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ID0102800400

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Deutscher Bundestag — 28. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950 859 28. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. Januar 1950. Geschäftliche Mitteilungen . . . . 859D, 898D Schreiben der Fraktion der Deutschen Partei betr. Ausschluß des Abg. Hedler aus der Deutschen Partei . 860A Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 328) und Erste Beratung des Entwurfs eines Richterwahlgesetzes (Antrag der Fraktion der SPD) (Drucksache Nr. 327) . . . . . . 860A Wagner (SPD), Antragsteller . . . 860B Dr. Dehler, Bundesminister der Justiz 863B Dr. Etzel (BP) . . . . . . . . . 864B Dr. Laforet (CSU) 865B Dr. Wahl (CDU) 865C Dr. von Merkatz (DP) . . . 866B, 877A Neumayer (FDP) 867B Dr. Reismann (Z) . . . . . . . 867D Loritz (WAV) 870B Leibbrand (KPD) 872C Dr. Arndt (SPD), Antragsteller . 874B Dr. Bucerius (CDU), zur Geschäftsordnung . . . . . 876A Geschäftsordnungsaussprache betr. Behandlung von Initiativanträgen Dr. Bucerius (CDU) 876B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Beamtenrecht über den Antrag der Abg. Renner und Gen. betr. Aufhebung der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom 1. Dezember 1930 für den Bereich des Bundesgebiets (Drucksachen Nr. 343 und 140) 877B Dr. Wuermeling (CDU), Berichterstatter 877C Schäffer, Bundesminister der Finanzen . . . . . . . 878B, 885A Gundelach (KPD) 879B Arnholz (SPD) 880A Dr. Vogel (CDU) 881B Paschek (WAV) . . . . . . . 882B Pannenbecker (Z) . . . . . . . . 882C Dr. Falkner (BP) 883C, 886D Dr. Nowack (FDP) 884B Frommhold (NR) 885D Erste Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über die Aufhebung der sechsprozentigen Gehaltskürzung nach der ersten Gehaltskürzungsverordnung vom Dezember 1930 für die Verwaltungsangehörigen des Bundesdienstes und der früheren Verwaltung des Vereinigten Wirtschaftsgebietes (Antrag der Fraktion der KPD) (Drucksache Nr. 364) . . . . . . . . 886D Dr. Wellhausen (FDP) (zur Geschäftsordnung) 886D, 887D Renner (KPD) (zur Geschäftsordnung) . . : . . . . 887A, 888B Neumann (SPD) (zur Abstimmung) . 888B Mündlicher Bericht des Ausschusses für Wirtschaftspolitik über den Antrag der Fraktion der FDP betr. Notstandsgebiet Watenstedt - Salzgitter (Drucksachen Nr 362 und 181) 889A Dr. Schröder (CDU), Berichterstatter 889A Storch, Bundesminister für Arbeit 889B, 894B Wackerzapp (CDU) 890A Frau Brökelschen (CDU) . . . . 890D Stegner (FDP) . . . . . . . 891B Dr. Richter (NR) 891D Bielig (SPD) . . . . . . . . 892C Rische (KPD) 895A Farke (DP) . . . . . . . . . 896B a Beratung des Antrags der Fraktion der KPD betr. Einstellung des Verfahrens gegen Angestellte der „Niedersächsischen Volksstimme" (Drucksache Nr. 386) . . . . 897A Kurt Müller (KPD), Antragsteller . . 897B Gengler (CDU) (zur Geschäftsordnung) . . . . . . . . . 898B, D Nächste Sitzung 898D Die Sitzung wird um 14 Uhr 41 Minuten durch den Präsidenten Dr. Köhler eröffnet.
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    Rede von Friedrich Wilhelm Wagner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Fraktion hat zwei Gesetzentwürfe eingebracht, die Ihnen vorliegen, den Gesetzentwurf über das Bundesverfassunsgericht, Drucksache Nr. 328, und den Entwurf eines Richterwahlgesetzes, Drucksache Nr. 327. Ich habe die Ehre, diese beiden Gesetzentwürfe, die innerlich zusammenhängen, im Namen meiner Fraktion kurz zu begründen.
    Der Parlamentarische Rat hat in seinem Grundgesetz bewußt ein Bundesverfassungsgericht vorgesehen und ist dabei von der Idee ausgegangen, daß dieses Bundesverfassungsgericht etwas anderes sein soll, als es der Staatsgerichtshof der Weimarer Republik war. Das Bundesverfassungsgericht sollte Staatsgerichtshof und Verfassungsgericht zugleich sein. Im Abschnitt IX des Bonner Grundgesetzes, der von der Rechtsprechung handelt, wird bereits in Satz 1 das Bundesverfassungsgericht an die Spitze gestellt, und zwar
    wegen seiner besonderen politischen, staatsrechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedeutung. Es heißt in Artikel 92:
    Die rechtsprechende Gewalt ist den Richtern anvertraut; sie wird durch das Bundesverfassungsgericht, durch das Oberste Bundesgegericht - und so weiter —
    ausgeübt.
    Sie sehen: das Bundesverfassungsgericht ist an erster Stelle genannt. Das ist nicht rein zufällig geschehen. Das Bundesverfassungsgericht ist das Gericht, das gerade in einer jungen Demokratie, gerade in einem Staat, der im Begriff ist, sich eine eigene politische Lebensform zu schaffen, von besonderer Bedeutung ist.
    Wir haben in der vergangenen kurzen Zeit unseres Bestehens als Bundestag bereits erlebt, daß es sehr verschiedene Fragen gibt, über die wir in diesem Hause entweder untereinander oder mit der Regierung sehr verschiedener Meinung auf verfassungsrechtlichem Gebiete waren. Das Bundesverfassungsgericht soll der Garant dafür sein, daß alle Organe des Bundes verfassungsmäßig handeln, soll, wenn zwischen den verschiedenen Streitteilen Streit besteht, entscheiden, was verfassungsmäßig Rechtens ist. Ich will nicht im einzelnen auf den Umfang der Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts eingehen, wie er im Artikel 93 und in zahlreichen anderen Artikeln des Grundgesetzes niedergelegt ist, in Artikeln, die Sie als Kenner des Grundgesetzes zweifellos alle sehr genau wissen.
    Diese oberste richterliche Funktion des Bundesverfassungserichts wäre schon jetzt zu erfüllen gewesen, wenn ein solches Bundesverfassungsgericht schon bestanden hätte. Wir haben in diesem Hause von Anfang an einen Erfahrungssatz wieder erleben können, nämlich daß Macht immer dazu reizt, etwas ausgedehnt zu werden, den Satz, daß insbesondere Regierungsmacht dazu anreizt, vergrößert und ausgedehnt zu werden. Wenn das schon im allgemeinen im Wesen jeder Regierung, wie ich glaube, überhaupt liegt, so scheint mir, daß es ganz besonders im Wesen der Regierung Adenauer liegt.

    (Sehr wahr! bei der SPD. — Lachen in der Mitte.)

    Die Erfahrungen, die wir gemacht haben, haben oft zu verfassungsrechtlichen Diskussionen zwischen der Opposition und, sei es der Regierung Adenauer, sei es ihrer Mehrheit in diesem Hause geführt. Es gab sehr ernste Differenzen, die manchmal bis an die Grenze der Verfassungskrise herangereicht haben.

    (Unruhe und Zurufe von den Regierungsparteien: Oho!)

    — Meine Herren, es mag sein, daß Ihnen diese Feststellung etwas überraschend klingt. Ich will nicht nur diese Behauptung aufstellen, sondern ich will an Hand der einzelnen Dinge, die wir erlebt haben, versuchen, diese Behauptung zu belegen.
    Was der größte Teil dieses Hauses fast unbemerkt über sich hat ergehen lassen, das war jene Tatsache, daß in dem Augenblick, als der Hauptstadtausschuß die Frage zu prüfen hatte, ob Bonn oder Frankfurt Hauptstadt werden solle, der Herr Bundeskanzler, als er seiner Sache nicht mehr ganz sicher war, zu einer verfassungsrechtlichen Auslegung ausgeholt hat, die so ungefähr dahin ging, daß die Bundesregierung den Sitz der Organe zu bestimmen habe, auf diese Weise in der Auswirkung auch die Bundeshauptstadt. Ich erinnere mich noch sehr lebhaft


    ( Wagner)

    des Tages, als in einer. Sitzung des Hauptstadtausschusses — es war die letzte — der Herr Bundeskanzler an der Spitze, gefolgt von dem Herrn Bundesfinanzminister und von dem von mir sehr geschätzten Herrn Bundesjustizminister, den Saal betrat. Wir haben jenes Mal eine Auslegung verfassungsrechtlicher Art gehört, von der ich persönlich überzeugt war, daß, wenn der Herr Bundeskanzler, seiner Mehrheit in diesem Hause nicht mehr sicher, von der Auslegung Gebrauch gemacht haben würde, von Regierungs wegen die Hauptstadt zu bestimmen, wir mitten in der Verfassungskrise gewesen wären.

    (Unruhe und Zurufe von den Regierungsparteien.)

    — Meine Damen und Herren, nehmen Sie diese Dinge nicht leicht; wir nehmen sie wirklich auch nicht leicht. Wir wünschen, daß alle diese Differenzen auf dem Wege dieser Verfassung und mit den Mitteln, die sie uns gegeben hat, in einer rechtlichen, verfassungsmäßig einwandfreien Weise gelöst werden.
    Das war nicht der einzige Punkt. Wir haben in diesem Hause zwischen der Mehrheit und der Minderheit Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Artikel 39 Absatz 3 letzter Satz gehabt, der sich mit der Einberufung des Bundestags auf Verlangen von einem Drittel seiner Mitglieder beschäftigt. Da hat es sich um das Recht der Minderheit gehandelt. Wir sind über diese Frage keineswegs einig geworden. Die verfassungsrechtliche Frage steht nach wie vor offen.
    Es ist noch nicht lange her, da haben wir hier eine politische Debatte sehr großen Ausmaßes über die Frage gehabt, ob das Abkommen der Regierung, das sie auf dem Petersberg traf, der Ratifizierung durch dieses Haus bedarf oder nicht. Sie haben die Ausführungen meines Freundes Dr. Kurt Schumacher und die juristischen Darlegungen meines Freundes Dr. Arndt darüber gehört. Wir stehen nach wie vor auf dem Standpunkt, daß dieses Petersberg-Abkommen rechtlich unverbindlich ist, solange es nicht die Ratifikation durch dieses Haus erhalten hat.

    (Zustimmung bei der SPD.)

    Meine Herren, das ist eine verfassungsrechtliche Frage. Diese Frage wird nicht dadurch entschieden, daß Sie mit Mehrheit, durch Händeerheben bestimmen: Ja, dieses Petersberger Abkommen braucht nicht unsere Zustimmung. Durch Händeerheben können Sie verfassungsrechtliche Streitfragen nicht aus der Welt schaffen. Die Meinung, die wir haben, bleibt bestehen; und die Meinung, die wir in diesem Punkt haben, ist sehr begründet. Die Frage ist nicht einfach. Es ist eine Frage von großer allgemeinpolitischer, von großer außenpolitischer Bedeutung. Wir haben gerade in diesem Punkt und in dieser Frage das lebhafte Empfinden, daß die Regierung Adenauer im Be- griff ist, Schritt für Schritt das Parlament mit seinen Rechten zurückzudrängen, seine Allmacht, die ihm auf Grund der Verfassung zusteht, auszuhöhlen und sich in gewissen Dingen selber an die Stelle des Parlaments zu setzen.

    (Unruhe bei den Regierungsparteien. — Abg. Kiesinger: Wir gehören auch zum Parlament!)

    — Natürlich gehören Sie zum Parlament. Deshalb haben Sie genau so wie wir die Aufgabe, dafür zu sorgen, daß das Parlament in seinen Rechten nicht zurückgedrängt wird, sondern daß das Parlament seine Rechte gegenüber der Regierung wahrt, ganz gleich, wie die Regierung heißt. Sie dürfen nämlich eines nicht vergessen: die- Mehrheit in diesem Hause kann einmal eine andere sein.

    (Zuruf in der Mitte: Sicher!)


    (Lebhafte Zustimmung bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Abwarten! — Weitere Zurufe von den Regierungsparteien.)

    - Ja, leider müssen wir abwarten! Wir sind
    sehr ungeduldig. Und wenn Sie darüber lachen, dann scheinen Sie das Thema nicht ganz verstanden zu haben. Das heißt nämlich: abwarten, bis die völlige deutsche Einheit hergestellt ist. Darin sind wir sehr ungeduldig.

    (Beifall bei der SPD. — Abg. Dr. Wuermeling: Wir auch!)

    — Wenn Sie es auch sind, Herr Wuermeling, dann sind wir wie so oft bei den Debatten, die wir früher im Landtag von Rheinland-Pfalz hatten, wieder einmal einig.

    (Abg. Dr. Wuermeling: In dem Punkt ja!)

    — So sagen Sie gewöhnlich!

    (Heiterkeit.)

    Meine Damen und Herren! Es ist für ein Par, lament, das auf seine Rechte hält — und wenn dieses Parlament nicht auf seine Rechte hält, dann brauchen wir keine großen Hoffnungen für die künftige Entwicklung der Demokratie zu haben —, notwendig, daß auch die Mitglieder, die der Mehrheit angehören, eifersüchtig über die Rechte des Parlaments wachen. Denn schließlich soll ja nicht die Mehrheit das Vollzugsorgan der Regierung, sondern die Regierung das Vollzugsorgan der Mehrheit sein.

    (Sehr gut! bei der SPD. — Zuruf von der Mitte: Ist sie auch!)

    — Ich möchte darüber keine unfreundlichen Worte machen.
    Wir haben eine andere Frage, bei der wir in verfassungsrechtlicher Hinsicht sehr verschiedener Meinung sind. Das ist eine Frage, die zunächst nicht sehr wesentlich aussieht, die Frage, ob die Regierung in der Lage ist, eine Benzinpreiserhöhung durch Verordnung vorzunehmen. Wir bestreiten ihr das Recht, und wer hat nun recht?
    Wir haben schließlich das Gesetz über die Gewährung von Straffreiheit vom 31. 12. 1949 geschaffen. Es gab darüber gewisse Schwierigkeiten und Verhandlungen mit den Hohen Kommissaren. Man sagt, daß auf Grund dieser Verhandlungen der Herr Bundesjustizminister mit den Länderjustizministern so eine Art von offiziösem Kommentar an die Staatsanwaltschaften herausgeben wolle, wie dieses Gesetz zu handhaben sei. In dieser Form, wenn die Weisungen an die Staatsanwaltschaften gehen, klingt das absolut einwandfrei. Man wird aber das Empfinden nicht ganz los, daß man mit diesen Weisungen an die Staatsanwaltschaften eine Beeinflussung der Richter bei. der Anwendung und Auslegung dieses Gesetzes über Straffreiheit herbeiführen will. Wir haben den Eindruck, daß man


    (Wagner)

    hier im Begriff ist, den Artikel 97 der Verfassung, der da sagt, die Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, so leicht zu verbiegen. Wir stehen — genau wie Sie selbst, wenn Sie getragen sind von Verfassungsverantwortung und Verantwortungsbewußtsein — all diesen Bestrebungen mit großer Besorgnis und mit großer Wachsamkeit gegenüber und müssen die Möglichkeit haben, hier die Kontrollinstanz anzurufen.

    (Abg. Renner: Parlamentarier oder Richter?)

    — Soweit sind wir noch nicht, Herr Kollege Renner!

    (Abg. Renner: Doch, so weit sind wir!)

    — Jetzt noch nicht bei meinem Thema! Sie können ja dann darüber sprechen!

    (Abg. Renner: Das ist ja ein Witz, was Sie da sagen! Als Sozialist bestimmt!)

    In diesem Hause war gestern eine Debatte, bei der selbst die Frage der Umgehung des Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes, nämlich der Umgehung des Initiativrechts dieses Hohen. Hauses bis zu einem gewissen Grade diskutiert wurde. Ich war in dem Augenblick, als der Herr Kollege von der CDU sprach, nicht im Hause anwesend. Er soll aber nach den Ausführungen des Vertreters der WAV auf den Verfassungsgerichtshof verwiesen haben. Das war eine absolut gesunde Reaktion. Das war das Empfinden, daß, wenn die verschiedenen Teile nicht einig sind, jener Arbiter in Funktion tritt, jenes Verfassungsorgan des Verfassungsgerichtshofes. Ich möchte ja nicht hoffen, daß dieses fundamentale Recht des Bundestags auch auf Umwegen irgendwie etwa angetastet wird. Aber sollte es der Fall sein, dann muß die Möglichkeit bestehen, die
    Mittel, die die Verfassung gibt, anzuwenden, um
    Entscheidungen herbeizuführen, die für alle gültig sind und die die Dinge endgültig bereinigen und erledigen.
    Meine Damen und Herren! Es ist aber nicht nur die Sorge der Opposition um verfassungsrechtlich klare, saubere und einwandfreie Zustände, die uns veranlaßt hat, hier diesen Gesetzentwurf einzubringen. Sie brauchen sich beispielsweise - ohne daß ich dabei die Dinge völlig aufzählen will — nur den Artikel 100 des Grundgesetzes anzusehen. Wenn Sie hier sehen, daß ein Gericht, falls es ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig hält, das Verfahren aussetzen und, falls es sich um eine Verletzung des Grundgesetzes dreht, die Akten an das Bundesverfassungsgericht übersenden muß, um seine Meinung einzuholen, und wenn Sie sich dann vergegenwärtigen, daß ein Bundesverfassungsgericht überhaupt nicht da ist, dann muß man doch den Eindruck haben, daß das ein Zustand ist, der einfach nicht länger dauern kann. Oder sehen Sie sich den Absatz 2 des Artikels 100 an, in dem festgelegt ist, daß, wenn es in einem Rechtsstreit zweifelhaft ist, ob eine Regelung des Völkerrechts Bestandteil des Bundesverfassungsrechts ist — so heißt es hier, obwohl ich glaube, es müßte heißen: Bestandteil des Bundesrechts — und ob sie unmittelbare Rechte und Pflichten für den Einzelnen erzeugt, das Gericht in diesem Falle die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen hat. Sie sehen, daß in all diesen Fragen das Bundesverfassungsgericht außergewöhnliche Bedeutung hat. Ich will nicht auf seine andere Aufgabe eingehen, bei der es mehr die Funktion eines Staatsgerichtshofs erfüllt, wie es in Artikel 61 ausdrücklich dargelegt ist, zum Beispiel die Anklage gegen den Bundespräsidenten wegen vorsätzlicher Verletzung des Grundgesetzes. All das sind Dinge, die dringend die Schaffung dieses Bundesverfassungsgerichtshofes erfordern.
    Lassen Sie mich eine Bemerkung machen. Die Tatsache der Besatzung und die Tatsache der Beschneidung unserer Souveränität hat schon sowieso dafür Sorge getragen, daß zahlreiche Bestimmungen des Grundgesetzes nur auf dem Papier stehen. Vergegenwärtigen Sie sich beispielsweise den Artikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes. Der Artikel 16 Absatz 2 sagt: „Kein Deutscher darf an das Ausland ausgeliefert werden," Und was habe ich vor drei, oder vier Tagen erlebt? Ein Deutscher wird von einer Besatzungsbehörde verhaftet und nach wenigen Tagen in das Land dieser Besatzungsbehörde, in das Ausland, abtransportiert.

    (Hört! Hört! bei der SPD.)

    — Keine Bundesregierung ist gefragt worden, und der Grundsatz: Deutsche dürfen an das Ausland nicht ausgeliefert werden, steht auf dem Papier. Das ist nicht die Frage, die hier materiell zu behandeln ist, das ist aber einer der Fälle, der in besonders drastischer Weise unseren gegenwärtigen verfassungsmäßigen Zustand beleuchtet.
    Diesem Zustand einer Verfassungsverkümmerung, der bei Fortbestehen zur Gefahr einer Verfassungszertrümmerung werden kann, muß wenigstens auf dem Gebiet, auf dem dieses Hohe Haus, wenn es nur will, eingreifen kann, ein Ende gemacht werden. Diesem Ziel dienen unsere Anträge. In ihnen sehen Sie - den wahrhaft konstruktiven Charakter unserer Opposition. Sie können sich, meine Damen und Herren, von uns nicht beschämen lassen, indem Sie weniger konstruktiv sein wollen, als wir es sind. Ich glaube auch nicht, daß die Tatsache, daß wir rascher mit unseren Gesetzentwürfen waren als die Regierung — wahrscheinlich, weil wir einiger sind als sie —,

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Ihren Eifer, wirklich verfassungsmäßige Zustände herzustellen, lähmen wird. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß irgendein anderer Gesichtspunkt, beispielsweise kleinliche politische Konkurrenz, Sie veranlassen könnte, etwa nicht mit uns mit aller Energie an der Schaffung der beiden Gesetze zu arbeiten und damit sofort zu beginnen.
    Meine Damen und Herren! Es bliebe mir noch die Aufgabe, über den konkreten Inhalt der beiden Gesetzentwürfe zu reden. Diese beiden Gesetzentwürfe liegen Ihnen vor. Ich zweifle nicht daran, daß Sie sie mit großer Sorgfalt, wenn Sie sie noch nicht studiert haben sollten, doch noch studieren werden. Sie sehen in diesen Entwürfen über das Bundesverfassungsgericht mit seinen 69 Paragraphen und mit seiner detaillierten Ausarbeitung zwei Hauptteile, deren erster, die §§ 1 bis 13, die Verfassung des Bundesverfassungsgerichts und deren zweiter Teil die Verfahrensordnung enthält. Zunächst bringen wir in den §§ 14 bis 26 allgemeine Verfahrensvorschriften und in den §§ 27 bis 29 die besonderen Verfahrensvorschriften, die eben auf die besondere Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts Bezug haben, wie es in dem Bonner Grundgesetz niedergelegt ist.


    (Wagner)

    Meine Damen und Herren! Bei der ersten Lesung kann es nicht meine Aufgabe sein, konkret und im einzelnen zu all den Bestimmungen, zu dem ganzen Gesetz, Stellung zu nehmen. Ich beantrage, daß die beiden Gesetzentwürfe dem zuständigen Ausschuß für Rechts- und Verfassungswesen überwiesen werden, damit wir sie dort gemeinsam bearbeiten.
    Nur zu dem Geist dieser Gesetzentwürfe eine einzige Bemerkung. Wir haben versucht, ein Gericht zu schaffen, dessen persönliche Zusammensetzung sowohl wie seine Verfahrensregelung die Gewähr dafür bieten, daß die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts mit der inneren Autorität erfolgen, die ein so hohes Gericht braucht und die für unsere im Werden begriffene Demokratie erforderlich ist.
    Kein Zweifel, man kann über diese und jene Frage durchaus verschiedener Meinung sein. Lassen Sie uns, meine Damen und Herren, diese Meinungen austauschen, zunächst im Ausschuß und dann bei den späteren Lesungen im Plenum, und lassen Sie uns gemeinsam ringen um die Erreichung des Zieles: ein Verfassungsgericht zu erhalten, das objektiv ist, über allen Streitteilen steht und seine verantwortungsschweren Entscheidungen mit Weisheit trifft. Je rascher Sie und wir dabei handeln, meine Damen und Herren, desto größer wird unser Dienst an der deutschen Demokratie sein.

    (Händeklatschen bei der SPD.)



Rede von Dr. Erich Köhler
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Meine Damen und Herren! Ich eröffne die Aussprache der ersten Beratung.
Als erster hat sich zum Wort gemeldet Herr Abgeordneter Dr. Etzel. — Herr Abgeordneter Dr. Etzel ist nicht da.
Der Herr Bundesjustizminister hat ums Wort gebeten.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Thomas Dehler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Meine Damen und Herren! Unser Grundgesetz hat in stärkerem Maße, als es irgendeine Verfassung jemals getan hat, unser staatliches, unser politisches und unser gesellschaftliches Leben auf das Fundament des Rechtsstaates aufgebaut. Unser Grundgesetz hat die Aufgabe, dieses Ziel zu erreichen, vornehmlich dem Bundesverfassungsgericht anvertraut.

    (Abg. Renner: Nicht dem Volke!)

    Wir kennen aus unserer Geschichte die hervorragende Bedeutung, die ein solches Gericht hat. leider aus traurigen Erfahrungen. Der Weg der Weimarer Demokratie zum Nationalsozialismus war mitbestimmt durch das Versagen der Verfassungsgerichtsbarkeit der damaligen Zeit. Wir denken an den Konflikt der Regierung Panen mit der preußischen Regierung und stellen mit Betrübnis fest. das damals dieses oberste Verfassungsgericht rechtlich und politisch versagt hat, und wir ermessen daraus die Aufgabe, die diesem Bundesverfassungsgericht obliegt.
    Ich glaube, es war nicht nötig, daß Herr Abgeordneter Wagner die Bedeutung dieses Gerichts und die Eilbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung mit Vorgängen der letzten Zeit motivierte oder daß er damit gar der Regierung Adenauer eine besondere Eigenart in dieser Hinsicht, ich möchte beinahe sagen: anzuhängen versuchte. Meine Damen und Herren, ich möchte doch sagen, daß auch meine Person, die ja dem Herrn Abgeordneten Wagner bekannt ist, eine kleine Garantie dafür sein sollte, daß die Regierung Adenauer niemals den Weg des Rechtes verlassen wird und auch bis jetzt nicht

    (Bravorufe und Händeklatschen bei den Regierungsparteien. — Widerspruch links.)

    Ich glaube nicht, daß die Vorwürfe, die der Herr Kollege Wagner hier zu erheben für nötig hielt, einer Nachprüfung standhalten. Es würde zu weit führen, auf diese einzelnen Dinge einzugehen. Es ist nicht richtig, daß in der Bundeshauptstadtfrage jemals ein Standpunkt vertreten wurde, der das Licht der Öffentlichkeit zu scheuen hätte.

    (Zurufe von der SPD: Na, na!)

    Wir haben niemals ein Gutachten abgegeben — oder uns auch nur dahin geäußert —, daß das Recht des Parlaments zur Bestimmung seines Sitzes angezweifelt werden könnte. ,Über das PetersbergAbkommen haben wir uns ausgesprochen. Ich habe meinen Standpunkt, den ich damals unter starkem Protest des Hauses vertreten habe, nochmals überprüft und halte ihn für richtig.
    Da in diesem Zusammenhang die Vorgänge um das Straffreiheitsgesetz angeschnitten wurden, auch ein Wort dazu. Es ist selbstverständlich, daß die Regierung und ich nicht daran denken, irgendeine Weisung, mittelbar oder unmittelbar, an die Gerichte zu geben. Wenn in der Presse darüber mißverständliche Äußerungen erschienen, dann lassen Sie mich sagen, daß sie nicht gerechtfertigt sind. Auf Wunsch der Hohen Kommissare hat eine Aussprache zwischen mir und den Vertretern der Länder stattgefunden. Ich werde die Motive des Gesetzes, die entscheidenden Materialien den Länderjustizministerien zuleiten, weil diese Materialien notwendige Voraussetzungen zu der Auslegung des Gesetzes sind; mehr geschieht nicht. Darüber können Sie beruhigt sein, daß die Zeit der Richterbriefe, die Zeit der Beeinflussung der Rechtsprechung von der Justizverwaltung her zu Ende ist und in keiner Form wiederkehren wird. Ich glaube, es ist 0 nicht nötig, mit solchen Erwägungen die Dringlichkeit der Gesetze, wie sie jetzt hier in den Anträgen der SPD vorliegen, zu begründen.
    Aber vielleicht doch noch ein Wort zu der Behauptung, daß die Regierung im Begriffe stehe, die Rechte des Parlaments zu verkümmern, sich an die Stelle des Parlaments zu setzen. Oft habe ich das Gefühl, daß eine umgekehrte Betrachtung der Dinge notwendig ist. daß das Parlament nicht erkennt, daß nach dem Willen des Grundgesetzes die Regierung vor allem eine Aufgabe hat: zu handeln, tätig zu sein, zu regieren,

    (Abg. Dr. Schmid: Aber unter Kontrolle!)

    und daß die Regierung es nicht nötig hat, sich in ihren Prärogativen und damit in ihren Pflichten verkümmern zu lassen.
    Der Herr Abgeordnete Wagner hat gesagt, wir würden vergessen, daß die Regierung ein Vollzugsorgan des Parlaments ist. Wir sind kein Vollzugsorgan des Parlaments!

    (Sehr gut! bei den Regierungsparteien.)

    Wir haben unsere eigene Aufgabe und damit unser eigenes Recht. Wir haben die Verfassung auf dem Grundsatz der Teilung der Gewalten aufgebaut. Ihre Aufgabe, meine Damen und Herren, ist in erster Linie die Gesetzgebung; und die Bindung, die wir haben, sind diese Gesetze. Aber unser Recht zum Handeln besteht daneben; und das dürfen Sie glauben, daß wir von diesem Recht, das wir als höchste Pflicht empfinden, Gebrauch machen werden.

    (Händeklatschen bei den Regierungsparteien. — Abg. Dr. Schmid: Der Obrigkeit wird . akklamiert!)



    (Bundesminister Dr. Dehler)

    Meine Damen und Herren! Selbstverständlich war mein Ministerium nicht untätig. Wir haben Gesetzentwürfe sowohl für das Bundesverfassungsgerichtsgesetz wie für das Richterwahlgesetz ausgearbeitet; sie sind bereits zur Kabinettsreife gediehen. Bei unseren letzten Arbeiten haben wir den Entwurf der sozialdemokratischen Fraktion mitberücksichtigt. Er enthält eine Reihe von überaus wertvollen Anregungen. Ich bin an sich bereit, wenn es gewünscht wird, auf die Dinge einzugehen. Nachdem der Herr Kollege Wagner davon abgesehen hat, ist es aber vielleicht nicht zweckmäßig, hier im Rahmen des Plenums diese Einzelfragen zu behandeln. Wir werden in dem Entwurf, der umgehend dem Kabinett vorgelegt und dann dem Bundesrat zugeleitet werden wird, in einer Reihe von Punkten andere Vorschläge zu machen haben. Diese Fragen sind überaus bedeutsam, die Frage der Verfassung, die Frage der Antragsrechte, die Frage der Scheidung der verschiedenen Verfahren.
    Ich habe den Wunsch, daß das Bundesverfassungsgericht am 1. April steht. Ob sich das erfüllen läßt, wird auch davon abhängen, wie sich die Arbeiten in den Ausschüssen beschleunigen lassen. Mein Plan ist, daß am 1. April das obere Bundesgericht für Zivil- und Strafsachen wieder in Tätigkeit sein kann, daß damit unsere gesamte Rechtsprechung wieder die oberste Spitze hat. Mit dem Bundesgerichtshof, wie ich ihn bezeichnen will, soll das Bundesverfassungsgericht verbunden werden.
    Ich bin mit dem Herrn Kollegen Wagner der Meinung, daß diese Entwicklung wichtig und bedeutsam ist. Die politischen Spannungen, die in der letzten Zeit entstanden sind, müssen ein Ventil haben. Das Bundesverfassungsgericht wird die rechtsstaatliche Stelle sein, in der diese Gegensätze ausgetragen werden können. Wenn dieses Bundesverfassungsgericht tätig sein wird, wird, glaube ich, manche Spannung zur Entspannung und mancher Krampf zur Entkrampfung kommen. Was ich tun kann, um die Dinge zu beschleunigen, soll geschehen.
    Ich bin auch durchaus einverstanden, daß die Entwürfe der sozialdemokratischen Fraktion zum Gegenstand der Beratungen in den Ausschüssen gemacht werden. Ich stelle aber anheim zu erwägen, ob es nicht zweckmäßig ist, die Entwürfe der Regierung abzuwarten. Die Verzögerung kann einige Wochen ausmachen, weil der Umweg über den Bundesrat gegangen werden muß. Ich glaube aber, daß sich diese Verzögerung am Ende als nützlich erweisen wird. Es ist nicht so, wie der Herr Kollege Wagner annimmt, daß die SPD-Fraktion deswegen eher zum Erfolg gekommen sei, weil sie einiger sei als die Regierung. Ich darf für mich und für die Arbeit meines Ministeriums in Anspruch nehmen, daß wir vielleicht doch noch um einen Grad umfassender und gründlicher sind. Dieser Vorzug dürfte sich zum Besten der Materie auswirken.

    (Händeklatschen bei den Regierungsparteien.)