Rede von
Dr.
Fritz
Neumayer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Kollege Wagner hat zur Begründung des von der Sozialdemokratischen Partei vorgelegten Gesetzentwurfs eine Reihe von Ausführungen gemacht. die den Eindruck erwecken mußten, als ob die Frage der Berechtigung einer derartigen Institution, wie sie ein Verfassungsgerichtshof darstellt, wirklich einer langen Begründung bedürfe. Ich glaube, niemand in diesem Hause wird die Berechtigung eines Verfassungsgerichtshofs, der zum Hüter der Verfassung berufen ist, bezweifeln. Auch wir von der Freien Demokratischen Partei haben niemals einen Zweifel darüber aufkommen lassen, daß wir selbstverständlich jederzeit dafür eintreten, daß eine unabhängige Instanz geschaffen werden muß, die in der Lage und dazu berufen ist, nachzuprüfen, ob Handlungen oder Entschlüsse oder Gesetzesvorlagen der Verfassung entsprechen oder nicht. Auch wir. sehr verehrter Herr Kollege und Landsmann Wagner, wissen, daß man durch Händeaufheben nicht Recht schaffen kann. Deshalb treten auch wir dafür ein, daß baldigst ein Verfassungsgerichtshof entsteht.
Es ist im Zusammenhang mit dieser Frage gesagt worden, daß sich das Parlament allmählich
gewissermaßen unbewußt — seiner Rechte
berauben lasse. Ich darf hier für meine Fraktion erklären, daß wir diesen Eindruck nicht gehabt haben. Auch wir würden uns dagegen
wehren, daß das Parlament seiner Rechte entkleidet wird. Wir wünschen, daß das Parlament alle Rechte ausübt, die ihm zukommen, aber auch nicht mehr! Wir wünschen auch eine starke Exekutive, die handelt und die nicht in zu große Abhängigkeit von dem Parlament gelangt.
Das Parlament soll die Rechte ausüben, die ihm verfassungsmäßig zukommen.
Wenn wir uns für einen Verfassungsgerichtshof einsetzen und wenn wir auch wünschen, daß der Regierungsentwurf uns bald vorgelegt wird, so wünschen wir vor allem, daß die Richter dieses Verfassungsgerichtshofs wie auch der übrigen in der Verfassung vorgesehenen oberen und obersten Gerichte unabhängig sind. Wir alle, die wir mit der Justiz zu tun haben, haben zu lange und zu schwer darunter gelitten, daß die Unabhängigkeit der Richter beseitigt war. Wir wissen deshalb ihren Wert zu schätzen und wünschen nichts sehnlicher, als daß möglichst bald wieder ein Rechtsstaat erstehe, ein Rechtsstaat, dem die Bevölkerung auch Vertrauen schenken kann. Es wird eine der wichtigsten Aufgaben unseres Parlaments sein, dafür zu sorgen, daß dieses Vertrauen, das uns die Bevölkerung entgegengebracht hat, hier nicht verwirkt wird. Die Unabhängigkeit der Richter ist ein so wichtiges und so weittragendes Problem, daß es ernsthafter Beratungen bedürfen wird, wie dieses Richterwahlgesetz durchzuführen ist. Ich schließe mich hier den Ausführungen meines sehr verehrten Vorredners, des Herrn Professors Dr. Wahl an. daß hier gegen die Vorlage ernste und erhebliche Bedenken bestehen. Wenn die Richter unabhängig sein sollen, dann müssen sie auch politisch unabhängig sein. Jede Wahl durch das Parlament bringt die Gefahr einer gewissen politischen Bindung mit sich, und dieser Gefahr gilt es vorzubeugen. Deshalb werden wir auch dafür eintreten. daß die Vorschlagsliste ausschließlich von dem Herrn Justizminister, eventuell im Benehmen mit den Länderministern vorgelegt wird.
Es würde für uns zu weit führen, wenn der Wahlausschuß selbst eine Vorschlagsliste vorlegen könnte. Die Unabhängigkeit der Richter ist das Fundament, auf dem der Staat steht,
und sie soll bewahrt werden gegenüber der Regierung sowohl als auch gegenüber dem Parlament. Auch hier muß die Unabhängigkeit gewährleistet sein.
Ich will es mir versagen, auf Einzelheiten der beiden Gesetzentwürfe einzugehen. Meine Fraktion stimmt dem Vorschlag auf Überweisung an den Rechtsausschuß als den zuständigen Ausschuß in beiden Fällen zu.