Rede von
Artur
Stegner
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Meine Damen und Herren! Sie werden vielleicht sagen: Watenstedt-Salzgitter ist nicht so wichtig, als daß viele Worte darüber verloren werden müßten. Es ist aber doch eines der -merkwürdigsten Gebilde, um die sich der Bund unbedingt kümmern muß. Wir haben zwei Wirtschaftsgebiete, die im „Dritten Reich", ich möchte sagen, ad hoc geschaffen worden sind. Das eine war die Volkswagenstadt, die im wesentlichen fertig geworden ist und uns infolgedessen nicht mehr soviel Sorgen bereitet. Das zweite Gebiet ist der Stadtkreis Watenstedt-Salzgitter. Das Merkwürdige an diesem Stadtkreis ist nun folgendes. Es ist also eine Stadt. Sie finden diesen Namen aber weder postalisch noch geographisch noch sonstwo. Es ist keine Stadt geworden. Dieser Stadtkreis wurde nach der Gründung der Reichswerke im Jahr 1941 aus Gebietsteilen zweier Landkreise zusammengesetzt. Es war eine rein dörfliche Bevölkerung mit Dörfern von 600, 800 his 1000 und 1500 Einwohnern. Daraus wurde eine Stadt, über deren Bevölkerungsbewegung der Herr Bundesarbeitsminister vorhin schon berichtet hat.
Nun ist es selbstverständlich und nach dem früheren Reichsrecht vollkommen klar, daß eine solche neugebildete Stadt mit einer kommunalen Erstausstattung versehen werden muß, und es ist weiter klar, daß eine Bevölkerungszunahme natürlich entsprechende Einrichtungen verlangt. Sie finden zum Beispiel in Watenstedt-Salzgitter nicht nur, wie die Kollegin Frau Dr. Brökelschen gesagt hat, keine Schulen und keine hygienischen Einrichtungen, sondern es reichen auch die Friedhöfe ebenso wie die anderen primitivsten Dinge nicht, und wenn ein Einwohner aus Watenstedt-Salzgitter zum Finanzamt fahren muß, dann muß er bei den schlechten Verkehrsverhältnissen kilometerweit in andere Kreise fahren; denn Watenstedt-Salzgitter hat nicht einmal ein eigenes Finanzamt.
- Meine Damen und Herren, Sie halten das nicht für wichtig. Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht. Ich kann mir vorstellen, daß auch die Leute in Watenstedt-Salzgitter viel häufiger zum Finanzamt fahren müssen, als ihnen lieb ist. Wir müssen uns also mit diesen Fragen befassen.
Meine Damen und Herren, es ist tatsächlich einmalig, daß die kommunale Erstausstattung dieser Stadtgemeinde vom Reich nicht gegeben worden ist. In der Zwischenzeit hat das Land Niedersachsen, das finanziell ja mit außerordentlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat und sicher in dem Fall nicht ohne weiteres der Rechtsnachfolger des Reiches war, zwar alles mögliche getan, um die ärgste Not in Watenstedt-Salzgitter zu lindern — das muß anerkannt werden —; sie konnte aber diese grundsätzliche Regelung auch nicht durchführen. Das ist heute eine Aufgabe des Bundes; denn es handelt sich dort um ein Gebiet, von dem der Herr Bundesarbeitsminister sagte, daß dort die Menschen Wohnstätten haben und daß dort die Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Das wird vielleicht auf diesem oder jenem Wege gelingen. Wenn die Menschen dort aber Arbeit und Wohnstätten haben,. dann muß man ihnen auch alle die Dinge geben, die zur Existenz und zum kommunalen Leben überhaupt notwendig sind. Das ist das Entscheidende dabei, und deshalb erlaubten wir uns, in dieser Richtung die Fragen an die Bundesregierung zu richten. Ich würde sehr wünschen, daß wir bis zum 31. Januar eine Antwort bekommen; denn es drängt nicht nur die wirtschaftspolitische Seite, es drängt dort vielmehr die kommunalpolitische Seite. Wir wollen nicht vergessen, daß auch in Watenstedt-Salzgitter letzten Endes nicht allein das Werk, sondern der Mensch im Mittelpunkt der Dinge steht und stehen muß.