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ID0112004200

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    Deutscher Bundestag — 120. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 22. Februar 1951 4577 120. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 22. Februar 1951. Geschäftliche Mitteilungen 4578C Änderungen der Tagesordnung 4578C Fortsetzung der zweiten und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Bundeswasserstraßen (Nrn. 801, 1518 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Finanz- und Steuerfragen (11. Ausschuß) (Nr. 1895 der Drucksachen) 4578D, 4579A Dr. Greve (SPD), Berichterstatter . . 4579A Kemper (CDU) 4580A Schäffer, Bundesminister der Finanzen 4580D Beschlußfassung 4581B Beratung der Interpellation der Fraktion der FDP betr. Wahrung der Eigentumsrechte der Sudetendeutschen im Wertpapierbereinigungsverfahren (Nr. 1742 der Drucksachen) 4581D Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP), Interpellant 4581D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 4582C Fortsetzung der zweiten Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Rechnungsjahr 1950 (Nr. 1500 der Drucksachen); Mündliche Berichte des Haushaltsausschusses (10. Ausschuß) . 4578D, 4583A Einzelplan I — Haushalt des Bundespräsidenten und des Bundespräsidialamts (Nr. 1901 der Drucksachen), Abstimmung 4583A Einzelplan II — Haushalt des Deutschen Bundestags (Nr. 1902 der Drucksachen), Abstimmung 4583A Einzelplan III — Haushalt des Deutschen Bundesrats (Nr. 1903 der Drucksachen), Abstimmung 4583B Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Margarinepreis (Nr. 1888 der Drucksachen) 4578D, 4583B Müller (Frankfurt) (KPD), Antragsteller 4583C, 4587D Dr. Niklas, Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten 4584A, 4586B Kriedemann (SPD) 4585A, 4586C, 4588B, 4589A Loritz (WAV) . . . . 4585D, 4586D, 4587C Dr. Horlacher (CSU): zur Sache 4587A zur Geschäftsordnung 4589B Renner (KPD), Antragsteller . . . 4588C Dr. Dr. Müller (Bonn) (CDU) . . . 4589A Ausschußüberweisung 4589C Beratung der Interpellation der Fraktion der SPD betr. Vorlage des Entwurfs eines Wiedergutmachungsgesetzes (Nr. 1828 der Drucksachen) 4589D Dr. Schmid (Tübingen) (SPD), Interpellant: zur Sache 4589D, 4596B zur Geschäftsordnung 4598D Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 4593B Dr. Oellers (FDP) 4594C Dr. Kleindinst (CSU) 4596A Müller (Frankfurt) (KPD) 4596D Dr. Reismann (Z) 4597B Schmidt (Bayern) (WAV) 4598A Ausschußüberweisung 4599A Beratung der Interpellation der Fraktion der CDU/CSU betr. Verwendung der Bundesausfallbürgschaft für die deutsche Filmindustrie (Nr. 1856 der Drucksachen) in Verbindung mit der Beratung des Interfraktionellen Antrags betr. Finanzierung deutscher Filme (Nr. 1965 der Drucksachen) 4578D, 4599A Muckermann (CDU), Interpellant . . 4599B Dr. Erhard, Bundesminister für Wirtschaft 4601B Ausschußüberweisung 4601C Erste Beratung des von der Fraktion des Zentrums eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Entschädigung von Verlusten der Altsparer (Altsparergesetz) (Nr. 1874 der Drucksachen) 4601D Dr. Bertram (Z), Antragsteller 4601D, 4609B Dr. Besold (BP) 4604B Dr. Gülich (SPD) 4605B Kunze (CDU) 4606C Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4607D Loritz (WAV) 4609A Ausschußüberweisung 4609D Erste Beratung des vom deutschen Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung der Lohnzahlungen an Feiertagen (Nr. 1885 der Drucksachen) 4609D Ausschußüberweisung 4609D Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Anleihegesetzes von 1950 (Nr. 1576 der Drucksachen); Mündlicher Bericht des Ausschusses für Geld und Kredit (12. Ausschuß) (Nr. 1876 der Drucksachen) . . . 4609D Erler (SPD), Berichterstatter . . . 4610A Seuffert (SPD) 461213 Dr. Dr. Höpker-Aschoff (FDP) 4613C, 4615C Bausch (CDU) 4614A Dr. Dr. Nöll von der Nahmer (FDP) 4614C Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . 4614D Schoettle (SPD) 4615A Scharnberg (CDU) 4615D Dr. Bertram (Z) 4616A Müller (Frankfurt) (KPD) 4617A Loritz (WAV) 4617D Abstimmungen 4616C, 4818A Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für den Lastenausgleich (17. Ausschuß) über den Antrag der Abg. Dr. Laforet u. Gen. betr. Stundung der Soforthilfeabgabe (Nrn. 1614, 1889 der Drucksachen) 4618A Dr. Bertram (Z), Berichterstatter . 4618A Hartmann, Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen . . . . 4619A Fürst zu Oettingen-Wallerstein (BP) 4619A Dr. Horlacher (CSU) 4619D Schütz (CSU) 4620A Beschlußfassung 4620C Beratung des Mündlichen Berichts des Ausschusses für Geschäftsordnung und Immunität (3. Ausschuß) betr. Aufhebung der Immunität des Abg. Donhauser gemäß Schreiben des Bundesministers der Justiz vom 13. November 1950 (Nr. 1936 der Drucksachen) 4620C Ritzel (SPD): als Berichterstatter 4620C als Abgeordneter . . . . 4621B, 4622C Donhauser (Unabhängig) 4621A Strauß (CSU) 4621B Renner (KPD) 4621C Ausschußrückverweisung 4622D Nächste Sitzung 4622D Die Sitzung wird um 13 Uhr 31 durch den Präsidenten Dr. Ehlers eröffnet.
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesminister Schäffer bedauert ganz besonders in Anbetracht der Wichtigkeit dieses Gegenstandes, daß er nicht in der Lage ist, die Interpellation heute selbst zu beantworten, da in dieser Stunde eine Konferenz der Ministerpräsidenten und der Finanzminister der Länder bei ihm im Bundesministerium der Finanzen stattfindet, in
    der die Grundzüge der Haushaltsgebarung des Bundes und der Länder für das neue Rechnungsjahr 1951, insbesondere auch die Frage der Inanspruchnahme der bisher den Ländern zustehenden Steuern durch den Bund zur Besprechung stehen und in der, wenn möglich, eine Vereinbarung darüber erzielt werden soll.
    In seinem Auftrage habe ich hier die Interpellation wie folgt zu beantworten auf Grund eines Kabinettsbeschlusses, der kürzlich ergangen ist, der sowohl die Interpellation als auch den Beschluß des Hohen Hauses in seiner Sitzung vom 15. Dezember 1950 betrifft und der an den Beschluß der Konferenz der obersten Wiedergutmachungsbehörden der Länder Ende November 1950 anknüpft, wonach die Wiedergutmachung Ländersache bleiben soll: Die Bundesregierung ist der Ansicht, daß sie von ihrer Kompetenz nach dem Grundgesetz so lange nicht Gebrauch machen solle, als die Länder darauf halten, daß die Dinge durch Ländergesetze und auf Grund von Ländergesetzen durchgeführt werden, sei es entweder durch Ergänzung der Gesetze oder durch eine Verbesserung im Verwaltungswege. Die Ländergesetze sind in fortschreitender Entwicklung und in der Durchführung begriffen. Da ja wohl das Bundesgesetz — ich muß hier leider auch einmal die finanziellen Gesichtspunkte wenigstens streifen — nicht rückwirkend wird in Kraft treten können, würde das bedeuten, daß also ein Unterschied in der Entschädigung zwischen den Fällen gemacht werden würde, die in den Ländern bereits erledigt sind, und den Fällen, die auf Grund eines etwaigen neuen Bundesgesetzes erst zur Erledigung kommen würden.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Unterschiede bleiben aber so, territorial!)

    — Ich darf gleich versuchen, noch darauf einzugehen.
    Dazu kommt die Überzeugung, daß sich die Bundesregierung ;n einem Bundesgesetz auf ein bloßes Dachgesetz, wie es im Dezember hier angeregt worden ist, also auf eine bloße einheitliche Rahmenbestimmung über Stichtage und über den Kreis der Berechtigten nicht würde beschränken können, sondern daß das Bundesgesetz die gesamte Materie regeln müßte, und zwar wahrscheinlich auf dem höchsten Niveau, das in den verschiedenen Ländern erreicht worden ist. Es hat sich ja auch bei der Regelung der Ansprüche der Kriegsopfer usw. immer ergeben, daß im allgemeinen das höchste Niveau in einem der 11 Länder für eine Bundesregelung natürlicherweise maßgebend sein muß. Die Länder haben bei der Regelung der Wiedergutmachung hinsichtlich des Kreises der Berechtigten und hinsichtlich der gebietsmäßigen Begrenzung gewisser Schadenfälle bisher an dem Territorialprinzip festgehalten. Die Bundesregelung würde darüber hinausgehen müssen.
    Damit werden dann leider die finanziellen Fragen aufgeworfen, die demnächst wohl im Zusammenhang mit dem Haushalt 1951 und mit den großen Deckungsvorlagen der Bundesregierung das Hohe Haus ohnedies in sehr weitem Maße beschäftigen werden. Würde man auf dem Standpunkt stehen, daß zwar der Bund eine umfassende und natürlicherweise erweiterte Regelung zu treffen hätte, daß aber die Länder die Kosten dafür zu tragen hätten, dann würde dieselbe Schwierigkeit entstehen, die hinsichtlich des Rentenversicherungsgesetzes den Bundesrat zur Anrufung des Vermittlungsausschusses bewogen hat. Der Vermittlungsausschuß hat ja gerade heute vor-


    (Staatssekretär Hartmann)

    mittag getagt, und auch dort ist mit Nachdruck der Standpunkt vertreten worden, daß wahrscheinlich sehr starke verfassungsmäßige Bedenken dagegen bestehen, in einem Bundesgesetz Ausgaben zu Lasten der Länder zu beschließen. Da das wahrscheinlich nicht geht, würde also eine solche Buhdesgesetzgebung, die notwendigerweise mit erheblich erweiterten Ausgaben verbunden ist, zu Lasten des Bundes gehen. Ich möchte das nebenher erwähnen; aber der Gesichtspunkt kann bei der außerordentlichen Höhe der Belastung, die in ihrem Gesamtumfang im Augenblick noch gar nicht vollauf abzuschätzen ist, nicht ganz außer Betracht gelassen werden.
    Ich möchte jedoch betonen, daß der Kabinettsbeschluß das Wort „vorerst" enthält, sich also auf den Augenblick bezieht und auf der Hoffnung beruht, daß es den Bemühungen der Länder — ihrem Wunsche entsprechend — gelingen wird, sei es im Gesetzeswege, sei es im Verwaltungswege, zu einer Verbesserung, zu einer Vereinheitlichung zu kommen. Die Bundesregierung hat ja dem Hohen Hause einen Gesetzentwurf über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes vorgelegt. Sollte sich herausstellen, daß der Beschluß des Koordinierungsausschusses der Länder von Ende November nicht zu dem gewünschten Ergebnis führt, dann wird allerdings die Bundesregierung dem Hohen Hause eine bundesgesetzliche Vorlage unterbreiten. Auf die dabei sich ergebenden Folgerungen hatte ich mir schon hinzuweisen erlaubt.
    Ich komme nun zu Abs. 2 der Interpellation, der sich insbesondere mit dem von den verfolgten Juden hinterlassenen Vermögen befaßt, dessen Erben unbekannt sind oder bei dem Erben nicht hehr bestehen. Der Herr Interpellant hat geschildert, wie verschieden die Rechtslage in den drei Zonen ist. Wir müssen zunächst einmal unterstellen, daß die Erben nicht bekannt sind. Nun scheinen mir aber erhebliche rechtliche Bedenken gegen das von dem Herrn Interpellanten angeregte Bundesgesetz zu bestehen. Wir glauben, daß durch ein Bundesgesetz bürgerlich-rechtliche Folgen außerhalb der Bundesrepublik gar nicht statuiert werden könnten. Soweit es sich bei den unbekannten Erben um solche israelitischer Staatsangehörigkeit handelt, könnte ein Gesetz des Staates Israel Abhilfe schaffen. Soweit es sich aber um unbekannte Erben handelt, die auch nicht die Staatsangehörigkeit des Staates Israel haben würden, kann überhaupt nicht die Gesetzgebung irgendeines einzelnen Staates Abhilfe schaffen, sondern es müßten wohl internationale Abkommen eine solche Regelung treffen, die dann in den einzelnen Ländern zu ratifizieren wären. Ich würde bitten, daß diese besonders schwierige Frage vielleicht dem Rechtsausschuß zur Erörterung überwiesen wird. Hier handelt es sich j a um eine reine Rechtsfrage, nämlich darum, ob die Bundesgesetzgebung mit Wirkung für unbekannte Erben, die nicht die Staatsangehörigkeit des Bundes haben und sich jetzt nicht im Bundesgebiet aufhalten, überhaupt Recht setzen kann.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Ich glaube, das Problem ist in Wirklichkeit anders zu sehen! — Abg. Dr. Arndt: Ist das Dehlersche Weisheit? — Zuruf rechts: Das hat mit Dehler gar nichts zu tun!)

    — Das ist ein Beschluß des Bundeskabinetts, Herr Abgeordneter.

    (Abg. Wehner: Das ist eine Buchhalterweisheit!)



Rede von Dr. Hermann Ehlers
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren, ich frage: Wird die Besprechung der Interpellation gewünscht? — Das sind mehr als 50 Abgeordnete. Es ist der Fall.
Das Wort hat der Abgeordnete Oellers. Im Rahmen der vereinbarten Zeit von 90 Minuten!

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Fritz Oellers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Materie des Wiedergutmachungsrechtes hat den Deutschen Bundestag vor mehr als Jahresfrist bereits einmal befaßt. Ich darf den Antrag meiner Fraktion auf Drucksache Nr. 159 vom 4. November 1949 in Ihre Erinnerung zurückrufen, den ich mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten vielleicht verlesen darf:
    Die Bundesregierung wird gebeten, gemäß Ziffer 4 in Verbindung mit Ziffer 2 b des Besatzungsstatutes die Besatzungsbehörden um ihr Einverständnis zu bitten, daß ein Bundesgesetz betreffend Rückerstattung feststellbarer Vermögenswerte erlassen wird, mit dessen Inkrafttreten die jetzt in den drei Besatzungszonen geltenden Gesetze der jeweiligen Militärregierung aufzuheben wären. Bis zum Inkrafttreten des einheitlichen Bundesgesetzes sollten die schwebenden Verfahren ausgesetzt werden.
    Wir hatten damals schon die Absicht, über die angesprochene Materie hinaus das gesamte Wiedergutmachungsrecht auf der Bundesebene möglichst vereinheitlichen zu lassen.
    Der Antrag wurde dann in den Rechtsausschuß verwiesen, und dort wurden insbesondere auch von den Sprechern der Fraktion, die heute die Interpellation eingebracht hat, außenpolitische Bedenken geltend gemacht. Es wurde der Standpunkt vertreten, daß zweckmäßigerweise wohl keine Erörterung im Plenum des Bundestages vorgenommen würde, sondern daß man über die Ministerien einen Versuch unternehmen sollte, mit den Hohen Kommissaren in Fühlung zu kommen. Ich freue mich, daß dieser Standpunkt heute anscheinend nicht aufrechterhalten werden soll, und ich möchte nur meinen, es wäre besser gewesen, wir hätten den Standpunkt, den wir heute einheitlich einnehmen, bereits vor Jahresfrist eingenommen.

    (Sehr richtig! rechts.)

    Dann hätte vielleicht in dieser Zeit schon manches
    geschehen und manches verhütet werden können.

    (Zuruf rechts: Sehr richtig! Sehr interessant!)

    Zur Frage des Wiedergutmachungsrechts selbst möchte ich folgendes bemerken: Ich glaube, es ist notwendig, zunächst einmal die Problemstellung klar zu umreißen. Ich kann mir nicht denken, daß es irgend jemanden in diesem Hause gibt, der nicht aus vollem Herzen die Notwendigkeit der Wiedergutmachung bejahen würde,

    (Na! Na! links)

    und in diesem Sinne scheinen mir die Ausführungen des Herrn Kollegen Schmid dergestalt zu sein, daß sie von uns allen unterschrieben werden.

    (Zuruf des Abg. Dr. Greve.)

    Aber es handelt sich hier, glaube ich, nicht um die Bejahung des Prinzips, sondern es handelt sich um die Frage, ob der bisher beschrittene Weg diesem Prinzip gerecht geworden ist, und das möchte ich doch füglich bezweifeln.
    Sehen Sie, meine Damen und Herren: wenn man von Wiedergutmachung spricht, dann muß man doch die selbstverständliche Konsequenz ziehen, daß man getanes Unrecht durch Recht ersetzt,


    (Dr. Oellers)

    und ich habe den Eindruck, als ob das, was angesichts der auseinandergelaufenen Behandlung in den Ländern in den letzten Jahren geschehen ist, nicht immer diesem Kardinalsatz gerecht geworden ist.

    (Sehr richtig! bei der FDP. — Abg. Renner: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, es läßt sich doch nicht verkennen, daß begangenes Unrecht in Berlin nicht anders gesühnt werden kann als etwa in Bayern, nicht anders in der britischen Zone als in der amerikanischen Zone. Wenn man diese Tatsache anerkennt, dann kann man kein Verständnis dafür haben, daß die Wiedergutmachungsgesetzgebung in den Ländern so völlig auseinandergelaufen ist.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Richtig!)

    Ich möchte meinen, allein diese Tatsache bedingt es mit absoluter Konsequenz, daß man den Versuch einer bundeseinheitlichen Regelung unternimmt.
    Ich habe auch noch ein anderes Bedenken, meine Damen und Herren, das gilt insbesondere auf dem Gebiet des Rückerstattungsrechts. Die generalfiter getroffene Feststellung, daß alle seinerzeitigen Veräußerungen jüdischen Besitzes unter Zwang erfolgt sind, bedingt doch die Folgerung, daß nicht der einzelne, sondern derjenige, der seinerzeit den Zwang ausgeübt hat, nämlich der Staat, für die Wiedergutmachung einzutreten hat.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen] : Und der, der davon profitiert hat!)

    — Ich gebe Ihnen durchaus zu, Herr Kollege Schmid, daß selbstverständlich in denjenigen und leider nicht seltenen Fällen, in denen derjenige, der jüdischen Besitz „übernommen" hat, eine Schuld auf sich geladen hat, die endgültige Haftung bei ihm verbleiben muß.

    (Abg. Dr. Greve: Die braunen Aasgeier!) Das ändert aber nichts an dem Prinzip, daß, wenn man schon den Kollektivzwang bejaht, man daraus auch die Konsequenz ziehen muß, daß derjenige geradezustehen hat, der diesen Zwang ausgeübt hat, der sich dann selbstverständlich an demjenigen, der im Einzelfalle eine Schuld auf sich geladen und sich bereichert hat, schadlos halten kann.

    Und noch ein weiteres scheint mir nicht richtig gelaufen zu sein, zumindest oder meinetwegen auch ausschließlich in denjenigen zahlreichen Fällen, in denen seinerzeit die Übernahme jüdischen Grundbesitzes von durchaus gutgläubigen Menschen vorgenommen worden ist,

    (Zurufe in der Mitte und links)

    vielfach sogar von Menschen, die diesen Leuten haben helfen wollen.

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]: Richtig!)

    Ich halte es für völlig abwegig, meine Damen und Herren, daß man in diesen Fällen den Rückerstattungsanspruch mit der Währungsreform koppelt. In solchen Fällen kann man die Entschädigung eines durchaus gutwillig handelnden Menschen nicht durch eine Abwertung im Verhältnis 1 :10 herabsetzen.

    (Abg. Dr. Greve: Die Altruisten waren sehr dünn gesät!)

    — Ob die Zahl dieser Fälle gering ist oder nicht,
    steht auf einem anderen Blatt; ich rede ja nur
    von den Fällen, die so gelagert sind, und ich glaube,
    daß da im Sinne einer höheren Gerechtigkeit
    meine Meinung durchaus anerkannt werden muß.
    Wir wollen das Problem auch unter einem andern Gesichtspunkt nicht gerade leicht nehmen. Die deutsche Rechtsprechung ist dadurch, daß sie an Gesetze gebunden ist, von denen man vielfach den Eindruck hat, daß sie zumindest nicht das Letzte an Gerechtigkeit beinhalten, in eine Krise hineingeraten, die zu beheben unser aller Anliegen sein sollte. Denn die Rechtsprechung muß das Vertrauen des Volkes besitzen, und sie kann es nicht besitzen, wenn sie an Gesetze gebunden ist, die in ihrer letzten Konsequenz nicht immer gerecht sind.
    Meine Damen und Herren, aus diesen Darlegungen, glaube ich, ergibt sich die Konsequenz, die .auch der Herr Berichterstatter gezogen hat, daß wir alles dareinsetzen müßten, die Kompetenz für die Wiedergutmachungsgesetzgebung in die Hände des Bundes zu bekommen, um eine Vereinheitlichung des Wiedergutmachungsrechtes zu erreichen. Ich persönlich bin der Ansicht, daß man das gesamte Wiedergutmachungsrecht einheitlich regelt

    (Abg. Dr. Schmid [Tübingen]:: Mit Rückerstattung!)

    — einschließlich des Rückerstattungsrechts — und nicht lauter Teilgebiete,

    (Abg. Dr. Greve: Erst einmal die Wiedergutmachung!)

    und daß man dabei einige Grundsätze von vornherein zugrunde legen sollte. Es geht also darum: erstens, einheitliches Recht für das gesamte Bundesgebiet zu schaffen, zweitens, ein Gesetz zu schaffen, das die Einzelprüfung des seinerzeitigen Verschuldens zum Zwecke einer gerechten Behandlung ermöglicht, drittens ein Gesetz, das die Haftpflicht des Staates in den Fällen statuiert, in denen ein persönlicher Zwang nicht vorgelegen hat, schließlich ein Gesetz, das die Verkoppelung von Restitutionen und Währungsgesetzgebung aufhebt, und wenn irgend möglich ein Gesetz, das eine Revisionsinstanz schafft auch für Fälle, die einstweilen rechtskräftig entschieden sind,

    (sehr richtig! rechts)

    von denen man aber der Ansicht sein kann, daß sie nicht im Sinne einer wahren Gerechtigkeit entschieden worden sind.
    Ich bejahe auch ihr Prinzip, Herr Kollege Schmid, daß eine Entschädigung auch in den Fällen erfolgen sollte, in denen Erben des seinerzeit Geschädigten nicht mehr vorhanden sind. Ich lasse es dahingestellt, ob die juristischen Bedenken, die der Herr Staatssekretär vorgetragen hat, richtig sind; ich habe sie nicht prüfen können. Ich möchte aber meinen, daß es schwierig wäre, den Staat Israel als eine Art Rechtsnachfolger zu betrachten, weil der Staat Israel letzten Endes nicht die gesamte Judenschaft vertritt. Man könnte statt dessen vielleicht in Erwägung ziehen, gewisse Träger sozialpolitischer Einrichtungen des Judentums als Ersatzträger dieses Rechtsanspruches zu bestimmen. Darüber wollen wir uns sehr gerne unterhalten, und darüber wird es zwischen uns zweifellos eine Verständigung geben.
    Meine Herren, ich möchte anregen, daß wir die Interpellation mit der Antwort des Herrn Finanzministers dem Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überweisen, damit wir in Verbindung mit erneuter Behandlung des Antrags Drucksache Nr. 159 dort versuchen, bald gemeinsam eine vernünftige Regelung dieses Problems zu finden.

    (Beifall bei der FDP.)