Gesamtes Protokol
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 28. Sitzung des Deutschen Bundestages.
Ich bitte zunächst den Schriftführer, Herrn Abgeordneten Karpf, die Liste der fehlenden Mitglieder des Hauses bekanntgeben zu wollen.
Beurlaubt sind wegen Krankheit die Abgeordneten Dr. Weiß, Reimann, Nuding, Niebergall, Agatz, Fisch, Ritzel, Pohle Schönauer, Blachstein, Valentin Baur, Dirscherl, Wittmann und Freudenberg. Entschuldigt fehlen die Abgeordneten Dr. Orth, Dr. Karl Müller, Dr. Henle, Dr. Serres, Feldmann, Dr. Gerstenmaier, Bausch, Bromme, Dr. Greve, von Knoeringen, Steinhörster, Zinn, Wönner, Juncker, Revenstorff, Dr. Oellers, Dr. Dr. Nöll von der Nahmer, Dr. Pfleiderer, Dr. Freiherr von Rechenberg, Dr. Baumgartner, Frau Dr. Weber, Dr. Seebohm, Wallner und Euler.
Meine Damen und Herren! Die Fraktion der Deutschen Partei hat folgendes Schreiben mit der Bitte an mich gerichtet, es Ihnen hier im Wortlaut bekanntzugeben:
Namens der Fraktion der Deutschen Partei habe ich folgenden Beschluß des Direktoriums der Deutschen Partei vom 16. Januar 1950 mitzuteilen.
Das Direktorium der Deutschen Partei hat den Bundestagsabgeordneten Hedler ungeachtet des gegen ihn schwebenden strafgerichtlichen Verfahrens wegen fortgesetzten parteischädigenden und disziplinlosen Verhaltens mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen. Damit ist der Abgeordnete Hedler nicht mehr Mitglied der Fraktion der Deutschen Partei im Bundestag.
Das Direktorium hat sich außerdem die in der Plenarsitzung vom 16. Januar 1950 eingelegte Rechtsverwahrung der Fraktion zu eigen gemacht und das bei der Aufhebung der Immunität des Abgeordneten Hedler angewandte Verfahren wegen eines offenkundigen Verstoßes gegen die vom Bundestag selbst aufgestellten Immunitätsgrundsätze verurteilt.
Die Fraktion der Deutschen Partei
gezeichnet: Dr. Mühlenfeld.
Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zu den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung:
1. Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Drucksache Nr. 328);
2. Erste Beratung des Entwurfs eines Richterwahlgesetzes (Drucksache Nr. 327).
Gemäß einem Beschluß des Ältestenrats sollen diese beiden Punkte wegen ihres thematischen Zusammenhangs gemeinsam behandelt werden. Seitens des Ältestenrats wird Ihnen gemäß § 88 der Geschäftsordnung auch der Vorschlag gemacht, folgende Einteilung der Redezeit vorzunehmen: für die Einbringung der Gesetzentwürfe nach den Tagesordnungspunkten 1 und 2 seitens der Herren Antragsteller 30 Minuten, für die CDU/CSU und für die FDP 30 Minuten, für alle übrigen Fraktionen 15 Minuten, für die Nationale Rechte 10 Minuten.
Für die Einbringung der Vorlagen nach den Punkten 1 und 2 der Tagesordnung erteile ich Herrn Abgeordneten Wagner das Wort.
Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat zwei Gesetzentwürfe eingebracht, die Ihnen vorliegen, den Gesetzentwurf über das Bundesverfassunsgericht, Drucksache Nr. 328, und den Entwurf eines Richterwahlgesetzes, Drucksache Nr. 327. Ich habe die Ehre, diese beiden Gesetzentwürfe, die innerlich zusammenhängen, im Namen meiner Fraktion kurz zu begründen.
Der Parlamentarische Rat hat in seinem Grundgesetz bewußt ein Bundesverfassungsgericht vorgesehen und ist dabei von der Idee ausgegangen, daß dieses Bundesverfassungsgericht etwas anderes sein soll, als es der Staatsgerichtshof der Weimarer Republik war. Das Bundesverfassungsgericht sollte Staatsgerichtshof und Verfassungsgericht zugleich sein. Im Abschnitt IX des Bonner Grundgesetzes, der von der Rechtsprechung handelt, wird bereits in Satz 1 das Bundesverfassungsgericht an die Spitze gestellt, und zwar
wegen seiner besonderen politischen, staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedeutung. Es heißt in Artikel 92:
Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch das Oberste Bundesgegericht - und so weiter —
ausgeübt.
Sie sehen: das Bundesverfassungsgericht ist an erster Stelle genannt. Das ist nicht rein zufällig geschehen. Das Bundesverfassungsgericht ist das Gericht, das gerade in einer jungen Demokratie, gerade in einem Staat, der im Begriff ist, sich eine eigene politische Lebensform zu schaffen, von besonderer Bedeutung ist.
Wir haben in der vergangenen kurzen Zeit unseres Bestehens als Bundestag bereits erlebt, daß es sehr verschiedene Fragen gibt, über die wir in diesem Hause entweder untereinander oder mit der Regierung sehr verschiedener Meinung auf verfassungsrechtlichem Gebiete waren. Das Bundesverfassungsgericht soll der Garant dafür sein, daß alle Organe des Bundes verfassungsmäßig handeln, soll, wenn zwischen den verschiedenen Streitteilen Streit besteht, entscheiden, was verfassungsmäßig Rechtens ist. Ich will nicht im einzelnen auf den Umfang der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts eingehen, wie er im Artikel 93 und in zahlreichen anderen Artikeln des Grundgesetzes niedergelegt ist, in Artikeln, die Sie als Kenner des Grundgesetzes zweifellos alle sehr genau wissen.
Diese oberste richterliche Funktion des Bundesverfassungserichts wäre schon jetzt zu erfüllen gewesen, wenn ein solches Bundesverfassungsgericht schon bestanden hätte. Wir haben in diesem Hause von Anfang an einen Erfahrungssatz wieder erleben können, nämlich daß Macht immer dazu reizt, etwas ausgedehnt zu werden, den Satz, daß insbesondere Regierungsmacht dazu anreizt, vergrößert und ausgedehnt zu werden. Wenn das schon im allgemeinen im Wesen jeder Regierung, wie ich glaube, überhaupt liegt, so scheint mir, daß es ganz besonders im Wesen der Regierung Adenauer liegt.
Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, haben oft zu verfassungsrechtlichen Diskussionen zwischen der Opposition und, sei es der Regierung Adenauer, sei es ihrer Mehrheit in diesem Hause geführt. Es gab sehr ernste Differenzen, die manchmal bis an die Grenze der Verfassungskrise herangereicht haben.
— Meine Herren, es mag sein, daß Ihnen diese Feststellung etwas überraschend klingt. Ich will nicht nur diese Behauptung aufstellen, sondern ich will an Hand der einzelnen Dinge, die wir erlebt haben, versuchen, diese Behauptung zu belegen.
Was der größte Teil dieses Hauses fast unbemerkt über sich hat ergehen lassen, das war jene Tatsache, daß in dem Augenblick, als der Hauptstadtausschuß die Frage zu prüfen hatte, ob Bonn oder Frankfurt Hauptstadt werden solle, der Herr Bundeskanzler, als er seiner Sache nicht mehr ganz sicher war, zu einer verfassungsrechtlichen Auslegung ausgeholt hat, die so ungefähr dahin ging, daß die Bundesregierung den Sitz der Organe zu bestimmen habe, auf diese Weise in der Auswirkung auch die Bundeshauptstadt. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft
des Tages, als in einer. Sitzung des Hauptstadtausschusses — es war die letzte — der Herr Bundeskanzler an der Spitze, gefolgt von dem Herrn Bundesfinanzminister und von dem von mir sehr geschätzten Herrn Bundesjustizminister, den Saal betrat. Wir haben jenes Mal eine Auslegung verfassungsrechtlicher Art gehört, von der ich persönlich überzeugt war, daß, wenn der Herr Bundeskanzler, seiner Mehrheit in diesem Hause nicht mehr sicher, von der Auslegung Gebrauch gemacht haben würde, von Regierungs wegen die Hauptstadt zu bestimmen, wir mitten in der Verfassungskrise gewesen wären.
— Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Dinge nicht leicht; wir nehmen sie wirklich auch nicht leicht. Wir wünschen, daß alle diese Differenzen auf dem Wege dieser Verfassung und mit den Mitteln, die sie uns gegeben hat, in einer rechtlichen, verfassungsmäßig einwandfreien Weise gelöst werden.
Das war nicht der einzige Punkt. Wir haben in diesem Hause zwischen der Mehrheit und der Minderheit Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Artikel 39 Absatz 3 letzter Satz gehabt, der sich mit der Einberufung des Bundestags auf Verlangen von einem Drittel seiner Mitglieder beschäftigt. Da hat es sich um das Recht der Minderheit gehandelt. Wir sind über diese Frage keineswegs einig geworden. Die verfassungsrechtliche Frage steht nach wie vor offen.
Es ist noch nicht lange her, da haben wir hier eine politische Debatte sehr großen Ausmaßes über die Frage gehabt, ob das Abkommen der Regierung, das sie auf dem Petersberg traf, der Ratifizierung durch dieses Haus bedarf oder nicht. Sie haben die Ausführungen meines Freundes Dr. Kurt Schumacher und die juristischen Darlegungen meines Freundes Dr. Arndt darüber gehört. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß dieses Petersberg-Abkommen rechtlich unverbindlich ist, solange es nicht die Ratifikation durch dieses Haus erhalten hat.
Meine Herren, das ist eine verfassungsrechtliche Frage. Diese Frage wird nicht dadurch entschieden, daß Sie mit Mehrheit, durch Händeerheben bestimmen: Ja, dieses Petersberger Abkommen braucht nicht unsere Zustimmung. Durch Händeerheben können Sie verfassungsrechtliche Streitfragen nicht aus der Welt schaffen. Die Meinung, die wir haben, bleibt bestehen; und die Meinung, die wir in diesem Punkt haben, ist sehr begründet. Die Frage ist nicht einfach. Es ist eine Frage von großer allgemeinpolitischer, von großer außenpolitischer Bedeutung. Wir haben gerade in diesem Punkt und in dieser Frage das lebhafte Empfinden, daß die Regierung Adenauer im Be- griff ist, Schritt für Schritt das Parlament mit seinen Rechten zurückzudrängen, seine Allmacht, die ihm auf Grund der Verfassung zusteht, auszuhöhlen und sich in gewissen Dingen selber an die Stelle des Parlaments zu setzen.
— Natürlich gehören Sie zum Parlament. Deshalb haben Sie genau so wie wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß das Parlament in seinen Rechten nicht zurückgedrängt wird, sondern daß das Parlament seine Rechte gegenüber der Regierung wahrt, ganz gleich, wie die Regierung heißt. Sie dürfen nämlich eines nicht vergessen: die- Mehrheit in diesem Hause kann einmal eine andere sein.
- Ja, leider müssen wir abwarten! Wir sind
sehr ungeduldig. Und wenn Sie darüber lachen, dann scheinen Sie das Thema nicht ganz verstanden zu haben. Das heißt nämlich: abwarten, bis die völlige deutsche Einheit hergestellt ist. Darin sind wir sehr ungeduldig.
— Wenn Sie es auch sind, Herr Wuermeling, dann sind wir wie so oft bei den Debatten, die wir früher im Landtag von Rheinland-Pfalz hatten, wieder einmal einig.
— So sagen Sie gewöhnlich!
Meine Damen und Herren! Es ist für ein Par, lament, das auf seine Rechte hält — und wenn dieses Parlament nicht auf seine Rechte hält, dann brauchen wir keine großen Hoffnungen für die künftige Entwicklung der Demokratie zu haben —, notwendig, daß auch die Mitglieder, die der Mehrheit angehören, eifersüchtig über die Rechte des Parlaments wachen. Denn schließlich soll ja nicht die Mehrheit das Vollzugsorgan der Regierung, sondern die Regierung das Vollzugsorgan der Mehrheit sein.
— Ich möchte darüber keine unfreundlichen Worte machen.
Wir haben eine andere Frage, bei der wir in verfassungsrechtlicher Hinsicht sehr verschiedener Meinung sind. Das ist eine Frage, die zunächst nicht sehr wesentlich aussieht, die Frage, ob die Regierung in der Lage ist, eine Benzinpreiserhöhung durch Verordnung vorzunehmen. Wir bestreiten ihr das Recht, und wer hat nun recht?
Wir haben schließlich das Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit vom 31. 12. 1949 geschaffen. Es gab darüber gewisse Schwierigkeiten und Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren. Man sagt, daß auf Grund dieser Verhandlungen der Herr Bundesjustizminister mit den Länderjustizministern so eine Art von offiziösem Kommentar an die Staatsanwaltschaften herausgeben wolle, wie dieses Gesetz zu handhaben sei. In dieser Form, wenn die Weisungen an die Staatsanwaltschaften gehen, klingt das absolut einwandfrei. Man wird aber das Empfinden nicht ganz los, daß man mit diesen Weisungen an die Staatsanwaltschaften eine Beeinflussung der Richter bei. der Anwendung und Auslegung dieses Gesetzes über Straffreiheit herbeiführen will. Wir haben den Eindruck, daß man
hier im Begriff ist, den Artikel 97 der Verfassung, der da sagt, die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, so leicht zu verbiegen. Wir stehen — genau wie Sie selbst, wenn Sie getragen sind von Verfassungsverantwortung und Verantwortungsbewußtsein — all diesen Bestrebungen mit großer Besorgnis und mit großer Wachsamkeit gegenüber und müssen die Möglichkeit haben, hier die Kontrollinstanz anzurufen.
— Soweit sind wir noch nicht, Herr Kollege Renner!
— Jetzt noch nicht bei meinem Thema! Sie können ja dann darüber sprechen!
In diesem Hause war gestern eine Debatte, bei der selbst die Frage der Umgehung des Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes, nämlich der Umgehung des Initiativrechts dieses Hohen. Hauses bis zu einem gewissen Grade diskutiert wurde. Ich war in dem Augenblick, als der Herr Kollege von der CDU sprach, nicht im Hause anwesend. Er soll aber nach den Ausführungen des Vertreters der WAV auf den Verfassungsgerichtshof verwiesen haben. Das war eine absolut gesunde Reaktion. Das war das Empfinden, daß, wenn die verschiedenen Teile nicht einig sind, jener Arbiter in Funktion tritt, jenes Verfassungsorgan des Verfassungsgerichtshofes. Ich möchte ja nicht hoffen, daß dieses fundamentale Recht des Bundestags auch auf Umwegen irgendwie etwa angetastet wird. Aber sollte es der Fall sein, dann muß die Möglichkeit bestehen, die
Mittel, die die Verfassung gibt, anzuwenden, um
Entscheidungen herbeizuführen, die für alle gültig sind und die die Dinge endgültig bereinigen und erledigen.
Meine Damen und Herren! Es ist aber nicht nur die Sorge der Opposition um verfassungsrechtlich klare, saubere und einwandfreie Zustände, die uns veranlaßt hat, hier diesen Gesetzentwurf einzubringen. Sie brauchen sich beispielsweise - ohne daß ich dabei die Dinge völlig aufzählen will — nur den Artikel 100 des Grundgesetzes anzusehen. Wenn Sie hier sehen, daß ein Gericht, falls es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, das Verfahren aussetzen und, falls es sich um eine Verletzung des Grundgesetzes dreht, die Akten an das Bundesverfassungsgericht übersenden muß, um seine Meinung einzuholen, und wenn Sie sich dann vergegenwärtigen, daß ein Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht da ist, dann muß man doch den Eindruck haben, daß das ein Zustand ist, der einfach nicht länger dauern kann. Oder sehen Sie sich den Absatz 2 des Artikels 100 an, in dem festgelegt ist, daß, wenn es in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regelung des Völkerrechts Bestandteil des Bundesverfassungsrechts ist — so heißt es hier, obwohl ich glaube, es müßte heißen: Bestandteil des Bundesrechts — und ob sie unmittelbare Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt, das Gericht in diesem Falle die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen hat. Sie sehen, daß in all diesen Fragen das Bundesverfassungsgericht außergewöhnliche Bedeutung hat. Ich will nicht auf seine andere Aufgabe eingehen, bei der es mehr die Funktion eines Staatsgerichtshofs erfüllt, wie es in Artikel 61 ausdrücklich dargelegt ist, zum Beispiel die Anklage gegen den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes. All das sind Dinge, die dringend die Schaffung dieses Bundesverfassungsgerichtshofes erfordern.
Lassen Sie mich eine Bemerkung machen. Die Tatsache der Besatzung und die Tatsache der Beschneidung unserer Souveränität hat schon sowieso dafür Sorge getragen, daß zahlreiche Bestimmungen des Grundgesetzes nur auf dem Papier stehen. Vergegenwärtigen Sie sich beispielsweise den Artikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes. Der Artikel 16 Absatz 2 sagt: „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden," Und was habe ich vor drei, oder vier Tagen erlebt? Ein Deutscher wird von einer Besatzungsbehörde verhaftet und nach wenigen Tagen in das Land dieser Besatzungsbehörde, in das Ausland, abtransportiert.
— Keine Bundesregierung ist gefragt worden, und der Grundsatz: Deutsche dürfen an das Ausland nicht ausgeliefert werden, steht auf dem Papier. Das ist nicht die Frage, die hier materiell zu behandeln ist, das ist aber einer der Fälle, der in besonders drastischer Weise unseren gegenwärtigen verfassungsmäßigen Zustand beleuchtet.
Diesem Zustand einer Verfassungsverkümmerung, der bei Fortbestehen zur Gefahr einer Verfassungszertrümmerung werden kann, muß wenigstens auf dem Gebiet, auf dem dieses Hohe Haus, wenn es nur will, eingreifen kann, ein Ende gemacht werden. Diesem Ziel dienen unsere Anträge. In ihnen sehen Sie - den wahrhaft konstruktiven Charakter unserer Opposition. Sie können sich, meine Damen und Herren, von uns nicht beschämen lassen, indem Sie weniger konstruktiv sein wollen, als wir es sind. Ich glaube auch nicht, daß die Tatsache, daß wir rascher mit unseren Gesetzentwürfen waren als die Regierung — wahrscheinlich, weil wir einiger sind als sie —,
Ihren Eifer, wirklich verfassungsmäßige Zustände herzustellen, lähmen wird. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß irgendein anderer Gesichtspunkt, beispielsweise kleinliche politische Konkurrenz, Sie veranlassen könnte, etwa nicht mit uns mit aller Energie an der Schaffung der beiden Gesetze zu arbeiten und damit sofort zu beginnen.
Meine Damen und Herren! Es bliebe mir noch die Aufgabe, über den konkreten Inhalt der beiden Gesetzentwürfe zu reden. Diese beiden Gesetzentwürfe liegen Ihnen vor. Ich zweifle nicht daran, daß Sie sie mit großer Sorgfalt, wenn Sie sie noch nicht studiert haben sollten, doch noch studieren werden. Sie sehen in diesen Entwürfen über das Bundesverfassungsgericht mit seinen 69 Paragraphen und mit seiner detaillierten Ausarbeitung zwei Hauptteile, deren erster, die §§ 1 bis 13, die Verfassung des Bundesverfassungsgerichts und deren zweiter Teil die Verfahrensordnung enthält. Zunächst bringen wir in den §§ 14 bis 26 allgemeine Verfahrensvorschriften und in den §§ 27 bis 29 die besonderen Verfahrensvorschriften, die eben auf die besondere Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts Bezug haben, wie es in dem Bonner Grundgesetz niedergelegt ist.
Meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung kann es nicht meine Aufgabe sein, konkret und im einzelnen zu all den Bestimmungen, zu dem ganzen Gesetz, Stellung zu nehmen. Ich beantrage, daß die beiden Gesetzentwürfe dem zuständigen Ausschuß für Rechts- und Verfassungswesen überwiesen werden, damit wir sie dort gemeinsam bearbeiten.
Nur zu dem Geist dieser Gesetzentwürfe eine einzige Bemerkung. Wir haben versucht, ein Gericht zu schaffen, dessen persönliche Zusammensetzung sowohl wie seine Verfahrensregelung die Gewähr dafür bieten, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit der inneren Autorität erfolgen, die ein so hohes Gericht braucht und die für unsere im Werden begriffene Demokratie erforderlich ist.
Kein Zweifel, man kann über diese und jene Frage durchaus verschiedener Meinung sein. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, diese Meinungen austauschen, zunächst im Ausschuß und dann bei den späteren Lesungen im Plenum, und lassen Sie uns gemeinsam ringen um die Erreichung des Zieles: ein Verfassungsgericht zu erhalten, das objektiv ist, über allen Streitteilen steht und seine verantwortungsschweren Entscheidungen mit Weisheit trifft. Je rascher Sie und wir dabei handeln, meine Damen und Herren, desto größer wird unser Dienst an der deutschen Demokratie sein.
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung.
Als erster hat sich zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dr. Etzel. — Herr Abgeordneter Dr. Etzel ist nicht da.
Der Herr Bundesjustizminister hat ums Wort gebeten.
Meine Damen und Herren! Unser Grundgesetz hat in stärkerem Maße, als es irgendeine Verfassung jemals getan hat, unser staatliches, unser politisches und unser gesellschaftliches Leben auf das Fundament des Rechtsstaates aufgebaut. Unser Grundgesetz hat die Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen, vornehmlich dem Bundesverfassungsgericht anvertraut.
Wir kennen aus unserer Geschichte die hervorragende Bedeutung, die ein solches Gericht hat. leider aus traurigen Erfahrungen. Der Weg der Weimarer Demokratie zum Nationalsozialismus war mitbestimmt durch das Versagen der Verfassungsgerichtsbarkeit der damaligen Zeit. Wir denken an den Konflikt der Regierung Panen mit der preußischen Regierung und stellen mit Betrübnis fest. das damals dieses oberste Verfassungsgericht rechtlich und politisch versagt hat, und wir ermessen daraus die Aufgabe, die diesem Bundesverfassungsgericht obliegt.
Ich glaube, es war nicht nötig, daß Herr Abgeordneter Wagner die Bedeutung dieses Gerichts und die Eilbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung mit Vorgängen der letzten Zeit motivierte oder daß er damit gar der Regierung Adenauer eine besondere Eigenart in dieser Hinsicht, ich möchte beinahe sagen: anzuhängen versuchte. Meine Damen und Herren, ich möchte doch sagen, daß auch meine Person, die ja dem Herrn Abgeordneten Wagner bekannt ist, eine kleine Garantie dafür sein sollte, daß die Regierung Adenauer niemals den Weg des Rechtes verlassen wird und auch bis jetzt nicht
Ich glaube nicht, daß die Vorwürfe, die der Herr Kollege Wagner hier zu erheben für nötig hielt, einer Nachprüfung standhalten. Es würde zu weit führen, auf diese einzelnen Dinge einzugehen. Es ist nicht richtig, daß in der Bundeshauptstadtfrage jemals ein Standpunkt vertreten wurde, der das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen hätte.
Wir haben niemals ein Gutachten abgegeben — oder uns auch nur dahin geäußert —, daß das Recht des Parlaments zur Bestimmung seines Sitzes angezweifelt werden könnte. ,Über das PetersbergAbkommen haben wir uns ausgesprochen. Ich habe meinen Standpunkt, den ich damals unter starkem Protest des Hauses vertreten habe, nochmals überprüft und halte ihn für richtig.
Da in diesem Zusammenhang die Vorgänge um das Straffreiheitsgesetz angeschnitten wurden, auch ein Wort dazu. Es ist selbstverständlich, daß die Regierung und ich nicht daran denken, irgendeine Weisung, mittelbar oder unmittelbar, an die Gerichte zu geben. Wenn in der Presse darüber mißverständliche Äußerungen erschienen, dann lassen Sie mich sagen, daß sie nicht gerechtfertigt sind. Auf Wunsch der Hohen Kommissare hat eine Aussprache zwischen mir und den Vertretern der Länder stattgefunden. Ich werde die Motive des Gesetzes, die entscheidenden Materialien den Länderjustizministerien zuleiten, weil diese Materialien notwendige Voraussetzungen zu der Auslegung des Gesetzes sind; mehr geschieht nicht. Darüber können Sie beruhigt sein, daß die Zeit der Richterbriefe, die Zeit der Beeinflussung der Rechtsprechung von der Justizverwaltung her zu Ende ist und in keiner Form wiederkehren wird. Ich glaube, es ist 0 nicht nötig, mit solchen Erwägungen die Dringlichkeit der Gesetze, wie sie jetzt hier in den Anträgen der SPD vorliegen, zu begründen.
Aber vielleicht doch noch ein Wort zu der Behauptung, daß die Regierung im Begriffe stehe, die Rechte des Parlaments zu verkümmern, sich an die Stelle des Parlaments zu setzen. Oft habe ich das Gefühl, daß eine umgekehrte Betrachtung der Dinge notwendig ist. daß das Parlament nicht erkennt, daß nach dem Willen des Grundgesetzes die Regierung vor allem eine Aufgabe hat: zu handeln, tätig zu sein, zu regieren,
und daß die Regierung es nicht nötig hat, sich in ihren Prärogativen und damit in ihren Pflichten verkümmern zu lassen.
Der Herr Abgeordnete Wagner hat gesagt, wir würden vergessen, daß die Regierung ein Vollzugsorgan des Parlaments ist. Wir sind kein Vollzugsorgan des Parlaments!
Wir haben unsere eigene Aufgabe und damit unser eigenes Recht. Wir haben die Verfassung auf dem Grundsatz der Teilung der Gewalten aufgebaut. Ihre Aufgabe, meine Damen und Herren, ist in erster Linie die Gesetzgebung; und die Bindung, die wir haben, sind diese Gesetze. Aber unser Recht zum Handeln besteht daneben; und das dürfen Sie glauben, daß wir von diesem Recht, das wir als höchste Pflicht empfinden, Gebrauch machen werden.
Meine Damen und Herren! Selbstverständlich war mein Ministerium nicht untätig. Wir haben Gesetzentwürfe sowohl für das Bundesverfassungsgerichtsgesetz wie für das Richterwahlgesetz ausgearbeitet; sie sind bereits zur Kabinettsreife gediehen. Bei unseren letzten Arbeiten haben wir den Entwurf der sozialdemokratischen Fraktion mitberücksichtigt. Er enthält eine Reihe von überaus wertvollen Anregungen. Ich bin an sich bereit, wenn es gewünscht wird, auf die Dinge einzugehen. Nachdem der Herr Kollege Wagner davon abgesehen hat, ist es aber vielleicht nicht zweckmäßig, hier im Rahmen des Plenums diese Einzelfragen zu behandeln. Wir werden in dem Entwurf, der umgehend dem Kabinett vorgelegt und dann dem Bundesrat zugeleitet werden wird, in einer Reihe von Punkten andere Vorschläge zu machen haben. Diese Fragen sind überaus bedeutsam, die Frage der Verfassung, die Frage der Antragsrechte, die Frage der Scheidung der verschiedenen Verfahren.
Ich habe den Wunsch, daß das Bundesverfassungsgericht am 1. April steht. Ob sich das erfüllen läßt, wird auch davon abhängen, wie sich die Arbeiten in den Ausschüssen beschleunigen lassen. Mein Plan ist, daß am 1. April das obere Bundesgericht für Zivil- und Strafsachen wieder in Tätigkeit sein kann, daß damit unsere gesamte Rechtsprechung wieder die oberste Spitze hat. Mit dem Bundesgerichtshof, wie ich ihn bezeichnen will, soll das Bundesverfassungsgericht verbunden werden.
Ich bin mit dem Herrn Kollegen Wagner der Meinung, daß diese Entwicklung wichtig und bedeutsam ist. Die politischen Spannungen, die in der letzten Zeit entstanden sind, müssen ein Ventil haben. Das Bundesverfassungsgericht wird die rechtsstaatliche Stelle sein, in der diese Gegensätze ausgetragen werden können. Wenn dieses Bundesverfassungsgericht tätig sein wird, wird, glaube ich, manche Spannung zur Entspannung und mancher Krampf zur Entkrampfung kommen. Was ich tun kann, um die Dinge zu beschleunigen, soll geschehen.
Ich bin auch durchaus einverstanden, daß die Entwürfe der sozialdemokratischen Fraktion zum Gegenstand der Beratungen in den Ausschüssen gemacht werden. Ich stelle aber anheim zu erwägen, ob es nicht zweckmäßig ist, die Entwürfe der Regierung abzuwarten. Die Verzögerung kann einige Wochen ausmachen, weil der Umweg über den Bundesrat gegangen werden muß. Ich glaube aber, daß sich diese Verzögerung am Ende als nützlich erweisen wird. Es ist nicht so, wie der Herr Kollege Wagner annimmt, daß die SPD-Fraktion deswegen eher zum Erfolg gekommen sei, weil sie einiger sei als die Regierung. Ich darf für mich und für die Arbeit meines Ministeriums in Anspruch nehmen, daß wir vielleicht doch noch um einen Grad umfassender und gründlicher sind. Dieser Vorzug dürfte sich zum Besten der Materie auswirken.
Zunächst hat das Wort der vorhin durch eine Besprechung verhindert gewesene Herr Abgeordnete Dr. Etzel.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Meine Partei hat niemals einen Zweifel darüber gelassen, daß nach ihrer Meinung die Bonner Konstruktion, die sich scham- und zaghaft, ohne Glauben an die eigene Idee, als „Grundgesetz" bezeichnet — nur in einigen Artikeln findet sie den Mut, von „Verfassung" zu sprechen —, nichts anderes als ein Provisorium, wahrscheinlich sogar nur ein kurzatmiges Notwerk ist.
Das deutsche Haus wird nach unserer Überzeugung in dem unaufhörlichen und immer stärker mahlenden Getriebe und Geschiebe der globalen Kräfte als moderner Staatenbund Gestalt annehmen, oder es wird nicht erstehen. Es könnte uns also an sich durchaus recht sein, wenn das Grundgesetz weithin unausgeführt bliebe.
Gleichwohl sind wir der Auffassung, daß das deutsche Behelfsheim für die Zeit seines Bestehens der erforderlichen Einrichtung nicht entbehren soll. Ich habe im vergangenen Jahr bei verschiedenen Anlässen, vor allem auch bei Beratung des Amnestiegesetzes, dem Bedauern darüber Ausdruck gegeben, daß immer noch jene unabhängige Instanz fehlt, welche in verfassungsrechtlichen Meinungsverschiedenheiten und Konflikten entscheidet und sie bereinigt, nämlich das Bundesverfassungsgericht, und daß es ein ganz und gar unhaltbarer und unerträglicher Zustand ist, wenn über die schwerwiegenden Zuständigkeitsfragen im Verhältnis zwischen den Ländern und dem Bund mit dem massiven Mittel der Mehrheitsmaschine hier im Bundestag entschieden wird.
Existenz und Tätigkeit eines Bundesverfassungsgerichts gehören zu den unerläßlichen verfassungsrechtlichen Garantien. Wir begrüßen daher an sich die Initiative des Antrages der SPD, wenn und weil sie geeignet ist, die allzulange verzögerte Ordnung der Angelegenheit in Gang zu bringen und zu beschleunigen. Andererseits stehen wir auf dem Standpunkt, daß die Einbringung von Gesetzesvorlagen zur Schaffung institutioneller Einrichtungen des Bundes nicht zuletzt Aufgabe der Bundesregierung ist.
Da die meisten und wichtigsten der im Artikel 93 des Grundgesetzes aufgeführten Gruppen, insbesondere die Meinungsverschiedenheiten oder Zweifel über die förmliche und sachliche Vereinbarkeit von Bundesrecht oder Landesrecht mit dem Grundgesetz, ferner die Meinungsverschiedenheiten über Rechte und Pflichten des Bundes und der Länder und andere öffentlich-rechtliche Streitigkeiten zwischen dem Bund und den Ländern Fragen der Kompetenzabgrenzung betreffen, hätte hier begründeter Anlaß zu einer Initiativvorlage des Bundesrats bestanden.
Der Bundesrat hat diese einzigartige, klassische Gelegenheit nicht wahrgenommen. Die den Bund tragenden Länder besitzen ein Justizkollegium. Mag es auch nicht institutionellen Charakter besitzen, so ist es doch ein sehr geeignetes technisches Organ zur Vorbereitung und Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen. Ich glaube nicht, daß es unziemlich ist, wenn ich in diesem Zusammenhang an den Bundesrat die Anregung richte, — aber ich stelle fest, daß die Landschaft des Bundesrats wüst, öde, leer und verlassen ist, wie dieser Planet vor dem Schöpfungsakt war.
Ich sage: es ist für das politische Klima, in dem wir hier leben, bezeichnend, daß das föderalistische Organ par excellence dieser Bonner Konstruktion bei einer so wichtigen, die gesamte verfassungsrechtliche Grundlage betreffenden Vorlage nicht anwesend ist.
Ich bedaure eine solche Haltung aufs tiefste. Ich sage: ich möchte mir die Anregung erlauben, der Bundesrat möge nicht zögern, künftighin föderalistischen Impetus und föderalistische Initiative höchsten Grades zu entfalten und dazu beitragen, daß die Republik, wenn sie schon nicht bündisch zustande gekommen ist, so doch in ihrer Praxis den Föderalismus verwirklicht.
Der Herr Bundesjustizminister hat soeben mitgeteilt, daß er und sein Ministerium auf dem Gebiete dieser Vorlage nicht untätig geblieben sind. Er eröffnete gleichzeitig, daß die Vorlage bereits bis zur Kabinettsreife gediehen ist. Ich begrüße diese Tatsache. Sie bestärkt uns in der Auffassung, die wir unabhängig von dieser Mitteilung und Ankündigung gewonnen haben. Meine Fraktion neigt zu der Meinung, daß die Fortführung der Beratung des vorliegenden Gesetzentwurfs, zumal er ohne Begründung ist, bis zur Einbringung der nun angekündigten Vorlage der Bundesregierung oder einer etwaigen Vorlage des — nicht anwesenden — Bundesrats ausgesetzt werden sollte, falls eine solche Vorlage für die Zeit innerhalb von vier Wochen verbindlich in Aussicht gestellt werden kann. Kann diese Zusicherung nicht gemacht werden, dann sprechen wir uns für die Überweisung des Antrags der SPD, das heißt ihres Gesetzesvorschlags, an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht mit der Maßgabe aus, daß die Beratung der Vorlage im Ausschuß alsbald aufgenommen werden solle.
Wir geben weiterhin dem Wunsch und der Erwartung Ausdruck, daß das künftige Bundesverfassungsgericht eine wahre Verfassungsgarantie darstellen und allen Anforderungen einer solchen genügen wird. Es wird nicht nur in seiner personellen Zusammensetzung, sondern insbesondere auch in seiner Verfassung, in seinen Grundlagen, seinem Aufbau, den Vorschriften über das Verfahren und sogar in seiner Geschäftsordnung die Gewähr dafür zu bieten haben, daß es nicht eine regierungsfromme, die Auffassungen und die Politik der Exekutive und der Mehrheit einseitig vertretende und stützende Einrichtung, sondern ein wirklich unabhängiges Verfassungsgericht von höchster sachlicher Autorität sein möge.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Laforet.
Meine Damen und Herren! Ich habe zur Schaffung des Bundesverfassungsgerichts kurz Stellung zu nehmen. Es ist dringend erwünscht, daß das Bundesverfassungsgericht bei seiner außerordentlichen Bedeutung für den Rechtsstaat und die Wahrung der Verfassung in Bälde ins Leben tritt. Der Parlamentarische Rat hat im Grundgesetz nur die grundsätzliche Regelung vorgesehen und die Bestimmung über die Verfassung und das Verfahren einem Bundesgesetz zugewiesen. Die gestellte Aufgabe wirft eine große Reihe schwerwiegender und schwieriger Rechtsfragen auf, und hierzu gibt der Antrag der SPD auf der Beilage 328 eine wertvolle
Stellungnahme. Wie wir von dem Herrn Bundesjustizminister gehört haben, werden wir in
Kürze eine Vorlage der Bundesregierung erhalten, die auch die Vorschläge in der Drucksache
Nr. 328 verwerten wird. Es ist unzweckmäßig,
jetzt die eine oder die andere Streitfrage herauszunehmen. Die Behandlung dieses Antrags Nr.
328 wird im Rechtsausschuß mit der Behandlung
der Regierungsvorlage zu verbinden sein. Wir
werden vor einer bedeutsamen Aufgabe stehen;
möge ihr ein glücklicher Erfolg beschieden sein!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Wahl.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mir ist die Aufgabe geworden, zur Drucksache 327, dem Vorschlag der Sozialdemokratischen Partei zu dem Entwurf eines Richterwahlgesetzes, in einigen Sätzen Stellung zu nehmen.
Die Auswahl der höchsten deutschen Bundesrichter, und zwar sowohl des Obersten Bundesgerichts wie der obersten Revisionsgerichte in Zivil- und Strafsachen, Steuer-, Verwaltungs- und Arbeitsangelegenheiten, ist eine der verantwortungsvollsten Staatstätigkeiten überhaupt. „Gerecht sein gegen sich und andere, das ist das Schwerste auf der weiten Erde", hat Grillparzer gesagt; und zu welchem Zeitpunkt wäre die richterliche Aufgabe, Recht zu finden und Gerechtigkeit zu üben, schwerer gewesen als heute! Wir haben zu viel Schlimmes erlebt, als daß der Positivismus, das heißt das unbedingte Vertrauen auf den Rechtsgehalt geschriebener Gesezte, der jahrzehntelang die unbestrittene Grundlage unserer gesamten Rechtspflege gewesen ist, nicht ebenso erschüttert wäre wie der Glaube an die ewigen Ideen des Rechts, auf die man sich allzuoft leichtsinnig berufen hat, um damit eignes, neues Unrecht zu tarnen. Solange in Europa Schauprozesse oder große, sonstige Verfahren durchgeführt werden, um der öffentlichen Meinung in politischen Fragen eine Richtung zu geben, ist der Rechtsgedanke selbst schwer kompromittiert. Nicht bei den Schlechtesten kann sich ein Zynismus in juristischen Fragen herausbilden, der gerade bei schwachen Naturen in eine feile Beflissenheit gegenüber der jeweilig herrschenden Richtung umschlagen kann. Die Auswahl der Richterpersönlichkeit ist deswegen eine außerordentlich verantwortungsvolle Aufgabe. Der Boden, auf dem unser Rechtswesen steht, zittert noch, und man könnte sich deswegen fragen, ob man nicht mit der Wahl der höchsten Richter noch warten müßte, bis der Gesundungsprozeß uns etwas weiter von der Katastrophenzeit der letzten Jahrzehnte hinweggeführt hat. Denn es ist zu fürchten, daß das politisch überhitzte Klima, in dem wir jetzt solche personellen Entscheidungen zu treffen haben, leicht Ergebnisse zeitigen könnte, die in kurzer Zeit von uns vielleicht bedauert würden. Aber andererseits ist es auch verständlich und notwendig, wenn hier der Versuch gemacht wird, möglichst bald unseren Staatsaufbau durch die Einrichtung der höchsten Gerichte zu komplettieren, da ohne ihr Funktionieren wesentliche Teile der rechtsstaatlichen Aufgaben unerfüllt bleiben müssen.
Wenn wir deswegen den Antrag stellen, die Vorlage dem Rechtsausschuß zu überweisen, so
können wir doch gewisse schwere Bedenken gegen den Entwurf nicht unterdrücken. Vor allen Dingen möchte ich auf zwei Punkte hinweisen.
Der Wahlausschuß, der die Richter zu berufen hat, setzt sich nach der Verfassung aus dem Bundesjustizminister, den 11 Landesjustizministern und 11 vom Bundestag zu wählenden Mitgliedern zusammen. Der Entwurf schlägt nun vor, daß die Wahl der vom Bundestag auszusuchenden Mitglieder nach dem Verhältniswahlrecht bestimmt werde, so als ob es sich um einen Parlamentsausschuß handeln würde. Wird damit der Richterwahlausschuß nicht zu einem parteipolitischen Gremium, das nur nach parteipolitischen Gesichtspunkten arbeiten kann? Gerade hier müßte doch eine überparteiliche Lösung gefunden werden, zumal die politischen Gesichtspunkte in diesem Gremium durch die Landesjustizminister und den Herrn Bundesjustizminister genügend zum Zuge kommen, und es wäre doch um unsere Parlamentsarbeit schlecht bestellt, wenn es nicht gelingen sollte, auf einem andern Wege eine Besetzung dieses Ausschusses sicherzustellen, der der überparteilichen Natur dieser Aufgabe, die höchsten Richter zu bestellen, gerecht wird.
Die zweite Ausstellung bezieht sich auf folgendes: In § 9 heißt es: „Der zuständige Bundesminister und die Mitglieder des Richterwahlausschusses können vorschlagen, wer zum Bundesrichter zu berufen ist." Auch hier kann ich einige Bedenken nicht unterdrücken. Nach meiner Auffasung ist es schwer haltbar, wenn man das Vorschlagsrecht für die höchsten Richter jedem Mitglied dieses Ausschusses einräumen will. Um Vetternwirtschaft auszuschließen, hat man in kommunalen Bereichen bekanntlich die Ausschreibung vorgeschrieben. Daß sich diese für die Berufung der höchsten Richter aber nicht als Auswahlverfahren eignet, liegt ja auf der Hand. Ich meine, das Justizministerium oder das andere jeweils beteiligte Ministerium sollte die Anregungen sammeln und dann von sich aus die Vorschläge machen. zumal auch das Justizministerium allein die Möglichkeit hat, durch die Verhandlungen mit dem Bundesrat die notwendige landsmännische Mischung der Richter sicherzustellen.
Meine Damen und Herren, es kann nicht meine Aufgabe sein. hier noch weiter auf die Details einzugehen. Wir versprechen uns von der Ausschußarbeit eine Lösung, insbesondere wenn dann auch der Entwurf der Regierung vorliegt.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. von Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Grundgesetz ist ein sehr wichtiger Schritt in der Verfassungsentwicklung unseres Landes gemacht worden. Im Gegensatz zur Verfassung von Weimar. die auf einer in den Grundzügen verwaltungsstaatlichen Tradition aufbaute. ist durch das Grundgesetz ein weiterer entscheidender Schritt zur Verwirklichung des rechtsstaatlichen Prinzips erzielt worden. Das bedeutet eine geistesgeschichtliche Wandlung, die in der Verfassungswirklichkeit eine Gestaltung finden muß, welche zur Voraussetzung hat, daß unser gesamtes öffentliches, namentlich unser politisches Leben wieder von einem gemeinsamen Rechtsgewissen und Rechtsgefühl durchdrungen ist. Die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt es daher, wenn in Ausführung des Grundgesetzes baldigst ein Gesetz über
den Verfassungsgerichtshof geschaffen wird. Mit Rücksicht auf die große Bedeutung dieses Gesetzes, das viel Weisheit, Überlegung und auch Erfahrung aus der Vergangenheit verarbeiten muß, hätte es die Fraktion der Deutschen Partei begrüßt, wenn zu dieser Materie nicht seitens einer Fraktion eine Vorlage erfolgt wäre.
Gestatten Sie mir, hier im Auftrag meiner Fraktion eine grundsätzliche Bemerkung hinsichtlich der geschäftsordnungsmäßigen Behandlung solcher Vorlagen zu machen. Es besteht nach der Geschäftsordnung des Bundestages kein Muß, eine solche Vorlage übereilt auf die Tagesordnung zu setzen, wenn die Regierung, wie sie deutlich erklärt hat, eine Vorlage zu derselben Materie bald, das heißt unverzüglich, ohne schuldhaftes Zögern, zu bieten hat.
— Das Ermessen, das festzusetzen, liegt in der Hand des Ältestenrates, Herr Professor!
— Ich möchte über diese Frage, da ich nur zehn Minuten Redezeit habe, —
15 Minuten!
— hier nicht des längeren diskutieren. Das eine steht aber fest: es ist unzweckmäßig, eine Gesetzesvorlage, so gut sie auch hinsichtlich des Riesenproblems beider Vorlagen erarbeitet sein mag, eine Gesetzesvorlage, die das ganze Volk angeht, seitens einer Partei einzubringen.
Es ist deshalb richtig, wenn sich die Regierung einer 'solchen Aufgabe unterzieht.
— Darf ich meine Stimme soweit schonen? Ich habe hier im Auftrag meiner Fraktion unsere Ansicht zu sagen. Sie mag Ihnen lächerlich vorkommen, wenn es Ihnen lächerlich ist, daß eine Grundsatzgesetzgebung zur Wahrung und zum Schutze der Verfassung von uns nicht parteilich gesehen werden kann.
Wir haben es deshalb für erforderlich gehalten, daß die Regierung 'diese Vorlage macht, und wir wären dankbar, wenn ein Weg gefunden würde, um die erwartete Regierungsvorlage gemeinsam mit den Anregungen der sozialdemokratischen Fraktion im zuständigen Ausschuß zu beraten.
Ich habe guten Grund, diesen Verlauf im Namen meiner Fraktion zu kritisieren. Es besteht ein alter Gegensatz der Auffassungen zwischen unserer Richtung und der Richtung der Sozialdemokratischen Partei; er bestand schon im Parlamentarischen Rat.
Wir wünschten eine Verfassungsgerichtsbarkeit, die jede Garantie dafür bietet, daß sie über dem Streit der Parteien steht. Dieser Entwurf — und das geht in derselben Linie der sozialdemokratischen Fraktion, die auch im Parlamentarischen Rat verfolgt wurde — bietet nach unserer Ansicht die Gefahr, in diese Rechtsprechung allzuleicht ein parteipolitisches Moment einzufügen; denn die gesamte Richterschaft dieses obersten Verfas-
sungsgerichtshofs geht danach praktisch aus Parlamentswahlen und dazu noch aus einem Wahlmodus hervor, der — das nur nebenbei - nach dem Grundgesetz verfassungswidrig ist. Es ist nach dem einschlägigen Artikel verfassungswidrig, hier ein Acht-Männer-Kollegium einzuführen und beim Bundesrat für die Annahme des Vorschlags der Mitglieder eine Zweidrittelmehrheit zu fordern. Wir kritisieren die Gesamttendenz des Gesetzentwurfes, in diesem Verfassungsgerichtshof ein politisches Organ zu sehen. Hüter der Verfassung im politischen Sinne hat nicht ein richterliches Organ zu sein; das kann es gar nicht sein. Aber Hüter des Geistes der Verfassung, das heißt Wächter über das Rechtsgewissen aller öffentlichen Organe zu sein, das ist die justiziable, die gerichtsfähige Aufgabe, für die man einen obersten Gerichtshof einsetzen kann. Eine echte politische Streitfrage, bei der es um den Gegensatz von Mächtegruppen geht, ist nicht justiziabel. Es wird auf die Weisheit dieses Verfassungsgerichtshofs ankommen, ob er sich auf wirkliche Rechtsfragen zu beschränken vermag, damit die Kraft seiner Entscheidung stark genug ist, einen politischen Vorgang echten Rechtsmaßstäben zu unterwerfen.
Auch in den Verfahrensgrundsätzen — ich gebe zu: es ist ein unerhörtes Problem, und es ist bisher noch in keiner Verfassung der Welt wirklich befriedigend gelöst worden — finden sich manche Momente, in denen uns eine allzustarke Politisierung droht, in denen dann nicht gewährleistet ist, daß aus der einfachen Anwendung des Rechts die Lösung erfolgt nach dem Grundsatz, der auf dem Schöffenstuhl in Reval steht:
Recht muß bleiben, Recht muß stahn, Und sollt die Welt in Stücke Bahn.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neumayer.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Wagner hat zur Begründung des von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegten Gesetzentwurfs eine Reihe von Ausführungen gemacht. die den Eindruck erwecken mußten, als ob die Frage der Berechtigung einer derartigen Institution, wie sie ein Verfassungsgerichtshof darstellt, wirklich einer langen Begründung bedürfe. Ich glaube, niemand in diesem Hause wird die Berechtigung eines Verfassungsgerichtshofs, der zum Hüter der Verfassung berufen ist, bezweifeln. Auch wir von der Freien Demokratischen Partei haben niemals einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß wir selbstverständlich jederzeit dafür eintreten, daß eine unabhängige Instanz geschaffen werden muß, die in der Lage und dazu berufen ist, nachzuprüfen, ob Handlungen oder Entschlüsse oder Gesetzesvorlagen der Verfassung entsprechen oder nicht. Auch wir. sehr verehrter Herr Kollege und Landsmann Wagner, wissen, daß man durch Händeaufheben nicht Recht schaffen kann. Deshalb treten auch wir dafür ein, daß baldigst ein Verfassungsgerichtshof entsteht.
Es ist im Zusammenhang mit dieser Frage gesagt worden, daß sich das Parlament allmählich
gewissermaßen unbewußt — seiner Rechte
berauben lasse. Ich darf hier für meine Fraktion erklären, daß wir diesen Eindruck nicht gehabt haben. Auch wir würden uns dagegen
wehren, daß das Parlament seiner Rechte entkleidet wird. Wir wünschen, daß das Parlament alle Rechte ausübt, die ihm zukommen, aber auch nicht mehr! Wir wünschen auch eine starke Exekutive, die handelt und die nicht in zu große Abhängigkeit von dem Parlament gelangt.
Das Parlament soll die Rechte ausüben, die ihm verfassungsmäßig zukommen.
Wenn wir uns für einen Verfassungsgerichtshof einsetzen und wenn wir auch wünschen, daß der Regierungsentwurf uns bald vorgelegt wird, so wünschen wir vor allem, daß die Richter dieses Verfassungsgerichtshofs wie auch der übrigen in der Verfassung vorgesehenen oberen und obersten Gerichte unabhängig sind. Wir alle, die wir mit der Justiz zu tun haben, haben zu lange und zu schwer darunter gelitten, daß die Unabhängigkeit der Richter beseitigt war. Wir wissen deshalb ihren Wert zu schätzen und wünschen nichts sehnlicher, als daß möglichst bald wieder ein Rechtsstaat erstehe, ein Rechtsstaat, dem die Bevölkerung auch Vertrauen schenken kann. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben unseres Parlaments sein, dafür zu sorgen, daß dieses Vertrauen, das uns die Bevölkerung entgegengebracht hat, hier nicht verwirkt wird. Die Unabhängigkeit der Richter ist ein so wichtiges und so weittragendes Problem, daß es ernsthafter Beratungen bedürfen wird, wie dieses Richterwahlgesetz durchzuführen ist. Ich schließe mich hier den Ausführungen meines sehr verehrten Vorredners, des Herrn Professors Dr. Wahl an. daß hier gegen die Vorlage ernste und erhebliche Bedenken bestehen. Wenn die Richter unabhängig sein sollen, dann müssen sie auch politisch unabhängig sein. Jede Wahl durch das Parlament bringt die Gefahr einer gewissen politischen Bindung mit sich, und dieser Gefahr gilt es vorzubeugen. Deshalb werden wir auch dafür eintreten. daß die Vorschlagsliste ausschließlich von dem Herrn Justizminister, eventuell im Benehmen mit den Länderministern vorgelegt wird.
Es würde für uns zu weit führen, wenn der Wahlausschuß selbst eine Vorschlagsliste vorlegen könnte. Die Unabhängigkeit der Richter ist das Fundament, auf dem der Staat steht,
und sie soll bewahrt werden gegenüber der Regierung sowohl als auch gegenüber dem Parlament. Auch hier muß die Unabhängigkeit gewährleistet sein.
Ich will es mir versagen, auf Einzelheiten der beiden Gesetzentwürfe einzugehen. Meine Fraktion stimmt dem Vorschlag auf Überweisung an den Rechtsausschuß als den zuständigen Ausschuß in beiden Fällen zu.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Reismann.
Meine sehr verehrten Damen und Herren!
Meine Damen und Herren! Es ist nicht üblich, einen Redner mit allgemeiner Heiterkeit zu begrüßen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Wozu? Die Blume haben Sie schon öfter in meinem Knopfloch gesehen. meine Herren!
— Das ist doch nichts Neues! — Ich wollte Sie um Entschuldigung bitten, daß mein Anmarsch zur Rednertribüne so verhältnismäßig lange dauert. Aber es läßt sich leider nicht verhindern, daß ich Ihre Geduld ab und zu in Anspruch nehmen muß, da wir so weit hinten sitzen, daß man uns von oben aus nicht einmal beobachten kann. Das ist der Ausfluß einer Praxis, von der man hoffentlicht wohl bald lassen: wirrt. so daß man, wie es in anderen Parlamenten üblich ist, uns den Platz gibt, der uns zukommt und wie man ihn anderen Parteien hier hat zukommen lassen. Aber ich will meine Zeit nicht mit dieser Vorrede verschwenden. Ich danke Ihnen für den freundlichen Empfang, den Sie meiner Blume und nicht mir gezollt haben.
Unsere Fraktion, die Fraktion des Zentrums, begrüßt die Vorlage, die die SPD uns zur Errichtung des Bundesverfassungsgerichts gemacht hat und den Entwurf eines Richterwahlgesetzes. Ich muß dabei der Meinung Ausdruck geben. daß wir befriedigt darüber sind, daß die Initiative hier von einer Fraktion dieses Hauses ausgegangen ist. Denn wenn schon die Regierung in reichlichem Maße ihr Recht der Exekutive und die Randgebiete in Anspruch nimmt so müssen wir Wert darauf legen, daß wenigstens die Legislative dem Hause unbenommen bleibt, auch im Stadium der Initiative.
Ich habe am allerwenigsten Verständnis dafür, wenn nicht die Regierung, sondern ein Mitglied des Hohen Pauses selber darauf hinweist, daß man eigentlich auch noch solche Vorlagen der Regierung überlassen sollte, und das erst recht in einer Angelegenheit, bei der es sich doch in Zukunft sehr oft um die Entscheidung von Konflikten handeln wird. die gerade zwischen der Legislative und der Exekutive sozusagen in der Luft liegen.
Der Herr Justizminister des Bundes hat soeben die Regierung gegen den Vorwurf oder den Verdacht verteidigen zu müssen geglaubt daß sie über die Grenzen, die ihr Verfassungsmäßig gesetzt sind hinauszugehen beabsichtige oder in der Vergangenheit das schon getan hätte. Diesen Vor-wurf hat soweit ich es gehört habe. niemand erhoben. Daß er trotzdem glaubt. die Regierung dagegen verteidigen zu müssen, scheint mir etwas symptomatisch zu sein.
Doch. ich habe gut zugehört, sehr verehrter Herr Kollege. Gesagt wurde nur es liege doch in der Luft, daß Konflikte entstünden bei einer Regierung, die sich in der bisher geschehenen Art und Weise verhalte. Man muß doch bedenken, daß schon einmal — nicht ohne Grund — ein Antrag betreffend die Auslegung des Artikel 39 Absatz 3 des Grundgesetzes vorgelegt worden ist. Das betrifft nun in diesem Falle nicht bloß die Regierung. Dann lag ein Konflikt bezüglich der Ratifizierung des Petersberger Abkommens vor. Schließlich befinden wir uns zur Zeit im Stadium der Beratungen — man kann auch das als eine Art von Konflikt, jedenfalls zwischen einigen Parteien und der Regierung, auffassen - über die Rechtmäßigkeit der Benzinpreisregelung. Ob dabei ein Verstoß gegen die Verfassung vorliegt oder nicht, spielt aber gar keine Rolle bei einer Regierung, die bestrebt ist, die Grenzen ihrer Befugnisse gegenüber dem Parlament so weit vorzurücken und vorzudrücken. In einer Situation, in der dieses Haus sich immerzu genötigt sieht, seine Position gegenüber einer Regierung zu verteidigen, die wegen des konstruktiven Mißtrauensvotums, das in unserer Bundesverfassung nuneinmal verankert ist, eine so starke Position zu haben glaubt, daß sie sich für berechtigt und für stark genug hält, ihren Tätigkeitsbereich immer weiter vorzuschieben, in einer solchen Situation ist es ganz selbstverständlich, daß eine der sich bedrängt fühlenden Parteien die Initiative ergreift und diesen Entwurf vorlegt.
Wir als Zentrum - es ist Ihnen ja erinnerlich, daß wir das Bundesgrundgesetz seinerzeit abgelehnt haben — hätten uns an sich, ähnlich wie die Bayern es soeben ausgeführt haben, auf den Standpunkt stellen können: uns kann es recht rein., wenn die Verfassung nicht funktioniert. Warum aber legen wir doch Wert darauf, das sie funktioniert? Ich erinnere Sie daran, daß die Ablehnung des Grundgesetzes seitens des Zentrums nach reiflicher Überlegung und nach eingehenden Beratungen deswegen erfolgt ist, weil wir glaubten, im Grundgesetz nicht genügend die Freiheit der Persönlichkeit auf einem Gebiet verankert zu sehen, das wir als eines der wesentlichsten Gebiete der Betätigung allgemein menschlicher Freiheit überhaupt ansehen. Wenn wir die Freiheit des Menschen im westdeutschen Staat garantieren wollen, dann ist es das Notwendigste, den Rechtsstaat in allen seinen Außerungen zu etablieren und zu festigen Hierzu ist gerade wegen des bisherigen Verhaltens der Bundesregierung und der Mehrheitsparteien in allererster Linie die Aufrichtung eines Bundesverfassungsgerichts erforderlich.
Es ist nicht ganz ohne Berechtigung davon gesprochen worden, daß man das politische Leben nicht absolut in das Prokrustesbett von Rechtsnormen pressen kann. Ebenso kann man das gesamte sonstige Leben nicht unter Rechtsnormen fassen. Es bleibt eine ganze Menge von Dingen, die für das Recht nicht faßbar sind; im privaten und bürgerlichen Leben die Höflichkeit, die Usance, die Freundlichkeit und das verwandtschaftliche Verhältnis, im großen öffentlichen Leben der Staaten die Politik, die internationale wie die nationale, die innere Politik. Aber es geht nicht darum, hier eine bis ins letzte ausgefeilte Abgrenzung vorzunehmen, sondern es dreht sich hier darum, die Grundrechte der einen und der anderen Organe und darin indirekt und direkt das Grundrecht der Freiheit des Menschen überhaupt gegen Übergriffe irgendwelcher Gewalten zu sichern. Es dreht sich auch darum, die Zuständigkeiten der einzelnen Organe des Bundes und der Länder abzugrenzen. Das alles soll nicht aus der Schau der Regierung geschehen, nicht aus der Schau von Bundesregierung und Länderregierungen, sondern aus der Schau des Parlaments, aus der Schau der Vertreter des deutschen Volkes, als die wir hier zu sitzen die Ehre
und die Verpflichtung haben. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob ein Antrag solcher Art aus der Schau der Regierung, namentlich einer so autoritären Regierung, oder aus der Mitte des Volkes eingebracht wird. Deswegen begrüßen wir die Vorlage, so wie wir sie hier vorfinden, in ihren Grundtendenzen.
Ich will auf die Einzelheiten nicht eingehen, da das nicht Aufgabe dieser ersten Lesung ist. Aber ich begrüße auch — das will ich ausdrücklich sagen —, daß diese Vorlage etwas rudimentär ist. Indem ich es so ausdrücke, will ich keineswegs eine abschätzige Kritik aussprechen. Man könnte ein solches Gesetz eingehender machen, und ich könnte mir denken, daß die Regierung - der ich gern glaube, daß sie nicht die Absicht gehabt hat, eine solche Vorlage zu verzögern — eine eingehendere Vorlage bringen wird. Es ist aber die Frage, ob eine eingehendere Regelung zweckmäßiger und richtiger ist oder ob man nicht gerade bei dem Stoff, um den es sich hier handelt, die Bestimmungen in etwas großzügigerer und generellerer Art und Weise fassen soll, so wie es hier der vorliegende Entwurf der SPD getan hat. So läßt man der Entwicklung mehr Spielraum. Ich glaube allerdings. daß man in einiger Hinsieht doch etwas mehr ins Detail gehen sollte. Wir haben in der Vergangenheit bei der Weimarer Praxis in .gewissem Sinne darunter gelitten, daß zum Beispiel die Vollstrekkung überhaupt nicht geregelt war. Darüber hat sich ein theoretischer und praktischer Streit entwickelt. Fs wäre ferner zweckmäßig, die Verfahrensregelung ein wenig eingehender zu machen und vielleicht auch die Möglichkeit von Zwischen- und Vorentscheidungen vorzusehen. ferner Bestimmungen darüber aufzunehmen, wie denn das Gericht seine Entschließungen zu tenorieren hat. Es muß erwogen werden, ob eine ausschließliche Regelung der Tenorierungsmöglichkeiten vorzusehen ist oder ob man wenigstens einige davon festzustellen hat. ob und in welchen Grenzen man Feststellungsklagen und -urteile zulassen will oder ob man nur Leistungsklagen zulassen will, ob Befehle ausgesprochen werden sollen oder nur theoretische bzw. hypothetische Urteile zulässig sein sollen, ob die Tenorierung völlig freigelassen oder wie es sonst gemacht werden soll.
Ein allerdings grundsätzliches Bedenken erhebe ich gegen der § 1 der hier vorgeschlagenen Regelung, nach welchem das Bundesverfassungsgericht seinen Sitz in Berlin haben soll. Das richtet sich nicht etwa gegen die Stadt Berlin, die unserer Unterstützung bedarf. Es handelt sich dabei vielmehr um rein praktische Bedenken. Bedenken Sie. wie schwer Berlin heute erreichbar ist. Erschweren Sie nicht die Inanspruchnahme des Gerichts und die Verhandlungen vor dem Gericht dadurch, daß Sie den Sitz dieses Gerichts in eine solche Stadt legen. Bedenken Sie weiter, daß Berlin — wir können dazu stehen, wie wir wollen — zur Zeit gar nicht Bestandteil des Bundes ist. Jedenfalls gehört das Bundesverfassungsgericht nach meiner Meinung nicht in eine so exponierte Stadt. die der praktischen Handhabung des Verfahrens solche Schwierigkeiten entgegensetzt.
Man kann verschiedener Meinung darüber sein: Wohin denn mit dem Gericht? Man könnte der Ansicht sein, dieses Gericht, das einen Januskopf trägt — es ist Gericht und gleichzeitig Verfassungsorgan — gehöre an den Sitz der Regierung, des Bundestags und des Bundesrats als Bundesorgan, das es ist. Man stellt die Organschaft dann in den Vordergrund der Betrachtungen. Man kann aber auch der Ansicht sein, man soll die gerichtliche Qualität dieser Körperschaft mehr in den Vordergrund stellen und es in Verbindung bringen mit dem Obersten Bundesgericht, das wir demnächst schaffen wollen. Jedenfalls: weit von beiden entfernt diese Körperschaft nach Berlin zu bringen, halten wir nicht für richtig.
Mit Recht schlägt der § 3 vor, daß Mitglieder des Gerichts solche Leute sein sollen, die im öffentlichen Leben erfahren sind. In der Diskussion über diesen Punkt, nämlich über die Mitgliedschaft, ist der Gedanke aufgekommen, man solle nur solche Leute hinsetzen, die im öffentlichen Recht besondere Erfahrungen hätten; und das würden wir nicht begrüßen. Ich erinnere mich und erinnere Sie, meine Damen und Herren, an die Jellinneksche Schule, die schließlich darauf hinauslief — und diese Schule hat immer noch große Bedeutung —, daß man dem öffentlichen Recht und damit dem Staat eine von uns energisch abgelehnte Präponderanz, ein Übergewicht gegenüber der Einzelpersönlichkeit und der Freiheit verleihen wollte. Deswegen begrüßen wir, daß man die Betonung auf die Erfahrung im öffentlichen Leben legt und nicht etwa auf Spezialkenntnisse des öffentlichen Rechts.
Über die Zahl der Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts und die Art seiner Organisierung könnte man verschiedener Meinung sein. Das wäre zu überlegen. Ich will auch hieraus das Grundsätzliche streifen. Ich möchte bei dieser Gelegenheit aber doch sagen, daß man die Zahl der Richter nicht zu klein nehmen darf, und der Ansicht Ausdruck geben, man solle mindestens zwei oder drei Senate schaffen und den Zwang zu einer vollzähligen Versammlung des gesamten Gerichtshof zu jeder Entscheidung ablehnen.
Im übrigen weise ich bei der Gelegenheit auf eine Lücke im Entwurf hin. Es heißt, daß bei der Wahl durch den Bundestag jemand zum Richter gewählt ist, der mindestens sechs Stimmen vereint. Und wenn das nicht der Fall ist, was dann? Der Fall ist nicht geregelt. Das scheint übersehen worden zu sein.
Zu den Wahlvorschlägen, die der Bundestag macht, erlaube ich mir darauf aufmerksam zu machen, daß das Verfahren etwas kompliziert erscheint. Wir möchten darauf hinweisen, daß nicht das d'Hondtsche Verfahren das einzige ist, das dem Verhältnisprinzip und der Demokratie gerecht wird. Es gibt auch noch andere Methoden dazu.
Die Frage, wer den Präsidenten bestimmen soll, ist eine grundsätzliche Frage. Soll es aus dem Forum des Gerichts selber geschehen, oder soll die Bestimmung des Präsidenten durch den Bundestag und des Vizepräsidenten durch den Bundesrat, also von anderen außenstehenden Körperschaften geschehen? Ich bin wegen der engen Verbindung sowohl dieses Gerichtshofes wie des Vorsitzenden in diesem Gericht mit dem politischen Leben der Ansicht, daß der Entwurf recht hat, wenn er vorsieht, daß nicht von dem Gericht selber, sondern von den beiden Häusern die Bestimmung des Präsidenten und des Vizepräsidenten geschehen soll.
Ich will mich hierauf für die erste Lesung beschränken und hinsichtlich des Richterwahlgesetzes
nur darauf hinweisen, daß man bei der hessischen Regelung, die hier zugrunde zu liegen scheint, offenbar keine schlechten Erfahrungen gemacht hat. Die Zahl der Richter für den Richterwahlausschuß liegt nach Artikel 95 fest, und es wäre höchstens die Frage, wer denn die Vorschläge dazu machen soll. Da soeben der Vorschlag des § 9 des vorliegenden Entwurfs kritisiert wurde und das Vorschlagsrecht in den Händen der Länderjustizminister oder des Bundesjustizministers als besser aufgehoben erachtet wurde, möchte ich demgegenüber zum Ausdruck bringen, daß wir da abweichender Meinung sind. Wir halten es für wenig demokratisch, daß die Bürokratie bestimmen soll — wenn es auch die Justizbürokratie ist —. wer die Bundesrichter sind. Wir wollen gerade die möglichst unmittelbare oder doch, wenn nicht anders möglich, immerhin mittelbare Teilnahme des Volkes an der Wahl seiner höchsten Richter. Wir halten das nicht bloß für erfreulicher, sondern für absolut notwendig.
Die beiden Anträge sind geeignet - sie haben auch den Nebenzweck, und wir begrüßen sie deshalb —, das deutsche Volk mit dem Verfassungsleben und mit der Justiz enger zu verbinden, als das bisher leider Gottes der Fall war. Wir hoffen, daß wir, wenn beide Einrichtungen eine Zeitlang funktioniert haben, von ihrer Arbeit befriedigt sind; wir erwarten, daß die engere Verbindung von Volk und Verfassung und Rechtsleben und die bessere Verankerung des Rechtslebens im Bewußtsein des deutschen Volkes dadurch gefördert und erreicht wird.
Wir stimmen der Verweisung an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht zu und wünschen, daß auch dort eine möglichst schnelle Bearbeitung dieser Materie, die wir für wichtig, ja für vordringlich halten, stattfinden möge.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Loritz.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der WAV-Fraktion zunächst eine Vorbemerkung: Es freut uns außerordentlich, daß endlich von einer Fraktion dieses Hauses ein Gesetzentwurf eingereicht worden ist, der schon lange von seiten unserer Regierungsbank dem Parlament hätte vorgelegt werden müssen.
Schon lange! Ich glaube es wagen zu können, sogar folgende Formulierung zu finden: ohne einen solchen Bundesverfassungsgerichtshof ist die Konstituierung des Deutschen Bundes überhaupt noch nicht richtig vollendet. Das Bundesverfassungsgericht ist für das Funktionieren unseres Staates und unserer Demokratie mindestens genau so wichtig wie die Wahl der Spitze des Staates, genannt Bundespräsident, wie die Wahl und Besetzung der einzelnen Ministerposten!
Ohne Bundesverfassungsgericht gibt es tatsächlich keine Möglichkeit für die Minderheit im politischen Leben — und sei die Minderheit auch nur eine Stimme schwächer als die Regierungsmehrheit —,
zu ihrem Rechte zu kommen, wenn es dieser Mehrheit, dieser Eine-Stimme-Mehrheit gefällt, die Minderheit niederzustimmen.
'Ansätze zu einer solchen Entwicklung haben wir ja leider Gottes schon mehrfach in den Monaten, seitdem der Deutsche Bund ins Leben gerufen worden ist, bemerkt. Wir haben gestern wieder einen Fall gesehen, der vielleicht von großer Folgewirkung sein wird, daß nämlich ein Antrag, der irgend jemandem, irgendeiner Zufallsmehrheit nicht paßt, weil er von jemandem eingereicht wurde — vielleicht hätte ihn jemand anders lieber vorher eingereicht —, oder vielleicht weit der Inhalt nicht paßt, einfach von der Tagesordnung abgesetzt werden kann und daß man dann sogar der betreffenden Fraktion ganz kalt sagt: „Ja, ihr könnt ihn dann nochmals einreichen!" Dann wird er wieder abgesetzt, und dann kann er nochmals eingereicht werden. Und dieses neckische Spiel kann so vier Jahre fortgesetzt werden, immer mit einer Eine-StimmeMehrheit im Parlament!
Welche Möglichkeiten gibt es denn dagegen heute? Vielleicht im Ältestenrat ein bißchen was zu sagen.
Da können Sie dann auch überstimmt werden mit der berühmten Eine-Stimme-Mehrheit. Sonst gibt es kein Recht für die Minderheit, wenn auch eine noch so kleine Mehrheit hergeht und mit ihrer einen Stimme die anderen zu überstimmen versucht!
So ist der Verfassungsgerichtshof geradezu das politische Supplement zur ganzen Staatsinstitution, zum Bundespräsidenten, zum Bundestag, zu den Bundesministerien.
Es wäre Aufgabe der Regierung gewesen, im ersten Monat ihrer Tätigkeit uns bereits einen solchen Verfassungsgerichtshof-Gesetzentwurf vorzulegen und damit die Debatte hierüber, wenigstens im Rechtsausschuß, in Gang zu bringen. Das ist nicht geschehen, und so begrüßen wir es, daß von der größten Oppositionspartei hier endlich dieser Entwurf vorgelegt wurde. Das ist besser. als wenn gar nichts geschehen wäre.
Ich teile leider nicht den Optimismus, den heute einige Redner der Regierungsparteien zur Schau getragen haben, als würde ein Gesetzentwurf der Bundesregierung schon sehr rasch zu erwarten sein. Vielleicht hat diese Vorlage jetzt endlich Dampf dahinter gemacht!
— Ich sage: vielleicht! Sonst aber wäre es wahrscheinlich nicht so rasch geschehen.
Das zur Einleitung.
— Ich rede noch lange nicht so lange zur Einleitung wie Sie, meine Herren!
Nun zum Inhalt des Gesetzentwurfes! Hier müssen wir allerdings erhebliche Bedenken geltend machen, Bedenken vor allem mit Rücksicht darauf, wie nach diesem Gesetzentwurf das oberste Richterkollegium zusammengesetzt werden soll.
Wir können uns de lege et constitutione ferenda nicht damit einverstanden erklären, daß 5 von den 10 ständigen Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts vom Bundestag gewählt werden sollen, und zwar — ganz klar — nach den Prinzipien der Mehrheitswahl. Diejenigen Bundesrichter, die nicht vom Bundestag gewählt werden, werden
Deutscher Bundestag — Sitzung. Donn, Donnerstag, den 10. Januar 1950 871
auch mehr oder minder durch die Zusammensetzung der Mehrheit in diesem Hause bestimmt werden, wenn auch nicht direkt, so doch auf dem Umwege über den Richterwahlausschuß. Wir bekommen dann, wie einige der Vorredner ganz richtig gesagt haben, mit den 10 Bundesrichtern am Schluß nichts anderes als wiederum einen Abklatsch der politischen Zusammensetzung, wie sie sich in diesem Hause jeweils darstellt.
Gerade da möchte ich der sozialdemokratischen Fraktion, der Antragstellerin, zu bedenken geben: Riskiert Ihr von der SPD nicht etwa gerade mit diesem Euerem. Vorschlag, in eine hoffnungslose Minderheit gedrängt zu werden? Riskiert Ihr nicht gerade, etwa bei den allerwichtigsten Fragen überstimmt zu werden, die durch diesen Verfassungsgerichtshof entschieden werden, bei den Fragen, bei denen es sich um die Anwendung und Auslegung der Verfassung und um die Anwendung all der demokratischen Freiheitsrechte dreht, die in der Verfassung vorgesehen sind?
Wir müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gerichte schaffen, oberste Gerichtsbehörden, die der Fluktuation und den Fluktuationen des politischen Lebens möglichst weitgehend entrückt sind. Wir müssen einen obersten Gerichtshof für die Entscheidung der Verfassungsstreitigkeiten schaffen, der nichts zu tun hat mit den parteipolitischen Kämpfen, wie sie sich im Bundestag oder in anderen parteipolitischen Gremien abspielen und abspielen können.
Was gibt es hier für Möglichkeiten? Es dreht sich um die Wahl der Richter! Zwei Möglichkeiten nur wurden heute genannt; zwischen denen geht die Kontroverse und der Streit, nicht seit heute, schon seit Jahrzehnten, in der Theorie über die Verfassungsgerichtshöfe. Die eine Richtung will die Richter direkt durch das Parlament oder indirekt durch das Parlament auf dem Wege über einen Wahlausschuß wählen lassen, der dann wieder vom Parlament gewählt wird. Es gibt auch kombinierte Lösungen, so wie sie hier der Antrag der SPD vorsieht. Ergebnis: die Richter werden weitgehend nach politischen Prinzipien ausgewählt werden, und die Zusammensetzung der Richterkollegien wird mehr oder minder einen Abklatsch der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag darstellen.
Die zweite Möglichkeit: man geht her und schaltet das Parlament aus, läßt die Regierung diese Vorschläge machen, wobei es ganz egal ist, ob man sagt: die Regierung, oder: der Herr Justizminster. Der zweite Weg ist nur scheinbar der bessere. In Wirklichkeit ist er genau so geeignet, hier das politische Moment, das wir unter allen Umständen in das Bundesverfassungsgericht nicht hineingetragen wissen wollen, dort hineinzubringen. Denn wer ist denn der jeweilige Bundesjustizminister? - Nichts anderes als ein Politiker, nichts anderes als ein Exponent entweder der stärksten politischen Partei oder jedenfalls der Regierungskoalition in diesem Hause, und wir bekommen, wenn wir den Justizminister zur Auswahl dieser obersten Richter im Verfassungsgerichtshof nehmen, auf einem Umwege nur dieselben Schwierigkeiten, die wir zuerst, bei dem ersten Wege, angedeutet haben.
Was bleibt offen? Der Vorschlag ist heute noch von keiner Seite gekommen. Darf ich Ihnen kurz eine Anregung de constitutione ferenda skizzieren? — Dabei bin ich mir klar, daß die Details in dieser Sache Gegenstand einer Beratung des Rechtsausschusses sein können. Eine grundsätzliche Anregung, ausgehend von dem Gedanken, von dem ich überzeugt bin, daß der größere Teil der Bevölkerung seine Verwirklichung wünscht, und der deshalb auch eine verfassungändernde Mehrheit gewinnen könnte, nämlich unabhängige Richter zu haben, die nichts zu tun haben mit den Fluktuationen der jeweiligen Tagespolitik. Und wir können hier nur eines machen: wir müssen ein Wahlgremium schaffen, das erstens befähigt und geeignet ist, wirklich gute Leute auszusuchen — dazu gehört bereits ein profundes Fachwissen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts —, und das zweitens der Tagespolitik möglichst entrückt ist.
— Nein, Herr Zwischenrufer, da täuschen Sie sich schwer! Das soll nicht die WAV, das soll gar keine politische Partei sein. Wir von der WAV haben in unserem politischen Programm seit je und je gefordert, daß gerade die wichtigsten Stellen und die wichtigsten Richterposten im Staate von Leuten besetzt werden, die überhaupt keiner politischen Partei angehören, heiße sie WAV oder CDU oder wie sonst auch immer. Das zur Richtigstellung, Herr Zwischenrufer! Ich spreche keineswegs für die WAV, sondern ich spreche für eine Ausschaltung aller politischen Parteien bei der Besetzung dieser Richterstellen. Denn eine Stelle muß es im Staate geben, die den politischen Zänkereien und Streitigkeiten entrückt ist und die allein dadurch schon besser als alle anderen geeignet ist, Recht zu finden.
Meine Damen und Herren! Kann man für das a Gremium, das diese eminent wichtige Wahl der Verfassungsrichter vornehmen könnte, nicht die juristischen Fakultäten der deutschen Universitäten einschalten?
Kann man nicht ein Kollegium von Wahlmännern bilden, das sich aus den Verfassungsrechtlern der deutschen Universitäten zusammensetzt?
- Darf ich Ihnen sagen, Herr Kollege Renner: Damit Sie eine möglichst große Garantie dafür bekommen, daß die Tagespolitik nicht vielleicht doch durch ein Hintertürchen hereinkommt, gibt es eine Möglichkeit, nämlich die, solche Persönlichkeiten entweder von der Wahl, also vom passiven Wahlrecht, auszuschließen, die irgendeiner politischen Partei angehören, oder aber für dieses Wahlgremium überhaupt nur Persönlichkeiten hinzuzuziehen, die nicht Mitglieder irgendeiner politischen Partei des Hauses sind. Es gibt keine andere Möglichkeit. Gewiß, es gibt noch andere Gremien, aber sie müssen der Tagespolitik entrückt sein, sie dürfen nichts zu tun haben mit Bundestag, mit Bundesrat, mit Regierungsbänken, sei es hier des Bundes, sei es der einzelnen Länderregierungen. Sonst besteht immer wieder dieselbe große Gefahr, daß auch das Bundesgericht nichts anderes sein wird als ein politisches Gremium.
Wir in Bayern haben ja unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet schon gemacht,
872 Bundestag — 28. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950
mit den Entscheidungen des bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Ich erinnere Sie nur an die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Gültigkeit des neuen bayerischen Landeswahlgesetzes, wobei gerade Sie von der SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich mit Recht gegen diese Praxis und gegen diese Auffassung des bayerischen Verfassungsgerichts gewendet haben, die aber nur dadurch zustande kommen konnte, daß eben das Verfassungsgericht mehrheitlich auch aus politischen Richtern zusammengesetzt war, aus Abgeordneten, die Verfassungsrichter wurden, bzw. aus Richtern, von denen jeder im Lande genau weiß, daß sie Politiker sind oder jedenfalls Anhänger prominenter politischer Parteien. Das grundsätzlich zu der ganzen Frage.
In dem Entwurf der SPD gibt es nun einige Bestimmungen, die - jedenfalls nach unserem Dafürhalten - so nicht Gesetz werden können. Ich erinnere nur an den § 17 Ziffer 2, wo es ausdrücklich heißt, daß antragsberechtigt nur sind eine Gruppe von Wahlberechtigten zum Bundestag, die mindestens 1 Prozent aller Wahlberechtigten umfaßt — scheint mir viel zu hoch gegriffen — oder ein Zehntel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Bundestags; das sind also über 40 Abgeordnete. Ich sehe hier überall gewisse Dinge, die es gerade den kleinen Parteien unmöglich machen könnten, zu ihrem Recht zu gelangen. Und eines möchte ich Ihnen sagen, und vielleicht stoße ich diesmal nicht auf Widerspruch: Wenn wir Deutsche der Welt gegenüber verlangen, daß uns Gerechtigkeit widerfährt, wenn wir sagen, wir sind klein und schwach, und Ihr anderen seid so groß, und gerade deshalb, weil ihr die Großen seid, sollt ihr auf uns Kleine Rücksicht nehmen, uns nicht zugrunde gehen lassen und uns anhören, — wenn wir das von der Welt verlangen, dann müssen wir zuerst in unserem eigenen Hause uns schützend gerade vor die Kleinen und Schwachen stellen. Dann ist es gerade das no-bile officium der Großen und Starken des Parlaments, der großen Parteien, sich schützend auch vor kleinere politische Gruppierungen zu stellen. Dann aber scheint es mir unmöglich zu sein, mit solchen Bestimmungen wie etwa im § 17 durchzukommen.
Das gleiche gilt für § 36 und § 40, wo gar von einem Drittel der Mitglieder des Bundestags gesprochen wird usw. Hier überall scheinen mir die Ziffern zu hoch gegriffen zu sein, allzuhoch für kleine Parteien, allzuhoch auch für den quivis ex populo, diesen anständigen deutschen Mann von der Straße, der nach dem Gesetzentwurf leider nur in völlig unzureichendem Maße die Möglichkeit bekommt, mit seinen Beschwerden in allen Dingen, nicht bloß in denen, die hier aufgezählt sind, an den Verfassungsgerichtshof zu gelangen.
Das sind, in kurzen Zügen dargelegt, unsere Einwendungen , zu dem Entwurf der SPD. Wir begrüßen es, daß der Stein wenigstens ins Rollen gekommen ist. Wir hoffen, daß die Sache nicht usque ad infinitum in den Ausschüssen verzögert wird, sondern daß das Verfassungsgericht so rasch als möglich geschaffen wird. Wir werten den Vorschlag der SPD als Diskussionsgrundlage. Wir werden uns ebenfalls erlauben, eine ganze Reihe von Dingen in den Ausschüssen zur Diskussion zu stellen.
Eines müßte bei all diesen Besprechungen Leitstern sein: Rücksicht zu nehmen auf das Recht gerade des einzelnen Staatsbürgers und, was politische Gruppierungen anlangt, Rücksicht zu nehmen gerade auch auf die Kleinen und Schwachen. Denn nur dann können die Starken sagen, daß sie wirklich im Recht sind und im Einklang mit den Prinzipien der Humanität und der Demokratie, die allein uns im Innern und auch nach außen hin wieder aufwärts und herausführen können aus der furchtbaren Katastrophe, die über unser Land hereingebrochen ist!
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leibbrand.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Meine Damen und Herren! Der sozialdemokratische Redner hat in der Begründung des Gesetzesentwurfs eine Redewendung von der „Allmacht des Bundestags" gebraucht. Ich meine, daß dies sehr gelinde ausgedrückt eine große Übertreibung war. Von einer Allmacht des Bundestags nach dem Grundgesetz kann man wahrhaftig nicht sprechen; ganz im Gegenteil. Die Väter des Grundgesetzes haben in der Bonner Konzeption den allergrößten Wert auf eine sogenante starke Regierung — stark nämlich gegenüber dem Parlament, der Volksvertretung - gelegt, und das Grundgesetz enthält genug Fallstricke, die nur den einen Zweck haben, das Recht der Volksvertretung auf Kontrolle der Exekutive und Mitwirkung an den Regierungsgeschäften in jeder Hinsicht zu beschneiden. Die Regierung Adenauer aber geht selbst über diese sehr weitgehenden Bestimmungen des Grundgesetzes noch hinaus. Dies ist zur Genüge in diesem Hause bekannt, und ich brauche gar nicht erst mehr einzelne Fälle anzuführen, in denen die Regierung selbst gegen den Wortlaut des Grundgesetzes eigenmächtige, autoritäre Handlungen ohne die erforderliche Information und Zustimmung des Parlaments unternommen hat. Die Beteuerungen des Herrn Bundesjustizministers, die wir heute gehört haben, der Regierung liege solches fern, stehen in einem sehr krassen Widerspruch zu ihren Taten.
Deshalb ist es wirklich notwendig, daß im Interesse der Demokratie die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung die allergrößte Aufmerksamkeit findet und mit allergrößter Entschiedenheit erfolgt. Es ist aber eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn man den Anschein zu erwecken versucht und den Glauben erwecken will, als ob die Wahrung der Rechte der Volksvertretung und damit der Demokratie irgendwie mit Hilfe eines Verfassungsgerichtshofs erfolgen könne. Man will die Justiz zum Richter und zur Entscheidung in Konflikten zwischen Legislative und Exekutive aufrufen. Der Abgeordnete Loritz, der vor mir gesprochen hat, hat ja ein derart unvorstellbares Maß von Vertrauen in die Objektivität und parteipolitische Neutralität der Justiz an und für sich bekundet, die in sehr krassem Widerspruch zu der Haltung steht, die er in seiner Immunitätsangelegenheit eingenommen hat. Aber wenn man dem Herrn Abgeordneten Loritz das nachsehen mag, unverständlich bleibt mir, wie die sozialdemokratische Fraktion ein derartiges Maß von Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Justiz in Konflikten zwischen Exekutive und Legislative, zwischen Volksvertretung und Regierung bekundet. Selbst wenn es diesen chemisch reinen unpolitischen Richter oder Juristen geben würde, den man irgendwo vom Mond oder Mars beziehen
müßte — es kommt nicht darauf an, ob er ein Parteibuch hat, sondern auf die allgemein politische Einstellung, die schließlich jeder Mensch hat —, und er in gar keiner Weise von Politik irgendwie berührt wäre, ist es doch so, daß allein die soziale Herkunft der Großzahl unserer Richter doch schon dafür bürgt, daß sie einer bestimmten politischen Auffassung, bestimmten Weltanschauung oder bestimmten sozialen Auffassung nahestehen. Es ist doch so, daß die Auswahl unserer Richter zum großen Teil kraft der Verhältnisse, wie sie bei uns im Lande sind, aus den Schichten erfolgt, die besitz- und bildungsmäßig privilegiert sind. Sie wurzeln im Milieu dieser Schichten, und dadurch wird natürlich auch ihre politische Einstellung beeinflußt und bestimmt. Wenn man nun etwa gar die Justiz zum unabhängigen Richter zwischen Exekutive und Legislative, Volksvertretung und Verwaltung, aufrufen will, so ist es doch ganz klar, daß die Justiz viel verwandter und näher bei der Verwaltung steht.
Das Haus füllt sich dadurch.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Schließlich ist sie ja auch Bürokratie. Ein Sprecher der Regierungsparteien des Hauses hat das so wunderschön zum Ausdruck gebracht. Er sieht die Unabhängigkeit der Bundesrichter gefährdet, wenn bei ihrer Auswahl von den Vertretern des Parlaments, vom Richterwahlausschuß Vorschläge gemacht werden können. Er sieht dann keine Gefährdung der Unabhängigkeit der Richter, wenn die Vorschläge von den Justizministern gemacht werden. Als ob
B) etwa die Justizminister nicht auch eine bestimmte Macht verkörperten! Also abhängig von den Justizministern, das heißt von der Exekutive, darf der Richter sein, er darf um Himmelswillen bloß nicht irgendwie von der Volksvertretung abhängig werden. Die hier zum Ausdruck kommende Mentalität sagt doch alles und zeigt doch, wo die Justiz politisch steht.
Diese Tatsache ist doch schließlich hinreichend durch die praktische Erfahrung bewiesen und unterstrichen. Selbst der Herr Bundesjustizminister mußte von der Rolle sprechen, die die Justiz in der Weimarer Republik gespielt hat, und davon, was sie damals im Kampf gegen die Demokratie und in der Unterhöhlung der Demokratie geleistet hat. Wo in der heutigen Diskussion von allen Parteien gab es auch nur ei n en Vorschlag zur Sicherung, nur den Versuch einer Maßnahme, um diese Erscheinungen in Zukunft zu unterbinden?
Sie wollen wieder die Justiz über das Parlament, über die Volksvertretung stellen. Denn durch diese Konzeption des Verfassungsgerichtshofs wird ja die Justiz zum obersten Gesetzgeber; sie entscheidet letztlich und mit Gesetzeskraft über die Auslegung des Grundgesetzes, sie entscheidet mit Gesetzeskraft über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, also sie wird zum Gesetzgeber, steht über dem Parlament und ist keineswegs mehr nur eine gleichgestellte Gewalt.
Man hat hier gesagt: Recht kann man nicht schaffen durch Abstimmung. Ja, wie anders ist denn Recht geschaffen worden? Wie ist das Grundgesetz geschaffen, zum mindesten formal bestätigt worden? Doch durch Abstimmung! Wie werden hier im Hause Gesetze gemacht? Doch durch Abstimmung! Also wird durch Abstimmung Recht geschaffen, ganz einfach, weil das eine politische Frage ist, und all die Entscheidungen, die dem Verfassungsgerichtshof hier zugeschoben werden, sind doch politische Entscheidungen! Wenn man diese auf die formaljuristische Ebene verschiebt, dann heißt das und das ist bei einer Partei, die sich sozialdemokratisch nennt, eben das Unverständliche, wie gerade sie darin den Rettungsanker sehen will -, der Rechten des Hauses von vornherein die größeren Möglichkeiten in die Hand spielen. Ganz abgesehen von der klassenmäßigen Zusammensetzung unserer Richter, ganz abgesehen von der Tatsache, daß von den heute amtierenden Richtern rund 80 Prozent ehemalige Mitglieder der Nationalsozialistischen Partei sind, die im Namen Hitlers ein Jahrzehnt lang Recht gesprochen haben — wohin führt denn in Wirklichkeit allein die Basis, die man betritt, wenn man das formale Recht als letztes Kriterium und letzte Entscheidung anerkennt? Das Dichterwort: „Es erben sich Gesetz und Recht wie eine ew'ge Krankheit fort!", hat doch nur zu berechtigt den Sinn, daß das Recht, so wie es die Juristen verstehen, nämlich das formulierte, das geschriebene Recht hinter der politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen Entwicklung nachhinkt, daß es meist der Ausdruck bereits durch den Gang der Entwicklung überholter Zustände und Verhältnisse ist, so daß es beinahe zwangsläufig, und wenn dann auch noch die „richtigen" Leute dazukommen, reaktionär wirkt. Wenn man politische Entscheidungen auf diese juristische Ebene schiebt, schafft man alle Voraussetzungen dazu, daß sie reaktionär ausfallen. Die sozialdemokratische Fraktion müßte doch schließlich durch das Schicksal zum Beispiel ihrer Klage beim Verwaltungsgerichtshof im Jahre 1932 gegen den Papen-Staatsstreich auf Severing hinreichend bebelehrt sein, was man davon zu erwarten hat, wenn man im Kampf um die Rechte des Volkes und der Volksvertretung gegen eine autoritäre Regierung seine Hoffnung auf das Gericht und auf die Justiz setzt. Darum können wir nur sagen: wir warnen — nicht dieses Haus, das dürfte zwecklos sein, aber die Öffentlichkeit, die Bevölkerung vor dem Kurs, der auch mit diesen beiden Gesetzen gesteuert werden soll, vor dem Kurs, die Demokratie auszuhöhlen, indem man an Stelle der Volksvertretung, die die höchste Instanz sein muß, die Justiz zur letzten gesetzgebenden Instanz macht, ihr die letzte Entscheidung in politischen Fragen überträgt und damit der reaktionären Entwicklung in diesem westdeutschen Bundesstaat noch mehr den Weg freimacht, als das wahrhaftig schon geschieht und geschehen ist. Wenn man den Schutz der Demokratie, den Aufbau der Demokratie will, wenn man die Wahrung der demokratischen Rechte des Volkes will, dann kann es nicht auf diesem Wege geschehen; dann ist es notwendig, andere Maßnahmen zu treffen.
Der Redner des Zentrums sprach davon, wir müßten mehr Vertrauen zur Verfassung schaffen, wir müßten mehr Vertrauen in die Demokratie schaffen. Mit dem Verfassungsgerichtshof werden Sie das ganz bestimmt nicht erreichen! Sie erreichen es durch die Taten, die die Demokratie und die Volksvertretung vorweisen; Sie erreichen es dadurch, daß Sie sich wirklich der Kontrolle der Bevölkerung unterstellen, daß Sie die Verantwortlichkeit des Parlaments vor dem
Volke herstellen. Dann sichern Sie die Demokratie, aber nicht auf dem Wege eines Verfassungsgerichtshofes.
Meine Damen und Herren, damit ist die Liste der Redner insoweit erschöpft, als sie in dem von Ihnen genehmigten Vorschlag des Ältestenrats nach § 88 der Geschäftsordnung vorgesehen war, nämlich Einbringungszeit 30 Minuten, dann Aussprachezeit für die einzelnen Fraktionen. Es hat sich nun insofern eine neue Situation ergeben, als der Herr Abgeordnete Dr. Arndt von der SPD-Fraktion noch einmal ums Wort gebeten hat. Ich muß Sie der Ordnung halber fragen, nachdem Sie vorher den Vorschlag des Ältestenrats genehmigt haben, ob Sie damit einverstanden sind, daß Herr Abgeordneter Dr. Arndt noch einmal das Wort nimmt.
— Ich glaube, es scheint allgemeines Einverständnis zu herrschen.
— Dann bitte ich diejenigen, die dafür sind, daß der Herr Abgeordnete Dr. Arndt für die antragstellende Fraktion noch einmal — ich darf annehmen, in verhältnismäßig kurzer Redezeit —
— Das werde ich dann bestimmen.
— Gilt der Vorschlag des Ältestenrats, der hier angenommen worden ist, oder nicht? — Wer dafür ist, daß der Herr Abgeordnete Dr. Arndt noch einmal das Wort erhält, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Das war die Mehrheit.
— Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit.
— Darüber sind wir uns hier oben im Präsidium einig.
Dann hat der Herr Abgeordnete Dr. Arndt das Wort. Ich darf an ihn den Appell richten, sich möglichst kurz zu fassen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die erste Lesung soll ja eine Debatte sein, und ich weiß nicht, wie wir eigentlich debattieren wollen, wenn hier im Hause nur Monologe gehalten werden sollen und dann noch eine Abstimmung darüber stattfinden muß, ob ein Antragsteller auch die Erlaubnis hat, auf das zu erwidern, was seitens der anderen Fraktionen gesagt worden ist.
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Aber darüber hinaus hätte ja ohnehin zur geschäftsordnungmäßigen Behandlung der Vorlage unbedingt einiges gesagt werden müssen; denn Herr Kollege Etzel zum Beispiel hat den Antrag gestellt, die Beratung der Vorlage auszusetzen, wenn die Bundesregierung die verbindliche Zusicherung abgebe, daß sie innerhalb von längstens 4 Wochen ihrerseits eine Vorlage machen werde. Nun, die Bundesregierung und jedenfalls
der Herr Bundesjustizminister hat eine solche Zusicherung heute nicht abgeben und kann sie auch nicht abgeben, weil ja die Vorlage der Bundesregierung, wenn sie vom Kabinett verabschiedet ist, nach dem Grundgesetz zwingend erst an den Bundesrat gehen muß und der Bundesrat zu seiner Stellungnahme eine Frist von 3 Wochen hat, so daß nach unserer bereits erprobten Erfahrung im Mindestfalle zwei Monate vergehen, ehe wir die Regierungsvorlage, die uns angekündigt ist, überhaupt zu Gesicht bekommen. Ich darf daher annehmen, daß dieser Antrag des Herrn Kollegen Etzel erledigt ist und es bei seinem anderen, mit dem unsrigen übereinstimmenden Antrag bleibt, daß die Vorlage dem Rechtsausschuß überwiesen und dort alsbald beraten wird.
Aber weiterhin ist zur geschäftsordnungsmäßigen Behandlung zu sagen, daß Herr Kollege Laforet eine Andeutung gemacht hat, die mir zunächst nicht ganz klar war, nämlich man solle dann doch im Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht abwarten, bis die Regierungsvorlage komme. Ich habe mir erlaubt, Herrn Kollegen Laforet um eine Interpretation dieser Andeutung zu bitten, und wenn ich recht verstanden habe, steht Herr Kollege Laforet auf dem Standpunkt, daß der Ausschuß dann mit Mehrheit entscheiden möge, ob er in die Beratung unserer Vorlage eintritt oder nicht, also ob dieses Gesetz dann wirklich zur Verhandlung kommt oder nicht kommt.
Meine Damen und Herren, so geht es nicht! Wenn der Bundestag einem seiner Ausschüsse durch Zuweisung einen Auftrag gibt, dann hat der Ausschuß zu arbeiten
und kann nicht in der Verborgenheit entscheiden, daß er nicht an seine Arbeit gehen will.
Sie dürfen mir nicht verübeln, daß ich hier mit großem Mißtrauen gerade diese Andeutungen verfolgt habe; denn meine Freunde und ich sind sehr hellhörig geworden, nachdem man an uns herangetreten war, man wolle heute diese erste Lesung überhaupt so abschließen, daß entweder die Vorlage nur von der Sozialdemokratie begründet werde und überhaupt keine Aussprache stattfinde oder daß jedenfalls die Beratung und Behandlung dieses Gesetzes ohne Überweisung an einen Ausschuß ausgesetzt werde, bis die Regierungsvorlage da sei. Das hat uns, wie gesagt, hellhörig und hat uns mißtrauisch gemacht, und darum ist das hier ein Präzedenz- und Probefall, ob Artikel 76 des Grundgesetzes, der die Initiative aus dem Hause zuläßt, nun gilt oder ob er mit geschäftsordnungsmäßigen Mitteln überspielt werden soll.
Das haben wir hier jetzt zu erproben und abzuwarten, und da gibt uns auch die Äußerung des Herrn Abgeordneten von Merkatz zu besonderer Besorgnis Veranlassung, der noch einen Schritt weitergegangen ist und sogar gesagt hat, es bestehe nicht einmal ein Muß, solche Vorlagen überhaupt auf die Tagesordnung zu bringen, sondern das stehe im Ermessen des Ältestenrats.
Nun Herr Kollege von Merkatz, der Altestenrat hat überhaupt kein Ermessen; der Ältestenrat hat lediglich die Herren Präsidenten zu beraten und ihnen Vorschläge zu machen. Das Haus bestimmt seine Tagesordnung,
und in dem Augenblick, in dem das Haus von dem ungeschriebenen Brauch abweichen würde, daß alle Anträge einer Fraktion auf die Tagesordnung kommen, dürfte, glaube ich, der Parlamentarismus in Deutschland allerdings erledigt sein.
Das ist es, weshalb ich mich noch einmal zum Wort gemeldet habe, um ganz eindeutig Widerspruch zu erheben und gegen die Auffassung anzukämpfen, als ob die Bundesregierung allein hier eine Prärogative bei der Gesetzgebung habe, nicht aber jede antragsberechtigte Fraktion im Hause; denn um diesen Grundsatz müssen wir kämpfen. Wir sind damit wieder einmal bei dem Generalthema dieses Bundestages: die Rechte des Bundestages. Herr Kollege Kiesinger, Sie haben zwar gesagt, Sie säßen auch im Bundestag. Gewiß, aber wir haben leider bisher noch nicht ein einziges Mal erlebt, daß die sogenannte Mehrheit in diesem Hause um die Rechte des Hauses gekämpft hätte.
- O bitte, nennen Sie mir ein einziges Beispiel, daß ich nicht dagewesen und die Mehrheit dieses Hauses besorgt gewesen wäre, daß die Regierung den Rechten des Parlaments nicht zu nahe treten würde.
Ich muß auch sonst noch einiges zu dem sagen,
was hier ausgefuhrt worden ist; denn mir scheint, daß eine Reihe von Rednern das Grundgesetz nicht zur Hand genommen hat, was doch bei der Beratung dieser Vorlage von großer Wichtigkeit gewesen wäre.
Es sind hier phantastische Vorschläge dafür o gemacht worden, wie man dieses Bundesverfassungsgericht vom Himmel zaubern oder ähnliches tun könnte. Ich darf doch darauf aufmerksam machen, daß in Artikel 94 Absatz 1 Satz 2 des Grundgesetzes in eindeutigen Worten steht: „Die Mitglieder des Bundesverfassungsgerichts werden je zur Hälfte vom Bundestage und vom Bundesrate gewählt". Von dieser Vorschrift im Grundgesetz ist auszugehen. Der Herr Kollege Loritz hat die Höhe der Quoten beanstandet. Diese sind ja im Grundgesetz zwingend vorgeschrieben. Es ist also von der Grundlage auszugehen, daß von den beiden Häusern zu wählen ist, so daß wir uns hier nicht einmal mehr darüber zu unterhalten haben, ob damit politische Kreationsorgane bestehen oder nicht; denn das ist eine Entscheidung, die von diesem Hause gar nicht mehr nachgeprüft werden kann. Im übrigen aber ist es doch ein grundsätzlicher Irrtum, wenn man annehmen will, daß die Bundesregierung oder der Bundesjustizminister kein politisches Organ, ja sogar nicht einmal ein parteiliches Organ sei.
Der Herr Kollege von Merkatz hat gesagt, bei Grundgesetzgebungen solle die Sache nicht parteilich gesehen werden. Herr Kollege Merkatz, Ihnen darf ich sagen: dadurch, daß eine Fraktion dieses Hauses diese Vorlage gemacht hat, also durch dieses Formale, ist die Vorlage noch lange nicht „parteilich gesehen". Sie hätten uns aus der Sache einen einzigen Punkt herausholen sollen, in dem angeblich etwas „parteilich gesehen" wäre.
Aber wenn wir parteilich sind, so ist es die Bundesregierung mindestens in dem gleichen Maße.
Ich kann auch die Vorschußlorbeeren, die der Herr Bundesjustizminister sich selbst um die Stirn gewunden kat, nicht bewundern.
Der Herr Bundesjustizminister hat gesagt, seine Person sei die Gewähr dafür, daß hier nicht vom Recht abgewichen werde, im übrigen werde er eine Vorlage machen, die noch gründlicher und umfassender als die meiner Fraktion sei. Nun, das Urteil darüber, ob die Vorlage gründlicher und umfassender ist, werden wir zu fällen haben, wenn wir sie kennen. Der Initiator selbst ist in diesem Urteil gewöhnlich befangen.
Solche Gedankengänge wie den: „Die Person als Gewähr", haben wir in den vergangenen Jahren öfter gehört. Uns sind bloß die Sache und das Verhalten Gewähr. Und da sind wir allerdings der Meinung, daß wir auf das Bundesverfassungsgericht auch keinen Tag unnötig warten können; denn wir sind der Meinung, Herr Bundesjustizminister, daß die Abweichung vom Recht objektiv sich hier bereits in mehr als einem Falle ereignet hat und daß deshalb dringend dieses Organ geschaffen werden muß, daß es ausschließt, künftig noch solche Abweichungen zuzulassen, wie sie bereits geschehen sind.
Aus diesen Gründen muß ich den dringenden Appell an Sie richten, bei der Überweisung an den Ausschuß diese Überweisung so auszusprechen, wie es sich bei jeder Überweisung von selbst versteht — das braucht gar nicht gesagt zu werden, und das soll auch gar nicht gesagt werden —, daß der Ausschuß unverzüglich in seine Arbeiten eintritt. Nach meiner Auffassung brauchen wir dann gar keine Regierungsvorlage mehr. Sonst könnten wir nämlich dahin kommen, a daß bei all diesen Fragen von jeder Fraktion noch eine Vorlage gemacht wird.
Der Ausschuß hätte nachher vier oder sechs Vorlagen nebeneinander, und es müßten hier vier-bis sechsmal erste Lesungen stattfinden. Das Thema steht heute zur Debatte, und die Bundesregierung mag dann heute ihre Grundsätze erklären, mag sagen, was sie getan hat, und mag im übrigen in der Ausschußberatung und in der zweiten Lesung die Anträge stellen, die sie für nötig hält. Das ist das richtige Verfahren. Es kann nicht zweierlei Recht für Bundesregierung und Opposition oder irgendeine Fraktion oder das Parlament als solches geben. Das Parlament als solches hat das Recht, aus seiner Mitte eine Vorlage einzubringen, und dann ist diese Vorlage — auch mit Abänderungsanträgen — zu behandeln. Es geht aber nicht, daß man hier ein Schneeballsystem von Vorlagen macht.
Ich hätte allerdings noch gern Einzelheiten auch über das Grundsätzliche seitens des Herrn Bundesjustizministers gehört. Es ist — wenn ich das zum Abschluß sagen soll — die Art der Richterwahl beanstandet worden, die ja durch das Gesetz zwingend vorgeschrieben ist. Der Herr Kollege Loritz, der anscheinend keine Zeit gehabt hat, das Gesetz zu lesen,
hat gemeint, hier könne die Mehrheit ein Abbild ihres Geistes schaffen und durch einfache Majorität die Richter aussuchen. Nein, das ist nicht so! Gerade weil wir ein Verfassungsgericht wünschen, das eine volle rechtliche Autorität hat, geht ja
unser Vorschlag dahin, daß die vom Bundestag zu wählenden Richter auf eine notwendige Dreiviertelmehrheit und die vom Bundesrat zu wählenden Richter auf eine notwendige Zweidrittelmehrheit blicken dürfen. Ich wüßte nicht, wie man anders verfahren sollte, um auszuschließen, daß hier ein einseitig gesetztes und damit dann allerdings parteipolitisches Gremium geschaffen würde. Das ist der entscheidende Grundsatz des Gesetzes. Ich hätte es begrüßt, wenn der Herr Bundesjustizminister dazu Stellung genommen hätte; denn ich fürchte, daß wir andernfalls — ohne daß man allzuviel Phantasie haben muß — von der Bundesregierung ein Gesetz vorgelegt bekommen, in welchem der Bundestag und der Bundesrat mit einfacher Mehrheit die Richter wählen. Das würde allerdings genau der Linie entsprechen, die von Ihnen bisher eingehalten worden ist.
Meine Damen und Herren, Nach § 50 letztem Satz der Geschäftsordnung haben die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Arndt als Schlußwort der Herren Antragsteller gegolten. Damit ist die Sachberatung erschöpft.
Es liegt ein Antrag vor, die Angelegenheit an den Ausschuß zu überweisen, und zwar an den Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht.
Zur Geschäftsordnung hat sich der Herr Abgeordnete Dr. Bucerius gemeldet.
Meine Damen und Herren! Ich hatte mich nicht zur Geschäftsordnung gemeldet, sondern ich hatte mich gemeldet, um in Fragen der Geschäftsordnung zu einigen der Punkte Stellung zu nehmen, die der Herr Abgeordnete Arndt in seiner Schlußansprache vorgetragen hat. Ich bitte das Haus, mir zu gestatten, daß ich in fünf Minuten Ihnen dies darlege.
Meine Damen und Herren! Dann darf ich das Einverständnis des Hauses feststellen, daß entsprechend dem gestellten Antrag die Vorlagen unter Punkt 1 und 2 der Tagesordnung, Drucksachen Nr. 328 und 327, an den zuständigen Ausschuß für Rechtswesen und Verfassungsrecht überwiesen werden. — Oder erhebt sich Widerspruch?
— Meine Damen und Herren, dann muß ich doch bitten, durch Händeaufheben festzustellen, ob das Haus mit der Überweisung an den zuständigen Ausschuß einverstanden ist. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit; demnach sind die Drucksachen Nr. 328 und 327 an den Rechtsausschuß überwiesen.
Ich erteile nunmehr dem Herrn Abgeordneten Dr. Bucerius zu geschäftsordnungsmäßigen Bemerkungen das Wort.
Meine Damen und Herren! Der Herr Abgeordnete Arndt hat gesagt, in diesem Hause bestehe ein ungeschriebenes Gesetz dahin, daß alle Anträge, die von einer Fraktion eingebracht würden, im Plenum behandelt werden müßten. Ich kann den Herrn Abgeordneten Arndt beruhigen. Dies ist nicht nur ein ungeschriebenes Gesetz, sondern es steht ausdrücklich in der Geschäftsordnung, nämlich in § 80, aus welchem sich
ergibt, daß alle Anträge, die von irgendeiner Seite des Hauses eingereicht worden sind, nach der Reihenfolge ihrer Einbringung im Hause behandelt werden müssen.
— Das habe ich nicht gesagt. Aus diesem Grunde, Herr Abgeordneter Loritz, habe ich seinerzeit, als Sie im Ältestenrat beantragten, daß Ihr Antrag auf die Tagesordnung gesetzt werden sollte, mich sofort damit einverstanden erklärt, aber meinerseits gleich mitgeteilt, daß ich von dem ebenfalls durch die Geschäftsordnung gegebenen Recht, Absetzung dieses Antrags zu verlangen, Gebrauch machen würde.
Das ist nämlich ebenfalls das Recht jeder Fraktion dieses Hauses, zu verlangen, daß die Tagesordnung vom Hause selbst bestimmt wird.
Im Zusammenhang mit diesem Punkt ist davon gesprochen worden, die Gefahr bestehe, daß das, Initiativrecht der Parteien, der Mitglieder dieses Hauses verletzt werden würde. Meine Damen und Herren, die meisten Mitglieder dieses Hauses haben unter dem nationalsozialistischen Regime und und dessen Folgen so unendlich gelitten, daß alle Beteiligten sicher sein können, daß jeder in diesem Hause, mindestens die ganz überwiegende Mehrheit, versuchen wird, alles daran zu setzen, um Mißbräuche zu verhindern, die wieder den einmal beschrittenen verhängnisvollen Wegautomatisch zur Folge haben würden. Aber es gibt auch Mißbräuche nach der anderen Richtung hin. Das Bürgerliche Gesetzbuch kennt die Bestimmung, daß man ein Recht durch seine übermäßige Ausnutzung mißbrauchen. kann. Wir stehen seit der gesetzgeberischen Tätigkeit in der Bizone im Wirtschaftsrat und in steigendem Maße heute unter einem unendlichen Zeitdruck. Dieser Zeitdruck hat zur Folge — wir wollen es doch ruhig offen eingestehen —, daß eine sachgemäße Arbeit fast nicht mehr möglich ist. Wir werden deshalb gemeinschaftlich — die Regierungsparteien und die Opposition — nach Mitteln und Wegen suchen müssen, um gemeinsam durchzusetzen, daß der im Plenum, in dien Ausschüssen und in den Fraktionssitzungen zu behandelnde Stoff so komprimiert wird, wie das irgend möglich ist. Dazu gehört unter Umständen auch einmal, daß die Opposition bereit ist, von sich aus auf die Durchführung, Verfechtung und Einbringung von Anträgen, auf ausführliche Diskussionen in diesem Hause zu verzichten, wenn ihr mitgeteilt wird, daß die Regierung unmittelbar danach mit einer Vorlage kommen wird.
Meine Damen und Herren! Der von der Verfassung vorgeschriebene Weg der Gesetzgebung ist nun einmal für die Regierung sehr schwerfällig. Alle Parteien dieses Hauses haben es sehr viel leichter bei der Einbringung von Vorlagen. Die Regierung ist gehalten, dien ganzen erheblichen Apparat, der ihr zur Verfügung steht, einzusetzen. Wir verlangen das auch von ihr. Die Gesetzgebungsvorlage muß so ausgearbeitet sein, daß erwartet werden kann, daß alle Instanzen, die ihr zugestimmt haben, auch mitgewirkt haben. Das bedingt notwendigerweise eine schwerfällige Arbeit gegenüber der verhältnismäßig einfachen Arbeit, die die Parteien dieses Hauses haben. Wenn wir uns nicht daran gewöhnen, diese Arbeit der Regierung und dem Hause zu erleichtern, indem wir auf die Einbringung von Anträgen verzichten, von denen wir wissen, daß sie
aus einem anderen Anlaß als Regierungsvorlage behandelt werden, dann werden wir in diesem Hause zu einer ersprießlichen Arbeit nicht kommen.
Meine Damen und Herren! Ich habe meinen Worten die Bemerkung vorangestellt, daß wir alle die Demokratie verteidigen müssen gegen jede Gefahr.
Ich glaube, daß wir zusammen — die Regierungsparteien und die Opposition — in dieser Auseinandersetzung mehr zu verlieren haben,
ais die eine Seite von der anderen Seite durch die übermäßige Ausnutzung der Geschäftsordnung möglicherweise gewinnen kann.
Das Wort hat noch zu einer persönlichen Bemerkung nach § 84 der Geschäftsordnung der Herr Abgeordnete Dr. Merkatz.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich lege nach der Ausführung des Herrn Kollegen Arndt Wert darauf, einige Dinge richtigzustellen. Selbstverständlich hat der Bundestag, das heißt das Plenum als Ganzes, das Recht, seine Tagesordnung zu bestimmen. Selbstverständlich wäre es ein erheblicher Bruch des parlamentarischen Anstandes und des parlamentarischen Rechts überhaupt, Anträge und Gesetzesvorlagen irgendeiner Fraktion durch ständiges Weglassen von der Tagesordnung zu unterdrücken. Das geht nicht. Aber es besteht kein Muß über den Zeitpunkt. Man muß doch diese Dinge nach der Vernunft auszulegen trachten. Nach Artikel 39 Absatz 3 des Grundgesetzes kann zwar die Minderheit die Einberufung des Bundestags verlangen, sie kann sie aber nicht zu einem bestimmten Punkt der Tagesordnung verlangen.
Wenn eine Regierungsvorlage dicht bevorsteht — und es ist klar, daß bei dem Gesetzgebungsweg die Regierungsvorlage ihre Zeit braucht, weil sie erst noch drei Wochen vorher dem Bundesrat zugehen muß —, dann ist es vernünftig, eine solche Vorlage mit der Vorlage einer Fraktion zu verbinden. Mehr habe ich nicht sagen wollen. Es wäre unzweckmäßig, anders zu verfahren.
Meine Damen und Herren! Damit sind die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 der Tagesordnung:
a) Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abgeordneten Renner und Genossen betreffend Aufhebung der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 für den Bereich des Bundesgebietes .
Als Berichterstatter hat das Wort der Herr Abgeordnete Dr. Wuermeling.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 140 betreffend Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung für Beamte und Ruhegehaltsempfänger wurde schon am 16. Dezember 1949 im Beamtenrechtsausschuß behandelt. In dieser Ausschußsitzung wurde seitens des Finanzministeriums dargelegt, daß der finanzielle Mehraufwand bei Aufhebung dieser Gehaltskürzung allein bei der Bundesbahn 46 Millionen DMark, insgesamt 70 Millionen DMark bedeuten würde. Weiter wurde seitens des Finanzministeriums die Auffassung vertreten, daß diese Frage im Zusammenhang mit dem Ausführungsgesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes behandelt werden müsse. Artikel 131 beauftragt den Bundestag, „die Rechtsverhältnisse von Personen einschließlich der Flüchtlinge und Vertriebenen, die am 8. Mai 1945 im öffentlichen Dienst standen, aus anderen als beamten- oder tarifrechtlichen Gründen ausgeschieden sind und bisher nicht oder nicht ihrer früheren Stellung entsprechend verwendet wurden, durch Bundesgesetz zu regeln".
Der Ausschuß hat sich mit den Einwendungen des Finanzministeriums eingehend beschäftigt. Von der anderen Seite sind insbesondere folgende Argumente geltend gemacht worden.
Erstens ist dargelegt worden, daß die Beamtengehälter bereits von 23 Jahren, nämlich im Jahre 1927, zuletzt festgelegt worden seien und gegenüber dieser Festlegung jetzt immer noch um 6 Prozent gekürzt seien, während andererseits die Lebenshaltungskosten erheblich gestiegen seien. Im übrigen ist darauf hingewiesen worden, daß die meisten Länder, wenn nicht alle, die sechsprozentige Gehaltskürzung inzwischen bereits aufgehoben haben, so daß es nicht gut angängig sei, jetzt für die Bundesbeamten allein die sechsprozentige Gehaltskürzung noch fortbestehen zu lassen.
Nach eingehender Abwägung aller Gesichtspunkte ist dann der Inhalt der Ihnen vorliegenden Drucksache Nr. 343 im Ausschuß erarbeitet worden mit der kleinen Änderung gegenüber dem ursprünglichen Antrag, daß klargestellt worden ist, daß dieser Antrag sich lediglich auf Bundes- und bizonale Beamte beziehen soll, mit der weiteren Änderung, daß als Termin für die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung der 1. Januar 1950 in Aussicht genommen ist.
Darüber hinaus glaubte der Ausschuß aber auch, den Gedankengängen des Finanzministeriums in etwa Rechnung tragen zu sollen, und hat deshalb an den Urantrag einen Absatz 2 angefügt, durch welchen die Bundesregierung ersucht wird, die Durchführung des Artikel 131 des Grundgesetzes baldigst wenigstens in Form von Sofortmaßnahmen vorzunehmen. Der so abgeänderte Antrag ist von allen Mitgliedern des Ausschusses bei einer Stimmenthaltung angenommen worden.
Vor der Plenarbehandlung des Antrags ist dann — wenn ich mich recht erinnere, im Ältestenrat — beschlossen worden, diesen Antrag wegen der finanziellen Auswirkungen zunächst noch dem Haushaltsausschuß zuzuweisen. Der Haushaltsausschuß hat mich beauftragt, gelegentlich meiner heutigen Berichterstattung dem Hohen Hause auch den Gang der Verhandlungen im Haushaltsausschuß dazulegen. Der Haushaltsausschuß hat die Drucksache Nr. 343 des Beamtenrechtsaus-
schusses am 4. und 5. Januar 1950 behandelt. Der Herr Finanzminister hat auch hier auf den Zusammenhang der Frage mit dem Ausführungsgesetz zu Artikel 131 des Grundgesetzes hingewiesen und den Wunsch geäußert, die Dinge jetzt hier nicht vorab gesondert zu regeln. Er hat insbesondere vorgeschlagen, den Termin des 1. Januar 1950 aus dem vom Beamtenrechtsausschuß erarbeiteten Antrag herauszunehmen. Auch im Haushaltsausschuß sind alle in Betracht kommenden Gesichtspunkte von den Ausschußmitgliedern sehr eingehend erörtert worden mit dem Ergebnis, daß schließlich der folgende protokollarisch festgelegte Antrag angenommen wurde:
die Frage der Aufhebung der Gehaltskürzungsverordnung im Zusammenhang mit der vom Bundesfinanzminister angekündigten gesetzlichen Regelung im Rahmen des Artikels 131 des Grundgesetzes zu klären und bis dahin vorn einer gesonderten gesetzlichen Maßnahme abzusehen, um nicht dadurch einen unerläßlichen Zusammenhang zu zerstören.
Gleichzeitig wurde der Finanzminister gebeten, die Öffentlichkeit über die Gründe einer Zurückstellung dieser Regelung, also der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung, zu unterrichten.
Dieser Antrag wurde im Haushaltsausschuß mit Mehrheit, und zwar mit 16 zu 10 Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen. Dieser Beschluß — ich drücke mich sehr vorsichtig aus, weil nachher ein Streit darum entstanden ist — scheint zu besagen, daß der Haushaltsausschuß eine vorläufige Zurückstellung dieses Antrages wünscht. Dieser Auslegung des Beschlusses ist aber von einigen Mitgliedern des Haushaltsausschusses, die später wieder im Beamtenrechtsausschuß anwesend waren, mit dem Bemerken widersprochen worden, daß der Haushaltsausschuß seine Beratungen noch nicht endgültig abgeschlossen habe.
Der Beamtenrechtsausschuß hat sich dann am 12. Januar 1950 erneut mit der Vorlage befaßt und mit 12 zu 8 Stimmen den Beschluß gefaßt, es bei dem Inhalt der Drucksache Nr. 343 zu belassen und sie dem Plenum zur Beschlußfassung zu unterbreiten, während die Minderheit von 8 Stimmen des Beamtenrechtsausschusses mit ihrem Antrag auf Rückverweisung an den Haushaltsausschuß unterlag.
Die Dinge sind also abschließend so: Der Beamtenrechtsausschuß empfiehlt mit Mehrheit die Annahme des Antrags Drucksache Nr. 343. Der Haushaltsausschuß hat einen eigentlich für das Plenum formulierten Beschluß noch nicht gefaßt, hat aber erkennen lassen, daß er Bedenken hat, dem Antrag schon jetzt zu entsprechen. Es wird nun Aufgabe des Plenums sein, sich in der Angelegenheit zu entscheiden.
Ich danke dem Herrn Berichterstatter.
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Bei der Beratung des Haushaltsausschusses am 4. und 5. Januar dieses Jahres über den Antrag auf Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung habe ich die Erklärung abgegeben, daß die Bundesregierung einen Gesetzentwurf über die einheitliche Regelung der Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten nach Artikel 131 des Grundgesetzes in Ausarbeitung habe. daß ich hoffe, diesen Gesetzentwurf noch im Laufe des Monats Januar den gesetzgebenden Körperschaften zuleiten zu können und daß dieser Gesetzentwurf in innerer. Beziehung zu der Frage der sechsprozentigen Gehaltskürzung steht. Ich habe darauf hingewiesen, daß die Belastung, die der Haushalt des Bundes mit der Regelung der Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten übernimmt, sehr hoch sein werde, daß diese Belastung im Gesamtzusammenhang mit den Belastungen betrachtet werden müsse, die für andere Leistungen, für Leistungen an Kriegbeschädigte, Heimatvertriebene, Wehrmachtbeamte usw. noch an uns herantreten, und daß wir ungerecht handeln, wenn wir im Vorgriff für einen Teil die Mittel, die für den andern Teil dann zur Verfügung stehen sollen, zu rasch verbrauchen und damit kürzen. Ich habe deshalb auch grundsätzlich an den Gedanken einer Schicksalsgemeinschaft appelliert und habe gesagt, es möchte doch die Frage der Fürsorge für die ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten im Zusammenhang mit der Frage der Kürzung der Gehälter um 6 Prozent betrachtet werden, und es möchte in diesem Zusammenhang die Möglichkeit betrachtet werden, für jeden gerecht zu handeln und in gerechter Weise Mittel zur Verfügung zu stellen.
Der Haushaltsausschuß hat sich diesen Darlegungen damals anscheinend nicht verschlossen, und ich schmeichle mir mit der Hoffnung, daß diese Darlegungen den Erfolg hatten, daß der Haushaltsausschuß wünschte, daß der Beamtenrechtsausschuß sich diese Frage noch einmal überlege. Er scheint das besonders deshalb auch getan zu haben, weil er annahm, daß diese Frage wieder in den Haushaltsausschuß zurückkommt. Es war ja vereinbart, daß bei einer neuen Beratung über diese Frage nicht nur ich, sondern auch der Herr Bundesminister für Verkehr und der Herr Bundesminister für Post- und Fernmeldewesen als die Hauptbeteiligten im Haushaltsausschuß die Dinge klarlegen und ihre Meinung vertreten sollten. Wider Erwarten hat nun der Beamtenrechtsausschuß die Rückverweisung an den Haushaltsausschuß nicht vorgenommen, und wir haben heute im Plenum darüber zu berichten.
Ich kann dem Plenum mitteilen, daß ich mein Versprechen, soweit es möglich war, gehalten habe. Der Gesetzentwurf über die Regelung der Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten i s t in meinem Hause ausgearbeitet und wird mir in Reinschrift übermorgen, am Samstag, zugehen. Er kann dann im Kabinett in der nächsten Woche beraten werden und in der übernächsten Woche den gesetzgebenden Körperschaften zugehen.
Ich kann im voraus verraten, daß nach den bisherigen vorläufigen Berechnungen der Aufwand für die verdrängten öffentlichen Bediensteten aus dem Bundeshaushalt 350 Millionen D-Mark jährlich betragen wird. In der gegebenen Zwangslage habe ich in diesem Gesetzentwurf infolgedessen auch den Gedanken der schicksalsgemeinschaft zum Ausdruck gebracht. Wenn Sie den Gesetzentwurf haben, werden Sie sehen, in welcher Form. Ich möchte nur hier grundsätzlich — damit in der Öffentlichkeit nicht vielleicht Störungsversuche gemacht werden — bemerken, daß in dem Gestzentwurf ein Artikel enthalten ist, der besagt, daß kein öffentlicher Bediensteter durch den Gesetzentwurf gegenüber dem jetzigen Zustand
geschädigt sein soll, das heißt, daß keiner nach Inkrafttreten des Gesetzes in der Auszahlung des reinen Gehalts weniger bekommen soll, als er heute hat. Die Lösung kann mit Rücksicht auf die geplanten steuerlichen Maßnahmen auf einem andern Weg gefunden werden.
Das ist der innere Zusammenhang der Dinge. Nun haben wir hier diesen Antrag vorliegen, der ja insofern dem Willen der Bundesregierung entsprechen würde, als ich die Erklärung im Haushaltsausschuß abgegeben habe und heute wiederholen kann, daß dieser Gesetzentwurf zur Regelung und Vereinheitlichung der Rechtsverhältnisse der ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten auch gleichzeitig die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung auf Grund der früheren Reichsverordnungen bringt. Es handelt sich also urn eine andere Schwierigkeit, um die Schwierigkeit, daß der Beamtenrechtsausschuß glaubte, diese Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung ohne Rücksicht auf die Gesamtgesetzgebung an einen bestimmten Termin, und zwar an einen zurückliegenden Termin binden zu müssen. Ich muß das Hohe Haus pflichtgemäß darauf aufmerksam machen, daß die Bundesregierung und der Bundesminister der Finanzen bei all dem, was sie auf diesen Gebieten tun, gezwungen sind, daran zu denken, daß die Mittel des Bundes auch für andere Bevölkerungsschichten ausreichen müssen, sie infolgedessen gezwungen sind, daran zu denken, daß das Haushaltsgebaren des Bundes bei den ungeheuren Lasten, die an uns herantreten, nicht unnötig gefährdet wird.
Ich möchte das Hohe Haus bitten, entweder so zu verfahren, wie es nach meiner Überzeugung die Mehrheit des Haushaltsausschusses wollte, die eine zweite Beratung dieses Antrags im Haushaltsausschuß als selbstverständlich angenommen hat, oder sich doch zu überlegen, ob es nicht möglich ist, künftige Schwierigkeiten dadurch aus dem Wege zu räumen, daß wir zwar, wozu wir alle den Willen haben, die sechsprozentige Gehaltskürzung so f o r i aufheben, aber ohne rückwirkende Kraft.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gundelach.
Meine Damen und Herren! Es ist nach der Auffassung der kommunistischen Fraktion sehr bedenklich, daß erst jetzt der Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht in der Angelegenheit der Aufhebung der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 gegeben wird. Bereits am 16. Dezember 1949 hat der Ausschuß einmütig eine Stellungnahme gebilligt, wie sie in der Drucksache Nr. 343 niedergelegt ist und auch den Rechtsansprüchen der Verwaltungsangehörigen des Bundes entspricht. wie sie auch seit Monaten von den Verbänden, den Interessenvertretungen — Verband öffentliche Dienste, Beamtengewerkschaften, Deutsche Angestelltengewerkschaft — vertreten word en ist. Es waren aber Kräfte am Werk, die dem Herrn Bundesfinanzminister nahestehen und die es bisher verhindert haben, daß der Bundestag dem Antrage des Ausschusses seine Zustimmung geben konnte. Der Herr Finanzminister ist gegen die Regelung, wie sie der Beamtenrechtsausschuß dem Bundestag vorschlägt, nämlich den Verwaltungsangehörigen des Bundes und der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebiets mit Wirkung vom 1. Januar 1950 gleiche Rechte in bezug auf ihre Entlohnung zuzubilligen, wie sie ihre Kollegen in den einzelnen Ländern zum Teil bereits, Herr Finanzminister, seit dem 1. April und 1. Oktober des vorigen Jahres haben. Das hier im Hau se deutlich zum Ausdruck zu bringen, haben Sie verhindert, obgleich Sie es ebensogut wissen wie wir.
Wenn Sie nun aber heute erneut wieder dafür plädieren, daß man, falls der Bundestag dem Antrage des Beamtenrechtsausschusses zustimmen sollte, wenigstens nicht den Termin des 1. Januar nehmen möge, dann scheint mir das eine ziemliche Zumutung gegenüber den Beamten zu sein, die hier auf ihr Recht pochen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat schon selbst darüber gesprochen, wie man im Haushaltsausschuß versucht hat, die Stellungnahme des Beamtenrechtsausschusses null und nichtig zu machen. Der Herr Finanzminister hat auch heute wieder von der „Interessengemeinschaft", oder wie er sich ausdrückte, der Beamten mit den vertriebenen Beamten gesprochen und hat im Haushaltsausschuß, wie ich erfahren habe, mit aller Deutlichkeit betont, daß bei der Gesamtregelung in Verbindung mit Artikel 131 des Grundgesetzes den Beamten, die heute noch im Dienst sind, ziemliche Belastungen zugemutet werden müßten. Das heißt mit anderen Worten, auch wenn es heute von dem Herrn Bundesfinanzminister sehr abgeschwächt zum Ausdruck gebracht worden ist; daß die Lebenshaltung gerade der unteren und mittleren Beamten in der kommenden Zeit weiter herabgedrückt werden wird.
Wir werden unsere Zustimmung zu einer solchen Finanzpolitik niemals geben!
Meine Damen und Herren! Der Beamtenrechtsausschuß konnte sich mit der Behandlung seines Antrags, wie sie im Haushaltsausschuß vor sich gegangen ist, nicht einverstanden erklären und hat deshalb mit Mehrheit gefordert, daß der Antrag des Ausschusses dem Bundestage zur sofortigen Beschlußfassung vorgelegt werde. Dafür bedarf es kaum noch Worte der Begründung. Der Antrag spricht unserer Meinung nach für sich selbst, da er für alle Verwaltungsangehörigen eine gleiche Rechtsgrundlage schafft, eine Regelung, die nicht mehr von der für die Verwaltungsangehörigen in den einzelnen Ländern abweicht. Auf dieses gleiche Recht haben alle Verwaltungsangehörigen des Bundes Anspruch, und deshalb stimmt meine Fraktion dem An- trag des Ausschusses zu.
Gestatten Sie mir nur noch einige Worte zu dem Antrag meiner Fraktion Drucksache Nr. 364, der die gleiche Frage betrifft.
Herr Abgeordneter, dieser Punkt der Tagesordnung ist nicht aufgerufen!
— Nur Punkt 3 a ist aufgerufen!
Nachdem der Herr Präsident darauf aufmerksam macht, daß dieser Punkt der Tagesordnung noch nicht zur Beratung steht, bin ich damit einverstanden, daß er nachher nach dem Aufruf noch einmal besonders behandelt wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Arnholz.
Meine Damen und Herren! Die Aufhebung des Restes der Brüningschen Gehaltskürzungsverordnung ist seit sehr langer Zeit fällig. Sie ist im Wirtschaftsrat bereits eingehend besprochen worden, und die sozialdemokratische Fraktion des Wirtschaftsrats hat vor etwa eineinhalb Jahren der Aufhebung bereits zugestimmt. Inzwischen ist diese Gehaltskürzung wohl in allen Ländern mit verschwindenden Abweichungen aufgehoben, in der Regel mit Wirkung vom 1. Oktober 1949, teilweise aber auch schon zu einem früheren Termin. Auch für die Bundesbediensteten bei der Post und Eisenbahn in der französisch besetzten Zone ist sie beseitigt. Auf diese Weise ist also eine sehr starke Ungleichheit der Besoldung eingetreten, während doch nach dem einheitlichen Wunsche aller Parteien dieses Hauses die Besoldung gleichmäßig sein soll.
Der Herr Kollege Dr. Wuermeling hat in seinem Bericht bereits darauf hingewiesen, daß der Ausschuß für Beamtenrecht nach sehr eingehender Würdigung der dort vorgetragenen Bedenken sich einstimmig, bei einer Stimmenthaltung, das erste Mal für die Aufhebung der Kürzung ausgesprochen hat, beim zweiten Mal mit Mehrheit. Um so unverständlicher ist es uns, daß Mitglieder dieses Ausschusses für Beamtenrecht, die gleichzeitig dem Haushaltsausschuß angehören und die im Beamtenrechtsausschuß für die Aufhebung gestimmt hatten, dann im Haushaltsausschuß auf die Verzögerungstaktik des Herrn Bundesfinanzministers Schäffer eingegangen sind, obwohl die Stellungnahme der Vertreter der Post- und der Eisenbahnverwaltung auch im Beamtenrechtsausschuß die gleiche war — zum Teil hat ja auch der Herr Finanzminister dieselben Argumente gegen die Aufhebung der Gehaltskürzung vorgebracht — und obgleich sie dort ausführlich beraten wurde, bevor man den Beschluß gefaßt hat.
Die Argumente. die der Herr Bundesfinanzminister für die Verquickung der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung mit der nach Artikel 131 des Grundgesetzes notwendigen Bundesgesetzgebung schon im Ausschuß anführte hat er heute erneut dargelegt: ich brauche sie also nicht zu wiederholen. Er bezeichnet es als einen ungerechten Vorgriff wenn die Gehaltskürzung jetzt aufgehoben würde. Er findet es aber nicht ungerecht, daß in der Bizone z. B. bei den Post- und Eisenbahnpensionären seit sehr langer Zeit eine nicht unerhebliche Kürzung der Ruhegehälter erfolgt ist. Wenn er. um uns seinen Widerstand gegen die Aufhebung der Gehaltskürzung schmackhaft 711 machen. nun darauf hinweist — das ist neu und in den Ausschüssen higher nicht zur Sprache gekommen —, daß keine Verringerung gegenüber den jetzigen Bezügen eintreten soll. — meine Damen und Herren was bedeutet das? Es bedeutet daß die Rechtsungleichheit auch weiterhin aufrechterhalten bleibt.
Ich meine wir sollten heute dafür sorgen. daß die bestehende Rechtsungleichheit beseitigt wird. Sollte sich bei der Dürchführung der Gesetzgebung zu Artikel 131 herausstellen, daß die Gesamtaufwendungen des Bundes nicht tragbar sind. nun. dann müssen die Dinge eben durch eine umfassende Gesetzgebung geregelt werden. Man kann aber nicht ein bestehendes Unrecht einfach fortsetzen.
Der Herr Bundesfinanzminister hat von rückwirkender Kraft gesprochen. Auch das ist eine
Argumentation, die immerhin geeignet ist, die Tatsachen etwas zu verwischen. Diese Forderungen sind ja nicht neu. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß zum Teil seit beinahe einem Jahr die Aufhebung in den Ländern bereits durchgeführt ist. Im Beamtenrechtsausschuß war ursprünglich von uns die Aufhebung mit Wirkung vom 1. 10. 1949 beantragt, um die Angleichung an die Gesetzgebung einer Reihe von Ländern durchzuführen. Um eine Einheitlichkeit im Ausschuß zu erzielen, haben wir auf diesen Antrag verzichtet und den 1. Januar 1950 zugrunde gelegt. Das ist vor dem 1. Januar beschlossen worden. Wenn nun infolge der Gesetzgebungsmaschinerie diese Beschlußfassung zufällig erst nach dem 1. Januar erfolgt, so ist es wohl nicht ganz richtig, jetzt die Frage der rückwirkenden Kraft so stark in den Vordergrund zu stellen.
Meine Damen und Herren! Der Herr Bundesfinanzminister hat durch seine Einwendungen versucht, eine klare Entscheidung des Hauses heute zu verhindern, indem er auch hier wieder die Forderung aufgestellt hat, die 6 Prozent gewissermaßen in Reserve zu halten. Dem können wir nicht zustimmen. Es sei mir auch der Hinweis gestattet, daß nicht nur die Bediensteten der öffentlich-rechtlichen Verwaltungen den Krieg verloren haben oder gar nur der Kreis, für den die Kürzungen tatsächlich heute noch bestehen, und ferner der Hinweis, daß es sich bei der Maßnahme auf Grund des Artikels 131 um ausgesprochene Kriegsfolgelasten handelt, daß also die Gesamheit für die Aufbringung dieser Lasten einzutreten hat unter Einschluß natürlich aller Kreise der Bevölkerung, also auch der Bediensteten der öffentlich-rechtlichen Verwaltungen. Man darf aber nicht ihnen allein die Lasten aus Artikel 131 aufbürden oder ihnen zur Deckung eines Teiles dieser Lasten die längst fällige Erfüllung einer berechtigten Forderung vorenthalten. Bei anderen Berufsgruppen ist meines Wissens noch von keiner Seite her eine derartige Forderung erhoben worden.
Wir sind darüber hinaus der Auffassung, daß die Gleichstellung der öffentlichen Bediensteten in den Besoldungsverhältnissen nicht dem Personenkreis schadet, der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fällt. Im Gegenteil, wenn die Gleichstellung vorher durchgeführt wird, wird sie auch diesem Personenkreis zugute kommen. Außerdem erwarten wir, daß nicht nur der Absatz 2 des hier schon erwähnten und in der Drucksache Nr. 343 mitgeteilten Beschlusses des Beamtenrechtsausschusses alsbald durchgeführt wird, sondern daß er sofort ausgeführt wird. Wenn, wie wir hoffen, die Aufhebung der Kürzungen hier im Hause mit großer Mehrheit beschlossen wird, dann möge die Bundesregierung daraus für sich die dringende Mahnung und Verpflichtung herleiten, mit größter Beschleunigung nunmehr den Gesetzentwurf einzubringen und dafür zu sorgen, daß er im Bundesrat mit Beschleunigung beraten und weitergegeben wird. damit dann das Bundesgesetz zu Artikel 131 möglichst bald in Kraft tritt.
Im Ausschuß für Beamtenrecht — auch das sei hier erwähnt — wurde von dem Vertreter der Bundesbahn gegenüber denen, die die Aufhebung der Gehaltskürzungen fordern, ein Schreckschuß abgegeben. Man malte künftige Arbeiterentlassungen als erforderlich an die Wand. Nun, meine Damen und Herren, wir erwarten bestimmt, daß die Verwaltung sich nicht in dieser Weise bloßstellen wird. Eine solche Maßnahme würde einen sehr
trüben Schatten auf ihre sozialen Auffassungen, aber auch auf die sonstigen Verhältnisse der Bundesbahn, insbesondere auf die wirtschaftliche Betriebsgestaltung werfen.
In diesem Zusammenhang ist besonders interessant, daß der Vertreter der Bundesbahn die finanzielle Auswirkung gegen die Aufhebung der Gehaltskürzungen ins Feld geführt hat, daß aber der Herr Vertreter des Bundesfinanzministers erklärt hat, daß die finanzielle Belastung für den Herrn Bundesfinanzminister nicht entscheidend sei. Das ist immerhin eine beachtliche Tatsache.
Aber es sollte für die Bundesregierung und ihren Finanzminister entscheidend sein, daß die Aufhebung der Kürzung in erster Linie für die Minderbezahlten ins Gewicht fällt, die am schwersten und härtesten durch die Verzögerung in Mitleidenschaft gezogen werden, die der Herr Bundesfinanzminister seit der Beratung im Ausschuß für Beamtenrecht durchzusetzen versucht.
Das Verhalten des Herrn Bundesfinanzministers in dieser Angelegenheit erscheint mir von dem gleichen unsozialen Geist wie seine Einkommensteuervorlage getragen zu sein, in der die niedrigen Einkommen sehr stiefmütterlich behandelt werden und den höheren und höchsten Einkommen Hunderte von Millionen in den Schoß geworfen werden. Man komme uns hier nicht mit dem Einwand, daß diese Art der steuerlichen Gesetzgebung im Interesse der weiteren Entwicklung der Wirtschaft notwendig sei. Verhältnismäßig gelten diese Begründungen auch für die Aufhebung der Gehaltskürzung. Denn auch die dadurch insbesondere den schlecht bezahlten Gruppen zur Verfügung gestellten Mittel erhöhen die Kaufkraft der in Frage kommenden Personenkreise und geben — vielleicht allerdings nur zu einem ganz geringen Teil — unter Umständen auch die Möglichkeit zu Ersparnissen und damit indirekt — aber nur in ganz geringem Maße — zur Kapitalbildung.
Zusammenfassend darf ich sagen, daß wir es ablehnen, Kriegsfolgelasten einer Berufsgruppe oder Teilen davon aufzuerlegen. Wir fordern Rechtsgleichheit und erwarten. daß auch im vorliegenden Fall diese Rechtsgleichheit durchgeführt wird. Wir sind ferner gegen weitere Verzögerungen in dieser Angelegenheit. Die sozialdemokratische Fraktion wird daher den Anträgen zur Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung zustimmen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Drucksache Nr. 343 zeigt deutlich einen Interessenkonflikt, der für niemanden überraschend sein wird. Ich finde es überaus verständlich, wenn naturgemäß die Beamten sich dafür einsetzen, eine sechsprozentige Gehaltserhöhung zu erhalten. Denn darauf läuft es hinaus, wenn durch eine Verordnung ein Gehalt, das im Jahre 1925 festgesetzt worden ist und das 5 oder 6 Jahre später um 6 Prozent gekürzt worden ist, jetzt wiederhergestellt werden soll. Ich finde es überaus merkwürdig und auf der anderen Seite auch überaus bezeichnend, daß diese sechsprozentige Gehaltskürzung die Zeiten der Aufrüstung und die Kriegszeiten überdauert hat und daß sie niemand aufgehoben hat, als bekanntlich alle im Geld schwammen, daß sie auch die Nachkriegszeit bis zur Währungsreform überdauert hat, in der die
Länder im Geld schwammen. Vor der Währungsreform wäre es viel eher an der Zeit gewesen, diese Dinge zu bereinigen. Man hätte nicht erst jetzt damit anfangen sollen. Diese Vorlage hat uns im Wirtschaftsrat beschäftigt. Wir haben damals bereits das Für und Wider beider Ansichten ausgiebig zu hören bekommen. Aber niemand hat uns damals bereits davon überzeugen können, daß es notwendig war, ausgerechnet 'in einem Augenblick mit einer Gehaltserhöhung von 6 Prozent zu kommen, in dem sehr weite Teile der Bevölkerung zum Teil überhaupt keine Pensionen beziehen oder sich auf der anderen Seite mit 50 Prozent ihrer Pensionen zufrieden geben müssen.
Nach meinem Empfinden ist das Wort „Recht" in den Ausführungen meiner Vorredner ein wenig häufig strapaziert worden. Wenn schon „Recht", dann gleiches Recht für alle Betroffenen.
Wie sieht nun dieses gleiche Recht aller Betroffenen gegenwärtig in der Bundesrepublik aus? Ich will nicht darauf eingehen, daß der erste meiner Vorredner von seiten der KPD sich bemüßigt gefühlt hat, in die Debatte einzugreifen, obwohl er ganz genau weiß, daß in der Ostzone von einem Pensionsrecht für Vertriebene bzw. für Beamte überhaupt nicht die Rede ist. Wir kennen das alle. Dort drüben müssen die Pensionäre mit 70 D-Mark pro Monat leben, und dies bei einem Lebensstandard, der gar nicht mit dem der Westzonen vergleichbar ist.
Wie steht es nun eigentlich mit den Gesichtspunkten, die von meinem Herrn Vorredner vorgetragen wurden? Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, daß von seiner Seite mit einem Argument gearbeitet worden ist, dem wir an sich zustimmen könnten, nämlich mit der Herbeiführung der Rechtsgleichheit. Rechtsgleichheit — jawohl! Aber dann für alle Kategorien der Betroffenen! Ich glaube, daß der Bundesfinanzminister in den wenigen Worten, die er über die bevorstehende Gesetzesvorlage hier gesagt hat, durchaus schon hat durchklingen lassen: die Bundesregierung ist entschlossen, diese Rechtsgleichheit für alle Kategorien in Angriff zu nehmen. Wenn sie diesen Willen hat. dann verstehe ich im Grunde genommen eigentlich nicht ganz. warum mein sehr verehrter Herr Vorredner auf der einen Seite von einer „umfassenden Regelung" und ihrer Notwendigkeit spricht, aber auf der andern Seite durchaus eine neue Ungleichheit dadurch herbeiführen will. daß er ungleiches Recht schafft. Die Herbeiführung der sechsprozentigen Gehaltserhöhung würde nämlich nur eine neue Rechtsungleichheit schaffen. Was wir anstreben wollen und was wir unter Berücksichtigung der wirklichen Notlage der Beamtenschaft anstreben müssen, das ist die Herbeiführung einer Rechtsangleichung zwischen allen Ansprüchen, die gegenwärtig in überreicher Fülle an den Bund herangetragen werden. Ich erinnere Sie daran, daß in manchen Ländern der Bundesrepublik heute noch die Witwen bzw. die alten Pensionäre nur 50 Prozent ihrer Pensionsansprüche und viele keinen Pfennig erhalten. Versetzen sie sich doch hitte in die Gefühle jener Menschen hinein, die nun zusehen sollen, daß auf der einen Seite die Masse derjenigen, die nicht vertrieben worden sind, eine sechsprozentige Zulage erhalten soll, während sie auf der anderen Seite auf Monate hinaus mit 50 Prozent ihrer Bezüge warten sollen, obwohl sie genau so wohlerworbene Ansprüche besitzen. Ich kann ferner nicht umhin, hier ein-
mal festzusellen, daß ich nicht anerkennen kann, daß „wohlerworbene Rechte" einer Kategorie der Bevölkerung neben den wohlerworbenen Ansprüchen so vieler Millionen von Vertriebenen bestehen sollen, deren Familien seit Hunderten von Jahren auf ihrem eigenen Grund und Boden gesessen und die nun diesen eigenen Grund und Boden plötzlich über Nacht verloren haben.
Wir werden uns also bemühen müssen, hier wirklich eine Rechtsgleichheit aller betroffenen Kategorien herbeizuführen. Ich glaube, daß der beste Weg dazu wirklich ist, die Dinge noch einmal an den Ausschuß zurückzuverweisen, der meinem Empfinden nach einzig und allein berechtigt ist, zu diesen Dingen das letzte Wort zu sagen, nämlich der Haushaltsausschuß.
Es hat sich meinem Empfinden nach in diesem Hohen Hause die üble Sitte breitgemacht, daß sehr viele Ausschüsse, in denen naturgemäß Interessenten sitzen müssen, nun ihrerseits eine Bewilligungsfreudigkeit an den Tag gelegt haben, die mit dem Ganzen nicht mehr in Einklang zu bringen ist.
Der Haushaltsausschuß muß letzten Endes der Ausschuß bleiben, der den Daumen daraufhält und der seinerseits dafür sorgt, daß alle diese Anträge, die von allen Seiten heranströmen, zu einem gerechten Ausgleich gebracht werden.
Der Haushaltsausschuß hat sich in seiner Mehrheit gegen den Antrag des Beamtenrechtsausschusses gestellt. Er hatte gute Gründe dafür. Er will zuerst noch einmal den Bundesfinanzminister und die beiden anderen beteiligten Hauptministerien hören. Er möchte sich wirklich einen Gesamteinblick in den Stand der Bundesfinanzen verschaffen, soweit der Bundesfinanzminister diesen Einblick bis jetzt noch nicht gegeben hat. Ich glaube, wir sollten den Haushaltsausschuß nicht an dieser Aufgabe hindern. Wir sollten ihm die Möglichkeit geben, diese Dinge . so zu prüfen, wie sie geprüft werden müssen. Wenn in der Zwischenzeit das Bundesfinanzministerium in der Lage ist, einen Gesetzentwurf einzubringen, der wirklich einmal die Rechtsgleichheit aller. betroffenen Kategorien sicherstellt, dann wird es uns doppelt lieb sein, einen solchen neuen Gesetzentwurf gleichzeitig mit dieser Vorlage hier zu beraten.
Ich beantrage deswegen im Namen meiner Freunde die Rückverweisung des Antrags des Beamtenrechtsausschusses, Drucksache Nr. 343, an den Haushaltsausschuß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Paschek.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn ich in kurzen Sätzen zu der Drucksache 343 im Namen meiner Fraktion Stellung nehme, so entledige ich mich hier dieser Pflicht mit der Feststellung, daß die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung keine Gehaltserhöhung ist. Ich glaube, das würden wir von jedem Beamten hören; denn das ist eine Kürzung von einem gesetzlich zustehenden Gehalt gewesen. das man den Beamten zugesprochen hat. Infolge der Notverordnung wurde eine
Kürzung durchgeführt, und heute bedarf es nur der Aufhebung dieser Kürzung, um die Gleichheit zu schaffen, die seinerzeit vorhanden war. Wenn man hier von einer Schicksalsgemeinschaft der Beamtenschaft spricht, so ist es keine Schicksalsgemeinschaft, wenn in den meisten Ländern diese sechsprozentige Kürzung bereits aufgehoben ist und nur die Bundesbeamten herausgestellt sind, die die sechsprozentige Kürzung noch zu tragen haben.
Die Gleichheit kann nur dadurch geschaffen werden, daß wir dieser Drucksache zustimmen und die Aufhebung verlangen. Es hat aber auch nichts damit zu tun, wenn es einem anderen Teil der Beamtenschaft noch nicht so weit gelungen ist, hier so hereinzukommen. Die Drucksache verlangt gerade, daß unabhängig von dieser Aufhebung der sechsprozentigen Kürzung sofort Schritte unternommen werden, daß auch alle die in Artikel 131 des Grundgesetzes erfaßten Personenkreise zu ihrem Rechte kommen. Deshalb erkläre ich im Namen der Fraktion der WAV, daß wir dieser Drucksache zustimmen.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Pannenbecker.
Meine Damen und Herren! Ich möchte gleich einleitend sagen, daß meine politischen Freunde gegen eine Rückverweisung oder nochmalige Verweisung des Antrages an den Haushaltsausschuß sind, die Herr Kollege Dr. Vogel hier beantragt hat. Wir sind der Meinung, daß der Haushaltsausschuß über die ganze Materie genügend unterrichtet ist und daß es keinerlei Sinn oder Zweck haben kann, den Haushaltsausschuß noch einmal mit dieser Sache zu beschäftigen.
Meine Damen und Herren, ich habe aus allem, was Herr Dr. Vogel hier gesagt hat, nur eins herausgehört, nämlich ein Nein.
Wenn man schon eine Rechtsungleichheit beseitigen will, dann kann man das dadurch, daß man dem Teil der Beamtenschaft, dem man die 6 Prozent noch nicht gegeben hat, nunmehr diese 6 Prozent zubilligt. Dabei handelt es sich, wie eben schon gesagt worden ist, durchaus nicht um eine Gehaltserhöhung, sondern darum, den Beamten das zu geben, was man ihnen Anfang der dreißiger Jahre, also vor rund 20 Jahren, genommen hat.
Meine Damen und Herren! Ich bin Herrn Kol- legen Arnholz dankbar dafür, daß -er in ziemlich breiter Weise zu der Sache Stellung genommen hat; ich kann mich deswegen kurz fassen. Ich möchte sagen, daß ich dem, was Herr Kollege Arnholz gesagt hat, im wesentlichen zustimme. Die Situation der Beamten, soweit sie die 6 Prozent noch nicht haben, aber auch soweit sie sie schon haben, wird durch folgendes — ich möchte sagen: treffend — gekennzeichnet. Der Herr Bundesfinanzminister hat im Haushaltsausschuß gesagt, er erkenne an, daß die Beamtenschaft, der man seit 1927 keine Erhöhung der Bezüge mehr zugebilligt habe, dadurch in den letzten Jahren eine Vorleistung bis zu 50 Prozent übernommen hat.
Wenn man. meine Damen und Herren, allein von dieser durch den Herrn Finanzminister festgestellten Tatsache ausgeht, dann scheint mir. daß es allerhöchste Zeit ist, diese Dinge zurechtzurücken.
Es handelt sich übrigens nicht nur um die 6 Prozent. Meine Damen und Herren, es gab früher in gewissen Großstädten, in besonders teuren Städten, auch noch eine Ausgleichszulage zwischen 3 und 5 Prozent. Man hat den Beamten durch die Brüningsche Notverordnung nicht nur die 6 Prozent genommen, sondern in den teuren Großstädten auch noch diese 3 bis 5 Prozent.
Zunächst sind es wirtschaftliche Gründe, die dafür sprechen, den Beamten die 6 Prozent wieder zu geben, und auf der andern Seite sind es Gründe des Rechts, von denen nach meiner Meinung nicht abgegangen werden kann. In den meisten Ländern — darauf ist schon hingewiesen worden — werden diese 6 Prozent gezahlt. Es ist auch schon gesagt worden, daß der Postbeamte in der französischen Zone die 6 Prozent bekommt, während er in der amerikanischen und britischen Zone sie nicht erhält. Es gibt Verhältnisse, meine Damen und Herren, in denen Länder- und andere Beamte im selben Hause arbeiten und die einen die 6 Prozent bekommen, während die andern, die im Nebenzimmer sitzen, sie nicht erhalten. Jeder wird zugeben müssen, daß es allerhöchste Zeit ist, daß diese Zustände beseitigt werden. Soviel ich unterrichtet bin, ist übrigens die Postverwaltung in der Lage, diese Beträge zu zahlen, und ich glaube, sie wird sich auch nicht weigern, es zu tun. Soviel ich weiß, ist bei der Postverwaltung rechtzeitig dafür gesorgt worden, daß das Geld dafür da ist.
Nun hat der Herr Finanzminister im Haushaltsausschuß auch von einer Schicksalsgemeinschaft gesprochen, die er ja auch in seine neue Gesetzesvorlage hereingenommen hat. Meine Damen und Herren, was ist denn diese Schicksalsgemeinschaft? Das ist eine Schicksalsgemeinschaft, die mindestens durch einen indirekten Zwang geschaffen wird, eine Schicksalsgemeinschaft, die man auf dem Wege einer Politik gegen den geringsten Widerstand erreicht.
Was sollen denn die Beamten machen, wenn man ihnen diese 6 Prozent nicht gibt? Man wird sie zwangsweise in diese Schicksalsgemeinschaft überführen.
Ethisch genommen ist aber eine derartige Schicksalsgemeinschaft wahrscheinlich nicht zu rechtfertigen. — Zwischenruf: „Was machen die Flüchtlinge?" Meine Damen und Herren, die Beamten, die die 6 Prozent nicht bekommen, haben doch wahrhaftig nicht allein den Krieg verloren,
und für die Flüchtlinge, meine Damen und Herren, hat das ganze Volk zu sorgen.
In irgendeiner Weise muß das geschehen.
Meine Damen und Herren! Es scheint mir, daß es höchste Zeit ist, diese Notverordnung, aufzuheben — vielleicht ist es nur noch die einzige Notverordnung, die aus der Brüningschen Zeit da ist —, und deswegen stimmen wir dafür, daß die sechsprozentige Gehaltskürzung sofort aufgehoben wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Falkner.
Meine Damen und Herren! Ich muß mich zunächst mit den Ausführungen des Herrn Abgeordneten Vogel auseinandersetzen. Er sprach von gleichem Recht und zog dann die Lage der Beamtenschaft in der Ostzone in Vergleich. Das ist meiner Ansicht nach ein falscher Vergleich.
Wir haben uns damit auseinanderzusetzen, daß gleiches Recht in der Bundesrepublik gilt. Es ist schon ausgeführt worden, daß in der Frage der sechsprozentigen Gehaltskürzung eben nicht gleiches Recht vorhanden ist.
Sie wissen, daß in einzelnen deutschen Ländern die sechsprozentige Gehaltskürzung aufgehoben ist. Sie haben ferner gehört, daß selbst innerhalb des Bundes bei den Postbeamten diese Kürzung — ich glaube: in Rheinland-Pfalz — aufgehoben ist. Diejenigen von Ihnen, meine Herren, die mit beamtenrechtlichen Fragen zu tun haben, wissen und werden es mir bestätigen, und den anderen Kollegen, die es nicht wissen, möchte ich es sagen: wir bekommen täglich Dutzende von Zuschriften von Beamten der Post und der Bahn, in denen sich diese Beamten mit Recht beklagen und die Frage aufwerfen, ob sie denn Beamte zweiter Klasse seien, weil für sie eine Gehaltskürzung aufrechterhalten werde, die für andere Beamte, die auch nicht mehr und nicht weniger leisten, beseitigt ist. Deshalb scheint es uns gleiches Recht zu sein, wenn jetzt diese Kürzung für alle Beamte aufgehoben wird.
Zweitens möchte ich dem Herrn Kollegen Vogel sagen: Es ist nicht gut, in diesem Zusammenhang von einer Gehaltserhöhung zu sprechen. Die deutsche Beamtenschaft wird nicht damit einverstanden sein, daß man es als eine Gehaltserhöhung bezeichnet, wenn es sich um die Aufhebung einer durch Notverordnung verfügten Kürzung handelt.
die auf Grund des bekannten Notstandsartikels 48 erfolgt ist, jenes Ausnahmeartikels, der nicht zum geringen Teil dazu beigetragen haben mag, die deutsche Demokratie Weimarer Prägung zu Grabe zu tragen.
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Nun aber noch ein Wort zu den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers. Was uns dabei nicht einleuchtet, ist die Verquickung der sechsprozentigen Gehaltskürzung mit Artikel 131 des Grundgesetzes. Diese Frage hat mit Artikel 131 des Grundgesetzes nichts, aber auch gar nichts zu tun.
Der Herr Bundesfinanzminister will natürlich einen finanziellen Zusammenhang konstruieren. Nun hat er uns versprochen, daß noch im Laufe dieses Monats ein Gesetzentwurf seines Ministeriums vorgelegt werde, der sich mit Artikel 131 des Grundgesetzes befasse. Aber das Innenministerium hat in diesen Tagen die Erhebungsbogen bis hinunter zu den Gemeinden hinausgegeben, da erst einmal der Personenkreis erfaßt werden müsse, der von Artikel 131 betroffen ist. Es wird Wochen und Wochen dauern, bis diese Erhebungsbogen zurück sind. Dann erst wird man an die Ausarbeitung des Gesetzes gehen können. Ich glaube kein falscher Prophet zu sein, wenn ich Ihnen sage, daß es noch Monate dauern wird,
bis die Regelung nach Artikel 131 des Grundgesetzes erfolgt ist.
Die Frage der Beseitigung der sechsprozentigen Gehaltskürzung damit in Zusammenhang zu bringen, bedeutet meiner Meinung nach, eine klare Sache zu verwirren und hinauszuschieben.
Wir wollen uns hier doch nun zu einem entschließen: Entweder ist man dafür, daß die sechsprozentige Gehaltskürzung für die davon betroffenen Beamten aufgehoben wird, und dann muß man Ja sagen, und dann ist es durchaus richtig, daß das, wie es der Beamtenrechtsausschuß beschlossen hat, mit Wirkung vom 1. Januar ab geschieht; oder man ist dagegen und muß dann Nein sagen. Aber zu sagen, man wolle die Gehaltskürzung aufheben, wolle es nur nicht sofort, sondern wolle sie mit der Regelung nach Artikel 131 in Zusammenhang bringen, ist meiner Ansicht nach eine Verwirrung klarer Dinge. Wenn man die Gehaltskürzung nicht beseitigen will, dann soll man auch den Mut haben und sagen: Nein, wir heben diese Gehaltskürzung nicht auf.
Meine Damen und Herren, wir beraten zur Zeit einen Beamtengesetzentwurf. Mir erscheint es beinahe als ein Hohn, wenn wir über ein Beamtengesetz beraten und gleichzeitig die berechtigte Forderung eines erheblichen Teils dieser Beamtenschaft nicht berücksichtigen.
— Wir haben uns jetzt über die Frage der sechsprozentigen Gehaltskürzung und nicht über andere Dinge zu unterhalten.
In dieser Frage muß man jetzt einmal klar Farbe bekennen. Wenn ich mich recht erinnere, ist auch von Ihnen, meine Herren von den Regierungsparteien. im Wahlkampf gesagt worden — ich will nicht sagen: zugesagt, aber in Aussicht gestellt worden —, daß man diese sechsprozentige Gehaltskürzung aufheben werde.
Was man vor den Wahlen gesagt hat, um Stimmen zu gewinnen. sollte man nach den Wahlen auch aufrechterhalten.
Namens meiner Fraktion möchte ich erklären. daß wir auf jeden Fall dafür sind. daß die sechsprozentige Gehaltskürzung mit Wirkung vom 1. Januar aufgehoben wird.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Nowack.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben uns im Beamtenrechtsausschuß mit der Frage der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung sehr eingehend befaßt. Ich muß zugeben, daß wir uns dort vielleicht etwas einseitig damit befaßt haben; denn wir haben wohl nicht mit der Klarheit wie die Mitglieder dieses Hauses, die dem Haushaltsausschuß angehören, Aufschluß über die finanziellen Verhältnisse bekommen, die den Bund in bezug auf die insgesamt anstehenden Fragen der Beamtenbesoldung und Beamtenabfindung aus all den ganzen Komplexen treffen, die durch die Kriegsverhältnisse zusätzlich angefallen sind. Wir haben im Beamtenrechtsausschuß der Vorlage zugestimmt und aktiv an dem Zustandekommen des Beschlusses mitgearbeitet. Nun sehen wir aber, daß heute insofern für uns eine neue Lage entstanden ist, als uns der Herr Finanzminister eine neue Vorlage angekündigt hat. Herr Finanzminister, es ist ja sehr erfreulich, daß der Entwurf bereits am Sonnabend bei Ihnen in Reinschrift vorliegt. Aber ich muß doch wohl sagen, es wäre noch erfreulicher gewesen, wenn er vor drei Wochen in Reinschrift hier dem Hause vorgelegen hätte. Vielleicht ist es Ihnen noch möglich, uns zu erklären, warum es nicht möglich war, diesen Entwurf rechtzeitig vorzulegen; denn bereits seit Anfang November hat sich der Ausschuß und hat sich das Haus mit diesem Thema befaßt. Es war also ganz klar, daß bzw. welche Entschlüsse in dieser Frage vom Hause gefaßt werden würden.
Der Vorschlag, den der Herr Finanzminister uns angekündigt hat. erscheint uns von solcher Tragweite, daß wir glauben nicht ohne weiteres daran vorübergehen zu können.
- Nein, meine Herren, wir machen hier nicht Schiebewurst, oder wenn Sie es Schiebebahn nennen wollen, sondern wir möchten uns doch mit dieser Frage dann noch einmal zusammenhängend befassen.
— Ach, meine Herren von der KPD, Sie sollten doch am besten Ihre Vorschläge in der Ostzone anbringen. Dort sind sie nämlich notwendig.
Es kommt aber darauf an, einen offenbar doch sehr umfassenden Vorschlag des Finanzministers zum mindesten kennenzulernen. Wir wollen doch, ganz gleich ob Opposition oder Koalitionsparteien, nicht nach dem scherzhaften Wort des Abgeordneten eines früheren Parlaments handeln, der erklärte: Ich kenne zwar die Absichten der Regierung nicht. aber ich mißbillige sie". sondern wir wollen doch die Absichten der Regierung einmal kennenlernen und dann zu ihnen Stellung nehmen. Was der Finanzminister uns vorgeschlagen hat. bedeutet, daß wir noch einmal um 8 oder 14 Tage die endgültige Stellungnahme zu dieser Frage aussetzen,
— ich glaube das jawohl! —, die Stellungnahme zu einer Entscheidung aussetzen die bereits seit 20 Jahren schwebt. Ich glaube, das ist doch wohl noch mit in Rechnung zu stellen, und ich möchte auch den Herrn Vorredner bitten. in diesem Sinne noch einmal eine Überlegung für sich und seine Partei anzustellen ob es nun unbedingt notwendig ist. ohne Kenntnis der neuen umfassenden Vorschläge der Regierung heute eine Abstimmung vorzunehmen oder ob es nicht auch im Hinblick auf die mögliche Realisierung dessen. was hier einmal beschlossen wird. zweckmäßiger ist, die Dinge noch einmal dem Faushaltsausschuß zu überweisen und wie ich allerdings zusätzlich beantragen will auch dem Beamtenrechtsausschuß damit wir in aller Gründlichkeit noch einmal zu diesem Regierungsentwurf Stellung nehmen.
Ich beantrage daher die Überweisung an den Haushalts- und den Beamtenrechtsausschuß,
Das Wort hat der Herr Bundesfinanzminister.
Meine Damen und Herren! Ich muß mit Bedauern feststellen, daß ein Teil der Redner mit großer Wärme und vielleicht großer Erregung und Leidenschaft gegen etwas gesprochen hat, was gar nicht zur Debatte steht, weil es gar nicht der Wille der Bundesregierung ist. Es ist davon gesprochen worden, daß es höchste Zeit sei, die Reichsverordnung über die sechsprozentige Gehaltskürzung aufzuheben. Es ist davon gesprochen worden, daß sie sofort aufgehoben werden müsse, und es ist getan worden, als ob in dieser Frage eine Debatte notwendig sei und in dieser Frage eine Meinungsverschiedenheit bestünde. Ich möchte, um Verzerrungen in der Öffentlichkeit von vornherein im Namen der Bundesregierung entgegenzutreten, feststellen, daß die Bundesregierung damit einverstanden ist, wenn das Hohe Haus beschließt: Die sechsprozentige Gehaltskürzung ist sofort aufzuheben.
— Moment! Ich darf Ihnen noch einmal erklären, worum es sich handelt. Es handelt sich nicht darum, daß die Bundesregierung der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung grundsätzlich entgegentreten will; darum geht es gar nicht! Es geht doch darum, daß ich immer den Standpunkt vertreten habe, daß die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung bei den Beamten ein Teil eines Problems ist, eines Problems, das gleiche Verhältnisse im Bundesgebiet herstellen will und dies, wenn man vernünftig handeln will, auch zu gleicher Zeit, mit dem gleichen Inkrafttreten herstellen muß. Ich habe Ihnen deshalb in Aussicht gestellt, daß ich an die Frage mit all der Beschleunigung herangehen will, die bei der heutigen Arbeitsbelastung möglich ist.
Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen sagen. daß ich bereits — ich habe es neulich zusammengestellt — 15 Gesetzentwürfe in meinem Hause. darunter doch nicht ganz unbedeutende, ausarbeiten mußte und Ihnen vorgelegt habe und daß dort noch eine große Reihe von Gesetzentwürfen und anderen Arbeiten, bei denen es sich um Milliardenbeträge für das deutsche Volk handelt, in Ausarbeitung begriffen sind. Ich hätte gewünscht, daß es möglich gewesen wäre, im Benehmen mit meinem Herren Kollegen vom Bundesministerium für
Arbeit Ihnen im gleichen Zeitpunkt all die sozialen Probleme, die vor uns stehen, mit allen Aufwendungen, die dafür erforderlich sind, vorzulegen.
damit Sie in diesem Zeitpunkt vor Augen haben. was vorhanden ist, und prüfen können, ob die Möglichkeit besteht, dem einen etwas zu geben, ohne es dem anderen zu nehmen!
Ich möchte aber in dieser Stunde gegen eine Redewendung des Herrn Vorredners Dr. Falkner mit aller Schärfe protestieren. Es ist richtig, daß die Fragebogen des Bundesministeriums des Innern über den Kreis sämtlicher Beamten und Personen herausgegangen sind, die unter den Artikel 131 des Grundgesetzes fallen. Ich nehme an, daß ein Redner, der hier spricht und das Wort eines Mitgliedes der Bundesregierung in Zweifel zieht, sich vorher wenigstens genau erkundigt hat. Er hätte sich bei den Mitgliedern des Haushaltsausschusses erkundigen und erfahren können, daß ich ausdrücklich darauf hingewiesen habe, daß dieses Gesetz zur Herstellung der Rechtsgleichheit für die ausgeschiedenen öffentlichen Bediensteten von mir vorgelegt werden muß, ohne daß die statistischen Unterlagen im Zeitpunkt der Vorlage beschafft werden können, und daß ich mir bei der Vorlage den Vorbehalt machen muß, wenn die statistischen Unterlagen die Möglichkeit ergeben, Welter entgegenzukommen, als das nach der jetzigen Situation der Fall ist, das später nachzuholen. Jeder, der über diesen Punkt spricht und Vorwürfe erhebt, hat natürlich die Pflicht, sich vorher zu erkundigen. Der Vorwurf, daß das Wort eines Vertreters der Bundesregierung nicht gelte und schon durch die Tatsachen widerlegt sei, ist ein schwerwiegender Vorwurf.
Wenn ein Mitglied dieses Hohen Hauses einen solchen Vorwurf erhebt, halte ich es für seine Pflicht, daß er sich vorher bei den Personen, die an den Beratungen teilgenommen haben, auch erkundigt.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal folgendes feststellen. Es handelt sich nur darum, daß die Bundesregierung dringend Wert darauf legen muß, daß alle diese Bestimmungen betreffend Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung — die die Bundesregierung will. ich betone das noch einmal —, daß die Schaffung der gleichen Rechtsstellung für die verdrängten öffentlichen Bediensteten und daß das, was ich die Schicksalsgemeinschaft geheißen habe, gleichzeitig in Kraft treten, weil ich damit rechnen muß, daß die Ansprüche, die an den Bund herantreten, von mir ausgewogen werden müssen. Wir haben, um nur ein Beispiel zu nennen, ein Land in Deutschland. das sich heute schon an mich wendet und sagt: Ihr habt für die Stadt Berlin soviel gegeben und meine Finanzlage ist viel schlechter als diejenige von Berlin; und ich muß es dem Land fast zugeben, daß- darauf hinweist, daß es die AlfuUnterstützungen nicht mehr zahlen kann, daß es in den nächsten Wochen schon nicht mehr in der Lage sei, die laufenden Gehälter und Löhne auszuzahlen, und das an die Bundeshilfe herantritt. Sie wissen das vielleicht nicht. Ich weiß, wie eng die Decke ist, und ich weiß, welche Aufgaben gemeistert werden müssen. Ich weiß deshalb mit welcher Klugheit, mit welchem Bedacht und mit welcher Vorsicht an die Aufgabe herangegangen werden muß. Es sind verschiedene Teilgebiete, die vor uns stehen, und wenn Sie nur ein Teilgebiet nehmen und nur die Interessenten und Betroffenen dieses Teilgebietes hören und in dem Hause vertreten. dann tun Sie sich mir gegenüber sehr leicht. Dann können Sie die Ansprüche steigern. Aber ich muß an alle diese Personen denken. Ich muß von vornherein alle Ansprüche und alle Mittel gegeneinander abwägen.
Ich bitte das Hohe Haus, diese Stellung der Bundesregierung und eines Bundesministers der Finanzen zu würdigen, und wenn dieser mit Ernst ein Ersuchen an Sie richtet. das wirklich kein Unrecht gegen irgend jemand ist, diesem Ersuchen auch zu entsprechen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Frommhold.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Trotz der von tiefem Ernst getragenen Darlegungen des Herrn Bundesfinanz-
ministers kann ich nicht umhin, im Namen meiner Freunde den dringenden Wunsch auszusprechen und unsere absolute Zustimmung dazu zu geben, daß die sechsprozentige Gehaltskürzung mit Wirkung vom 1. Januar dieses Jahres aufgehoben wird. Es ist — um hier ganz kurz auf die Ausführungen meines Kollegen Dr. Vogel einzugehen. der mit derselben Entschiedenheit wie ich die Interessen der Heimatvertriebenen und in diesem Rahmen auch die Interessen der ostvertriebenen Beamten vertritt — nicht angängig, daß man das, was man selber für seine Menschen fordert, anderen vorenthalten will. Wir können vielmehr unsere Forderung auf Gleichberechtigung nur dann auch mit innerer Überzeugung vertreten, wenn wir anderen Gruppen dieselbe Gleichberechtigung zuerkennen.
Ich möchte sagen, daß, obwohl man bislang den Beamten ihren Rechtsanspruch auf Aufhebung der Brüningschen Notverordnung vorenthalten hat, gerade wir Ostvertriebenen wohl nicht behaupten können, daß sich deswegen das Los unserer Menschen wesentlich verbessert hat. Es kommt dann natürlich die Frage, die in diesen Fällen ja immer gestellt wird, wo die Mittel herkommen sollen. Selbst auf die Gefahr hin, mich höchst unbeliebt zu machen, kann ich nur folgendes aussprechen. Das Problem der Heimatvertriebenen und das Problem ihrer Gleichstellung wird sich nur dadurch lösen lassen, daß man ernsthaft und, wenn notwendig, mit den entsprechenden Zwangsmaßnahmen an die Herbeiführung eines wirklichen Lastenausgleichs herangeht.,
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Falkner.
Ich muß eine Richtigstellung treffen. Es hat mir selbstverständlich ferngelegen, an der Behauptung des Herrn Bundesfinanzministers zu zweifeln, daß er von seinem Ministerium aus eine Gesetzesvorlage zu Artikel 131 vorbereite, obwohl ich das heute zum ersten Mai gehört habe. Ich muß aber nach wie vor folgendes feststellen. Dieses Gesetz, das Artikel 131 des Grundgesetzes regeln soll, befindet sich jetzt in Vorbereitung — es soll schon in der nächsten Woche dem Kabinett zugehen — beim Bundesfinanzministerium. Demnach kann also die Regelung nach Artikel 131 des Grundgesetzes erfolgen, ohne daß man die Erhebungsbogen, die das Bundesinnenministerium herausgegeben hat, benötigt. Bisher hat es doch geheißen - und Tausende und aber Tausende von deutschen Beamten sind damit vertröstet worden —, daß man ihre Angelegenheit nicht geregelt habe, da man nicht wisse, wie groß der Personenkreis sei, der von Artikel 131 erfaßt werde. Das Bundesfinanzministerium ist also, ohne über das Ergebnis dieser Erhebungsbogen Bescheid zu wissen, imstande, eine Gesetzesvorlage vorzubereiten. Erste Frage: Wozu brauche ich dann überhaupt Erhebungsbogen? Zweite Frage: Hat man dann, wenn die Erhebungsbogen einlaufen, zu erwarten, daß von seiten des Innenministeriums ein neuer Gesetzentwurf kommt?
— Sie können mich, meine Damen und Herren, nach einigen Monaten beim Wort nehmen. Welche Zeit wird denn vergehen, bis dieses Gesetz, das Artikel 131 des Grundgesetzes regeln soll, vom Plenum verabschiedet sein wird? Ich glaube nicht, daß wir das vor Mai fertigbringen.
Im übrigen ergibt sich ja die Frage: Warum spricht man überhaupt so lange darüber,
nachdem der Herr Finanzminister erklärt hat, die Bundesregierung stimme der Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung mit sofortiger Wirkung zu? Bitte, dann beschließen wir das! Wozu brauchen wir dann eine Überweisung an den Ausschuß?
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Die Aussprache ist damit geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Es liegt zunächst ein Antrag auf Rücküberweisung der Drucksache Nr. 343 an den Haushalts- und Beamtenrechtsausschuß vor. Ich bitte diejenigen, die der Überweisung zustimmen, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war die Mehrheit. Die Überweisung ist beschlossen.
— Ich bitte, da die Abstimmung angezweifelt wird, diejenigen, die für Überweisung sind, nochmals die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe., - Es war zweifellos die Mehrheit für die Überweisung. Das ist auch die übereinstimmende Auffassung der Herren Schriftführer.
Damit ist der Punkt 3 a der Tagesordnung erledigt.
Wir kommen nunmehr zu Punkt 3 b der Tagesordnung:
Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der 6prozentigen Gehaltskürzung nach der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom Dezember 1930 für die Verwaltungsangehörigen des Bundesdienstes und der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes. — Antrag der Fraktion der KPD — .
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Nach den Ausführungen des Herrn Bundesfinanzministers ist noch in diesem Monat damit zu rechnen, daß ein Gesetzentwurf über den Gegenstand des Punktes 3 b der Tagesordnung den gesetzgebenden Körperschaften zugeht. Ich glaube daher, daß es im Interesse einer rationellen Arbeit dieses Hauses liegt,
die Beratung über den Gesetzentwurf der Fraktion der KPD für heute von der Tagesordnung abzusetzen.
Ich beantrage das hiermit. Ich hätte es vorgezogen, oder meine Freunde hätten es vorgezogen, von dem § 36 letzter Absatz der Geschäftsordnung Gebrauch zu machen und eine Vertagung auf höchstens vier Wochen vorzunehmen. Das geht aber nach der Geschäftsordnung nicht; denn ein solcher Antrag muß gedruckt vorliegen und auf der Tagesordnung stehen. Das war deswegen unmöglich und konnte auch im Ältestenrat nicht vorgebracht werden, weil über die Ab-
sieht des Herrn Bundesfinanzministers erst heute
dem Hohen Hause Bericht erstattet worden ist.
Infolgedessen erlaube ich mir, nach § 72 der Geschäftsordnung den Antrag zu stellen, die erste Beratung des Gesetzentwurfs von der Tagesordnung der heutigen Sitzung abzusetzen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Renner.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Darf ich mir erst einmal eine Vorfrage an Sie, Herr Präsident, erlauben. Ich hatte mich bei Ihrem Vorgänger, bei dem Herrn Vizepräsidenten Dr. Carlo Schmid zum Wort gemeldet, bevor d i es e Wortmeldung zur Geschäftsordnung angebracht worden war. Ich bitte Sie, festzustellen, warum diese meine Wortmeldung nicht rechtzeitig und ordnungsmäßig an Sie weitergegeben worden ist.
— Bitte schön, dann hätte ich nämlich das Recht gehabt, vor dem Herrn zur Geschäftsordnung zu sprechen.
— Nein, ich habe das Wort zur Sache gewollt.
— Dann muß festgestellt werden, daß eine Wortmeldung vorliegt. Ihre Methode, die Geschäftsordnung zu exerzieren, artet immer mehr zu einem Beweis aus, wie undemokratisch
Sie von Ihrer Machtfülle Gebrauch zu machen gedenken.
Eine Richtigstellung an die Adresse des Sprechers der CDU, der hier zu sagen gewagt hat, daß die Stellungnahme des Herrn Finanzministers zu dem Problem uns erst heute bekanntgeworden ist. Diese Stellungnahme des Herrn Finanzministers ist im Beamtenrechtsausschuß sowohl wie im Haushaltsausschuß von demselben Herrn Finanzminister uns mindestens vor acht Tagen mit denselben Worten gegeben worden. Wir sind also nicht überrascht; höchstens paßt es Ihnen in Ihr Spiel, die Überraschten zu spielen.
- Ich habe es nicht nötig, mir von Ihnen beibringen zu lassen, was zur Geschäftsordnung gehört. Sie müßten sich an den Schuhsohlen erst ablaufen, was ich mir im Laufe von 30 Jahren angeeignet habe.
— Das sieht man an einigen Ihrer Herren, die sich heute umstellen und die Brüningschen Notverordnungen verteidigen; „Alter schützt vor Torheit nicht"; ganz richtig!
Aber zur Sache!
Zur Geschäftsordnung haben Sie das Wort, Herr Abgeordneter!
Zur Sache: also' zur Geschäftsordnung!
Dieser unser Antrag ist nichts anderes als ein (C Versuch, das Manöver abzuwehren, das im Haushaltsausschuß getrieben worden ist,
wo dieselbe Fraktion, die im Beamtenrechtsausschuß ja gesagt hat
— jawohl, der Herr der CDU, der vom Beamtenrechtsausschuß bestimmt war, hier den Beschluß des Beamtenrechtsausschusses zu begründen —, nein zu dem Beschluß gesagt hat, den er heute begründet hat.
— Das gehört zur Geschäftsordnung!
— Ich muß die Notwendigkeit beweisen können, diesen Gesetzentwurf hier einzubringen! Dazu gehört, daß ich das Manöver und das Theater enthülle, das hier bzw. im Ausschuß von Ihnen gespielt worden ist.
Ich bin der Meinung, daß das Haus über diesen Antrag hinweggehen muß. Ich vertraue nicht darauf, daß der Herr Bundesfinanzminister bzw. die Regierung innerhalb der angegebenen Zeit uns das neue Beamtengesetz vorlegen wird. Außerdem gehört ja nach der eigenen Erklärung des Herrn Finanzministers zu dem Beamtengesetz auch das Gesetz zur Regelung der Pensionsansprüche der verdrängten Beamten. Haben Sie das auch bis zu dem angekündigten Termin fertig, oder wird das am 32. Dezember des Jahres 1950 vorgelegt, also am Sankt-Nimmerleins-Tag?
— Ja, Herr Finanzminister, Ihre Taktik besteht darin, das wenige, was Sie angeblich noch haben, gerecht zu verteilen. Dabei übersehen Sie aber ganz, wenn Sie von einer Schicksalsgemeinschaft sprechen, daß man auch einmal vergleichen muß, wie sehr unterschiedlich die Schicksalsgemeinschaft der deutschen Menschen ist, ob etwa die Herren Minister zum Beispiel wirklich in einem Boot sitzen mit den zu 100 Prozent Kriegsbeschädigten, die 100 Mark Rente im Monat bekommen! Das aber ist Ihre Schicksalsgemeinschaft, das ist Ihre Konzeption Ihrer Regierungspolitik!
Hunger, Hunger und immer wieder Hunger, das ist die Folge Ihrer Politik! Das Ihnen zu sagen, war mir ein inneres Bedürfnis.
Ich hoffe, daß diejenigen im Hause, die es mit den Beamten ehrlich meinen, gegen den Antrag der CDU/CSU stimmen werden.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat Herr Abgeordneter Dr. Wellhausen.
Meine Damen und Herren! Um Irrtümern vorzubeugen, möchte ich doch feststellen, daß ich vom Beginn meines parlamentarischen Lebens an der FDP angehört habe und nicht der CDU.
Über diese Verwechslung könnte man sehr hübsche
Worte sprechen, aber das gehört nicht zur Ge-
schäftsordnung. Ich bin ein vorsichtiger Mann und habe mich beim Herrn Präsidenten Köhler schon zu Beginn der Sitzung zum Wort gemeldet, als er selbst das Präsidium in Händen hatte.
Meine Damen und Herren! Es ist der Antrag zur Geschäftsordnung gestellt,
die Vorlage unter Punkt 3 b
von der Tagesordnung abzusetzen.
Es ist namentliche Abstimmung beantragt. Zu dem Antrag auf namentliche Abstimmung ist zunächst die Unterstützung von 70 Abgeordneten nötig.
Ich bitte diejenigen, die für den Antrag auf namentliche Abstimmung sind, sich zu erheben.
Meine Damen und Herren, der Antrag zur Geschäftsordnung auf namentliche Abstimmung hat die Unterstützung von 65 Abgeordneten gefunden. Es muß infolgedessen über den Antrag auf namentliche Abstimmung abgestimmt werden.
) Meine Damen und Herren! Wir kommen nunmehr zur namentlichen Abstimmung.
— Das Wort zur Abstimmung hat der Herr Abgeordnete Neumann.
Ich darf den Herrn Präsidenten auf § 106 der Geschäftsordnung aufmerksam machen: Unzulässigkeit der namentlichen Abstimmung, und zwar Buchstabe c: Sitzungszeit und Tagesordnung, bzw. e: Vertagung oder Schluß der Besprechung. Nach meiner Meinung ist infolgedessen eine namentliche Abstimmung nicht möglich.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Herr Abgeordnete Renner.
Meine Damen und Herren! Ich bedauere außerordentlich, daß es ausgerechnet ein Sozialdemokrat war,
der dem Herrn Präsidenten die Gelegenheit geben wollte, unter falscher Auslegung des von ihm zitierten Paragraphen an dieser namentlichen Abstimmung vorbeizukommen. Hier handelt es sich nicht darum, die Tagesordung festzulegen, hier handelt es sich darum, zu einem Bericht eines Ausschusses Stellung zu nehmen.
Hier liegt ein Beschluß vor.
— Jawohl, jawohl, ein Beschluß liegt vor!
— Verzeihen Sie! Machen Sie doch keinen allzu großen Unfug!
Hier steht zur Abstimmung, ob der Antrag des Ausschusses zurückverwiesen werden soll.
— Nein, nein! Zur Abstimmung steht Ihr ursprünglicher Vorschlag. Nachdem abgelehnt worden ist, über meinen Antrag, den Gesetzentwurf, überhaupt zu sprechen, steht also Ihr Bericht, der des Ausschusses zur Abstimmung!
— Aber worüber stimmen Sie denn ab?
— Ich nehme an, daß ich vor einem Hause spreche, in dem Menschen mit normaler Gehirntätigkeit sitzen.
Nachdem unser Antrag abgelehnt worden ist bzw. nachdem abgelehnt worden ist, über den Gesetzentwurf der KPD zu debattieren, steht hier zur Entscheidung, ob der Beschluß des Ausschusses an die zwei genannten Ausschüsse zurückverwiesen werden soll.
— Sie tun sich ja selber Gewalt an, wenn Sie die Situation so interpretieren, wie Sie das jetzt tun.
Herr Abgeordneter Renner, Ihre Zeit ist abgelaufen.
Also, meine Damen und Herren, ich möchte zunächst einmal zur Klarstellung feststellen, daß meine Absicht, eine Abstimmung über den von 65 Mitgliedern unterstützten Antrag auf namentliche Abstimmung vorhin herbeizuführen, richtig war.
Die namentliche Abstimmung findet nicht schon dann statt, wenn sich 50 Abgeordnete finden, sondern diese 50 Abgeordneten sind notwendig, um einen derartigen Antrag überhaupt zur Abstimmung zu bringen. Deswegen ist meine Absicht richtig gewesen, über diesen Antrag abstimmen zu lassen. Ich hole diese Verpflichtung nunmehr nach. Ich bitte diejenigen, die für die namentliche Abstimmung sind, — —
— Ich befinde mich in der Abstimmung. — Ich bitte diejenigen, die für die namentliche Abstimmung sind, die Hand zu erheben. —
Das ist die Minderheit; der Antrag auf namentliche Abstimmung ist damit abgelehnt.
Zur Klarstellung bitte ich aber, noch diejenigen festzustellen, die sich der Stimme enthalten haben.
— Dann bitte ich auch diejenigen, die gegen die namentliche Abstimmung sind, die Hand zu erheben. — Das ist zweifellos die Mehrheit; also der
Antrag auf namentliche Abstimmung ist abgelehnt.
Wir kommen nunmehr zu dem Antrag Dr. Wellhausen, den Punkt 3 b von der Tagesordnung abzusetzen. Ich bitte diejenigen, die für den Antrag sind, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Die Mehrheit war für die Absetzung. Damit ist beschlossen, Punkt 3 b von der Tagesordnung abzusetzen.
Nunmehr kommen wir zu Punkt 4 der Tagesordnung:
Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der FDP betreffend Notstandsgebiet Watenstedt-Salzgitter .
Das Wort hat der Berichterstatter, Herr Abgeordneter Dr. Schröder.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Ausschuß für Wirtschaftspolitik hat über den Antrag der FDP Drucksache Nr. 181 beraten. Im Ausschuß ist der Standpunkt eingenommen worden, daß dieser Antrag nicht sehr konkret und nicht sehr detailliert sei. Daraufhin ist von den Antragstellern der Vorschlag gemacht worden, einen gemischten Ausschuß aus Mitgliedern der Ausschüsse für Wirtschaftspolitik und für Angelegenheiten der inneren Verwaltung einzusetzen. Dieser gemischte Ausschuß sollte ein Hilfsprogramm untersuchen, das etwa folgende Punkte enthielte: Einennung eines Bundestreuhänders für die Reichswerke, Ernennung eines Bundeskommissars für die Stadtgemeinde, Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe, Gewährung von Krediten, Verkehrserschließung, produktive Erwerbslosenfürsorge, Sperrung des Flüchtlingszustroms und Entschädigung der ehemaligen Landeigentümer.
Gegen diesen Vorschlag ist eingewendet worden, daß damit zu sehr in die Verwaltungsarbeit der Regierung eingegriffen würde. Man hat sich danach einstimmig entschlossen, den Antrag umzuformulieren und ihn in eine Anfrage an die Regierung zu verwandeln. Diese Formulierung liegt Ihnen als gemeinschaftlicher Antrag des Ausschusses in Drucksache Nr. 362 vor. Die Besprechungen im Ausschuß haben etwa Mitte Dezember stattgefunden, und so erklärt es sich, daß in dem Antrag die Bundesregierung bis zum 15. Januar um Auskunft ersucht werden sollte. Diesen Termin haben wir inzwischen hinter uns. Deswegen macht der Ausschuß den Vorschlag, den Termin „15. Januar" durch „31. Januar" zu ersetzen.
Wir bitten Sie, dem Antrag in dieser Fassung zuzustimmen.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist hier eine Eingabe gemacht worden, um eine Klarstellung darüber herbeizuführen, was im Gebiet Watenstedt-Salzgitter in der Zwischenzeit geschehen ist und was in der Zukunft geschehen kann. Der Ausschuß wollte eine klare Auskunft darüber haben, was in der Zwischenzeit von der Bundesregierung in Zusammenarbeit mit der niedersächsischen Landesregierung getan worden ist.
Ehe man das Gebiet Watenstedt-Salzgitter in seiner Gesamtheit in die Betreuung nimmt, muß man einigermaßen einen Überblick darüber haben, inwieweit man diesem Gebiet helfen kann. Soweit die Betriebe dort im Gange sind, haben wir alles getan, um keine weitere Arbeitslosigkeit eintreten zu lassen. Einmal hat der Bundesfinanzminister für die Inganghaltung des Braunschweiger Stahlwerk 5 Millionen D-Mark zur Verfügung gestellt und darüber hinaus für dasselbe Werk Zahlungssicherheiten an die Reichsbahn in Höhe von 71/2 Millionen Mark gegeben. Darüber hinaus ist in der Zwischenzeit von der Bundesregierung einem Eisenbahnprogramm zugestimmt worden, welches ungefähr einen Kostenaufwand von 20,5 Millionen ausmacht. Davon werden von der Bundesregierung 10,5 Millionen zur Verfügung gestellt.
Die Frage ist nun die: was kann in der Zukunft geschehen? Wer das Gebiet Watenstedt-Salzgitter kennt, weiß, daß dort vor dem Jahre 1933 34 000 Einwohner vorhanden waren. Heute sitzen in dieser unglücklichen Stadt und in dem Gebiet, das man zum Wirtschaftsgebiet Watenstedt-Salzgitter rechnen muß, insgesamt 134 000 Menschen. Sie sind dort zusammengeballt, weil man die Hermann-Göring-Werke geschaffen hatte, in denen nicht weniger als 66 000 Menschen beschäftigt waren, davon allein 35 000 Deutsche. Wenn man diesem Gebiet nun wieder eine Lebensgrundlage geben will, kann das meines Erachtens nur geschehen, wenn man von diesem Werk, das heute „Reichswerke" heißt, einen Restbetrieb beläßt, der in sich lebensfähig ist. Derartige Verhandlungen sind mit der Werksleitung unter Hinzuziehung der Gewerkschaften und des Betriebsrates geführt worden. Es ist ein Plan zustande gekommen, wonach man von dem Werk vier Hochöfen erhält und der Werksleitung darüber hinaus die Möglichkeit gibt, in der zur Demontage stehenden Eisengießerei einen großen Teil des dort eingeschmolzenen Eisens in halbfertige oder fertige Fabrikate umzuwandeln. Wir müssen uns darüber klar sein, daß ein Werk in drei Hochöfen allein, wie es die Militärregierungen seither genehmigt haben, nicht lebensfähig gestaltet werden kann. Alle Fachleute bestätigen, daß man für das dort hergestellte Roheisen, das zur Verarbeitung nach der Ruhr geschickt werden muß, unmöglich einen Preis erzielen kann, der die Gestehungskosten deckt. Zur Zeit arbeitet dort ein Hochofen, und es ist so, daß die Gestehungskosten um 15 D-Mark pro Tonne über dem Verkaufserlös liegen. In dieser Form könnte das Werk nur mit ungeheuren Subventionsmitteln aufrechterhalten werden. Der Herr Bundeskanzler hat deshalb eine Eingabe an die Hohen Kommissare gerichtet, die vorschlägt, von den vorhandenen Werksanlagen das zu belassen, was in Verbindung mit vier Hochöfen eine Wirtschaftseinheit ermöglicht, die rentabel gestaltet werden kann. Ehe über diese Eingabe eine endgültige Entscheidung getroffen worden ist, ist es meines Erachtens unmöglich, eine wirkliche Planung für das dortige Gebiet durchzuführen. Denn wir müssen uns darüber klar sein, daß dieses Werk oder vielmehr dieses Wirtschaftsgebiet nur dann auf die Dauer lebensfähig sein wird, wenn man ihm eine natürliche Lebensgrundlage gibt, und die ist doch einzig und allein in dem lagernden Erz vorhanden. Nur wenn man das Erz dort an Ort und Stelle verhüttet und darüber hinaus weitgehend auch verarbeiten kann, ist eine Lebensfähigkeit für die 134 000 Einwohner dieses
Gebietes sichergestellt. Wir hoffen deshalb zuversichtlich, daß es den Bemühungen der Bundesregierung gelingt, die Hohen Kommissare von der Notwendigkeit zu überzeugen, die Restwerksanlagen in diesem Umfange zu erhalten.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Wackerzapp.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der vorgeschrittenen Zeit will ich nur kurz Ihre Aufmerksamkeit auf einige Gesichtspunkte hinlenken. Das Kommunalgebilde Watenstedt-Salzgitter trägt einen ganz besonderen Charakter. Es ist nicht aus den Bedürfnissen der eingeborenen Bevölkerung herausgewachsen und nicht organisch entstanden, sondern willkürlich nach den Eigenarten und Notwendigkeiten eines einzigen überragenden Industriebetriebs, nämlich der Reichswerke, gebildet worden.
Die organisatorische Gestaltung aus 27 Gemeinden wird von der einen Seite als ein Musterstück preußischer Verwaltungskunst gerühmt, während andere sie als ein kommunalpolitisches Monstrum ablehnen. Ich persönlich stehe auf dem Standpunkt, daß die kommunale Form, wie sie tatsächlich gefunden worden ist, unter den gegebenen Notwendigkeiten die relativ beste Lösung darstellt. Aber es zeigt sich hier in katastrophaler Weise das jedem Kommunalpolitiker bekannte Problem, wie gefährlich es ist, wenn ein Gemeinwesen in seiner Existenz von dem Wohl und Wehe eines einzigen beherrschenden Industrieunternehmens abhängig ist.
B) Die Reichswerke sind nach dem Kriege stillgelegt und zum Teil abmontiert worden. Dadurch ist die enorme Arbeitslosigkeit und die Unsicherheit der gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse entstanden. Ich möchte mich über die Methoden, die bei der Demontage angewandt wurden, und über die langjährigen zermürbenden Verhandlungen nicht verbreiten. Sie haben letzten Endes zu einem Mißerfolg geführt.
Ich darf mir in diesem Zusammenhang eine kurze Abschweifung gestatten. Ich las kürzlich aus dem Reisebericht eines englischen Schriftstellers, wie er über die norddeutsche Bevölkerung denkt. Da ist ihm als ein besonderes Charakteristikum die sogenannte „Sturheit" aufgefallen. Da er hierfür offenbar im Englischen kein passendes Wort fand, hat er diesen Begriff folgendermaßen definiert: „Sturheit ist eine Eigenschaft, die sich aus Störrigkeit, Zurückhaltung, Phlegma, Schweigsamkeit und der Unfähigkeit zusammensetzt, freimütig auszusagen, was man empfindet, schnell zu denken oder sich klar auszudrücken." Wir haben nun bei den Demontageverhandlungen die Wahrnehmung gemacht, daß diese uns zugeschriebenen Eigenschaften auch bei der Britischen Militärregierung in beträchtlichem Umfange zu spüren waren. Wir sind aber nicht nur darüber betrübt, daß uns wertvolle volkswirtschaftliche Anlagen aus unbegreiflichen Gründen genommen worden sind, sondern wir haben auch über die Art und Weise Klage zu führen, wie die laufende Verwaltung der Reichswerke, die ja unter englischem Sequester steht, geführt wird. Hier ist von Großzügigkeit nichts zu spüren. Es herrscht ein kleinlicher Geist, eine lähmende Buchstabengläubigkeit; die Verantwortungsfreudigkeit der zuständigen Verwaltungsstellen zu schnellen Entschlüssen ist überaus gering entwickelt. Wenn wir bei unseren deutschen Behörden vielfach darüber klagen, daß überspitzter Formalismus und Bürokratismus unproduktiven Leerlauf zur Folge hat, so müssen wir feststellen, daß auch die alliierten Militärbehörden auf diesem negativen Gebiet recht beachtliche Leistungen aufzuweisen haben.
Wir danken der Regierung, daß sie sich so tatkräftig bemüht hat, diesem Elendsgebiet zu helfen. Aber es genügt nicht, daß nur für die akuten Notstände Abhilfe geschaffen wird, sondern es muß auch dafür gesorgt werden, daß die vielfach noch fehlenden kommunalen Grundlagen bereitgestellt werden, damit die ebenso kräftige wie weitblickende Stadtverwaltung die Möglichkeit erhält, auch wirklich produktive Arbeit zu leisten. Darüber hinaus müssen alle wirtschaftlichen und finanziellen Hilfsquellen erschlossen werden, die auf diesem Gebiete möglich sind. Solche Entschlüsse sollten um so leichter fallen, als alles das, was hier geleistet und aufgewendet wird, nicht in ein Faß ohne Boden geschüttet wird. Wir sind vielmehr davon überzeugt, daß alles das, was im Salzgitter-Raum angelegt wird, auf lange Sicht gesehen sich reichlich lohnen wird. Die unermeßlichen Naturschätze dieses Gebietes werden in irgendeiner Form zu geeigneter Zeit zur fruchtbaren Auswirkung kommen. Wir glauben, daß damit nicht nur den deutschen Interessen ein wesentlicher Dienst erwiesen wird, sondern auch der gesamten Wirtschaft Europas.
Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Brökelschen.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Der Arbeitsminister hat darauf hingewiesen, daß dieses unglückselige Wirtschaftsgebiet Watenstedt-Salzgitter in ganz kurzer Zeit entstanden ist. Es ist nicht mit Unrecht in einer Zeitung neulich von Goldgräbertempo geredet worden. Das sagt sich alles sehr leicht hin. Aber die Folge dieses rapiden Tempos ist gewesen, daß während des Krieges dieses Salzgitter mit 36 000 Ausländern belegt gewesen ist. Die sind inzwischen weg bis auf einen Rest von 9 000. Dafür sind aber in dieses Gebiet 30 000 Flüchtlinge eingeströmt, und die schwierige wirtschaftliche Situation, in der sich Salzgitter im Augenblick befindet, bedeutet für diese mehr als 30 000 Flüchtlinge jetzt die Gefahr, zum zweiten Mal aus einer nun eben gesicherten Existenz herausgeworfen und zum zweiten Mal in Elend und Heimatlosigkeit hineingetrieben zu werden. Dieser Gesichtspunkt muß neben den wirtschaftlichen Gesichtspunkten unbedingt mit in Erwägung gezogen werden.
Meine Damen und Herren! Es ist gesagt worden: wenn es nicht gelingt, dieses Salzgitter irgendwie zu sanieren, dann kann man ja den Versuch machen, die arbeitende Bevölkerung nach dem Westen abzutransportieren und dort in den Betrieben einzusetzen. Dagegen muß gesagt werden, daß Salzgitter wie kaum eine andere Stadt gerade in diesem rapiden Tempo sehr viel Wohnraum geschaffen hat und daß wir es uns auf keinen Fall leisten können, daß bei einem Abwandern der Arbeiter dieser Wohnraum leersteht. Was würde die Folge sein? Daß in den von den Arbeitern verlassenen Wohnraum Elendsmassen hineinströmen würden — Frauen und Kinder —, die die ganz furchtbare Situation von Salzgitter noch
erschweren würden. Wir würden durch eine Abwanderung der Arbeiter infolgedessen in Salzgitter ein Elendsgebiet bekommen, das wir aus mehr als einem Grunde, worauf ich hier nicht einzugehen brauche, uns in der Nähe der sowjetischen Zone einfach nicht leisten können.
Meine Damen und Herren! Es ist von dem Herrn Kollegen Wackerzapp darauf hingewiesen worden, daß unbedingt jetzt diesem Salzgitter nach der kommunalen Seite geholfen werden muß. Lassen Sie mich da als Frau das eine sagen: Es ist unmöglich, daß in einem Gebiet, dem jede Tradition fehlt, irgendein Geist, irgendeine Heimatmöglichkeit geschaffen wird, wenn in diesem Gebiet nicht die allerprimitivsten Voraussetzungen des Lebens auf dem Gebiet der Hygiene, der Kultur usw. geschaffen werden. Es muß nachgeholt werden, was der Nationalsozialismus in seiner brutalen, nur wirtschaftlichen Einstellung versäumt hat. Wir müssen mit Schulen, Krankenhäusern, Kinderheimen usw. usw, hier in diesem Gebiet nachkommen. Meine Damen und Herren, es muß ein Geist in diesem Salzgitter geschaffen werden. Da lassen Sie mich mit allem Ernst das eine sagen: dieses Salzgitter ist nicht nur ein wirtschaftliches Problem, sondern dieses Salzgitter, das unmittelbar an der Grenze der britischen Zone liegt, ist ein politisches Problem. Wir haben hier oft von Berlin als dem letzten Bollwerk der westlichen Kultur gesprochen. Ich möchte sagen, daß Salzgitter die Möglichkeit für das Absprungbrett einer Nichtkultur nach Westen bedeutet,
und daß wir infolgedessen die Verpflichtung haben, alles daranzusetzen, daß hier an der Grenze einer anderen Zone Lebensmöglichkeiten geschaffen werden, die westlichen zivilisatorischen und kulturellen Bedingungen entsprechen und die es uns möglich machen, uns mit Erfolg für diese Dinge hier weiter einzusetzen. Wir müssen dieses Gebiet so gestalten, daß kein Anlockmittel gegeben wird, östliche Segnungen zu ersehnen.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Stegner.
Meine Damen und Herren! Sie werden vielleicht sagen: Watenstedt-Salzgitter ist nicht so wichtig, als daß viele Worte darüber verloren werden müßten. Es ist aber doch eines der -merkwürdigsten Gebilde, um die sich der Bund unbedingt kümmern muß. Wir haben zwei Wirtschaftsgebiete, die im „Dritten Reich", ich möchte sagen, ad hoc geschaffen worden sind. Das eine war die Volkswagenstadt, die im wesentlichen fertig geworden ist und uns infolgedessen nicht mehr soviel Sorgen bereitet. Das zweite Gebiet ist der Stadtkreis Watenstedt-Salzgitter. Das Merkwürdige an diesem Stadtkreis ist nun folgendes. Es ist also eine Stadt. Sie finden diesen Namen aber weder postalisch noch geographisch noch sonstwo. Es ist keine Stadt geworden. Dieser Stadtkreis wurde nach der Gründung der Reichswerke im Jahr 1941 aus Gebietsteilen zweier Landkreise zusammengesetzt. Es war eine rein dörfliche Bevölkerung mit Dörfern von 600, 800 his 1000 und 1500 Einwohnern. Daraus wurde eine Stadt, über deren Bevölkerungsbewegung der Herr Bundesarbeitsminister vorhin schon berichtet hat.
Nun ist es selbstverständlich und nach dem früheren Reichsrecht vollkommen klar, daß eine solche neugebildete Stadt mit einer kommunalen Erstausstattung versehen werden muß, und es ist weiter klar, daß eine Bevölkerungszunahme natürlich entsprechende Einrichtungen verlangt. Sie finden zum Beispiel in Watenstedt-Salzgitter nicht nur, wie die Kollegin Frau Dr. Brökelschen gesagt hat, keine Schulen und keine hygienischen Einrichtungen, sondern es reichen auch die Friedhöfe ebenso wie die anderen primitivsten Dinge nicht, und wenn ein Einwohner aus Watenstedt-Salzgitter zum Finanzamt fahren muß, dann muß er bei den schlechten Verkehrsverhältnissen kilometerweit in andere Kreise fahren; denn Watenstedt-Salzgitter hat nicht einmal ein eigenes Finanzamt.
- Meine Damen und Herren, Sie halten das nicht für wichtig. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich kann mir vorstellen, daß auch die Leute in Watenstedt-Salzgitter viel häufiger zum Finanzamt fahren müssen, als ihnen lieb ist. Wir müssen uns also mit diesen Fragen befassen.
Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich einmalig, daß die kommunale Erstausstattung dieser Stadtgemeinde vom Reich nicht gegeben worden ist. In der Zwischenzeit hat das Land Niedersachsen, das finanziell ja mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und sicher in dem Fall nicht ohne weiteres der Rechtsnachfolger des Reiches war, zwar alles mögliche getan, um die ärgste Not in Watenstedt-Salzgitter zu lindern — das muß anerkannt werden —; sie konnte aber diese grundsätzliche Regelung auch nicht durchführen. Das ist heute eine Aufgabe des Bundes; denn es handelt sich dort um ein Gebiet, von dem der Herr Bundesarbeitsminister sagte, daß dort die Menschen Wohnstätten haben und daß dort die Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Das wird vielleicht auf diesem oder jenem Wege gelingen. Wenn die Menschen dort aber Arbeit und Wohnstätten haben,. dann muß man ihnen auch alle die Dinge geben, die zur Existenz und zum kommunalen Leben überhaupt notwendig sind. Das ist das Entscheidende dabei, und deshalb erlaubten wir uns, in dieser Richtung die Fragen an die Bundesregierung zu richten. Ich würde sehr wünschen, daß wir bis zum 31. Januar eine Antwort bekommen; denn es drängt nicht nur die wirtschaftspolitische Seite, es drängt dort vielmehr die kommunalpolitische Seite. Wir wollen nicht vergessen, daß auch in Watenstedt-Salzgitter letzten Endes nicht allein das Werk, sondern der Mensch im Mittelpunkt der Dinge steht und stehen muß.
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Richter.
Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP, Watenstedt-Salzgitter zum Notstandsgebiet zu erklären, ist am 10. November 1949 hier eingegangen. Es ist nicht ganz unbeachtlich, daß heute „schon" in diesem Hohen Hause über die Frage gesprochen wird, obwohl meiner Überzeugung nach manchmal Dinge hier behandelt wurden, die weiß Gott nicht so wichtig waren, als daß man sich der Not dieses Stadtgebietes nicht schon früher hätte annehmen sollen.
Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist: Wie kann man Watenstedt-Salzgitter möglichst schnell helfen? Ich muß meinem Vorredner hier insofern
widersprechen, als er auf die finanzielle Notlage des Landes Niedersachsen hinwies und meinte, man hätte dort nicht in dem Maße helfend eingreifen können, wie es die Not der Bevölkerung erfordert hätte. Ich stelle in diesem Zusammenhang nur fest, daß in Niedersachsen heute noch Millionen für Dinge ausgegeben werden, die nicht so notwendig wären, die überhaupt nicht zu verantworten sind, während diese Gelder auf der anderen Seite fehlen, um die Not in einem Gebiet zu lindern, dessen sich — wenigstens den Worten nach - alle diejenigen, die für die Geldausgaben in Niedersachsen verantwortlich sind, doch so sehr „annehmen".
- Diese Angelegenheit ist jederzeit zu belegen.
Wenn man den Verlauf der heutigen Sitzung beobachtet, muß man sagen, daß es notwendig wäre, viel schneller zu entscheidenden Beschlüssen zu kommen. Man sollte nicht immer einwenden: das kommt alles noch, die Bundesregierung wird noch dieses und jenes tun! Wenn hier eine Antwort der Bundesregierung, die einigermaßen befriedigend sein soll, bis zum 31. Januar eingegangen sein sollte, dann sind seit dem Eingang des FDP-Antrages, dem wir durchaus unsere Zustimmung geben, bis zum Eingang der Antwort fast drei Monate vergangen, ohne daß den Menschen dort praktisch während dieser Zeit geholfen worden ist.
Es ist also unbedingt notwendig, daß sich die Regierung in allerkürzester Zeit und in ganz besonderer Weise dieses Gebiets annimmt und darüber lieber manche anderen Dinge etwas zurückstellt.
Ich möchte darüber hinaus noch auf eines hinweisen. Im Petersberg-Abkommen ist Watenstedt-Salzgitter von der Demontageliste nicht ausgenommen worden. Das haben wir damals schon kritisiert. Gegen ein solches Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann nicht genug protestiert werden. Ich möchte aber außerdem auf einen weiteren Mangel des Petersberg-Abkommen hinweisen, den ich damals auch schon erwähnte, daß nämlich der Wiederaufbau demontierter Industrie vom Sicherheitsamt abhängig gemacht werden kann. Ich habe seinerzeit schon erklärt, daß es dieses Sicherheitsamt sehr leicht hat, jeden Wiederaufbau in einem solchen Notstandsgebiet zu verhindern und dies immer mit Sicherheitsbedenken zu begründen und dadurch das deutsche Volk daran zu hindern, diesen Menschen, denen auf dem schnellsten Wege Hilfe zuteil werden muß, diese Hilfe auch tatsächlich zu gewähren. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man auch den Alliierten gegenüber in dieser Richtung einmal eine etwas deutlichere Sprache sprechen müßte.
Darüber hinaus ist es vor allem notwendig, daß im Kampf um die Lebensrechte des deutschen Volkes und gerade auch der Menschen in diesem Gebiet alle zusammenstehen sollten, ganz gleich welcher Parteirichtung sie angehören. Den Alliierten müßte hier auch einmal gesagt werden, daß das ganze deutsche Volk hinter solchen Forderungen steht, die die Lebensbelange von Hunderttausenden deutscher Menschen betreffen.
Meine Damen und Herren!' Das Wort hat der Herr Abgeordnete Bielig.
Meine Damen und Herren! Über die Genesis der Stadt Watenstedt-Salzgitter ist genug gesprochen worden. Mich als den dort gewählten Abgeordneten interessiert es viel mehr, was heute ist.
Das, was der Herr Arbeitsminister Storch gesagt hat, kann ich wohl nicht als eine Antwort bzw. als eine Vorwegnahme der Erklärung der Regierung ansehen, die ja erst nach dem 31. Januar erfolgen soll. Ich muß aber in diesem Zusammenhang auf einige Dinge hinweisen, die bei der Betrachtung des ganzen Problems unbedingt erörtert werden müssen.
Der Redner der Nationalen Rechten hat davon gesprochen, daß im Petersberg-Abkommen die trage der ehemaligen Reichswerke nicht zufriedenstellend gelöst werden konnte. Meine Damen und Herren, es ist notwendig, einmal darauf hinzuweisen, daß es der höchste Repräsentant der Bundesrepublik gewesen ist, der in Hannover ausgeführt hat, dab Watenstedt-Salzgitter ein Opfer gebracht habe. Ich könnte diese Worte in einer anderen Zusammenstellnung in den Satz zusammenfügen — und ich glaube, daß ich dabei durchaus im Recht bin -, nämmlich in den Satz, daß Watenstedt-Salzgitter geopfert worden ist.
Meine Damen und Herren, ich muß daran erinnern, daß auf der Liste der Betriebe, über die auf dem Petersberg verhandelt worden ist, ursprünglich bezeichnenderweise die Reichswerke Watenstedt-Salzgitter nicht nur an letzter Stelle standen, sondern daß — wieder bezeichnenderweise — nur ein einziger Teil des Betriebs als Objekt der Verhandlungen vorgesehen war.
Das war derjenige Teil, der den Namen „Krupp-Rennanlage" trägt. Das ist der einzige Teil dieses Riesenwerkes, der nicht Bundesbesitz, sondern Privatbesitz ist,
der überhaupt nicht in Betrieb und nur von zwei Nachtwächtern bewacht ist.
Diesen Teil des Betriebs wollte der Herr Unterhändler auf dem Petersberg aus den Verhandlungen herausgenommen wissen.
Meine Damen und Herren, nach dem Abkommen vom Petersberg hat der Hohe Kommissar Sir Briand Robertson eine Pressekonferenz abgehalten und hat dabei — ich zitiere hier den Bericht der „Welt" — gesagt, daß die Reichswerke Watenstedt-Salzgitter gar nicht in der Lage seien, produktiv, das heißt wirtschaftlich zu arbeiten. Mit diesem Argument können wir uns hier nicht auseinandersetzen. Ich darf nur feststellen, daß die Wirtschaftlichkeit eines Stahlwerks, das vor etwa 10 Jahren erstellt worden ist, dadurch unter Beweis gestellt wurde, daß dasselbe Stahlwerk von demselben Erbauer in England erbaut worden ist, um dieselben „armseligen" sauren Erze zu verhütten.
— Er hat dieselben sauren Erze.
— Meine Herren, Sie scheinen zu denjenigen zu
gehören — ich bin kein Stahlfachmann, aber es gibt in Ihrem Kreise Stahlfachleute genug —, die heute noch meinen, man solle ruhig auf die „armseligen" sauren Erze verzichten. Das würde allerdings das wirkliche Todesurteil für Watenstedt-Salzgitter bedeuten. Die Tendenzen gehen jedenfalls auch dahin.
Meine Damen und Herren, in dem zweiten Teil der Ausführungen, wie sie in dieser Zeitungsnotiz über die Pressekonferenz des Hohen Kommissars Robertson berichtet werden, war ein weiterer sehr aufschlußreicher Satz enthalten, nämlich: Für die Erhaltung der ehemaligen Reichswerke Watenstedt-Salzgitter wurden von dem deutschen Unterhändler keine durchschlagenden wirtschaftlichen Gründe vorgebracht.
Ich weiß nicht, ob ich das noch zu kommentieren habe. Eine Woche darauf wurde in dem „Industriekurier", einer immerhin nicht ganz unbekannten Zeitung, unter dem 1. Dezember ein Interview des Arbeitsministers Storch auf der ersten Seite unter der Überschrift gebracht: Die Wahrheit über Salzgitter. In diesem Interview hat nach der Zeitung Industriekurier" der Herr Arbeitsminister Storch gesagt, daß all die Gerüchte über die katastrophalen Auswirkungen der Demontage in Watenstedt-Salzgitter keineswegs zutreffend seien.
Ich glaube. dem Herrn Arbeitsminister ist, als er in Watenstedt-Salzgitter gewesen ist, etwas anderes berichtet und eine andere Meinung vorgetragen worden. Der Herr Arbeitsminister hat die Meinung vertreten, daß seine Darlegungen von der Presse entstellt worden seien. Meine Damen und
Herren, ich muß doch einmal auch als Pressemann sagen, daß mit der Methode, die Presse unter allen Umständen und bei jeder Gelegenheit zum Prügelknaben zu machen, aufgehört werden muß. Es geht nicht an, wenn irgendeine Sache schief gelaufen ist, immer wieder zu sagen: Der betreffende Journalist hat mich falsch verstanden. In diesem Fall ist es sogar so, daß nicht nur ein Journalist, sondern einige Journalisten die schriftlich herausgegebenen Äußerungen des Herrn Arbeitsministers Storch mißverstanden haben müßten.
In diesem Artikel sind noch manche Dinge enthalten, über die zu reden wäre. Aber ich glaube, man kann bei gegebener Gelegenheit, das heißt also nach dem 31. Januar dieses Jahres, noch darauf zurückkommen. Es ist, um nur eines herauszunehmen, auch nicht richtig, wie der Herr Arbeitsminister nach dem Artikel gesagt hat, daß die Arbeitslosigkeit in der Stadt Watenstedt-Salzgitter lediglich auf die Demontagen der letzten Zeit zurückzuführen wäre, vielmehr darauf, daß seit 1945 in diesem Betrieb überhaupt nicht mehr gearbeitet worden sei. Ich will hier nicht untersuchen, wer diejenigen sind, die dafür verantwortlich gewesen sind, daß nicht sofort wieder mit produktiver Arbeit dort begonnen wurde.
Man könnte sie mit Namen nennen. Vielleicht ist es der Herr ehemalige Generalmanager und spätere Treuhänder der Reichswerke Watenstedt-Salzgitter gewesen, der nicht dafür gesorgt hat.
Der Herr Bundesarbeitsminister hat gesagt, daß, wenn die vier Hochöfen erhalten bleiben, das heißt: auch der Hochofen Nr. 5 der Hochofengruppe, die vier Hochöfen umfaßte, dann die Möglichkeit bestünde, die Belegschaft an der Arbeit zu erhalten bzw. sie noch zu vergrößern. Das ist leider nicht richtig. Ich muß auch hier wieder an die Stahlfachleute appellieren und sie fragen, ob es möglich ist, bei einer arbeitenden Hochofengruppe durch die Hinzunahme eines letzten, noch nicht arbeitenden Hochofens, wie neulich durch die Zeitung ging, zehntausend Menschen mehr zu beschäftigen. Das ist natürlich — ich finde keinen rechten parlamentarischen Ausdruck dafür —, wir wollen einmal sagen: reichlich übertrieben.
Der Herr Bundesminister Storch hat darauf hingewiesen, die Gestehungskosten der Reichswerke für Umschmelzeisen seien derart hoch, daß dieses Eisen nur mit Verlust verkauft werden könnte. Das ist momentan richtig. Das liegt aber daran, daß die weiterverarbeitende Industrie nicht den Preis zahlt, den sie zahlen könnte. Den könnte sie aus dem einfachen Grund zahlen, weil ich Ihnen die Zahlen nennen kann, die das Umschmelzeisen dort kostet — nicht in Watenstedt-Salzgitter — und wo dieser Preis noch höher liegt als der Preis, den man den Reichswerken Watenstedt-Salzgitter überhaupt zubilligt.
Der Herr Bundesminister hat weiter gesagt, es sei einzig und allein richtig, das dort in einer Menge von zwei Milliarden Tonnen anstehende Erz an Ort und Stelle zu verhütten. Das ist rich, tig; das ist notwendig. Aber wenn es wirtschaftlich geschehen soll, dann muß dieses Erz nicht nur verhüttet werden, sondern dann muß es auch zu Stahl weiterverarbeitet werden, und das ist das Entscheidende. Es ist eben nicht so, Herr Arbeitsminister, wie im „Industriekurier" geschrieben wurde. daß nur das Walzwerk und das Stahlwerk demontiert worden seien und daß die Gießerei und die Schmiede erhalten bleiben. Die Schmiede ist eine leere Halle. und die zweite Halle der Schmiede dient jetzt ganz anderen Zwecken.
Was in Watenstedt-Salzgitter nottut, das ist erstens, daß die Bundesregierung sich ganz energisch — und ich darf wohl mit Recht sagen: energischer als bisher — dafür einsetzt, daß die Restbestandteile des Werkes, wie sie noch stehen, erhalten bleiben. Weiterhin muß die Bundesregierung dafür Sorge tragen, daß, wie von einem meiner Herren Vorredner ausgeführt wurde, endlich einmal dieser Goldgräberstadt die kommunalpolitische Erstausstattung gegeben wird.
— Das ist nicht nur Landessache, das ist darum Bundessache, weil der Bund nicht nur Besitzer, sondern weil der Vorgänger des Bundes, das weiland entschlafene Großdeutsche Reich, der Ersteller dieser Stadt gewesen ist. Die kommunalpolitische Erstausstattung ist aber nur ein Teil der notwendigen Dinge, die dort geschaffen werden müssen.
Notwendig ist weiter, daß Industrien angesiedelt werden, Industrien, die in der Lage sind, die dort vorhandenen Arbeitskräfte wirklich aufzunehmen, das heißt also, nicht nur Schwerindustrien, sondern auch Leichtindustrien, die die zahlreich vorhandenen jüngeren und weiblichen Arbeitskräfte, die, wie meine Frau Vorrednerin sagte, zum Teil durch den starken Flüchtlingszustrom vorhanden sind, beschäftigen können. Es geht nicht so, wie hier gesagt wurde, daß man vielleicht die dort anwesenden Arbeitskräfte einfach abtransportieren kann. Die Rednerin, die das vorschlug, hat zugleich
gesagt, daß es nicht möglich ist, weil 12 500 Wohnungen vorhanden sind und weil schließlich Watenstedt-Salzgitter nicht zum Bundesarmenhaus gemacht werden kann. Denn diese Wohnungen müßten eines Tages doch benutzt werden.
Der Redner der Deutschen Rechtspartei hat gesagt, er habe damals angesichts der Ergebnisse des Petersberg-Abkommens hier kritisiert, daß die Reichswerke Watenstedt-Salzgitter nicht darunter seien. Das mag wohl stimmen. Derselbe Redner hat aber nicht, nachdem er so protestiert hat, dem Protestantrag meiner Fraktion, nämlich der Regierung für diese mißlungenen Verhandlungen das Mißtrauen auszusprechen, zugestimmt,.
Es wird noch manches über Watenstedt-Salzgitter gesagt werden müssen, wenn die Regierung ihre endgültige Antwort gibt. Notwendig ist es jedenfalls — und das muß möglichst schnell getan werden. daß ausreichende Kredite dafür bereitgestellt werden, daß die Maßnahme für die Erneuerung der Gleisanlagen, der Neuherrichtung der Bahnanlagen in Angriff genommen werden können, und daß Kredite bereitgestellt werden, die der Industrie in Watenstedt-Salzgitter das Leben ermöglichen und der Bevölkerung dort auch Arbeit geben.
Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst einmal folgendes feststellen. Die beiden Herren Vorredner haben soeben vom 31. Januar gesprochen; in dem Antrag auf Drucksache Nr. 362 wird vom 15. Januar gesprochen.
- Insofern ist eine Abänderung seitens des Herrn Berichterstatters vorgeschlagen worden.
Ich wollte das nur für die nachherige Abstimmung wissen.
Das Wort hat der Herr Bundesarbeitsminister Storch.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich will mich nicht in allzu große Diskussionen einlassen, sondern möchte meinem Vorredner nur das eine sagen. Wenn er von dem Artikel des „Industriekuriers" spricht, dann sollte er ihn einmal richtig durchlesen. Dann findet er nämlich, daß ich dem Vertreter dieser Zeitung gesagt habe: Nach den mündlichen Erklärungen, die auf dem Petersberg über Watenstedt-Salzgitter abgegeben worden sind, untersteht eigentlich nur die Walzenstraße und darüber hinaus das Stahlwerk der Demontage. Von allem anderen ist auf dem Petersberg nach den Erklärungen des Herrn Bundeskanzlers nichts gesagt worden. Als der Mann vom „Industriekurier" bei mir war, habe ich ihm diese Dinge ausdrücklich dargestellt und habe gesagt: Wenn das so ist, dann bleibt in Watenstedt-Salzgitter soviel stehen, daß ein Restbetrieb zusammengefaßt werden kann, der sehr wohl in der Lage ist, diesem Gebiet eine Lebensgrundlage zu geben. Es kam doch letzten Endes darauf an, von der Gegenseite einmal zu erfahren, was denn nun in Wirklichkeit gewollt war. Sie wissen, daß Watenstedt-Salzgitter nicht Inhalt des Petersberger Abkommens ist. Herr Kollege Bielig, Sie meinen, es müßten mich mehrere Zeitungsvertreter mißverstanden haben. Es war nur einer bei mir im Büro. Ich habe mich mit ihm nicht in der Form eines Interviews unterhalten. Der Herr hat sich seine
Aufzeichnungen gemacht. Wenn er einen Satz in seiner Einleitung nicht hätte, entspräche alles, was dort geschrieben ist, den tatsächlichen Verhältnissen.
Darüber hinaus will ich noch folgendes sagen. Sie haben vorhin gesagt, Sie seien kein Stahlfachmann. Gehen Sie doch einmal zu Ihren Parteifreunden, die in dem Werk arbeiten, gehen Sie einmal zu den Betriebsräten und gehen Sie zu der Werksleitung hin; sie alle werden Ihnen gerne Auskunft geben. Sie haben alle ein ungeheures Interesse daran, daß man diesem Werk, vor allen Dingen auch durch den gewählten Vertreter hier im Bundesparlament, eine neue Grundlage gibt.
Worum handelt es sich denn nun? Jeder weiß. daß die Militärregierungen auf Grund eines festen Beschlusses die endgültige Demontage des Stahlwerkes und der Walzenstraße als etwas Feststehendes ansehen. Und die Leute in Watenstedt-Salzgitter. Ihre Wähler, suchen heute mit allen Mitteln diesem Werk eine Produktionsmöglichkeit zu geben.
Sie sagten: Wenn man keinen Stahl herstellen kann, dann gibt es für dieses Werk keine Lebensfähigkeit. Nein, die verantwortlichen Leute in diesem Werk haben mir ausdrücklich erklärt: Wenn wir die vier Hochöfen zum Arbeiten bringen können und in der Lage sind, die Ergebnisse von zwei Hochöfen in der Gießerei in Halbfabrikate und Fertigfabrikate umzuwandeln, dann sind wir lebensfähig. Darum handelt es sich doch letzten Endes.
Wir sollten doch nicht durch Erklärungen hier im Bundesparlament die Arbeit dieser Leute, die sich wirklich in einer furchtbaren Situation befinden, noch erschweren.
Es hätte Ihnen ganz bestimmt nichts ausgemacht, Herr Abgeordneter, wenn Sie einmal zu mir gekommen wären. Wir haben als Niedersachsen wohl beide ein Interesse daran, den Leuten zu helfen und nicht durch eine Debatte draußen im Land vielleicht andere Leute auf Dinge aufmerksam zu machen, die man momentan nicht auszusprechen braucht.
Wenn Sie zu den Betriebsräten und zu der Werksleitung in Salzgitter hinkommen, werden diese Ihnen bestätigen, daß ich mich mit ihnen sehr ausführlich über diese Dinge unterhalten habe. Ich habe vorhin ganz klar gesagt: Wer diesem Werk und diesem Gebiet helfen will, der muß die helfenden Maßnahmen darauf aufbauen, daß man die Grundlage der dortigen Industrie, nämlich das vorhandene Erz, über die Verhüttung und- die Weiterverarbeitung so gestaltet, daß darauf das ganze Gebiet wieder aufgebaut werden kann. Jeder, der die Verhältnisse in Watenstedt-Salzgitter und all die Vorschläge, die zur Rettung dieses Gebietes gemacht werden, kennt, weiß doch, daß das dortige Gebiet nur auf der Rohstoffbasis des Eisenerzes aufbauen kann. Wenn man mir in Watenstedt gesagt hat, man wolle eine Möbelfabrik für tausend Arbeitnehmer dahin bringen, in ein Gebiet, wo kein Absatz für Möbel vorhanden ist, in ein Gebiet, wo keine Wälder als Rohstoffbasis für eine Möbelfabrik vorhanden sind, dann sage ich mir allerdings: hier wird geplant und geplant, ohne daß man klare Vorstellungen hat, wie man dieses
Gebiet überhaupt neu aufbauen kann. Wenn sich die Betriebsräte mit der Werksleitung darüber einig geworden sind: wir verzichten auf die Stahlherstellung und wollen mit Grauguß die Dinge machen, und wir wollen dafür sorgen, daß die Leute die nötige Unterstützung auch von der westdeutschen Industrie bekommen, dann sollten wir uns nicht gegenseitig hier bekämpfen und so tun, als wenn der eine oder der andere seine Pflicht nicht erfüllt hätte, sondern wir sollten treu Hand in Hand miteinander daran arbeiten, daß den armen Menschen in Watenstedt-Salzgitter wirklich geholfen wird.
Das Wort hat Herr Abgeordneter Rische.
Meine Damen und Herren! Darf ich noch daran erinnern — ich weiß nicht, ob es vorhin schon geschehen ist —, ich habe vorhin schon daran erinnert und darf es wiederholen, daß wir uns vorgestern im Ältestenrat darüber klar waren, daß wir die gesamte Redezeit zu diesem Punkt auf eine Stunde beschränken wollen.
Ausgerechnet jetzt! Ich bin wohl der letzte Redner?
Nein, Verzeihung, Sie sind der vorletzte!
Meine Damen und Herren! Die Diskussion über ein Hungergebiet nahe an der Zonengrenze ist selbstverständlich von vornherein sehr interessant, weil die Spannungen wirtschaftlicher und politischer Art gerade in diesem Zusammenhang immer wieder besonders kraß zum Ausdruck kommen. Es kommt aber im wesentlichen nicht darauf an, daß man über die Notlage eines Wirtschaftsgebietes spricht, sondern es kommt darauf an. daß man wahrhaft und schnell und umfassende Hilfe gewährt.
In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine Tatsache verweisen, die gerade deshalb so bemerkenswert ist, weil eine Kollegin der Christlich-Demokratischen Union von der „Bedrohung" des Wirtschaftsgebietes durch die Deutsche Demokratische Republik und durch eine andere. feindliche Kultur sprach. Sehen Sie, meine Damen und Herren, während Sie hier noch reden, Proiekte und dergleichen entwerfen, hat die Werksleitung der Reichswerke Watenstedt-Salzgitter mit den Wirtschaftsbehörden der Deutschen Demokratischen Republik zwei Wirtschafts- und Lieferverträge abgeschlossen um durch Millionen-Aufträge der not-leidenden Belegschaft des Werkes echte Hilfe zu bringen. Das nenne ich wahrhaftige Hilfe,
und das nenne ich außerdem pratriotische Pflichterfüllung.
Mir scheint aber noch eine ganze Reihe anderer Irrtümer bei der Behandlung des Problems obzuwalten, so zum Beispiel über den Charakter der Demontage in Watenstedt-Salzgitter. Ich stehe nicht an, mit aller Deutlichkeit zu erklären, daß es sich hier nicht nur um eine der üblichen Konkurrenzdemontagen handelt, sondern um eine ausgesprochen strategisch bedingte Demontage im „kalten Krieg". Nicht umsonst verweist man immer wieder auch von dieser Stelle auf den besonderen Charakter der Notlage in diesem Gebiet und verweist auf die Tatsache, daß die großen
Werke nur wenige Kilometer von der sowjetischen Besatzungszone entfernt liegen. Das ist offenbar das schlechte Gewissen! Aber hier erweist es sich schlagend, daß eine Gefahr für Watenstedt-Salzgitter beileibe nicht von der Deutschen Demokratischen Republik, der Sowjet-Union und den Volksdemokratien droht, sondern ausgesprochen von jenen Mächten, die in Westeuropa sich als die Gralshüter der Freiheit, als die Förderer der wirtschaftlichen Gesundung bezeichnen.
Ich will auch in aller Deutlichkeit erklären, daß wir dennoch diesen Antrag unterstützen, obwohl wir daran zweifeln, daß er echte und wahrhafte Hilfe für Watenstedt-Salzgitter bringt. Darüber sollen keine Zweifel bestehen.
Ich muß aber noch auf eine andere Tatsache aufmerksam machen, nämlich daß wir mittlerweile in Erfahrung bringen konnten, daß seitens der Ruhrindustriellen kein allzu großes Interesse daran besteht, Watenstedt-Salzgitter echt und wirklich zu helfen. Darum die Diskussion über die Frage der Rentabilität des Werkes. Wir haben dort eine Erzbasis, die wir nützen müssen. Die Nazis haben zweifellos dieses Werk errichtet, um ihre Kriegsproduktion usw. zu forcieren. Gut und schön! Aber wir haben dort eine mächtige Erzbasis, die wir im Interesse des deutschen Volkes nützen müssen! Wir haben auch dort die Werke, die aus deutschem Volksvermögen errichtet wurden. Diese müssen wir ebenfalls nützen, weil 'es sich hier um teuer erkauftes deutsches Volksvermögen handelt. Aber die Ruhrindustriellen haben aus einfachen Konkurrenzerwägungen kein Interesse daran, echte Hilfe für Watenstedt-Salzgitter zu gewähren. Sie haben schon Sorge genug, a um die Stahlproduktion des Ruhrgebiets abzusetzen. Darum, werte Frau Kollegin von der Christlich-Demokratischen Union - ich wein nicht, ob sie noch anwesend ist verstehe ich Ihren Vorschlag nicht, die Arbeitslosen aus den Reichswerken von Watenstedt-Salzgitter zum Ruhrgebiet zu transportieren.
Sollen diese etwa in Bochum, Essen oder Dortmund mit den dortigen Arbeitslosen gegen die Hungerpolitik der Regierung protestieren und demonstrieren?
Meiner Meinung nach kann nur so etwas dabei herauskommen. — Sie wissen ganz genau, gerade Sie, Herr Schröder, wissen ganz genau, wie die Lage der Stahlindustrie in Westdeutschland heute ist.
— Ich habe es so gehört, und ich habe es so aufgefaßt und bin der Meinung, daß man auch von Ihrer Seite an nichts anderes gedacht hat.
Meine Damen und Herren! Man sprach auch von der Bedrohung durch eine andere, kulturfeindliche Macht. Diese „feindliche Kultur", die hier angeblich droht, ist frei von Arbeitslosigkeit.
Diese „feindliche" Kultur ist frei von sozialer Belastung. Diese Kultur ist wirklich frei von all den grauenerregenden Verhältnissen, die nun einmal den westlichen Kapitalismus so auszeichnen,
Das ist die wirkliche Kultur, die sozialistische Kultur, die Arbeit, Freiheit und Wohlstand für alle bedeutet.
Wenn Sie Watenstedt-Salzgitter wirklich und wahrhaftig helfen wollen, dann gibt es dafür eine erlösende Tat. Watenstedt-Salzgitter kann geholfen werden durch die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands, der wirtschaftlichen und politischen Einheit unserer Nation.
Die Lebensgrundlage dieses Wirtschaftsgebietes im mitteldeutschen Raum waren die Absatzmöglichkeiten im Bereich der heutigen Deutschen Demokratischen Republik. Wenn Sie diese natürlichen Absatzgebiete nicht erschließen, können alle Maßnahmen für Watenstedt-Salzgitter keinerlei echte Hilfe bedeuten. Dann werden Sie feststellen müssen, daß sich hier ein Faß ohne Boden auftut. Dann werden die Gelder aus dem Bundesgebiet nicht ausreichen, um die dortige Notlage wirklich zu beheben.
Ich betone deshalb noch einmal, wir werden diesen Antrag unterstützen, obwohl wir der Meinung sind, daß hier platonisch etwas versprochen wird, ohne eine grundsätzliche Lösung zu finden, und obwohl wir daran zweifeln, daß hinter den Worten des Herrn Arbeitsministers auch die ganze Autorität und auch der Staatssäckel der Bundesregierung steht. Die Arbeiter von Watenstedt-Salzgitter kämpfen um ihr Werk. Sie kämpfen mit Recht um ihr Werk, und sie haben die Unterstützung der Arbeiter und aller Patrioten in ganz Deutschland.
Präsident Dr. Köhler. Das Wort hat Herr Abgeordneter Farke.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute abend hier gesagt worden, daß die niedersächsische Regierung nicht alles getan habe, um im Gebiete von Watenstedt-Salzgitter ungünstige Entwicklungen zu verhindern. Es hätte beispielsweise, da man ja wußte, daß über die Demontage verhandelt wurde, etwas unternommen werden müssen. Man hätte Nordrhein-Westfalen verpflichten müssen, in irgendeiner Weise Watenstedt-Salzgitter entgegenzukommen. Das ist von der niedersächsischen Staatsregierung verabsäumt worden. Wir haben das oft genug gesagt.
Wenn hier von dem Abgeordneten Bielig vorhin gesagt wurde, dieses Gebiet sei, wirtschaftlich auf das Erzvorkommen gestützt, nicht unbedingt zu halten, es gäbe Schwierigkeiten, so hat ihm der Herr Arbeitsminister dankenswerterweise darauf eine Antwort gegeben. Ich möchte hinzufügen, daß die Erzgruben im Gebiet Watenstedt-Salzgitter das größte Eisenerzvorkommen in der Mitte Europas überhaupt darstellen und im gemeinsamen Interesse der europäischen Wirtschaft unbedingt im großen Stile ausgenutzt werden müssen. Die Bundesregierung würde eine große Schuld vor der künftigen europäischen Entwicklung auf sich laden, wenn sie nicht alles täte, dieses Erzvorkommen auszunutzen.
Die Planung des Eisenhüttenwerks Watenstedt-Salzgitter erfolgte damals durch die ersten technischen Spezialisten Amerikas und Großbritanniens, die mit Einverständnis ihrer Regierungen bestrebt waren, ein Werk des Friedens bereitzustellen. Wir wissen, daß in diesem Gebiet heute 100 000 und mehr Menschen leben und daß rund 30- bis 40 000 Arbeiter mit ihren Familien ohne eine Erwerbsgrundlage sein werden, wenn hier nicht das Menschenmögliche geschieht, wenn ihnen nicht an diesem Ort, wo sie zum Teil noch in unzerstörten Wohnsiedlungen leben, Arbeit gegeben wird. Eine Umsiedlung dieser Arbeiter in andere Industriegebiete wird auf Jahre hinaus überhaupt nicht möglich sein. Der bestehende Wohnraummangel, das fehlende Kapital sind dem hinderlich und machen es beinahe unmöglich. Es ist hier schon einmal gesagt worden — und ich wiederhole es, auch wenn der Herr Vorredner von der KPD meinte, daß in der Ostzone die Verhältnisse besser seien —, daß Watenstedt-Salzgitter Grenzgebiet ist und daß die Bevölkerung sich in einer ständig steigenden Beunruhigung befindet, die zu den schwersten Bedenken Anlaß gibt. Es könnte dann vielleicht sein, eben weil das Gebiet nahe an der Grenze liegt, daß man dort aus Verzweiflung auch die Worte des Herrn Vorredners von der KPD hören würde.
Die Eisenerzlager im Salzgitter-Gebiet sind Bundeseigentum, und daher trägt der Bund unbedingt die Verantwortung für dieses Gebiet und die Behebung der Notstände, vor allem der sozialen, die in diesem Gebiet entstanden sind. Ob die Regierung hier zu Erfolgen kommt, wird von der ganzen Bevölkerung dort für die Bundesregierung zu einem Prüfstein gemacht werden. Es erscheint daher notwendig, die Hohen Kommissare darauf hinzuweisen, der Einsetzung eines gemischten Ausschusses zuzustimmen, damit gemäß den Zusagen bei den Verhandlungen auf dem Petersberg eine nochmalige Überprüfung hinsichtlich des Salzgitter-Gebietes erfolgen kann. Wir erwarten, daß die Regierung alles tut, damit diese Überprüfung noch einmal stattfinde, bei der neben den wirtschaftlichen auch die besonderen sozialen Probleme erörtert werden müssen. Es muß unbedingt dafür gesorgt werden, daß nur die spezifisch für die Demontage in Frage kommenden Betriebe demontiert werden, die Stahlwerke, Walzstraßen usw., daß aber alle Hallen und die mit ihnen verbundenen Einrichtungen, wie Krananlagen, die Fundamente sowie die Zuleitungen für Gas, Wasser und Dampf erhalten bleiben müssen, damit man dort auch neue Produktionen aufbauen kann.
Eine dieser neuen Produktionsstätten muß auf den nicht demontierten Resten des Stahlwerkes Braunschweig errichtet werden. Dieses Stahlwerk Braunschweig ist für die Bundesbahn in Anspruch genommen. Die Bundesbahn hat für das Jahr 1950 ein Auftragsvolumen von etwa 7 Millionen DM allein für die Stahlwerke Braunschweig vorgesehen. Dadurch könnten über 3000 Arbeiter wieder in Arbeit und Brot gebracht werden, natürlich nur dann, wenn die Demontagen dieser Teile unterbleiben.
Es muß eben von der Bundesregierung — aus ihrer Antwort werden wir es am 31. hören — alles versucht werden, diese Reste zu erhalten und neue Produktionsmöglichkeiten zu schaffen. Es werden sich viele Möglichkeiten ergeben, wenn die Hallen bleiben, und es ist denkbar, daß die Menschen, die man dort nicht wegnehmen kann,
in irgendeiner Form wieder in Arbeit und Brot gebracht werden.
Aber, wie ich schon sagte: der Bund ist Eigentümer. der Anlagen in diesem Gebiet. Er hat von sich aus alles zu tun, um dieses Eigentum auszunutzen und so zu gestalten, daß die Menschen, die dort zusammengebracht worden sind, leben können und hier an der Grenze nicht verderben. Meine Freunde und ich erwarten, daß wir am 31. eine günstige Antwort bekommen, die dahin geht, daß aber auch alles Menschenmögliche getan wird, damit dieses Gebiet Watenstedt-Salzgitter lebensfähig bleibt.
Weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich erkläre die Aussprache über die Drucksache Nr. 362 hiermit für abgeschlossen.
Ehe wir über den Antrag Drucksache Nr. 362 abstimmen; mache ich noch einmal ausdrücklich darauf aufmerksam, daß das Datum „15. Januar" durch „31. Januar" ersetzt ist. Herrscht darüber im Hause Übereinstimmung? — Ich höre keinen Widerspruch.
Wer mit dieser eben von mir festgestellten Abänderung für den Antrag Drucksache Nr. 362 ist, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Einstimmig angenommen.
Wir kommen damit zu Punkt 5 der Tagesordnung:
Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betreffend Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" .
Zur Begründung des Antrags erteile ich Herrn Abgeordneten Müller das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 24. Januar findet in Hannover ein Prozeß gegen acht Deutsche statt, die angeklagt sind, weil sie in einer Zeitung, der „Niedersächsischen Volksstimme", einen Artikel gegen die Demontage in Watenstedt-Salzgitter veröffentlicht haben. Angeklagt ist bezeichnenderweise nicht nur der verantwortliche Chefredakteur, sondern angeklagt sind entgegen jedem deutschen Brauch, in der deutschen Pressegeschichte einzig dastehend, sogar der Verleger und der Drucker der Zeitung.
Es geht hier nicht nur darum, daß es das Recht und die Pflicht jedes Deutschen ist, gegen die Demontage anzukämpfen, sondern es geht darüber hinaus um eine prinzipielle Frage. Mit diesem Prozeß in Hannover soll ein Präzedenzfall geschaffen werden. Ich möchte daran erinnern, daß auch schon andere Zeitungen in die Gefahr kamen, wegen eines Artikels gegen die Demontage, wie jetzt die Redakteure, Verleger und Drucker der „Niedersächsischen Volksstimme", angeklagt zu werden. Was heute dieser Zeitung der „Niedersächsischen Volksstimme" passiert, kann morgen einer anderen Zeitung geschehen.
Sie werden sich erinnern, daß im September 1949 die restlichen Lizenzbestimmungen aufgehoben wurden, auch in der britischen Zone. Damals sprach man von Sicherung der Pressefreiheit und von Übergabe der gesamten Presseregelung in deutsche Hände. Das zu glauben, war ein sehr schwerer Irrtum, eine falsche Darstellung der tatsächlichen Lage. Leider ist damals selbst die Presse auf diese Darstellung hereingefallen. In Wirklichkeit handelt es sich bei dieser „Pressefreiheit" und „Pressegestaltung" darum, daß unter dem Vorwand der Übergabe der gesamten Pressegestaltung
an deutsche Organe die Hohe Kommission neue
Gesetze für die Presse diktierte. Ich meine das
Gesetz Nr. 5 der Hohen Kommissare, das Bestimmungen über Bestrafung der Presse, Drucker und
Verleger vorsieht, wie wir sie in Deutschland selbst
unter Bismarck und Brüning niemals kannten;
ein Novum in der Geschichte der deutschen Presse.
— Ich werde gleich dazu kommen!
Die Anklage gegen diese acht Deutschen stützt sich auf dieses Gesetz Nr. 5 der Hohen Kommissare und außerdem für den Fall, daß dieses Gesetz nicht ausreichen sollte, auf ein Gesetz der britischen Militärregierung aus dem Jahre 1944.
— Gestatten Sie, ich werde Ihnen das gleich erklären! — Dieses Gesetz wurde 1944 erlassen, zu einer Zeit, als die Briten Deutschland noch nicht besetzt hatten, und zwar vorbeugend gegen die Werwolf-Untergrundbewegung. Heute sehen wir, daß es den Zweck verfolgt, gegen die demokratische Presse angewandt zu werden.
Nach Artikel 2 dieses Gesetzes Nr. 5 vom 21. September 1949 können jeder Unternehmer, jeder Verleger und jeder Drucker bestraft werden. Es kann ihnen, wie das jetzt in Hannover geschieht, ein Prozeß gemacht werden, wenn sie nach Meinung eines niederen Militärgerichts das Ansehen der Besatzungsmacht irgendwie gefährden. Über die Gefährdung dieses Ansehens der Besatzungsmacht entscheidet also das niedrigste Militärgericht. Nach Artikel 9 und 11 desselben Gesetzes kann jedes Eigentum, das zur Herstellung einer beanstandeten Zeitung benutzt wurde, beschlagnahmt werden, ganz gleich, wem dieses Eigentum gehört. Das ist in der deutschen Pressegeschichte nie dagewesen. Ich kann nur daran erinnern, daß bisher in Deutschland für die Gestaltung und den politischen Inhalt einer Zeitung der Redakteur verantwortlich war, niemals aber der Drucker, niemals der Verleger und niemals der, der die Zeitung vertreibt. Die ganze deutsche Pressegestaltung wird durch derartige Gesetze — wie das Gesetz Nr. 5 — auf den Kopf gestellt.
Eine weitere, sehr ernste Frage erhebt sich aber, wenn dieser Prozeß durchgeht, wenn ein solcher Präzedenzfall exerziert wird, die Frage nämlich: Was wird die Folge sein, wenn selbst Drucker und Verleger bestraft werden? Der Drucker und der Verleger einer Zeitung werden sich in Zukunft sichern müssen, das heißt sie werden in Zukunft Kontroll- und Zensurrechte über die Presse verlangen müssen, um sich vor Bestrafung zu schützen; sie müssen vorher den politischen Inhalt der Zeitung kontrollieren. Wozu brauchen wir dann noch Redakteure? Wozu ist dann noch der verantwortliche Redakteur da?
Unseres Erachtens kann nach der traditionellen Regelung der Verantwortung für eine Zeitung in Deutschland nur der Redakteur für seine Zeitung verantwortlich sein, niemals der Drucker und Verleger. Wenn man ihn schon zur Verantwortung ziehen zu müssen glaubt, so kann das nach unserer Meinung nur vor einem deutschen Gericht geschehen. Ich glaube, unter diesen Gesichtspunkten, die ich Ihnen kurz erläutert habe, ist es notwendig, gegen diesen Prozeß, der ein Präzedenzfall ist, Stellung zu nehmen.
Aber der Fall hat noch eine andere Seite. Unter den acht Angeklagten befindet sich ein Abgeordneter, der Abgeordnete des Niedersächsi-
sehen Landtages, Lehmann. Dieser Abgeordnete ist trotz seiner Immunität vor das niedere Militärgericht zitiert worden. Er ist zur ersten Verhandlung nicht erschienen. Darauf hat man ihn mit Verhaftung bedroht. Der Niedersächsische Landtag, der zuständig ist, stellte sich grundsätzlich in einer Stellungnahme auf den Standpunkt, daß der einzelne Abgeordnete keine Verfügungsgewalt über die Frage der Wahrung oder Preisgabe der Immunität habe. Der Niedersächsische Landtag stellte sich auf den Standpunkt, daß die Immunität ausschließlich das Vorrecht des Parlaments ist. Das ist die prinzipielle allgemeine Stellungnahme des Landtages.
Zu dem konkreten Fall des Abgeordneten Lehmann nahm der Landtag besonders Stellung. Er brachte zum Ausdruck, daß der Abgeordnete Lehmann nicht das Recht habe, vor dem Militärgericht zu erscheinen. Trotz dieses Landtagsbeschlusses, trotz einer weiteren gleichen Stellungnahme des Ältestenrats des Landtages will das niedere Militärgericht diesen Abgeordneten zwingen, seine Pflicht als Abgeordneter gegenüber dem eigenen Parlament zu verletzen.
Meine Damen und Herren, die Immunitätsfrage ist im Grundgesetz geregelt. Im Grundgesetz ist ebenfalls im Artikel 28 festgelegt, daß die Regelung der Immunitätsfrage in der Ländern analog der im Bundestag erfolgt. Zwar ist im Besatzungsstatut festgelegt, daß Angehörige, Angestellte und Vertreter der alliierten Streitkräfte vor deutschen Gerichten die Immunität genießen. Aber diese Bestimmung des Besatzungsstatuts kann doch wohl von der Hohen Kommission oder irgendeinem Militärgericht nicht so ausgelegt werden, daß die Immunität deutscher Abgeordneter vor Militärgerichten nicht gilt. Ich will auch nicht verfehlen, darauf hinzuweisen, daß in Verbindung mit dem Prozeß in Hannover in Kreisen des Landeskommissars für Niedersachsen und, wie ich heute hier gehört habe, aus Kreisen der Vertreter der Hohen Kommission geäußert wurde, daß auch Abgeordnete für ihre Reden in Parlamenten vor Militärgerichten zur Verantwortung gezogen werden können. Ich stelle die Frage: wozu dann noch das Grundgesetz? Wozu ist dieses Grundgesetz von den damaligen Militärgouverneuren unterschrieben worden, wenn man es durchbricht?
Diese Tatsachen zeigen Ihnen den ganzen Ernst der Lage und die Bedeutung einer Stellungnahme gegen diesen Prozeß in Hannover. Es geht also bei unserm Antrag um die elementarsten Rechte der Presse und um das Recht der vom Volk gewählten Abgeordneten. Deshalb bitten wir Sie, unserm Antrag zuzustimmen.
Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Abgeordnete Gengler.
Meine Damen und Herren! Der Geschäftsordnungsausschuß hat sich in seiner Sitzung heute vormittag mit einem Schreiben des Präsidenten des Landtags Niedersachsen betreffend die Immunität der Abgeordneten des Landtags beschäftigt. Es handelte sich um den gleichen Fall der Immunität, wie er in dem vorliegenden Antrag Renner und Fraktion, Beilage Nr. 386, enthalten ist. Der Geschäftsordnungsausschuß hat die Beratung in dieser Angelegenheit noch nicht abgeschlossen. Ich beantrage daher — auch in Übereinstimmung mit den Mitgliedern des Geschäftsordnungsausschusses —, den Antrag Beilage Nr. 386 dem Geschäftsordnungsausschuß zu überweisen.
Noch ein zweites: Die Verhandlung vor dem Militärgericht in Hannover ist bereits auf den 24. Januar angesetzt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit der Dringlichkeit der Behandlung dieser Sache. Im Hinblick darauf soll die Überweisung an den Geschäftsordnungsausschuß mit der Maßgabe erfolgen, daß der Ausschuß noch heute abend, im Anschluß an diese Plenarsitzung, zur Beratung zusammentritt und der Gegenstand mit dem Ausschußbericht sowie die Aussprache auf die Tagesordnung der Sitzung morgen, Freitag, gesetzt wird.
Ich bitte, wie beantragt zu beschließen.
Meine Damen und Herren, wird zu diesem Geschäftsordnungsantrag des Herrn Abgeordneten Gengler das Wort gewünscht? — Ich stelle fest, das ist nicht der Fall. Dann schreiten wir zur Abstimmung. Wer für diesen Antrag des Herrn Abgeordneten Gengler zur Geschäftsordnung ist — Überweisung an den Ausschuß für Geschäftsordnung mit der Maßgabe des Zusammentritts heute abend und ferner der Beratung des noch zu erwartenden Antrags des Geschäftsordnungsausschusses in der morgigen Sitzung -, den bitte ich, die Hand zu erheben. — Ich bitte um die Gegenprobe. — Das erste war eindeutig die Mehrheit.
- Herr Abgeordneter Gengler bitte noch einmal zur Geschäftsordnung!
Ich bitte die Mitglieder des Geschäftsordnungsausschusses im Anschluß an diese Sitzung in das Ausschußzimmer 12.
Meine Damen und Herren! Ehe ich die Sitzung schließe, darf ich bekanntgeben, daß die Fraktion der SPD eine Stunde nach Schluß der Plenarsitzung Fraktionssitzung hat,
— die Fraktionen der CDU sowie der FDP in einer Stunde. — Liegen sonstige Wünsche aus dem Hause vor?
Ich berufe die nächste Sitzung auf Freitag, den 20. Januar, 14 Uhr 30 Minuten.
Die 28. Sitzung ist geschlossen.