Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir begrüßen es, daß endlich einmal ein Antrag mit dem Ziel gekommen ist, auf diesem Gebiet eine Ordnung der Verhältnisse herbeizuführen. Ich habe schon im vorigen Jahre dem Herrn Bundesjustizminister einen ähnlichen Antrag überreicht. Bei dieser Gelegenheit hat er mir gesagt, es sei jetzt nicht die Zeit dafür, weil die außenpolitischen Verhältnisse noch nicht klar genug seien, um einen solchen Antrag im Bundestag zu behandeln. Aber wenn man im wirtschaftlichen Leben steht, sieht man auch die Verhältnisse auf der Gegenseite. Ich gehe mit Ihnen, Herr Professor Schmid, in dieser Hinsicht vollständig einig, wenn Sie sagen: Wir müssen für diejenigen opfern, die ungerecht behandelt worden sind und deren Blut vergossen worden ist. Es ist eine Pflicht des deutschen Volkes, diese Dinge wiedergutzumachen.
Auf der anderen Seite möchte ich noch auf folgendes hinweisen. Ich habe gerade in meiner Gegend Hunderte und Hunderte von Fällen kleiner Leute zu erledigen, die um 1933 und schon vor 1933, in den 20er Jahren, jüdischen Besitz gekauft haben. Ich muß Ihnen sagen, daß viele von diesen
Leuten arm sind, weil sie damals ihren letzten Geoschen hingegeben haben, um einen Besitz zu erlangen.
Ich möchte Ihnen einen anderen Fall anführen, der ähnlich liegt. In Nördlingen war vor 1933 ein .gut gehendes jüdisches Geschäft, eine Eisenwarenhandlung. Der Inhaber hat schon vor 1933 seinen Prokuristen gebeten, ihm das Geschäft abzukaufen. Der Prokurist hat sich endlich dazu bewegen lassen und hat das Geschäft ungefähr in der ersten Hälfte des Jahres 1933 gekauft. Er hat es dann umgebaut und sehr bedeutend erweitert. Das Restkaufgeld hat er sofort bar gezahlt, hat Hypotheken in Höhe von 50 000 Mark übernommen und den Wert des Geschäfts um das Dreifache erhöht. Der Besitzer selber ist gestorben. Jetzt kommt von seinen Erben der Antrag, das Geschäft an sie zurückzugeben. Ich habe gerade in den letzten Tagen wieder eine Verhandlung mit der Wiedergutmachungsbehörde in Augsburg gehabt. Die Wiedergutmachungsbehörde stellt sich auf den Standpunkt, daß die von dem Erwerber in dem Geschäft gemachten Investierungen im Verhältnis von 1 : 10 abzuwerten sind.
Ich glaube, wir müssen das vorliegende Gesetz eingehend prüfen und so gestalten, daß es nach beiden Seiten Gerechtigkeit ermöglicht. Wir würden es sehr begrüßen, wenn dieses Gesetz recht bald verabschiedet würde.
— Herr Professor Schmid, Sie brauchen sich gar nicht zu wundern, wenn es auf diesem Gebiet so langsam vor sich geht. Ich will nur ein einziges Beispiel anführen. Ich habe dem Herrn Justizminister vielleicht vor einem halben Jahr eine Meldung übergeben, wonach ein Staatsanwalt damals in der unverschämtesten Weise mithalf, daß man einem Mann sein ganzes Vermögen abgenommen hat. Wir haben uns darüber beschwert. Und wissen Sie, was geschehen ist? Dieser Staatsanwalt ist zum Oberstaatsanwalt befördert worden! Unter diesen Umständen brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn das Gesetz in einzelnen Fällen nicht als gerecht empfunden wird.
Darum ersuchen wir die Bundesregierung, alles zu tun, damit so schnell wie möglich ein Gesetz mit gerechtem Inhalt herauskommt und alle Fälle, die wir gutzumachen haben, gerecht nach beiden Seiten erledigt werden. Dann werden wir auch die kleinen Leute befriedigen, die heute um ihre damals erworbene Existenz in Sorge sind, weil sie glauben, daß sie ihnen genommen werden soll. Es muß die Frage geprüft werden, wie diejenigen abgefunden werden sollen, die damals mit ihren Spargroschen Besitz erworben haben. Sie hätten doch damals auch etwas anderes kaufen können. Wenn ihre Gegenansprüche heute nur im Verhältnis 1 zu 10 aufgewertet werden, ist es für diese Leute unmöglich, sich eine neue Existenz zu schaffen.
Deshalb fordern wir eine Prüfung nach Recht und Gerechtigkeit. Wenn die Bundesregierung ein solches Gesetz schafft, wird das Volk Achtung vor dem Bundestag und vor der Regierung haben.