Rede von
Oskar
Müller
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(KPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (KPD)
Meine Damen und Herren! Die kommunistische Fraktion wird die Vorlage auch in der in zweiter Lesung beschlossenen Form ablehnen.
Wir geben der Regierung keine Ermächtigung, auf diesem Wege Geld aufzunehmen.
Ich möchte in diesem Zusammenhang, bevor ich auf einige Fragen noch konkreter zu sprechen komme, an die Worte erinnern, die der Herr Kollege Dr. Höpker-Aschoff bei der ersten Lesung gegenüber der Regierungsvorlage in der damals vorliegenden Form gebrauchte. Er sagte damals, diese Vorlage erinnere an „türkische" Verhältnisse. Ich möchte das Wort aufgreifen und darauf hinweisen, daß das auf tönernen Füßen stehende alte osmanische Reich bei der Aufnahme von Anleihen zu denselben Methoden des Anreizes und der Verschleierung greifen mußte, wie sie nach der ersten Fassung dieser Vorlage wieder angewendet werden sollten. Mit allen möglichen Vergünstigungen sollte ein Anreiz zum Zeichnen der Türkenlose geschaffen werden, weil die damalige türkische Regierung genau wußte, daß das Vertrauen zu dem osmanischen Reich derartig erschüttert war, daß es dieses Anreizes bedurfte. Ich denke, die Regierung hat ihre Lage wohl selber richtig eingeschätzt, wenn sie geglaubt hat, in ihrer Vorlage für diese Anleihe mit denselben Methoden arbeiten zu müssen, d. h. sie selber hat offensichtlich nicht genügend Vertrauen dazu, was ja auch in ihrer Begründung zu der Vorlage zum Ausdruck gekommen ist, in der sie erklärte, sie sei der Auffassung, diese Anleihe könne nicht auf einmal untergebracht werden.
Meine Damen und Herren, entscheidend ist aber hier wohl, daß diese Anleihe durch eine Vorwegnahme von Mehreinnahmen aus den zwei kommenden ordentlichen Haushalten getilgt werden soll. So sollen die Mittel für Ausgaben bereitgestellt werden, die im außerordentlichen Haushalt ausgeworfen, dort aber nicht abgedeckt sind.
In der Begründung ist das klar zum Ausdruck gekommen. Ich darf das noch einmal in das Gedächtnis zurückrufen. Es heißt da wörtlich:
Sie
— die aufzunehmenden Kredite —
sollen aus zu erwartenden Mehreinnahmen des ordentlichen Haushalts der Rechnungsjahre 1951 und 1952 abgedeckt werden. Die im Rechnungsjahr 1950 für diesen Zweck vorgesehene Beschaffung der Ausgabemittel im Wege des Kredits stellt also nur einen Vorgriff auf Einnahmen der Rechnungsjahre 1951 und 1952 dar.
Das bedeutet einmal, daß die Regierung eine neue unerhörte Belastung des Volkes beabsichtigt, eine Belastung durch neue Massensteuern, über die in der Presse ja bereits gesprochen worden ist. Es bedeutet zweitens, daß auch die Zinsen, die für diese Anleihe aufgebracht werden müssen, in der Tat zusätzlich vom Volk aufgebracht werden müssen. Wenn der nächste Etat aufgestellt wird, wird also allein aus dem Disagio eine Vorbelastung in Höhe von rund 7 Millionen DM vorweg abgedeckt werden müssen.
Meine Damen und Herren, diese Finanz- und Anleihepolitik der Regierung ist ja doch nur ein Ausdruck dessen, daß man in diesem westdeutschen Staat in der Periode der Vorbereitung — und jetzt wird wieder der eine oder andere aufschreien — des Krieges durch neue Massenbelastungen die Mittel zur Finanzierung des Krieges aus dem deutschen Volk herausholen will. Dagegen wehren wir uns mit aller Entschiedenheit.
Meine Herren von der Regierung und von den Regierungsparteien, ich weiß nicht, ob Sie in den letzten Tagen gelesen haben, daß im Jahre 1950 in der Wirtschaft rund 17 Milliarden DM an Kapital neu investiert worden sind. Das sind insonderheit Kapitalien, die aus der Wirtschaft selbst heraus erarbeitet, d. h. auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung gewonnen worden sind.
Ich darf hier ein kleines Beispiel zur Illustrierung bringen. Auf dem Wege über die Steuerreform ist den Reichen rund eine Milliarde geschenkt worden. Hierzu kommen die Riesengewinne gewisser Großunternehmen. So haben z. B. die Opelwerke in ihrem Bilanzabschluß offiziell einen Reingewinn von etwas über 30 Millionen ausgewiesen, wozu noch die riesigen versteckten Gewinne kommen. Ich erinnere ferner daran, daß das Aktienkapital der Opelwerke in Höhe von 80 Millionen im Verhältnis 1 zu 1 umgestellt worden ist, d. h. daß den Aktionären 72 Millionen D-Mark geschenkt worden sind. Durch Wegsteuerung dieser Riesengewinne bestünde die Möglichkeit, die Mittel herauszuschöpfen, die nach der Vorlage durch eine die Massen schwer belastende Anleihe aufgebracht werden sollen. Dagegen wehren wir uns. Wir sind der Meinung, daß dieser Regierung keine Mittel zur Durchführung einer Politik bewilligt werden dürfen, die nicht im Interesse des Volkes liegt, die die Reichen begünstigt und die zugleich die Absicht verfolgt, die Mittel für die Vorbereitung und die Finanzierung des Krieges sicherzustellen.