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ID0102802400

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    5. Herr: 1
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 28. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950 859 28. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 859D, 898D Schreiben der Fraktion der Deutschen Partei betr. Ausschluß des Abg. Hedler aus der Deutschen Partei . 860A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 328) und Erste Beratung des Entwurfs eines Richterwahlgesetzes (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 327) . . . . . . 860A Wagner (SPD), Antragsteller . . . 860B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 863B Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . . 864B Dr. Laforet (CSU) 865B Dr. Wahl (CDU) 865C Dr. von Merkatz (DP) . . . 866B, 877A Neumayer (FDP) 867B Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 867D Loritz (WAV) 870B Leibbrand (KPD) 872C Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . 874B Dr. Bucerius (CDU), zur Geschäftsordnung . . . . . 876A Geschäftsordnungsaussprache betr. Behandlung von Initiativanträgen Dr. Bucerius (CDU) 876B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Aufhebung der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 für den Bereich des Bundesgebiets (Drucksachen Nr. 343 und 140) 877B Dr. Wuermeling (CDU), Berichterstatter 877C Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . . . . . 878B, 885A Gundelach (KPD) 879B Arnholz (SPD) 880A Dr. Vogel (CDU) 881B Paschek (WAV) . . . . . . . 882B Pannenbecker (Z) . . . . . . . . 882C Dr. Falkner (BP) 883C, 886D Dr. Nowack (FDP) 884B Frommhold (NR) 885D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung nach der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom Dezember 1930 für die Verwaltungsangehörigen des Bundesdienstes und der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Antrag der Fraktion der KPD) (Drucksache Nr. 364) . . . . . . . . 886D Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) 886D, 887D Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) . . : . . . . 887A, 888B Neumann (SPD) (zur Abstimmung) . 888B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Notstandsgebiet Watenstedt - Salzgitter (Drucksachen Nr 362 und 181) 889A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 889A Storch, Bundesminister für Arbeit 889B, 894B Wackerzapp (CDU) 890A Frau Brökelschen (CDU) . . . . 890D Stegner (FDP) . . . . . . . 891B Dr. Richter (NR) 891D Bielig (SPD) . . . . . . . . 892C Rische (KPD) 895A Farke (DP) . . . . . . . . . 896B a Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" (Drucksache Nr. 386) . . . . 897A Kurt Müller (KPD), Antragsteller . . 897B Gengler (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 898B, D Nächste Sitzung 898D Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Alfred Loritz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (WAV)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (WAV)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren! Namens der WAV-Fraktion zunächst eine Vorbemerkung: Es freut uns außerordentlich, daß endlich von einer Fraktion dieses Hauses ein Gesetzentwurf eingereicht worden ist, der schon lange von seiten unserer Regierungsbank dem Parlament hätte vorgelegt werden müssen.

    (Sehr richtig! bei der SPD.)

    Schon lange! Ich glaube es wagen zu können, sogar folgende Formulierung zu finden: ohne einen solchen Bundesverfassungsgerichtshof ist die Konstituierung des Deutschen Bundes überhaupt noch nicht richtig vollendet. Das Bundesverfassungsgericht ist für das Funktionieren unseres Staates und unserer Demokratie mindestens genau so wichtig wie die Wahl der Spitze des Staates, genannt Bundespräsident, wie die Wahl und Besetzung der einzelnen Ministerposten!

    (Sehr gut! links.)

    Ohne Bundesverfassungsgericht gibt es tatsächlich keine Möglichkeit für die Minderheit im politischen Leben — und sei die Minderheit auch nur eine Stimme schwächer als die Regierungsmehrheit —,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    zu ihrem Rechte zu kommen, wenn es dieser Mehrheit, dieser Eine-Stimme-Mehrheit gefällt, die Minderheit niederzustimmen.
    'Ansätze zu einer solchen Entwicklung haben wir ja leider Gottes schon mehrfach in den Monaten, seitdem der Deutsche Bund ins Leben gerufen worden ist, bemerkt. Wir haben gestern wieder einen Fall gesehen, der vielleicht von großer Folgewirkung sein wird, daß nämlich ein Antrag, der irgend jemandem, irgendeiner Zufallsmehrheit nicht paßt, weil er von jemandem eingereicht wurde — vielleicht hätte ihn jemand anders lieber vorher eingereicht —, oder vielleicht weit der Inhalt nicht paßt, einfach von der Tagesordnung abgesetzt werden kann und daß man dann sogar der betreffenden Fraktion ganz kalt sagt: „Ja, ihr könnt ihn dann nochmals einreichen!" Dann wird er wieder abgesetzt, und dann kann er nochmals eingereicht werden. Und dieses neckische Spiel kann so vier Jahre fortgesetzt werden, immer mit einer Eine-StimmeMehrheit im Parlament!

    (Heiterkeit.)

    Welche Möglichkeiten gibt es denn dagegen heute? Vielleicht im Ältestenrat ein bißchen was zu sagen.

    (Heiterkeit.)

    Da können Sie dann auch überstimmt werden mit der berühmten Eine-Stimme-Mehrheit. Sonst gibt es kein Recht für die Minderheit, wenn auch eine noch so kleine Mehrheit hergeht und mit ihrer einen Stimme die anderen zu überstimmen versucht!
    So ist der Verfassungsgerichtshof geradezu das politische Supplement zur ganzen Staatsinstitution, zum Bundespräsidenten, zum Bundestag, zu den Bundesministerien.
    Es wäre Aufgabe der Regierung gewesen, im ersten Monat ihrer Tätigkeit uns bereits einen solchen Verfassungsgerichtshof-Gesetzentwurf vorzulegen und damit die Debatte hierüber, wenigstens im Rechtsausschuß, in Gang zu bringen. Das ist nicht geschehen, und so begrüßen wir es, daß von der größten Oppositionspartei hier endlich dieser Entwurf vorgelegt wurde. Das ist besser. als wenn gar nichts geschehen wäre.
    Ich teile leider nicht den Optimismus, den heute einige Redner der Regierungsparteien zur Schau getragen haben, als würde ein Gesetzentwurf der Bundesregierung schon sehr rasch zu erwarten sein. Vielleicht hat diese Vorlage jetzt endlich Dampf dahinter gemacht!

    (Sehr gut! bei der SPD und bei der WAV.)

    — Ich sage: vielleicht! Sonst aber wäre es wahrscheinlich nicht so rasch geschehen.
    Das zur Einleitung.

    (Große Heiterkeit.)

    — Ich rede noch lange nicht so lange zur Einleitung wie Sie, meine Herren!
    Nun zum Inhalt des Gesetzentwurfes! Hier müssen wir allerdings erhebliche Bedenken geltend machen, Bedenken vor allem mit Rücksicht darauf, wie nach diesem Gesetzentwurf das oberste Richterkollegium zusammengesetzt werden soll.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Wir können uns de lege et constitutione ferenda nicht damit einverstanden erklären, daß 5 von den 10 ständigen Mitgliedern des Bundesverfassungsgerichts vom Bundestag gewählt werden sollen, und zwar — ganz klar — nach den Prinzipien der Mehrheitswahl. Diejenigen Bundesrichter, die nicht vom Bundestag gewählt werden, werden
    Deutscher Bundestag — Sitzung. Donn, Donnerstag, den 10. Januar 1950 871

    (Loritz)

    auch mehr oder minder durch die Zusammensetzung der Mehrheit in diesem Hause bestimmt werden, wenn auch nicht direkt, so doch auf dem Umwege über den Richterwahlausschuß. Wir bekommen dann, wie einige der Vorredner ganz richtig gesagt haben, mit den 10 Bundesrichtern am Schluß nichts anderes als wiederum einen Abklatsch der politischen Zusammensetzung, wie sie sich in diesem Hause jeweils darstellt.
    Gerade da möchte ich der sozialdemokratischen Fraktion, der Antragstellerin, zu bedenken geben: Riskiert Ihr von der SPD nicht etwa gerade mit diesem Euerem. Vorschlag, in eine hoffnungslose Minderheit gedrängt zu werden? Riskiert Ihr nicht gerade, etwa bei den allerwichtigsten Fragen überstimmt zu werden, die durch diesen Verfassungsgerichtshof entschieden werden, bei den Fragen, bei denen es sich um die Anwendung und Auslegung der Verfassung und um die Anwendung all der demokratischen Freiheitsrechte dreht, die in der Verfassung vorgesehen sind?
    Wir müssen, meine sehr verehrten Damen und Herren, Gerichte schaffen, oberste Gerichtsbehörden, die der Fluktuation und den Fluktuationen des politischen Lebens möglichst weitgehend entrückt sind. Wir müssen einen obersten Gerichtshof für die Entscheidung der Verfassungsstreitigkeiten schaffen, der nichts zu tun hat mit den parteipolitischen Kämpfen, wie sie sich im Bundestag oder in anderen parteipolitischen Gremien abspielen und abspielen können.

    (Sehr richtig! bei der BP.)

    Was gibt es hier für Möglichkeiten? Es dreht sich um die Wahl der Richter! Zwei Möglichkeiten nur wurden heute genannt; zwischen denen geht die Kontroverse und der Streit, nicht seit heute, schon seit Jahrzehnten, in der Theorie über die Verfassungsgerichtshöfe. Die eine Richtung will die Richter direkt durch das Parlament oder indirekt durch das Parlament auf dem Wege über einen Wahlausschuß wählen lassen, der dann wieder vom Parlament gewählt wird. Es gibt auch kombinierte Lösungen, so wie sie hier der Antrag der SPD vorsieht. Ergebnis: die Richter werden weitgehend nach politischen Prinzipien ausgewählt werden, und die Zusammensetzung der Richterkollegien wird mehr oder minder einen Abklatsch der jeweiligen Mehrheitsverhältnisse im Bundestag darstellen.
    Die zweite Möglichkeit: man geht her und schaltet das Parlament aus, läßt die Regierung diese Vorschläge machen, wobei es ganz egal ist, ob man sagt: die Regierung, oder: der Herr Justizminster. Der zweite Weg ist nur scheinbar der bessere. In Wirklichkeit ist er genau so geeignet, hier das politische Moment, das wir unter allen Umständen in das Bundesverfassungsgericht nicht hineingetragen wissen wollen, dort hineinzubringen. Denn wer ist denn der jeweilige Bundesjustizminister? - Nichts anderes als ein Politiker, nichts anderes als ein Exponent entweder der stärksten politischen Partei oder jedenfalls der Regierungskoalition in diesem Hause, und wir bekommen, wenn wir den Justizminister zur Auswahl dieser obersten Richter im Verfassungsgerichtshof nehmen, auf einem Umwege nur dieselben Schwierigkeiten, die wir zuerst, bei dem ersten Wege, angedeutet haben.
    Was bleibt offen? Der Vorschlag ist heute noch von keiner Seite gekommen. Darf ich Ihnen kurz eine Anregung de constitutione ferenda skizzieren? — Dabei bin ich mir klar, daß die Details in dieser Sache Gegenstand einer Beratung des Rechtsausschusses sein können. Eine grundsätzliche Anregung, ausgehend von dem Gedanken, von dem ich überzeugt bin, daß der größere Teil der Bevölkerung seine Verwirklichung wünscht, und der deshalb auch eine verfassungändernde Mehrheit gewinnen könnte, nämlich unabhängige Richter zu haben, die nichts zu tun haben mit den Fluktuationen der jeweiligen Tagespolitik. Und wir können hier nur eines machen: wir müssen ein Wahlgremium schaffen, das erstens befähigt und geeignet ist, wirklich gute Leute auszusuchen — dazu gehört bereits ein profundes Fachwissen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts —, und das zweitens der Tagespolitik möglichst entrückt ist.

    (Zuruf rechts.)

    — Nein, Herr Zwischenrufer, da täuschen Sie sich schwer! Das soll nicht die WAV, das soll gar keine politische Partei sein. Wir von der WAV haben in unserem politischen Programm seit je und je gefordert, daß gerade die wichtigsten Stellen und die wichtigsten Richterposten im Staate von Leuten besetzt werden, die überhaupt keiner politischen Partei angehören, heiße sie WAV oder CDU oder wie sonst auch immer. Das zur Richtigstellung, Herr Zwischenrufer! Ich spreche keineswegs für die WAV, sondern ich spreche für eine Ausschaltung aller politischen Parteien bei der Besetzung dieser Richterstellen. Denn eine Stelle muß es im Staate geben, die den politischen Zänkereien und Streitigkeiten entrückt ist und die allein dadurch schon besser als alle anderen geeignet ist, Recht zu finden.

    (Bravo! bei der WAV. — Abg. Renner: Was für ein Recht?)

    Meine Damen und Herren! Kann man für das a Gremium, das diese eminent wichtige Wahl der Verfassungsrichter vornehmen könnte, nicht die juristischen Fakultäten der deutschen Universitäten einschalten?

    (Zurufe von der KPD.)

    Kann man nicht ein Kollegium von Wahlmännern bilden, das sich aus den Verfassungsrechtlern der deutschen Universitäten zusammensetzt?

    (Abg. Renner: Sind die unpolitisch? — Abg. Dr. Schmid: Sie haben noch nie einer Fakultätssitzung beigewohnt, Herr Kollege Loritz, sonst würden Sie das nicht sagen!)

    - Darf ich Ihnen sagen, Herr Kollege Renner: Damit Sie eine möglichst große Garantie dafür bekommen, daß die Tagespolitik nicht vielleicht doch durch ein Hintertürchen hereinkommt, gibt es eine Möglichkeit, nämlich die, solche Persönlichkeiten entweder von der Wahl, also vom passiven Wahlrecht, auszuschließen, die irgendeiner politischen Partei angehören, oder aber für dieses Wahlgremium überhaupt nur Persönlichkeiten hinzuzuziehen, die nicht Mitglieder irgendeiner politischen Partei des Hauses sind. Es gibt keine andere Möglichkeit. Gewiß, es gibt noch andere Gremien, aber sie müssen der Tagespolitik entrückt sein, sie dürfen nichts zu tun haben mit Bundestag, mit Bundesrat, mit Regierungsbänken, sei es hier des Bundes, sei es der einzelnen Länderregierungen. Sonst besteht immer wieder dieselbe große Gefahr, daß auch das Bundesgericht nichts anderes sein wird als ein politisches Gremium.
    Wir in Bayern haben ja unsere Erfahrungen auf diesem Gebiet schon gemacht,

    (Lachen und Zurufe)

    872 Bundestag — 28. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950

    (Loritz)

    mit den Entscheidungen des bayerischen Verfassungsgerichtshofes. Ich erinnere Sie nur an die Entscheidung des Verfassungsgerichts über die Gültigkeit des neuen bayerischen Landeswahlgesetzes, wobei gerade Sie von der SPD, meine sehr verehrten Damen und Herren, sich mit Recht gegen diese Praxis und gegen diese Auffassung des bayerischen Verfassungsgerichts gewendet haben, die aber nur dadurch zustande kommen konnte, daß eben das Verfassungsgericht mehrheitlich auch aus politischen Richtern zusammengesetzt war, aus Abgeordneten, die Verfassungsrichter wurden, bzw. aus Richtern, von denen jeder im Lande genau weiß, daß sie Politiker sind oder jedenfalls Anhänger prominenter politischer Parteien. Das grundsätzlich zu der ganzen Frage.
    In dem Entwurf der SPD gibt es nun einige Bestimmungen, die - jedenfalls nach unserem Dafürhalten - so nicht Gesetz werden können. Ich erinnere nur an den § 17 Ziffer 2, wo es ausdrücklich heißt, daß antragsberechtigt nur sind eine Gruppe von Wahlberechtigten zum Bundestag, die mindestens 1 Prozent aller Wahlberechtigten umfaßt — scheint mir viel zu hoch gegriffen — oder ein Zehntel der gesetzlichen Zahl der Mitglieder des Bundestags; das sind also über 40 Abgeordnete. Ich sehe hier überall gewisse Dinge, die es gerade den kleinen Parteien unmöglich machen könnten, zu ihrem Recht zu gelangen. Und eines möchte ich Ihnen sagen, und vielleicht stoße ich diesmal nicht auf Widerspruch: Wenn wir Deutsche der Welt gegenüber verlangen, daß uns Gerechtigkeit widerfährt, wenn wir sagen, wir sind klein und schwach, und Ihr anderen seid so groß, und gerade deshalb, weil ihr die Großen seid, sollt ihr auf uns Kleine Rücksicht nehmen, uns nicht zugrunde gehen lassen und uns anhören, — wenn wir das von der Welt verlangen, dann müssen wir zuerst in unserem eigenen Hause uns schützend gerade vor die Kleinen und Schwachen stellen. Dann ist es gerade das no-bile officium der Großen und Starken des Parlaments, der großen Parteien, sich schützend auch vor kleinere politische Gruppierungen zu stellen. Dann aber scheint es mir unmöglich zu sein, mit solchen Bestimmungen wie etwa im § 17 durchzukommen.
    Das gleiche gilt für § 36 und § 40, wo gar von einem Drittel der Mitglieder des Bundestags gesprochen wird usw. Hier überall scheinen mir die Ziffern zu hoch gegriffen zu sein, allzuhoch für kleine Parteien, allzuhoch auch für den quivis ex populo, diesen anständigen deutschen Mann von der Straße, der nach dem Gesetzentwurf leider nur in völlig unzureichendem Maße die Möglichkeit bekommt, mit seinen Beschwerden in allen Dingen, nicht bloß in denen, die hier aufgezählt sind, an den Verfassungsgerichtshof zu gelangen.
    Das sind, in kurzen Zügen dargelegt, unsere Einwendungen , zu dem Entwurf der SPD. Wir begrüßen es, daß der Stein wenigstens ins Rollen gekommen ist. Wir hoffen, daß die Sache nicht usque ad infinitum in den Ausschüssen verzögert wird, sondern daß das Verfassungsgericht so rasch als möglich geschaffen wird. Wir werten den Vorschlag der SPD als Diskussionsgrundlage. Wir werden uns ebenfalls erlauben, eine ganze Reihe von Dingen in den Ausschüssen zur Diskussion zu stellen.
    Eines müßte bei all diesen Besprechungen Leitstern sein: Rücksicht zu nehmen auf das Recht gerade des einzelnen Staatsbürgers und, was politische Gruppierungen anlangt, Rücksicht zu nehmen gerade auch auf die Kleinen und Schwachen. Denn nur dann können die Starken sagen, daß sie wirklich im Recht sind und im Einklang mit den Prinzipien der Humanität und der Demokratie, die allein uns im Innern und auch nach außen hin wieder aufwärts und herausführen können aus der furchtbaren Katastrophe, die über unser Land hereingebrochen ist!

    (Händeklatschen bei der WAV.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Leibbrand.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (KPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Meine Damen und Herren! Der sozialdemokratische Redner hat in der Begründung des Gesetzesentwurfs eine Redewendung von der „Allmacht des Bundestags" gebraucht. Ich meine, daß dies sehr gelinde ausgedrückt eine große Übertreibung war. Von einer Allmacht des Bundestags nach dem Grundgesetz kann man wahrhaftig nicht sprechen; ganz im Gegenteil. Die Väter des Grundgesetzes haben in der Bonner Konzeption den allergrößten Wert auf eine sogenante starke Regierung — stark nämlich gegenüber dem Parlament, der Volksvertretung - gelegt, und das Grundgesetz enthält genug Fallstricke, die nur den einen Zweck haben, das Recht der Volksvertretung auf Kontrolle der Exekutive und Mitwirkung an den Regierungsgeschäften in jeder Hinsicht zu beschneiden. Die Regierung Adenauer aber geht selbst über diese sehr weitgehenden Bestimmungen des Grundgesetzes noch hinaus. Dies ist zur Genüge in diesem Hause bekannt, und ich brauche gar nicht erst mehr einzelne Fälle anzuführen, in denen die Regierung selbst gegen den Wortlaut des Grundgesetzes eigenmächtige, autoritäre Handlungen ohne die erforderliche Information und Zustimmung des Parlaments unternommen hat. Die Beteuerungen des Herrn Bundesjustizministers, die wir heute gehört haben, der Regierung liege solches fern, stehen in einem sehr krassen Widerspruch zu ihren Taten.
    Deshalb ist es wirklich notwendig, daß im Interesse der Demokratie die Wahrung der verfassungsmäßigen Rechte der Volksvertretung die allergrößte Aufmerksamkeit findet und mit allergrößter Entschiedenheit erfolgt. Es ist aber eine Irreführung der Öffentlichkeit, wenn man den Anschein zu erwecken versucht und den Glauben erwecken will, als ob die Wahrung der Rechte der Volksvertretung und damit der Demokratie irgendwie mit Hilfe eines Verfassungsgerichtshofs erfolgen könne. Man will die Justiz zum Richter und zur Entscheidung in Konflikten zwischen Legislative und Exekutive aufrufen. Der Abgeordnete Loritz, der vor mir gesprochen hat, hat ja ein derart unvorstellbares Maß von Vertrauen in die Objektivität und parteipolitische Neutralität der Justiz an und für sich bekundet, die in sehr krassem Widerspruch zu der Haltung steht, die er in seiner Immunitätsangelegenheit eingenommen hat. Aber wenn man dem Herrn Abgeordneten Loritz das nachsehen mag, unverständlich bleibt mir, wie die sozialdemokratische Fraktion ein derartiges Maß von Vertrauen in die Objektivität und Neutralität der Justiz in Konflikten zwischen Exekutive und Legislative, zwischen Volksvertretung und Regierung bekundet. Selbst wenn es diesen chemisch reinen unpolitischen Richter oder Juristen geben würde, den man irgendwo vom Mond oder Mars beziehen


    (Leibbrand)

    müßte — es kommt nicht darauf an, ob er ein Parteibuch hat, sondern auf die allgemein politische Einstellung, die schließlich jeder Mensch hat —, und er in gar keiner Weise von Politik irgendwie berührt wäre, ist es doch so, daß allein die soziale Herkunft der Großzahl unserer Richter doch schon dafür bürgt, daß sie einer bestimmten politischen Auffassung, bestimmten Weltanschauung oder bestimmten sozialen Auffassung nahestehen. Es ist doch so, daß die Auswahl unserer Richter zum großen Teil kraft der Verhältnisse, wie sie bei uns im Lande sind, aus den Schichten erfolgt, die besitz- und bildungsmäßig privilegiert sind. Sie wurzeln im Milieu dieser Schichten, und dadurch wird natürlich auch ihre politische Einstellung beeinflußt und bestimmt. Wenn man nun etwa gar die Justiz zum unabhängigen Richter zwischen Exekutive und Legislative, Volksvertretung und Verwaltung, aufrufen will, so ist es doch ganz klar, daß die Justiz viel verwandter und näher bei der Verwaltung steht.

    (Abg. Renner: Warum läuten Sie so? Soll das draußen nicht gehört werden?)