Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert ganz besonders in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Gegenstandes, daß er nicht in der Lage ist, die Interpellation heute selbst zu beantworten, da in dieser Stunde eine Konferenz der Ministerpräsidenten und der Finanzminister der Länder bei ihm im Bundesministerium der Finanzen stattfindet, in
der die Grundzüge der Haushaltsgebarung des Bundes und der Länder für das neue Rechnungsjahr 1951, insbesondere auch die Frage der Inanspruchnahme der bisher den Ländern zustehenden Steuern durch den Bund zur Besprechung stehen und in der, wenn möglich, eine Vereinbarung darüber erzielt werden soll.
In seinem Auftrage habe ich hier die Interpellation wie folgt zu beantworten auf Grund eines Kabinettsbeschlusses, der kürzlich ergangen ist, der sowohl die Interpellation als auch den Beschluß des Hohen Hauses in seiner Sitzung vom 15. Dezember 1950 betrifft und der an den Beschluß der Konferenz der obersten Wiedergutmachungsbehörden der Länder Ende November 1950 anknüpft, wonach die Wiedergutmachung Ländersache bleiben soll: Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sie von ihrer Kompetenz nach dem Grundgesetz so lange nicht Gebrauch machen solle, als die Länder darauf halten, daß die Dinge durch Ländergesetze und auf Grund von Ländergesetzen durchgeführt werden, sei es entweder durch Ergänzung der Gesetze oder durch eine Verbesserung im Verwaltungswege. Die Ländergesetze sind in fortschreitender Entwicklung und in der Durchführung begriffen. Da ja wohl das Bundesgesetz — ich muß hier leider auch einmal die finanziellen Gesichtspunkte wenigstens streifen — nicht rückwirkend wird in Kraft treten können, würde das bedeuten, daß also ein Unterschied in der Entschädigung zwischen den Fällen gemacht werden würde, die in den Ländern bereits erledigt sind, und den Fällen, die auf Grund eines etwaigen neuen Bundesgesetzes erst zur Erledigung kommen würden.
— Ich darf gleich versuchen, noch darauf einzugehen.
Dazu kommt die Überzeugung, daß sich die Bundesregierung ;n einem Bundesgesetz auf ein bloßes Dachgesetz, wie es im Dezember hier angeregt worden ist, also auf eine bloße einheitliche Rahmenbestimmung über Stichtage und über den Kreis der Berechtigten nicht würde beschränken können, sondern daß das Bundesgesetz die gesamte Materie regeln müßte, und zwar wahrscheinlich auf dem höchsten Niveau, das in den verschiedenen Ländern erreicht worden ist. Es hat sich ja auch bei der Regelung der Ansprüche der Kriegsopfer usw. immer ergeben, daß im allgemeinen das höchste Niveau in einem der 11 Länder für eine Bundesregelung natürlicherweise maßgebend sein muß. Die Länder haben bei der Regelung der Wiedergutmachung hinsichtlich des Kreises der Berechtigten und hinsichtlich der gebietsmäßigen Begrenzung gewisser Schadenfälle bisher an dem Territorialprinzip festgehalten. Die Bundesregelung würde darüber hinausgehen müssen.
Damit werden dann leider die finanziellen Fragen aufgeworfen, die demnächst wohl im Zusammenhang mit dem Haushalt 1951 und mit den großen Deckungsvorlagen der Bundesregierung das Hohe Haus ohnedies in sehr weitem Maße beschäftigen werden. Würde man auf dem Standpunkt stehen, daß zwar der Bund eine umfassende und natürlicherweise erweiterte Regelung zu treffen hätte, daß aber die Länder die Kosten dafür zu tragen hätten, dann würde dieselbe Schwierigkeit entstehen, die hinsichtlich des Rentenversicherungsgesetzes den Bundesrat zur Anrufung des Vermittlungsausschusses bewogen hat. Der Vermittlungsausschuß hat ja gerade heute vor-
mittag getagt, und auch dort ist mit Nachdruck der Standpunkt vertreten worden, daß wahrscheinlich sehr starke verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen, in einem Bundesgesetz Ausgaben zu Lasten der Länder zu beschließen. Da das wahrscheinlich nicht geht, würde also eine solche Buhdesgesetzgebung, die notwendigerweise mit erheblich erweiterten Ausgaben verbunden ist, zu Lasten des Bundes gehen. Ich möchte das nebenher erwähnen; aber der Gesichtspunkt kann bei der außerordentlichen Höhe der Belastung, die in ihrem Gesamtumfang im Augenblick noch gar nicht vollauf abzuschätzen ist, nicht ganz außer Betracht gelassen werden.
Ich möchte jedoch betonen, daß der Kabinettsbeschluß das Wort „vorerst" enthält, sich also auf den Augenblick bezieht und auf der Hoffnung beruht, daß es den Bemühungen der Länder — ihrem Wunsche entsprechend — gelingen wird, sei es im Gesetzeswege, sei es im Verwaltungswege, zu einer Verbesserung, zu einer Vereinheitlichung zu kommen. Die Bundesregierung hat ja dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vorgelegt. Sollte sich herausstellen, daß der Beschluß des Koordinierungsausschusses der Länder von Ende November nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, dann wird allerdings die Bundesregierung dem Hohen Hause eine bundesgesetzliche Vorlage unterbreiten. Auf die dabei sich ergebenden Folgerungen hatte ich mir schon hinzuweisen erlaubt.
Ich komme nun zu Abs. 2 der Interpellation, der sich insbesondere mit dem von den verfolgten Juden hinterlassenen Vermögen befaßt, dessen Erben unbekannt sind oder bei dem Erben nicht hehr bestehen. Der Herr Interpellant hat geschildert, wie verschieden die Rechtslage in den drei Zonen ist. Wir müssen zunächst einmal unterstellen, daß die Erben nicht bekannt sind. Nun scheinen mir aber erhebliche rechtliche Bedenken gegen das von dem Herrn Interpellanten angeregte Bundesgesetz zu bestehen. Wir glauben, daß durch ein Bundesgesetz bürgerlich-rechtliche Folgen außerhalb der Bundesrepublik gar nicht statuiert werden könnten. Soweit es sich bei den unbekannten Erben um solche israelitischer Staatsangehörigkeit handelt, könnte ein Gesetz des Staates Israel Abhilfe schaffen. Soweit es sich aber um unbekannte Erben handelt, die auch nicht die Staatsangehörigkeit des Staates Israel haben würden, kann überhaupt nicht die Gesetzgebung irgendeines einzelnen Staates Abhilfe schaffen, sondern es müßten wohl internationale Abkommen eine solche Regelung treffen, die dann in den einzelnen Ländern zu ratifizieren wären. Ich würde bitten, daß diese besonders schwierige Frage vielleicht dem Rechtsausschuß zur Erörterung überwiesen wird. Hier handelt es sich j a um eine reine Rechtsfrage, nämlich darum, ob die Bundesgesetzgebung mit Wirkung für unbekannte Erben, die nicht die Staatsangehörigkeit des Bundes haben und sich jetzt nicht im Bundesgebiet aufhalten, überhaupt Recht setzen kann.
— Das ist ein Beschluß des Bundeskabinetts, Herr Abgeordneter.