dürfen neue Rundfunk-, Fernseh- oder Drahtfunksender nicht eingerichtet, noch Anlagen dieser Art einer anderen Verfügungsgewalt unterstellt werden. Der deutsche Funksendebetrieb muß in Übereinstimmung mit der von der Alliierten Hohen Kommission festgesetzten Zuteilung von Frequenz- und Sendeleistung durchgeführt werden.
Zweitens: Internationale Übertragungen, Sendungen in fremder Sprache, Verhandlungen mit dem Ausland über Rundfunksendungen bedürfen der vorherigen Zustimmung der Alliierten Hohen Kommission.
Die deutsche Postfernmeldeverwaltung darf also weder Rundfunksendestationen selbst betreiben, noch kann sie ehe Verleihung für das Errichten und den Betrieb von Rundfunksendestationen innerhalb des Bundesgebiets aussprechen. Ich glaube, Sie sind alle mit mir der Überzeugung, daß eine solche Bestimmung einfach unhaltbar geworden ist, wenn der Kopenhagener Plan in Erfüllung geht und auf Deutschland angewandt wird.
Die zweite Notwendigkeit, die sich aus dem eben Gesagten ergeben würde, ist die, daß man es uns Deutschen überläßt, innerhalb des Bundesgebiets eine Einigung über die Verteilung der uns noch gebliebenen sechs Wellen zu erreichen. Sie wissen alle, daß dabei vor allen Dingen die amerikanische Zone in eine überaus schwierige Lage gerät, weil wir dort vier Sendegesellschaften haben, aber nur zwei Wellen zugeteilt erhielten. Hier muß eine innerdeutsche Einigung erfolgen, wenn es auf diesem Gebiet nicht zu einem Chaos kommen soll.
Wir werden ferner eine bundesgesetzliche Regelung brauchen, um nach den eben geschilderten Erfahrungen mit der Ultrakurzwelle ein Chaos auf innerdeutschem Gebiet zu verhindern. Wir werden ferner die Regierung bitten müssen, bei der Hohen Kommission vorstellig zu werden mit dem Ziel, daß die Bundesrepublik auf den demnächst bevorstehenden neuen Konferenzen auf dem Gebiet des Fernmeldewesens beteiligt wird, wenn nicht als ordentliches Mitglied, dann doch zumindest als außerordentliches Mitglied.
Ob die hier aufgezeigten Entwicklungen nicht die Notwendigkeit eines Rundfunkgesetzes heraufbeschwören, wird bereits die allernächste Zeit erweisen. Ich glaube, daß das ganze deutsche Volk ein Anrecht darauf hat, recht bald von der Regierung zu hören, was sie in dieser Beziehung zu tun gedenkt. Sie sind wohl alle mit uns der Überzeugung, daß die Interpellation, die hier fast alle Parteien des Hauses gemeinschaftlich eingebracht haben, mit Recht das allerstärkste Interesse nicht nur der deutschen, sondern auch der internationalen Öffentlichkeit beanspruchen darf.