Rede:
ID0104501800

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Metadaten
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    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Herr: 1
    5. Abgeordneter: 1
    6. Dr.: 1
    7. Bertram.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag - 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950 1507 45. Sitzung Bonn, Freitag. den 3. März 1950. Geschäftliche Mitteilungen 1507C Einspruch des Abg. Seuffert gegen seinen Ausschluß in der 41. Sitzung (Drucksache Nr. 644) 1507D Dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes (Drucksachen Nr. 623, 566 und 317); Anträge (Drucksachen Nr. 640, 641) 1508A Dr. Koch (SPD) 1508A, 1531A, 1536C, 1545C Rische (KPD) 1516A, 1542B Loritz (WAV) 1520B, 1549A Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) . . . 1521D Dr. Besold (BP) 1524A Seuffert (SPD) 1524D, 1534D, 1536D, 1537A, B, 1542D, 1543A, 1544D, 1548A, 1550A Dr. Bertram (Z) 1527C, 1537A, C, . . . . . . . 1543A, 1546A, 1549B Neuburger (CDU) 1529C, 1541C, 1545B, 1548B, D Pelster (CDU) 1532D, 1541D Schäffer, Bundesminister der Finanzen 1535B, 1539A, 1540B, 1545D Freudenberg (FDP) 1538A Mertins (SPD) 1538B, .1540D Bazille (SPD) 1539A Renner (KPD) . . 1539B, 1544A, 1547B Höfler (CDU) . .. . . . . . 1540A Wönner (SPD) 1542B Dr. Greve (SPD) 1543B Dr. Oellers (FDP) 1545C Meyer (Bremen) (SPD) 1546D Dr. Wellhausen (FDP) 1547C Interpellation der Abgeordneten Dr. Vogel, Ollenhauer, Mende u. Gen. betr. Kopenhagener Wellenplan (Drucksache Nr. 611) 1550A Dr. Vogel (CDU), Interpellant . . . 1550B Schuberth, Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen . . 1552C Interfraktioneller Antrag betr. Überweisung von Anträgen an die Ausschüsse (Drucksache Nr. 649) . . . . . . 1554A Nächste Sitzungen 1554A Die Sitzung wird um 14 Uhr 10 Minuten durch den Vizepräsidenten Dr. Schmid eröffnet.
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    Rede von Walter Seuffert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Zu diesen Anträgen ja.
    Wir ziehen die Folgerung, daß ein gesunder Steuertarif auf einem der Realität entsprechenden Existenzminimum aufgebaut werden muß, und fordern deswegen das steuerfreie Existenzminimum von 1500 D-Mark jährlich und die dementsprechenden Familienfreibeträge. Mit dieser Forderung wollen wir gleichzeitig wenigstens einigermaßen eine internationale Vergleichbarkeit des Tarifs ermöglichen, damit solche Fehlvergleiche, wie sie in dieser Debatte geboten worden sind, nicht mehr vorkommen können.
    Sie sehen weiter aus unserem Antrag — nunmehr Drucksache Nr. 640 —, daß wir für die Einkommen bis 1500 Mark Steuerfreiheit, für die Einkommen von 1500 bis 3000 Mark, und zwar diejenigen, die nach Abzug der Freibeträge verbleiben, eine Steuersenkung von 40 Prozent statt 16 Prozent nach der Regierungsvorlage, für die Einkommen von 3000 bis 6000 Mark eine Steuersenkung von 30 Prozent statt 16 Prozent der Regierungsvorlage, für die Einkommen von 6- bis 8000 Mark von 16 Prozent, wie auch die Regierungsvorlage, für die Einkommen von 8- bis 12 000 Mark eine Steuersenkung von 10 Prozent für notwendig halten.
    Wir fordern ferner die Aufteilung der Steuer in eine Normalsteuer und eine Zusatzsteuer, mit der Maßgabe, daß Steuerermäßigungen aller Art bei der Normalsteuer, nicht aber bei der Zusatzsteuer angerechnet werden. Da wir nach unserem Steuersystem immer genötigt sind, Steuerermäßigungen durch Abzüge vom Einkommen sich auswirken zu lassen, hat das bekanntlich zur Folge, daß je nach der Höhe des Steuersatzes, das heißt je nach der Höhe des Einkommens, die Begünstigung für einen ganz bestimmten Zweck sehr viel höher ist, je höher der Steuersatz mit dem Einkommen gestiegen ist. Es kommt darauf hinaus, daß der Steuerpflichtige mit einem Einkommen von 100 000 D-Mark nicht nur für ein Kind, sondern auch für 100 D-Mark, die er erspart hat, das Viel-Vielfache von dem bekommt, was der Steuerpflichtige mit einem Einkommen von 3- oder 5000 D-Mark bekommt. Diese Dinge sollen endlich einmal beseitigt werden durch die Aufteilung in Normal- und Zusatzsteuer, das heißt durch das System, wie es in den angelsächsischen Ländern, in den Vereinigten Staaten und in England, seit Jahren sich bewährt hat und in Anwendung ist.
    Wir fordern weiter die Aufhebung der Tabelle B. Die Tabelle B bedeutet nichts anderes, als daß die Bürgersteuer — auch wenn dies der Offentlichkeit nicht bekannt ist -- für Einkommen bis 5000 D-Mark und nur für diese Einkommen bisher weiter erhoben wird. Diesem Zustand ein Ende zu machen ist nun endlich an der Zeit.
    Das ist der Sinn unserer Anträge. Ich glaube, Sie wissen recht gut, daß sie von grundsätzlicher Bedeutung sind. Sie wissen auch recht gut, wer mit seinen Forderungen hinter ihnen steht. Sie wissen aus den Darlegungen der Gewerkschaften, daß diese Anträge sich mit dem Willen der Gewerkschaften decken, und Sie wissen, welche Folgen die Gewerkschaften selber bei einer Nichtberücksichtigung in Aussicht gestellt haben. Ich bin weit davon entfernt, meine Damen und Herren, Ihnen irgendwelche guten Ratschläge geben zu wollen. Ich nehme an, daß Sie sich der Tragweite Ihrer Entscheidung bewußt sind!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Bertram


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FU)

    Meine Damen und Herren! Wenn man die heutige Diskussion hier hört, glaubt man zwei festgefügte Fronten zu haben, auf der einen Seite die unerschütterte Front der Regierungsparteien und auf der anderen Seite die Front der Oppositionsparteien: Bayernpartei, WAV, SPD, KPD und letzten Endes auch wir. So war es aber tatsächlich gar nicht. Diese Einheitsfront hat sich im Ausschuß erst nach einigen schwierigen Verhandlungen ergeben. In Wirklichkeit war es doch so, daß auch seitens der Regierungsparteien einige der heute hier vorgetragenen Gedankengänge ernsthaft erwogen wurden und daß auch einige Ausschußmitglieder der Regierungsparteien diesen Gedankengängen durchaus ihr Ohr geliehen haben.

    (Abg. Dr. Dr. Höpker-Aschoff: Wir haben alles, was Sie uns gesagt haben, ernsthaft erwogen!)

    — Davon bin ich überzeugt. Ich will aber noch einmal erzählen, wie es dann kam, daß diese Neigung einiger Mitglieder des Finanzausschusses sich plötzlich änderte. Es kam nämlich ein denkwürdiger Tag, der Tag, an dem der Herr Finanzminister erklärte, die Argumente, die von unserer Seite vorgetragen würden, seien zwar wahr, aber sie stellten nur die halbe Wahrheit dar, und die halbe Wahrheit zu sagen sei die gefährlichste Form der Lüge.

    (Lebhafte Rufe links: Hört! Hört! — Abg. Hilbert: Bertrams Erzählungen! — Heiterkeit.)

    — Nein, nicht „Bertrams Erzählungen"! Wenn Sie wollen, können Sie es ja nachlesen! — Dann haben Verhandlungen hinter den Kulissen stattgefunden, und es sind uns alle möglichen Dinge bekanntgeworden, aus denen sich schließlich ergab, daß diejenigen Abgeordneten, die bis dahin unseren Standpunkt voll geteilt hatten, sich nun nicht mehr in der Lage sahen, ihn zu vertreten.
    Meine Damen und Herren! Es ist doch wichtig zu wissen, daß hier gar nicht grundsätzlich verschiedene wirtschaftspolitische Anschauungen aufeinanderprallen, wie es Herr Kollege Höpker-Aschoff eben darstellte, sondern daß in der Tat verschiedene der hier vorgetragenen Gedankengänge unbedingte Berücksichtigung verlangen und daß -- ich kann mir nicht anders helfen — lediglich durch ein zu starres Festhalten an dem im Juni 1948 einmal erdachten Tarif diese neueren Gedanken leider nicht mehr berücksichtigt werden konnten.
    Bitte, denken Sie doch einmal an folgendes Beispiel: Bei einem Durchschnittseinkommen von 1163 Mark wird die Steuer gegenüber dem Tarif von 1925 von 46 auf 25 Mark ermäßigt. Das bedeutet also: eine Familie, die 1925 ein Durchschnittseinkommen von 1163 Mark gehabt hätte,
    1528 Deutsche Bundestag — 45. Sitzung. Bonn, Freitag, den 3. März 1950

    (Dr. Bertram)

    .hätte 55 . Mark Steuern bezahlt, also 1108 Mark übriggehabt. Für 1108 Mark konnte sie aber 1925 soviel Waren kaufen, wie sie heute erst für etwa 1600 Mark bekommt. Heute muß sie aber, wenn sie für 1600 Mark die gleiche Warenmenge kaufen will, nicht, wie uns die Regierung durch ihre Prozentrechnung glauben machen will, weniger, sondern ganz erheblich mehr Steuern zahlen. Heute muß sie nämlich für die 1600 Mark, für die sie einkaufen will, 55 Mark Steuern zahlen gegenüber 46 Mark 1925. Sie muß also, um die gleiche Warenmenge zu kaufen, effektiv 9 Mark Steuern mehr bezahlen, und darauf kommt es doch an. Man kann, wenn man ein Rechenkunststück aufmachen will, mit Prozentrechnungen natürlich alles machen. Aber denken Sie einmal daran, daß bei einem Jahreseinkommen von 751 Mark die Steuer nach der Tabelle B sich von 8 auf 6 Mark ermäßigt; das ist eine Senkung von 25 Prozent gleich 2 Mark. Sie können doch nicht im Ernst behaupten, daß das eine effektive Steuersenkung ist!
    Eine richtige Beurteilung der steuerlichen Notwendigkeiten gewinnen Sie erst dann, wenn Sie den Betrag, der dem einzelnen Steuerpflichtigen oder der einzelnen steuerpflichtigen Familie nach Abzug der Steuer noch verbleibt. zu den Kosten für die Deckung der Lebensbedürfnisse in Beziehung setzen. Dieser Gedankengang, daß die Deckung der Lebensbedürfnisse nach dem jetzigen Tarif wenigstens in eben dem Maße wie nach dem Tarif von 1925 gewährleistet sein müßte, ist in der Regierungsvorlage — davon bin ich überzeugt — einfach vergessen worden. Wenn der gesamte Lebensstandard soviel teurer geworden ist, dann muß der Arbeiterfamilie oder der Familie mit nur geringem Einkommen ein entsprechender Nettobetrag übrigbleiben. Mehr wollen wir ja gar nicht. Das ist der Sinn unserer Forderung, die Freibeträge zu erhöhen. Der Nettobetrag, der übrigbleiben soll, muß entsprechend erhöht werden.
    Das war der Gedanke, der eben auch bei verschiedenen Angehörigen der Regierungskoalition volles Verständnis gefunden hatte: Erst das persönliche Eingreifen des Herrn Finanzministers hat dieses Verständnis plötzlich wie Schnee vor der Sonne verschwinden lassen, und zwar von einem Tag zum andern.

    (Hört! Hört! links.)

    Es ist gar nicht so, daß sich hier verhärtete Fronten gegenüberstünden; das scheint nur so. Wenn man diesen Tarif wirklich ernsthaft bearbeiten und ernsthaft durchdenken würde, müßte sich auf dieser Basis ein Kompromiß in der Angleichung der jetzigen Steuern an die effektive Warenversorgung im Jahre 1925 ohne weiteres . finden lassen.
    Ein Einwand, der in diesem Zusammenhang von Bedeutung ist, ist der, daß die finanzielle Belastung für den Staat dann unerträglich würde, weil die Steuerausfälle zu groß seien. Hierzu ist nur folgendes zu sagen. Es ist sicher richtig, daß, wenn wir die Steuern entsprechend dem Tarif von 1925 den gestiegenen Lebenshaltungskosten angleichen würden, Ausfälle entstünden. Aber, meine Damen und Herren, überlegen Sie sich einmal, was eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 1163 Mark denn überhaupt machen kann! Ist es überhaupt gerechtfertigt, kann man es als Abgeordneter vor seinem Gewissen verantworten, dieser Familie jetzt noch Steuern abzuknöpfen?

    (Abg. Hilbert: Eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 1163 Mark zahlt doch keine Steuern!)

    — Eine Familie mit einem Jahreseinkommen von 1163 Mark zahlt nach dem jetzigen Tarif, Tabelle B, 25 Mark Steuern.

    (Zurufe von der CDU: Nein! Stimmt nicht!)

    — Bitte, Sie haben die Tabelle ja vor sich liegen, sehen Sie doch einmal nach!
    Wenn Sie diesen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellen, daß das Existenzminimum nicht angegriffen werden darf, dann wird man sich auch dazu durchringen, die Ausweichmöglichkeiten, die die Staatsfinanzen haben müssen, an anderer Stelle zu suchen, nicht da, wo sie am allerbequemsten zu haben sind. Dann wird man beispielsweise unserem Vorschlag folgen können, die Körperschaftsteuer auf die nichtausgeschütteten Gewinne entsprechend stärker zu erhöhen und dadurch den Ausfall, der bei diesen Einkommensteuergruppen entsteht, wieder wettzumachen.
    Ein zweiter Gesichtspunkt ist schon eben in der Debatte angeklungen: die Bedeutung des Junitarifs. Der Junitarif ist durch die im April 1949 vorgenommenen Steuervergünstigungen ja völlig überholt. Die Vergünstigungen des April 1949 sollten gerade die nicht mögliche Herabsetzung des alten Tarifs auf die vorgeschlagene Höhe wieder wettmachen. Wenn Sie das Einkommensteueraufkommen vergleichen, dann hat auch die Einführung der Vergünstigungen neben der unzweifelhaft eingetretenen starken Komplizierung des Steuerrechts zumindest wieder einen ganz beträchtlichen Rückgang der effektiven Einkommensteuer nach sich gezogen. Es ist doch nicht so, als wenn nun nach dem alten Tarif tatsächlich bezahlt worden wäre, sondern die zahlreichen Vergünstigungen — §§ 7 a ff. usw. haben ein ganz schlagartiges Zurückgehen der Einkommensteuereinnahmen des Staates herbeigeführt. Man hat also an den Einkommensteuerausfällen gesehen, 'daß tatsächlich eine erhebliche Steuersenkung vorgenommen worden ist.
    Nun wird behauptet, die jetzt vorgesehenen Steuersenkungen sollten der Kapitalbildung dienen. Wenn man sich einmal diese Argumentation durchdenkt, so kommt man doch zu der Vermutung, daß der Gedankengang nicht zu Ende gedacht ist. Was wird denn ermäßigt? Es werden doch gerade nicht die Steuern für diejenigen Beträge ermäßigt, die in dem Betrieb verbleiben. Alles, was in dem Betrieb verbleibt, wird — sei es über die Körperschaftsteuer bei den Körperschaften oder über die §§ 10 a, 32 a, 7 ff. — ja schon durch die zahlreichen Vergünstigungsbestimmungen erfaßt. Die jetzige Steuersenkung für die hohen Einkommen kann also nur diejenigen Beträge betreffen, die der Betreffende aus seinem Betrieb herausnimmt. Die übrigen werden ja schon durch die Vergünstigungen viel besser bevorzugt. Das bedeutet also, daß man gerade das tut, was man nicht tun wollte, nämlich die entnommenen Geldbeträge steuerlich außerordentlich zu begünstigen. Diese Beträge können deshalb auch in erheblichem Maße zum Fehlkonsum verwendet werden. Und daß diese Beträge zum Fehlkonsum verwendet werden, darüber belehrt uns ja ein Blick in unser tägliches Leben,




    (Dr. Bertram)

    Es kommt aber ein weiteres Argument hinzu. Der Herr Finanzminister hat uns erklärt, er wolle endlich Schluß machen mit dem System der Selbsteinschätzung — sehr gut und sehr wohl! — und deshalb würden sich auch keine Steuerausfälle ergeben. Wenn dieses System der Selbsteinschätzung -- das heißt, daß die Finanzämter die Erklärungen der Steuerpflichtigen aus Zeitmangel nicht nachprüfen können — jetzt tatsächlich beseitigt werden soll, dann wird es nach der Meinung des Herrn Finanzministers effektiv keine Kapitaleinsparungen in der Wirtschaft geben. Dann kann ja diese Tarifsenkung auch keinen Vorteil für die gesamte Kapitalbildung bieten. Eines von diesen Argumenten ist falsch. Wenn die Steuersenkung tatsächlich der Kapitalbildung dienen soll, dann können auf der anderen Seite nicht durch eine verschärfte Steuerprüfung diese Beträge für die Kapitalbildung wieder fortgenommen werden. Also das eine oder das andere Argument stimmt jedenfalls nicht.
    Wenn ferner darauf hingewiesen worden ist, daß die Investitionen doch von uns allen begrüßt werden müssen, so ist das vollkommen richtig. Je größer der Anteil des Konsumverzichts ist, den wir Deutsche uns jetzt freiwillig auferlegen, desto schneller werden wir wieder aus der Patsche herauskommen. Darüber, glaube ich, sind sich alle in diesem Hause einig. Die Frage ist nur: werden wir mit dem hier vorgeschlagenen Weg überhaupt Konsumverzicht erreichen? Das Gegenteil ist meines Erachtens der Fall. Nur durch die Steuersenkungen in den unteren Stufen werden die traditionellen Kapitalsammelbecken wieder in die Lage versetzt, die Kapitalien zu sammeln, die sie für die volkswirtschaftlich notwendigsten Zwecke dann zur Verfügung stellen können. Ob die Lenkung der Kapitalien nun durch ein . zentrales Organ geschehen soll oder durch die traditionellen Institute, Realkreditinstitute, Sparkassen usw., das mag in dem jetzigen Augenblick dahingestellt bleiben. Aber eines ist doch sicher richtig, daß diese Institute es besser verstehen, als es bei dem jetzigen Zustand der Selbstfinanzierung der Fall ist, der — darüber sind sich sämtliche Beteiligte doch wohl einig — zu ganz erheblichen Fehlinvestitionen auch privatwirtschaftlicher Art führt und führen muß. Ich meine, die Ausführungen, die Herr Direktor Abs gemacht hat, sprechen doch Bände. Er wird sicherlich aus der besten Kenntnis dieser Materie die entsprechenden Ausführungen gemacht haben.
    Dann ist der weitere Gesichtspunkt auch noch nicht in der gebührenden Bedeutung hervorgehoben worden, nämlich die Tatsache, daß die indirekten Steuern eine ständige Tendenz zum Wachsen haben. Nach dem OEEC -Bericht soll im nächsten Jahr die indirekte Steuerbelastung von insgesamt 9 Milliarden D-Mark auf insgesamt 11,5 Milliarden D-Mark ansteigen. Eine entsprechende symptomatische Maßnahme ist jetzt die Ablehnung der Treibstoffpreissenkung durch den Herrn Finanzminister bzw. die von uns verlangte Zustimmung zu der Erhöhung der Treibstoffpreise. Das ist doch auch nichts anderes als eine jetzt vorgenommene indirekte Erhöhung der indirekten Steuern, die wieder die breite Masse trifft und die im gleichen Augenblick mit schärfsten Worten von uns verlangt wird, indem wir hier einer solchen Maßnahme, die ganz einseitig ausgerichtet ist, zustimmen sollen. Wir im Zentrum sind der Ansicht, daß eine Senkung der direkten Steuern, der Einkommensteuer — und das ist das Entscheidende --, keinerlei echte Steuerausfälle aus einem anderen Gesichtspunkt herbeiführen wird. Eine Senkung der Einkommensteuer vor allem in den unteren und mittleren Einkommenstufen wird das herbeiführen, was heute in weiten Teilen der Wirtschaft fehlt, nämlich einen glatten Absatz.
    Es ist doch festzustellen, daß durch die bisherige überstarke Selbstfinanzierung und durch die überstarke und ungemein komplizierte Steuererhebung der glatte Warenabfluß aus den Fabriken in erhebliche Stockung geraten ist. Die Einzelheiten hier auszuführen, würde zu weit führen. Wir sind aber sicher, daß, wenn wir in dieser Form die unteren und mittleren Einkommensteuerstufen begünstigen würden, damit diesen Stufen die Möglichkeit gegeben wird, ihre echten Lebensbedürfnisse zu decken, diese Stockung in der gesamten Wirtschaft, unter der wir leiden, ebenfalls wesentlich günstiger beeinflußt werden könnte als bei einem System, bei dem nur bestimmte konsumtive Zwecke begünstigt würden. ich bin deshalb der Ansicht, daß die Vorlage der Regierung an dem grundlegenden Fehler der Inkonsequenz einerseits und zweitens an dem Fehler einer falschen Beurteilung der volkswirtschaftlichen Daten krankt.

    (Beifall im Zentrum und bei der SPD.)