Rede von
Ernst August
Farke
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(DP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DP)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute abend hier gesagt worden, daß die niedersächsische Regierung nicht alles getan habe, um im Gebiete von Watenstedt-Salzgitter ungünstige Entwicklungen zu verhindern. Es hätte beispielsweise, da man ja wußte, daß über die Demontage verhandelt wurde, etwas unternommen werden müssen. Man hätte Nordrhein-Westfalen verpflichten müssen, in irgendeiner Weise Watenstedt-Salzgitter entgegenzukommen. Das ist von der niedersächsischen Staatsregierung verabsäumt worden. Wir haben das oft genug gesagt.
Wenn hier von dem Abgeordneten Bielig vorhin gesagt wurde, dieses Gebiet sei, wirtschaftlich auf das Erzvorkommen gestützt, nicht unbedingt zu halten, es gäbe Schwierigkeiten, so hat ihm der Herr Arbeitsminister dankenswerterweise darauf eine Antwort gegeben. Ich möchte hinzufügen, daß die Erzgruben im Gebiet Watenstedt-Salzgitter das größte Eisenerzvorkommen in der Mitte Europas überhaupt darstellen und im gemeinsamen Interesse der europäischen Wirtschaft unbedingt im großen Stile ausgenutzt werden müssen. Die Bundesregierung würde eine große Schuld vor der künftigen europäischen Entwicklung auf sich laden, wenn sie nicht alles täte, dieses Erzvorkommen auszunutzen.
Die Planung des Eisenhüttenwerks Watenstedt-Salzgitter erfolgte damals durch die ersten technischen Spezialisten Amerikas und Großbritanniens, die mit Einverständnis ihrer Regierungen bestrebt waren, ein Werk des Friedens bereitzustellen. Wir wissen, daß in diesem Gebiet heute 100 000 und mehr Menschen leben und daß rund 30- bis 40 000 Arbeiter mit ihren Familien ohne eine Erwerbsgrundlage sein werden, wenn hier nicht das Menschenmögliche geschieht, wenn ihnen nicht an diesem Ort, wo sie zum Teil noch in unzerstörten Wohnsiedlungen leben, Arbeit gegeben wird. Eine Umsiedlung dieser Arbeiter in andere Industriegebiete wird auf Jahre hinaus überhaupt nicht möglich sein. Der bestehende Wohnraummangel, das fehlende Kapital sind dem hinderlich und machen es beinahe unmöglich. Es ist hier schon einmal gesagt worden — und ich wiederhole es, auch wenn der Herr Vorredner von der KPD meinte, daß in der Ostzone die Verhältnisse besser seien —, daß Watenstedt-Salzgitter Grenzgebiet ist und daß die Bevölkerung sich in einer ständig steigenden Beunruhigung befindet, die zu den schwersten Bedenken Anlaß gibt. Es könnte dann vielleicht sein, eben weil das Gebiet nahe an der Grenze liegt, daß man dort aus Verzweiflung auch die Worte des Herrn Vorredners von der KPD hören würde.
Die Eisenerzlager im Salzgitter-Gebiet sind Bundeseigentum, und daher trägt der Bund unbedingt die Verantwortung für dieses Gebiet und die Behebung der Notstände, vor allem der sozialen, die in diesem Gebiet entstanden sind. Ob die Regierung hier zu Erfolgen kommt, wird von der ganzen Bevölkerung dort für die Bundesregierung zu einem Prüfstein gemacht werden. Es erscheint daher notwendig, die Hohen Kommissare darauf hinzuweisen, der Einsetzung eines gemischten Ausschusses zuzustimmen, damit gemäß den Zusagen bei den Verhandlungen auf dem Petersberg eine nochmalige Überprüfung hinsichtlich des Salzgitter-Gebietes erfolgen kann. Wir erwarten, daß die Regierung alles tut, damit diese Überprüfung noch einmal stattfinde, bei der neben den wirtschaftlichen auch die besonderen sozialen Probleme erörtert werden müssen. Es muß unbedingt dafür gesorgt werden, daß nur die spezifisch für die Demontage in Frage kommenden Betriebe demontiert werden, die Stahlwerke, Walzstraßen usw., daß aber alle Hallen und die mit ihnen verbundenen Einrichtungen, wie Krananlagen, die Fundamente sowie die Zuleitungen für Gas, Wasser und Dampf erhalten bleiben müssen, damit man dort auch neue Produktionen aufbauen kann.
Eine dieser neuen Produktionsstätten muß auf den nicht demontierten Resten des Stahlwerkes Braunschweig errichtet werden. Dieses Stahlwerk Braunschweig ist für die Bundesbahn in Anspruch genommen. Die Bundesbahn hat für das Jahr 1950 ein Auftragsvolumen von etwa 7 Millionen DM allein für die Stahlwerke Braunschweig vorgesehen. Dadurch könnten über 3000 Arbeiter wieder in Arbeit und Brot gebracht werden, natürlich nur dann, wenn die Demontagen dieser Teile unterbleiben.
Es muß eben von der Bundesregierung — aus ihrer Antwort werden wir es am 31. hören — alles versucht werden, diese Reste zu erhalten und neue Produktionsmöglichkeiten zu schaffen. Es werden sich viele Möglichkeiten ergeben, wenn die Hallen bleiben, und es ist denkbar, daß die Menschen, die man dort nicht wegnehmen kann,
in irgendeiner Form wieder in Arbeit und Brot gebracht werden.
Aber, wie ich schon sagte: der Bund ist Eigentümer. der Anlagen in diesem Gebiet. Er hat von sich aus alles zu tun, um dieses Eigentum auszunutzen und so zu gestalten, daß die Menschen, die dort zusammengebracht worden sind, leben können und hier an der Grenze nicht verderben. Meine Freunde und ich erwarten, daß wir am 31. eine günstige Antwort bekommen, die dahin geht, daß aber auch alles Menschenmögliche getan wird, damit dieses Gebiet Watenstedt-Salzgitter lebensfähig bleibt.