Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der FDP, Watenstedt-Salzgitter zum Notstandsgebiet zu erklären, ist am 10. November 1949 hier eingegangen. Es ist nicht ganz unbeachtlich, daß heute „schon" in diesem Hohen Hause über die Frage gesprochen wird, obwohl meiner Überzeugung nach manchmal Dinge hier behandelt wurden, die weiß Gott nicht so wichtig waren, als daß man sich der Not dieses Stadtgebietes nicht schon früher hätte annehmen sollen.
Die Frage, die hier zur Debatte steht, ist: Wie kann man Watenstedt-Salzgitter möglichst schnell helfen? Ich muß meinem Vorredner hier insofern
widersprechen, als er auf die finanzielle Notlage des Landes Niedersachsen hinwies und meinte, man hätte dort nicht in dem Maße helfend eingreifen können, wie es die Not der Bevölkerung erfordert hätte. Ich stelle in diesem Zusammenhang nur fest, daß in Niedersachsen heute noch Millionen für Dinge ausgegeben werden, die nicht so notwendig wären, die überhaupt nicht zu verantworten sind, während diese Gelder auf der anderen Seite fehlen, um die Not in einem Gebiet zu lindern, dessen sich — wenigstens den Worten nach - alle diejenigen, die für die Geldausgaben in Niedersachsen verantwortlich sind, doch so sehr „annehmen".
- Diese Angelegenheit ist jederzeit zu belegen.
Wenn man den Verlauf der heutigen Sitzung beobachtet, muß man sagen, daß es notwendig wäre, viel schneller zu entscheidenden Beschlüssen zu kommen. Man sollte nicht immer einwenden: das kommt alles noch, die Bundesregierung wird noch dieses und jenes tun! Wenn hier eine Antwort der Bundesregierung, die einigermaßen befriedigend sein soll, bis zum 31. Januar eingegangen sein sollte, dann sind seit dem Eingang des FDP-Antrages, dem wir durchaus unsere Zustimmung geben, bis zum Eingang der Antwort fast drei Monate vergangen, ohne daß den Menschen dort praktisch während dieser Zeit geholfen worden ist.
Es ist also unbedingt notwendig, daß sich die Regierung in allerkürzester Zeit und in ganz besonderer Weise dieses Gebiets annimmt und darüber lieber manche anderen Dinge etwas zurückstellt.
Ich möchte darüber hinaus noch auf eines hinweisen. Im Petersberg-Abkommen ist Watenstedt-Salzgitter von der Demontageliste nicht ausgenommen worden. Das haben wir damals schon kritisiert. Gegen ein solches Verbrechen gegen die Menschlichkeit kann nicht genug protestiert werden. Ich möchte aber außerdem auf einen weiteren Mangel des Petersberg-Abkommen hinweisen, den ich damals auch schon erwähnte, daß nämlich der Wiederaufbau demontierter Industrie vom Sicherheitsamt abhängig gemacht werden kann. Ich habe seinerzeit schon erklärt, daß es dieses Sicherheitsamt sehr leicht hat, jeden Wiederaufbau in einem solchen Notstandsgebiet zu verhindern und dies immer mit Sicherheitsbedenken zu begründen und dadurch das deutsche Volk daran zu hindern, diesen Menschen, denen auf dem schnellsten Wege Hilfe zuteil werden muß, diese Hilfe auch tatsächlich zu gewähren. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß man auch den Alliierten gegenüber in dieser Richtung einmal eine etwas deutlichere Sprache sprechen müßte.
Darüber hinaus ist es vor allem notwendig, daß im Kampf um die Lebensrechte des deutschen Volkes und gerade auch der Menschen in diesem Gebiet alle zusammenstehen sollten, ganz gleich welcher Parteirichtung sie angehören. Den Alliierten müßte hier auch einmal gesagt werden, daß das ganze deutsche Volk hinter solchen Forderungen steht, die die Lebensbelange von Hunderttausenden deutscher Menschen betreffen.