Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 120. Sitzung des Deutschen Bundestags. Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit für die Bekanntgabe der Namen der entschuldigten Abgeordneten.
Entschuldigt sind die Abgeordneten Imig, Dr. Tillmanns, Höhne und Dr. Seelos.
Ich bitte Sie, von folgenden Änderungen der Tagesordnung, die der Ältestenrat heute vorgesehen hat, Kenntnis zu nehmen:
Von der Tagesordnung ist abzusetzen Punkt 6: Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Erbschaftsteuergesetzes . Dieser Punkt soll in der nächsten Woche auf die Tagesordnung gesetzt werden.
Weiter ist zu streichen Punkt 9 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen über den Antrag der Fraktion der KPD betreffend zollfreie Einfuhr von Tabak, Kaffee und Tee im kleinen. Grenzverkehr (Nrn. 1777, 1896 der Drucksachen). Die Absetzung erfolgt mit Rücksicht auf die weiteren Ermittlungen, die das Bundesministerium der Finanzen vorzunehmen hat.
Des weiteren ist abzusetzen Punkt 10 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Freiherrn von Aretin gemäß Schreiben des Rechtsanwalts Ludwig Schneider a (München) vom 11. Januar 1951 (Nr. 1935 der Drucksachen). Die Absetzung erfolgt auf Antrag des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität.
Ich bitte, weiterhin davon Kenntnis zu nehmen, daß die gestern abgesetzten Punkte auf die heutige Tagesordnung gesetzt werden sollen, und zwar zunächst als Punkt 1 die Fortsetzung der zweiten und die dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen und ferner die Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Margarinepreis (Nr. 1888 der Drucksachen).
Schließlich ist noch auf die Tagesordnung zu setzen die Abstimmung in der Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 — Einzelpläne I, II und III.
— Als einzuschiebender Punkt der Tagesordnung. Wir müssen die Zeit etwas hin- und herschieben; denn für die Erörterung der Margarinepreise steht der Herr Bundesernährungsminister erst ab 14 Uhr zur Verfügung. Wahrscheinlich wird die Abstimmung im Laufe des ersten Teiles der Sitzung erfolgen.
Weiterhin tritt zu Punkt 3 der heutigen Tagesordnung, nämlich der Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Verwendung der Bundesausfallbürgschaft für die deutsche Filmindustrie , ein heute gleichzeitig zu beratender interfraktioneller Antrag betreffend Finanzierung deutscher Filme, hin-
zu, der Ihnen auf Drucksache Nr. 1965 gedruckt vorliegt.
Ich darf annehmen, daß das Haus mit diesen Änderungen der Tagesordnung einverstanden ist.
Ich rufe auf Punkt 1 der Tagesordnung: Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen ;
Mündlicher Bericht des Auschusses für Finanz- und Steuerfragen (Nr. 1895 der Drucksachen).
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Greve als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Der Bundestag hat sich bereits in seiner 104. Sitzung am 6. Dezember 1950 mit dem Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen in zweiter und dritter Lesung zu befassen gehabt. Herr Kollege Dr. Kleindinst hat damals Bericht erstattet, und ich darf mich insoweit auf seine Ausführungen beziehen.
Der Beratung im Bundestag am 6. Dezember 1950 lag der Mündliche Bericht des Ausschusses in Drucksache Nr. 1518 zugrunde. Der Herr Bundesminister der Finanzen hatte in dieser Sitzung beantragt, den vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgeschlagenen § 6 des Gesetzentwurfs nicht anzunehmen, sondern zur Klärung der aufgetretenen Differenzen den Gesetzentwurf noch einmal an den Ausschuß für Finanzen und Steuern und an den Haushaltsausschuß zu überweisen. Der Ausschuß für Finanzen und Steuern hat sich mit dem Gesetzentwurf befaßt, desgleichen der Haushaltsausschuß.
Nicht behoben werden konnte die Differenz, die sich aus der abgeänderten Fassung des § 6 ergab. Es handelt sich darum, daß nach der Vorlage des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht im Gegensatz zu der sonstigen Gepflogenheit die Länder Rheinland-Pfalz und Baden für die von ihnen aufgewendeten Kosten für die Wasserstraßen Beträge von 3 745 000 und 1 234 000 erhalten sollen. Dazu ist folgendes zu sagen. In einer Konferenz der Ministerpräsidenten ist bereits der Grundsatz aufgestellt worden, daß die von den Ländern bisher wahrgenommenen Bundesaufgaben an einem bestimmten Stichtag auf den Bund übergehen sollten, eine vermögensrechtliche Auseinandersetzung jedoch nicht vorgenommen werden sollte. Diese Vereinbarung ist vom Herrn Bundesminister der Finanzen und von den einzelnen Länderfinanzministern bestätigt worden. Zu den Aufgaben, die auf den Bund übergegangen sind, gehören auch die sich aus der Erhaltung der Wasserstraßen ergebenden Aufgaben. Die Wasserstraßenverwaltung selbst stellt nur einen verhältnismäßig kleinen Ausschnitt aus dem gesamten Bukett der Aufgaben dar, die auf den Bund übergegangen sind. Der Herr Bundesminister der Finanzen hat in der 104. Sitzung erklärt, daß für die Bundeswasserstraßen hinsichtlich der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung keine andere Regelung getroffen werden könne, als es im übrigen auch geschehen ist, d. h. daß von dem Tage ab, an dem die Verwaltung der Bundeswasserstraßen auf den Bund übergegangen ist, die Kosten vom Bunde zu tragen sind, daß aber für die Zeit, die vor diesem Termin liegt, irgendwelche Kosten nicht erstattet werden; vor allen Dingen auch deswegen nicht, weil die betreffenden Länder vor diesem Zeitpunkt die Einnahmen aus Steuern und Zöllen gehabt haben, die früher Reichseinnahmen gewesen sind und jetzt wieder Bundeseinnahmen wurden.
Daß es im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu der Abänderung des § 6 gekommen ist, beruht auf einer Zufallsmehrheit, die sich damals ergab. Die Länder Rheinland-Pfalz und Baden berufen sich nach Auffassung des Bundesfinanzministeriums zu Unrecht darauf, daß die Ausgaben zum Teil durch Auflagen der Besatzungsmacht oder durch vom Reich geschlossene internationale Verträge bedingt waren. Das Bundesfinanzministerium weist mit Recht darauf hin, daß die Küstenländer die Seewasserstraßen und die Häfen ebenfalls auf Anordnung der Besatzungsmächte in Ordnung zu halten hatten. Das trifft in erster Linie auf Schleswig-Holstein, auf Niedersachsen, auf Hamburg, auf Bremen zu. Auch bei der Auseinandersetzung mit den eben von mir genannten Ländern ist eine Regelung, wie sie im § 6 des Entwurfs vom Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht vorgeschlagen worden ist, nicht vorgesehen. Der § 6 sollte nach Auffassung des Herrn Bundesministers der Finanzen, wie bereits von mir ausgeführt, in der Fassung der Regierungsvorlage wiederhergestellt werden. Der Ausschuß für Finanzen und Steuern hat beschlossen, daß dem Ersuchen des Herrn Bundesministers der Finanzen stattgegeben werden solle. Er empfiehlt dem Bundestag die Wiederherstellung der Fassung des Regierungsentwurfs, wie sie in Drucksache Nr. 1518 auf Seite 3 abgedruckt ist.
In gleicher Weise hat sich der Haushaltsausschuß des Deutschen Bundestages entschieden. Der Ausschuß für Finanzen und Steuern ist federführend. Der Haushaltsausschuß hat den Ausschuß für Finanzen und Steuern ersucht, durch mich hier zum Ausdruck bringen zu lassen, daß er in gleicher Weise wie der Ausschuß für Finanzen und Steuern dem Hause vorschlägt, die ursprüngliche Fassung des § 6 des Gesetzentwurfs anzunehmen.
Ich habe dem Hohen Hause im Auftrage beider Ausschüsse zu empfehlen, die Wiederherstellung des Gesetzentwurfs in der Fassung der Regierungsvorlage, soweit der § 6 betroffen ist — denn nur um den Fall handelt es sich —, zu beschließen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Meine Damen und Herren, wir fahren in der zweiten Beratung, die wir in der 104. Sitzung begonnen hatten, fort. Ich nehme an, Sie werden sich daran erinnern, daß in § 5 ein Druckfehler enthalten war. Es muß in der viertletzten Zeile nicht „Bundesgesetzblatt", sondern naturgemäß
— 1921! — „Reichsgesetzblatt" heißen.
Der Ältestenrat schlug Ihnen vor, keine Aussprache stattfinden zu lassen. Darf ich annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist?
— Herr Abgeordneter Kemper, der Ältestenrat schlug vor, keine Aussprache stattfinden zu lassen.
— Darf ich fragen, ob das Haus eine Aussprachezeit von 40 Minuten vorsehen will?
— Darf ich fragen, wer dafür ist, eine Aussprache stattfinden zu lassen? — Gegenprobe! — Unzweifelhaft die Mehrheit.
— Selbstverständlich können Abänderungsanträge gestellt werden.
— Dagegen bestehen gar keine Bedenken. Bitte, Herr Abgeordneter Kemper.
Meine Damen und Herren! Meine engeren Freunde bedauern den Vorschlag der beiden Ausschüsse. Wir sind der Auffassung, daß die Dinge damit doch nicht abgetan sein können. Ich werde zunächst mit Genehmigung des Herrn Präsidenten den Änderungsantrag verlesen:
Der Bundestag wolle beschließen:
dem Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen — Nr. 801 der Drucksachen — in der aus der Zusammenstellung in Drucksache Nr. 1518 ersichtlichen Fassung zuzustimmen.
Das ist die Fassung, wie sie vom Rechtsausschuß vorgeschlagen wurde.
Wir sind der Auffassung, daß die Übernahme der bisher von den Ländern wahrgenommenen
Aufgaben durch den Bund nicht gleichzusetzen ist mit der Übergabe der bisher von den Ländern verwalteten Vermögen an den Bund.
Bei der Übergabe von staatlichen Aufgaben auf den Bund im Sinne der Überleitungsgesetze handelt es sich spezifisch um Ausgabeposten, welchen auf der Einnahmeseite Steuern gegenüberstehen. Hier ist der Grundsatz im allgemeinen richtig, daß Vermögensauseinandersetzungen unterbleiben, da das in Betracht kommende Verwaltungsvermögen im Verhältnis zu den mit den Aufgaben verbundenen Ausgaben nur eine untergeordnete Rolle spielt. Beim Übergang der Wasserstraßenverwaltung handelt es sich jedoch im Gegensatz dazu — wenn auch um einen Übergang von Aufgaben — wesentlich um den Übergang von umfangreichen Verwaltungs-, Betriebs- und Gemeingebrauchsvermögen. Es ist daher abwegig, die Materie der Überleitungsgesetze mit der eines Entwurfs über vermögensrechtliche Verhältnisse der Bundeswasserstraßen gleichzusetzen, und von diesem Standpunkt aus ist die Forderung der beiden Länder Baden und Rheinland-Pfalz als unzulässige Abweichung von der Regel zu bezeichnen. Es wird ja wohl seitens des Finanzministeriums anerkannt, daß z. B. das Land Rheinland-Pfalz infolge der außergewöhnlichen Ausgaben zum Nachteil seiner landeseigenen Aufgabe für Zwecke der Wasserstraßenverwaltung Schulden aufnehmen mußte. Hier liegt also ein Sonderfall vor, der mit anderen Fällen, beispielsweise bei Flüchtlingsaufgaben, nicht zu verwechseln ist. Abgesehen von der einleitend getroffenen grundsätzlichen Entscheidung kommen im Falle der Wasserstraßenverwaltung die mit Hilfe der Verschuldung erstellten Anlagen dem
Bund als Vermögenszuwachs zugute. Ich will keine längeren Ausführungen hierzu machen; es ist jedenfalls ein Sonderfall, und man sollte in diesem Falle die Dinge auch von einem Sonderstandpunkt aus betrachten. Es scheint mir eine Forderung der Gerechtigkeit und Billigkeit zu sein, daß der Bund die beiden Länder von ihren Schulden entlastet, indem er ihnen eine Vergütung zukommen läßt. Die Länder der französischen Zone sind im Vergleich mit der Bizone auf sehr vielen Gebieten mit sehr erheblichen Vorbelastungen in den Bund gekommen.
Weder das Gesetz über den Bundeshaushaltsplan 1949 noch das erste Überleitungsgesetz hat ihnen dafür einen Ausgleich gebracht. Wir suchen seit anderthalb Jahren beim Bund dafür Verständnis zu gewinnen, daß diese Vorbelastungen, wenn sie schon nicht ganz ausgeglichen werden, wenigstens im Einzelfall berücksichtigt werden sollten. Das vorliegende Gesetz böte die Möglichkeit, diesem Verlangen in einem bescheidenen Umfang Rechnung zu tragen, und dementsprechend ist unser Abänderungsantrag gestellt. Wie legen weniger Wert darauf, etwas im Gesetz zu verankern, als darauf, in der Praxis den Ländern für diese außergewöhnlichen Ausgaben, die sie im Interesse des Bundes hatten, nun auch eine entsprechende Entschädigung zugute kommen zu lassen.
Sie haben den Antrag des Herrn Abgeordneten Kemper und einer größeren Zahl weiterer Abgeordneter gehört. Der Herr Bundesminister der Finanzen wünscht dazu das Wort zu nehmen.
Das Bundesministerium der Finanzen muß an dem grundsätzlichen Standpunkt festhalten, den es bei den Beratungen des Ausschusses eingenommen hat. Ich darf zunächst einmal feststellen: durch das Überleitungsgesetz ist bestimmt worden, daß die Überleitung der Einnahmen und Ausgaben am 1. April 1950 nach dem Kassenprinzip erfolgt. Ich bemerke, daß dieses Kassenprinzip gewählt worden ist auf Wunsch der Länder und, wie ich feststellen möchte, sehr zum Vorteil der Länder. Der Bund hat, als dieser Grundsatz des Kassenprinzips gewählt wurde, ganz genau gewußt, daß es für diejenigen, die die Verwaltung der Kassen bis damals noch in der Hand hatten, sehr leicht möglich sein wird, das Kassenprinzip zu ihren Gunsten zu handhaben. Wenn wir also über Folgerungen des Überleitungsgesetzes reden wollen, dürfen wie nie vergessen, daß seinerzeit der Bund durch dieses Kassenprinzip gegenüber den Ländern schon ein sehr weitgehendes Entgegenkommen bewiesen hat. Man darf dabei nicht unterscheiden zwischen Übergängen in Einnahmen und Ausgaben, die mit einem Vermögen zusammenhängen, und Übernahme von Einnahmen und Ausgaben aus den laufenden Kassenverwaltungen. Man kann das auch nicht bei der Wasserstraßenverwaltung, weil auch andere Verwaltungsvermögen in der Zwischenzeit auf den Bund übergegangen sind, die eine Ausgabe für Investierung durch den zur Folge haben mußten, der damals dieses Vermögen verwaltet hat. Als Beispiel dafür führe ich die Autobahnen an, in die durch den Aufbau vieler Brücken und sonstige Neubauten viel Geld gesteckt werden mußte. Es ist unmöglich, das nachträglich zu ersetzen, was damals in einer Zeit aufgewendet worden ist, in der die
Teilung eben darin bestand, daß den Ländern die Einnahmen, die heute der Bund hat, noch zur Verfügung gestellt gewesen sind.
In dem besonderen Falle kommt dazu, daß die Einnahmen aus der Wasserstraßenverwaltung in der französischen Zone im Gegensatz zur Bizone in jener Zeit den Ländern und nicht der bizonalen Verwaltung als dem Vorläufer des Bundes zugeflossen sind. Ich möchte weiterhin auch sagen, daß das Argument der Rücksichtnahme auf die Verschuldung der Länder insofern nicht durchschlagend sein kann, als es sich um keinen Ausnahmefall handelt. Eine ganz große Reihe von Ländern mußte damals eine Verschuldung eingehen mit Rücksicht darauf, daß der horizontale Finanzausgleich und der Ausgleich der Lasten noch nicht erfolgt war. Die großen Flüchtlingsländer wie Schleswig- Holstein, Niedersachsen und auch Bayern haben in jener Zeit schwere Schuldenlasten übernehmen müssen, an denen sie heute noch zu tragen haben.
Letzten Endes geht es uns aber auch um einen entscheidenden praktischen Gesichtspunkt. Der Bundesrat hat schon einmal über diese Frage, die hier in dem Abänderungsantrag neu aufgeworfen worden ist, entschieden, und der Bundesrat hat mit allen Stimmen gegen die Stimmen der Antragsteller den Antrag abgelehnt. Wenn wir heute den Antrag wieder übernehmen würden, dann würde wahrscheinlich die Folge sein, daß der Bundesrat bei seiner Einstellung bleibt, weil sie auch auf grundsätzlichen Erwägungen aufgebaut ist, daß der Vermittlungsausschuß angerufen wird und sich da' mit das Gesetz, das hier Gegenstand der Beratung ist, sehr unliebsam und nach dem voraussichtlichen Ergebnis unnötig verzögern wird.
Im übrigen darf ich den Herren Antragstellern folgendes sagen. Der Bundesminister der Finanzen weiß genau, daß steuerschwache Länder in besonderer Notlage sind und manchmal einer Hilfe des Bundes bedürfen. Wenn der Bundesminister der Finanzen gezwungen ist, hier den Weg, den Sie vorschlagen, aus grundsätzlichen Erwägungen abzulehnen, ist damit noch lange nicht gesagt, daß er nicht vielleicht andere Möglichkeiten sieht, um steuerschwachen Ländern entgegenzukommen. Aber Ihr Antrag könnte zur Folge haben, daß andere Hilfsmaßnahmen, über die vielleicht bereits verhandelt wird, dadurch gefährdet werden, weil durch diesen Antrag dem Bunde ein Zuviel an Belastung zugemutet würde.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Begründung des Abänderungsantrags und die Stellungnahme der Bundesregierung gehört. Ich nehme an, daß das Haus bei seinem Beschluß verharrt, eine weitere Aussprache nicht stattfinden zu lassen.
Ich komme zur Abstimmung der zweiten Beratung. Ich rufe auf die §§ 1, — 2, — 3, — 4, —5 in der Fassung der Drucksache Nr. 1518. Ich bitte die Damen und Herren, die den Paragraphen in dieser Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen? — Einstimmig angenommen.
— Herr Abgeordneter Müller, es war mir nicht möglich, Ihre leichte Bewegung mit der rechten Hand als Enthaltung zu erkennen.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag der Abgeordneten Kemper und Genossen, der soeben von Herrn Abgeordneten Kemper vorgetragen worden ist, dem Entwurf eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen in der aus der Zusammenstellung in der Drucksache Nr. 1518 ersichtlichen Fassung zuzustimmen, d. h. also den § ,6 in der Fassung der Drucksache Nr. 1518 auf Seite 3 — auf der rechten Seite — anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Abgeordneten Kemper und Genossen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das zweite war zweifellos die Mehrheit. Der Antrag ist abgelehnt.
Ich komme zur Abstimmung über den Antrag des Ausschusses, § 6 in der Fassung der Regierungsvorlage — also auf der linken Seite der Seite 3 — anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Das erste war zweifellos die Mehrheit.
— Enthaltungen? — Auch das nicht. § 6 ist in der Fassung der Regierungsvorlage angenommen.
Ich rufe weiter auf die §§ 7, — 8, — 9, — 9 a, —10, — Einleitung und Überschrift. Ich bitte die Damen und Herren, die diesen Paragraphen zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Mit überwiegender Mehrheit angenommen. Damit ist die zweite Beratung beendet.
Wir kommen zur
dritten Beratung
des Gesetzes. Ich rufe auf die §§ 1 bis 10, — Einleitung und Überschrift in der Fassung der Beschlüsse der zweiten Beratung. Ich bitte die Damen und Herren, die in der Schlußabstimmung dem Gesetz zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen ganz wenige Stimmen angenommen. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist noch nicht anwesend. Darf ich Ihnen vorschlagen, zur Abstimmung über die Haushaltspläne zu kommen? — Ich werde darauf aufmerksam gemacht, daß mit einem späteren Zeitpunkt für diese Abstimmung gerechnet worden ist. Sind Sie damit einverstanden, daß wir diese Abstimmung noch etwas zurückstellen? — Sie sind damit einverstanden.
Dann rufe ich auf den Punkt 1 der für Donnerstag, den 22. Februar 1951, aufgestellten Tagesordnung:
Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betreffend Wahrung der Eigentumsrechte der Sudetendeutschen im Wertpapierbereinigungsverfahren .
Der Ältestenrat schlägt Ihnen vor: Begründungszeit von 10 Minuten, Aussprachezeit 40 Minuten. — Das Haus ist damit einverstanden.
Zur Begründung der Interpellation hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Nöll von der Nahmer.
Dr. Dr. Nöll von der Nahmer , Interpellant: Meine Damen und Herren! Wir haben in unsere Interpellation einen Auszug aus der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" aufgenommen. Die Meldung
hat bei unseren sudetendeutschen Landsleuten, die aus ihrer Heimat vertrieben sind, große Beunruhigung hervorgerufen, wie wir aus zahlreichen Zuschriften ersehen haben, die namentlich an unsere aus dem Sudetenland vertriebenen Kollegen gerichtet wurden.
Es geht um die Frage, was mit den Wertpapieren wird, die sudetendeutschen Heimatvertriebenen gehört haben und gehören, die aber bei tschechoslowakischen Banken zurückgelassen worden sind und die dem bekannten Wertpapierbereinigungsverfahren nach dem Gesetz vom 19. August 1949 unterliegen. Nach der Pressenotiz hat die tschechoslowakische Regierung diese Wertpapiere angeblich im Wertpapierbereinigungsverfahren angemeldet. Besondere Beunruhigung hat dann hervorgerufen, daß das Amt für Wertpapierbereinigung in Bad Homburg auf Grund einer Anfrage mitgeteilt hat, daß hinsichtlich dieser, sudetendeutschen Heimatvertriebenen gehörenden Wertpapiere „noch keine grundsätzliche Entscheidung über die endgültigen Eigentumsrechte" gefällt worden sei.
Meine Damen und Herren! Wir haben es für notwendig gehalten, die Bundesregierung zu fragen, ob zunächst einmal diese Meldung der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" überhaupt auf Tatsachen beruht und, wenn das der Fall sein sollte, welche Maßnahmen die Bundesregierung ergreifen will, um das Eigentum unserer Mitbürger an diesen Wertpapieren sicherzustellen. Ich darf darauf hinweisen, daß schon in § 21 des Wertpapierbereinigungsgesetzes eine Vorschrift enthalten ist, wonach besondere Schutzmaßnahmen vorgesehen sind, falls auf Grund von „Maßnahmen, die im Währungsgebiet nicht rechtswirksam sind", Ansprüche auf Wertpapiere geltend gemacht werden. Wer die Vorgeschichte des Gesetzes kennt, weiß, daß bei diesem Passus an derartige Fälle gedacht worden ist. Meine Freunde stehen auf dem Standpunkt, daß es allen Grundsätzen der Menschlichkeit widersprechen würde, wenn man diesen schon schwer genug getroffenen Heimatvertriebenen nun auch noch das Eigentumsrecht an dem letzten Teil ihres Besitzes nehmen wollte. Wir sind der Auffassung, daß hier nur eine ganz eindeutige Entscheidung ergehen kann, daß das Eigentumsrecht an diesen Papieren unseren sudetendeutschen Mitbürgern gewahrt werden muß.
Wir wären sodann dankbar, wenn die Regierung noch eine weitere Erklärung abgeben könnte, ob eventuell auch noch von anderen Regierungen derartige Ansprüche angemeldet worden sind, etwa von Polen. Es wäre vielleicht bei dieser Gelegenheit auch zweckmäßig, einmal Klarheit darüber zu schaffen, wie nun eigentlich die Verhältnisse hinsichtlich der Wertpapiere liegen, die Westdeutschen gehören, aber bei Banken in der mitteldeutschen Sowjetzone deponiert sind. Es ist kein Grund einzusehen, weshalb die Banken in der Sowjetzone Depotbescheinigungen für Westdeutsche immer wieder ablehnen. Es ist ja doch wohl selbstverständlich, daß keine Regierung der Sowjetzone das Eigentumsrecht der Westdeutschen an diesen westdeutschen Papieren irgendwie bestreiten wird.
Weshalb also diese Erschwerungen, die uns bei der Durchführung des Verfahrens von der anderen Seite gemacht werden?
Meine Damen und Herren, wir, die wir auf dem Boden des Privateigentums stehen, sind der Überzeugung, daß auch alle ausländischen Regierungen, die mit uns den Gedanken des Privateigentums bejahen, alles tun sollten, damit auch auf diesem Gebiet der Grundsatz des Privateigentums gewahrt wird.
Zur Beantwortung der Interpellation hat der Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums das Wort.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zur ersten Frage der Interpellation ist zu sagen, daß die Meldung, wonach die tschechoslowakische Staatsregierung enteignete Wertpapiere zur Wertpapierbereinigung angemeldet hat, zutrifft.
Die zweite Frage, ob auch andere ausländische Regierungen ähnliche Anträge gestellt haben, ist gleichfalls zu bejahen.
Zur dritten Frage ist auf die Bestimmung des § 21 Abs. 1 Nr. 3 des Wertpapierbereinigungsgesetzes hinzuweisen, wie der Herr Interpellant dies bereits getan hat. Eigentumsübergänge nach dem 1. Januar 1945 auf Grund von Maßnahmen der Hohen Hand werden nur anerkannt, wenn es sich um rechtswirksame Maßnahmen der Behörden oder der Besatzungsmächte des Währ u n g -g e b i e t es handelt. Andere Maßnahmen von Hoher Hand, also von Behörden und Besatzungsmächten außerhalb des Währungsgebietes, werden nicht anerkannt. Danach müssen die Anmeldungen des tschechoslowakischen Staates, soweit sie enteignete Wertpapiere sudetendeutscher Eigentümer betreffen, abgelehnt werden. Entsprechende Beschlüsse der Kammern für Wertpapierbereinigung liegen bereits vor und werden in der Fachpresse veröffentlicht. Wir haben daher auch z. B. in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 26. Januar 1951 einen diesbezüglichen Hinweis gebracht. Weitere Schritte scheinen nicht erforderlich zu sein, da angenommen werden kann, daß die Gerichte auf Grund der klaren gesetzlichen Bestimmungen die Anmeldungen des tschechoslowakischen Staates auch weiterhin ablehnen werden.
Die Rechtslage ist genau die gleiche hinsichtlich der Enteignungen, die in der Ostzone vorgenommen worden sind. Alle mit der Wertpapierbereinigung befaßten Stellen sind über die Verhältnisse in. der Ostzone unterrichtet. Es kann daher damit gerechnet werden, daß die Enteignungen festgestellt und die Entscheidungen der Kammern für Wertpapiersachen wie bisher zugunsten der wahren Berechtigten ergehen werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben die Beantwortung der Interpellation gehört. Ich frage, ob Abgeordnete eine Besprechung der Interpellation wünschen. — Es sind ohne Zweifel keine 50 Abgeordneten, die die Besprechung wünschen. Herr Abgeordneter Kuntscher hat sich zum Wort gemeldet. Er meldet sich auch als einziger, der eine Besprechung wünscht. Es reicht leider nicht aus, Herr Abgeordneter. — Damit ist die Interpellation erledigt.
Der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist noch nicht anwesend.
Meine Damen und Herren, ich glaube, daß wir jetzt doch zur Abstimmung über die Haushaltspläne kommen können. Ich bitte, noch einmal zu klingeln und das anzusagen.
Wir kommen also zur
Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 ; Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß).
Ich darf zu Ihrer Information mitteilen, daß der von Herrn Abgeordneten Dr. Mommer und anderen Mitgliedern des Hauses zum Einzelplan II - Haushalt des Deutschen Bundestags — gestellte Antrag auf Schaffung eines Dokumentationsdienstes — Umdruck Nr. 86 — und der Zusatzantrag der Fraktion der SPD zu diesem Punkt zurückgezogen worden sind.
Meine Damen und Herren! Ich komme zunächst zur Abstimmung über den Antrag des Haushaltsausschusses, Drucksache Nr. 1901, den Haushaltsplan des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts — Einzelplan I — mit den aus der Ihnen zugegangenen Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen und den sich daraus ergebenden Änderungen der Abschlußsummen, im übrigen unverändert nach der Vorlage zu genehmigen. Ich rufe in der zweiten Beratung den gesamten Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts auf. Abänderungsanträge liegen nicht vor. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Haushalt zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Enthaltungen?
— Gegen 5 Stimmen bei einigen Enthaltungen angenommen.
Ich rufe weiter auf die Drucksache Nr. 1902 mit dem Antrag des Haushaltsausschusses, den Haushalt des Deutschen Bundestages entsprechend dem vorgelegten Einzelplan II mit den aus der Zusammenstellung ersichtlichen Abänderungen anzunehmen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Antrag des Haushaltsausschusses zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Diesmal 4 Stimmen. Enthaltunggen? — Ich zähle 4 Enthaltungen. Angenommen.
Ich rufe auf Drucksache Nr. 1903: Haushalt des Deutschen Bundesrates — Einzelplan III — mit den aus der Zusammenstellung ersichtlichen Änderungen. Ich bitte die Damen und Herren, die dem Einzelplan III in dieser Form zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Gegen 4 Stimmen. Enthaltungen? — Bei im Augenblick 3 Enthaltungen angenommen.
Meine Damen und Herren! Damit sind die uns bisher vorliegenden Haushaltspläne, die Einzelpläne I, II und III, in der zweiten Beratung erledigt.
Meine Damen und Herren! Mir ist vor 10 Minuten mitgeteilt worden, daß der Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in 10 Minuten kommen würde. Ich verlasse mich darauf
und darf den gestern abgesetzten Punkt aufrufen: Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Margarinepreis .
Wer wünscht den Antrag zu begründen? — Herr Abgeordneter Müller!
Meine Damen und Herren, ich darf noch bemerken, daß vom Ältestenrat für die Begründung 15 Minuten und für die Aussprache 90 Minuten vorgesehen sind. Ich darf annehmen, daß das Haus damit einverstanden ist.
Bitte, Herr Abgeordneter Müller!
Müller (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Die Ankündigung, daß die Margarinepreise um 40 Pfennig pro Kilogramm erhöht werden sollen, war die Veranlassung für den Antrag der Fraktion der KPD, der Ihnen vorliegt. Ich glaube, daß es keiner weiteren Beweisführung bedarf, daß die Margarine, insbesondere bei den arbeitenden Schichten, eines der Hauptnahrungsmittel geworden ist. Wenn wir den Verbrauch von Margarine und Butter im Jahre 1937 dem Verbrauch im Jahre 1950 gegenüberstellen, ergibt sich, daß der Verbrauch an Margarine im Jahre 1950 gegenüber dem Verbrauch im Jahre 1937 um rund ein Kilogramm pro Kopf der Bevölkerung gestiegen, andererseits aber der Verbrauch an Butter in dem gleichen Zeitabschnitt etwa um die gleiche Menge gesunken ist. Ich glaube, es würde sich jedwede Statistik über die Senkung des Realeinkommens und der Kaufkraft allein dadurch erübrigen, daß man feststellt, wie die breiten Schichten des Volkes dazu übergehen mußten, Margarine anstatt Butter zu kaufen. Das ist wohl auch Beweis genug dafür, daß infolge der steigenden Preise und der sinkenden Kaufkraft auf dem Gebiete der Ernährung für breiteste Schichten der Bevölkerung nicht mehr die Butter, sondern die Margarine das Hauptnahrungsmittel geworden ist. Dazu kommt noch, daß der Margarinepreis bei uns in Westdeutschland im Verhältnis zu den andern Ländern Westeuropas am höchsten ist. Wenn man das alles berücksichtigt, dann erkennt man, glaube ich, daß die Absicht, den Margarinepreis um 40 Pfennig pro Kilogramm zu erhöhen, einen schweren Anschlag darstellt, insbesondere auf die arbeitenden Schichten. Ich bin der Meinung, daß wir diese Frage nicht losgelöst von den anderen Fragen für sich allein betrachten dürfen.
Es war im Frühjahr 1933, als die Nationalsozialisten bei Vornahme einer Erhöhung des Margarinepreises erklärten, das geschehe, damit das Volk mehr Butter kaufen könne. Wir wissen, daß in Wirklichkeit der Grund und die Ursache ganz andere gewesen sind, daß damals mit dieser Politik der Preiserhöhungen bereits die Vorfinanzierung des später ausgelösten Krieges und Raubüberfalls des Hitler-Deutschland auf die andern Länder erfolgte. Ich glaube, auch hier sollten wir ganz eindeutig über die Dinge sprechen. Meine Damen und Herren, wir werden ja noch vielleicht heute oder in den Beratungen der nächsten Zeit Gelegenheit haben, auf den großen Komplex von neuen Anschlägen auf das breite Volk zurückzukommen. Durch die Presse geht ja die Meldung, daß nicht nur ein großes neues Bukett von Steuererhöhungen zu erwarten sei, sondern daß man auch dazu übergehen wolle, z. B. die Mieten für die Altwohnungen um 20 % zu erhöhen. Das fällt alles in denselben Rahmen.
— Jawohl, das gehört dazu. Sie werden nicht so kurzsichtig sein wollen, das zu bestreiten.
Sie werden in dem Augenblick, in dem das Programm vorgelegt wird, schon die Begründung dafür finden, warum das Volk so belastet werden soll.
Ich sage also: auch auf diesem Wege der Belastung des Volkes sollen die Mittel bereitgestellt werden.
Ich glaube aber auch, meine Damen und Herren, daß dann, wenn die beabsichtigte Erhöhung der Margarinepreise durchgeführt wird und damit ein weiteres Sinken der Kaufkraft der arbeitenden Schichten eintritt, eine breite Bewegung gegen diese Pläne, die nun seitens der Regierung in Anschlag gebracht worden sind, entsteht.
Seitens der Regierung ist im Ausschuß erklärt worden, daß man die bisherigen Subventionen zunächst einmal auf zwei Monate weiter zahlen möchte. Dazu möchte ich erklären, daß das für uns keine Sicherung ist, um auf die Dauer eine Erhöhung der Margarinepreise zu verhindern.
Wir sind der Meinung, daß das Haus diesem unserem vorliegenden Antrag seine Zustimmung geben sollte, damit ein Anschlag abgewehrt wird, der in Sonderheit die arbeitenden Schichten treffen würde.
Das Wort hat der Herr Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Margarineverbrauch spielt in der Deckung des Fettbedarfs eine immer größere Rolle. Das trifft bei allen Nationen zu. Es ist nicht uninteressant, daß sogar in den USA in der letzten Zeit eine ganz bedeutende Steigerung des Konsums von Margarine eingetreten ist.
Meine Damen und Herren, der Bedarf der deutschen Bevölkerung an Speisefetten beträgt jährlich zirka 800 000 bis 900 000 t. Davon werden 400 000 t durch Margarine, 270 000 t durch Butter, je 60 000 t durch Speiseöle und Plattenfette und 30 000 t durch Schlachtfette gedeckt. Es ist nun bei der Margarine charakteristisch, daß wir hier wie nicht leicht auf einem andern Gebiet von der Auslandszufuhr ab- hängig sind. Die Rohstoffe, die wir für die Herstellung der Margarine benötigen, stammen zu 90 % aus dem Ausland. Wir hatten in der Nachkriegszeit eine gewisse Deckungsmöglichkeit aus dem Inland durch die Subventionierung des Rapsanbaus. Nach Wegfall dieser Subventionierung ist aber der deutsche Rapsanbau von 1949 auf 1950 von 130 000 t auf 80 000 t zurückgegangen, und es ist nicht anzunehmen, daß der deutsche Ölfruchtanbau sich wiederum erhöht.
Wie ist es nun mit der Beschaffungsmöglichkeit für diese Rohstoffe auf dem Weltmarkt? Sie wissen, meine Damen und Herren, daß in den letzten Jahrzehnten die Sojabohne eigentlich die ausschlaggebende Rolle spielte, seitdem die Mandschurei sich dieser Monokultur zuwandte. Seit Ausbruch des japanisch-chinesischen Krieges, also seit 1936, fällt die Mandschurei immer mehr und mehr aus. Süd-und Nordamerika haben das erkannt und haben ihre Anbaufläche an Ölfrüchten in entsprechendem Maße ausgedehnt. Nun ist aber folgendes eingetreten. Infolge der Steigerung des Lebensstandards sowohl in Süd- als auch in Nordamerika ist diese erhöhte Produktion an Ölfrüchten nicht für den Weltmarkt zur Verfügung gestanden. Der Fettigkeitsverbrauch ist immer ein Barometer für den Wohlstand eines Volkes. So ist der Mehrertrag des Anbaus in Nord- und Südamerika restlos durch den steigenden Verbrauch aufgezehrt worden, so daß es auch schon vor Korea nicht ganz leicht war, den Bedarf an Ölsaaten auf dem Weltmarkt zu decken. Nach Korea haben die Fettigkeiten am raschesten mit Preissteigerung reagiert. Fünf Tage nach Korea hatten wir vielleicht zwei bis drei Grad Preissteigerung im Durchschnitt, während Olivenöl damals bereits über 12 % über den Vor-KoreaPreisen lag. Und nun kam die große Preiswelle vom Juli bis zum Oktober des vergangenen Jahres, die die Preise für die gesamten Fettstoffe auf dem Weltmarkt um 40 % hinauftrieb. Dann kam es zu einem Stillstand. Seit Beginn dieses Kalenderjahres ist auf dem Weltmarkt bei Fettigkeiten aller Art eine neue Preiswelle von 30 % gekommen, so daß wir heute sagen können, daß die Rohstoffpreise für die Margarineerzeugung im Schnitt um rund 70 % über den Preisen vor Korea liegen.
Selbstverständlich hat die Bundesregierung dieser Entwicklung die größte Aufmerksamkeit zugewandt, weil die Versorgung mit Fettigkeiten gerade von der Margarine her doch eine ganz wesentliche Rolle spielt. Was haben wir getan? Es war uns möglich gewesen, vor Korea eine Bundesreserve an Fettrohstoffen im Ausmaße von 40 000 t anzulegen. Sie bestand insbesondere aus wertvollen Olen, vor allem aus Soja. Die deutsche Margarineindustrie ist durch die auftretenden Schwierigkeiten auf dem Weltmarkt bald in sogenannte kompositorische Schwierigkeiten geraten, weil ja für die Herstellung der Margarine immer das Vorhandensein mehrerer Rohstoffe nötig ist. Wir haben nun von der Bundesregierung aus für die Weiterführung der Margarinefabrikation im Laufe der Monate 36 000 t Fettrohstoffe, insbesondere wertvolles Sojaöl, zur Verfügung gestellt. Dadurch ist es möglich geworden, die Höchstpreise für Margarine im Ausmaße von 2,44 DM je Kilo einzuhalten. Gleichzeitig hatte sich die Margarineindustrie verpflichtet, 30 % ihrer Erzeugung in sogenannter Tafelmargarine mit einem Kleinabgabepreis von 2,10 DM zur Verfügung zu stellen. Durch diese Maßnahme ist es möglich gewesen, den Bedarf an Margarine restlos zu decken, wiewohl in den letzten Monaten eine weitere Steigerung der Nachfrage eingetreten ist.
Da die Bundesreserve erschöpft ist, konnte diese warenmäßige Subvention der Margarine mit dem Ziele der Erhaltung des vorherigen Preises nicht mehr weiter durchgeführt werden. Die Bundesregierung hat sich daher entschlossen, für die Zeit vom 1. Februar bis zum 24. Februar eine Subventionierung der Margarine in der Weise vorzunehmen, daß die 83 im Bundesgebiet vorhandenen Margarinefabriken je Kilogramm buchmäßig ausgewiesener Ausgabe von Margarine im Durchschnitt eine Subvention von 40 Pfennigen bekommen, die bei den geringeren Qualitäten höher, bei den besseren Qualitäten niedriger ist. Die Subventionierung der Margarine in dem eben genannten Zeitraum vom 1. bis zum 24. Februar erfordert einen Aufwand von rund 15 Millionen DM. Das Bundeskabinett wird sich in seiner morgigen Sitzung über die Maßnahmen unterhalten müssen, die nach diesem Zeitpunkt zu treffen sind.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man dem Ernst der Dinge, um die es sich hier handelt, gerecht werden will, kann man es sich nicht so leicht machen, wie es uns hier im Antrag Drucksache Nr. 1888 vorgeschlagen wird.
Würden wir nämlich im Sinne dieses Antrags beschließen und würde sich die Regierung dann entsprechend verhalten, dann bliebe der Margarine-industrie zum Schluß nichts anderes übrig, als auf die Erzeugung von Margarine zu verzichten.
Es ist eine Tatsache — jedermann weiß es —, daß wir für die Margarineherstellung in erheblichem Umfang, um nicht zu sagen ausschließlich von ausländischen Rohstoffen abhängen; und was sich bei den Preisen auf dem Rohstoffmarkt, auf dem Weltmarkt, inzwischen getan hat, das zu beobachten haben wir ja auch Wochen und Monate hindurch Gelegenheit gehabt.
Wir, meine Freunde und ich, machen der Regierung allerdings den Vorwurf, daß sie allzu lange gezögert hat, ehe sie in dieser Angelegenheit etwas unternahm, und daß sie sich auch jetzt nur zu einer Lösung aufgeschwungen hat, die in etwa eine gewisse Sicherheit bis übermorgen bietet. Dann werden sowohl die Verbraucher wie die beteiligten Wirtschaftskreise wieder einmal nicht wissen, woran sie sind. Daß das nicht dazu beiträgt, die Versorgungslage zu sichern, meine Damen und Herren, ist ganz klar. Es muß befürchtet werden, daß sich aus der Unsicherheit infolge des Fehlens einer klaren Politik der Regierung in dieser Angelegenheit eine erhebliche Beeinträchtigung unserer Vorratslage ergibt. Das, was dort nicht eingekauft 1 werden kann, kann in der Regel nicht mehr nachgeholt werden, sondern ist der deutschen Versorgung verlorengegangen.
Die sich aus der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt ergebende Preiserhöhung für Margarine ist unserer Meinung nach in dem heute zur Verfügung stehenden Umfang der Kaufkraft nicht mehr unterzubringen. Der Minister selbst hat gesagt, welche zunehmende Rolle die Margarine in der Fettversorgung spielt. Wie empfindlich die Kaufkraft auf Preiserhöhungen reagiert, haben wir gerade jetzt gelegentlich der Preiserhöhung für Butter oder, wenn sie es so lieber hören wollen, der Abschaffung des Saisonabschlages auf Butter gesehen. Der Butterverbrauch ist im Januar viel mehr zurückgegangen, als man es mit dem Hinweis auf irgendwelche anderen Gründe erklären könnte. Er hat sich auch im Februar nicht wieder erhöht, und einige von uns wissen j a ganz genau, wie es deshalb in den Kühlhäusern aussieht. Das bedeutet doch nichts anderes, als daß die Verbraucherschichten, die heute ja in ihrer großen Masse unter anderem auch für den Konsum von Butter gebraucht werden, gegenüber den Preiserhöhungen gar nicht anders ausweichen können als durch eine Einschränkung des Verbrauchs. Deshalb muß unserer Meinung nach eine derartige Preiserhöhung unter allen Umständen von den Verbrauchern weggehalten werden.
Die Regierung hat sich jetzt bereiterklärt, die Verteuerung durch Subventionen aufzufangen, allerdings, wie gesagt, nur bis zum 24. dieses Monats, d. h. bis übermorgen. Unserer Meinung nach muß die Regierung an diesem Verfahren unter allen Umständen mindestens so lange festhalten, bis sie imstande ist, im Rahmen ihrer Wirtschaftspolitik — vielleicht muß man heute sogar sagen: im Rahmen des sogenannten neuen Agrarprogramms — ein Verfahren anzubieten, das die Auswirkungen dieser Maßnahmen und der Entwicklung der Preise auf dem Weltmarkt von den Verbrauchern weghält. Meine Damen und Herren, es handelt sich ja nicht darum, einige wenige durchaus zu übersehende Schichten zu schützen; und — das sage ich denen gegenüber, die immer so gerne mit der Idee liebäugeln, man könne ja durch Verbilligungsscheine z. B. hier lindernd oder mildernd wirken —: von einer Preiserhöhung, wie sie hier in Rede steht und wie sie sich nach Fortfall der Subventionen auch bei anderen Nahrungsmitteln von selbst ergeben muß, werden ja leider nicht nur die ganz alten Leute, die Empfänger kleiner Renten betroffen, das geht ja bis weit in die Kreise der in Arbeit stehenden Menschen hinein. Nicht nur die Arbeiter, große Schichten der Beamten und Angestellten können eine solche Preiserhöhung bei einer Ware, die wirklich lebensnotwendig ist, nicht ertragen. Deshalb steht, wie gesagt, die Regierung vor der Notwendigkeit, auf dem Weg über die Subventionen so lange fortzufahren, bis sie andere Mittel, vielleicht wirtschaftlichere Mittel, anzubieten hat, die die Verbraucher vor der Gefahr schützen, sich auf eine gesundheitsgefährdende Weise im Verbrauch eines Nahrungsmittels einzuschränken, auf das billigerweise nicht verzichtet werden kann.
Das Wort hat der Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir bitten die Regierung dringend, auch nach dem 24. Februar ihre Subventionspolitik auf diesem Gebiet unter allen Umständen fortzusetzen. Denn wenn der Margarinepreis nicht mehr gehalten werden kann, dann wird es mit dem heute schon auf Dutzenden von anderen Gebieten unternommenen Versuch des Haltens der Preise aus sein.
Meine Damen und Herren! Der Herr Minister Niklas sprach von einer Reverse von 40 000 Tonnen Margarinerohstoffen, die vor „Korea" vorhanden war. Wir machen der Regierung den Vorwurf, daß sie viel zu spät und in viel zu geringem Umfang die Notwendigkeit der Schaffung einer genügend großen Fettreserve erkannt hat.
Der Vorwurf richtet sich — nebenbei bemerkt — nicht gegen den Herrn Ernährungsminister Niklas direkt, den wir durchaus schätzen. Verantwortlich sind diejenigen, die es verabsäumt haben, diese Vorratsanlegung rechtzeitig in den allgemeinen Wirtschaftsplan der Regierung aufzunehmen und die Mittel dafür bereitzustellen.
Eines, meine Damen und Herren, steht fest: andere Länder haben vorsichtiger gehandelt. Die Schweiz hat — um nur ein Beispiel zu nennen — bereits vor Korea ihre Bürger, ihre Geschäftsleute und die Importeure aufgefordert, sich mit Fett entsprechend einzudecken.
Sie hat Mittel zur Verfügung gestellt, um eine Fettreserve an Rohstoffen zu schaffen. Bei uns hat man das, sogar nach Ausbruch des Korea-Krieges, nicht getan. Ich bin in der Lage, Ihnen schwarz
auf weiß zu beweisen, daß die Preise für die Margarinerohstoffe auf den Weltmärkten mindestens noch in den ersten sechs Wochen nach Beginn des Korea-Krieges ungefähr die gleichen geblieben sind. Nur ganz geringfügige Schwankungen waren damals zu verzeichnen. Auch diese letzte Frist ist von der Bundesregierung leider nicht benutzt worden. Eine Reserve von 40 000 Tonnen für eine Bevölkerung von 47 Millionen ist viel zu gering. Das kann sich jeder sofort im Kopf nachrechnen.
Diese Fehler haben wir nun heute zu büßen. Wir von der WAV haben schon lange vor dieser verfehlten Wirtschaftspolitik der Regierung gewarnt, die für alle möglichen anderen, lange nicht so wichtigen Dinge Gelder zur Verfügung hatte, aber für den Import des Allerwichtigsten, für die Fettgrundlage, nichts oder fast nichts.
Wir stehen heute vor der Lage, daß diese Fehler und Sünden kaum mehr wieder gutgemacht werden können. Unter diesen Umständen bleibt gar nichts anderes übrig, als das bisherige Subventionierungssystem unter allen Umständen wenigstens für die billigen Margarinesorten weiterhin beizubehalten. Das ist es, was ich Ihnen namens der WAV-Fraktion sagen und was ich der Regierung dringendst anempfehlen möchte, wenn sie nicht riskieren will, daß das gesamte Preisgefüge demnächst zusammenbricht.
Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ein Antrag auf Überweisung an einen Ausschuß ist nicht gestellt. — Herr Minister Niklas, bitte.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sowohl der Abgeordnete Kriedemann als auch der Herr Abgeordnete Loritz haben Vorwürfe erhoben, daß die Bundesregierung in zu geringem Umfange Vorsorge getroffen hat. Es sind hier zwei Dinge verwechselt worden. Man hat auf die 40 000 t Fettrohstoffe in der Bundesreserve Bezug genommen. Vor Tische las man's anders!
Man hat mich vor dem Korea-Krieg gefragt, ob ich verrückt wäre, weil ich eine so große Reserve so teurer Rohstoffe hier habe.
Man darf aber die Bundesreserve nicht allein berücksichtigen. In Wahrheit ist es so: Vor Korea haben wir mit allen zu Gebote stehenden Mitteln die Einfuhr von Fettrohstoffen aller Art befürwortet, begünstigt und selbst getätigt. Wir hatten damals eine Versorgungslage für acht volle Monate. Es hat niemals nach 1945 einen Zeitpunkt gegeben, in dem die deutsche Bevölkerung so ausreichend mit Fettrohstoffen versorgt war. Ich leugne nicht, daß Korea und die sich dann anschließenden Devisenschwierigkeiten in dieser guten Situation einen kleinen Rückschritt mit sich brachten. Es hat Zeiten gegeben, in denen wir nur auf drei Monate versorgt waren.
Heute haben wir wiederum 240 000 t Rohstoffe hier liegen und sind auf fünf Monate versorgt.
Das Wort hat der Abgeordnete Kriedemann.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, daß dem Herrn Ernährungsminister ein kleiner Irrtum unterlaufen ist. Ich glaube nicht, daß er mir oder meinen Freunden den Vorwurf machen kann, wir hätten ihn jemals wegen einer zu reichhaltigen Vorratspolitik angegriffen.
— Aber jedenfalls nicht aus dem Kreise meiner Freunde.
Meine Bemerkung bezüglich der Auswirkungen des Zögerns der Regierung auf die Vorratslage bezog sich auf einen ganz anderen Tatbestand. Wir wissen ja, wie gefährlich knapp unsere Vorratsdecke in den letzten Monaten geworden ist. Wir waren einmal sehr froh darüber, soviel Vorrat zu haben, und sind jetzt traurig, daß es nicht mehr so reichlich ist. Auch die Regierung wußte Monate hindurch über die Entwicklung der Preise auf dem Weltmarkt Bescheid. Leider gab es gar keinen Anhaltspunkt dafür, daß diese verhängnisvolle Entwicklung sich kurzfristig wieder in ihr Gegenteil kehren könnte. Ich glaube, daß es notwendig gewesen wäre, die beteiligten Wirtschaftskreise — z. B. die Ölmühlen, die Margarinefabriken und damit auch den gesamten Verbrauch — frühzeitiger über die Absichten der Regierung ins Bild zu setzen, als es geschehen ist. Ich fürchte, daß manche Gelegenheit zur Ausnutzung einer günstigen Einkaufsmöglichkeit dabei notgedrungen verpaßt wurde. Das liegt natürlich im Rahmen der Verantwortung der Regierung.
Lassen Sie mich, da ich schon das Wort habe, noch einmal mit allem Nachdruck unsere Meinung hier zum Ausdruck bringen. An der Politik des Festhaltens der Preise darf nichts geändert werden; nicht eher, als bis die Regierung ein wirksameres oder wirtschaftlicheres Mittel als das der Subventionen anzubieten hat, wenn sie von der Politik abgehen will, zu der sie sich nun — allerdings leider nur bis übermorgen — verpflichtet hat.
Herr Abgeordneter Loritz.
Es war uns sehr interessant, aus der Rede des Herrn Bundesernährungsministers zu entnehmen, daß Rohstoffe für die Margarineindustrie noch für mindestens fünf Monate vorhanden sind.
— Das sagte der Herr Minister wörtlich! — Dann richten wir an sie, die Regierung, die Aufforderung, für diese fünf Monate die Preise noch so zu halten, wie sie jetzt sind, und es nicht zuzulassen, daß die Rohstoffe, die schon vor einiger Zeit eingekauft worden sind, jetzt dazu benutzt werden, um damit auf Kosten der Bevölkerung wucherische Gewinne zu erzielen.
Nach fünf Monaten können wir ja dann, Herr Minister, wieder miteinander sprechen.
Zweitens. Die WAV-Fraktion hat Ihnen, Herr Minister, niemals den Vorwurf gemacht, daß Sie eine zu große Vorratswirtschaft betrieben hätten; im Gegenteil!
Drittens. Ich habe Ihnen schon erklärt, Herr Minister Niklas — Sie haben es vielleicht nicht gehört, weil Sie von einem anderen Herrn ins Gespräch verwickelt wurden —, daß sich unser Vorwurf gar
nicht direkt gegen Sie richtet, sondern gegen die allgemeine Wirtschaftspolitik der Regierung, des Wirtschaftsministeriums und gegen die Ministerien, die für die Finanzierung in Frage kommen.
Viertens möchte ich den Herrn Ernährungsminister bitten, doch einmal nachzurechnen, inwieweit durch die geradezu phantastisch große Reklame, durch die unerhört kostspielige Reklame gewisser Margarinefabriken, die in den deutschen Großstädten Woche für Woche sieben und acht Plakatseiten für ihre Reklame auf den Plakatsäulen benutzen — Sie wissen, Herr Minister, auf welche Firmen ich anspiele; Sie nicken mit dem Kopf, ich danke Ihnen für die Bestätigung —, die Margarine verteuert wird bzw. wie durch eine Unterlassung oder Beschränkung dieser Reklame der Margarinepreis verbilligt oder wenigstens gehalten werden kann.
Das ist es, was wir Ihnen, Herr Minister, auf Ihre Rede noch kurz antworten möchten. Nochmals sprechen wir die ergebenste Bitte aus: Halten Sie den Margarinepreis mit aller Kraft wenigstens noch für die nächsten fünf Monate, solange die schon vorher eingekauften Rohstoffe dafür vorhanden sind!
Das Wort hat der Abgeordnete Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich ergreife das Wort nicht deswegen, weil der Abgeordnete Loritz von mir gesprochen hat; denn die Milchdebatte, die ich damals mit ihm geführt habe, befriedigt mich heute noch.
Ich möchte auf diesen Gegenstand nicht näher eingehen, ich möchte nur in allem Ernst folgendes konstatieren.
Die Äußerungen des Herrn Bund esernährungsministers genügen, glaube ich, zunächst für die nächste Zeit.
Denn es ist in Aussicht genommen, daß über den 24. Februar hinaus eine weitere Subventionierung erfolgt. Aber die Ausführungen des Herrn Loritz sind nach mancher Richtung völlig ungenügend. Er macht hier der Regierung den unberechtigten Vorwurf, daß sie etwa ruhig zusehen würde, wie die Margarinefabrikanten ihre billiger eingekauften Rohstoffe zu Margarine mit höheren Preisen verwenden würden. Das ist nach dem ganzen System der Ordnung der Verhältnisse auf dem Milch- und Fettmarkt nach meiner Überzeugung gar nicht möglich. Hier bestehen noch bestimmte Bindungen, und die Vorratsstellen sind nach wie vor auch in der Lage, mit ihren Vorräten auf eine bestimmte Preisbindung in der Margarineindustrie maßgeblich hinzuwirken. Aber da geht es uns so: man darf es noch so. oft erläutern, es gibt Leute, die verstehen es schon in drei Minuten, es gibt jedoch auch Leute, die verstehen es nach drei Jahren noch nicht.
Deswegen muß man sich darüber beruhigen und darf sich dabei weiter nichts denken.
Es kommt noch der folgende ernste Gedanke hinzu. Wir werden uns, Herr Kollege Kriedemann — und darin werden wir uns sehr rasch miteinander einig sein —, einmal über die ganze Fettlage unterhalten müssen, darüber, wie die Fettversorgung der deutschen Bevölkerung für das nächste Wirtschaftsjahr gestaltet werden soll und welche Sicherungsmaßnahmen hier ergriffen werden sollen. Das System, das uns der Kollege Loritz empfohlen hat, daß wir, wie es die Schweiz getan hat, unsere Bevölkerung auffordern, eine Vorratsdeckung vorzunehmen, möchte ich unter keinen Umständen empfehlen. Das haben wir schon früher einmal beim Zucker erlebt. Das ist nämlich bei einem Land, das mit gewissen ärmlichen Verhältnissen zu rechnen hat, das wie wir in starkem Maße von der Auslandseinfuhr abhängig ist, die verkehrteste Methode. Das ist die Methode des reichen Geldbeutels, bei der derjenige sich versorgen kann, der mehr Geld in der Tasche hat, und bei der der arme Teufel das Nachsehen hat. Ich habe es begrüßt, daß unsere Regierung von solchen Methoden keinen Gebrauch gemacht hat. Wir müssen unsere Versorgung so regeln, daß unsere Bevölkerung, gleichgültig welcher Einkommensschichten, besonders die der niederen Einkommensschichten, einigermaßen durchkommen und leben kann, insbesondere auf dem Fettsektor und vor allem auf dem Gebiet der Versorgung mit Margarine.
Herr Abgeordneter Loritz, Sie haben noch zwei Minuten. Wollen Sie das Wort nehmen? — Ich erteile Ihnen das Wort.
Herr Kollege Horlacher, weil Sie doch angeblich über alles so gut informiert sind, möchte ich Ihnen empfehlen, doch einmal zu Ihren politischen Freunden von der Katholischkonservativen Fraktion in die Schweiz hinüberzufahren. Die haben es nämlich ebenso wie die Sozialdemokraten drüben empfohlen. Alle Parteien in der Schweiz waren sich darüber einig, der Bevölkerung zu empfehlen, solche Vorratskäufe zu machen. Davon haben gerade die Leute mit dem kleinen Geldbeutel profitiert, die sich auf diese Weise im Mai und April des vorigen Jahres rechtzeitig zu billigen Preisen Zucker und alle möglichen wichtigen Lebensmittel anschaffen konnten.
Heute ist es dazu zu spät, Herr Horlacher, da die Preise schon so gestiegen sind und da das Volk diese Preiserhöhungen tatsächlich schon aus eigener Tasche bezahlen mußte. Damals, im Frühjahr 1950, hätten Sie, Herr Kollege Horlacher, der Sie doch angeblich auf wirtschaftlichem Gebiet ein so großer Sachverständiger sind, das Beispiel befolgen müssen, das Ihnen Ihre politischen Freunde in der Schweiz gegeben haben. Kommen Sie also bitte nicht mit solchen sehr fadenscheinigen Gegenerklärungen,
nur damit Sie an mir wieder einmal Ihre Nase reiben können!
Zum Schlußwort für die Antragsteller hat das Wort Herr Abgeordneter Müller .
Willer (KPD), Antragsteller: Meine Damen und Herren! Ein wahrscheinlich sich selbst für geistreich haltender Zwischenrufer behauptete während meiner Ausführungen, daß die Frage der Margarinepreise keine Angelegenheit sei, die mit der Vorbereitung zum Kriege und seiner Finanzierung zusammenhänge. Ich glaube, daß der Zwischenrufer
durch die Ausführungen des Herrn Ministers sehr eindeutig widerlegt worden ist.
Herr Kollege Kriedemann war der Meinung, daß
der Antrag, den meine Fraktion gestellt hat, zu
einfach sei bzw. über das Problem einfach hinweggehe. Aber ich glaube, Herr Kollege Kriedemann,
die Debatte und die Erklärung, die von der Regierung abgegeben worden ist, beweisen, daß dieser
Antrag den Kern der Sache getroffen hat. Mir
scheint es nach den Erklärungen, die von der Regierung hier in der Diskussion abgegeben worden
sind — und darauf will ich meine Ausführungen
jetzt beschränken — notwendig, daß im Hinblick
darauf, daß nach den Erklärungen des Herrn
Ministers erstens noch für etwa fünf Monate eine
Bevorratung vorhanden ist und daß sich zweitens
das Kabinett morgen mit dieser Frage beschäftigt,
das Haus heute dazu Stellung nimmt.
Ich glaube, die Bevölkerung, insbesondere die arbeitenden Menschen, draußen erwarten, daß das Haus dem Antrag seine Zustimmung gibt und durch seine Entscheidung der Regierung die Weisung erteilt, unter keinen Umständen eine Erhöhung des Margarinepreises zuzulassen.
Herr Abgeordneter Kriedemann, ich habe Herrn Abgeordneten Müller zum Schlußwort das Wort gegeben. Wollen Sie auch noch dazu sprechen?
— Herr Abgeordneter Kriedemann, bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nachdem hier der Antrag gestellt worden ist, über die Drucksache Nr. 1888 zur Abstimmung zu kommen, glaube ich, daß ich noch einmal etwas dazu zu sagen habe.
Ich halte in vollem Umfange das aufrecht, was ich vorhin gesagt habe, und wende mich jetzt auch einmal an Herrn Loritz: Wenn die Regierung seinem Rat folgen würde, nichts täte und erst nach fünf Monaten wieder auf die Angelegenheit zurückkäme, würde sie dann höchstens noch mitzuteilen haben, daß wir überhaupt keine Margarine mehr haben.
Bitte, kommen Sie doch in den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, wo wir uns oft sehr eingehend mit diesen Dingen zu beschäftigen hatten. Sie werden dann sehen, daß gerade das Gebiet der Margarineversorgung doch eine etwas kompliziertere Sache ist, als Sie glauben.
Meine Damen und Herren! Das muß man einfach aussprechen, das ist eine Tatsache. Aus der Weltmarktsituation ergibt sich laufend die Verteuerung der Margarinerohstoffe und eine daraus folgende für den Margarinepreis.
Und weil das so ist, versuchen wir, einen Vorschlag zu machen, wie man damit fertig werden kann, nachdem wir gesagt haben, daß eine Preiserhöhung für Margarine nach unserer Auffassung absolut unerträglich ist. Wenn man aber die Margarine nicht teurer werden lassen will, als sie im Augenblick ist, dann kann man die Preissteigerung eben nur mit dem Mittel der Subvention auffangen. Meine Kritik richtet sich dagegen, daß dies erst seit dem
1. Februar geschieht. Es hätte nach der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt — Vorräte hin und her — schon sehr viel länger vorher geschehen müssen.
Ich wiederhole meine Aufforderung an die Regierung, daß sie mit der Subventionspolitik und der Bereitstellung der dafür erforderlichen Mittel zur Aufrechterhaltung des heutigen Margarinepreises und zur Sicherung einer ausreichenden und fortlaufenden Versorgung so lange fortfährt, bis ihr etwas Besseres eingefallen ist. Wir haben in der Richtung leider noch nichts gehört.
Meine Damen und Herren! Ich meine, nicht anders kann dieser Antrag hier erledigt werden, und ich kann mir nicht vorstellen, wie jemand über diesen Antrag hier abstimmen möchte und sich dann einreden wollte, daß das Problem damit gelöst sei.
Einen Augenblick, Herr Abgeordneter Renner! — Herr Abgeordneter Kriedemann, ich darf wohl Ihren Antrag so verstehen, daß der Antrag dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten überwiesen werden soll.
Zum endgültigen Schlußwort hat das Wort Herr Abgeordneter Renner.
Meine Damen und Herren! Wir haben den Antrag in diese Form gekleidet, weil wir der Auffassung waren und sind, daß der Bundestag eine klare, eindeutige Entscheidung in der Richtung fällen muß, daß eine Erhöhung des Margarinepreises von ihm nicht gebilligt wird. Der Herr Abgeordnete Kriedemann will dieser klaren Antwort mit seinem Vorschlage, diesen unseren Antrag erst in den Ausschuß zu schicken, aus dem Wege gehen.
Das Volk draußen ist nicht daran interessiert, mit welchen Methoden der derzeitige Preis der Margarine gehalten werden kann oder soll. Das Volk draußen kann nicht mehr als das bezahlen, was heute von ihm für die Margarine verlangt wird. Das Volk ist also an der Diskussion, ob das in der Form einer Subvention für drei oder vier Monate oder für längere Zeit oder in irgendeiner anderen Form seitens der Regiering gesichert werden soll, absolut uninteressiert.
Aber das Volk verlangt von Ihnen, daß Sie hier nicht noch mehr dazu beitragen, daß die Lebenshaltungskosten erhöht werden. Das Volk kennt die Pläne der Regierung, durch Massensteuern und durch Massenbelastungen die Lebenshaltung noch mehr abzudrosseln.
Das Volk weiß, was Ihre Kriegsvorbereitungen bedeuten. Darum verlangt das Volk von Ihnen eine klare Antwort!
— Deswegen verwahre ich mich dagegen, der Verantwortung dadurch aus dem Wege zu gehen, daß
man hier beantragt, unseren Antrag im Ausschuß zu begraben.
Der Vorwurf, daß das Haus durch Überweisung an den Ausschuß einer Verantwortung aus dem Wege zu gehen wünsche, ist eine Beleidigung dieses Hauses. Das ist die vorgeschriebene und übliche Art der Behandlung solcher Anträge.
Herr Abgeordneter Kriedemann!
Meine Damen und Herren! Wenn man eine sofortige Entscheidung dieses Hauses für erforderlich hält — und ich würde mich einem solchen Versuche gern anschließen —, dann möchte ich Ihnen einen anderen Weg vorschlagen. Ich schlage vor, daß wir in möglichst großer Mehrheit gemeinsam beschließen: Die Regierung wird aufgefordert, den gegenwärtigen Margarinepreis durch entsprechende Subventionen zu halten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Dr. Müller .
Meine Damen und Herren! Ich bin mit dem Herrn Kollegen Kriedemann darin einig, daß die Frage der Margarine-versorgung baldigst und sorgsamst geprüft und alles getan werden muß, um den Margarinepreis so niedrig wie möglich zu halten. Aber eine so folgenschwere Entscheidung kann man nicht aus dem Handgelenk treffen; denn bei den Subventionen, von denen gesprochen wird, handelt es sich um recht erhebliche Beträge, die aus Etatmitteln zur Verfügung gestellt werden müssen. Es ist davon die Rede, daß monatlich ungefähr 15 bis 16 Millionen DM erforderlich seien. Ich bin daher der Auffassung, daß wir in der nächsten Sitzung des Ausschusses mit dem Minister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und dem Minister für Finanzen die Frage gründlich prüfen und dann der Regierung einen Vorschlag machen sollten in einer Form, in der er auch verwirklicht werden kann.
Herr Abgeordneter Kriedemann, darf ich Sie darauf hinweisen, daß Ihr Antrag in dieser Form eine Finanzvorlage darstellt und daher entsprechende Schwierigkeiten macht. Ist es nicht möglich, diese Frage im Ausschuß zu erörtern?
— Dann würden Sie also Ihren Antrag im Augenblick nicht aufrechterhalten?
— Ich danke Ihnen.
— Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erstens würde ich beantragen, den Antrag der KPD als eine Sache, der man vernunftgemäß gar nicht folgen kann, abzulehnen, damit hier reiner Tisch ist.
Zweitens würde ich bitten, den Antrag des Herrn Kollegen Kriedemann — mit dem ich insofern einverstanden bin, als für die nächste Zeit, und zwar nicht bloß bis übermorgen, sondern bis zum Monat März, die Margarinesubvention aufrechterhalten werden soll — unter dieser Voraussetzung dem Ernährungsausschuß zu überweisen. Dann können wir die Sache richtig erledigen.
Meine Damen und Herren, nachdem der Antrag des Herrn Abgeordneten Kriedemann mit Rücksicht darauf, daß er als Finanzvorlage Schwierigkeiten macht, zurückgezogen ist, scheint mir eine Erörterung darüber im Augenblick unzweckmäßig zu sein.
Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag, die Drucksache Nr. 1888 dem Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen. Ich bitte die Damen und Herren, die diesem Antrag zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben.
— Wir sind in der Abstimmung! Ich bitte die Damen und Herren, die der Überweisung an den Ausschuß zuzustimmen wünschen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
— Meine Damen und Herren, der Vorstand ist einmütig der Auffassung, daß es eine einwandfreie Mehrheit war.
— Meine Damen und Herren, es wird vorgetragen, daß nicht klar gewesen sei, worüber abgestimmt werde. Ich hatte nach meiner Überzeugung eindeutig erklärt: wir stimmen ab über den Antrag, die Drucksache Nr. 1888 an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu überweisen.
- Es konnte kein Zweifel an der Fragestellung bestehen. Die Sache ist erledigt.
Ich rufe auf Punkt 2 der Tagesordnung: Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betreffend Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes .
Der Ältestenrat schlägt für die Begründung 15 Minuten und für die Aussprache eine Redezeit von 90 Minuten vor.
Zur Begründung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schmid.
Dr. Schmid (SPD), Antragsteller: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach diesem Kriege herrschte in unserem Volk die allgemeine Erwartung, daß an den Opfern des durch die Siegermächte niedergeschlagenen Nationalsozialismus wiedergutgemacht werden sollte, was ihnen an Bösem angetan worden ist und was noch gutgemacht werden konnte. Man wußte durchaus, daß nicht alles würde wiedergutgemacht werden können. Aber man meinte doch, daß man versuchen müsse und versuchen werde, ehrenhaft zu
handeln, d. h. nach Kräften wiedergutzumachen, was versündigt wurde an den Menschen der Konzentrationslager, an den Juden, an den Leuten, die gegen Hitler gekämpft hatten, an all denen, die Schaden an Leib und Leben, an Gut und Beruf genommen haben, an all den Gefangenen, den Geschändeten, den Witwen, den Waisen, den Geschundenen dieser Zeit und auch an denen, die durch die Verbrechen dieser Zeit aus der Bahn geworfen worden sind. Ich glaube, daß damals in unserem ganzen Volk eine echte und große Bereitschaft hierfür bestanden hat.
Man wußte auch damals noch, daß der Nationalsozialismus nicht nur gegen Menschen gewütet hatte, sondern daß er seinem Wüten gegen Menschen einen ungeheuren Plünderungszug gegen ihre Güter zugesellt hat. „Arisierungen", wie man euphemistisch sagte, wurden durchgeführt, und leider — ich muß es hier sagen — fanden sich schändlicherweise in unserem Volk viele bereit, sich an diesem Raubzug zu bereichern, neben solchen, die der Versuchung nicht widerstehen konnten, weil sie zu schwach oder zu gedankenlos waren, und neben einigen, die glaubten, sie könnten durch einen Kauf jüdischen Gutes ihrem jüdischen Freunde helfen. Aber nicht alle, die heute sagen, sie hätten aus diesem Grunde „gekauft", haben es damals darum getan!
Man hat weiter politische Parteien, man hat die Gewerkschaften, man hat Genossenschaften, Kirchen und kirchliche Anstalten ihres Gutes beraubt, und man wußte in den Monaten nach dem Krieg, daß nichts in Ordnung kommen werde in Deutschland, wenn nicht wieder gutgemacht würde, was in den zwölf Jahren an Bösem geschehen war.
Wie gesagt, man fand dies im Jahre 1945 selbstverständlich, und überall gab es die innere Bereitschaft, das Notwendige zu tun. Nur war das in dem Jahr 1945 nicht so leicht zu schaffen. Es gab Schwierigkeiten: es mußte ein geordnetes Rechtsverfahren gefunden werden; es gab das Kontrollratsgesetz Nr. 52, das es den Ländern gerade auf dem Gebiet der Rückerstattung unmöglich machte, zu tun, was sie für gut hielten und was getan werden mußte. Auf örtlicher Grundlage versuchte man, meistens nach fürsorgerischen Gesichtspunkten, zu helfen, aber das hatte mit dem Problem als solchem nicht sehr viel zu tun.
Schließlich griffen die Länder und die Besatzungsmächte ein; zunächst auf dem Gebiet der Rückerstattung. Es wurden für die drei Zonen die Rückerstattungsgesetze geschaffen: in der französischen Zone die Ordonnance Nr. 120 vom 10. November 1947, in der US-Zone das Gesetz Nr. 59, erlassen von der Militärregierung am 10. November 1947, schließlich in der britischen Zone zwei Verfügungen: die Verfügung Nr. 10 vom 20. Oktober 1947, die im wesentlichen nur die Anmeldungspflicht und das Anmeldungsverfahren regelte, und erst am 12. Mai 1949 ein britisches Gesetz Nr. 59, ähnlich gefaßt wie das amerikanische Gesetz über die Rückerstattung. In Berlin erging am 26. Juni 1949 eine entsprechende Anordnung der Kommandantur.
Durch diese drei Rückerstattungsgesetze ist eine höchst uneinheitliche Rechtslage geschaffen worden. In der britischen Zone, in der amerikanischen Zone und in Berlin besteht eine einigermaßen vergleichbare rechtliche Regelung. Die Regelung in der französischen Zone ist aber völlig verschieden
von der in den anderen beiden Zonen und in Berlin.
Zum Teil besser, Herr Kollege Hilbert, aber sie ist völlig verschieden von den anderen. Man hat in der französischen Zone eine französische Verordnung erlassen in französischer Sprache: der französische Text ist der authentische Gesetzestext. Die deutsche Übersetzung ist nicht authentisch und kann von den deutschen Gerichten ihren Entscheidungen nicht zugrunde gelegt werden. Die französische Ordonnance ist nichts anderes als eine Übertragung des entsprechenden innerfranzösischen Gesetzes nach Deutschland. Es ist nicht möglich, die Rechtsbegriffe, die Rechtsfiguren der Gesetze der anderen Zonen auf die Tatbestände der französischen Zone zu übertragen und umgekehrt.
Diese Verschiedenheit der rechtlichen Regelung bedingt, daß die Anspruchsberechtigten je nach der Zone verschieden sind, daß die maßgeblichen Stichtage anders liegen; die Verfahren sind anders, die Qualifizierung der Anspruchsvoraussetzungen ist anders, die Vermutungen sind anders, die Beweislast ist überall anders, ja der Umfang der Rückerstattungspflicht ist in allen Zonen verschieden! Insbesondere ist in jeder Zone eine andere Regelung für den Fall vorgesehen, daß ein Vermögen ohne Erben geblieben ist. In einem Fall fällt es an die Länder, im anderen Fall an Organisationen, die von den verschiedenen Stellen bestimmt werden.
Das ist kein guter Zustand. Die Frage ist, ob sich auf dem Gebiet des Rückerstattungsrechts noch sehr viel wird ändern lassen. Man sollte aber wenigstens eines tun: Man sollte das, was mit diesen Gesetzen getan werden kann, so rasch als möglich tun!
Ich will nur wenige Beispiele anführen, um zu zeigen, daß man recht langsam verfahren ist und noch heute langsam verfährt, so langsam, wie es in diesem Jahre 1951 nicht mehr nachgesehen werden kann.
Noch sind eine ganze Reihe von Druckereien, die politischen Parteien gehört haben, den Eigentümern nicht zurückgegeben.
Es ergibt sich der groteske Fall, daß die SPD in Stuttgart an den Naziverleger, dem die Nazis die Druckerei der SPD „gegeben" hatten, mehr als eine Viertelmillion Miete bezahlen mußte.
Heute noch muß die SPD in Köln für das Druckereigebäude, das ihr gehört und in dem ihre Zeitung gedruckt wird, Miete bezahlen!
So wie hier verhält es sich noch an einer ganzen Reihe von Orten.
Ich meine, daß dieser Zustand nicht erträglich ist und geändert werden muß. Ich bin überzeugt, daß man ihn ändern kann, wenn man bereit ist, mit der nötigen Energie und allem guten Willen an die Sache heranzugehen!
Aber das ist nicht das eigentliche Thema der Interpellation. Das eigentliche Thema ist die Wiedergutmachung im engeren Sinne. Hier ist die Rechtslage noch verworrener und noch unmöglicher. Es gibt für die amerikanische Zone, für Bayern,
Bremen, Hessen und Württemberg-Baden einheitliche Ländergesetze, die alle im August 1949 verkündet worden sind. In der französischen Zone gibt es Ländergesetze in Baden, Rheinland-Pfalz und Württemberg-Hohenzollern, die alle auf einen einheitlichen französischen Entwurf zurückgehen, untereinander aber doch recht verschieden sind. Außerdem geht die französische Zone auf gewissen Gebieten weiter als die amerikanische Zone. Es gibt nämlich dort auch Gesetze für beamtenrechtliche Wiedergutmachung, eine Materie, die in der amerikanischen Zone in das allgemeine Gesetz eingebaut ist; in der britischen Zone dagegen gibt es kein allgemeines Recht für die Wiedergutmachung. Dort gibt es lediglich die fragmentarische Regelung von Teilgebieten. Aus dem Komplex der Wiedergutmachung kennt man dort nur die Wiedergutmachung von Personenschäden und für Haftentschädigung — und auch das nicht einheitlich. In Hamburg gibt es ein Gesetz vom Jahre 1948 über Sonderhilferenten, weiter ein Gesetz über die Entschädigung für Freiheitsentziehung aus politischen, weltanschaulichen, religiösen oder rassischen Gründen vom Jahre 1949; in Niedersachsen ein Gesetz über die Gewährung von Sonderhilfe für Verfolgte der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft aus dem September 1948 und ein zweites Gesetz über Entschädigung für Freiheitsentziehung durch Maßnahmen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vom Juli 1949. In Nordrhein-Westfalen aber werden die Renten auf Grund einer Zonenanweisung der Militärregierung gewährt; daneben gibt es ein Gesetz über die Entschädigung für Freiheitsentziehung — aber nur dafür ! — aus politischen, rassischen und religiösen Gründen vom Februar 1949. In Schleswig-Holstein ist es wieder anders. Dort gibt es ein Gesetz über das Ver- fahren bei Gewährung von Sondervergünstigungen und Hilfeleistungen an politisch Verfolgte vom März 1948 und ein Haftentschädigungsgesetz vom Juli 1949. Außerdem gibt es in Schleswig-Holstein noch ein Gesetz zur Wiedergutmachung des den Beamten, Angestellten und Arbeitern der öffentlichen Dienste zugefügten Unrechts vom Juli 1949. In Berlin ist es wieder anders. Dort ist die Regelung etwa so wie in der amerikanischen Zone.
Diese verschiedenen Regelungen weisen beträchtliche Unterschiede auf, und zwar nicht nur Unterschiede von Zone zu Zone, sondern auch Unterschiede innerhalb der einzelnen Zonen. Sie werden sofort sehen, meine Damen und Herren, wie beträchtlich diese Unterschiede sind. In der amerikanischen Zone bestehen zwischen den Ländern der Zone keine Unterschiede. Die Stichtage sind gleich, die Entschädigungs-Höchstsumme ist dieselbe. In der französischen Zone aber sind die Stichtage in Baden, Württemberg-Hohenzollern, RheinlandPfalz schon verschieden und zwar gehen sie um ein Jahr auseinander. Ebenfalls sind die Höchstbeträge der Entschädigung in den einzelnen Ländern dieser Zone verschieden. In der britischen Zone sind zwar die Entschädigungsleistungen im wesentlichen gleich, aber die Stichtage für Haftentschädigung ebenfalls verschieden. Auch hier differieren sie bis zu einem Jahr.
Zum Vergleich: Der Stichtag ist in der amerikanischen Zone der 1. Januar 1947, in Berlin ebenfalls, in der französischen Zone außer RheinlandPfalz ebenfalls. In Rheinland-Pfalz ist der Stichtag der 1. Januar 1948, in der britischen Zone außer Hamburg der 1. Januar 1948, in Hamburg der 2. Januar 1949!
Was die Entschädigungsleistungen anbetrifft: hinsichtlich der Haftentschadigung ist der Betrag in allen Zonen gleich, nämlich 150 DM im Monat. Aber was die sonstigen Geldleistungen anbetrifft — Schaden am Eigentum, am Vermögen usw. —, so ist der Höchstbetrag in der amerikanischen Zone 75 000 DM, in Berlin 40 000 DM, in Baden, Rheinland-Pfalz 20 000 DM, in Württemberg-Hohenzollern — ich geniere mich, denn ich bin aus diesem Lande — 10 000 DM. Für Beamte sind die Höchstbeträge in der amerikanischen Zone 25 000 DM, in Berlin 15 000 DM, in Baden 20 000 DM, in Württemberg-Hohenzollern 10 000 DM. Rheinland-Pfalz wiederum kennt zwar ein Recht auf Wiedereinstellung wie die übrigen Länder, jedoch keine Nachzahlung von Ruhegehaltsbezügen. Im Verhähnis zwischen der amerikanischen und der französischen Zone ist noch ein weiterer Unterschied bemerkenswert: in der französischen Zone sehen die Gesetze im Gegensatz zur amerikanischen Zone auch Vorschriften über die Beseitigung von Eingriffen in das Familienleben, in das Erbrecht, über die Wiederherstellung von Firmen und Namen und über die Wiederaufnahme bürgerlich-rechtlicher Streitigkeiten vor.
Gewiß haben sich die Länder bemüht, durch Verwaltungsvereinbarungen diese Ungereimtheiten zum Teil auszugleichen; aber praktisch ist der Ausgleich nur bei dem Problem der Stichtage gelungen. Dort, wo es um Geld geht, läßt sich eben ein Ausgleich durch Verwaltungsvereinbarungen nicht so leicht finden.
Meine Damen und Herren! Es scheint uns ein unmöglicher Zustand, daß es ausschließlich vom Zufall des Wohnsitzes abhängen soll, ob ein Opfer des Nationalsozialismus Wiedergutmachung bekommt oder nicht,
in welchem Umfange dieser Mensch Wiedergutmachung erhält, ob für Haftentschädigung, für Personenschäden, für Sachschäden, ob er einen Anspruch haben soll, in seine früheren Rechte eingesetzt zu werden, ob der Verdienstausfall und die Vernichtung der Existenz ebenfalls unter die Wiedergutmachung fallen oder nicht. Es ist unerträglich, daß es vom Zufall des Wohnsitzes abhängt, nach welchem Verfahren man die Wiedergutmachung erkämpfen muß, unter welcher Beweislast man dies tun muß; und noch unerträglicher ist, daß von diesem Zufall abhängen soll, in welcher Art und Weise die Wiedergutmachung im einzelnen zu erfolgen hat.
Hier muß geholfen werden; und es kann nur geholfen werden durch den Erlaß eines Bundesgesetzes.
Das Grundgesetz sieht in Ziffer 9 des Art. 74 vor, daß der Bund im Wege der konkurrierenden Gesetzgebung die ganze Materie durch eigene Gesetze regeln kann. Wir glauben, daß diese Materie vom Bund geregelt werden muß , und zwar sehr bald.
Aber da müssen wir leider feststellen, daß die ursprüngliche Bereitschaft einer Art von fiskalischem Geiz gewichen ist. Gewiß wird niemand vom Fiskus Generosität verlangen; aber man kann auch vom Fiskus verlangen, daß er sein Denken nicht nach dem Schäbigkeits-Prinzip reguliert!
Man sollte die Staatsraison nicht in zu kleine Münze ausprägen wollen!
Ich weiß, daß man sich von Bundes wegen scheut, die Wiedergutmachung auf den Bund zu übernehmen. Man fürchtet, daß damit ein Run sämtlicher anderer Gläubiger des Deutschen Reiches ausgelöst werden könnte, und deswegen meint man, daß es besser sei, diese Last bei den Ländern zu belassen; die Länder sind ja ohne Frage nicht indentisch mit dem Reiche. Nun ist es vielleicht sehr intelligent gedacht, so zu verfahren, wenn man den Bundes-säckel schonen will; aber meines Erachtens ist so viel fiskalische Intelligenz angesichts des elementaren Phänomens „Konzentrationslager" fehl am Platze.
Wenn man den Run der Gläubiger des Reiches fürchtet, meine Damen und Herren: kann man denn dann nicht eine Rangordnung unter den Gläubigern unseres Vaterlandes Deutschland aufstellen?
Und darin haben jene, die in besonderem Maße gelitten haben, jene, die keine Schuld hatten, auch nicht die Schuld des Gewährenlassens, eine Priorität zu beanspruchen!
Gewiß, der Opfer des Dritten Reiches sind viele, man kann sagen: fast alle, die übriggeblieben sind, gehören dazu. Man sollte es sich aber nicht zu leicht machen und vergessen, daß es unter ihnen Unterschiede gibt. Man beginnt dies zu vergessen. Es ist doch allmählich so geworden, daß auch der ehemalige SS- und SD-Mann sich als Opfer des Nationalsozialismus zu betrachten beginnt
und daß man die durch die Spruchkammern Verurteilten als „Denazifizierungsgeschädigte" bereits unter die Opfer des Nationalsozialismus zu rechnen beginnt! Und es gibt Leute, die meinen, daß ihn en die Prioritätsansprüche zustünden! Ich fände es traurig, wenn man diesem Trend eines Teiles, eines kleinen, schlechten Teiles unserer öffentlichen Meinung nicht rechtzeitig ein Paroli bieten würde! Dieser Trend ist ernst zu nehmen: kann man doch spüren, daß sich, wenn man von diesen Dingen redet, da und dort schon Unwille und Unmut regen, und daß man sich entrüstet abwendet, wenn sich die besonderen Opfer des Nationalsozialismus überhaupt zu melden wagen.
Da häuft sich ein Berg seelischen Schuttes an, der uns in die Gefahr bringt, nicht mehr sehen zu können, wie denn eigentlich die moralischen Koordinaten verlaufen und an welchem Ort ihres Bezugssystems die einzelnen Tatbestände liegen.
Hier ist der Ort, von den jüdischen Opfern des Nationalsozialismus zu sprechen. Ich will heute nicht reden von der großartigen Fruchtbarkeit des Zusammenlebens der jüdischen Menschen mit den anderen Menschen in Deutschland, auch nicht davon, was diese Symbiose in Deutschland an Frucht für die ganze Menschheit hervorgebracht hat. Ich will heute nicht davon reden, aber es wird einmal darüber gesprochen werden müssen — von diesem Platz aus —, denn es scheint vergessen worden zu sein — genau so wie vergessen worden zu sein scheint, wie man diese Menschen gejagt und vernichtet hat, wie man diese Menschen in die Gaskammern schickte, Männer, Frauen und Kinder, darunter Menschen, die im ersten Weltkrieg, für ihr deutsches Vaterland kämpfend, ihre Glieder verloren haben!
Wir möchten nicht, daß man über diese Dinge so hinweggeht, wie es mancherorts in Deutschland üblich zu werden scheint. Einige Reaktionen auf Vorfälle, die ihr Unerfreuliches haben mögen, zeigen, daß wir in unserem Volk heute zu gerne bereit sind, Vergangenes und Verschuldetes aus unserem Bewußtsein zu verdrängen.
Wir möchten offenbar nicht, daß uns ins Gedächtnis zurückgerufen wird, daß es da und dort noch ein Besonderes zu tun gibt, daß da noch eine besondere moralische Schuld neben der materiellen und mit der materiellen zu begleichen ist.
Unter dem, was uns das Naziregime auferlegt hat, sind die an den jüdischen Menschen begangenen Verbrechen das schrecklichste, nicht nur wegen des Umfangs dieser Morde, nicht nur, weil es sich hier um Millionen Opfer handelt, nicht nur wegen der methodischen Erbarmungslosigkeit der Vergasungen in Auschwitz und Maidanek, nicht nur, weil diese Schlächtereien auch Frauen und Kinder trafen, sondern weil dieses ganze Dritte Reich doch im Grunde, in seinem Kern, aufgerichtet wurde, um die Juden zu vernichten!
Das Dritte Reich war doch sehr viel mehr antisemitisch als etwa „prodeutsch" — man schämt sich, das Wort auszusprechen — integriert!
Nun, es ist sicher: viele Deutsche haben unter Gefahr ihres Lebens einzelnen Juden zu helfen gesucht und haben ihnen geholfen; aber immerhin, Millionen von Deutschen waren doch Mitglieder der Partei, deren Führerschaft diese Morde angeordnet und durchgeführt hat! — und damit, daß sie Mitglieder dieser Partei wurden, haben sie zu diesem Teil der Staatsmetaphysik, zum antisemitischen Teil der Staatsmetaphysik des Dritten Reiches ein Bekenntnis abgelegt, wenn vielleicht in vielen Fällen auch nur ein Lippenbekenntnis. Sicherlich wußten nur wenige von ihnen etwas von Auschwitz, aber die Schuld liegt darin, daß man, daß wir alle den Anfängen nicht und nicht genügend gewehrt haben! Darum erst konnten die Verbrecher das Verbrechen von Auschwitz wagen.
Darum sollten wir den Juden gegenüber — jenen, die zu uns zurückgekehrt sind, jenen, die ausgewandert sind, und jenen, die sich in Israel eine neue Heimat, einen eigenen Staat bauen — eine besondere moralische Verpflichtung zur Wiedergutmachung anerkennen und ihnen ein besonderes Recht auf das geben, was wir zu leisten vermögen. Denn sie waren neben einigen politischen Parteien und jener ihrer Mitglieder, die verfolgt und gejagt wurden, nicht Opfer „nebenbei", nicht akzessorische Opfer des Dritten Reiches, sondern sie waren der ausgewählte Gegenstand des Verbrechens, das man blasphemisch das „Dritte Reich" nennt.
Wir können da, auch bei größter Anstrengung, nicht alles leisten, was wir schulden. Aber was wir leisten können, das müssen wir leisten, auch wenn es schwer fällt, auch wenn es dabei Transferschwierigkeiten und andere Schwierigkeiten geben sollte. Auch bei der Inangriffnahme der Schwierigkeiten gibt es ein Gesetz der Rangordnung!
Da ist noch ein besonderer Fall zu erwähnen, der Fall der Ansprüche, für die keine Erben mehr
da sind, weil die ganze Familie bis ins dritte Glied ausgemordet worden ist. Nach dem bestehenden Recht fallen solche Ansprüche teils an die Länder — die dann die Verpflichtung haben, ein Sondervermögen zu errichten, aus dem den Opfern des Nationalsozialismus etwas gegeben werden soll —, teils fallen diese Ansprüche an Nachfolgegesellschaften, etwa die IRSO, die von der amerikanischen Militärregierung errichtet wurde, oder, wie in der französischen Zone, an Organisationen, die von den Landesregierungen zu bestimmen waren. Auch das scheint mir kein guter Zustand zu sein. Es ist klar, daß sich bei diesem Pluralismus der anspruchsberechtigten Organisationen Unstimmigkeiten ergeben müssen und daß es so kaum möglich sein kann, die aufkommenden Mittel rational zu verwenden. Wir schlagen deswegen vor, daß nach Verhandlungen mit den Alliierten — die sich ja diesen Sachbereich vorbehalten haben — durch ein Bundesgesetz der Saat Israel zum Rechtsnachfolger für alle erblosen Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsansprüche gemacht werden möge. Dort ist der Staat der Juden, und auch jene Juden, die Bürger anderer Länder bleiben wollen, der Länder, in denen sie geboren oder in die sie gewandert sind, anerkennen über seine moralische Autorität hinaus seine Legitimation, für alle die Juden zu handeln, die sich nicht anderswohin gebunden fühlen. Wo die Anspruchsberechtigten leben, wo Erben vorhanden sind, sollen diese über die Ansprüche verfügen. Aber über die Ansprüche der ausgemordeten Familien ohne Erben sollte das organisierte Gemeinwesen verfügen, das sich die Juden der Welt als Heimstätte ihres Volkes geschaffen haben. Denn schließlich sind ja unsere jüdischen Mitbürger gerade darum ermordet worden, weil ihre Mörder sie diesem Volk der Juden zugerechnet haben.
Wir haben noch lange nicht genug getan, um unsere moralische und unsere rechtliche Schuld abzutragen. Noch ein Wort: Auch wenn wir eines Tages alles getan haben sollten, was in unseren Kräften steht, wird es nicht ausreichen, um vergessen zu machen, was geschehen ist. Es würde nicht einmal eine Sühne sein, und es gäbe uns noch keinen Anspruch auf die Bereitschaft zur Versöhnung von der anderen Seite her. Aber was man schuldet, muß man bezahlen, ohne zu fragen, wie der Gläubiger sich menschlich zu uns zu verhalten wünscht.
Wir haben — und mit Recht — gegen manches Volk den Vorwurf erhoben, es habe uns gegenüber das Rechte um eine Gelegenheit oder um eine Idee zu spät und daher wirkungslos getan. Machen wir uns nicht auf die gleiche Weise schuldig, auf daß man uns nicht einmal denselben Vorwurf machen könne! Gut gibt nur der, der rasch gibt.
Zur Beantwortung der Interpellation hat das Wort der Herr Staatssekretär des Bundesfinanzministeriums.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert ganz besonders in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Gegenstandes, daß er nicht in der Lage ist, die Interpellation heute selbst zu beantworten, da in dieser Stunde eine Konferenz der Ministerpräsidenten und der Finanzminister der Länder bei ihm im Bundesministerium der Finanzen stattfindet, in
der die Grundzüge der Haushaltsgebarung des Bundes und der Länder für das neue Rechnungsjahr 1951, insbesondere auch die Frage der Inanspruchnahme der bisher den Ländern zustehenden Steuern durch den Bund zur Besprechung stehen und in der, wenn möglich, eine Vereinbarung darüber erzielt werden soll.
In seinem Auftrage habe ich hier die Interpellation wie folgt zu beantworten auf Grund eines Kabinettsbeschlusses, der kürzlich ergangen ist, der sowohl die Interpellation als auch den Beschluß des Hohen Hauses in seiner Sitzung vom 15. Dezember 1950 betrifft und der an den Beschluß der Konferenz der obersten Wiedergutmachungsbehörden der Länder Ende November 1950 anknüpft, wonach die Wiedergutmachung Ländersache bleiben soll: Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sie von ihrer Kompetenz nach dem Grundgesetz so lange nicht Gebrauch machen solle, als die Länder darauf halten, daß die Dinge durch Ländergesetze und auf Grund von Ländergesetzen durchgeführt werden, sei es entweder durch Ergänzung der Gesetze oder durch eine Verbesserung im Verwaltungswege. Die Ländergesetze sind in fortschreitender Entwicklung und in der Durchführung begriffen. Da ja wohl das Bundesgesetz — ich muß hier leider auch einmal die finanziellen Gesichtspunkte wenigstens streifen — nicht rückwirkend wird in Kraft treten können, würde das bedeuten, daß also ein Unterschied in der Entschädigung zwischen den Fällen gemacht werden würde, die in den Ländern bereits erledigt sind, und den Fällen, die auf Grund eines etwaigen neuen Bundesgesetzes erst zur Erledigung kommen würden.
— Ich darf gleich versuchen, noch darauf einzugehen.
Dazu kommt die Überzeugung, daß sich die Bundesregierung ;n einem Bundesgesetz auf ein bloßes Dachgesetz, wie es im Dezember hier angeregt worden ist, also auf eine bloße einheitliche Rahmenbestimmung über Stichtage und über den Kreis der Berechtigten nicht würde beschränken können, sondern daß das Bundesgesetz die gesamte Materie regeln müßte, und zwar wahrscheinlich auf dem höchsten Niveau, das in den verschiedenen Ländern erreicht worden ist. Es hat sich ja auch bei der Regelung der Ansprüche der Kriegsopfer usw. immer ergeben, daß im allgemeinen das höchste Niveau in einem der 11 Länder für eine Bundesregelung natürlicherweise maßgebend sein muß. Die Länder haben bei der Regelung der Wiedergutmachung hinsichtlich des Kreises der Berechtigten und hinsichtlich der gebietsmäßigen Begrenzung gewisser Schadenfälle bisher an dem Territorialprinzip festgehalten. Die Bundesregelung würde darüber hinausgehen müssen.
Damit werden dann leider die finanziellen Fragen aufgeworfen, die demnächst wohl im Zusammenhang mit dem Haushalt 1951 und mit den großen Deckungsvorlagen der Bundesregierung das Hohe Haus ohnedies in sehr weitem Maße beschäftigen werden. Würde man auf dem Standpunkt stehen, daß zwar der Bund eine umfassende und natürlicherweise erweiterte Regelung zu treffen hätte, daß aber die Länder die Kosten dafür zu tragen hätten, dann würde dieselbe Schwierigkeit entstehen, die hinsichtlich des Rentenversicherungsgesetzes den Bundesrat zur Anrufung des Vermittlungsausschusses bewogen hat. Der Vermittlungsausschuß hat ja gerade heute vor-
mittag getagt, und auch dort ist mit Nachdruck der Standpunkt vertreten worden, daß wahrscheinlich sehr starke verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen, in einem Bundesgesetz Ausgaben zu Lasten der Länder zu beschließen. Da das wahrscheinlich nicht geht, würde also eine solche Buhdesgesetzgebung, die notwendigerweise mit erheblich erweiterten Ausgaben verbunden ist, zu Lasten des Bundes gehen. Ich möchte das nebenher erwähnen; aber der Gesichtspunkt kann bei der außerordentlichen Höhe der Belastung, die in ihrem Gesamtumfang im Augenblick noch gar nicht vollauf abzuschätzen ist, nicht ganz außer Betracht gelassen werden.
Ich möchte jedoch betonen, daß der Kabinettsbeschluß das Wort „vorerst" enthält, sich also auf den Augenblick bezieht und auf der Hoffnung beruht, daß es den Bemühungen der Länder — ihrem Wunsche entsprechend — gelingen wird, sei es im Gesetzeswege, sei es im Verwaltungswege, zu einer Verbesserung, zu einer Vereinheitlichung zu kommen. Die Bundesregierung hat ja dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vorgelegt. Sollte sich herausstellen, daß der Beschluß des Koordinierungsausschusses der Länder von Ende November nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, dann wird allerdings die Bundesregierung dem Hohen Hause eine bundesgesetzliche Vorlage unterbreiten. Auf die dabei sich ergebenden Folgerungen hatte ich mir schon hinzuweisen erlaubt.
Ich komme nun zu Abs. 2 der Interpellation, der sich insbesondere mit dem von den verfolgten Juden hinterlassenen Vermögen befaßt, dessen Erben unbekannt sind oder bei dem Erben nicht hehr bestehen. Der Herr Interpellant hat geschildert, wie verschieden die Rechtslage in den drei Zonen ist. Wir müssen zunächst einmal unterstellen, daß die Erben nicht bekannt sind. Nun scheinen mir aber erhebliche rechtliche Bedenken gegen das von dem Herrn Interpellanten angeregte Bundesgesetz zu bestehen. Wir glauben, daß durch ein Bundesgesetz bürgerlich-rechtliche Folgen außerhalb der Bundesrepublik gar nicht statuiert werden könnten. Soweit es sich bei den unbekannten Erben um solche israelitischer Staatsangehörigkeit handelt, könnte ein Gesetz des Staates Israel Abhilfe schaffen. Soweit es sich aber um unbekannte Erben handelt, die auch nicht die Staatsangehörigkeit des Staates Israel haben würden, kann überhaupt nicht die Gesetzgebung irgendeines einzelnen Staates Abhilfe schaffen, sondern es müßten wohl internationale Abkommen eine solche Regelung treffen, die dann in den einzelnen Ländern zu ratifizieren wären. Ich würde bitten, daß diese besonders schwierige Frage vielleicht dem Rechtsausschuß zur Erörterung überwiesen wird. Hier handelt es sich j a um eine reine Rechtsfrage, nämlich darum, ob die Bundesgesetzgebung mit Wirkung für unbekannte Erben, die nicht die Staatsangehörigkeit des Bundes haben und sich jetzt nicht im Bundesgebiet aufhalten, überhaupt Recht setzen kann.
— Das ist ein Beschluß des Bundeskabinetts, Herr Abgeordneter.
Meine Damen und Herren, ich frage: Wird die Besprechung der Interpellation gewünscht? — Das sind mehr als 50 Abgeordnete. Es ist der Fall.
Das Wort hat der Abgeordnete Oellers. Im Rahmen der vereinbarten Zeit von 90 Minuten!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Materie des Wiedergutmachungsrechtes hat den Deutschen Bundestag vor mehr als Jahresfrist bereits einmal befaßt. Ich darf den Antrag meiner Fraktion auf Drucksache Nr. 159 vom 4. November 1949 in Ihre Erinnerung zurückrufen, den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vielleicht verlesen darf:
Die Bundesregierung wird gebeten, gemäß Ziffer 4 in Verbindung mit Ziffer 2 b des Besatzungsstatutes die Besatzungsbehörden um ihr Einverständnis zu bitten, daß ein Bundesgesetz betreffend Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte erlassen wird, mit dessen Inkrafttreten die jetzt in den drei Besatzungszonen geltenden Gesetze der jeweiligen Militärregierung aufzuheben wären. Bis zum Inkrafttreten des einheitlichen Bundesgesetzes sollten die schwebenden Verfahren ausgesetzt werden.
Wir hatten damals schon die Absicht, über die angesprochene Materie hinaus das gesamte Wiedergutmachungsrecht auf der Bundesebene möglichst vereinheitlichen zu lassen.
Der Antrag wurde dann in den Rechtsausschuß verwiesen, und dort wurden insbesondere auch von den Sprechern der Fraktion, die heute die Interpellation eingebracht hat, außenpolitische Bedenken geltend gemacht. Es wurde der Standpunkt vertreten, daß zweckmäßigerweise wohl keine Erörterung im Plenum des Bundestages vorgenommen würde, sondern daß man über die Ministerien einen Versuch unternehmen sollte, mit den Hohen Kommissaren in Fühlung zu kommen. Ich freue mich, daß dieser Standpunkt heute anscheinend nicht aufrechterhalten werden soll, und ich möchte nur meinen, es wäre besser gewesen, wir hätten den Standpunkt, den wir heute einheitlich einnehmen, bereits vor Jahresfrist eingenommen.
Dann hätte vielleicht in dieser Zeit schon manches
geschehen und manches verhütet werden können.
Zur Frage des Wiedergutmachungsrechts selbst möchte ich folgendes bemerken: Ich glaube, es ist notwendig, zunächst einmal die Problemstellung klar zu umreißen. Ich kann mir nicht denken, daß es irgend jemanden in diesem Hause gibt, der nicht aus vollem Herzen die Notwendigkeit der Wiedergutmachung bejahen würde,
und in diesem Sinne scheinen mir die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid dergestalt zu sein, daß sie von uns allen unterschrieben werden.
Aber es handelt sich hier, glaube ich, nicht um die Bejahung des Prinzips, sondern es handelt sich um die Frage, ob der bisher beschrittene Weg diesem Prinzip gerecht geworden ist, und das möchte ich doch füglich bezweifeln.
Sehen Sie, meine Damen und Herren: wenn man von Wiedergutmachung spricht, dann muß man doch die selbstverständliche Konsequenz ziehen, daß man getanes Unrecht durch Recht ersetzt,
und ich habe den Eindruck, als ob das, was angesichts der auseinandergelaufenen Behandlung in den Ländern in den letzten Jahren geschehen ist, nicht immer diesem Kardinalsatz gerecht geworden ist.
Meine Damen und Herren, es läßt sich doch nicht verkennen, daß begangenes Unrecht in Berlin nicht anders gesühnt werden kann als etwa in Bayern, nicht anders in der britischen Zone als in der amerikanischen Zone. Wenn man diese Tatsache anerkennt, dann kann man kein Verständnis dafür haben, daß die Wiedergutmachungsgesetzgebung in den Ländern so völlig auseinandergelaufen ist.
Ich möchte meinen, allein diese Tatsache bedingt es mit absoluter Konsequenz, daß man den Versuch einer bundeseinheitlichen Regelung unternimmt.
Ich habe auch noch ein anderes Bedenken, meine Damen und Herren, das gilt insbesondere auf dem Gebiet des Rückerstattungsrechts. Die generalfiter getroffene Feststellung, daß alle seinerzeitigen Veräußerungen jüdischen Besitzes unter Zwang erfolgt sind, bedingt doch die Folgerung, daß nicht der einzelne, sondern derjenige, der seinerzeit den Zwang ausgeübt hat, nämlich der Staat, für die Wiedergutmachung einzutreten hat.
— Ich gebe Ihnen durchaus zu, Herr Kollege Schmid, daß selbstverständlich in denjenigen und leider nicht seltenen Fällen, in denen derjenige, der jüdischen Besitz „übernommen" hat, eine Schuld auf sich geladen hat, die endgültige Haftung bei ihm verbleiben muß.
Das ändert aber nichts an dem Prinzip, daß, wenn man schon den Kollektivzwang bejaht, man daraus auch die Konsequenz ziehen muß, daß derjenige geradezustehen hat, der diesen Zwang ausgeübt hat, der sich dann selbstverständlich an demjenigen, der im Einzelfalle eine Schuld auf sich geladen und sich bereichert hat, schadlos halten kann.
Und noch ein weiteres scheint mir nicht richtig gelaufen zu sein, zumindest oder meinetwegen auch ausschließlich in denjenigen zahlreichen Fällen, in denen seinerzeit die Übernahme jüdischen Grundbesitzes von durchaus gutgläubigen Menschen vorgenommen worden ist,
vielfach sogar von Menschen, die diesen Leuten haben helfen wollen.
Ich halte es für völlig abwegig, meine Damen und Herren, daß man in diesen Fällen den Rückerstattungsanspruch mit der Währungsreform koppelt. In solchen Fällen kann man die Entschädigung eines durchaus gutwillig handelnden Menschen nicht durch eine Abwertung im Verhältnis 1 :10 herabsetzen.
— Ob die Zahl dieser Fälle gering ist oder nicht,
steht auf einem anderen Blatt; ich rede ja nur
von den Fällen, die so gelagert sind, und ich glaube,
daß da im Sinne einer höheren Gerechtigkeit
meine Meinung durchaus anerkannt werden muß.
Wir wollen das Problem auch unter einem andern Gesichtspunkt nicht gerade leicht nehmen. Die deutsche Rechtsprechung ist dadurch, daß sie an Gesetze gebunden ist, von denen man vielfach den Eindruck hat, daß sie zumindest nicht das Letzte an Gerechtigkeit beinhalten, in eine Krise hineingeraten, die zu beheben unser aller Anliegen sein sollte. Denn die Rechtsprechung muß das Vertrauen des Volkes besitzen, und sie kann es nicht besitzen, wenn sie an Gesetze gebunden ist, die in ihrer letzten Konsequenz nicht immer gerecht sind.
Meine Damen und Herren, aus diesen Darlegungen, glaube ich, ergibt sich die Konsequenz, die .auch der Herr Berichterstatter gezogen hat, daß wir alles dareinsetzen müßten, die Kompetenz für die Wiedergutmachungsgesetzgebung in die Hände des Bundes zu bekommen, um eine Vereinheitlichung des Wiedergutmachungsrechtes zu erreichen. Ich persönlich bin der Ansicht, daß man das gesamte Wiedergutmachungsrecht einheitlich regelt
— einschließlich des Rückerstattungsrechts — und nicht lauter Teilgebiete,
und daß man dabei einige Grundsätze von vornherein zugrunde legen sollte. Es geht also darum: erstens, einheitliches Recht für das gesamte Bundesgebiet zu schaffen, zweitens, ein Gesetz zu schaffen, das die Einzelprüfung des seinerzeitigen Verschuldens zum Zwecke einer gerechten Behandlung ermöglicht, drittens ein Gesetz, das die Haftpflicht des Staates in den Fällen statuiert, in denen ein persönlicher Zwang nicht vorgelegen hat, schließlich ein Gesetz, das die Verkoppelung von Restitutionen und Währungsgesetzgebung aufhebt, und wenn irgend möglich ein Gesetz, das eine Revisionsinstanz schafft auch für Fälle, die einstweilen rechtskräftig entschieden sind,
von denen man aber der Ansicht sein kann, daß sie nicht im Sinne einer wahren Gerechtigkeit entschieden worden sind.
Ich bejahe auch ihr Prinzip, Herr Kollege Schmid, daß eine Entschädigung auch in den Fällen erfolgen sollte, in denen Erben des seinerzeit Geschädigten nicht mehr vorhanden sind. Ich lasse es dahingestellt, ob die juristischen Bedenken, die der Herr Staatssekretär vorgetragen hat, richtig sind; ich habe sie nicht prüfen können. Ich möchte aber meinen, daß es schwierig wäre, den Staat Israel als eine Art Rechtsnachfolger zu betrachten, weil der Staat Israel letzten Endes nicht die gesamte Judenschaft vertritt. Man könnte statt dessen vielleicht in Erwägung ziehen, gewisse Träger sozialpolitischer Einrichtungen des Judentums als Ersatzträger dieses Rechtsanspruches zu bestimmen. Darüber wollen wir uns sehr gerne unterhalten, und darüber wird es zwischen uns zweifellos eine Verständigung geben.
Meine Herren, ich möchte anregen, daß wir die Interpellation mit der Antwort des Herrn Finanzministers dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen, damit wir in Verbindung mit erneuter Behandlung des Antrags Drucksache Nr. 159 dort versuchen, bald gemeinsam eine vernünftige Regelung dieses Problems zu finden.
Das Wort hat der Abgeordnete Kleindinst.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Ich brauche nicht zu versichern, daß auch wir die Verpflichtung zur Wiedergutmachung grundsätzlich bejahen. Wenn das Wiedergutmachungsrecht in den verschiedenen Ländern und Besatzungszonen so weit auseinandergegangen ist, wie der Herr Kollege Schmid hervorgehoben und dargelegt hat, so liegt der Grund dafür in der Einwirkung der Besatzungsmächte auf das Wiedergutmachungsrecht. Eine Reihe von Fällen sind durch Vereinbarung, durch Vergleiche oder durch Entscheidungen der Instanzen bereits bereinigt worden. Wir wissen, daß sich dabei zweifellos auch Mißbräuche eingestellt haben. Diese müssen in Zukunft vermieden werden.
Auf einem besonderen Gebiet, dem des öffentlichen Dienstes, haben wir uns ja bemüht, ein Bundesgesetz zu schaffen. Es ist dem Ausschuß Nr. 25 überwiesen worden, und darüber hat der Herr Kollege Wackerzapp das letzte Mal schon Bericht erstattet; wir werden es zur endgültigen Beschlußfassung in allernächster Zeit vorlegen. Wir haben aber gerade daraus ersehen, wie außerordentlich kompliziert es wird, wenn der Bund in einem Zeitpunkt eingreift, in dem schon viele Länderregelungen ergangen sind. Obwohl wir nun vorschlagsweise zu einem bundeseinheitlichen Recht gekommen sind, ist doch wiederum das Bestreben hervorgetreten, den Ländern in dem Gesetz eine Ermächtigung zu geben, über das Bundesgesetz hinauszugehen. Ich will damit nur zeigen, wie außerordentlich schwierig und verwickelt diese Materie ist.
Ich glaube auch, daß man die ganze Frage dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen soll; er wird in dieser Materie ein Stück sehr schwieriger Arbeit zu leisten haben, um aus diesem Gewirr von länderrechtlichen Regelungen und bereits erfolgten Entscheidungen den rechten Weg zu finden und dem Bundestag eine Regelung vorzuschlagen,
die den Forderungen der Gerechtigkeit entspricht.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmid.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will nur kurz auf die rechtlichen Bedenken eingehen, die Herr Staatssekretär Dr. Hartmann hier vorgetragen hat.
Es handelt sich nicht darum, das bürgerliche Recht abzuändern. Dort, wo nach bürgerlichem Recht zu Erbrecht Berufene vorhanden sind. sollen sie über den Anspruch verfügen können. Aber die behandelten Wiedergutmachungsgesetze schließen die Erbfolge vom dritten Glied ab aus; also haben die Wiedergutmachungsgesetze, die Sie erhalten wollen. schon in diese Ansprüche eingegriffen!
— Aber man könnte sagen, daß mindestens ebenso viele in den Vereinigten Staaten oder in anderen europäischen oder außereuropäischen Ländern leben. Ich will mich auch nicht generell dagegen aussprechen. Aber ich möchte davor warnen, daß man das generell als die einzige Möglichkeit in Betracht zieht. Ich glaube, daß wir darüber in den Ausschußberatungen schon einig werden.
Es sei mir noch der Hinweis gestattet, daß die Frage des erblosen Vermögens nicht nur bei jüdischen Berechtigten aufkommt; sondern auch bei sehr vielen anderen. Auch in der Hinsicht müßte Vorsorge getroffen werden. Schließlich ist es doch so, daß nach Erben nicht weitergeforscht wird, wenn ein bestimmter Grad — ich weiß augenblicklich nicht, ob es der dritte Grad ist —
— schön, der vierte Grad — überschritten ist. Auch das ist eine Ungerechtigkeit, daß die weitere Familienverwandtschaft bei der Intestaterbschaft keine Berücksichtigung mehr findet. Es ist zu bedenken, daß man oft eine ganze Reihe von Familienmitgliedern getötet hat, womöglich aus demselben Anlaß, und daß andere Familienmit-
glieder im Kriege auf andere Art und Weise umgekommen sind. Gerade dieser Krieg und alles, was damit zusammenhängt, hat viele solcher Fälle verursacht. Ich bitte, auch das zu berücksichtigen.
Ich glaube, daß diese Interpellation, die an den Ausschuß überwiesen werden wird, praktisch die Bedeutung hat, den Erlaß eines solchen Gesetzes vorzubereiten. Bei diesen Beratungen wird die Zeit und der richtige Ort sein, die näheren Einzelheiten zu erörtern; die Probleme habe ich hier angedeutet.
Das Wort hat der Abgeordnete Schmidt .
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß endlich einmal ein Antrag mit dem Ziel gekommen ist, auf diesem Gebiet eine Ordnung der Verhältnisse herbeizuführen. Ich habe schon im vorigen Jahre dem Herrn Bundesjustizminister einen ähnlichen Antrag überreicht. Bei dieser Gelegenheit hat er mir gesagt, es sei jetzt nicht die Zeit dafür, weil die außenpolitischen Verhältnisse noch nicht klar genug seien, um einen solchen Antrag im Bundestag zu behandeln. Aber wenn man im wirtschaftlichen Leben steht, sieht man auch die Verhältnisse auf der Gegenseite. Ich gehe mit Ihnen, Herr Professor Schmid, in dieser Hinsicht vollständig einig, wenn Sie sagen: Wir müssen für diejenigen opfern, die ungerecht behandelt worden sind und deren Blut vergossen worden ist. Es ist eine Pflicht des deutschen Volkes, diese Dinge wiedergutzumachen.
Auf der anderen Seite möchte ich noch auf folgendes hinweisen. Ich habe gerade in meiner Gegend Hunderte und Hunderte von Fällen kleiner Leute zu erledigen, die um 1933 und schon vor 1933, in den 20er Jahren, jüdischen Besitz gekauft haben. Ich muß Ihnen sagen, daß viele von diesen
Leuten arm sind, weil sie damals ihren letzten Geoschen hingegeben haben, um einen Besitz zu erlangen.
Ich möchte Ihnen einen anderen Fall anführen, der ähnlich liegt. In Nördlingen war vor 1933 ein .gut gehendes jüdisches Geschäft, eine Eisenwarenhandlung. Der Inhaber hat schon vor 1933 seinen Prokuristen gebeten, ihm das Geschäft abzukaufen. Der Prokurist hat sich endlich dazu bewegen lassen und hat das Geschäft ungefähr in der ersten Hälfte des Jahres 1933 gekauft. Er hat es dann umgebaut und sehr bedeutend erweitert. Das Restkaufgeld hat er sofort bar gezahlt, hat Hypotheken in Höhe von 50 000 Mark übernommen und den Wert des Geschäfts um das Dreifache erhöht. Der Besitzer selber ist gestorben. Jetzt kommt von seinen Erben der Antrag, das Geschäft an sie zurückzugeben. Ich habe gerade in den letzten Tagen wieder eine Verhandlung mit der Wiedergutmachungsbehörde in Augsburg gehabt. Die Wiedergutmachungsbehörde stellt sich auf den Standpunkt, daß die von dem Erwerber in dem Geschäft gemachten Investierungen im Verhältnis von 1 : 10 abzuwerten sind.
Ich glaube, wir müssen das vorliegende Gesetz eingehend prüfen und so gestalten, daß es nach beiden Seiten Gerechtigkeit ermöglicht. Wir würden es sehr begrüßen, wenn dieses Gesetz recht bald verabschiedet würde.
— Herr Professor Schmid, Sie brauchen sich gar nicht zu wundern, wenn es auf diesem Gebiet so langsam vor sich geht. Ich will nur ein einziges Beispiel anführen. Ich habe dem Herrn Justizminister vielleicht vor einem halben Jahr eine Meldung übergeben, wonach ein Staatsanwalt damals in der unverschämtesten Weise mithalf, daß man einem Mann sein ganzes Vermögen abgenommen hat. Wir haben uns darüber beschwert. Und wissen Sie, was geschehen ist? Dieser Staatsanwalt ist zum Oberstaatsanwalt befördert worden! Unter diesen Umständen brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn das Gesetz in einzelnen Fällen nicht als gerecht empfunden wird.
Darum ersuchen wir die Bundesregierung, alles zu tun, damit so schnell wie möglich ein Gesetz mit gerechtem Inhalt herauskommt und alle Fälle, die wir gutzumachen haben, gerecht nach beiden Seiten erledigt werden. Dann werden wir auch die kleinen Leute befriedigen, die heute um ihre damals erworbene Existenz in Sorge sind, weil sie glauben, daß sie ihnen genommen werden soll. Es muß die Frage geprüft werden, wie diejenigen abgefunden werden sollen, die damals mit ihren Spargroschen Besitz erworben haben. Sie hätten doch damals auch etwas anderes kaufen können. Wenn ihre Gegenansprüche heute nur im Verhältnis 1 zu 10 aufgewertet werden, ist es für diese Leute unmöglich, sich eine neue Existenz zu schaffen.
Deshalb fordern wir eine Prüfung nach Recht und Gerechtigkeit. Wenn die Bundesregierung ein solches Gesetz schafft, wird das Volk Achtung vor dem Bundestag und vor der Regierung haben.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.
— Zur Geschäftsordnung hat das Wort Herr Abgeordneter Dr. Schmid.
Herr Präsident! Es ist der Antrag gestellt, die Interpellation an den
Ausschuß zu überweisen. Nach der Geschäftsordnung ist das so nicht möglich. Die Interpellation kann überwiesen werden, wenn in der Debatte ein Antrag gestellt wird. Ich möchte das nachholen, indem ich den Text der Interpellation abzüglich des ersten und des letzten Satzes als Antrag übergebe. Damit kann die Interpellation an den Ausschuß überwiesen werden.
Meine Damen und Herren, Sie haben den Antrag gehört. Ich darf im übrigen darauf hinweisen, daß nach § 57 der Geschäftsordnung auch die Interpellation einem Ausschuß überwiesen werden kann. Es ist der Antrag gestellt worden, die Interpellation mit Ausnahme des ersten und letzten Satzes als Antrag dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu überweisen. Ich darf unterstellen, daß der Antrag von 30 Mitgliedern des Hauses unterstützt wird. — Das ist zweifellos der Fall.
Ich bitte die Damen und Herren, die dem soeben gestellten Antrag zuzustimmen wünschen, eine Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; die Überweisung ist erfolgt.
Ich rufe Punkt 3 der gedruckten Tagesordnung auf:
Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betreffend Verwendung der Bundesausfallbürgschaft für die deutsche Filmindustrie .
Damit verbunden ist die
Beratung des Interfraktionellen Antrags der Abgeordneten Muckermann, Brunner, Dr. Nowack , Ewers, Freiherr von Aretin, Frau Wessel, Loritz, Fröhlich und Genossen betreffend Finanzierung deutscher Filme (Nr. 1965 der Drucksachen).
Es ist eine Verständigung unter den Fraktionen — mit Ausnahme der KPD — dahin erzielt worden, daß eine Aussprache nicht stattfinden soll. Nachher wird die Frage zu stellen sein, ob eine Besprechung der Interpellation gewünscht wird. Ich nehme an, daß das Haus sich der Vereinbarung im Ältestenrat in dieser Weise anschließen wird.
Ich bitte Herrn Abgeordneten Muckermann, die Interpellation zu begründen.
Muckermann , Interpellant: Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Hohe Haus hat seit seinem ersten Zusammentreten im Jahre 1949 wiederholt bewiesen, daß in allen Fraktionen der ehrliche Wunsch vorhanden ist, die schwierige wirtschaftliche Situation der deutschen Filmproduktion zu erleichtern, damit wir allmählich wieder zu einem deutschen Film kommen, der in früheren Jahren nicht nur ein guter Devisenbringer, sondern auch ein Kulturträger war und dem deutschen Namen in der Welt Ehre machen konnte. Ich erinnere an die längeren Fachausführungen des heutigen Bundesinnenministers, Herrn Dr. Lehr, am 27. Januar 1950 in diesem Hause und an die Beratung im zuständigen Ausschuß und im Plenum über den Antrag Dr. Vogel, Dr. Nowack (Rheinland-Pfalz) und Genossen, Drucksache Nr. 418, sowie an den Mündlichen Bericht Drucksache Nr. 775 und an den am 31. März 1950 in diesem Hohen Hause von dem Vorsitzenden des zuständigen Ausschusses, Dr. Vogel, gegebenen Bericht.
Den im Ausschuß beschlossenen Vorschlag für Hilfsmaßnahmen für die deutsche Filmindustrie machte sich das gesamte Haus mit wenigen Ausnahmen zu eigen, und so kam es zu der Ausfallbürgschaft von 20 Millionen DM, — eine Bürgschaft, und nicht ein Kredit und nicht eine Subvention.
Der Sinn der vorliegenden Interpellation Drucksache Nr. 1856 — die nicht eine besondere Angelegenheit der CDU/CSU ist, sondern inhaltlich ein Anliegen aller Fraktionen, wie die Experten dieses Hohen Hauses wissen — ist es, der Regierung Gelegenheit zu einer Zwischenbilanz zu geben, zumal auch das Haushaltsjahr seinem Ende zueilt, darüber hinaus aber auch die Möglichkeit zu schaffen, die Öffentlichkeit über Zweck der Bürgschaft und das dabei geübte Verfahren zu unterrichten, da in den letzten Wochen Auseinandersetzungen im Zusammenhang mit Filmen stattfanden, die erkennen lassen, daß über die Probleme und Ziele, die Frage der Bürgschaft und Zensur völlig falsche Vorstellungen herrschen. Wenn sich heute der Bund mit diesem Problem beschäftigt, so wissen wir, daß größte Vorsicht bei einer Industrie am Platze ist, deren Kreditwürdigkeit anders zu bewerten ist, als etwa eine Großbank ihre Debitoren bewertet. Das liegt aber in dem Zwittergebilde „Film" begründet, um das sich in gleicher Weise die Wirtschafts- und die Kultusminister bemühen.
Die öffentliche Hand hat einige Erfahrungen sammeln können. Ich erinnere an den Filmplan des Finanzministers Erzberger in der Weimarer Zeit, von dem nach seiner Ermordung nichts anderes übrigblieb als die Pleite der Spera-Filmgesellschaft, oder an Debatten um die Übernahme der Emelka-Aktien durch das Reich im Jahre 1929 und schließlich die Einfügung der gesamten deutwhen Filmwirtschaft in das Propagandaministerium des Dritten Ruches. Wir haben heute die Arbeit damit, der substanzentblößten Filmwirtschaft das reichseigene Filmvermögen allmählich wieder zuzuführen. Das Ideal aber ist und bleibt, die öffentliche Hand möglichst wenig in filmwirtschaftliche Dinge sich einschalten zu lassen. So ist auch heute noch in der Frage der wirtschaftlichen Hilfe für die Filmproduktion größte Vorsicht geboten. Sichere Rentabilitätsvoraussagen sind schon fast Prophezeiungen, und es wird immer die ernste Sorge des Finanz- und des Wirtschaftmministers sein müssen, eventuell in Anspruch zu nehmende Bundesmittel so zu sichern, daß dem Bund wenigstens keine nennenswerten Nachteile entstehen.
Aber die Filmmedaille. meine Damen und Herren, hat auch noch eine Kehrseite, und das ist das Antlitz der Kunst oder der Kultur. Es kann natürlich dem Staate nicht gleichgültig sein, welche Kultur ein solches Masenunterhaltungs- und Bildungsmittel wie der Film ausstrahlt, welche geistigen Anregungen er mobilisiert und wie er wie ein geistiges Perpetuum mobile ohne Stillstand Tag für Tag vor Millionen von Menschen sein Bilder, Worte und Ideen ausstrahlt.
Die staatliche Sorge um die Filmkultur, die mit dem Lichtspielgesetz der Weimarer Republik intensiv einsetzte, war keineswegs von freudiger Genugtuung begleitet. Ich erinnere an die achtbaren Bemühungen der damaligen Reichstagsabgeordneten, einer Hedwig Dransfeld, eines Pfarrers Mumm und eines Dr. Schreiber und mancher anderer. von den Deutschnationalen bis zur Sozialdemokratie. Es gab eine Oberprüfstelle in Berlin und zwei Filmprüfstellen in Berlin und München, und dennoch immer wieder erlebte die Öffentlichkeit die letzten Endes unerquicklichen Zensur-
debatten im Reichstag, die erst aufhörten, als die Staats-Omnipotenz auch den Geschmack bestimmte.
Wir sind in diesem Bundestag und in dem zuständigen Fachausschuß grundsätzlich andere, fortschrittlichere Wege gegangen. Wir wollen dem Film helfen, wieder deutsch zu sein und doch auch Menschen außerhalb unserer Grenzen noch ansprechen zu können.
In die sich neu zusammenfindende Filmwirtschaft setzen wir vorläufig noch soviel Vertrauen, daß sie die Chance begreift, welche in der Selbstdisziplin und in der Selbstkontrolle liegt. In anderen Demokratien, in denen allerdings auch die Selbstdisziplin sich insgesamt stärker entwickeln konnte, hat man in diesen Dingen gute Erfahrungen gesammelt. Im großen und ganzen wurde auch in WiesbadenBiebrich gut gearbeitet. Kinderkrankheiten sprechen nicht gegen das System, ebenso nicht die eine oder andere Fehlentscheidung. Aber eine Selbstdisziplin im kulturellen Sektor ist höher zu bewerten als der Polizeiknüppel. Auf dieser Linie haben sich alle Experten sämtlicher Fraktionen in diesem Hause gefunden.
Abgesehen davon, daß das Grundgesetz dem Bund Grenzen kultureller Einmischung setzt — diese Grenzen werden wir selbstverständlich respektieren —, gibt es aber doch gewisse Grundpostulate, die sich schon aus der natürlichen Ethik herleiten und über die es zwischen Bund und Ländern keinen Streit geben wird. Wir alle dürfen mit Recht erwarten, daß vor der Versorgung des Volkes mit Unterhaltung die Pflicht steht, schützend zu wachen über die Wurzeln der Volkskraft und die sittliche Gesunderhaltung der Jugend und der Familie. Darüber besteht keine Meinungsverschiedenheit, insbesondere nicht zwischen den Eltern in
o den einzelnen Fraktionen dieses Hohen Hauses, dessen hohes Ziel doch ein gesundes, starkes und zufriedenes deutsches Volk ist. Steigen wir aber von diesem Grundpostulat hinauf in die Sphäre des mehr Geschmacklichen, dann wird es schon fast so viele Unterschiede geben, als Geschmacksträger vorhanden sind. Wenn Menschen z. B. in Koblenz einen anderen Geschmack haben als in Hamburg und in Freiburg einen anderen als in Hannover, so muß jeder vernünftige Mensch einsehen: über Geschmack läßt sich streiten. Deswegen wollen wir nicht wieder einen politischen Kulturkampf entfesseln. Es kann nicht jeder mit dem Kopf durch die Wand rennen. Nur gegenseitige Rücksicht, Respekt vor der geistigen Freiheit und Würdigung der Überzeugung des andern werden hier die goldene Mitte finden lassen.
Als wir in diesem Hause die Ausfallbürgschaft berieten, erklärten die Sprecher der Opposition — ich zitiere hier, mit freundlicher Erlaubnis des Herrn Präsidenten, die Worte des Herrn Abgeordneten Hennig:
Wir sind uns dessen bewußt, daß diese Angelegenheit nicht nur eine kommerzielle und volkswirtschaftliche Seite hat. Alle Anstrengungen, die hier in materieller Beziehung vom Bund aus gemacht werden, sind nur dann gerechtfertigt, wenn die deutsche Filmproduktion durch die seelische und künstlerische Qualität ihrer Filme das in sie gesetzte Vertrauen in vollem Umfang rechtertigt.
Herr Abgeordneter Jacobs erklärte im Namen der Fraktion der SPD:
Ich erkläre nochmals im Namen meiner Fraktion, daß wir nicht zuletzt angesichts der wirtschaftlichen Werte, die der Film für Deutschland hat, dem Antrag unsere Zustimmung geben. Diese Zustimmung ist aber keinesfalls als ein Freibrief für Filmproduzenten zu betrachten, die glauben, auf Kosten des Staates irgendwelche keinem künstlerischen Zweck dienende Experimente betreiben zu können.
Ich hielt es für notwendig, auf diese Gesamtproblematik nochmals hinzuweisen.
Die Verteilung der Ausfallbürgschaft liegt allein in den Händen der Exekutive. Sie geschieht durch einen interministeriellen Ausschuß aus Wirtschafts-, Finanz- und Innenministerium nach besonderen Richtlinien vom 28. Juni 1950 und nach den Grundsätzen der Rentabilität. Auf Wunsch des Ausschusses für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films wurde bei dem Treuhänder ein beratendes Gremium von sechs Sachverständigen gebildet, das keinerlei Verfügungsrecht über die Bürgschaft hat und kein parlamentarisches Gremium ist. Die ersten 11 Filme waren bereits angelaufen, als das Gremium in Aktion trat. Seine vertraulichen Gutachten können dem interministeriellen Ausschuß als Material für seine Entscheidungen dienen. Zur Beurteilung stehen das Drehbuch und einige wirtschaftliche und personelle Angaben zur Verfügung. Die Vertraulichkeit ist wegen des Urheberrechts notwendig. Diese Tätigkeit hat mit der Selbstkontrolle, die über den fertigen Film entscheidet, nichts 7U tun. Eine Lücke ist darin zu sehen, daß wesentliche Diskrepanzen zwischen Drehbuch und Film möglich sind.
Ich muß von dieser Stelle aus ausdrücklich feststellen, daß die auf Bundesebene in dieser Frage tätigen Persönlichkeiten sich ihrer sehr schweren Aufgabe bisher mit größter Sorgfalt und mit ernstem Verantwortungsbewußtsein gewidmet haben. Darum sind fast alle Fraktionen und Gruppen dieses Hauses einig in dem Bestreben, die Filmfinanzierung so zu gestalten, daß sowohl staatsrechtliche wie wirtschaftliche und kulturelle Gesichtspunkte in einer dem Wohl der Allgemeinheit entsprechenden Form berücksichtigt werden.
Ich habe deshalb die Ehre, im Namen von Abgeordneten fast aller Fraktionen dieses Hohen Hauses einen interfraktionellen Antrag Drucksache Nr. 1965 einzubringen, der heute im Hause verteilt wurde. Der Antrag lautet:
Der Bundestag wolle beschließen:
Die Bundesregierung wird ersucht, zu veranlassen,
1. daß in die Verfahrensvorschriften und Bedingungen bei Inanspruchnahme der Ausfallbürgschaft des Bundes für Filmproduktionskredite vom 28. Juni 1950 stärkere Garantien für die möglichst objektive Beurteilung der voraussichtlichen Rentabilität eines Films eingebaut werden. Bestimmte kulturelle und künstlerische Gesichtspunkte dürfen bei der Beurteilung nicht völlig ausgeschlossen werden, ohne dadurch der Tätigkeit der Selbstkontrolle in irgendeiner Form vorzugreifen;
2. daß die Verfahrensvorschriften dahin-. gehend ergänzt werden, daß die Haftung des Bürgschaftsnehmers nicht auf die Einnahmen des verbürgten Films beschränkt bleibt, sondern auf sein gesamtes Vermögen ausgedehnt wird;
3. daß baldmöglichst die gesamte Filmfinanzierung auf eine andere Grundlage gestellt wird, indem eine Koordinierung der Bundes- und Länderfinanzierung auf der Basis
einer oder mehrerer Filmbanken erstrebt
und das bisherige System der Ausfallbürgschaft möglichst bald abgelöst wird.
Gleichzeitig bitte ich im Namen der Unterzeichner, nach der Beantwortung der Interpellation durch den Herrn Bundeswirtschaftsminister diese Interpellation und den interfraktionellen Antrag ohne Debatte an den zuständigen Ausschuß für Fragen der Presse, des Rundfunks und Films zu überweisen mit dem Auftrag, über die im Ausschuß gefaßten Beschlüsse dem Hause möglichst bald Bericht zu erstatten.
Zum Schluß möchte ich noch einmal auf den Willen dieses Hauses hinweisen, dem deutschen Film beim Aufbau zu helfen. Der Filmwirtschaft aber möchte ich sagen, daß diejenigen Firmen, welche glauben, mit Hilfe der Bürgschaft gegen die oben geschilderten, allgemein anerkannten ethischen Postulate verstoßen zu können, um ein einmaliges Konjunkturgeschäft zu machen, ihrer eigenen Wirtschaft einen sehr schlechten Dienst erweisen und den seit 1945 beschrittenen fortschrittlichen Weg der Selbstdisziplin und Selbstkontrolle gefährden. Das Wohl des Volkes ist für den Bund oberste Pflicht, wie es in den Artikeln 2, 5 und 6 des Grundgesetzes verankert ist.
Das Wort zur Beantwortung der Interpellation hat der Herr Bundeswirtschaftsminister.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Frage nach der Verwendung der 20-Millionen-Bundesausfallbürgschaft beantworte ich dahin:
Der Bürgschaftsausschuß hat unter Berücksichtigung der vorstehend dargelegten Grundsätze bisher Bürgschaften und Zusagen für 27 Filme erteilt; er hat 3 Anträge abgelehnt, weitere 5 Anträge können wegen Nichterfüllung von Auflagen als zurückgezogen betrachtet werden.
Was die Höhe der Kredite anlangt, so beläuft sich das Obligo des Bundes aus der Bürgschaft zur Zeit bei Gesamtproduktionskosten der 27 Filme in Höhe von 20,1 Millionen DM auf 6,7 Millionen DM. Erläuternd sei hierzu bemerkt, daß der Bund gemäß den Verfahrensvorschriften grundsätzlich die Bürgschaft für die letzten 35 % der anerkannten Herstellungskosten des Films übernimmt, soweit sich nicht im Einzelfall der Produzent am Risiko beteiligt. Die Gesamtbeteiligung der Produzenten an den bisher verbürgten Filmen beträgt insgesamt 2 Millionen DM.
Die Frage, für welche Filmvorhaben die Bürgschaft übernommen worden ist, ist dahin zu beantworten: Der Bürgschaftsausschuß hat in seiner Sitzung am 21. 9. 1950 auf Wunsch der Produzenten und aus Wettbewerbsgründen beschlossen, der Öffentlichkeit keine Angaben über die einzelnen in Bürgschaft genommenen Filmvorhaben zu machen. Es bestehen Bedenken, diesen Grundsatz zu durchbrechen. Falls es der Bundestag wünscht, kann aber eine Aufstellung der verbürgten Filme einem Beauftragten des Bundestags zur vertraulichen Unterrichtung der an der Liste interessierten Bundestagsmitglieder vorgelegt werden.
Die zweite Frage lautet dahin, ob die Bundesregierung gedenkt, die noch nicht ausgegebenen Restmittel noch in diesem Haushaltsjahr auszugeben, oder ob die Absicht besteht, die Bundesausfallbürgschaft in bezug auf den noch nicht verbrauchten Restbetrag auf das kommende Haushaltsjahr auszudehnen. Die Bürgschaft wird in diesem Haushaltsjahr, wie die Höhe des derzeitigen Obligos, d. h. im Umfang von 6,7 Millionen DM, ergibt, nicht mehr ausgeschöpft. Die Bürgschaftsaktion soll weitergeführt werden, solange nicht ein Beschluß des Bundestags ihre Weiterführung unterbindet oder sich die Möglichkeit ergibt, die deutsche Filmproduktion auf privater Basis oder durch Einsatz des zur Zeit noch von der Militärregierung blockierten Ufa-Vermögens zu finanzieren. Im Augenblick würde die Einstellung der Bürgschaftsaktion zum Zusammenbruch der deutschen Filmproduktion führen. Die Bürgschaftsaktion hätte damit ihren Zweck verfehlt. Eine Änderung der Bürgschaftsrichtlinien ist in Vorbereitung. Bei ihr wird insbesondere geprüft werden, inwieweit in stärkerem Maße privatwirtschaftlichen Gesichtspunkten Rechnung getragen werden kann. Das Gesetz zur Überleitung von Sicherungsleistungen und Gewährleistungen zur Förderung der deutschen Wirtschaft wird die Fortführung der Aktion auch im kommenden Haushaltsjahr ermöglichen.
Das Wort zur Aussprache wird nicht gewünscht. Die Aussprache ist damit geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst seitens des Herrn Interpellanten der Antrag vor, die Interpellation dem Ausschuß für Presse, Rundfunk und Film zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die diesem Antrag zustimmen, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Enthaltungen? — Der Antrag scheint einstimmig angenommen zu sein.
Dann liegt weiter auf Drucksache Nr. 1965 der interfraktionelle Antrag der Abgeordneten Mukkermann, Brunner und Genossen vor. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung dieses Antrags an den eben genannten Ausschuß zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; es ist so beschlossen.
Ich rufe auf Punkt 4 der Tagesordnung:
Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung von Verlusten der Altsparer (Nr. 1874 der Drucksachen).
Das Wort zur Begründung hat Herr Abgeordneter Dr. Bertram.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe die Aufgabe, den Antrag betreffend Entwurf eines Gesetzes über die Entschädigung von Verlusten der Altsparer zu begründen. Erwarten Sie bitte nicht von mir, daß ich Ihnen heute in der ersten Lesung dieses Gesetz in allen seinen Einzelheiten vortragen werde. Ich werde mich darauf beschränken, die wesentlichsten Bestimmungen und die allgemeinen Gründe vorzutragen, die uns zur Einbringung dieses Gesetzes veranlaßt haben.
Das Gesetz hat eine lange Vorgeschichte. Schon in der Regierungserklärung hatte der Bundeskanzler eine Entschädigung der Altsparer in Aussicht gestellt und sie als eine staatspolitische Notwendigkeit bezeichnet, um das Vertrauen der Altsparer in die Gesetzgebung wieder zu gewinnen. Der Bundesfinanzminister hat in einer Rede in Hamburg den Stand der Vorarbeiten zu dem Gesetzentwurf bekanntgeben. Später sind den Mit-
gliedern des Ausschusses für den Lastenausgleich die Unterlagen der Regierung — Bemerkungen zu einem Altsparergesetz — zugeleitet worden. Trotzdem ist im Lastenausgleichsgesetzentwurf, und zwar im § 325, keine Regelung der Altspareraufwertung vorgesehen worden. Es ist dort nur bestimmt, daß durch besondere Gesetze eine Altspareraufwertung noch erfolgen könne.
Dieser § 325 des Lastenausgleichgesetzentwurfs hat uns schon im Ausschuß beschäftigt und eigentlich zu einer fast einheitlichen Meinungsbildung dahin geführt, daß er in der jetzigen Fassung nicht bestehen bleiben könne, da es sich bei dieser Gesetzesbestimmung um einen Wechsel auf die Zukunft handelt, der ohne Deckung ausgestellt worden ist. Die Schadensgruppen, die im § 325 des Lastenausgleichgesetzentwurfs zitiert worden sind, sind im wesentlichen dieselben, wie sie in dem Altsparergesetzentwurf aufgeführt worden sind. Da aber Mittel für die Berücksichtigung der neuen Schadensgruppen des § 325 im Gesetzentwurf nicht vorgesehen sind, ist gar nicht zu erkennen, woher derartige Mittel kommen sollten, wenn nach Verteilung der Lastenausgleichsmasse das Lastenausgleichsgesetz einmal fertig sein sollte. Wird also den Altsparern nicht jetzt eine entprechende Entschädigung zuerkannt, so würde die Bestimmung des § 325 eine Verschiebung der Erfüllung ihrer berechtigten Ansprüche auf den Sankt-Nimmerleins-Tag bedeuten. Der Paragraph ist daher in Wirklichkeit nur eine leere Vertröstung.
Wenn ich zunächst auf die Einzelheiten des Gesetzentwurfs in großen Zügen kurz eingehen soll, so möchte ich erwähnen, daß eine Entschädigung nur für typische Sparanlagen gezahlt werden soll. Der Begriff selbst ist im Gesetz nicht näher definiert. Aber ich glaube, daß die Schwierigkeiten, die die Definition des Begriffs mit sich bringen könnte, in der Praxis nicht sehr groß sein werden; denn in der Bankpraxis werden Spareinlagen und andere Geldeinlagen sehr sorgfältig voneinander geschieden, so daß sich allzu große Schwierigkeiten aus der Begriffsbestimmung „Sparanlagen" in der Praxis nicht ergeben dürften.
Als Stichtag ist der 1. Januar 1940 aufgeführt. Als typische Sparanlagen sind nicht nur die Einlagen bei Sparkassen anzusehen — also Anlagen, die überwiegend dinglich gesichert sind —. sondern auch Anlagen in Anleihen, soweit sie den Charakter einer Sparanlage haben. Nach unserem Vorschlag soll kein Unterschied gemacht werden, ob der Schuldner der Sparanlage eine dingliche Sicherung vorgenommen hat oder nicht.
Die Entschädigung soll nur an natürliche Personen gezahlt werden, jedoch sollen Sozialfonds und Versorgungskassen wie natürliche Personen behandelt werden, da sie nur als Durchgangsstation anzusehen sind. Juristische Personen sparen nicht. Sparen heißt doch, Vorsorge treffen für zukünftige ungewisse Bedürfnisse einer natürlichen Person. Einen derartigen Vorgang bei einer juristischen Person kann man sich nicht vorstellen.
Die Sparentwicklung, die im letzten Jahre eine stark rückläufige Tendenz hatte, beweist uns, daß wir unter allen Umständen etwas dafür tun müssen, daß der Spargedanke im deutschen Volk wachgehalten wird, wenn er nicht überhaupt erst wieder geweckt werden muß. Wenn wir im Januar des vorigen Jahres bei einem Sparüberschuß von 150 Millionen DM lagen und jetzt, wenn wir die Zinsgutschriften nicht berücksichtigen, bereits bei einem Auszahlungsüberschuß sind, so sehen wir
daran, daß die Abhebungen die Einzahlungen übersteigen, so daß eine effektive Sparleistung nicht mehr zu erkennen ist. Nach der vorigen Inflation ist der Betrag der Spargutschriften nach der Aufwertung achtmal so hoch gewesen wie derjenige Betrag, der den einzelnen Sparkonten gutgeschrieben worden war. Damals haben die Sparer gesehen, daß es sich wieder lohnte zu sparen, und haben dann ein Vielfaches von dem zurückgelegt, was ihnen durch die Aufwertungsgesetzgebung zunächst zugesprochen worden war.
Es kommt hinzu, daß durch die Entsparung — die wir nicht nur auf den typischen Sparkonten sehen, sondern der Entsparungsvorgang hat ja auch die Bankkonten ergriffen — zusätzlich Geld in den Geldkreislauf strömt und zusammen mit der erhöhten Geldumlaufsgeschwindigkeit eine zusätzliche Geldmenge und damit eine zusätzliche Kaufkraft auf dem Markt erscheint, die ganz wesentlich mit daran schuld ist, daß wir die Preisauftriebstendenzen in Deutschland in diesem Maße haben, wie wir sie tatsächlich vor uns sehen. Durch die Schaffung von Vertrauen bei den Sparern wird es uns also gleichzeitig gelingen, die übertriebenen Preisauftriebstendenzen zu dämpfen und eine Umkehr bzw. eine Mäßigung dieses Hineinströmens von Geld in den Konsumkreislauf zu erreichen.
Die Berechtigung wird an eine weitere Bedingung geknüpft. Diese verlangt, daß der Sparer auch am Währungsstichtag noch Inhaber der Sparanlage gewesen sein muß. Die Rechtsnachfolge in der Zeit zwischen dem 1. Januar 1940 und dem Währungsstichtag ist unschädlich, wenn der Rechtsnachfolger mit dem Rechtsvorgänger in gerader Linie verwandt ist.
Wie sollen nun die Beträge hierfür aufgebracht werden? Dem einzelnen Altsparer ist die Entschädigung durch Einrichtung eines Guthabens bei einem in Betracht kommenden Sparinstitut zu geben. Dieses Guthaben bleibt zunächst bis auf die gleich zu erörternden Ausnahmefälle gesperrt. Zinsansprüche sollen erst vom 1. Januar 1953 an entstehen, und zwar deshalb, weil in den kommenden Jahren die Belastung des Lastenausgleichs-fonds besonders groß sein und sich ab 1953 ein gewisser Spielraum ergeben wird.
Eine besondere Ungerechtigkeit für die Altsparer bestand darin, daß die Kopfbeträge angerechnet worden sind. Diese Anrechnung der Kopfbeträge hat eine Fülle von Klein- und Kleinstkonten und damit von potentiellen Sparern zum Verschwinden gebracht. Diese Ungerechtigkeit muß beseitigt werden, selbst wenn damit außerordentlich viel Arbeit verbunden ist. Es sind rund sechs Millionen derartige Altsparkonten gestrichen worden.
Die Entschädigung ist einheitlich auf 20 % vorgesehen. Das entspricht auch dem Umstellungssatz, wie er im Umstellungsgesetz unter Hinzurechnung der Schattenquote ursprünglich vorgesehen war. Da durch das Umstellungsgesetz die Ansprüche in verschiedenem Maßstab zusammengelegt worden sind, muß der Entschädigungssatz je nach der Art der erfolgten Umstellung verschieden sein, um dann einheitlich den Plafond von 20 % zu erreichen.
Von besonderer Bedeutung sind die Bestimmungen über die Freigabe der Entschädigung; denn letzten Endes will der Sparer außer den Zinsen irgend etwas auch mit dem Sparguthaben anfangen können. Eine Freigabe soll zunächst dann erfolgen, wenn die Gutschriftsbeträge vom Sparer wiederum langfristig angelegt werden. In diesem
Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Ich kann Sie nicht verstehen!
Meine Herren, es ist ein schwer erträglicher Zustand, wenn nun diese Geldvermögen, die sich erst in der Kriegszeit gebildet haben, bei der Währungsreform ebenso behandelt werden wie Ersparnisse, die oft in einem jahrzehntelangen Leben angesammelt worden sind.
Wir sind objektiv genug, uns zu freuen, wenn ein guter Vorschlag auch von außerhalb unserer Reihen kommt. Wir begrüßen lebhaft diesen Initiativgesetzentwurf des Zentrums, der die Wiederaufnahme der alten Regierungsvorlage bedeutet.
Meine Damen und Herren! Auch wir sind, wie es Herr Dr. Bertram bei der Begründung zum Ausdruck gebracht hat, der Überzeugung, daß dieses Gesetz einen wertvollen Versuch darstellt, den Sparwillen wieder zu beleben. Niemand von uns kann eine Garantie dafür übernehmen, daß eine Generation, die zweimal einen betrügerischen Staatsbankerott erlebt hat, noch einmal bereit sein wird, ein drittes Mal zu sparen. Der Versuch muß aber aus volkswirtschaftlichen Gründen, die ja jedem geläufig sind und die ich im einzelnen nicht darzulegen brauche, auf alle Fälle gemacht werden. Wir sehen in diesem Gesetz ein brauchbares Mittel zur Belebung des Sparwillens. Dies Argument muß stark betont und in den Vordergrund gestellt werden.
In meiner Fraktion bestand Einmütigkeit darüber, daß es unzweckmäßig ist, dieses Problem der, sagen wir einmal, Revision der verfehlten Währungsreform — denn darum handelt es sich doch hierbei! — wieder nur als Stückwerk zu behandeln. Meine Fraktion ist einmütig der Überzeugung, daß bei dieser Gelegenheit auch das Problem unserer Sozialversicherung unbedingt mit angeschnitten werden muß. Wir wissen alle, daß es im Augenblick wohl nicht möglich ist, die Frage des Kapitaldeckungsverfahrens oder Umlageverfahrens unter den obwaltenden Verhältnissen zu entscheiden. Wir sind andererseits der Ansicht, daß wir nicht eine entsprechende Aufwertung der Altsparkonten vornehmen können, ohne bei dieser Gelegenheit auch eine Aufwertung der großen Vermögensbestände der Sozialversicherung vorzunehmen. Wenn Sie das Statistische Handbuch für Deutschland zur Hand nehmen, so finden Sie, daß die Sozialversicherungsträger im Jahre 1936 schon wieder ein Vermögen von immerhin 6,1 Milliarden Mark hatten. Im Jahre 1939 ist es sogar auf 10,1 Milliarden Mark angewachsen. Allein die Invalidenversicherung hatte ein Vermögen von 4 Milliarden Mark, die Angestelltenversicherung sogar ein solches von 4,5 Milliarden Mark. Wir sind der Ansicht, daß jedenfalls ein Teil dieser alten Vermögensbestände bei dieser Gelegenheit neu aufgebaut werden muß. Wir versprechen uns insbesondere auch etwas davon, wenn wieder Zinsen aus den Kapitalanlagen der Sozialversicherung zufließen. Wir halten es des Studiums für wert, ob und inwieweit wir dann mit diesen Zinseinnahmen, etwa durch Anlage in Hypotheken usw., den Baumarkt fördern können, soweit diese Einnahmen nicht für die laufenden Rentenzahlungen benötigt werden.
Meine Damen und Herren, ich will hier nicht — und kann das bei der Kürze der Zeit auch gar nicht — auf die Fülle der Einzelfragen, die der Gesetzentwurf aufwirft, eingehen. Nur zwei Dinge will ich behandeln, die in meiner Fraktion bei der Diskussion eine gewisse Rolle gespielt haben. Das ist
erstens die Frage des Stichtages. Wir sind nicht der Ansicht, daß als Ausgangsstichtag der 1. Januar 1940 richtig ist. Auch die Statistik über die Entwicklung der Geldkapitalbildung zeigt, daß sich nach 1936 schon Inflationstendenzen bemerkbar machten, wenn auch zunächst noch in geringem Umfang. Wir glauben, daß ein Stichtag gewählt werden sollte, der vor der eigentlichen Rüstungskonjunktur liegt, also etwa der 1. Januar 1936 oder Ende 1936.
Dann haben wir uns die Bedenken zu eigen gemacht, die der Verband der Lebensversicherungsunternehmen zu den Vorschlägen der ursprünglichen Regierungsvorlage hinsichtlich der Behandlung der Lebensversicherungsansprüche bereits im Herbst 1949 erhoben hat. In der Fraktion sind wir nach eingehender Beratung der Ausstellungen des sachverständigen Lebensversicherungsverbandes zu dem Ergebnis gekommen, daß wir bei der Aufwertung der Lebensversicherungen von dem Lebensalter der Versicherten ausgehen müssen und daß wir auch den Sparwert der Lebensversicherung nicht gut auf den 1. Januar 1940 abstellen können, sondern auf den Währungsstichtag, wobei es selbstverständlich ist, daß dabei nur Lebensversicherungen berücksichtigt werden können, die als Altversicherungen anzusehen sind. Wir werden im Ausschuß noch Gelegenheit haben, gerade die Frage der Lebensversicherungen im einzelnen besonders zu behandeln.
Nun zu der entscheidenden Deckungsfrage. Meine Fraktion hat erhebliche Bedenken dagegen, den Lastenausgleichsfonds irgendwie zu schwächen. Wir können uns mit den in der Vorlage enthaltenen Vorschlägen, wonach vier Zehntel der Hypothekengewinnabgabe für die Zwecke dieses Gesetzes zur Verfügung gestellt werden sollen, nicht befreunden. Der Topf, aus dem der sonstige Lastenausgleich gespeist werden muß, wird dann zu sehr entleert, zumal wir uns im Lastenausgleichsausschuß vor die Tatsache gestellt sahen, für die Kriegsschädenrenten wahrscheinlich einen höheren Betrag als vorgesehen aufwenden zu müssen.
Es kommt auch eine grundsätzliche finanzpolitische Erwägung hinzu. Wir halten es — und wir haben das schon wiederholt zum Ausdruck gebracht — für „finanzpolitisch nicht möglich" — um es einmal etwas „neutral" auszudrücken —, daß der Bund aus dieser furchtbaren Kriegskatastrophe ohne nennenswerte Schuldverpflichtungen hervorgeht. Uns erscheint diese finanzpolitische Situation auch unter internationalen Gesichtspunkten grundsätzlich verkehrt. Wir sind deswegen der Auffassung, daß die Kosten für die Durchführung dieses Gesetzes nur in der Form aufgebracht werden können, daß eine neue Bundesschuld kreiert wird und daß dann die Verzinsung und Tilgung dieser neuen Bundesschuld aus allgemeinen Steuermitteln erfolgen muß.
— Wir sind uns völlig darüber klar, Herr Kollege Wuermeling, daß das selbstverständlich eine zusätzliche Aufwendung darstellt und daß wir nicht darum herumkommen werden, für diese dringende Aufgabe eine Steuererhöhung vorzusehen. Meine Freunde sind aber der Überzeugung, daß es sich hier um ein Problem von so großer Bedeutung für die Stärkung unseres Rechtsgefühls wie um entscheidende soziale Beweggründe handelt, daß sie bereit sind, diese zusätzliche Belastung zu vertreten. Dabei dürfen wir nicht den Fehler wiederholen, der bei den Ausgleichsforderungen von der
Währungsreformgesetzgebung gemacht wurde. Wir müssen diese Obligationen unbedingt tilgbar machen. An diesem Mangel kranken die Ausgleichsforderungen, was ihre Verwendung im Kreditwesen so außerordentlich erschwert.
Alles in allem glauben wir, daß diese Vorlage eine geeignete Grundlage darstellt, um das schwierige Problem einer Entschädigung der Altsparer nunmehr im Wege der Gesetzgebung zu lösen. Wir sind der Ansicht, daß das Problem als Teil des allgemeinen Lastenausgleichs aufgefaßt werden muß. Deshalb schließen wir uns den bereits gestellten Anträgen an, dieses Gesetz dem allgemeinen Lastenausgleichsausschuß zur weiteren Behandlung zu überweisen.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der Fraktion der WAV möchte ich erklären, wir sind außerordentlich erfreut darüber, daß uns nunmehr aus der Mitte des Hauses endlich ein Gesetzentwurf zugunsten der Altsparer vorgelegt worden ist. Der Sprecher der CDU-Fraktion hat uns soeben erklärt, daß beim Ministerium schon seit langen Monaten Ref erentenentwürfe und dergleichen liegen; Warum hat man uns diese Entwürfe nicht schon in der letzten Zeit vorgelegt? Ich glaube, damit wäre den Initianten von heute manche Arbeit erspart geblieben, und uns allen, die wir für einen Altsparerlastenausgleich sind, wäre damit eine große Freude bereitet worden.
Ich komme zu dem Inhalt des Gesetzentwurfs selber. Uns freut insbesondere der § 4 und die darin enthaltene Statuierung des unbedingten Rechtsanspruchs der Altsparer. Über die Notlage der Altsparer wurde in breiten Kreisen der Bevölkerung leider nicht so viel gesprochen wie über die Not mancher anderer Bevölkerungsschichten, obgleich die Not der Altsparer ebenfalls ungeheuer groß ist.
Wir stehen auch auf dem Standpunkt, den Herr Dr. Nöll von der Nahmer entwickelt hat. Wir möchten den Heimatvertriebenen keine Mittel abzwacken lassen. Wir müssen aber zusätzlich Mittel gewinnen, um auch den Altsparern Recht zukommen zu lassen. Es ist vollkommen richtig und wird von unserer Fraktion unterschrieben, daß es von Anfang an verkehrt war, hier die öffentliche Hand so schuldenfrei zu stellen, wie es tatsächlich geschehen ist.
Wir müssen diese Mittel eben auf dem Anleiheweg irgendwie aufbringen.
Wir sind damit einverstanden, daß der vorliegende Gesetzentwurf dem Ausschuß überwiesen wird, damit alsbald für die verarmten Altsparer etwas geschehen kann.
Die Rednerliste ist erschöpft. — Herr Dr. Bertram, wollten Sie noch etwas sagen? — Ich erteile Ihnen das Wort zu einer Schlußbemerkung.
Meine Damen und Herren! Es ist selbstverständlich, daß die Beschaffung der Geldquelle die entscheidende Frage
in dem ganzen Gesetzentwurf ist. In dem Gesetzentwurf steht nicht alles drin, was hinsichtlich der
Geldbeschaffung bei uns Gegenstand der Erörterung gewesen ist. Ich darf aber Herrn Professor Nöll von der Nahmer vor allem darauf hinweisen, daß wir den Grundgedanken der Schaffung einer Bundesschuld zum Zwecke der Vergütung für die Altsparer ausdrücklich in das Gesetz hineingeschrieben haben. Ob es möglich sein wird, in gleicher Höhe, wie die Bundesschuld gegenüber den entschädigungspflichtigen Instituten entsteht, Gelder aus dem Lastenausgleichsfonds dieser Bundesschuld gegenüberzustellen, oder ob sich eine geringere oder größere Differenz ergibt, die dann aus öffentlichen Mitteln zu decken wäre, wird erst die Beratung ergeben können. Das wird die Beratung vor allem deshalb erst ergeben können, weil wir mitten in den Lastenausgleichsverhandlungen drinstecken und noch gar nicht übersehen, wie sich die endgültige Bilanz dieses schwierigen Gesetzgebungswerkes stellen wird. Für uns kam es entscheidend darauf an, daß eine gesetzgeberische Initiative, die die Regierung aus der Hand gegeben hatte, obwohl sie sie versprochen hatte, ergriffen wurde, um damit das Problem nunmehr in den Laut der Gesetzgebung zu bringen. Es nützt doch nichts, wenn immer wieder über Notwendigkeiten gesprochen wird und wenn diese Dinge nicht tatsachnch in Form eines Gesetzentwurfs und eines entsprechenden Vorschlages zu einem Beschuluß gefuhrt werden konnen. Es war uns darum zu tun, daß nach dem vielen Mundspitzen nunmehr auch gepfiffen wurde.
Nach dem Schlußwort ist die Aussprache geschlossen.
Wir kommen zur Abstimmung. Es ist beantragt a worden, die Vorlage an den Ausschuß für den Lastenausgleich als federführenden Ausschuß und zur Mitbearbeitung gleichzeitig an den Ausschuß für Geld und Kredit zu überweisen. Ich bitte diejenigen, die dieser Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; demnach ist so beschlossen.
Ich rufe nun auf Punkt 5 der Tagesordnung: Erste Beratung des vom Deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlungen an Feiertagen .
Mit der Begründung ist für den Bundesrat Herr Bürgermeister Dr. Nevermann, Hamburg, beauftragt. Es ist mir aber mitgeteilt worden, daß er sich auf die schriftliche Begründung beschränken wird. Ich brauche infolgedessen das Wort nicht zu erteilen.
Damit, meine Damen und Herren, darf ich Ihnen auch den Vorschlag machen, von einer ersten Beratung abzusehen und die Überweisung an den Ausschuß für Arbeit zu beschließen. — Ich höre keinen Widerspruch. Damit kann ich das als beschlossen annehmen.
Punkt 6 der Tagesordnung ist für die 122. Sitzung zurückgestellt.
Ich rufe nunmehr auf Punkt 7 der Tagesordnung:
Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Anleihegesetzes von 1950 ;
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (Nr. 1876 der Drucksachen).
Das Wort hat als Berichterstatter Herr Abgeordneter Erler.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es handelt sich um die gleiche Vorlage, die wir in der vergangenen Woche noch einmal dem federführenden Ausschuß in Zusammenarbeit mit dem Haushaltsausschuß zurücküberwiesen haben, um über den Antrag auf Umdruck Nr. 81 nach Möglichkeit im Ausschuß noch ein Einvernehmen zu erzielen.
Ich darf Ihnen zunächst einen kleinen Überblick über das ganze Problem geben. Der Herr Bundesfinanzminister hat bisher vom Bundestag lediglich Kreditermächtigungen erhalten, die jetzt erschöpft sind. Er braucht zur Deckung des außerordentlichen Haushaltes eine ordnungsmäßige Anleihe für den Bund.
Darüber hinaus ist Ihnen allen das Problem der Lebensmittelsubventionen bekannt. Auch die Lebensmittelsubventionen müssen durch den Bund im Kreditwege bestritten werden. Der Subventionsbedarf ist bis zum 31. März 1951 auf etwa 559 Millionen DM beziffert, von denen rund 259 Millionen DM im ordentlichen Haushalt ausgewiesen waren, während 300 Millionen DM im außerordentlichen Haushalt erscheinen und daher nun auch ihre Deckung durch das vorliegende Gesetz finden müßten.
Der Finanzminister rechnet nicht damit, daß es möglich oder auch notwendig sein wird, die vorgesehene Anleihe sofort zur allgemeinen Zeichnung freizugeben. Es liegen gewisse Unterbringungszusagen durch das Kreditsystem und durch die Bank deutscher Länder vor, so daß damit gerechnet werden kann, daß die dringendsten Bedürfnisse zum Aufbringen der für den außerordentlichen Haushalt benötigten Beträge zunächst ohne allgemeine Aufforderung zur Zeichnung befriedigt werden können.
Die Tilgung der für die Subventionen aufzubringenden Beträge ist vom Herrn Finanzminister aus höheren Steuereingängen der Jahre 1951/1952 beabsichtigt. Es handelt sich dabei also in Wahrheit um einen Vorgriff auf zu erwartende Steuereinnahmen späterer Jahre.
Die Bank deutscher Länder hat ihre Placierungszusage nur unter der Voraussetzung gegeben, daß gewisse währungspolitische Sicherungen vom Finanzminister zugesagt wurden. Sonst hätte sie die Befürchtung, daß von einer konsumtiven Verwendung dieser Anleihe unerwünschte Preisauftriebstendenzen weiterhin in das Wirtschaftsleben hineinstrahlen würden. Diese Zusicherungen sind in der Weise gegeben worden, daß in der gleichen Höhe, in der die Bank deutscher Länder zunächst die Anleihe placieren wird, Beträge der Gegenwertmittel für die ERP-Konten gesperrt werden, die damit einstweilen neutralisiert sind und an Kaufkraft nicht erscheinen, so daß von der Kaufkraft her gesehen das Gesamtvolumen der in Deutschland vorhandenen Kaufkraft den angebotenen Waren gegenüber durch die Placierung dieser Anleihe nicht vergrößert wird. Damit sind die währungspolitischen Bedenken der Bank deutscher Länder überwunden.
Nun zu den einzelnen Bestimmungen des Gesetzes selbst!
Der § 1 sieht vor, daß die früher für das Reich geltenden Vorschriften auf dem Gebiete des Schuldenrechtes nun für den Bund für anwendbar erklärt werden, und zwar immer sinngemäß anwendbar. Die Vorschrift hat vor allen Dingen die Bedeutung, daß nun die zu schaffenden Schuldbuchforderungen auch für den Börsenverkehr zugelassen werden. Das ist der wesentliche Sinn des § 1.
Der mit Abstand wichtigste Paragraph, der auch im Ausschuß nicht unerheblich verändert worden ist, ist der § 2. Er zerfällt in die beiden Absätze 1 und 2, bei denen der Abs. 1 sich mit den allgemein normalerweise im außerordentlichen Haushalt anfallenden Mitteln der verschiedensten Verwendungszwecke befaßt, hier in Höhe von 398 981 000 DM, während der Abs. 2 ausschließlich die für die Lebensmittelsubventionen benötigten 310 Millionen DM enthält.
Es ist eine verschiedene Ausstattung der Anleihe vorgesehen. Der Abs. 1 behandelt die eigentliche langfristige Anleihe, wie sie auch früher als Staatsanleihepapier begeben wurde. Da ist eine Neuheit vorgesehen. Es sollen Schuldurkunden bis zu einem Nennbetrag von 100 Millionen DM mit Prämien ausgestattet werden. Es ist vielleicht gut, wenn das Prinzip der Prämienanleihe, das bei der Einbringung der Vorlage hier vom Herrn Bundesfinanzminister erläutert worden ist, an Hand eines konkreten Entwurfs einmal kurz erklärt wird.
Auf die Prämienanleihe, die in kleinen Stücken bis zu 10 DM hinunter ausgegeben wird, werden keine Zinsen gezahlt, sondern die Prämienanleihe enthält Gewinnchancen; sie kommt damit einer Ausspielung in gewissem Umfange nahe. Es ist vorgesehen, daß diese Prämienanleihe in Serien von jeweils einer Million Stücken zu 10 DM ausgegeben wird. Jede Serie würde also 10 Millionen DM erbringen. Die Zinsen, die man normalerweise für diese Anleihe zu zahlen hätte, will der Herr Finanzminister nicht etwa einsparen, sondern sie werden an die Inhaber der Prämienstücke ausgeschüttet, aber eben in der Form sehr verschieden gestalteter Gewinne, und zwar sind für jede solche Serie ein Gewinn zu 50 000 DM, ein Gewinn zu 25 000 DM, zwei Gewinne zu je 10 000 DM, 10 Gewinne zu je 1000 DM und 40 zu je 500 DM vorgesehen. Sie sehen, daß sich die Gesamtsumme der Gewinne, wenn wir sie addieren, bei der Serie auf 125 000 DM in einem Vierteljahr beläuft. Das wären aber jährlich 500 000 DM, und das ergibt also eine rechnerische Verzinsung von 5 %. Der Bundesfinanzminister erhofft sich von dieser Art der Ausstattung des Papiers, daß gerade der nur über verhältnismäßig geringe Kapitalbeträge verfügende Sparer sich im Hinblick auf die dort zu erwartende Gewinnchance diesem Papier zuwenden wird. Ich werde nachher bei den steuerlichen Vorschriften des Gesetzes noch auf einige wirtschafts- und steuerpolitische Erwägungen zurückkommen, die wir auch gegenüber der Prämienanleihe sowohl im Ausschuß für Geld und Kredit als auch im Haushaltsausschuß angestellt haben. Soviel zu diesem Absatz.
In Abs. 2 ist nur von kürzer befristeten Anleihen die Rede. Die Kredite, die dort aufgenommen werden, sollen je zur Hälfte bis zum 31. März 1952 und zum 31. März 1953 getilgt werden, und zwar wird es sich dabei im wesentlichen um ein bereits eingeführtes Papier handeln, um unverzinsliche Schatzanweisungen, die diskontiert werden. Sechsmonatsschatzanweisungen werden augenblicklich zu 6 1/4 % gehandelt. Im wesentlichen wird es also auch bei diesem Papier auf eine ähnliche Ausstattung hinauslaufen.
Zu diesem Paragraphen liegt nun der Abänderungsantrag auf Umdruck Nr. 81 vor, der dem Paragraphen eine andere Fassung geben will. Es war dieser Abänderungsantrag, der das Haus veran-
laßt hat, die ganze Vorlage noch einmal an den Ausschuß für Geld und Kredit zurückzuverweisen. Das damit angeschnittene Problem ist im Haushaltsausschuß, heute auch unter Hinzuziehung des Ausschusses für Geld und Kredit, ausführlich erörtert worden. Beide Ausschüsse haben sich nicht dazu verstehen können, von der seinerzeit von ihnen erarbeiteten Vorlage abzuweichen. Es ist meine Aufgabe, Ihnen die wesentlichen Argumente für diese Haltung vorzutragen.
Wovon geht die Vorlage des Ausschusses für Geld und Kredit, die in dieser Fassung vom Haushaltsausschuß vorgeschlagen worden ist, aus? Sie geht bei der Schuldaufnahme vom sogenannten Netto-Prinzip aus, d. h. wir schreiben in das Gesetz denjenigen Betrag als Kredit hinein, den der Finanzminister nachher tatsächlich für die Deckung des außerordentlichen Haushaltsplans braucht, und sagen, daß das die Begrenzung ist, die wir im Gesetz geben, daß die Bundesschuldenverwaltung die Schuldurkunden aber darüber hinaus nach den vom Bundesfinanzminister der Schuldenverwaltung vorzulegenden Verträgen ausstellen muß bis zu der Höhe, die sich nach den Anleihebedingungen am Markt für den Bundesfinanzminister ergibt. Das ist das Netto-Prinzip.
Herr Dr. Höpker-Aschoff, Herr Kollege Bausch und Herr Dr. Decker haben in ihrem Antrag, gestützt auf Art. 115 des Grundgesetzes, verlangt, daß hier als Grenze der Betrag eingesetzt wird, über den insgesamt eine Schuldverpflichtung eingegangen wird, also nicht das, was netto in die Kasse fließt, sondern das, was den Bund tatsächlich einmal belasten wird. Ich darf Ihnen zur Erläuterung Art. 115 des Grundgesetzes in Erinnerung rufen. Der Artikel hat uns sehr lange beschäftigt. Er lautet:
Im Wege des Kredites dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund eines Bundesgesetzes beschafft werden.
Das ist klar und sehr eindeutig.
Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen zu Lasten des Bundes, deren Wirkung über ein Rechnungsjahr hinausgeht, dürfen nur auf Grund eines Bundesgesetzes erfolgen.
Das ist etwas ganz anderes. Das ist die Einräumung von Krediten, die der Bund an andere gibt, sowie von Bürgschaften, die der Bund zugunsten anderer übernimmt. Und nun heißt es weiter:
In dem Gesetze muß die Höhe des Kredites oder der Umfang der Verpflichtung, für die der Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein.
Hier ist bei der Formulierung des Grundgesetzes im Parlamentarischen Rat offenbar ein Redaktionsfehler passiert, denn sonst könnte es nicht einfach heißen „in dem Gesetze". Dem Wortlaut nach bezieht sich das völlig eindeutig auf den vorhergehenden Satz und nicht auf den ersten Satz. Gemeint hat der Parlamentarische Rat das anders, wie uns Kollege Dr. Höpker-Aschoff ausdrücklich versichert hat, und ich will ihm das auch gern glauben. Aber nach allen Regeln der Jurisprudenz wird ein Gesetz immer so ausgelegt, wie sein Text lautet, und das schönste Gesetzgebungsmaterial nützt in diesem Falle nichts. Wir können also nicht ohne weiteres annehmen, daß die Obergrenze für unsere Kreditaufnahme hier durch das Grundgesetz in dieser Weise zwingend vorgeschrieben ist. Der Ausschuß war aber der Meinung: selbst wenn der dritte Satz sich auf den ersten Satz bezieht, selbst wenn
also das Gesetz über die Aufnahme von Krediten durch den Bund die Grenze vorsehen muß, was der Parlamentarische Rat wollte und was hoffentlich auch der Bundestag so will — wir werden uns noch einmal damit befassen müssen, diesen Regiefehler in Ordnung zu bringen —, also selbst wenn es so ist, sehen die beteiligten Ausschüsse die Begrenzung auch in der Nettobegrenzung als ausreichend an. Die Bundesschuldenverwaltung hatte verfassungsrechtliche Bedenken, hat aber ausdrücklich erklärt, daß sie diese zurückstellen würde, wenn der Bundesschuldenausschuß dieser Regelung zustimme, die ja nur aktuell wird, wenn es sich nachher einmal um die Ausstellung der letzten Schuldurkunden, die über den Nettobetrag hinausgehen, handeln wird. Heute und morgen ist das Problem also nicht akut; man kann das getrost der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts überlassen, wenn es je dazu kommen sollte.
Aus praktischen Gründen, aus Gründen der Placierung der Anleihe, haben die Ausschüsse die Meinung vertreten, wir sollten es beim Netto-Prinzip belassen, weil der Bundesfinanzminister kein Prophet sein kann. ,Schreiben wir nach dem Bruttoprinzip nämlich zu dem Betrag, den der Finanzminister braucht, gleich noch den Betrag, den er an Disagio usw. aufwenden muß, um nachher das andere in seiner Kasse zu haben, dann weiß die Bank von vornherein, wie der Gesetzgeber die Marktsituation einschätzt, und dann wird keine Bank auch nur einen Pfennig weniger verlangen, als wir darin als Marge vorsehen. Nehmen wir aber umgekehrt einen niedrigeren Betrag, als die Marktlage es erfordert — kein Mensch kann heute wissen, wie die Marktsituation in einem halben Jahr sein wird —, dann besteht die Gehr, daß uns der Finanzminister alle 14 Tage Hier mit einer neuen Vorlage überraschen muß, weil das Geld sonst nicht für die Deckung des auerordentlichen Haushalts ausreicht. Aus diesem Grunde haben wir gesagt: Um nicht einer sehr unerwünschten Spekulation auf verschlechterte Anleihebedingungen das Feld zu öffnen, wollen wir es beim Nettoprinzip belassen.
§ 4 hat lediglich eine formelle Bedeutung; ich will ihn nicht ausdrücklich erläutern.
Sehr wesentlich sind die Änderungen, die wir beim § 5 gegenüber der Regierungsvorlage vorgehommen haben. Die Ausschüsse waren der Mein ng, daß alle hier zusätzlich vorgesehenen Steuervorteile für die Anleihe entfallen sollen. Sie werden sich davon überzeugen, daß sie weggestrichen worden sind. Die Steuervorteile, die der Bundesfinanzminister einräumen wollte, hätten de facto zu einer Effektivverzinsung in einer beiden Ausschüssen höchst unerwünscht erscheinenden Höhe geführt, die selbst zu den heutigen Schwarzkapitalmarktzinsen in keinem angemessenen Verhältnis stünde. Aus dem Grunde sind die Steuervorteile gestrichen worden. Der Finanzminister hat zugesagt, daß er vor der Ausgabe der Anleihe die dann tatsächlich einzuräumenden Zins- und Tilgungsbedingungen mit dem Ausschuß für Geld und Kredit absprechen wird. Das bezieht sich auch auf die Kleinstücke.
Es ist auch die Frage erörtert worden, ob man nicht wenigstens die Kleinstücke mit dem Spielanreiz mit besonderen Vorteilen ausstatten sollte. Das ist aber nicht notwendig; denn der dort erzielte Gewinn ist, wenn ihn ein Privatmann macht — und der kleine Sparer ist ein Privatmann —, ohnehin nicht der Einkommensteuer unterworfen;
er ist steuerfrei. Wenn ein Unternehmen Anleihe zeichnet, dann soll es nicht spielen, etwa im Toto oder im vorliegenden Fall bei der Anleihe des Finanzministers, sondern dann soll es die ordentlichen Anleihestücke zeichnen, die an den Kapitalmarkt herankommen. Der Sinn der Kleinstücke ist es ja gerade, an diejenigen Sparerschichten heranzukommen, die bei der. bisherigen Anleihestückelung auf dem normalen Wege der Kapitalmarktfinanzierung nicht zu erfassen sind. Es soll eine zusätzliche Quelle erschlossen werden, und die kapitalbildende Sparerschicht, die normalerweise Anleihen zeichnet, soll nicht auch noch auf den Weg der Kleinstücke abgedrängt werden. Daher sind dafür auch keine besonderen Steuervorteile gewährt. Selbstverständlich sind die rein technischen kleinen Steuern, also Börsenumsatzsteuer und Lotteriesteuer, die hier unter Umständen zu einer unnötigen Doppelbesteuerung geführt hätten, davon ausgenommen; diesen beiden Steuern ist die Anleihe nicht unterworfen.
Damit habe ich Ihnen, soweit es die Zeit gestattete, die Problematik des Gesetzes erläutert. Der Ausschußbeschluß seht dahin, Sie zu bitten, es bei der Ausschußvorlage zu belassen. Der Ausschuß hat sich nicht entschließen können, sich die Forderungen des Antrags auf Umdruck Nr. 81 zu eigen zu machen.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Für die Aussprache sind vom Ältestenrat insgesamt 60 Minuten vorgesehen. Ich nehme die Zustimmung des Hauses dazu an. Wortmeldungen sind allerdings bisher nicht eingegangen.
— Wir sind in der zweiten Lesung. Ich rufe jetzt die einzelnen Paragraphen auf.
— Das Wort hat der Abgeordnete Seuffert zu allgemeinen Ausführungen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beabsichtigt, dieser Gesetzesvorlage zuzustimmen — in voller Würdigung des Umstandes, daß sie an und für sich einen Bestandteil des Haushaltsplans bildet, und unter Betonung des von uns grundsätzlich eingenommenen Standpunktes, daß die politische Verantwortung für den Haushaltsplan von der Regierungskoalition getragen werden muß. Es erscheint uns aber unumgänglich notwendig, die Zwecke zu erreichen, zu denen diese Anleihen aufgenommen werden, und wir sehen auch keinen anderen Weg, zu den Mitteln zu kommen, die dafür nötig sind.
Der Entwurf enthält jetzt eine Anleiheermächtigung zur Deckung des außerordentlichen Haushalts, d. h. zur Finanzierung der Investitionen des außerordentlichen Haushalts. Ein Teil dieser Anleihe soll in Prämienbonds mit Spielanreiz ausgegeben werden, ein Experiment, das in dem vorgesehenen Umfang immerhin gemacht werden kann. Der Entwurf enthält weiter eine Anleiheermächtigung in Höhe von 310 Millionen zur Dekkung der Subventionsausgaben des Jahres 1950. Wir haben trotz einiger Bedenken der Aufnahme dieser Anleihe, die im wesentlichen oder ganz bei den Gegenwertkonten untergebracht werden soll, zugestimmt, nachdem uns versichert worden ist, daß die Inanspruchnahme der Gegenwertkonten auf diesem Wege ihre verwendung für Investitionen und was sonst notwendig ist nicht beeinträchtigen werde, und nachdem uns insbesondere zugesichert worden ist, daß im laufenden Haushalt des Jahres 1951/52 nicht nur die Beträge für die Tilgung dieser Anleihe eingestellt werden, sondern auch ausreichende Beträge für die nach Sachlage dann noch erforderlichen Subventionen; eine Verpflichtung, an deren Einhaltung ich gerade angesichts der jüngsten Entwicklung auf allen möglichen Gebieten mit Nachdruck erinnern möchte. Wir können also die se m Entwurf zustimmen, aber ich muß sagen, daß wir dem Regierungsentwurf keinesfalls hätten zustimmen können. Deswegen sind über den Regierungsentwurf, der vom Ausschuß abgelehnt worden ist, noch einige Worte zu sagen.
Der Regierungsentwurf sah eine steuerbegünstigte Anleihe vor, die mit 25 % Kapitalertragsteuerabzug nur interessant war für Leute, die über 25 % Einkommensteuer zahlen; für sie hätte das einen Effektivzins von 12 % aufwärts bedeutet. Ich will gar nicht davon sprechen, wie man auf ein solches Projekt kommen konnte, nachdem frühere steuerbegünstigte Anleihen heute noch erfolglos auf dem Markte herumliegen. Wir hielten — und erfreulicherweise hat sich der Ausschuß dem angeschlossen — ein derartiges Projekt für eine nicht zu verantwortende Gefährdung unserer Kapitalmarktlage; dies um so mehr, als uns in der Zwischenzeit eine Aussprache im Ausschuß für Geld und Kredit geradezu erschütternde Vorstellungen über die Pflege des Kapitalmarktes offenbart hat, wie sie auf Regierungsseite herrschen und auch bei der Bank deutscher Länder zu herrschen scheinen. Wir haben bei dieser Aussprache feststellen müssen, daß offenbar nicht der geringste Wille vorhanden ist, etwas Brauchbares für die Stabilisierung des Zinsfußes oder für die Beruhigung und den Aufbau des Kapitalmarktes zu tun. Wir haben feststellen müssen, daß man nicht daran denkt, für niedrige oder auch nur stabile Zinsen einzutreten, die der Staat als heute größter Schuldner und die wir für unsere laufenden Projekte — Wohnungsbau und viele andere Aufbaumaßnahmen — dringend brauchen. Wir haben festgestellt, daß man immer wieder an monetären und an schematischen Maßnahmen festhalten will und selektive Planungen, selektive Investitionsprogramme ablehnt. Wir haben feststellen müssen, daß man trotz der Devisenlage, trotz der unaufhaltsam auf uns andrängenden Planungsaufgaben immer wieder lediglich das Mottenkisten-Rezept der Zins-und Diskonterhöhung hervorholt, eine Maßnahme, die letzten Endes immer auf den kleinen Verbraucher zurückschlagen muß, den profitstarken aber ungeschoren läßt. Ich wollte noch nicht einmal etwas sagen, wenn man vernünftigerweise einmal zu einer scharfen und schlagartigen, allerdings vorübergehenden Diskonterhöhung käme, die aber dann die Gefahrenlage, in der wir uns befinden, mit aller Deutlichkeit aufzeigen würde. Solange man das aber vermeiden will und immer mit ratenweisen, kleinen, unwirksamen und schädlichen Zins- und Diskonterhöhungsmaßnahmen spielen will, können wir in eine solche Politik kein Vertrauen setzen. Wir haben, auch wieder gehört, daß man den angeblich nur zeitweilig heraufgesetzten Diskont keinesfalls wieder herabsetzen kann, und einstweilen versprach, ihn nicht weiter zu erhöhen. Nun, wir werden ja sehen, was am Ende dieser Woche aus den angesetzten Beratungen herauskommt. Wir werden wahrscheinlich
derartige Zusagen genau so beurteilen müssen, wie wir andere Zusagen beurteilen mußten, die in der Zwischenzeit gemacht worden sind. Ich glaube, daß Dinge, über die man vielleicht vor 14 Tagen noch hätte streiten können, heute fast unstreitig geworden sind, nachdem die Liberalisierungspolitik in ihrer derzeitigen Form wenigstens vorläufig zusammengebrochen ist.
Wir haben gehört, daß man auf dieser Seite von Abstoppen der Konjunktur spricht, — bei zwei Millionen Arbeitslosen! Wir haben gehört, daß man trotz allem eher noch zu weiteren Zinserhöhungen neigt, was nach unserer Überzeugung bei unseren laufenden Projekten — ich nenne wieder nur den Wohnungsbau — geradezu gemeingefährlich ist, schon im Hinblick auf die nötige Beruhigung des Kapitalmarktes.
Es genügt offenbar nicht mehr, die Unstetigkeit in diesen Dingen auf die immer noch schwebende Frage der Zuständigkeit zurückzuführen, die bezüglich der Kreditangelegenheiten zwischen dem Finanz- und dem Wirtschaftsministerium besteht, obwohl es nun endlich einmal an der Zeit wäre, auch in dieser Frage — einsame oder nicht einsame — Beschlüsse zu fassen. Wir sind allerdings langsam zu der Auffassung gekommen, daß auch eine Bereinigung der Zuständigkeitsfragen hier kaum mehr helfen wird. Wir gewinnen den Eindruck, daß die Planlosigkeit und Indolenz, die bisher im Wirtschaftsministerium geherrscht haben, nun auch auf das Finanzministerium übergreifen. Die neuen Steuervorlagen geben uns Grund zu dieser Annahme.
Unsere Ansicht zu diesen Dingen will ich nur kurz aussprechen. Wenn man nun endlich die Selbstfinanzierung als eine Gefahrenquelle erkannt hat, so genügt es nicht, sie negativ zu bekämpfen, sondern es müssen positive Gegenmaßnahmen, Maßnahmen für den Kapitalmarkt ergriffen werden. Wenn der Kapitalmarkt auf der Spartätigkeit beruht, so verlangt der Sparer heute nicht so sehr hoch zinsbringende Anlagen wie stabile Anlagen; und deswegen ist die Spartätigkeit eine direkte Funktion der Preispolitik und der Wirtschaftspolitik.
Man sollte sich endlich einmal, statt sich mit solchen halben und überstürzten Maßnahmen zu befassen, an konstruktive Überlegungen über moderne Formen des Sparens begeben; man sollte endlich einmal ernsthaft Gedanken über Sachwertanlagen, Sachwertpapiere usw. nachgehen.
Zum Schluß noch zu der durch den Abänderungsantrag aufgeworfenen Frage. Meine Fraktion wird sich gegen den Abänderungsantrag aussprechen. Ich möchte allerdings in aller Kürze sagen, daß die Ausführungen des Herrn Berichterstatters über die zugrunde liegende Rechtsfrage, die im Ausschuß eingehend geprüft worden ist, nicht ganz unwidersprochen bleiben können, wenn man das Problem hier vertiefen würde. Ich halte dafür, daß die eine oder andere Fassung die Bundesregierung nicht davon entbindet, diejenigen Beträge, die aus dem Erlös der Schuldurkunden nicht in den eigentlichen Anleiheerlös fließen, sondern zu Vergütungen für Disagio, Bankprovision usw. verwandt werden, im ordentlichen Haushalt als Ausgaben anzufordern und auf diese Art zu decken. Ich glaube, daß das — und eine einigermaßen grundsätzliche Einigung mit dem Finanzministerium ist im Ausschuß auch in dieser Beziehung erzielt worden — der richtige Weg sein würde, diese Anleihebegebung zu handhaben.
Meine Damen und Herren, wir sind, obwohl erst in der zweiten Lesung, in eine allgemeine Aussprache eingetreten. Die Geschäftsordnung erlaubt dies im Ausnahmefall. Ich frage: Soll mit der allgemeinen Aussprache fortgefahren werden, oder wollen Sie zu den einzelnen Paragraphen diskutieren?
Dann rufe ich auf § 1. Hier liegen keine Abänderungsanträge vor. Wer einverstanden ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Zu § 2 ist ein Abänderungsantrag angekündigt. Das Wort zur Begründung hat Herr Dr. HöpkerAschoff.
Meine Damen und Herren! Die Antragsteller, für die ich hier spreche, gehören alle drei dem Bundesschuldenausschuß an. Wir haben unseren Antrag bereits bei der Beratung im Haushaltsausschuß vorgebracht und sind dort abgewiesen worden. Wir wären in der Wiederholung unseres Antrags vielleicht nicht so hartnäckig, wenn nicht inzwischen noch auf Veranlassung der Bundesschuldenverwaltung eine Sitzung des Schuldenausschusses stattgefunden hätte und in dieser Sitzung noch einmal das mit unserem Antrag angeschnittene Problem eingehend erörtert worden wäre.
Meine Damen und Herren! Das Grundgesetz schreibt, wie der Herr Berichterstatter schon ausgeführt hat, im Art. 115 vor, daß im Wege des Kredites Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund eines Bundesgesetzes beschafft werden. Im letzten Satz des Art. 115 ist bestimmt:
In dem Gesetze muß die Höhe des Kredites oder
der Umfang der Verpflichtung, für die der
Bund die Haftung übernimmt, bestimmt sein. Es kann nach unserem Dafürhalten gar keinem Zweifel unterliegen — das war auch die einmütige Auffassung des Schuldenausschusses —, daß dieser letzte Satz des Art. 115 sich auch auf den ersten Satz bezieht, daß also die Höhe des aufgenommenen Kredits in dem Anleihegesetz festgesetzt werden muß. Das war ja gerade der Sinn dieser Bestimmung, daß die Befugnis der Verwaltung eingeschränkt und ihr eine Ermächtigung, Kredite aufzunehmen, nur in der Höhe gegeben werden sollte, die im Gesetz ausdrücklich festgelegt ist.
Nun ist damit die andere Frage, ob die Kreditbegrenzung sich auf den Erlös der Anleihe oder auf den Betrag der Schuldverpflichtungen des Bundes, wie sie in den auszufertigenden Schuldurkunden zum Ausdruck kommt, bezieht, noch nicht ohne weiteres entschieden. Meine Damen und Herren, die Schuldenverwaltung ist eine eigenartige Behörde, nämlich eine Behörde mit voller Unabhängigkeit. Die Mitglieder der Schuldenverwaltung sind durch ihren Eid verpflichtet, darüber zu wachen, daß die Kreditermächtigungen, die der Gesetzgeber dem Finanzminister gibt, nicht überschritten werden. Sie dürfen kraft des von ihnen geleisteten Eides Schuldurkunden über die Anleihen, die der Finanzminister aufnehmen will, nur ausstellen, nachdem sie geprüft haben, ob sich auch die Anleihe im Rahmen der erteilten Ermächtigung hält. Die Herren der Schuldenverwaltung haben uns vorgetragen, daß der Art. 115 des Grundgesetzes nach ihrer Auffassung dahin auszulegen sei, daß der im Gesetz genannte Betrag die Ver-
pflichtung des Bundes, also den Kredit begrenze, nicht dagegen die Geldsumme begrenze, die im Wege des Kredits aufgenommen werden solle. Es soll eben durch die im Gesetz festgestellte Summe die Verpflichtung des Bundes, die sich aus der Kreditaufnahme ergibt, ohne Rücksicht darauf, wie hoch der Erlös ist, begrenzt sein.
Die Antragsteller glauben, daß diese Auffassung der Schuldenverwaltung dem Grundgesetz entspricht. Die Herren von der Schuldenverwaltung haben auch gesagt, daß sie, wenn das Gesetz in der vorliegenden Form verabschiedet werden würde, Bedenken haben würden, es als verfassungsmäßig anzuerkennen, und überhaupt Bedenken haben würden, dem Finanzminister auf seinen Wunsch Schuldurkunden auszustellen. Der Schuldenausschuß hat sich, allerdings in Abwesenheit des Herrn Kollegen Schoettle, einmütig auf den Standpunkt gestellt, daß diese Rechtsauffassung der Schuldenverwaltung richtig sei. Um hier also alle Schwierigkeiten auszuräumen und klare Rechtsverhältnisse zu schaffen, haben wir den Antrag gestellt. Ich glaube nicht, daß sich daraus allzu große Schwierigkeiten ergeben werden. Solche Schwierigkeiten werden sich in der Praxis sehr leicht überwinden lassen. Ich würde also das Haus bitten, im Interesse der rechtlichen Klarheit und mit Rücksicht auf die große Verantwortung, die die Schuldenverwaltung als eine unabhängige, nur dem Schuldenausschuß verantwortliche Behörde zu tragen hat, unserem Antrage zuzustimmen.
Das Wort hat der Abgeordnete Bausch.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch einige Worte zur Begründung des Antrags sagen, den auch ich mit unterzeichnet habe. Der Herr Berichterstatter hat vorhin darauf hingewiesen, daß Zweifel über die Auslegung und über den Sinn des Art. 115 des Grundgesetzes bestünden. Ich möchte nur darauf hinweisen, daß sich bei den Verhandlungen im Parlamentarischen Rat die Abgeordneten Dr. von Brentano und Paul Binder, die bei der Schaffung dieses Artikels mitgearbeitet haben, klar und eindeutig dahin ausgesprochen haben, es sei notwendig, eine absolute Begrenzung der Kreditaufnahme des Bundes zu schaffen. Die Kredite müßten durch Bundesgesetz der absoluten Höhe nach begrenzt werden. Es ist erstaunlich, daß trotzdem Zweifel über den Sinn des Art. 115 geäußert werden.
Zum zweiten möchte ich darauf hinweisen, daß die Bundesschuldenverwaltung, eine von der Regierung unabhängige Instanz mit richterlichen Befugnissen, die Auffassung vertritt, daß der § 2 dieses Gesetzentwurfs in der Fassung der Regierung verfassungswidrig ist. Die Bundesschuldenverwaltung hat weiter festgestellt, sie müsse sich unter Umständen außerstande erklären, Schuldurkunden zu unterzeichnen, weil diese Bestimmung der verfassungsmäßigen Begründung entbehre.
Meine Damen und Herren! Es handelt sich hier um eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung. Ich habe gar keinen Zweifel daran, daß der jetzige Herr Finanzminister niemals eine unsolide Kreditgebarung in die Wege leiten wird. Daran habe ich nicht den geringsten Zweifel. Ich bin ohne weiteres in der Lage zu erklären, daß ich volles Vertrauen zu der Geschäftsgebarung des jetzigen Finanzministers habe. Aber darum dreht es sich nicht. Jetzt, in diesen Tagen, wahrscheinlich durch die heutige Sitzung des Bundesrates, werden die
Prinzipien für die Praxis der Kreditgebarung der Bundesrepublik festgelegt, die auch noch in fünf oder in zehn Jahren gelten.
Aber wer dann Finanzminister sein wird, das weiß ich nicht.
Deshalb bin ich der Auffassung, daß man nicht behutsam genug sein kann, wenn es sich darum handelt, für die Geschäftsgebarung des Bundesfinanzministers auf dem Gebiet der Schuldenaufnahme die Weichen zu stellen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Nöll von der Nahmer.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Ich werde soeben von Herrn Kollegen Nowack freundlicherweise auf einen stilistischen Fehler aufmerksam gemacht. Ohne hier zu der grundsätzlichen Frage des § 2 Stellung zu nehmen, muß ich auf diesen stilistischen Mangel des Ausschußantrags hinweisen. In dem Ausschußantrag muß es im § 2 Abs. 2 Satz 2 richtig heißen: „Dieser Kredit ist . . .", also nicht: „Die beschafften Kredite sind . . .". Es muß klargestellt werden, daß diese Anordnung im Satz 2 sich nur auf den im Abs. 2 erwähnten kurzfristigen Kredit bezieht. Die jetzige Fassung kann zu Mißverständnissen Veranlassung geben. Ich beantrage daher, daß wir für den Fall, daß der Ausschußantrag angenommen wird, den Satz 2 im Abs. 2 so formulieren: „Dieser Kredit ist in Höhe ... zu tilgen."
Das Wort hat Herr Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe doch den Eindruck, daß hier gewisse Prinzipien reichlich viel berücksichtigt und darüber die praktischen Erfordernisse ein wenig unbeachtet gelassen werden. Nach dem Antrag des Herrn Dr. Höpker-Aschoff soll an Stelle einer Anleiheermächtigung von 400 Millionen eine solche von 405 Millionen gegeben werden. Das wären also die 5 Millionen, die zur Deckung des Disagios und der Bankprovision bestimmt sind. Hundert Millionen sind Prämienanleihen, die in diesem Zusammenhang nicht in Betracht kommen. Also bezieht sich der Betrag von 5 Millionen auf einen Ausgabebetrag von 300 Millionen. Das bedeutet, daß bei 100 Millionen ein Betrag von 5 zu 3, also 1,6 Millionen, genügen soll, um das Disagio und die Bankprovision zu decken. Das Disagio beträgt — das hat der Herr Minister Schäffer seinerzeit hier erklärt — wahrscheinlich 1,5 %, da die Anleihe wohl mit 98,5 % ausgegeben werden muß. Das bedeutet, daß für die Bankprovision so gut wie nichts übrig bleibt. Also mit dem Betrag von 405 Millionen ist überhaupt nicht auszukommen. Der Betrag muß dann auf eine erheblich größere Summe erhöht werden.
Nun komme ich zum zweiten praktischen Punkt. Er ist nach meiner Ansicht vom Herrn Berichterstatter schon mit großer Deutlichkeit hervorgehoben worden. Wenn der Betrag so bemessen werden soll, daß er von vornherein Disagio und Bankprovision in einer vielleicht zu erwartenden Höhe deckt — denn sonst müßten Wir ja alle paar Wochen mit einer neuen Vorlage zu Ihnen korn-
men —, dann müssen Sie gewisse Höchstbeträge nehmen, d. h. dann müssen wir vielleicht einen Ausgabekurs nicht von 98,5 %, sondern von 98 % und eine Bankprovision vielleicht nicht von 1 %, sondern von 1,5 % oder von 2 % zugrunde legen. Dann ist es natürlich so: wenn hier einmal eine so hohe Bankprovision vom Bundestag einkalkuliert worden ist, dann möchte ich die Bank sehen, die nicht darauf besteht, eine solche Provision zugesprochen zu bekommen. Mit anderen Worten: unser Verhandlungsspielraum wird hier ganz außerordentlich eingeengt. Ich habe hier Berechnungen, wonach sich das Erfordernis bei einem Ausgabekurs von 98,5 % und einer Provision von 1 % einerseits und von 98 % Ausgabekurs und 2 % Bankprovision andererseits zwischen 407,6 Millionen und 413,5 Millionen bewegt. Wenn also der Antrag angenommen würde, dann müßten Sie diese Ermächtigung mindestens auf 413,5 Millionen erhöhen. Dabei bleibt der große Nachteil, daß dann eben schon Bankprovisionen einkalkuliert sind, die wir nach Möglichkeit nicht geben wollen, daß Sie uns aber für die Verhandlungen jeden Spielraum nehmen. Ich halte das für praktisch sehr unglücklich, und ich halte die prinzipiellen Bedenken für nicht so groß, daß man zu dieser völlig neuen, nach meiner Ansicht unzweckmäßigen Methode übergehen müßte.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Schoettle.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst im Namen meiner Fraktion erklären, daß wir dem Abänderungsantrag des Herrn Kollegen Nöll von der Nahmer zustimmen. Durch diesen Abänderungsantrag wird im Grunde genommen nur das hergestellt, was im Haushaltsausschuß als Formulierung für den § 2 beschlossen worden ist. Aus irgendeinem Grunde, den ich hier im Augenblick nicht feststellen kann, ist die vom Haushaltsausschuß beschlossene und dem mitberatenden Ausschuß dann zugeleitete Fassung nicht in die Vorlage hineingekommen. Wir werden also diesem Antrag zustimmen.
Dagegen können wir, wie schon mein Fraktionskollege Seuffert erklärt hat, dem Antrag der Kollegen Höpker-Aschoff, Bausch und Dr. Becker nicht zustimmen. Ich glaube, ich muß das sagen, weil der Kollege Höpker-Aschoff mich als Mitglied des Bundesschuldenausschusses zitiert hat. Ich glaube, daß wir bei der Überlegung des Problems, das hier zur Debatte gestellt worden ist, ob Brutto- oder Nettoprinzip, u. a. auch die Fragen der Praxis mit berücksichtigen sollten. Es scheint mir, als ob der Herr Berichterstatter die Probleme, die in der Praxis auftreten, hier sehr deutlich herausgestellt hat. Wir sind deshalb der Meinung, daß die Fassung, die die beiden Ausschüsse dem § 2 gegeben haben, den Bedürfnissen der Praxis und ebenso auch den Vorschriften des Grundgesetzes entspricht.
Im übrigen, meine Damen und Herren, scheint die Bundesschuldenverwaltung, von der ich meine, daß sie ein sehr scharfes Instrument auch der parlamentarischen Kontrolle der Kreditgebarung des Finanzministers sein soll, durchaus bereit zu sein, ein Kompromiß zwischen der Praxis und ihren verfassungsrechtlichen Bedenken einzugehen; denn sie hat schriftlich erklärt, daß sie bereit sei, die jetzt vorgeschlagene Regelung als verfassungsmäßig anzuerkennen, wenn der Bundesschuldenausschuß der Meinung sei, daß sie eine genügende
Sicherheit für die Tätigkeit der Bundesschuldenverwaltung biete, und wenn ihr die Unterlagen für die Anleihe in vollem Umfange zur Verfügung gestellt würden. Das scheint mir doch eine Grundlage für eine Verständigung zu sein.
Ich glaube nicht, daß wir heute die Frage endgültig entscheiden können, ob das Grundgesetz hier bis zum letzten I-Tüpfelchen gewahrt ist, und wir sollten tatsächlich die Chance benützen, die Frage, ob Art. 11 des Grundgesetzes hier in vollem Umfang berücksichtigt ist und was er überhaupt bedeutet, durch das Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen.
Ich würde also vorschlagen, daß der § 2 in der von den beiden Ausschüssen vorgeschlagenen Fassung angenommen wird.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Höpker-Aschoff.
Meine Damen und Herren! Ich möchte nur noch ein kurzes Wort zu der Berechnung des Herrn Staatssekretär Hartmann sagen. Wenn der Herr Finanzminister diese Anleihe mit einem Disagio von 1 1/2 % ausgeben will, also zu 98,5, so beträgt, auf rund 400 Millionen gerechnet, das Disagio 6 Millionen. Sie haben aber in der Differenz von 398 Millionen zu 405 Millionen die volle Deckung des Disagio. Ich weiß also nicht, Herr Staatssekretär, was Ihnen da noch fehlt.
Sie haben dann noch von den Provisionskosten gesprochen. Hier stehe ich nun voll und ganz auf dem Standpunkt des Herrn Kollegen Seuffert, daß es völlig ein Ding der Unmöglichkeit ist, die Kosten der Provision aus dem Anleiheerlös selber zu decken. Wir haben an dem Grundsatz festzuhalten, wenn es auch nur ein Grundsatz für die Regel ist, daß Anleihen nur zu werbenden Zwecken aufgenommen werden können. Diesem Grundsatz würde es widersprechen, wenn die technischen Kosten der Anleihe aus dem Anleiheerlös selber zu decken wären. Die Kosten der Anleihe an Provisionen gehören genau so wie die Zinsen einer Anleihe als Ausgaben in das Ordinarium des Haushalts.
Das Wort hat der Abgeordnete Scharnberg.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu der Frage der Zweckmäßigkeit hat Herr Staatssekretär Hartmann schon Ausführungen gemacht, denen ich mich anschließen möchte. Ich glaube, es ist zweckmäßiger, bei der Gesetzesfassung oder bei den Gesetzesfassungen — es handelt sich ja um eine grundsätzliche Frage — tatsächlich von dem Nettoprinzip und nicht von dem Bruttoprinzip auszugehen.
Ich bitte aber auch aus verfassungsmäßigen Gründen, den Antrag der Abgeordneten Dr. Höpker-Aschoff, Bausch abzulehnen; denn ich sehe die verfassungsmäßige Notwendigkeit, zum Bruttoprinzip überzugehen, nicht ein. Ich darf kurz auf folgendes hinweisen. Art. 115 des Grundgesetzes, der hier angesprochen wird, besteht aus drei Sätzen. In dem ersten Satz ist festgelegt, daß Kredite durch Bundesgesetz beschafft werden. In dem zweiten Satz ist von Kreditgewährungen und Sicherheitsleistungen die Rede — wenn man das wörtlich nimmt, ist es ganz unbestreitbar, daß es sich hier um Kredite handelt, die der Bund gewährt —, und diese sind nach der Bestimmung des Satz 2 ebenfalls durch ein Bundesgesetz zu regeln. Im dritten Satz ist dann gesagt: In dem Gesetz muß
die Höhe des Kredits bestimmt sein, und dieser Satz kann sich überhaupt nur auf den zweiten Satz beziehen,
wenn ich rein wörtlich vorgehe. Ich weiß, daß man das völlig anders beabsichtigt hat. Aber hier ist eine ganz eindeutige Formulierung dieses Artikels, und die muß schließlich zugrunde gelegt werden und nicht etwa das, was diskutiert wird.
Ich stimme mit Ihnen vollkommen darin überein, daß es natürlich falsch ist, Kreditgewährungen überhaupt unter die Notwendigkeit eines Bundesgesetzes zu stellen; denn diese werden ja schon im Haushaltsgesetz behandelt. Ich stimme weiterhin darin vollkommen mit Ihnen überein, daß es nach der Auslegung, die ich dem Art. 115 gebe, tatsächlich so ist, daß der Finanzminister in der Lage ist, ohne Limitierung eines bestimmten Betrages sich durch ein Bundesgesetz Kredite zu beschaffen; das Limit braucht überhaupt nicht drin zu sein, und das ist genau das, was man nicht wollte. Insofern komme ich zu dem Ergebnis: die augenblickliche Fassung des Art. 115 steht der Ausschußvorlage in keiner Weise entgegen. Das, was wir tun müssen, ist aber — das scheint mir wirklich notwendig zu sein —: wir müssen den Art. 115 — das können wir in Ruhe beraten — abändern, um ihn in die Fassung zu bringen, die seinerzeit tatsächlich gemeint war.
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Bertram.
Meine Damen und Herren! Wir unterstützen den Antrag des Herrn Kollegen Dr. Höpker-Aschoff, und zwar aus folgendem Grunde. Der Art. 115 soll doch sagen, wie hoch, wenn der Bund sich Geld pumpen will, die Gesamtsumme desjenigen Geldes ist, das der Bund als Limit von dem Bundestag bekommen kann. Der Art. 115 hat doch nicht den Sinn, zu sagen, ein Teil soll hier nun durch Gesetz bestimmt werden, im übrigen aber kann ein Teil des Darlehens auch außerhalb des Gesetzes gewährt werden. Das würde ja ganz sinnlos sein.
Es widerspricht aber auch dem Wortlaut des Gesetzes. In dem Wortlaut steht drin: In dem Gesetz muß die Höhe des Kredites bestimmt sein. Daß es sich hierbei nicht nur um ein einzelnes Gesetz handeln kann, ergibt sich schon aus der Tatsache, daß es sich um verschiedene aufeinanderfolgende Gesetze bei verschiedenen Kreditoperationen handeln kann. Infolgedessen ist die Tatsache, daß in dem letzten Satz nur die Einzahl verwendet ist, gar kein Gegenbeweis dagegen, daß der letzte Satz sich auf den ersten und den zweiten Satz des Artikels bezieht. Denn wenn heute eine Kreditoperation und morgen eine und dann in einem Jahr wieder eine Kreditoperation vorgenommen wird, sind ja auch mehrere Gesetze nötig, ohne daß der Gesetzgeber den Gesetzeswortlaut dahin gefaßt haben würde: In den Gesetzen müssen die Höhe usw. usw. Also ist sowohl aus dem inneren Gedankengang dieses Artikels wie auch aus dem Wortlaut die Fassung, wie sie Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff hier beantragt hat, richtig. Die Einwendungen, die Herr Kollege Schoettle gemacht hat, indem er sagte „in der Praxis ..." und praktische Argumente vorbrachte, können — abgesehen davon, daß es gar nicht so sicher ist, was überhaupt aus dieser Anleihe herauskommt; denn ob wir sie unterbringen können, ist noch eine große Frage — nicht ins Gewicht fallen gegenüber der Tatsache, daß das Grundgesetz eine Rechtsnorm ist, die wir unter allen Umständen zu beachten haben. Die Achtung vor dem Grundgesetz steht höher als die Achtung vor angeblichen praktischen Argumenten.
Keine weiteren Wortmeldungen. — Wir stimmen ab. Ich lasse zunächst abstimmen über den Abänderungsantrag Bausch, Dr. Dr. Höpker-Aschoff, Dr.-Ing. Decker. Wer für diesen Abänderungsantrag ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Ich bitte, die Abstimmung zu wiederholen. —
Gegenprobe! —
— Dann werde ich noch einmal das Abstimmungsthema bekanntgeben. Wir stimmen ab über den Abänderungsantrag Bausch, Höpker-Aschoff, Decker. Wer möchte, daß die Ausschußvorlage durch diesen Antrag Umdruck Nr. 81 ersetzt wird, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Es ist keine genügende Sicherheit im Präsidium. Wir müssen Hammelsprung machen. Ich bitte die Damen und Herren, die für den Abänderungsantrag sind, durch die Tür rechts von mir hereinzukommen, die dagegen sind, die also für die Ausschußvorlage sind, durch die Tür links von mir. Ich bitte, den Saal zu räumen.
Darf ich bitten, sich an der Abstimmung zu beteiligen! — Meine Damen und Herren, ich lasse in einer Minute die Saaltüren schließen. — Ich bitte die Herren Schriftführer, sich an die Türen zu begeben.
Ich bitte, die Türen zu schließen. Ich bitte,
auch die mittlere Tür zu schließen.
Die Abstimmung beginnt.
— Meine Damen und Herren, ich bitte, sich zu beeilen; ich lasse in zwei Minuten die Türen schließen.
Ich bitte die Türen zu schließen. — Die Abstimmung ist geschlossen.
Meine Damen und Herren, das Abstimmungsergebnis ist folgendes. Für den Antrag auf Abänderung des § 2 haben sich 102, dagegen 144 Mitglieder des Hauses ausgesprochen. Der Abänderungsantrag ist abgelehnt.
Wir kommen zur Abstimmung über den zweiten Abänderungsantrag, den Abänderungsantrag Nöll von der Nahmer, im letzten Satz des § 2 statt der Worte „Die beschafften Kredite sind" zu setzen: „Dieser Kredit ist". Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen einige Stimmen angenommen.
Ich lasse über den § 2 in der nunmehrigen Fassung abstimmen. Wer dafür ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Angenommen.
Ich rufe weiter auf § 3 — entfällt —, § 4, —§ 5, — § 5 a, — § 6, — Einleitung und Überschrift. Wer dafür ist, den bitte ich, die Hand zu erheben.
- Gegenprobe! - Angenommen.
Damit ist die zweite Beratung geschlossen. Ich rufe auf zur
dritten Beratung
Ich eröffne die allgemeine Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Müller.
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird die Vorlage auch in der in zweiter Lesung beschlossenen Form ablehnen.
Wir geben der Regierung keine Ermächtigung, auf diesem Wege Geld aufzunehmen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang, bevor ich auf einige Fragen noch konkreter zu sprechen komme, an die Worte erinnern, die der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff bei der ersten Lesung gegenüber der Regierungsvorlage in der damals vorliegenden Form gebrauchte. Er sagte damals, diese Vorlage erinnere an „türkische" Verhältnisse. Ich möchte das Wort aufgreifen und darauf hinweisen, daß das auf tönernen Füßen stehende alte osmanische Reich bei der Aufnahme von Anleihen zu denselben Methoden des Anreizes und der Verschleierung greifen mußte, wie sie nach der ersten Fassung dieser Vorlage wieder angewendet werden sollten. Mit allen möglichen Vergünstigungen sollte ein Anreiz zum Zeichnen der Türkenlose geschaffen werden, weil die damalige türkische Regierung genau wußte, daß das Vertrauen zu dem osmanischen Reich derartig erschüttert war, daß es dieses Anreizes bedurfte. Ich denke, die Regierung hat ihre Lage wohl selber richtig eingeschätzt, wenn sie geglaubt hat, in ihrer Vorlage für diese Anleihe mit denselben Methoden arbeiten zu müssen, d. h. sie selber hat offensichtlich nicht genügend Vertrauen dazu, was ja auch in ihrer Begründung zu der Vorlage zum Ausdruck gekommen ist, in der sie erklärte, sie sei der Auffassung, diese Anleihe könne nicht auf einmal untergebracht werden.
Meine Damen und Herren, entscheidend ist aber hier wohl, daß diese Anleihe durch eine Vorwegnahme von Mehreinnahmen aus den zwei kommenden ordentlichen Haushalten getilgt werden soll. So sollen die Mittel für Ausgaben bereitgestellt werden, die im außerordentlichen Haushalt ausgeworfen, dort aber nicht abgedeckt sind.
In der Begründung ist das klar zum Ausdruck gekommen. Ich darf das noch einmal in das Gedächtnis zurückrufen. Es heißt da wörtlich:
Sie
— die aufzunehmenden Kredite —
sollen aus zu erwartenden Mehreinnahmen des ordentlichen Haushalts der Rechnungsjahre 1951 und 1952 abgedeckt werden. Die im Rechnungsjahr 1950 für diesen Zweck vorgesehene Beschaffung der Ausgabemittel im Wege des Kredits stellt also nur einen Vorgriff auf Einnahmen der Rechnungsjahre 1951 und 1952 dar.
Das bedeutet einmal, daß die Regierung eine neue unerhörte Belastung des Volkes beabsichtigt, eine Belastung durch neue Massensteuern, über die in der Presse ja bereits gesprochen worden ist. Es bedeutet zweitens, daß auch die Zinsen, die für diese Anleihe aufgebracht werden müssen, in der Tat zusätzlich vom Volk aufgebracht werden müssen. Wenn der nächste Etat aufgestellt wird, wird also allein aus dem Disagio eine Vorbelastung in Höhe von rund 7 Millionen DM vorweg abgedeckt werden müssen.
Meine Damen und Herren, diese Finanz- und Anleihepolitik der Regierung ist ja doch nur ein Ausdruck dessen, daß man in diesem westdeutschen Staat in der Periode der Vorbereitung — und jetzt wird wieder der eine oder andere aufschreien — des Krieges durch neue Massenbelastungen die Mittel zur Finanzierung des Krieges aus dem deutschen Volk herausholen will. Dagegen wehren wir uns mit aller Entschiedenheit.
Meine Herren von der Regierung und von den Regierungsparteien, ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Tagen gelesen haben, daß im Jahre 1950 in der Wirtschaft rund 17 Milliarden DM an Kapital neu investiert worden sind. Das sind insonderheit Kapitalien, die aus der Wirtschaft selbst heraus erarbeitet, d. h. auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung gewonnen worden sind.
Ich darf hier ein kleines Beispiel zur Illustrierung bringen. Auf dem Wege über die Steuerreform ist den Reichen rund eine Milliarde geschenkt worden. Hierzu kommen die Riesengewinne gewisser Großunternehmen. So haben z. B. die Opelwerke in ihrem Bilanzabschluß offiziell einen Reingewinn von etwas über 30 Millionen ausgewiesen, wozu noch die riesigen versteckten Gewinne kommen. Ich erinnere ferner daran, daß das Aktienkapital der Opelwerke in Höhe von 80 Millionen im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt worden ist, d. h. daß den Aktionären 72 Millionen D-Mark geschenkt worden sind. Durch Wegsteuerung dieser Riesengewinne bestünde die Möglichkeit, die Mittel herauszuschöpfen, die nach der Vorlage durch eine die Massen schwer belastende Anleihe aufgebracht werden sollen. Dagegen wehren wir uns. Wir sind der Meinung, daß dieser Regierung keine Mittel zur Durchführung einer Politik bewilligt werden dürfen, die nicht im Interesse des Volkes liegt, die die Reichen begünstigt und die zugleich die Absicht verfolgt, die Mittel für die Vorbereitung und die Finanzierung des Krieges sicherzustellen.
Weitere Wortmeldungen? — Abgeordneter Loritz!
Meine Damen und Herren! Wir können leider die Zustimmung zur Anleiheermächtigung noch nicht geben,
solange der Herr Bundesminister der Finanzen
seine Steuerermäßigungen zugunsten der großen
Einkommen nicht wieder rückgängig gemacht hat!
Noch einen kurzen Satz: Wir bezweifeln sehr, daß bei der heutigen Lage des Kapitalmarktes, in einer Zeit, in der tatsächlich breiteste Schichten der Bevölkerung angesichts der immer mehr steigenden Lebensmittelpreise ihre Gelder bei den Sparkassen und Banken abheben müssen, diese Anleihe zum günstigen Zeitpunkt bewilligt wird. Wenn aber das Volk in seinen breiten Massen diese Anleihe nicht zeichnet, dann wird — so fürchte ich, und das ist bereits von verschiedenen Seiten hier angedeutet worden — ein Teil der ERP-Mittel dafür eingesetzt werden. Die werden dort abgehen, wo sie am allernötigsten sind, nämlich für die Wiederbelebung der deutschen Volkswirtschaft. Deswegen können wir die Zustimmung heute noch nicht geben.
Weitere Wortmeldungen? — Keine weiteren Wortmeldungen. Die allgemeine Aussprache ist geschlossen.
Ich komme zur Einzelaussprache. §§ 1, — 2, — 3 entfällt, — 4, — 5, — 5a, — 6, — Einleitung und Überschrift. Wer für die Annahme ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Gegen drei Stimmen angenommen.
Wer für die Annahme des Gesetzes im ganzen ist, den bitte ich um ein Handzeichen. — Gegenprobe! — Mit derselben Mehrheit angenommen.
— Nein, es war eine Stimme mehr dagegen: Herr Abgeordneter Loritz. Damit ist dieser Punkt der Tagesordnung erledigt.
Ich rufe auf Punkt 8 der Tagesordnung:
Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich über den Antrag der Abgeordneten Dr. Laforet und Genossen betreffend Stundung der Soforthilfeabgabe (Nrn. 1614, 1889 der Drucksachen).
Ich erteile das Wort dem Abgeordneten Dr. Bertram als Berichterstatter.
Meine Damen und Herren! Der Antrag der Drucksache Nr. 1614 ist weitgehend berechtigt, wenn man die tatsächliche Handhabung der Erhebung der Soforthilfeabgabe durch die Finanzämter berücksichtigt, nicht jedoch, wenn nur die rechtliche Lage ins Auge gefaßt würde. Der Bundesfinanzminister hat nämlich durch einen Erlaß vom 2. Dezember 1949 Bestimmungen getroffen, die dem Begehren des Antrages im wesentlichen entsprechen. Doch hat sich
in der Praxis ergeben, daß die tatsächliche Handhabung in verschiedener Hinsicht nicht den Bestimmungen des vorstehenden Erlasses entspricht.
Zunächst war sich der Ausschuß darüber einig — das muß ich am Rande berichten, obwohl es nicht Gegenstand des Antrages ist —, daß die Ablehnung von Stundungsgesuchen, die mit einer günstigeren Regelung im Rahmen des allgemeinen und endgültigen Lastenausgleiches begründet werden, notwendig ist. Der Bundesfinanzminister hat in einem Schreiben vom 8. Dezember 1950 die Länderfinanzminister entsprechend unterrichtet. Daß der Entwurf des Lastenausgleichgesetzes kein Präjudiz für Stundungsansuchen sein kann, ergibt sich bereits daraus, daß die endgültige Gestaltung dieses Entwurfs noch vollkommen ungeklärt ist. Es würde eine Gefährdung des Aufkommens der Soforthilfeabgabe bedeuten, wenn man tatsächlich derartigen Stundungsgesuchen, die mit einer angeblichen Besserstellung im endgültigen Lastenausgleich begründet sind, stattgeben würde.
Andererseits sind im Ausschuß Fälle zur Sprache gekommen, bei denen die Stundungsersuchen auf zutreffende Gründe gestützt sind, denen aber doch nicht stattgegeben worden ist. Da sind vor allem drei Kategorien bekanntgeworden. Zunächst verlangen manche Finanzämter wiederholte Anträge trotz gleichbleibender ungünstiger Verhältnisse. Nach Ziffer IV c des zitierten Erlasses vorn 2. Dezember 1949 kann die Stundung aber auch bis auf weiteres, d. h. ohne zeitliche Begrenzung ausgesprochen werden. Das Verlangen der Finanzämter, bei gleichbleibenden ungünstigen Verhältnissen, insbesondere bei landwirtschaftlichen Kleinbetrieben, die Anträge zu wiederholen, entspricht daher nicht den geltenden Bestimmungen.
Als zweite Gruppe sind Fälle behandelt worden,
in denen Unterhaltsberechtigte oder Unterhaltsverpflichtete in Durchführung des § 23 des Soforthilfegesetzes in Schwierigkeiten geraten sind. § 23 des
Soforthilfegesetzes bestimmt, daß der Abgabepflichtige im Innenverhältnis die Soforthilfeabgabe
auf Altenteilsberechtigte abwälzen kann. Hierzu
hat der Bundesfinanzminister in einem Schreiben
Stellung genommen, das ich mit Erlaubnis des Präsidenten hier einmal verlesen möchte, damit es den
zuständigen Landesfinanzministern bekannt wird: Es ist zutreffend, daß die Durchführung des § 23 des Soforthilfegesetzes zu erheblichen Härten für den Gläubiger führen kann. Sie ergeben sich insbesondere aus der zu der Vorschrift erlassenen Durchführungsbestimmung, nach der his zur Höhe des abwälzbaren Teiles der Soforthilfeabgabe dann Stundung zu gewähren ist, wenn im Falle der Abwälzung der Gläubiger (Abwälzungsverpflichtete) und im Falle der Nichtabwälzung der Abgabepflichtige selbst (Schuldner der Forderung) in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Um Härten, die sich aus dieser Vorschrift für die Abwälzungsverpflichteten ergeben, zu vermeiden, ist in einer Besprechung mit den Referenten der Länder vereinbart worden, daß die Soforthilfeabgabe in Höhe des an sich abwälzbaren Teils schon dann gestundet werden soll, wenn der Abwälzungsverpflichtete durch die Abwälzung in eine seine Existenz bedrohende Notlage geraten würde; dabei muß sichergestellt sein, daß die Schuldner gewährte Stundung dem Gläubiger in vollem Umfange zugute kommt, er also von der Abwälzung in Höhe des gestundeten Betrages absieht.
Das bedeutet also, daß auch in denjenigen Fällen
die Soforthilfeabgabe zu stunden ist, in denen der
Übertragsgeber durch die Abwälzung in eine
Notlage geraten würde, die ihm den notwendigen
Lebensbedarf nicht mehr belassen würde.
Als dritte Gruppe von Fällen wurde diejenige Gruppe behandelt, in der ein Verpächter ein Landgut zu niedrigem Pachtzins verpachtet hat, der Pachtzins durch die Preisstopverordnung festgelegt ist und infolgedessen die laufenden Lasten aus derartigen Pachtgütern höher sind als die Einnahmen. In derartigen Fällen würde die Belastung mit der Soforthilfeabgabe zu einer Existenzgefährdung führen. Die Finanzämter verlangen in derartigen Fällen häufig die Veräußerung von Teilen des Grundbesitzes. Eine Veräußerung von Teilen des landwirtschaftlichen Grundbesitzes ist nach dem zitierten Erlaß vom 2. Dezember aber nicht zumutbar, wenn eine Verpfändung zu angemessenen Bedingungen nicht möglich ist. Das ist zur Zeit durchweg ausgeschlossen. Die Belastung mit der Soforthilfeabgabe erreicht unter Zugrundelegung der Tatsache, daß sie der Höhe nach für längere Zeit zu leisten ist, auch unter Zugrundelegung eines geringen Kapitalisierungsfaktors eine solche Höhe, daß bei Veräußerungen von Grundbesitz die Existenzgrundlage des Verpächters in Gefahr geraten könnte. Der Bundesfinanzminister hat deshalb in einem nichtveröffentlichten Schreiben an die Länderfinanzminister bestimmt, daß in derartigen Fällen eine Behandlung wie beim städtischen Grundbesitz vorzusehen ist.
Der Ausschuß glaubte, durch eine erneute authentische Interpretation des Bundesfinanzministers an die Landesfinanzminister die beobachteten Schwierigkeiten beseitigen zu können und
hat Ihnen eine dementsprechende Empfehlung unterbreitet.
Das Wort hat der Staatssekretär Hartmann.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann mich auf eine ganz kurze Erklärung beschränken. Das Bundesfinanzministerium ist mit der Fassung, die die Resolution im Ausschuß erhalten hat, und mit den Ausführungen des Herrn Berichterstatters völlig einverstanden. Die Finanzämter werden angewiesen werden, entsprechend zu verfahren. Soweit nicht schon alte Anweisungen bestehen, werden neue Anweisungen ergehen. Im übrigen werden die alten Anweisungen in diesem Sinne wiederholt in Erinnerung gebracht werden.
Das Wort hat der Abgeordnete Fürst zu Oettingen-Wallerstein.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Bayernpartei begrüßt den Antrag des Ausschusses für den Lastenausgleich; denn dieser Antrag entspricht zweifellos einem wirklichen Bedürfnis und dürfte dazu angetan sein, gewisse Härten zu beseitigen. Es ist kein Zweifel, daß die Möglichkeiten einer Stundung der Soforthilfeabgabe auch heute noch — ich sehe jetzt von der Erklärung ab, die wir gerade gehört haben — einerseits durch die generellen Bestimmungen der §§ 59 und 60 der Stundungsdurchführungsverordnung zum Soforthilfegesetz — die unter anderem auch die Veräußerung entbehrlichen Hausrats zwecks Zahlung der Soforthilfeabgabe vorsieht —, andererseits aber auch durch die Bestimmungen des Erlasses des Bundesministers der Finanzen vom 2. Dezember 1949 eingeengt sind. Dabei verkenne ich nicht, daß das Bundesfinanzministerium, wie wir jetzt gerade auch wieder gehört haben, bestrebt ist, den Anregungen der Antragsteller stattzugeben und in der Praxis tunlichst Milde walten zu lassen.
Dies ist um so notwendiger, als der bewußte Erlaß vom 2. Dezember 1949 nur eine Stundung von höchstens sechs Monaten vorsieht und diese nur für die jeweils fälligen Raten in Betracht kommt. Nach diesem Erlaß sollte sogar die Veräußerung leicht absetzbarer Waren oder Fertigerzeugnisse zur Beschaffung von Mitteln für die Soforthilfeabgabe verlangt werden können, und zwar auch dann, wenn die Gewinnspanne zur Beschleunigung des Absatzes gesenkt werden muß. In diesem Zusammenhang empfiehlt der besagte Erlaß, in einzelnen Fällen der Art des Verbrauchs oder angeblichen Betriebsausgaben, die zusätzliche Lebenshaltungskosten darstellen könnten, im Rahmen besonderer Liquiditätsprüfungen nachzugehen.
Diese außerordentlich einengenden Bestimmungen in Abs. 5 dieses Erlasses des Bundesfinanzministers treffen auch auf die Gewerbetreibenden und somit auch auf das Handwerk, ferner auf die Landwirte zu. Angesichts der teilweise außerordentlich schwierigen Lage, in der sich das Handwerk befindet, und mit Rücksicht auf die teilweise katastrophale Lage, in der sich insbesondere die kleineren Landwirte — ich denke in erster Linie an die bayerischen Notstandsgebiete — befinden, ist es durchaus am Platz, daß die Frage der Stundung der Soforthilfe überprüft wird. Es kommt dabei selbstverständlich nach eingehender Prüfung
des Einzelfalles nur auf eine Stundung bis zur Inkraftsetzung des Lastenausgleichsgesetzes an, wobei die gezahlten Soforthilfebeträge selbstverständlich auf die Lastenausgleichsabgabe angerechnet werden müssen. Mit einer kurzfristigen Stundung ist weder den notleidenden Gewerbetreibenden noch den notleidenden Landwirten geholfen. Eine Berücksichtigung der Landwirtschaft scheint schon um deswillen gerechtfertigt, als der Anteil der Landwirtschaft an dem Gesamtaufkommensoll der Soforthilfeabgabe 19,8 % beträgt, während der landwirtschaftliche Anteil an dem Nettosozialprodukt des gesamten Bundesgebietes nur 11 % ausmacht.
Die in dem Entwurf des Lastenausgleichsgesetzes vorgesehenen Freibeträge werden, wenn diese Bestimmungen Gesetzeskraft erhalten, wohl manche Härte des Soforthilfegesetzes vermeiden können. Indessen wird man bei Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes unbedingt darauf achten müssen, daß auch entsprechende Härtebestimmungen, die in dem Gesetz für die Soforthilfe gefehlt haben, eingebaut werden, damit Fällen krasser Notlage Rechnung getragen werden kann. Die mit dem Soforthilfegesetz gemachten Erfahrungen müssen zu diesem Ergebnis führen. Wir werden bei der Behandlung des Lastenausgleichsgesetzes aber auch an die kinderreichen Landwirte, an die kriegsbeschädigten Landwirte und endlich an die im Betrieb mitarbeitenden Kinder denken müssen. Wir wollen in der Zukunft Härten vermeiden, nachdem wir gesehen haben, was für Härten sich ergeben können, und wollen alles tun, um den bestehenden Härten nach Möglichkeit zu begegnen.
Das Wort hat der
Abgeordnete Dr. Horlacher.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mein Kollege Schütz hat schon Angst, daß ich meine Redezeit von vier Minuten überschreite. Ich brauche nicht mehr als vier Minuten. Ich will nicht in die Fußstapfen meines Kollegen Kather treten und eine große Rede zum Lastenausgleich halten, sondern will bloß einige bescheidene Bemerkungen machen.
Zunächst: es freut mich, daß der Berichterstatter einige Gesichtspunkte richtig hervorgehoben hat. Auch der Herr Staatssekretär hat sich heute wohlwollender geäußert, als das früher der Fall war. Das ist immerhin ein Fortschritt. Das zeigt, daß wir jetzt in eine besondere Periode hineinkommen, in der es heißt: mit der rohen Soforthilfeabgabe, so wie sie bisher bestanden hat, kann unmöglich weitergewirtschaftet werden. Das ergibt sich schon daraus: der Herr Bundesfinanzminister hat wiederholt erklärt, daß die Soforthilfeabgabe nur auf ganz rohen Maßstäben beruht, daß sie die roheste Besteuerung ist, die es überhaupt gibt, und daß sie sobald wie möglich durch eine gerechte Besteuerung abgelöst werden muß.
Es ist jetzt notwendig, einer Reihe von Leuten der Wirtschaft zu Hilfe zu kommen. Dazu gehören folgende Gruppen: das Bauerntum, der kleine und mittlere Hausbesitz, die kleinen Gewerbetreibenden. Eine ganze Reihe von Notlagen ist dadurch entstanden, daß es Notstandsgebiete gibt, daß in den Kreisen, die ich genannt habe, Kapitalmangel herrscht und daß in der Landwirtschaft das für die Frühjahrsbestellung notwendige Kapital unter allen Umständen zur Verfügung stehen muß. Denn sonst gibt es hier kein Vorwärts in der Wirtschaft,
sondern ein weiteres Abwärtsgleiten. Das sind die Gesichtspunkte, die am 20. Februar unter allen Umständen beobachtet werden müssen.
Ich kann Ihnen — außerhalb der Landwirtschaft — eine Reihe von Fällen von kleinen Hausbesitzern nennen, bei denen es geradezu katastrophal wird, weil die Soforthilfeabgabe den Leuten jegliche Existenzmöglichkeit nimmt. Diese Leute verfügen selber nur über kleine Einkommen. Dieser Hausbesitz hat in seinen Mieten gebundene Preise. Es kommt hinzu die Überbelegung durch Ausgewiesene, so daß diese kleinen Hausbesitzer ihre Existenz nicht mehr aufrechterhalten können. Hier kommt besonders zum Vorschein, wie roh die Soforthilfeabgabe wirkt, weil das Rohvermögen und nicht das nach Bereinigung aller Schuldverhältnisse festgestellte Reinvermögen gilt.
Ich würde wünschen, daß das Bundesfinanzministerium durch Anweisungen an die Oberfinanzpräsidenten in den Fällen, in denen die Soforthilfeabgabe wegen der von mir vorgetragenen Auswirkungen absolut nicht mehr tragbar ist, sobald wie möglich Remedur schafft.
Das Wort hat der Abgeordnete Schütz. — Die Redezeit Ihrer Fraktion ist bis auf eine Minute verbraucht, Herr Abgeordneter!
— Wir wollen ihm zwei geben.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir haben den Bericht des Berichterstatters des Ausschusses und die Ergänzung des Herrn Staatssekretärs gehört. Ich glaube, beide Seiten können damit einverstanden sein.
Ich habe aber das Bedürfnis, nur einen Gedanken an die Ausführungen meiner beiden sehr geschätzten Herren Vorredner anzufügen. Man muß den Leuten, die gewiß schwer unter den Abgaben tragen, auch sagen, daß das, was Sie jetzt vorlegen, doch in der ganzen Höhe auf die Lastenausgleichsabgabe angerechnet wird. Man darf aber nicht so tun, als ob das in den Brunnen gelegt wäre, wenn es etwas roher ist.
Zweitens: Man darf nicht vergessen, daß die beteiligten deutschen Stellen unschuldig daran sind, daß die Soforthilfeabgabe so lange hinausgedehnt worden ist. Wir selber sollten nicht in den Fehler verfallen, in den viele Leute draußen verfallen. Wenn nämlich der kleine Mann an die Haltestelle eines kleinen Dorfes geht, um den nächsten Zug zu benutzen, und der Zug hat eine ganze Stunde Verspätung,
dann darf er doch nicht auf den kleinen Stationsangestellten schimpfen,
der selber gerne Feierabend hätte. Daß der Zug
Verspätung hat, liegt ja daran, daß er von irgendeiner großen Station zu spät weggeschickt wurde.
Daher sollten wir, die wir allesamt gern früher mit dem Zug gefahren wären, nicht den kleinen Mann an die Gurgel packen — das sind wir nämlich selber —, sondern wir sollten wissen, daß hier höhere Gewalt mitgewirkt hat. Wir sollten einander hüben und drüben die Hand reichen und einander helfen, um über die schwierige Situation, in die wir geraten sind, hinwegzukommen.
Es liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Wir kommen zur Abstimmung.
Wer für die Annahme des Ausschußantrages ist, den bitte ich, eine Hand zu erheben. — Gegenprobe! — Einstimmig angenommen.
Punkt 9 der Tagesordnung entfällt, ebenso Punkt 10.
Ich rufe auf Punkt 11 der Tagesordnung: Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität betreffend Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Donhauser gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 13. November 1950 (Nr. 1936 der Drucksachen).
Das Wort als Berichterstatter hat Herr Abgeordneter Ritzel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Geschäftsordnung und Immunität muß leider erneut den Bundestag mit einer Immunitätsangelegenheit befassen, die ein Ausfluß der Verhandlungen des Untersuchungsausschusses auf Grund der Mitteilungen der Zeitschrift „Spiegel" ist. Der Oberstaatsanwalt in Hannover hat am 12. Oktober 1950 ein Ersuchen unterzeichnet, das verlangt, daß eine Entscheidung des Bundestages über die Genehmigung zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens und zur Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Abgeordneten Donhauser erfolge. Dieses Ersuchen wurde durch Vermittlung des Herrn Bundesjustizministers übersandt.
Der Bundestagsabgeordnete Dr. Besold hat am 27. September 1950 gegen den Redakteur des „Spiegel", Augstein, und den Bundestagsabgeordneten Donhauser Strafantrag wegen Beleidigung gestellt, weil der „Spiegel" in der Ausgabe vom 27. September einen Aufsatz unter der Überschrift „Bundeshauptstadt — klug sein und Mund halten" veröffentlicht hat, in dem unter anderem wörtlich steht:
Da unterbrach Anton Donhauser, als der „Spiegel"-Vertreter das Protokoll verlas, nicht um zu protestieren, sondern zu der Feststellung: „Das schreiben Sie auf; aber daß der Besold 5000 DM von Kathreiner kassiert hat, damit er gegen den Kaffeezoll redet, das sagen Sie nicht!"
Der Ausschuß hatte sich nicht mit dem materiellen Inhalt der Sache zu befassen. Er steht grundsätzlich wie es bekannt ist, auch das Hohe Haus — auf dem Standpunkt, daß Beleidigungen politischen Charakters kein Anlaß zur Aufhebung der Immunität sein sollen. Aber im vorliegenden Falle mit Rücksicht auf den Zusammenhang mit den Beratungen und Feststellungen des Untersuchungsausschusses vertritt der Ausschuß wie in einem anderen hier bereits behandelten Falle gleichfalls die Auffassung, daß es im Interesse der Öffentlichkeit und der Sauberkeit des Parlamentes liegt, daß durch eine Gerichtsverhandlung die Möglichkeit zur Klarstellung des hier erhobenen Vorwurfes gegeben wird. Ich habe daher namens des Ausschusses den Auftrag, zu beantragen, die Immu-
nität des Herrn Abgeordneten Donhauser aufzuheben.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Donhauser.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe Sie bereits vor 14Tagen in einer anderen Angelegenheit ähnlichen Inhalts gebeten, meine Immunität aufzuheben, um mir Gelegenheit zu geben, meine Aussage, die ich vor dem „Spiegel"-Ausschuß gemacht habe, auch vor einem unparteiischen Gericht unter Beweis zu stellen. Ich bin grundsätzlich auch heute in dieser Frage derselben Auffassung, muß Ihnen aber doch noch zur Ergänzung einiges sagen: Hier hat der Vertreter des Ausschusses für Immunität bei dem letzten Antrag gegen mich noch kaum zu Ende gesprochen, da ist ein Mittelsmann meines Gegenanwalts an mich mit dem Vorschlag herangetreten, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Nunmehr könne die Klage zurückgezogen werden.
Ich darf Ihnen weiter sagen, daß es sich hier doch im wesentlichen um politische Auseinandersetzungen und um politische Gruppenkämpfe handelt, und Sie wissen, daß auch eine ganze Reihe von Beleidigungsklagen, von mir und meinen politischen Freunden gegen den Herrn Dr. Baumgartner, gegen Dr. Jakob Fischbacher, gegen Dr. Etzel usw. gestartet worden sind. Ich mußte mir allerdings sagen lassen, daß der Ausschuß für Immunität des Bayerischen Landtages, dem die von mir genannten Herren gleichzeitig angehören, gar nicht daran denkt, die gleiche Haltung wie der Immunitätsausschuß des Deutschen Bundestages einzunehmen. Diese Herren haben mir mitteilen lassen, daß sie die ganze Angelegenheit als eine Bagatellsache betrachten und nicht die Immunität meiner politischen Gegner aufzuheben gedenken. Ich bin daher ausgesprochen in der Hinterhand und bin der Meinung, daß die Haltung des Immunitätsausschusses des Deutschen Bundestages für mich und meine politischen Freunde so lange eine Ungerechtigkeit bedeutet, solange diese Herren mir nicht die gleiche faire Chance geben, meine Ehre vor einem objektiven Gericht zu verteidigen.
Ich würde Sie daher recht herzlich bitten, angesichts dieses ungerechten Zustandes die Vorlage an den Ausschuß zurückzuverweisen mit der Bitte, Einvernehmen mit dem Bayerischen Landtag herzustellen. Ich bitte Sie darum.
Das Wort hat der Abgeordnete Strauß.
Ich wollte nur zur Geschäftsordnung den gleichen Antrag stellen.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Rein sachlich, meine Damen und Herren, ist an sich nichts dagegen einzuwenden, den Versuch zu machen, daß auch der Immunitätsausschuß bzw. das Plenum des Bayerischen Landtags zu einer Haltung kommt, die der des Bundestages entspricht. Aber ich will doch auf eine Konsequenz aufmerksam machen. Wenn man im Bayerischen Landtag nein sagt, wird sich der Bundestag mit der Frage erneut zu befassen haben. Denn wegen der Haltung eines Landtages eine Sache auf Eis zu legen, halte ich für ein unmögliches Verfahren.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Vorgang hinweisen, der der Aufmerksamkeit des Bundestages bis heute noch entgangen ist. Der Bundestag hat seinerzeit in der Sache Kurt Müller die Immunität des Abgeordneten Max Reimann aufgehoben. Der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat nur eine teilweise Aufhebung der Immunität beschlossen mit der Wirkung, daß die Staatsanwaltschaft in bezug auf die Aufklärung des Tatbestan-
des weitgehend gehindert war und die Aufhebung der Immunität durch den Bundestag praktisch wirkungslos geworden ist. Das sind Dinge, auf die ich beizeiten aufmerksam machen möchte, denn ich glaube, wir alle müssen darin einig sein, daß durch keine Praxis dem Vorschub geleistet werden darf, daß die Zusammenhänge, die vor dem „Spiegel"-Ausschuß zur Diskussion standen, unaufgeklärt bleiben.
Das Wort hat der Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Als ich die Feststellung des Kollegen Donhauser hörte, daß der Bayerische Landtag seinen Gegenspielern gegenüber eine Taktik einschlägt, die es praktisch unmöglich macht, die Gegenbeschuldigung des Kollegen Donhauser hinsichtlich dieser Herren vor Gericht auszutragen, ist mir der Gedanke gekommen, daß man Herrn Donhauser eine gleiche Chance geben muß. Gleiches Recht für alle!
Aber Herr Kollege Ritzel, daß Sie im Zusammenhang mit dieser Affäre den Namen unseres Fraktionsvorsitzenden Reimann in den Mund genommen haben,
ist eine Sache, die ich außerordentlich bedaure.
Außerdem haben Sie — hoffentlich unwissentlich -
eine entscheidende Unrichtigkeit hier vorgetragen. Der Oberstaatsanwalt in Hannover hat die Anklage gegen unseren Genossen Reimann eingestellt.
Soll ich Ihnen darauf eine Antwort geben?
— Es gibt noch gewisse dunkle Dinge, denen Sie durch Ihren Beschluß auf Aufhebung seiner Immunität Vorschub geleistet haben! Bei der gründlichen Diskussion des Falles Reimann werden wir auch auf diese Hintergründe noch einmal eingehen. Hier handelt es sich nur um die Tatsache, daß Herr Ritzel die Taktlosigkeit begangen hat, zwei Dinge, die nichts miteinander zu tun haben, die auf einer ganz anderen Ebene liegen, in eine Parallele zu bringen.
Der Oberstaatsanwalt in Hannover hat öffentlich erklärt, daß die gegen den Abgeordneten Reimann erhobenen Beschuldigungen jeder realen Grundlage und Unterlage entbehren. Er hat die Zeugin, die man seinerzeit hierhergeholt hat und mit der man das große Theater gemacht hat, hinsichtlich ihrer Glaubwürdigkeit als dubiös angesprochen. Darüber hinaus hat er festgestellt, daß von den
beiden Zeugen, die angeblich aua der russischen Zone geflohen sind und öffentlich erzählt haben, sie hätten mit dem armen Agenten Kurt Müller im selben Gefängnis gesessen, der eine die verlogene Behauptung zurückgenommen hat und der andere so unglaubwürdig ist, daß seiner Aussage keinerlei Wert beigemessen werden kann.
Aber, Herr Kollege Ritzel, die Sache hat noch eine andere Seite. Sehen Sie mal, die Aufhebung der Immunität des Kollegen Reimann — —
Herr Kollege Renner, reden Sie bitte zur Sache und nicht zum Fall Reimann! Wir sprechen über die Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Donhauser!
Die Aufhebung der Immunität des Kollegen Reimann ist erfolgt, ohne daß ein Staatsanwalt über den üblichen Instanzenweg des Landesjustizministers und des Bundesjustizministers an den Bundestag herangetreten ist. Sehen Sie, da hier - -
Herr Abgeordneter Renner, wenn Sie nicht zur Sache reden, entziehe ich Ihnen das Wort!
Bitte, ich bringe eine Parallele!
Sie sprechen nicht zur Sache, sondern Sie sprechen über das Verfahren des Oberstaatsanwalts in Hannover gegen den Abgeordneten Reimann. Das steht nicht auf der Tagesordnung!
Erlauben Sie mir, auf eine Parallele hinzuweisen.
Meine Herren, es hätte ja auch die Möglichkeit bestanden, von hier aus die Immunität der beiden genannten Gegenspieler durchaus aufzuheben.
- Wieso? Die sind doch Bundestagsabgeordnete! Was ist denn da für ein Unterschied?
— Sie haben ja die Immunität des Abgeordneten Reimann auch aufgehoben, wiewohl er in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter noch immun war! Kommen Sie mir also nicht mit solchen an den Haaren herbeigezogenen Argumenten! Wenn Sie gewollt hätten, Herr Kollege Strauß, dann hätten Sie Herrn Ritzel, dem Vorsitzenden des Ausschusses, den Rat geben können, von sich aus, genau wie im Fall Reimann, die Frage nach der Aufhebung der Immunität der beiden Gegenspieler des Herrn Donhauser zu stellen. Das haben Sie nicht gemacht.
Im Falle Reimann haben sie eine verfassungswidrige politische Aktion durchgeführt, weil Sie ihn mundtot machen wollten.
Darum haben Sie dieses üble Spiel getrieben, das Sie anscheinend wiederholen wollen. Wir kommen auf den Fall Reimann noch zurück. Das war heute nur das Vorgeplänkel. Das sage ich hier in aller
Öffentlichkeit. Wir werden Ihnen zeigen, welche Hintergründe Sie dazu bewogen haben, dieses unfaire Spiel mit dem Prinzip der Immunität eines Abgeordneten zu betreiben.
Herr Abgeordneter
Renner, ich rufe Sie zum zweitenmal zur Sache.
Das Wort hat der Abgeordnete Ritzel.
Meine Damen und Herren! Ich halte Sie, Herr Kollege Renner, für viel zu intelligent,
als daß Sie nicht erkannt hätten, um was es sich hier im Grunde dreht. Sie haben nämlich den Kasus herumgedreht. Es handelt sich hier ganz im Gegensatz zu Ihrer Behauptung einzig und allein um den Versuch, eine Übereinstimmung in der Praxis zwischen Bundestag und Landtag herzustellen. Den Fall Reimann habe ich — das ist nachweisbar — als Beispiel dafür hervorgehoben, daß die Praxis eines Landtags, in diesem Falle Nordrhein-Westfalen, ferner nach den Mitteilungen des Herrn Kollegen Donhauser die Praxis des Bayerischen Landtags grundsätzlich verschieden ist von der hier geübten Praxis. Darum und um gar nichts anderes handelt es sich. Wenn Sie dann auf den Fall Reimann hinweisen, Herr Kollege Renner, so werden wir uns bei gegebener Gelegenheit noch darüber zu unterhalten haben. Ich spreche hier jetzt nicht als Ausschußvorsitzender, sondern als Mitglied meiner Fraktion, und ich möchte Ihnen bei nächster Gelegenheit die Chance bieten, daß Sie sich einmal hier darüber auslassen, wo Ihr Kollege Kurt Müller bleibt.
Was weiß Herr Reimann davon? Das ist das Entscheidende.
Herr Abgeordneter, sprechen Sie bitte zur Sache.
Ja, ich spreche zur Sache mit der Feststellung, daß die Notwendigkeit besteht, entsprechend der gegebenen Anregung den Versuch zu machen, eine übereinstimmende Haltung in der Praxis der Landtage der einzelnen Länder und der des Bundestags herbeizuführen. Gelingt das nicht, dann müssen wir uns hier erneut mit dem einzelnen Fall befassen.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Ich lasse abstimmen. Wer für die Annahme des Antrags auf Zurückverweisung an den Ausschuß ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Damit, meine Damen und Herren, ist die Tagesordnung erschöpft. Ich berufe die nächste, die 121. Sitzung des Deutschen Bundestags ein auf Mittwoch, den 28. Februar 1951, 13 Uhr 30, und schließe die 120. Sitzung des Deutschen Bundestags.