Rede von: Unbekanntinfo_outline
— Ich kann Sie nicht verstehen!
Meine Herren, es ist ein schwer erträglicher Zustand, wenn nun diese Geldvermögen, die sich erst in der Kriegszeit gebildet haben, bei der Währungsreform ebenso behandelt werden wie Ersparnisse, die oft in einem jahrzehntelangen Leben angesammelt worden sind.
Wir sind objektiv genug, uns zu freuen, wenn ein guter Vorschlag auch von außerhalb unserer Reihen kommt. Wir begrüßen lebhaft diesen Initiativgesetzentwurf des Zentrums, der die Wiederaufnahme der alten Regierungsvorlage bedeutet.
Meine Damen und Herren! Auch wir sind, wie es Herr Dr. Bertram bei der Begründung zum Ausdruck gebracht hat, der Überzeugung, daß dieses Gesetz einen wertvollen Versuch darstellt, den Sparwillen wieder zu beleben. Niemand von uns kann eine Garantie dafür übernehmen, daß eine Generation, die zweimal einen betrügerischen Staatsbankerott erlebt hat, noch einmal bereit sein wird, ein drittes Mal zu sparen. Der Versuch muß aber aus volkswirtschaftlichen Gründen, die ja jedem geläufig sind und die ich im einzelnen nicht darzulegen brauche, auf alle Fälle gemacht werden. Wir sehen in diesem Gesetz ein brauchbares Mittel zur Belebung des Sparwillens. Dies Argument muß stark betont und in den Vordergrund gestellt werden.
In meiner Fraktion bestand Einmütigkeit darüber, daß es unzweckmäßig ist, dieses Problem der, sagen wir einmal, Revision der verfehlten Währungsreform — denn darum handelt es sich doch hierbei! — wieder nur als Stückwerk zu behandeln. Meine Fraktion ist einmütig der Überzeugung, daß bei dieser Gelegenheit auch das Problem unserer Sozialversicherung unbedingt mit angeschnitten werden muß. Wir wissen alle, daß es im Augenblick wohl nicht möglich ist, die Frage des Kapitaldeckungsverfahrens oder Umlageverfahrens unter den obwaltenden Verhältnissen zu entscheiden. Wir sind andererseits der Ansicht, daß wir nicht eine entsprechende Aufwertung der Altsparkonten vornehmen können, ohne bei dieser Gelegenheit auch eine Aufwertung der großen Vermögensbestände der Sozialversicherung vorzunehmen. Wenn Sie das Statistische Handbuch für Deutschland zur Hand nehmen, so finden Sie, daß die Sozialversicherungsträger im Jahre 1936 schon wieder ein Vermögen von immerhin 6,1 Milliarden Mark hatten. Im Jahre 1939 ist es sogar auf 10,1 Milliarden Mark angewachsen. Allein die Invalidenversicherung hatte ein Vermögen von 4 Milliarden Mark, die Angestelltenversicherung sogar ein solches von 4,5 Milliarden Mark. Wir sind der Ansicht, daß jedenfalls ein Teil dieser alten Vermögensbestände bei dieser Gelegenheit neu aufgebaut werden muß. Wir versprechen uns insbesondere auch etwas davon, wenn wieder Zinsen aus den Kapitalanlagen der Sozialversicherung zufließen. Wir halten es des Studiums für wert, ob und inwieweit wir dann mit diesen Zinseinnahmen, etwa durch Anlage in Hypotheken usw., den Baumarkt fördern können, soweit diese Einnahmen nicht für die laufenden Rentenzahlungen benötigt werden.
Meine Damen und Herren, ich will hier nicht — und kann das bei der Kürze der Zeit auch gar nicht — auf die Fülle der Einzelfragen, die der Gesetzentwurf aufwirft, eingehen. Nur zwei Dinge will ich behandeln, die in meiner Fraktion bei der Diskussion eine gewisse Rolle gespielt haben. Das ist
erstens die Frage des Stichtages. Wir sind nicht der Ansicht, daß als Ausgangsstichtag der 1. Januar 1940 richtig ist. Auch die Statistik über die Entwicklung der Geldkapitalbildung zeigt, daß sich nach 1936 schon Inflationstendenzen bemerkbar machten, wenn auch zunächst noch in geringem Umfang. Wir glauben, daß ein Stichtag gewählt werden sollte, der vor der eigentlichen Rüstungskonjunktur liegt, also etwa der 1. Januar 1936 oder Ende 1936.
Dann haben wir uns die Bedenken zu eigen gemacht, die der Verband der Lebensversicherungsunternehmen zu den Vorschlägen der ursprünglichen Regierungsvorlage hinsichtlich der Behandlung der Lebensversicherungsansprüche bereits im Herbst 1949 erhoben hat. In der Fraktion sind wir nach eingehender Beratung der Ausstellungen des sachverständigen Lebensversicherungsverbandes zu dem Ergebnis gekommen, daß wir bei der Aufwertung der Lebensversicherungen von dem Lebensalter der Versicherten ausgehen müssen und daß wir auch den Sparwert der Lebensversicherung nicht gut auf den 1. Januar 1940 abstellen können, sondern auf den Währungsstichtag, wobei es selbstverständlich ist, daß dabei nur Lebensversicherungen berücksichtigt werden können, die als Altversicherungen anzusehen sind. Wir werden im Ausschuß noch Gelegenheit haben, gerade die Frage der Lebensversicherungen im einzelnen besonders zu behandeln.
Nun zu der entscheidenden Deckungsfrage. Meine Fraktion hat erhebliche Bedenken dagegen, den Lastenausgleichsfonds irgendwie zu schwächen. Wir können uns mit den in der Vorlage enthaltenen Vorschlägen, wonach vier Zehntel der Hypothekengewinnabgabe für die Zwecke dieses Gesetzes zur Verfügung gestellt werden sollen, nicht befreunden. Der Topf, aus dem der sonstige Lastenausgleich gespeist werden muß, wird dann zu sehr entleert, zumal wir uns im Lastenausgleichsausschuß vor die Tatsache gestellt sahen, für die Kriegsschädenrenten wahrscheinlich einen höheren Betrag als vorgesehen aufwenden zu müssen.
Es kommt auch eine grundsätzliche finanzpolitische Erwägung hinzu. Wir halten es — und wir haben das schon wiederholt zum Ausdruck gebracht — für „finanzpolitisch nicht möglich" — um es einmal etwas „neutral" auszudrücken —, daß der Bund aus dieser furchtbaren Kriegskatastrophe ohne nennenswerte Schuldverpflichtungen hervorgeht. Uns erscheint diese finanzpolitische Situation auch unter internationalen Gesichtspunkten grundsätzlich verkehrt. Wir sind deswegen der Auffassung, daß die Kosten für die Durchführung dieses Gesetzes nur in der Form aufgebracht werden können, daß eine neue Bundesschuld kreiert wird und daß dann die Verzinsung und Tilgung dieser neuen Bundesschuld aus allgemeinen Steuermitteln erfolgen muß.
— Wir sind uns völlig darüber klar, Herr Kollege Wuermeling, daß das selbstverständlich eine zusätzliche Aufwendung darstellt und daß wir nicht darum herumkommen werden, für diese dringende Aufgabe eine Steuererhöhung vorzusehen. Meine Freunde sind aber der Überzeugung, daß es sich hier um ein Problem von so großer Bedeutung für die Stärkung unseres Rechtsgefühls wie um entscheidende soziale Beweggründe handelt, daß sie bereit sind, diese zusätzliche Belastung zu vertreten. Dabei dürfen wir nicht den Fehler wiederholen, der bei den Ausgleichsforderungen von der
Währungsreformgesetzgebung gemacht wurde. Wir müssen diese Obligationen unbedingt tilgbar machen. An diesem Mangel kranken die Ausgleichsforderungen, was ihre Verwendung im Kreditwesen so außerordentlich erschwert.
Alles in allem glauben wir, daß diese Vorlage eine geeignete Grundlage darstellt, um das schwierige Problem einer Entschädigung der Altsparer nunmehr im Wege der Gesetzgebung zu lösen. Wir sind der Ansicht, daß das Problem als Teil des allgemeinen Lastenausgleichs aufgefaßt werden muß. Deshalb schließen wir uns den bereits gestellten Anträgen an, dieses Gesetz dem allgemeinen Lastenausgleichsausschuß zur weiteren Behandlung zu überweisen.